Das Benninger Ried (PDF) - Regierung von Schwaben - Bayern
Das Benninger Ried (PDF) - Regierung von Schwaben - Bayern
Das Benninger Ried (PDF) - Regierung von Schwaben - Bayern
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
26<br />
6.1 · PFLANZEN UND TIERE AN LAND<br />
Südlicher Blaupfeil<br />
Blaugrüne Mosaikjungfer<br />
LIBELLEN (ODONATA)<br />
Kleine Pechlibelle<br />
Libellen können als ein Erfolgsmodell<br />
der Evolution bezeichnet<br />
werden. Seit ihrem ersten Auftreten<br />
in den Schachtelhalmwäldern<br />
des Karbon haben sie sich in ihrem<br />
Aussehen bis heute kaum verändert.<br />
Die ältesten bekannten Libellenfossilien<br />
sind immerhin 270 Millionen<br />
Jahre alt und damit älter<br />
als die meisten Dinosaurier. Einige<br />
dieser Urlibellen waren Riesen<br />
mit Flügelspannweiten <strong>von</strong> bis zu<br />
75 cm und gehören damit zu den<br />
größten Insekten, die jemals unsere<br />
Erde besiedelt haben.<br />
Grundlage für diese Erfolgsgeschichte<br />
sind der genialer Bauplan<br />
und die Anpassungsfähigkeit der<br />
Libellen. Sie besiedeln die unterschiedlichsten<br />
Lebensräumen,<br />
wobei das Vorkommen <strong>von</strong> Süßwasser<br />
in irgendeiner Form Voraussetzung<br />
ist.<br />
Libellen durchlaufen nämlich zwei<br />
völlig unterschiedliche Lebensphasen.<br />
Den Großteil ihres Lebens<br />
verbringen sie, weitgehend vor<br />
Bild 1: Heidelibelle (Sympetrum spp.)<br />
Bild 2: Paarungsrad der Hufeisen-<br />
Azurjungfer (Coenagrion puella)<br />
Bild 3: Larvenhaut (Exuvie) einer<br />
Großlibellenlarve<br />
(Libellula quadrimaculata)<br />
Bild 4: Helm-Azurjungfer<br />
(Coenagrion mercuriale)<br />
Hufeisen-Azurjungfer<br />
unseren Blicken verborgen, als<br />
unscheinbare Larve im Wasser.<br />
Nur in ihrem letzten Lebensabschnitt,<br />
der ganz im Zeichen der<br />
Fortpflanzung steht, offenbaren sie<br />
all ihre Schönheit und Farbenpracht<br />
und fesseln uns durch ihre<br />
Flugkünste.<br />
Man kann aufgrund des Körperbaus<br />
zwei große Gruppen unterscheiden.<br />
Die Kleinlibellen zeichnen<br />
sich durch einen zierlichen<br />
Körper sowie vier nahezu gleich<br />
gestaltete Flügel aus, die in Ruhelage<br />
meist über dem Körper zusammengeklappt<br />
werden.<br />
Wie der Name schon vermuten<br />
lässt, finden sich die stattlichsten<br />
Arten in der Gruppe der Großlibellen:<br />
Sie besitzen einen robusteren<br />
Körper mit unterschiedlich gestaltetem<br />
Vorder- und Hinterflügeln,<br />
die in Ruhe seitlich abgespreizt<br />
bleiben.<br />
Die Larven ernähren sich als hervorragend<br />
getarnte Lauerjäger <strong>von</strong><br />
1 2<br />
kleinen Insektenlarven und Krebsen,<br />
aber auch <strong>von</strong> Kaulquappen<br />
und Jungfischen. Der untere Teil<br />
der Mundwerkzeuge ist dabei<br />
zu einem mit Klauen versehenen<br />
Fangapparat (Fangmaske) umgebildet,<br />
der über ein Gelenk weit<br />
nach vorne geschleudert werden<br />
kann um die Beute zu ergreifen<br />
und zum Fressen an die Mundöffnung<br />
zu ziehen.<br />
Die Atmung erfolgt über den Enddarm,<br />
der bei den Großlibellenlarven<br />
mit vielen Kiemenblättchen<br />
besetzt ist. Bei den Kleinlibellenlarven<br />
fehlen diese, dafür sind zusätzlich<br />
drei äußere Kiemenblättchen<br />
ausgebildet, die direkt mit<br />
dem Luftröhrensystem des Körpers<br />
in Verbindung stehen. <strong>Das</strong><br />
Atemwasser wird durch Pumpbewegungen<br />
in den Enddarm eingesaugt<br />
und wieder ausgestoßen. Die<br />
Großlibellenlarven können sogar<br />
durch ruckartiges Auspressen des<br />
Wassers nach dem Rückstoßprinzip<br />
schwimmen und sich auf diese<br />
Weise bei Gefahr schnell in Sicherheit<br />
bringen.<br />
Um Wachsen zu können müssen<br />
die Larven der Libellen – wie alle<br />
anderen Insekten auch – ihre starre<br />
Außenhaut in regelmäßigen Abständen<br />
abstreifen. Libellen gehören<br />
zu den Insekten mit unvollständiger<br />
Verwandlung, d.h. vor<br />
dem Schlüpfen des fertigen Insekts<br />
(Imago) wird kein Puppenstadium<br />
durchlaufen. Die Larve klettert an<br />
einem Pflanzenstängel aus dem<br />
Wasser, wo sich mit der letzten<br />
Häutung die Umgestaltung vom<br />
wasserlebenden Stadium zum<br />
Fluginsekt vollzieht.<br />
Libellen – insbesondere die Großlibellen<br />
– sind wahre Flugkünstler,<br />
die wie Hubschrauber in der Luft<br />
stehen können um im nächsten<br />
Moment auf der Jagd nach einem<br />
Beutetier blitzschnell zu wenden<br />
und in rasantem Flug die Verfolgung<br />
aufzunehmen. Mit ihren<br />
stark bedornten Beinen bilden sie<br />
quasi einen Fangkorb, mit der sie<br />
die Beute im Flug ergreifen und<br />
sicher festhalten können. Häufig<br />
verzehren sie ihre Beute sogar in<br />
der Luft.<br />
Die Hauptaufgabe als Imago besteht<br />
in der Fortpflanzung. Dabei<br />
grenzen die Männchen bei vielen<br />
Arten Reviere ab, die sie gegen<br />
Rivalen in regelrechten Luftkämpfen<br />
erbittert verteidigen. Die<br />
Weibchen, die in ein solches Revier<br />
einfliegen, werden vom Männchen<br />
mit zangenförmigen Anhängen<br />
am Hinterleibsende hinter dem<br />
Kopf gepackt. Zur anschließenden<br />
Paarung wird das Paarungsrad gebildet.<br />
Dazu bringt das Weibchen<br />
sein Hinterleibsende an die Begattungstasche<br />
des Männchens, den<br />
dieses vorher mit Sperma gefüllt<br />
hat. Bei vielen Arten bleiben die<br />
Männchen auch nach der Paarung<br />
mit den Weibchen verbunden und<br />
verhindern auf diese Weise, dass<br />
noch weitere Männchen zum Zuge<br />
kommen.<br />
Im <strong>Benninger</strong> <strong>Ried</strong> konnten bislang<br />
28 Libellenarten nachgewiesen<br />
werden, wobei immerhin neun auf<br />
den Roten Listen <strong>Bayern</strong>s und<br />
Deutschlands als gefährdet bzw.<br />
stark gefährdet geführt werden.<br />
Ein Großteil besiedelt die Fischteiche<br />
im Umfeld des Quellmoores,<br />
während im eigentlichen Kernbereich<br />
nur wenige Arten zu finden<br />
sind. Dazu zählen die vom Aussterben<br />
bedrohte Helmazurjungfer<br />
(Coenagrion mercuriale) und der<br />
stark gefährdete Kleine Blaupfeil<br />
(Orthetrum coerulescens), die optimal<br />
an die kühlen Quellgewässer<br />
angepasst sind.<br />
Die relativ niedrigen Sommertemperaturen<br />
und der Mangel an Beutetieren<br />
in den klaren, nährstoffarmen<br />
Quellrinnsalen und Schlenken<br />
führen dazu, dass die Entwick-<br />
5 6<br />
3<br />
4<br />
lungszeit dieser Arten enorm verlängert<br />
ist. Sie überwintern in der<br />
Regel 2-3 Mal als Larve, bevor sie<br />
sich zur fertigen Libelle häuten.<br />
Die offenen Wasserflächen im<br />
Nordteil des <strong>Benninger</strong> <strong>Ried</strong>s, die<br />
im Rahmen der hier durchgeführten<br />
Wurzelstockrodungen entstanden<br />
sind, eröffnen für viele sogenannte<br />
Pionierarten kurzfristig<br />
optimale Lebensbedingungen. Insbesondere<br />
der Südliche Blaupfeil<br />
(Orthetrum brunneum) und die<br />
Kleine Pechlibelle (Ischnura pumilo),<br />
die beide als gefährdet eingestuft<br />
sind, konnten hier in großer<br />
Zahl beobachtet werden.<br />
Bild 5: Kleiner Blaupfeil<br />
(Orthetrum coerulescens)<br />
Bild 6: Südlicher Blaupfeil<br />
(Orthetrum brunneum)<br />
27<br />
HUBERT ANWANDER