Das Benninger Ried (PDF) - Regierung von Schwaben - Bayern
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INTERVIEW MIT DR. REINHARD GERECKE<br />
1<br />
MB: Sie müssen also mit feinsten<br />
Instrumenten arbeiten?<br />
RG: Ja, aber das ist Routine, das<br />
kann eigentlich jeder, das ist nur<br />
eine Frage der Geduld. In einem<br />
Gebiet wie dem <strong>Benninger</strong> <strong>Ried</strong><br />
stößt man natürlich auf Arten, die<br />
wenig bekannt sind. Man muss<br />
dann prüfen, ob es sich wirklich<br />
um eine eigene Art handelt und<br />
sie gegebenenfalls nachbeschreiben.<br />
Dazu muss man sich Präparate<br />
aus Museen beschaffen oder hin-<br />
fahren, weil die Leute im Museum<br />
vielleicht gar nicht wissen, was sie<br />
haben – das kann man angesichts<br />
der in solchen Institutionen gelagerten<br />
Materialfülle gar nicht<br />
anders erwarten. Dann muss man<br />
anhand dieser alten Präparate Vergleichsmessungen<br />
machen – eine<br />
Arbeit zieht oft weitere Arbeit nach<br />
sich.<br />
MB. In der Botanik gibt es die Bayerische<br />
Botanische Staatssammlung mit<br />
fast drei Millionen Proben, mit denen<br />
man die eigenen Funde vergleichen<br />
kann. Gibt es ähnliche zoologische<br />
Vergleichssammlungen?<br />
RG. Ja. Die Zoologische Staatssammlung<br />
in München ist eine der<br />
wichtigsten in Mitteleuropa. Aber<br />
nicht für die Wassermilben, die<br />
vorwiegend in Basel, Frankfurt,<br />
Stockholm oder Berlin zu finden<br />
sind – auch die bayerischen.<br />
MB: Sie haben es schon anklingen lassen:<br />
im Vergleich zur Nacharbeit ist<br />
die Zeit draußen in der Natur schön,<br />
aber kurz?<br />
RG: Ein Gebiet, das man schon<br />
gut kennt, lässt sich auch im Labor<br />
schneller bearbeiten. Aber bei<br />
einem neuem Gebiet muss man<br />
vorsichtig sein und die Ergebnisse<br />
immer wieder hinterfragen. Da<br />
bedeutet eine Stunde im Gelände<br />
etwa zehn Stunden Nacharbeit im<br />
Labor.<br />
MB: Noch einmal zurück zu Museen<br />
und Sammlungen: Naturhistorische<br />
Sammlungen werden heute oft als verstaubt<br />
angesehen und wie Stiefkinder<br />
behandelt. Während kulturhistorische<br />
Museen nach neuesten museumspädagogischen<br />
Gesichtspunkten gestaltet<br />
werden, führen die naturkund-<br />
lichen Sammlungen oft ein Schattendasein<br />
– ein drohender Verlust für die<br />
Wissenschaft?<br />
RG. Ich glaube, dass viele Leute<br />
sich nicht im Klaren darüber sind,<br />
dass ein naturhistorisches Museum<br />
aus zwei Teilen besteht: man<br />
kommt rein, sieht die Vitrinen,<br />
vielleicht auch die museumspädagogische<br />
Präsentation. Man<br />
weiß oft nicht, dass sich dahinter<br />
riesige Flure verbergen mit Schränken<br />
voller Schachteln und Gläser,<br />
in denen Tiere aufbewahrt sind,<br />
die eigentlich den Hauptbestand<br />
eines solchen Museums ausmachen.<br />
Es gab eine Zeitlang eine Art<br />
Wettbewerb zwischen verschiedenen<br />
Ländern bei der Anlage naturhistorischer<br />
Sammlungen. Mit<br />
den neuen Möglichkeiten des Sammelns<br />
und Verwaltens <strong>von</strong> solchem<br />
Material sind die Möglichkeiten<br />
solcher Dokumentation<br />
enorm erweitert. Aber gleichzeitig<br />
wird das Personal immer mehr reduziert<br />
– es ist z.B. schon so, dass<br />
manche Museen die Insekten, die<br />
dorthin kommen, zum Präparieren<br />
ins Ausland schicken, weil sie<br />
selber keine Präparatoren mehr<br />
haben. <strong>Das</strong> führt dazu, dass viele<br />
Sachen nur aufgehäuft werden und<br />
deswegen auch nicht beurteilt<br />
2 3 4<br />
werden können: man weiß nicht<br />
recht, was man da alles hat. Man<br />
bräuchte nicht weniger, sondern<br />
doppelt so viele Leute.<br />
MB: Damit sind wir wieder beim<br />
Grundproblem: welchen Wert messen<br />
wir der Artenkenntnis bei und wer<br />
bezahlt die Forschungen?<br />
RG: Wir können hier zum <strong>Benninger</strong><br />
<strong>Ried</strong> zurückkommen. Die Bearbeitung<br />
der Fauna ist in diesem<br />
Fall bezahlt worden, was nicht<br />
selbstverständlich ist. Hier hat sich<br />
die Wasserwirtschaftsverwaltung<br />
engagiert und Mittel verfügbar gemacht.<br />
Andererseits konnte sie<br />
darauf rechnen, dass die beteiligten<br />
Leute aus Begeisterung für<br />
die Sache weit über’s Ziel hinaus<br />
schießen – das kann man eigentlich<br />
immer, wenn interessante Gebiete<br />
untersucht werden – und so gab es<br />
ein sehr positives Wechselspiel: es<br />
hat sich ausgesprochen gelohnt. Es<br />
werden sicher noch weitere Untersuchungen<br />
folgen, weil Fragen offen<br />
geblieben sind. Und vor allem<br />
sollte man die Chance nutzen: wir<br />
haben eine Kenntnisplattform geschaffen<br />
und in zehn oder zwanzig<br />
Jahren könnte man untersuchen,<br />
welche Änderungen eintreten und<br />
sich Gedanken darüber machen,<br />
woher die kommen. Und wenn<br />
sich bedenkliche Entwicklungen<br />
aufzeigen, auch versuchen, die Ursachen<br />
für solche Veränderungen<br />
zu bekämpfen.<br />
MB: Und die Untersuchungen im<br />
<strong>Benninger</strong> <strong>Ried</strong> zeigen, dass sich auch<br />
vor der Haustür spannende Entdeckungen<br />
machen lassen?<br />
RG. Ja. Es gibt ganze Tiergruppen,<br />
die deutschlandweit sehr, sehr<br />
schlecht bekannt sind, es gibt<br />
Gruppen, die nie richtig bearbeitet<br />
worden sind – gerade über Quellen<br />
und kleine Fließgewässer hat<br />
man bisher noch sehr geringe<br />
Kenntnisse. Es gibt noch viel zu<br />
entdecken, aber leider wird auf<br />
unserem Forschungsgebiet der<br />
Nachwuchs nicht angemessen<br />
gefördert. Ein Problem ist wohl,<br />
dass angehende Wissenschaftler<br />
mit Molekularbiologie sicherer<br />
Geld verdienen können als mit der<br />
Erfassung <strong>von</strong> Arten in der Natur.<br />
Aber ich finde, wir müssen wissen,<br />
was um uns herum los ist.<br />
Bild 1: Zikadensammlung<br />
Bild 2: Präparationsbesteck des<br />
Entomologen<br />
Bild 3: Präparatekasten<br />
Bild 4: Vergleichspräparate<br />
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MARIANNE BITSCH