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Das Benninger Ried (PDF) - Regierung von Schwaben - Bayern

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18<br />

DIE RIEDKAPELLE „ZUM HOCHWÜRDIGEN GUT“<br />

Wer kennt sie nicht, die Kapelle im<br />

<strong>Ried</strong> bei Benningen, ursprünglich<br />

auch ,,Heiligblutkapelle“ genannt.<br />

Die meisten haben gewiss auch<br />

schon <strong>von</strong> der Wundergeschichte<br />

gehört, die den Anlass zu ihrer<br />

Erbauung gegeben haben soll. Wer<br />

die <strong>Ried</strong>kapelle selbst schon betreten<br />

hat, hat vielleicht auch die<br />

Gemäldetafeln betrachtet, welche<br />

die Vorgänge darstellen. Bei den<br />

Gemäldetafeln handelt es sich um<br />

Originale (Kopien sind im Kaisersaal<br />

in der Basilika Ottobeuren zu<br />

sehen) aus dem 16. Jahrhundert,<br />

die <strong>von</strong> dem Memminger Maler<br />

Johann Friedrich Sichelbein ortsgetreu<br />

angefertigt wurden. Wenige<br />

aber werden sich die Mühe gemacht<br />

haben, die Einzelheiten der<br />

ganzen Überlieferung zu lesen.<br />

Ob es sich bei den Überlieferungen<br />

evtl. nur um eine fromme Volkssage<br />

am Ende des Mittelalters handelt,<br />

vermag niemand zu deuten.<br />

Aber auch Sagen haben meist<br />

einen wahren Kern.<br />

Zurzeit <strong>von</strong> Kaiser Friedrich II<br />

(1220–1250), gab es in Benningen<br />

zwei Mühlen, die Obere Mühle<br />

(Oberer Müller) und die Untere<br />

Mühle (Unterer Müller). Der Obere<br />

Müller war ein gläubiger Mann<br />

und hatte viele Mahlkunden. Sein<br />

Nachbar, der Untere Müller, hatte<br />

nur wenige Mahlkunden. Von<br />

Neid erfüllt überlegte er wie er<br />

seines Nachbarn guten Ruf untergraben<br />

könne. Als der Untere Müller<br />

am Gründonnerstag 1215 in der<br />

Dorfkirche St. Peter und Paul das<br />

letzte Abendmahl empfangen hat-<br />

Hostienwunder<br />

<strong>Ried</strong>müller<br />

DIE RIEDKAPELLE<br />

„ZUM HOCHWÜRDIGEN GUT“<br />

Heiliges Heiltum<br />

Kapellenweber<br />

te, nahm er die heilige Hostie wieder<br />

aus dem Mund, wickelte sie in<br />

ein Tuch und trug sie mit sich nach<br />

Hause. Daheim legte er die Hostie<br />

in einen Becher und ging unter<br />

einem Vorwand in der Nacht des<br />

Gründonnerstags heimlich zur<br />

Oberen Mühle um dort die heilige<br />

Hostie unter den Mahlstein zu<br />

legen. Nun erhoffte er, dass dem<br />

Oberen Müller viel Unglück geschehe.<br />

Dort lag aber die heilige<br />

Hostie fast ein Jahr unberührt und<br />

unentdeckt. Inzwischen aber geriet<br />

dem Oberen Müller alles noch<br />

besser und glücklicher, worüber<br />

der Untere Müller noch neidischer<br />

wurde. An Gründonnerstag,<br />

12. März 1216 schlich er sich erneut<br />

in die Obere Mühle und platzierte<br />

die heilige Hostie noch besser<br />

unter den Mühlstein. Dann ging<br />

der Untere Müller in listiger Art zu<br />

vielen Leuten und behauptete,<br />

dass bei seinem Nachbar etwas<br />

nicht stimme und evtl. eine frevelhafte<br />

Tat vorliege. Ja, er bot sich<br />

selbst zum Untersuchen an. Die<br />

törichten Leute schenkten ihm<br />

Glauben, gingen mit ihm zur Mühle.<br />

Als er die Hostie erblickte rief<br />

er mit lauter Stimme: Kommet und<br />

sehet die Stelle, an der der Herr<br />

liegt, den der Wirt dieses Hauses<br />

hier verbarg, damit die Leute zu<br />

ihm kämen. Da hörte man sogleich<br />

in dem ganzen Hause Stimmen rufen:<br />

Hier werde ich, das höchste<br />

Gut, zermahlen. Die umstehenden<br />

Dorfbewohner, <strong>von</strong> großem Schrecken<br />

erfüllt, machten zunächst Anzeige<br />

beim Vorsteher (Ammann)<br />

des Dorfes und dieser anschlie-<br />

ßend beim Ortspfarrer. Sogleich<br />

machte sich der Ortspfarrer in<br />

priesterlichem Gewand und Korporale<br />

zusammen mit Ministranten<br />

und Dorfbewohner auf, um an den<br />

Ort des Geschehens zu eilen. Schon<br />

auf dem halben Wege kam ihnen<br />

der Untere Müller mit Becher und<br />

Hostie entgegen. Der Pfarrer nahm<br />

die heilige Hostie aus dem Becher,<br />

legte sie auf sein Korporale und<br />

nun sah man das erste mal Blut aus<br />

der Hostie fließen, das über die<br />

Hände des Priesters lief. Der Pfarrer<br />

trug die hl. Hostie in die Pfarrkirche<br />

und bewahrte sie beim<br />

Altare auf.<br />

<strong>Das</strong> Ereignis beim Oberen Müller<br />

in Benningen gelangte schnell bis<br />

nach Memmingen. Als die Geistlichkeit<br />

und das Volk in Memmingen<br />

<strong>von</strong> dem Geschehen hörten,<br />

gingen sie in Scharen hinaus um<br />

das heilbringende Sakrament zu<br />

sehen. Bald darauf kam der Pfarrer<br />

der Stadt Memmingen zusammen<br />

mit der Geistlichkeit und brachte<br />

mit Genehmigung des Herrn Abtes<br />

jene wundersame Hostie mit den<br />

größten Ehren in die Stadt und in<br />

die Pfarrkirche St. Martin, als den<br />

meist besuchten Ort. Als im Verlaufe<br />

der Zeit dort viele Wunder<br />

geschahen, kam der Augsburger<br />

Bischof Siegfried III (1208-1227)<br />

nach Memmingen, um das höchste<br />

Gut zu besichtigen. Als er die<br />

Hostie in seine Hände nahm, färbte<br />

das daraus fließende Blut ebenfalls<br />

seine Finger. Anschließend wurde<br />

die Hostie in eine Monstranz eingeschlossen.<br />

Im Jahre 1146 fand<br />

dieses Hostienwunder in der<br />

,,Kimpelschen Chronik“ noch einmal<br />

eine besondere Erwähnung.<br />

Am St. Urbans-Tag (2. April) fiel<br />

ein Kind beim Augustiner Kloster<br />

in den Bach. Leblos wurde es am<br />

Rechen der Mühle geborgen und<br />

in die St. Martinskirche gebracht.<br />

Dort wurde es mit dem Heiligtum<br />

berührt, worauf das Kind wieder<br />

zu schreien und zu atmen begann.<br />

Es steht fest, dass die Memminger<br />

St. Martinskirche eine als wunder-<br />

wirkend geltende Hostie barg, die<br />

man das „Heilige Heiltum“ nannte<br />

und zu dem viele Wallfahrten stattfanden.<br />

Auch ist nicht zu bezweifeln,<br />

dass dieses Heiltum bis zur<br />

Einführung der Reformation alljährlich<br />

am 12.März (Gregoriustag)<br />

in feierlichem Umzug innerhalb<br />

und außerhalb der Stadt umher getragen<br />

wurde. Nach dem Chronist<br />

Feyerabend ist das Heiltum nach<br />

der Reformation verschwunden.<br />

Nach Ehrharts Beschreibung der<br />

Martinskirche soll die Hostie an<br />

einer heute unbekannten Stelle der<br />

Kirche eingemauert worden sein.<br />

An der Stelle wo die Obere Mühle<br />

stand, bzw. erstmals Blut aus der<br />

hl. Hostie geflossen sein soll, wurde<br />

durch das Kloster Ottobeuren<br />

im Jahre 1218 eine Kapelle errichtet.<br />

Auftraggeber soll Abt Konrad I<br />

gewesen sein. <strong>Das</strong> Kirchlein war<br />

in der Folgezeit nicht nur den Einflüssen<br />

der Witterung ausgesetzt,<br />

sondern auch <strong>von</strong> den politischen<br />

Umwälzungen berührt. So strahlt<br />

sie im Sommer 1525 einige Wochen<br />

lang im Lichte der Wachtfeuer der<br />

aufständischen Allgäuer Bauern im<br />

Bauernkrieg. In der Folgezeit zerfiel<br />

das Kirchlein allmählich. Abt<br />

Gallus Memminger in Ottobeuren<br />

ließ das Kirchlein im Jahre 1586<br />

aus eigenen Mitteln reparieren. Im<br />

Dreißigjährigen Krieg (1618–1648)<br />

wo jeder in Stadt und Land und<br />

auch der Abt <strong>von</strong> Ottobeuren mit<br />

sich selbst zu tun hatte, nahm sich<br />

niemand des Kirchleins an, sodass<br />

es wieder verfiel. Im Jahre 1674<br />

wurde die <strong>Benninger</strong> <strong>Ried</strong>kapelle<br />

<strong>von</strong> Abt Benedikt Hornstein (1672–<br />

1688) aus Mitteln des Klosters<br />

<strong>von</strong> Grund auf neu aufgebaut.<br />

Der Architekt, so die Vermutung,<br />

könnte Christoph Vogt <strong>von</strong> Dietenheim<br />

gewesen sein, der später die<br />

Pfarrkirchen in Benningen und<br />

Ungerhausen, sowie die Buschelkapelle<br />

baute. 1674 war die Kapelle<br />

beträchtlich kürzer als heute. Der<br />

Anbau der Empore dürfte Anfang<br />

1700 geschehen sein. Farbenprächtig<br />

und überaus reichhaltig an Verzierungen<br />

ist die Holzdecke. In<br />

den 48 Feldern der Langhausdecke<br />

sind Bilder des späten 17. Jahrhunderts<br />

zu sehen. In der Mitte befindet<br />

sich das zentrale Reliefbild mit<br />

Engeln und den vier Evangelisten.<br />

Schon während der Bauzeit der<br />

Kapelle im Jahre 1674 dachte man<br />

an die Einführung einer Bruderschaft<br />

zu Ehren des allerheiligsten<br />

Sakramentes. Die Genehmigung<br />

zur Errichtung einer Bruderschaft<br />

wurde <strong>von</strong> Bischof Johann Christoph<br />

am 4. Oktober 1679 erteilt.<br />

Dem Bund gehörten einst 15 Männer<br />

und 15 Frauen an. Die Männer<br />

trugen bei sakramentalen Prozessionen<br />

oder bei Beerdigungen Bruderschaftsstäbe<br />

mit Mäntelchen,<br />

die Frauen Bruderschaftsschilde<br />

mit Kerzen. Die 15 Bruderschaftsstangen<br />

sind beidseitig bemalt und<br />

zeigen 18 Szenen des <strong>Benninger</strong><br />

Hostienwunders sowie eucharistische<br />

Darstellungen.<br />

Im 18. Jahrhundert konnte die<br />

Kapelle aus den Opferstockeinnah-<br />

men und den Gaben der vielen<br />

Wallfahrter unterhalten werden.<br />

Zur Zeit der Säkularisation 1803<br />

wäre die Kapelle auf Abbruch versteigert<br />

worden, wenn nicht die<br />

Gemeinde Benningen die Kapelle<br />

gekauft hätte. Danach beschränkte<br />

man sich darauf, die Kapelle in ihrem<br />

baulichen Zustand zu erhalten.<br />

Glücklicherweise wurde nicht<br />

viel restauriert. Lediglich das so<br />

gut zum Innenraum passende rote<br />

Ziegelpflaster wurde entfernt und<br />

durch Solnhofer Platten ersetzt.<br />

Im 1. Weltkrieg musste die Kapelle<br />

eine Glocke als Kontribution hergeben.<br />

Die letzte große Renovierung<br />

konnte dank der hervorragenden<br />

Beteiligung der Bürger<br />

zwischen 1984 und 1987 durch die<br />

Gemeinde Benningen durchgeführt<br />

werden. Die Einweihung war<br />

am 17. Juni 1987. <strong>Das</strong> Gebäude neben<br />

der Kapelle ist das so genannte<br />

Mesnerhaus. Es stammt vermutlich<br />

aus dem 18. Jahrhundert. Anfangs<br />

wohnte dort ein Einsiedler, später<br />

ein Weber, (Kapellenweber) der im<br />

Nebendienst die Mesnerei versah.<br />

Anfang des letzten Jahrhunderts<br />

bis 1972 waren dort eine kleine<br />

Landwirtschaft und eine Schmiede<br />

untergebracht. Im Jahre 1993 erwarb<br />

die Gemeinde Benningen das<br />

Mesnerhaus (Bild unten) <strong>von</strong> der<br />

Familie Sälzle. Am 9. Juni 1998<br />

wurde der ,,Förderverein <strong>Benninger</strong>-<strong>Ried</strong>-Museum“<br />

gegründet. Der<br />

Verein möchte in den kommenden<br />

Jahren aus dem Gebäude ein Dorfund<br />

<strong>Ried</strong>museum machen.<br />

19<br />

GEORG FREHNER

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