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Das Benninger Ried (PDF) - Regierung von Schwaben - Bayern

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6.1 · PFLANZEN UND TIERE AN LAND<br />

Südlicher Blaupfeil<br />

Blaugrüne Mosaikjungfer<br />

LIBELLEN (ODONATA)<br />

Kleine Pechlibelle<br />

Libellen können als ein Erfolgsmodell<br />

der Evolution bezeichnet<br />

werden. Seit ihrem ersten Auftreten<br />

in den Schachtelhalmwäldern<br />

des Karbon haben sie sich in ihrem<br />

Aussehen bis heute kaum verändert.<br />

Die ältesten bekannten Libellenfossilien<br />

sind immerhin 270 Millionen<br />

Jahre alt und damit älter<br />

als die meisten Dinosaurier. Einige<br />

dieser Urlibellen waren Riesen<br />

mit Flügelspannweiten <strong>von</strong> bis zu<br />

75 cm und gehören damit zu den<br />

größten Insekten, die jemals unsere<br />

Erde besiedelt haben.<br />

Grundlage für diese Erfolgsgeschichte<br />

sind der genialer Bauplan<br />

und die Anpassungsfähigkeit der<br />

Libellen. Sie besiedeln die unterschiedlichsten<br />

Lebensräumen,<br />

wobei das Vorkommen <strong>von</strong> Süßwasser<br />

in irgendeiner Form Voraussetzung<br />

ist.<br />

Libellen durchlaufen nämlich zwei<br />

völlig unterschiedliche Lebensphasen.<br />

Den Großteil ihres Lebens<br />

verbringen sie, weitgehend vor<br />

Bild 1: Heidelibelle (Sympetrum spp.)<br />

Bild 2: Paarungsrad der Hufeisen-<br />

Azurjungfer (Coenagrion puella)<br />

Bild 3: Larvenhaut (Exuvie) einer<br />

Großlibellenlarve<br />

(Libellula quadrimaculata)<br />

Bild 4: Helm-Azurjungfer<br />

(Coenagrion mercuriale)<br />

Hufeisen-Azurjungfer<br />

unseren Blicken verborgen, als<br />

unscheinbare Larve im Wasser.<br />

Nur in ihrem letzten Lebensabschnitt,<br />

der ganz im Zeichen der<br />

Fortpflanzung steht, offenbaren sie<br />

all ihre Schönheit und Farbenpracht<br />

und fesseln uns durch ihre<br />

Flugkünste.<br />

Man kann aufgrund des Körperbaus<br />

zwei große Gruppen unterscheiden.<br />

Die Kleinlibellen zeichnen<br />

sich durch einen zierlichen<br />

Körper sowie vier nahezu gleich<br />

gestaltete Flügel aus, die in Ruhelage<br />

meist über dem Körper zusammengeklappt<br />

werden.<br />

Wie der Name schon vermuten<br />

lässt, finden sich die stattlichsten<br />

Arten in der Gruppe der Großlibellen:<br />

Sie besitzen einen robusteren<br />

Körper mit unterschiedlich gestaltetem<br />

Vorder- und Hinterflügeln,<br />

die in Ruhe seitlich abgespreizt<br />

bleiben.<br />

Die Larven ernähren sich als hervorragend<br />

getarnte Lauerjäger <strong>von</strong><br />

1 2<br />

kleinen Insektenlarven und Krebsen,<br />

aber auch <strong>von</strong> Kaulquappen<br />

und Jungfischen. Der untere Teil<br />

der Mundwerkzeuge ist dabei<br />

zu einem mit Klauen versehenen<br />

Fangapparat (Fangmaske) umgebildet,<br />

der über ein Gelenk weit<br />

nach vorne geschleudert werden<br />

kann um die Beute zu ergreifen<br />

und zum Fressen an die Mundöffnung<br />

zu ziehen.<br />

Die Atmung erfolgt über den Enddarm,<br />

der bei den Großlibellenlarven<br />

mit vielen Kiemenblättchen<br />

besetzt ist. Bei den Kleinlibellenlarven<br />

fehlen diese, dafür sind zusätzlich<br />

drei äußere Kiemenblättchen<br />

ausgebildet, die direkt mit<br />

dem Luftröhrensystem des Körpers<br />

in Verbindung stehen. <strong>Das</strong><br />

Atemwasser wird durch Pumpbewegungen<br />

in den Enddarm eingesaugt<br />

und wieder ausgestoßen. Die<br />

Großlibellenlarven können sogar<br />

durch ruckartiges Auspressen des<br />

Wassers nach dem Rückstoßprinzip<br />

schwimmen und sich auf diese<br />

Weise bei Gefahr schnell in Sicherheit<br />

bringen.<br />

Um Wachsen zu können müssen<br />

die Larven der Libellen – wie alle<br />

anderen Insekten auch – ihre starre<br />

Außenhaut in regelmäßigen Abständen<br />

abstreifen. Libellen gehören<br />

zu den Insekten mit unvollständiger<br />

Verwandlung, d.h. vor<br />

dem Schlüpfen des fertigen Insekts<br />

(Imago) wird kein Puppenstadium<br />

durchlaufen. Die Larve klettert an<br />

einem Pflanzenstängel aus dem<br />

Wasser, wo sich mit der letzten<br />

Häutung die Umgestaltung vom<br />

wasserlebenden Stadium zum<br />

Fluginsekt vollzieht.<br />

Libellen – insbesondere die Großlibellen<br />

– sind wahre Flugkünstler,<br />

die wie Hubschrauber in der Luft<br />

stehen können um im nächsten<br />

Moment auf der Jagd nach einem<br />

Beutetier blitzschnell zu wenden<br />

und in rasantem Flug die Verfolgung<br />

aufzunehmen. Mit ihren<br />

stark bedornten Beinen bilden sie<br />

quasi einen Fangkorb, mit der sie<br />

die Beute im Flug ergreifen und<br />

sicher festhalten können. Häufig<br />

verzehren sie ihre Beute sogar in<br />

der Luft.<br />

Die Hauptaufgabe als Imago besteht<br />

in der Fortpflanzung. Dabei<br />

grenzen die Männchen bei vielen<br />

Arten Reviere ab, die sie gegen<br />

Rivalen in regelrechten Luftkämpfen<br />

erbittert verteidigen. Die<br />

Weibchen, die in ein solches Revier<br />

einfliegen, werden vom Männchen<br />

mit zangenförmigen Anhängen<br />

am Hinterleibsende hinter dem<br />

Kopf gepackt. Zur anschließenden<br />

Paarung wird das Paarungsrad gebildet.<br />

Dazu bringt das Weibchen<br />

sein Hinterleibsende an die Begattungstasche<br />

des Männchens, den<br />

dieses vorher mit Sperma gefüllt<br />

hat. Bei vielen Arten bleiben die<br />

Männchen auch nach der Paarung<br />

mit den Weibchen verbunden und<br />

verhindern auf diese Weise, dass<br />

noch weitere Männchen zum Zuge<br />

kommen.<br />

Im <strong>Benninger</strong> <strong>Ried</strong> konnten bislang<br />

28 Libellenarten nachgewiesen<br />

werden, wobei immerhin neun auf<br />

den Roten Listen <strong>Bayern</strong>s und<br />

Deutschlands als gefährdet bzw.<br />

stark gefährdet geführt werden.<br />

Ein Großteil besiedelt die Fischteiche<br />

im Umfeld des Quellmoores,<br />

während im eigentlichen Kernbereich<br />

nur wenige Arten zu finden<br />

sind. Dazu zählen die vom Aussterben<br />

bedrohte Helmazurjungfer<br />

(Coenagrion mercuriale) und der<br />

stark gefährdete Kleine Blaupfeil<br />

(Orthetrum coerulescens), die optimal<br />

an die kühlen Quellgewässer<br />

angepasst sind.<br />

Die relativ niedrigen Sommertemperaturen<br />

und der Mangel an Beutetieren<br />

in den klaren, nährstoffarmen<br />

Quellrinnsalen und Schlenken<br />

führen dazu, dass die Entwick-<br />

5 6<br />

3<br />

4<br />

lungszeit dieser Arten enorm verlängert<br />

ist. Sie überwintern in der<br />

Regel 2-3 Mal als Larve, bevor sie<br />

sich zur fertigen Libelle häuten.<br />

Die offenen Wasserflächen im<br />

Nordteil des <strong>Benninger</strong> <strong>Ried</strong>s, die<br />

im Rahmen der hier durchgeführten<br />

Wurzelstockrodungen entstanden<br />

sind, eröffnen für viele sogenannte<br />

Pionierarten kurzfristig<br />

optimale Lebensbedingungen. Insbesondere<br />

der Südliche Blaupfeil<br />

(Orthetrum brunneum) und die<br />

Kleine Pechlibelle (Ischnura pumilo),<br />

die beide als gefährdet eingestuft<br />

sind, konnten hier in großer<br />

Zahl beobachtet werden.<br />

Bild 5: Kleiner Blaupfeil<br />

(Orthetrum coerulescens)<br />

Bild 6: Südlicher Blaupfeil<br />

(Orthetrum brunneum)<br />

27<br />

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