14.01.2013 Aufrufe

download - GMÖ

download - GMÖ

download - GMÖ

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

III. Predigten und Predigtmeditationen 4. Sich erinnern – Versöhnung leben – Zukunft gestalten<br />

oder ohne Vieh erschossen. Ich nehme keine Weiber<br />

und Kinder mehr auf, treibe sie zu ihrem Volk zurück,<br />

oder lasse auf sie schießen. Dies sind meine Worte an<br />

das Volk der Herero. Der große General des mächtigen<br />

Deutschen Kaisers.“ (Spraul, Völkermord, S. 713)<br />

Versöhnung leben<br />

Zu einem Akt der Versöhnung sind immer zwei<br />

nötig: zwei Menschen, zwei Gruppen oder zwei<br />

Völker. Versöhnung steht an, wenn einer als Täter<br />

dem anderen als Opfer Unrecht, Gewalt, Unterdrückung<br />

und Menschenrechtsverletzungen zugefügt<br />

hat. Versöhnung ist nur möglich, wenn beide Seiten<br />

– Täter wie Opfer – bereit sind, sich aufeinander<br />

zu zu bewegen.<br />

Der Täter, indem er seine Untat als Schuld einsieht,<br />

sie anerkennt, sie ausspricht, auf die Knie<br />

fällt (siehe Willi Brandt in Warschau) und bereit ist,<br />

Konsequenzen zu tragen und wo möglich Wiedergutmachung<br />

leistet!<br />

Der Mensch, der zum Opfer wurde, indem er bereit<br />

ist, Wut und Rachegelüste zu überwinden und<br />

die Entschuldigung anzunehmen. Darauf bleibt der<br />

Täter angewiesen.<br />

Durch einen Akt der Versöhnung werden die Untaten<br />

der Vergangenheit nicht einfach gelöscht wie<br />

die Punkte im Bußgeldkatalog von Flensburg. Sind<br />

sie mit der Zeit auch keine offenen Wunden mehr,<br />

so bleiben sie doch als Narben bestehen. Narben<br />

an meinem Körper aber halten die Erinnerung<br />

wach.<br />

Zur Versöhnung ist der Mensch leichter bereit, der<br />

sich bewusst macht, dass er immer wieder auf Versöhnung<br />

und Gnade von Gott angewiesen bleibt.<br />

Versöhnung wird in Gang gesetzt durch ein öffentliches<br />

Bekenntnis der Schuld, wie z.B. in der Erklärung<br />

der Vereinigten Evangelischen Mission zur<br />

Unabhängigkeit Namibias 1990:<br />

„Es hat in der gemeinsamen Geschichte folgenschweres<br />

Fehlverhalten und große Schuld gegeben.<br />

Deutsche, darunter Mitglieder unserer Kirche, haben<br />

sich das Land als Kolonie angeeignet. Die ‚Schutzherrschaft‘<br />

war eine gewaltsame Unterwerfung unter<br />

die deutsche Kolonialherrschaft. Fundamentale Menschenrechte<br />

wurden mit Füßen getreten. Unzählige<br />

Menschen sind ums Leben gekommen. ... Wir schämen<br />

uns dieser Geschichte!“<br />

(In die Welt – für die Welt 26 (1990), Mai/Juni, S. 14)<br />

Wirkliche direkte Versöhnung erleben Menschen<br />

durch Ansprache, Nähe und emotionale Gesten,<br />

wie Handreichung oder Umarmung. Das deutsche<br />

Wort „Versöhnung“ hängt sprachgeschichtlich mit<br />

dem niederländischen Wort „soenen“ zusammen.<br />

Und „soenen“ heißt küssen. Die beiden großen<br />

Versöhnungsgeschichten der Bibel enden je mit<br />

Küssen, Josef und seine Brüder (Genesis 45,15) und<br />

Vater und Sohn (lukas 15,20).<br />

Versöhnung verändert zerstörte Beziehungen, wirkt<br />

gelegentlich wie ein Wunder und eröffnet neue<br />

Möglichkeiten, die Zukunft zu gestalten. Ich denke<br />

an unsere erste Reise 1981 nach Namibia, um die<br />

Partnerschaft mit dem Kirchenkreis Mariental zu eröffnen.<br />

Ich fragte mich, als ich im Flieger saß: Wie<br />

kann das möglich sein? Ich komme als Reicher,<br />

als Weißer und als Deutscher mit dieser Vergangenheit.<br />

Wie könne wir da Partner werden? Und<br />

wir konnten es! Denn unsere fernen Geschwister<br />

haben uns mit großer Herzlichkeit und Gastfreundschaft<br />

aufgenommen und uns umarmt.<br />

Zukunft gestalten<br />

Wer bereit ist, die Schuld der Vergangenheit anzusehen<br />

und einzugestehen, wer Versöhnung<br />

sucht, findet und lebt, der wird in der Gegenwart<br />

offener und sensibler werden gegen jede Spielart<br />

des Rassismus und ihre feinen Variationen, die uns<br />

im Alltag, bei der Arbeit, in der Kirche, in Bus und<br />

Bahnen immer wieder begegnen.<br />

Die Umwandlung der Vereinigten Evangelischen<br />

Mission in eine Gemeinschaft von 34 gleichwertigen<br />

Kirchen ist das richtige Signal und fordert in<br />

der Zukunft weitere Konkretionen vor allem in unserem<br />

Bewusstsein.<br />

„Sharing“ auf allen Ebenen ist seit der ersten<br />

deutsch­namibischen Partnerschafts­Konsultation<br />

in Holmecke 1985 das Schlüsselwort. Sind Ansätze<br />

dazu in den letzten Jahren erkennbar, so stehen<br />

wir doch noch am Anfang, sowohl die geistlichen<br />

wie auch die materiellen Reichtümer wirklich zu<br />

teilen.<br />

Leben wir aus der Versöhnung und den Verheißungen<br />

der Taufe, dann werden wir mit wiederkehrenden<br />

Empfindlichkeiten auf beiden Seiten kritischer<br />

und besser umgehen können. Zum Beispiel auf<br />

unserer Seite mit dem gelegentlichen Ärger über<br />

schleppende Kommunikation, Bettelbriefe, unzureichendes<br />

Management der Kirchenleitung etc.<br />

29

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!