Das Benninger Ried (PDF) - Regierung von Schwaben - Bayern
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6.2 · DAS LEBEN IM WASSER<br />
Makroalgen Blaualgen Kieselalgen<br />
Grünalgen Mikroalgen<br />
Blaualgen<br />
ALGEN (ALGAE)<br />
Jochalgen<br />
Armleuchteralgen Goldalgen<br />
Außergewöhnliche Sehfahrt<br />
durch Makro- und Mikroalgen<br />
„Ich sehe was, was du nicht siehst“<br />
– so, oder so ähnlich dachte sich<br />
das wohl der bedeutendste unter<br />
den ersten Mikroskopikern, der<br />
holländische Kaufmann Antoni<br />
van Leeuwenhoek (1632–1723). Er<br />
stieß als erster auf die Mikrowelt<br />
im Wassertropfen – die unglaubliche<br />
Entdeckung eines Mikrokosmos,<br />
<strong>von</strong> dem niemand zuvor<br />
etwas geahnt hätte.<br />
Im Grunde spielt es gar keine<br />
Rolle, ob man einen Tropfen aus<br />
einem Tümpel, einer Pfütze oder<br />
einer Regentonne betrachtet,<br />
pflanzliche Lebewesen begegnen<br />
uns überall. Sie sind kuriose Zeitgenossen,<br />
denn sie bilden orange<br />
Keulen und Schnüre, grüne Perlenketten,<br />
Schrauben und unzählige<br />
Formen mehr. Manche <strong>von</strong> ihnen<br />
sind schon mit freiem Auge sichtbar<br />
(= Makroalgen), andere wiederum<br />
sind unglaublich winzig,<br />
weniger als ein tausendstel Milli-<br />
meter groß (= Mikroalgen). Einige<br />
hundert dieser Winzigkeiten<br />
würden auf einem i-Punkt dieses<br />
Textes bequem Platz finden.<br />
Picknick im Grünen<br />
Weltweit sind in etwa 7.000 Süßwasser-Grünalgen<br />
bekannt. Grünalgen<br />
sind vielfältige Gebilde, <strong>von</strong><br />
schwebenden, runden oder eiförmigen<br />
Gestalten bis hin zu langen,<br />
fadenförmigen Formen, die auf<br />
Steinen oder Wasserpflanzen festsitzen.<br />
Viele fadenförmige Grünalgen<br />
können in der ersten Phase<br />
ihrer Entwicklung an einem Substrat<br />
festgeheftet sein, und in der<br />
zweiten Phase, v.a. im Frühjahr,<br />
frei treibende Watten aus zahlreichen<br />
Fäden bilden.<br />
Droben am Joch<br />
Die Jochalgen sind eine spezielle<br />
Untergruppe der Grünalgen. Sie<br />
bestehen aus einreihigen, unverzweigten<br />
Fäden oder Einzelzellen.<br />
Die fädigen Formen fühlen sich<br />
glitschig an, da die Wände mit<br />
einer glatten Schleimschicht<br />
bedeckt sind. Die etwa 800 Arten<br />
leben alle im Süßwasser.<br />
Bei der geschlechtlichen Vermehrung<br />
bilden sie jochartige<br />
Kopulationskanäle zwischen zwei<br />
Sexualpartnern aus, daher auch<br />
der Name!<br />
Was für ein Armleuchter<br />
Die Algen dieser Gruppe der<br />
Grünalgen (ca. 400 Arten) sind in<br />
eine Hauptachse und in Quirlen<br />
angeordnete Seitenzweige gegliedert.<br />
Auf diesen sitzen die männlichen<br />
und weiblichen Geschlechtsorgane<br />
wie die Lichter eines<br />
Armleuchters (daher der Name<br />
Armleuchteralgen!). Sie wachsen<br />
in stehendem, hellem Süßwasser.<br />
Fahrt ins Blaue<br />
Blaualgen sind die einfachsten<br />
„Algen“arten. Die weltweit<br />
bekannten ca. 2.000 Arten zählen<br />
genau genommen zu den Bakterien.<br />
Sie können aus einzelnen,<br />
meist runden Zellen bestehen, bilden<br />
aber auch Kolonien, Fäden<br />
oder Gewebe. Die Zellen sind<br />
meist blaugrün bis violett, oft sind<br />
sie auch <strong>von</strong> einer durchsichtigen<br />
Schleimschicht umgeben.<br />
Wer im Glashaus sitzt<br />
Kieselalgen sind Einzeller mit einer<br />
Schale aus Glas (= Quarz), die die<br />
Form einer verzierten Käseschachtel<br />
hat. Bislang wurden etwa 20.000<br />
verschiedene Arten beschrieben,<br />
<strong>von</strong> denen jede einzelne ein Kunstwerk<br />
für sich darstellt. Sie sind<br />
bizarre Gebilde, deren Schönheit<br />
sich dem Betrachter meist erst unter<br />
starker Vergrößerung enthüllt.<br />
Es gibt nahezu kreisförmige Körper,<br />
aber auch lang gestreckte,<br />
symmetrische Formen. Manche<br />
dieser Arten erinnern an Geigenkästen,<br />
Keulen, Zitronenspalten<br />
oder Napoleonhüte.<br />
Nur nicht rot sehen, denn es ist<br />
nicht alles Gold was glänzt<br />
Von etwa 5.500 bekannten Rotalgenarten<br />
kommen nur an die<br />
150 Arten im Süßwasser vor. Diese<br />
findet man oft an feuchten, schattigen<br />
Stellen. Sie sind meist rötlich<br />
und können einzellig, fädig, blattförmig,<br />
rund oder abgeplattet sein.<br />
Die Zellen der Goldalgen sind<br />
meist goldgelb bis braun gefärbt.<br />
Sie tragen oft zwei ungleich lange<br />
Geißeln. Die ca. 1.000 Arten kom-<br />
men fast nur im Süßwasser vor<br />
und bilden vor allem im Freiwasser<br />
schwebende, einzellige und<br />
koloniebildende Formen.<br />
Weder Gelb noch Grün<br />
Die Gelbgrün-Algen, mit geschätzten<br />
600 bekannten Arten, sind vor<br />
allem im Süßwasser aber auch auf<br />
feuchter Erde recht häufig zu finden.<br />
Sie sind einzellig oder koloniebildend<br />
und meist rundlich. Es<br />
finden sich aber auch fadenförmige<br />
und sogar schlauchförmige Organismen.<br />
Sauber oder nicht sauber<br />
das ist die Frage. Mit Hilfe der Algen<br />
findet man die Antwort, denn<br />
jede Art hat bestimmte Ansprüche<br />
an die Wasserqualität.<br />
Streifzüge im nassen Element –<br />
Wie geht man auf Algenjagd?<br />
Algensammler streifen für gewöhnlich<br />
mit offenen Augen<br />
durchs Gewässer, sammeln jede<br />
Art <strong>von</strong> Farbe und Belag bzw.<br />
bürsten mit einer Zahnbürste (!)<br />
bewaffnet den Belag ab für die<br />
spätere Analyse im Labor.<br />
Übrigens Schätzungen darüber,<br />
wie viele bisher nicht entdeckte<br />
Algenarten es in Deutschland, Europa<br />
und weltweit gibt, belaufen<br />
sich für die Gesamtzahl der Algenarten<br />
auf das 3,5 fache bis 250fache<br />
der heute bekannten Arten!<br />
188 Algenarten im <strong>Ried</strong> entdeckt<br />
Im <strong>Benninger</strong> <strong>Ried</strong> konnten insgesamt<br />
188 Algenarten gefunden<br />
werden: 133 Kieselalgen, 29 Blaualgen,<br />
18 Grünalgen, 4 Jochalgen<br />
und jeweils 1 Rot-, Gold-, Gelbgrün-<br />
und Armleuchteralge.<br />
Interessant ist vor allem die Vielfalt<br />
an Lebensräumen, vom Moortümpel<br />
über eine Ausbaggerungsfläche<br />
bis hin zu Fließwasserstrecken.<br />
Daraus resultiert auch eine große<br />
Artenvielfalt. Es finden sich charakteristische<br />
Arten überrieselter<br />
Felsen und Bergbäche ebenso wie<br />
Arten, die Sümpfe oder Tümpel<br />
bevorzugen.<br />
Insgesamt zeigen die Algen im<br />
<strong>Benninger</strong> <strong>Ried</strong> eine sehr gute<br />
Wasserqualität an. Es ist jedoch<br />
darauf zu achten, dass nicht zu viel<br />
Stickstoff in die Gewässer eingetragen<br />
wird, sodass auch Algen die<br />
an unbelastete bzw. sehr gering<br />
belastete Situationen angepasst<br />
sind, weiterhin im <strong>Ried</strong> existieren<br />
können!<br />
<strong>von</strong> links nach rechts:<br />
Armleuchteralge (Chara spp.)<br />
Kieselalge (Cymbella spp.)<br />
Kieselalgen an einem Aufstau,<br />
(Cymbella lanceolata)<br />
Algenprobe<br />
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DORIS GESIERICH