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III. Predigten und Predigtmeditationen 4. Sich erinnern – Versöhnung leben – Zukunft gestalten<br />
4. Sich erinnern – Versöhnung leben<br />
– Zukunft gestalten<br />
Predigtmeditation von Superintendent i.R.<br />
Gerhard Gericke (DüsseldorfOst) zum<br />
Gedenken an Namibia ein Jahrhundert nach<br />
dem deutschnamibischen Krieg 1904 mit<br />
Textbezug zu Galater 3, 26-29<br />
Vorbemerkungen<br />
a. Mein erster Gedanke beim Thema „Namibia<br />
1904 – Genozid an den Herero“: Das kann zu<br />
Abwehrreaktionen bei den Gottesdienstbesuchern<br />
und besucherinnen führen. Land und Krieg sind<br />
fern. Die Ereignisse um 1904 weitgehend unbekannt.<br />
Andere Themen unserer unseligen Vergangenheit<br />
beschäftigen uns heute mehr. Heiß diskutiert<br />
wird zur Zeit ein „Zentrum für Vertreibungen“. Das<br />
Schicksal der Zwangsarbeiter und arbeiterinnen<br />
Erinnerungen an den<br />
Krieg sind immer noch<br />
lebendig<br />
1943/45 – auch in der Evangelischen Kirche – ist<br />
erst in den letzten Jahren angepackt worden. Wie<br />
überhaupt die Verarbeitung von NaziZeit und Holocaust<br />
kein Ende findet, wie zahlreiche Dokumentarsendungen<br />
im Fernsehen zeigen, oft zur besten<br />
Sendezeit.<br />
Unter den Predigthörern und hörerinnen rechne<br />
ich mit solchen, die laut oder leise dafür plädieren,<br />
endlich einen Schlussstrich zu ziehen und damit<br />
aufzuhören, dass die Deutschen immer die Schuldigen<br />
sind. Um diese Reaktionen möglichst nicht<br />
aufkommen zu lassen, möchte ich das Hinsehen<br />
in die Vergangenheit der Deutschen einbetten in<br />
die heute bestehenden Beziehungen zur Kirche in<br />
Namibia und in die 100 Jahre dazwischen. Heute<br />
nennen wir uns Partner und sind es geworden!<br />
Gott sei Dank!<br />
In den 100 Jahren ist sowohl in Namibia wie in<br />
Deutschland vieles anders geworden, doch dürfen<br />
die Untaten der Vergangenheit dadurch nicht ver<br />
harmlost werden. „Denn der deutsche Kolonialismus<br />
in Südwestafrika ist gekennzeichnet durch Brutalität,<br />
Ausbeutung und Unterdrückung. Die Legende von der<br />
‚guten deutschen Zeit’ ist eine Lüge.“ (de Vries, Namibia,<br />
S. 220)<br />
„Kolonisation und Mission haben das Menschenbild<br />
der Namibianer verändert. Diese sind in sich gespalten<br />
und entwurzelt worden. ... Dieser zerrissene<br />
Mensch ist auf der Suche nach einer eigenen, einheitlichen<br />
namibianischen Identität und Einzigartigkeit.“<br />
(Nakamhela, Seelsorge-Ausbildung, S. 2)<br />
b. Den Gottesdienst stelle ich mir nicht als reinen<br />
Bußgottesdienst vor, wie er bereits 1977, im 150.<br />
Jahr der Vereinigten Evangelischen Mission, in<br />
Wuppertal gefeiert wurde. Doch Bausteine daraus<br />
wie das Bekenntnis (s. S. 35) lassen sich mit entsprechenden<br />
Veränderungen gut übernehmen.<br />
Die Zielvorstellung eines Gottesdienstes im Gedenkjahr<br />
2004 sehe ich primär in einem Dreischritt:<br />
Sich erinnern – Versöhnung leben – Zukunft gestalten<br />
Der biblisch-theologische Bezug<br />
a. Der Entwurf von Horst Kannemann mit dem<br />
Bezug zu Genesis 32-33 erscheint mir nur bedingt<br />
möglich. Beim genauen Hinsehen ist der biblische<br />
Text nicht geeignet, weil die JakobEsauGeschichte<br />
einen anderen Hintergrund hat als die des Kolonialismus<br />
und Rassismus in der Geschichte Namibias.<br />
Wir haben nicht den Segen des Jakob.<br />
b. Ich finde den christologisch begründeten und<br />
direkteren Bezug zur Überwindung von Fremdheit,<br />
Standesdenken und Rassismus geeigneter in dem<br />
Abschnitt Galater 3, 26-29.<br />
„Denn ihr seid alle durch den Glauben Gottes Söhne<br />
und Töchter in Jesus Christus. Denn ihr alle, die ihr<br />
auf Christus getauft seid, habt Christus angezogen.<br />
Hier ist nun nicht mehr Jude noch Grieche. Hier ist<br />
nicht Sklave noch Freier. Hier ist nicht Mann noch<br />
Frau. Ihr seid allesamt eins in Jesus Christus“, Gottes<br />
freie Menschen!<br />
Ich erinnere mich an eine sehr frühe Begegnung<br />
mit einem Namibianer aus dem Partnerkirchenkreis,<br />
als wir darüber nachdachten, was uns verbindet.<br />
Er sagte: „Es ist doch eigentlich ganz einfach.<br />
Wir hier in Namibia sind getauft. Ihr in Deutschland<br />
seid getauft. Also gehören wir zusammen!“<br />
Dies EinsSein in Christus schließt nicht aus, son<br />
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