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Das Benninger Ried (PDF) - Regierung von Schwaben - Bayern

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54<br />

INTERVIEW MIT DR. REINHARD GERECKE<br />

1<br />

MB: Sie müssen also mit feinsten<br />

Instrumenten arbeiten?<br />

RG: Ja, aber das ist Routine, das<br />

kann eigentlich jeder, das ist nur<br />

eine Frage der Geduld. In einem<br />

Gebiet wie dem <strong>Benninger</strong> <strong>Ried</strong><br />

stößt man natürlich auf Arten, die<br />

wenig bekannt sind. Man muss<br />

dann prüfen, ob es sich wirklich<br />

um eine eigene Art handelt und<br />

sie gegebenenfalls nachbeschreiben.<br />

Dazu muss man sich Präparate<br />

aus Museen beschaffen oder hin-<br />

fahren, weil die Leute im Museum<br />

vielleicht gar nicht wissen, was sie<br />

haben – das kann man angesichts<br />

der in solchen Institutionen gelagerten<br />

Materialfülle gar nicht<br />

anders erwarten. Dann muss man<br />

anhand dieser alten Präparate Vergleichsmessungen<br />

machen – eine<br />

Arbeit zieht oft weitere Arbeit nach<br />

sich.<br />

MB. In der Botanik gibt es die Bayerische<br />

Botanische Staatssammlung mit<br />

fast drei Millionen Proben, mit denen<br />

man die eigenen Funde vergleichen<br />

kann. Gibt es ähnliche zoologische<br />

Vergleichssammlungen?<br />

RG. Ja. Die Zoologische Staatssammlung<br />

in München ist eine der<br />

wichtigsten in Mitteleuropa. Aber<br />

nicht für die Wassermilben, die<br />

vorwiegend in Basel, Frankfurt,<br />

Stockholm oder Berlin zu finden<br />

sind – auch die bayerischen.<br />

MB: Sie haben es schon anklingen lassen:<br />

im Vergleich zur Nacharbeit ist<br />

die Zeit draußen in der Natur schön,<br />

aber kurz?<br />

RG: Ein Gebiet, das man schon<br />

gut kennt, lässt sich auch im Labor<br />

schneller bearbeiten. Aber bei<br />

einem neuem Gebiet muss man<br />

vorsichtig sein und die Ergebnisse<br />

immer wieder hinterfragen. Da<br />

bedeutet eine Stunde im Gelände<br />

etwa zehn Stunden Nacharbeit im<br />

Labor.<br />

MB: Noch einmal zurück zu Museen<br />

und Sammlungen: Naturhistorische<br />

Sammlungen werden heute oft als verstaubt<br />

angesehen und wie Stiefkinder<br />

behandelt. Während kulturhistorische<br />

Museen nach neuesten museumspädagogischen<br />

Gesichtspunkten gestaltet<br />

werden, führen die naturkund-<br />

lichen Sammlungen oft ein Schattendasein<br />

– ein drohender Verlust für die<br />

Wissenschaft?<br />

RG. Ich glaube, dass viele Leute<br />

sich nicht im Klaren darüber sind,<br />

dass ein naturhistorisches Museum<br />

aus zwei Teilen besteht: man<br />

kommt rein, sieht die Vitrinen,<br />

vielleicht auch die museumspädagogische<br />

Präsentation. Man<br />

weiß oft nicht, dass sich dahinter<br />

riesige Flure verbergen mit Schränken<br />

voller Schachteln und Gläser,<br />

in denen Tiere aufbewahrt sind,<br />

die eigentlich den Hauptbestand<br />

eines solchen Museums ausmachen.<br />

Es gab eine Zeitlang eine Art<br />

Wettbewerb zwischen verschiedenen<br />

Ländern bei der Anlage naturhistorischer<br />

Sammlungen. Mit<br />

den neuen Möglichkeiten des Sammelns<br />

und Verwaltens <strong>von</strong> solchem<br />

Material sind die Möglichkeiten<br />

solcher Dokumentation<br />

enorm erweitert. Aber gleichzeitig<br />

wird das Personal immer mehr reduziert<br />

– es ist z.B. schon so, dass<br />

manche Museen die Insekten, die<br />

dorthin kommen, zum Präparieren<br />

ins Ausland schicken, weil sie<br />

selber keine Präparatoren mehr<br />

haben. <strong>Das</strong> führt dazu, dass viele<br />

Sachen nur aufgehäuft werden und<br />

deswegen auch nicht beurteilt<br />

2 3 4<br />

werden können: man weiß nicht<br />

recht, was man da alles hat. Man<br />

bräuchte nicht weniger, sondern<br />

doppelt so viele Leute.<br />

MB: Damit sind wir wieder beim<br />

Grundproblem: welchen Wert messen<br />

wir der Artenkenntnis bei und wer<br />

bezahlt die Forschungen?<br />

RG: Wir können hier zum <strong>Benninger</strong><br />

<strong>Ried</strong> zurückkommen. Die Bearbeitung<br />

der Fauna ist in diesem<br />

Fall bezahlt worden, was nicht<br />

selbstverständlich ist. Hier hat sich<br />

die Wasserwirtschaftsverwaltung<br />

engagiert und Mittel verfügbar gemacht.<br />

Andererseits konnte sie<br />

darauf rechnen, dass die beteiligten<br />

Leute aus Begeisterung für<br />

die Sache weit über’s Ziel hinaus<br />

schießen – das kann man eigentlich<br />

immer, wenn interessante Gebiete<br />

untersucht werden – und so gab es<br />

ein sehr positives Wechselspiel: es<br />

hat sich ausgesprochen gelohnt. Es<br />

werden sicher noch weitere Untersuchungen<br />

folgen, weil Fragen offen<br />

geblieben sind. Und vor allem<br />

sollte man die Chance nutzen: wir<br />

haben eine Kenntnisplattform geschaffen<br />

und in zehn oder zwanzig<br />

Jahren könnte man untersuchen,<br />

welche Änderungen eintreten und<br />

sich Gedanken darüber machen,<br />

woher die kommen. Und wenn<br />

sich bedenkliche Entwicklungen<br />

aufzeigen, auch versuchen, die Ursachen<br />

für solche Veränderungen<br />

zu bekämpfen.<br />

MB: Und die Untersuchungen im<br />

<strong>Benninger</strong> <strong>Ried</strong> zeigen, dass sich auch<br />

vor der Haustür spannende Entdeckungen<br />

machen lassen?<br />

RG. Ja. Es gibt ganze Tiergruppen,<br />

die deutschlandweit sehr, sehr<br />

schlecht bekannt sind, es gibt<br />

Gruppen, die nie richtig bearbeitet<br />

worden sind – gerade über Quellen<br />

und kleine Fließgewässer hat<br />

man bisher noch sehr geringe<br />

Kenntnisse. Es gibt noch viel zu<br />

entdecken, aber leider wird auf<br />

unserem Forschungsgebiet der<br />

Nachwuchs nicht angemessen<br />

gefördert. Ein Problem ist wohl,<br />

dass angehende Wissenschaftler<br />

mit Molekularbiologie sicherer<br />

Geld verdienen können als mit der<br />

Erfassung <strong>von</strong> Arten in der Natur.<br />

Aber ich finde, wir müssen wissen,<br />

was um uns herum los ist.<br />

Bild 1: Zikadensammlung<br />

Bild 2: Präparationsbesteck des<br />

Entomologen<br />

Bild 3: Präparatekasten<br />

Bild 4: Vergleichspräparate<br />

55<br />

MARIANNE BITSCH

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