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Zusammenfassung VWL IUR I<br />

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AKTUELL VOLKSWIRTSCHAFTLEHRE<br />

AUSGABE 2004 /2005<br />

ZUSAMMENFASSUNG<br />

I


Zusammenfassung VWL IUR I<br />

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INHALTSVERZEICHNIS<br />

KAPITEL 1 WOMIT BESCHÄFTIGT SICH DIE VOLKSWIRTSCHAFTSLEHRE? ...................................1<br />

KAPITEL 2 DIE PREISBILDUNG ..............................................................................................6<br />

KAPITEL 3 DIE MARKTWIRTSCHAFT.....................................................................................22<br />

KAPITEL 4 DIE ERFASSUNG DER GESAMTEN WIRTSCHAFTSLEISTUNG: ...................................31<br />

DIE VOLKSWIRTSCHAFTLICHE GESAMTRECHNUNG (VGR)<br />

KAPITEL 5 DAS KONJUNKTURPHÄNOMEN: ...........................................................................43<br />

KURZFRISTIGE BETRACHTUNGEN DER WIRTSCHAFTLICHEN ENTWICKLUNG<br />

KAPITEL 6 KONJUNKTURPOLITIK .........................................................................................51<br />

KAPITEL 7 WACHSTUM: .....................................................................................................65<br />

LANGFRISTIGE BETRACHTUNG DER WIRTSCHAFTLICHEN ENTWICKLUNG<br />

KAPITEL 8 STRUKTURWANDEL ALS CHARAKTERISTIKUM WIRTSCHAFTLICHER ENTWICKLUNG ...75<br />

KAPITEL 9 GELD, GELDPOLITIK UND DAS PROBLEM DER INFLATION .......................................81<br />

KAPITEL 10 DAS PROBLEM DER ARBEITSLOSIGKEIT ..............................................................95<br />

KAPITEL 11 DAS PROBLEM DER STAATSVERSCHULDUNG .....................................................100<br />

KAPITEL 12 DAS PROBLEM DER SOZIALEN SICHERHEIT ........................................................105<br />

II


KAPITEL 1 – WOMIT BESCHÄFTIGT SICH DIE VOLKSWIRTSCHAFTSLEHRE?<br />

VWL bes<strong>ch</strong>äftigt si<strong>ch</strong> mit vielen Gebieten, generell kann man aussagen:<br />

„Die VWL bes<strong>ch</strong>äftigt si<strong>ch</strong> mit dem Problem der Knappheit“.<br />

Knappheit <strong>ch</strong>arakterisiert das Verhältnis zwis<strong>ch</strong>en den verfügbaren Mitteln und den<br />

Bedürfnissen.<br />

Von bestimmten Gütern wollen wir mehr, als wir haben, folgli<strong>ch</strong> versu<strong>ch</strong>en wir dur<strong>ch</strong> Taus<strong>ch</strong><br />

jene Güter zu erhalten, die uns mehr wert sind als das, was wir dafür hergeben müssen.<br />

Es ist also ni<strong>ch</strong>t der Gegenstand, sondern der Ansatz, der die VWL von anderen<br />

Sozialwissens<strong>ch</strong>aften unters<strong>ch</strong>eidet.<br />

Knappheit und Taus<strong>ch</strong> spielen in der VWL eine so grosse Rolle, dass man das gesamte<br />

Gebiet oft als Lehre von „Ents<strong>ch</strong>eidungen bei Knappheit“ oder als die Lehre vom Taus<strong>ch</strong><br />

bezei<strong>ch</strong>net.<br />

BEDÜRFNISSE<br />

Der Begriff Bedürfnis wird sehr weit gefasst, er umfasst einerseits die materiellen Bedürfnisse<br />

und andererseits au<strong>ch</strong> Dinge wie Wuns<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> Ma<strong>ch</strong>t, Ansehen, Si<strong>ch</strong>erheit, S<strong>ch</strong>önheit, etc.<br />

Deshalb sagen Ökonomen, dass die Bedürfnisse der Mens<strong>ch</strong>en unbegrenzt sind. Man ordnet<br />

die Bedürfnisse in vers<strong>ch</strong>ieden S<strong>ch</strong>ubladen ein; Maslow tut dies folgendermassen in der<br />

Bedürfnispyramide:<br />

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Selbstverwirkli<strong>ch</strong>ungsbedürfnisse<br />

Werts<strong>ch</strong>ätzungsbedürfnisse<br />

Soziale Bedürfnisse<br />

Si<strong>ch</strong>erheitsbedürfnisse<br />

Grundbedürfnisse<br />

Diese Bedürfnisse werden ni<strong>ch</strong>t na<strong>ch</strong>einander befriedigt, sondern der Mens<strong>ch</strong> versu<strong>ch</strong>t,<br />

mögli<strong>ch</strong>st viele Wüns<strong>ch</strong>e aus den vers<strong>ch</strong>iedenen Ebenen glei<strong>ch</strong>zeitig zu befriedigen.<br />

GÜTER<br />

Güter sind mittel zur Bedürfnisbefriedigung und meist nur begrenzt verfügbar!<br />

FREIE GÜTER: Sind von der Natur in sol<strong>ch</strong>er Menge zur Verfügung gestellt, dass sie gratis<br />

sind. Beispiel: Luft.<br />

Im Normalfall sind zu wenige Güter vorhanden, um alle Bedürfnisse zu befriedigen, wel<strong>ch</strong>e<br />

alsdann als WIRTSCHAFTLICHE GÜTER bezei<strong>ch</strong>net werden, denn sie werden – da sie<br />

knapp sind – na<strong>ch</strong>gefragt und erzielen einen Preis.<br />

Güter, wel<strong>ch</strong>e direkt der tägli<strong>ch</strong>en Bedürfnisbefriedigung dienen – also vom Mens<strong>ch</strong>en<br />

verbrau<strong>ch</strong>t werden - bezei<strong>ch</strong>nen wir als KONSUMGÜTER. Im Unters<strong>ch</strong>ied dazu nennt man<br />

Güter, wel<strong>ch</strong>e zur Herstellung der Konsumgüter notwendig sind INVESTITIONSGÜTER.<br />

Beide Kategorien gehören zu der Kategorie der SACHGÜTER. Nebst den Sa<strong>ch</strong>gütern gibt es<br />

no<strong>ch</strong> DIENSTLEISTUNGEN wel<strong>ch</strong>e vom Mens<strong>ch</strong>en nebst den Sa<strong>ch</strong>gütern zur Bedürfnis-<br />

befriedigung in Anspru<strong>ch</strong> genommen werden.<br />

1


PRODUKTIONSFAKTOREN<br />

Güter sind – in aller Regel – das Ergebnis eines Produktionsprozesses und dienen der<br />

Bedürfnisbefriedigung.<br />

Alle Mittel, die in der Produktion von Gütern eingesetzt werden, um ein Gut zu erzeugen,<br />

nennt man PRODUKTIONSFAKTOREN:<br />

Unter dem Produktionsfaktor ARBEIT verstehen wir jede produktive Tätigkeit des Mens<strong>ch</strong>en.<br />

NATÜRLICHE RESSOURCEN benötigt man z.B. in der Form von Boden und Rohmaterial und<br />

REALKAPITAL/KAPITAL in der Form von Mas<strong>ch</strong>inen, Anlagen und Gebäuden. Als vierten<br />

Produktionsfaktor kann man das WISSEN betra<strong>ch</strong>ten, wel<strong>ch</strong>em in Form des Humankapitals<br />

(Wissen, Können, Fähigkeiten und Fertigkeiten) und des te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>en Forts<strong>ch</strong>ritts eine grosse<br />

Bedeutung zukommt.<br />

Damit etwas produziert werden kann, brau<strong>ch</strong>t es immer eine Kombination dieser vier<br />

Produktionsfaktoren.<br />

Mit ihrer Hilfe bäckt man den „Wohlstandsku<strong>ch</strong>en“. Ihre Qualität & Quantität sind sehr<br />

bedeutungsvoll für die wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Entwicklung eines Landes.<br />

ARBEITSTEILUNG, TAUSCH UND GELD<br />

Ein einzelner Mens<strong>ch</strong> ist nur ein Teil eines di<strong>ch</strong>ten Netzes, in wel<strong>ch</strong>em die Individuen die<br />

Arbeit weitgehend aufgeteilt haben und si<strong>ch</strong> somit auf gewisse Tätigkeiten spezialisiert haben.<br />

Dies ist vorteilhaft, weil so jedes Individuum die Leistung erbringt, wel<strong>ch</strong>e seinen Fähigkeiten<br />

am ehesten entspri<strong>ch</strong>t. So bringt er für si<strong>ch</strong> und für die Gruppe/Gesells<strong>ch</strong>aft den grössten<br />

Beitrag zum Wohlstand. Daraus ergibt si<strong>ch</strong> die heutige Berufsteilung. Ni<strong>ch</strong>t nur die Mens<strong>ch</strong>en<br />

sondern au<strong>ch</strong> jede Unternehmung und die Natur ma<strong>ch</strong>en si<strong>ch</strong> die Vorteile der Spezialisierung<br />

zu nutzen.<br />

Arbeitsteilung und Spezialisierung ents<strong>ch</strong>ärfen das Knappheitsproblem, weil si<strong>ch</strong> dadur<strong>ch</strong> die<br />

Produktivität (=Leistung pro Stunde oder pro Arbeitskraft)) und damit das Gütervolumen<br />

erhöhen lässt.<br />

Der TAUSCH wird als notwendige Ergänzung der Arbeitsteilung betra<strong>ch</strong>tet. Taus<strong>ch</strong> ermögli<strong>ch</strong>t<br />

es einerseits beiden Taus<strong>ch</strong>partnern ihren Nutzen zu erhöhen andererseits ermögli<strong>ch</strong>t der<br />

Austaus<strong>ch</strong> von Gütern überhaupt erst die Arbeitsteilung. Was jemand eintaus<strong>ch</strong>t, ist ihm<br />

offensi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> weniger wert, als was er dafür erhält.<br />

Damit der Taus<strong>ch</strong> funktioniert, brau<strong>ch</strong>t es ein allgemein anerkanntes Zahlungsmittel, das<br />

GELD, weil ansonsten der Taus<strong>ch</strong> mit zu viel Aufwand verbunden wäre, weil man erst immer<br />

jemanden finden müsste, der das besitzt, was man gern hätte, und glei<strong>ch</strong>zeitig müsste der<br />

Taus<strong>ch</strong>partner das wollen, was man selber besitzt. Das entfällt, wenn man Geld als<br />

Verre<strong>ch</strong>nungseinheit dazwis<strong>ch</strong>en s<strong>ch</strong>altet. Geld erfüllt also die FUNKTION DES ZAHLUNGS-<br />

MITTELS wodur<strong>ch</strong> Zeit und Kosten eingespart werden können. Im Weiteren müsste in der<br />

Taus<strong>ch</strong>wirts<strong>ch</strong>aft der Preis eines Gutes in Mengen des zu taus<strong>ch</strong>enden Gutes bere<strong>ch</strong>net<br />

werden. Es gibt aber unzählige Güter wel<strong>ch</strong>e getaus<strong>ch</strong>t werden könnten, was die Sa<strong>ch</strong>e<br />

extrem verkompliziert. Dank der FUNKTION ALS RECHNUNGSEINHEIT ermögli<strong>ch</strong>t das Geld<br />

ein transparentes System von direkt verglei<strong>ch</strong>baren Preisen.<br />

Zudem lassen si<strong>ch</strong> viele Güter ni<strong>ch</strong>t lagern und verlieren an Wert oder verderben gar. Geld ist<br />

einfa<strong>ch</strong> und kostengünstig aufzubewahren und man kann es – sofern man es gerade ni<strong>ch</strong>t<br />

benötigt – über einen Vermittler demjenigen zur Verfügung stellen, der dafür die hö<strong>ch</strong>ste<br />

Ents<strong>ch</strong>ädigung (Zinsen) bietet. Geld erfüllt also au<strong>ch</strong> die FUNKTION ALS<br />

WERTAUFBEWAHRUNGMITTEL, etwa um den Konsum auf einen späteren Zeitpunkt zu<br />

vers<strong>ch</strong>ieben. Dadur<strong>ch</strong> sinken au<strong>ch</strong> die Wertaufbewahrungskosten.<br />

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2


Alle diese drei Funktionen helfen die TRANSAKTIONSKOSTEN zu senken. Unter<br />

Transaktionskosten versteht man all jene Kosten, die entstehen, wenn man ein<br />

Taus<strong>ch</strong>ges<strong>ch</strong>äft abwickeln will.<br />

Spezialisierung, verbunden mit einer weltweiten Arbeitsteilung, si<strong>ch</strong> daraus ergebende<br />

Taus<strong>ch</strong>mögli<strong>ch</strong>keiten und das ideale Zahlungsmittel Geld haben zu einer enormen Steigerung<br />

des Wohlstandes beigetragen.<br />

DER ÖKONOMISCHE ENTSCHEID UND DIE OPPORTUNITÄTSKOSTEN<br />

Arbeitsteilung, Taus<strong>ch</strong>, Geld und die dadur<strong>ch</strong> errei<strong>ch</strong>te Wohlstandssteigerung ents<strong>ch</strong>ärfen das<br />

Knappheitsproblem zwar, lösen es aber ni<strong>ch</strong>t.<br />

Bei der Bedürfnisbefriedigung müssen Mens<strong>ch</strong>en dauernd Ents<strong>ch</strong>eide treffen, uns interessiert<br />

die Frage, WIE ents<strong>ch</strong>ieden wird. Davon ausgehend, dass Mens<strong>ch</strong>en ni<strong>ch</strong>t rein zufällig<br />

ents<strong>ch</strong>eiden, sondern ihrem Handeln gewisse Regeln zugrunde legen, nehmen wir an, dass<br />

man unter vers<strong>ch</strong>iedenen Mögli<strong>ch</strong>keiten jene wählt, die man für die beste hält, d.h., dass man<br />

mit seinem Ents<strong>ch</strong>eid seinen Nutzen maximieren will und si<strong>ch</strong> dementspre<strong>ch</strong>end verhält.<br />

Der „homo oeconomicus“ ents<strong>ch</strong>eidet also so, dass er in einer gegebenen Situation – unter<br />

der Berücksi<strong>ch</strong>tigung seiner Mittel – jene Mögli<strong>ch</strong>keit wählt, die seinen Nutzen maximiert.<br />

Er kann dabei 2 Strategien anwenden, wel<strong>ch</strong>e wir als Handeln na<strong>ch</strong> dem ÖKONOMISCHEN<br />

PRINZIP bezei<strong>ch</strong>nen:<br />

• Minimumprinzip = Er versu<strong>ch</strong>t seine Bedürfnisse mit mögli<strong>ch</strong>st geringem Einsatz an<br />

Mitteln zu befriedigen.<br />

• Maximumprinzip = Er versu<strong>ch</strong>t mit den gegebenen Mitteln eine mögli<strong>ch</strong>st hohe<br />

Bedürfnisbefriedigung zu errei<strong>ch</strong>en.<br />

Der homo oeconomicus ist prinzipiell ungesättigt, verfolgt mehrere Ziele, versu<strong>ch</strong>t glei<strong>ch</strong>zeitig<br />

mehrere Bedürfnisse zu befriedigen und will deshalb vielerlei Güter besitzen. Je grösser seine<br />

Besitzmenge eines bestimmten Gutes ist, umso geringer s<strong>ch</strong>ätzt er eine zusätzli<strong>ch</strong>e Einheit.<br />

Er nutzt jede Chance, sein Wohlergehen zu vermehren, er su<strong>ch</strong>t überall aktiv und unermüdli<strong>ch</strong><br />

seinen eigenen Vorteil. Wie das Wasser wei<strong>ch</strong>t er allen Hindernissen aus und su<strong>ch</strong>t immer<br />

den kürzesten Weg zum Ziel. Er bleibt „cool“, überlegt, kalkuliert und handelt zweckgeri<strong>ch</strong>tet.<br />

Beim homo oeconomicus handelt es si<strong>ch</strong> um ein Modell, das von individuellen<br />

Persönli<strong>ch</strong>keitsmerkmalen absieht. Wie alle anderen Wissens<strong>ch</strong>aften ist au<strong>ch</strong> die VWL auf<br />

Abstraktion und Verallgemeinerung angewiesen, um die Komplexität in den Griff<br />

zubekommen. Deshalb erklärt der homo oeconomicus eben kein Individualverhalten, sondern<br />

er soll ein Dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nittsverhalten widerspiegeln, in wel<strong>ch</strong>em die wesentli<strong>ch</strong>sten<br />

Einflussfaktoren enthalten sind. Das Modell ist in gewissem Sinne gezielt unrealistis<strong>ch</strong>.<br />

Ein wi<strong>ch</strong>tiger Einflussfaktor ist das EIGENNÜTZIGE VERHALTEN, das bedeutete, dass der<br />

Mens<strong>ch</strong> si<strong>ch</strong> in der Regel na<strong>ch</strong> seinen eigenen Interessen orientiert (d.h. weder Heilige no<strong>ch</strong><br />

Verbre<strong>ch</strong>er sind). Der homo oeconomicus weiss, dass er ni<strong>ch</strong>t alleine lebt und nur in einer<br />

Gesells<strong>ch</strong>aft leben kann.<br />

Es wäre also zu einfa<strong>ch</strong>, den homo oeconomicus als vollständig rationalen Egoisten und<br />

blitzs<strong>ch</strong>nell maximierenden Automaten zu begreifen, bei dem nur das Geld zählt.<br />

In erster Linie kommt es bei dem Modell „homo oeconomicus“ auf die Erklärungskraft und die<br />

Prognosefähigkeit der Reaktionen von Mens<strong>ch</strong>en insgesamt auf Änderungen des Umfeldes<br />

an und ni<strong>ch</strong>t so sehr auf die detailgetreue Wirkli<strong>ch</strong>keitsnähe. Es dient als Arbeitshypothese.<br />

Die RATIONALE ENTSCHEIDUNG des homo oeconomicus erfordert ein Abwägen von Vor-<br />

und Na<strong>ch</strong>teilen aller vers<strong>ch</strong>iedenen Mögli<strong>ch</strong>keiten. Dieser Ents<strong>ch</strong>eid kostet zumindest den<br />

Verzi<strong>ch</strong>t auf den Nutzen der ni<strong>ch</strong>t gewählten Alternative. Diesen Verzi<strong>ch</strong>t bezei<strong>ch</strong>nen wir als<br />

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3


OPPORTUNITÄTSKOSTEN. Da man immer vers<strong>ch</strong>iedene Mögli<strong>ch</strong>keiten hat, beinhaltet jeder<br />

Ents<strong>ch</strong>eid Opportunitätskosten.<br />

Die wi<strong>ch</strong>tigste Erkenntnis aus dem Opportunitätskostenprinzip ist, dass ni<strong>ch</strong>ts gratis ist.<br />

Sol<strong>ch</strong>e Opportunitätskosten-Überlegungen sind für wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Ents<strong>ch</strong>iede äusserst wi<strong>ch</strong>tig<br />

weil sie der hö<strong>ch</strong>stmögli<strong>ch</strong>en Bedürfnisbefriedigung bzw. Gewinnmaximierung dienen.<br />

DIE AUFGABEN DER VWL<br />

Eine erste Aufgabe der VWL besteht im BESCHREIBEN von wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Vorgängen. Bei<br />

jeder Aussage über die Wirts<strong>ch</strong>aft stellt si<strong>ch</strong> soglei<strong>ch</strong> die Frage na<strong>ch</strong> dem Warum. Damit sind<br />

wir s<strong>ch</strong>on bei einer zweiten Aufgabe der VWL angelangt: sie muss wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Vorgänge<br />

ERKLÄREN, also Ursa<strong>ch</strong>en von Fakten aufzeigen. Darüber hinaus hat die VWL die Aufgabe,<br />

den zukünftigen Ablauf des Wirts<strong>ch</strong>aftsges<strong>ch</strong>ehens zu PROGNOSTIZIEREN.<br />

Eine wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Prognose setzt ni<strong>ch</strong>t nur Kenntnisse der Zusammenhänge voraus,<br />

sondern verlangt au<strong>ch</strong> eine S<strong>ch</strong>ätzung der erwarteten Entwicklung der Einflussfaktoren, wie<br />

z.B. der Güterna<strong>ch</strong>frage, der Löhne, des te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>en Forts<strong>ch</strong>ritts usw.<br />

Die Erkenntnisse sollen dazu dienen, die wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Entwicklung in eine bestimmte<br />

Ri<strong>ch</strong>tung zu beeinflussen. Wie soll ein Problem gelöst werden? Wel<strong>ch</strong>e Strategie wird<br />

angewendet?<br />

Fragen dieser Art sind zentral für die Wirts<strong>ch</strong>aftspolitik, ohne Erklärungsmodelle würden sie<br />

si<strong>ch</strong> im luftleeren Raum bewegen.<br />

ZIELE DER WIRTSCHAFTSPOLITIK<br />

Wel<strong>ch</strong>e Ziele sollen mit Hilfe volkswirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>er Erkenntnisse erre<strong>ch</strong>t werden?<br />

Na<strong>ch</strong> der Krise der 1930er-Jahre war die Rede vom magis<strong>ch</strong>en Dreieck, bestehend aus:<br />

• Vollbes<strong>ch</strong>äftigung<br />

• Preisstabilität<br />

• Aussenwirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>em Glei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>t<br />

Diese drei Ziele sind im Laufe der Zeit um folgende Ziele ergänzt worden:<br />

• Wirts<strong>ch</strong>aftswa<strong>ch</strong>stum<br />

• Gere<strong>ch</strong>te Einkommens- und Vermögensverteilung<br />

• Erhaltung und Verbesserung der Umweltqualität<br />

Als magis<strong>ch</strong> werden diese Ziel-Vielecke bezei<strong>ch</strong>net, weil es s<strong>ch</strong>wierig ist, all Ziele glei<strong>ch</strong>zeitig<br />

zu errei<strong>ch</strong>en. Drei Zielbeziehungen können grundsätzli<strong>ch</strong> unters<strong>ch</strong>ieden werden:<br />

• Zielharmonie = Das Anstreben des einen Zieles<br />

fördert au<strong>ch</strong> das Errei<strong>ch</strong>en eines anderen (z.B.<br />

Wirts<strong>ch</strong>aftswa<strong>ch</strong>stum und Vollbes<strong>ch</strong>äftigung).<br />

• Zielneutralität = In seltenen Fällen und meistens<br />

nur für eine begrenzte Periode kann ein Ziel<br />

angestrebt werden, ohne dass ein anderes Ziel<br />

direkt tangiert wird (z.B. Preisstabilität und<br />

Umweltqualität).<br />

• Zielkonkurrenz = Das Anstreben des einen<br />

Zieles behindert – zumindest kurzfristig – das<br />

Errei<strong>ch</strong>en eines anderen Zieles (z.B.<br />

Preisstabilität und Vollbes<strong>ch</strong>äftigung).<br />

Zielbeziehungen lassen si<strong>ch</strong> aber längst ni<strong>ch</strong>t immer unbestritten festlegen. Je na<strong>ch</strong><br />

wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>er Situation ändern si<strong>ch</strong> S<strong>ch</strong>werpunkte und es könne sogar weiter/ neue Ziele<br />

formuliert werden. Momentan stehen zwei zentrale Fragen im Raum:<br />

1. Wie können wir die Wettbewerbsfähigkeit der s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en Wirts<strong>ch</strong>aft stärken?<br />

2. Wie können wir unsere Standortattraktivität gegenüber dem Ausland steigern?<br />

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Analog zu den individuellen Zielsetzung sind au<strong>ch</strong> die gesamtwirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Zielsetzungen<br />

von Opportunitätskostenüberlegungen und Austaus<strong>ch</strong>beziehungen – in der Fa<strong>ch</strong>spra<strong>ch</strong>e<br />

„Trade offs“ genannt – geprägt und beeinflussen den Ents<strong>ch</strong>ied zwis<strong>ch</strong>en den verfügbaren<br />

Mögli<strong>ch</strong>keiten: Ein biss<strong>ch</strong>en weniger Arbeitslose gegen ein biss<strong>ch</strong>en weniger Preisstabilität<br />

oder mehr Wa<strong>ch</strong>stum gegen ein biss<strong>ch</strong>en weniger Umweltqualität.<br />

Die VWL hat die Aufgabe, wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Vorgänge zu bes<strong>ch</strong>reiben, zu erklären, zu<br />

prognostizieren und zielgeri<strong>ch</strong>tet zu beeinflussen. Dabei spielen<br />

Opportunitätskostenüberlegungen, Zielkonkurrenzen und Austaus<strong>ch</strong>beziehungen (Trade off)<br />

eine wi<strong>ch</strong>tige Rolle.<br />

ANREIZE UND IHRE WIRKUNG<br />

Um zu beeinflussen benötigt man geeignete Instrumente. Sol<strong>ch</strong>e Instrumente sind die<br />

Werkzeuge, wel<strong>ch</strong>e den Wirts<strong>ch</strong>aftspolitikern zur Verfügung stehen. Der wirts<strong>ch</strong>aftspolitis<strong>ch</strong>e<br />

Werkzeugkasten bietet eine grosse Auswahl an; je na<strong>ch</strong> Art des „Defektes“ sind andere<br />

Werkzeuge zur „Reparatur“ geeignet.<br />

(Bsp. aus dem Inventar des Werkzeugkastens: Mehrwertsteuer, internationale<br />

Handelsabkommen, Zinspolitik, Arbeitslosenversi<strong>ch</strong>erung, Preisüberwa<strong>ch</strong>ung, Kartellverbote,<br />

Investitionsprogramme, etc.)<br />

ABER: Der Mens<strong>ch</strong> ist keine Mas<strong>ch</strong>ine, er lässt si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t so einfa<strong>ch</strong> steuern. Erinnern wir uns<br />

daran, dass der homo oeconomicus stets aktiv na<strong>ch</strong> seinem eigenen Vorteil strebt, dass er<br />

sehr erfinderis<strong>ch</strong> dabei ist und Hindernissen auswei<strong>ch</strong>t. Das ma<strong>ch</strong>t ihn zwar glei<strong>ch</strong>zeitig<br />

extrem empfängli<strong>ch</strong> für Anreize, aber seine Handlungsmögli<strong>ch</strong>keiten sind von einer kaum<br />

erfassbaren Vielfalt.<br />

Deshalb sind regulatoris<strong>ch</strong>e Eingriffe oft von unerwüns<strong>ch</strong>ten oder gar kontraproduktiven<br />

Nebeneffekten begleitet (Bsp. als die Sackgebühr eingeführt wurde, Steuererhöhungen).<br />

Mens<strong>ch</strong> ist keine blosse Reiz-Reaktions-Mas<strong>ch</strong>ine.<br />

Das unermüdli<strong>ch</strong>e Streben des homo oeconomicus na<strong>ch</strong> seinem eigenen Vorteil ma<strong>ch</strong>t ihn<br />

besonders empfängli<strong>ch</strong> für Anreize. Allerdings sind politis<strong>ch</strong>e Steuerungsversu<strong>ch</strong>e immer von<br />

ungewissen Nebeneffekten begleitet.<br />

Vermutli<strong>ch</strong> verfolgen Sie persönli<strong>ch</strong> gerade mehrere Ziele und wollen vers<strong>ch</strong>ieden Bedürfnisse<br />

befriedigen. Der Ents<strong>ch</strong>eid für Ihre jetzige Ausbildung war glei<strong>ch</strong>zeitig ein Ents<strong>ch</strong>eid gegen<br />

eine andere Ausbildung oder Tätigkeit. Sol<strong>ch</strong>e Austaus<strong>ch</strong>beziehungen („Trade offs“) prägen<br />

die ökonomis<strong>ch</strong>e Wahlhandlung.<br />

Der homo oeconomicus stellt seinen Ents<strong>ch</strong>eid jederzeit zur Disposition. Anreize werden<br />

dur<strong>ch</strong> Unters<strong>ch</strong>iede gesetzt und Verhaltensänderungen dur<strong>ch</strong> Veränderungen dieser<br />

Unters<strong>ch</strong>iede ausgelöst. Grundsätzli<strong>ch</strong> kann jede Einflussgrösse eine Revision eines<br />

Ents<strong>ch</strong>eides bewirken, wenn die Veränderung nur genügend gross ist.<br />

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KAPITEL 2 – DIE PREISBILDUNG<br />

DIE NACHFRAGE: GRUNDLAGE DES KAUFENTSCHEIDES<br />

Die na<strong>ch</strong>gefragt Menge eines Gutes wird dur<strong>ch</strong> folgende Faktoren bestimmt:<br />

• Der Preis ist für den Kaufents<strong>ch</strong>eid wi<strong>ch</strong>tig<br />

• Die Nutzenvorstellung, die man mit einem Gut verbindet<br />

• Das Einkommen, wel<strong>ch</strong>es einem finanzielle Grenzen setzt<br />

• Die Erwartungen für die Zukunft<br />

Die Na<strong>ch</strong>frage ist von einer Vielzahl von Einflussgrössen abhängig.<br />

Die Wirkungen der einzelnen Einflussfaktoren können wir nur erkennen, wenn wir sie einzeln<br />

betra<strong>ch</strong>ten. Wie arbeiten deshalb mit der Annahme, dass si<strong>ch</strong> nur ein Faktor verändert und<br />

alles andere glei<strong>ch</strong> bleibt. Diese Annahme wird in der ökonomis<strong>ch</strong>en Analyse sehr häufig<br />

benutzt, man verwendet dafür den lateinis<strong>ch</strong>en Ausdruck „ceteris paribus“.<br />

Betra<strong>ch</strong>ten wir zunä<strong>ch</strong>st einen der wesentli<strong>ch</strong>sten Einflussfaktoren: den Preis.<br />

Die Frage, die wir uns stellen, lautete also: Wie verändert si<strong>ch</strong> die na<strong>ch</strong>gefragte Menge eines<br />

Gutes, wenn si<strong>ch</strong> der Preis dieses Gutes verändert?<br />

Die Erfahrung zeigt, dass die na<strong>ch</strong>gefragte Menge eines Gutes in der Regel mit sinkendem<br />

Preis – ceteris paribus – zunimmt und umgekehrt mit steigendem Preis abnimmt.<br />

Graphis<strong>ch</strong> kann die Na<strong>ch</strong>frage in einem Preis-Mengen-Diagramm dargestellt werden.<br />

Die Na<strong>ch</strong>fragekurve zeigt, wel<strong>ch</strong>e Menge die<br />

Na<strong>ch</strong>frager zu unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>e Preisen zu kaufen<br />

bereit sind.<br />

Bei P1 ist der Preis so ho<strong>ch</strong>, dass es keine<br />

Na<strong>ch</strong>frage na<strong>ch</strong> dem Gut mehr gibt.<br />

M1 zeigt die Menge des Gutes, die selbst dann<br />

Übers<strong>ch</strong>ritten wird, wenn man es ges<strong>ch</strong>enkt<br />

Bekäme (=Sättigungsmenge).<br />

Dieses Verhalten leu<strong>ch</strong>tet wohl ein, denno<strong>ch</strong> wollen wir die Begründung dafür ans<strong>ch</strong>auen:<br />

1. Sobald der Preis eines Gutes steigt, sind Sie versu<strong>ch</strong>t, dieses Gut dur<strong>ch</strong> andere zu<br />

ersetzen (Substitutionseffekt). Zudem werden Sie gezwungen, ihre Ausgabenstruktur zu<br />

überdenken, weil Sie bei steigenden Preisen aber glei<strong>ch</strong> bleibendem Einkommen ein<br />

wenig ärmer werden (Einkommenseffekt).<br />

2. Je mehr man von einem Gut s<strong>ch</strong>on besitzt, desto weniger s<strong>ch</strong>ätzt man eine zusätzli<strong>ch</strong>e<br />

Einheit dieses Gutes. Diesen Nutzen, den die zuletzt konsumierte Einheit stiftet, nenn man<br />

Grenznutzen. Da der Grenznutzen eines Gutes bei zunehmender Menge abnimmt, will der<br />

Na<strong>ch</strong>frager immer weniger dafür bezahlen, je mehr er bereits davon besitzt. Man<br />

bezei<strong>ch</strong>net diese Tatsa<strong>ch</strong>e als das erste Gossens<strong>ch</strong>e Gesetz: Das Gesetz vom<br />

abnehmenden Grenznutzen.<br />

Der Na<strong>ch</strong>frager verglei<strong>ch</strong>t also ständig den Preis eines Gutes mit dem Grenznutzen der<br />

jeweiligen Einheit und konsumiert so viel (bzw. so lange) bis der Grenznutzen der letzten<br />

Einheit gerade no<strong>ch</strong> seinem Preis entspri<strong>ch</strong>t. Die Na<strong>ch</strong>fragekurve ist deshalb ni<strong>ch</strong>ts<br />

anderes als die Grenznutzenkurve.<br />

3. Der Preis zeigt immer das Taus<strong>ch</strong>verhältnis von Gütereinheiten. Er gibt an, wel<strong>ch</strong>e Menge<br />

eines Gutes aufgegeben werden muss, um eine Einheit eines anderen Gutes zu erhalten<br />

(Opportunitätskostenprinzip).<br />

6


Güter erhalten also ihren Preis, indem sie auf andere Güter bezogen werden man spri<strong>ch</strong>t<br />

deshalb von relativen Preisen.<br />

Solange pro aufgewendeter Geldeinheit der Grenznutzen einer Einheit eines Gutes höher<br />

ist als der eines anderen, erhöht der homo oeconomicus den Grenznutzen dur<strong>ch</strong><br />

Ums<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tung der Na<strong>ch</strong>frage von einem Gut auf ein anderes. Das Maximum ist dann<br />

errei<strong>ch</strong>t, wenn der Grenznutzen pro Geldeinheit in allen Verwendungsri<strong>ch</strong>tungen glei<strong>ch</strong><br />

gross ist. Dies ist die Aussage des zweiten Gossens<strong>ch</strong>en Gesetzes: Das Gesetz vom<br />

Ausglei<strong>ch</strong> der Grenznutzen.<br />

DIE VERSCHIEBUNG DER NACHFRAGEKURVE<br />

Man unters<strong>ch</strong>eidet zwis<strong>ch</strong>en Vers<strong>ch</strong>iebungen auf der Kurve und Vers<strong>ch</strong>iebungen der Kurve!<br />

Wenn zum Beispiel Autos teurer geworden sind, könnte dies zu einer Re<strong>ch</strong>tsvers<strong>ch</strong>iebung der<br />

Na<strong>ch</strong>fragekurve für Motorräder führen. Diese Begründung ist dann zutreffend, wenn man<br />

davon ausgeht, dass Autos dur<strong>ch</strong> Motorräder ersetzt werden können.<br />

Güter, mit denen man andere Güter ersetzen kann, nennt man Substitutionsgüter.<br />

Unbestreitbar Substitutionsgüter sind etwa Butter und Margarine, Zucke und künstli<strong>ch</strong>er<br />

Süssstoff, Henniez und Valser.<br />

Wie müssten si<strong>ch</strong> die Preise von Sturzhelmen, Lederkombis und anderen Zubehören<br />

verändert haben, um einen Re<strong>ch</strong>tsvers<strong>ch</strong>iebung der Na<strong>ch</strong>fragekurve von Motorrädern zu<br />

bewirken?<br />

Ri<strong>ch</strong>tig, sie müssten gesunken sein. Bei den angeführten Beispielen handelt es si<strong>ch</strong> um<br />

Komplementärgüter. Als Komplementärgüter bezei<strong>ch</strong>net man also Güter, die si<strong>ch</strong> ergänzen<br />

und deshalb zusammengehören. Beispiele dafür sind Pfeife und Tabak, Autos und Reifen.<br />

Verwe<strong>ch</strong>seln Sie keinesfalls einen Bewegung auf der Na<strong>ch</strong>fragekurve mit einer Vers<strong>ch</strong>iebung<br />

der Na<strong>ch</strong>fragekurve. Eine Bewegung auf der Kurve stellt si<strong>ch</strong> dann ein, wenn si<strong>ch</strong> der Preis<br />

verändert, alles andere aber glei<strong>ch</strong> bleibt. Eine Vers<strong>ch</strong>iebung der Kurve ergibt si<strong>ch</strong> hingegen,<br />

wenn si<strong>ch</strong> ein anderer Faktor (z.B. das Einkommen) verändert, wel<strong>ch</strong>er der Na<strong>ch</strong>fragekurve<br />

zugrunde liegt.<br />

Gründe für einen Re<strong>ch</strong>tsvers<strong>ch</strong>iebung: Gründe für eine Linksvers<strong>ch</strong>iebung:<br />

● Höhere Nutzeneins<strong>ch</strong>ätzung ● Tiefere Nutzeneins<strong>ch</strong>ätzung<br />

● Steigende Preise von Substitutionsgütern ● Sinkende Preise von Substitutionsgütern<br />

● Sinkende Preise von Komplementärgütern ● Steigende Preise von Komplementärgütern<br />

● Höheres Einkommen ● Tieferes Einkommen<br />

● Erwartet Preissteigungen ● Erwartete Preissenkungen<br />

Zusammenfassung VWL IUR I<br />

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DAS ANGEBOT: GRUNDLAGE DES VERKAUFENTSCHEIDES<br />

Das Angebot eines Gutes wird dur<strong>ch</strong> folgende Faktoren bestimmt:<br />

• Der Preis, wel<strong>ch</strong>en man für ein Gut erhält, ist für die Produktionsmenge ents<strong>ch</strong>eidend<br />

• Die Kosten der Produktion<br />

• Die Te<strong>ch</strong>nologie, da sie die Kosten beeinflusst<br />

• Der Staat, dur<strong>ch</strong> die Höhe der Steuerlast<br />

WIE VERÄNDERT EIN PRODUZENT SEIN ANGEBOT, WENN SICH DER PREIS DIESES<br />

GUTES VERÄNDERT?<br />

Bevor wir uns dieser Frage stellen, müssen wir einige Vorfragen klären.<br />

Für die Menge des Angebotes spielt – wie bereits festgehalten – der Verlauf der Kosten bei<br />

steigender Produktion eine zentrale Rolle. Um den Kostenverlauf zu erklären, müssen wir<br />

vorerst den Zusammenhang zwis<strong>ch</strong>en dem Produktionsergebnis (=Output) und den dafür<br />

erforderli<strong>ch</strong>en Produktionsfaktoren (=Input) ergründen: Wie verändert si<strong>ch</strong> der Output, wenn<br />

ein Inputfaktor – bei Konstanz aller übrigen Inputs – vergrössert wird?<br />

Stellen wir uns einen Landwirt auf einem kleinen Hof ohne Angestellte vor. Seine Produktion<br />

je Arbeitsstunde ist gering, da er viel Zeit für Arbeitswege brau<strong>ch</strong>t und au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t in allen<br />

Arbeiten glei<strong>ch</strong> ges<strong>ch</strong>ickt ist. Die Produktionsleistung steigt, wenn er einen zusätzli<strong>ch</strong>en<br />

Arbeiter einstellt. Zu zweit können ihre Arbeit so aufteilen, dass jeder das tut, wofür er am<br />

besten geeignet ist, und dass mögli<strong>ch</strong>st wenig Zeit mit Arbeitswegen und der Umstellung von<br />

einer Arbeit auf die andere verloren geht. Die produzierte Menge pro Arbeitsstunde<br />

(=Grenzertrag) steigt deshalb überproportional.<br />

Wie entwickelt si<strong>ch</strong> die Produktion, wenn er 2, 3, 4, … 100 Arbeiter bes<strong>ch</strong>äftigt?<br />

Es ist klar, es ist nur eine Frage der Zeit, bis der zusätzli<strong>ch</strong>e Angestellte weniger zur<br />

Produktionssteigerung beiträgt als der vorher eingestellte (der Grenzertrag sinkt).<br />

Bei 100 Angestellten kann die Produktion sogar kleiner werden, weil si<strong>ch</strong> die Arbeiter<br />

gegenseitig auf den Füssen stehen.<br />

Dieses Phänomen wird als Ertragsgesetz bezei<strong>ch</strong>net: Versu<strong>ch</strong>t man aus einem begrenzten<br />

Stück Land zusätzli<strong>ch</strong>e Erträge dur<strong>ch</strong> den zusätzli<strong>ch</strong>en Einsatz von Arbeitskräften zu erzielen,<br />

sinkt der Produktionszuwa<strong>ch</strong>s ab einer bestimmten Einsatzmenge und kann sogar negativ<br />

werden.<br />

Ertragsgesetz:<br />

Wird der Einsatz eines Produktionsfaktors bei Konstanz der Menge der übrigen Faktoren<br />

erhöht, so nimmt der Output (Ertrag) zunä<strong>ch</strong>st mit steigenden, dann mit fallenden<br />

Grenzerträgen zu, bis s<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> der Output sinkt, der Grenzertrag also negativ wird.<br />

Abnehmende Grenzerträge ma<strong>ch</strong>en si<strong>ch</strong> eigentli<strong>ch</strong> auf jedem Gebiet bemerkbar.<br />

Aus dem dargestellten Verlauf des Ertrages lassen si<strong>ch</strong> Kosten ableiten.<br />

Bevor au<strong>ch</strong> nur die eine Einheit eines Gutes hergestellt ist, fallen bereits Kosten an (z.B.<br />

Kapitalzinsen, Miete oder Pa<strong>ch</strong>t). Diese Kosten bezei<strong>ch</strong>net man als Fixkosten. Fix, weil sie<br />

unabhängig von der produzierten Gütermenge anfallen. Diese Kosten sind in der Regel nur im<br />

kurzfristigen Berei<strong>ch</strong> fix. Langfristig können sie si<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong>aus verändern, z.B. dur<strong>ch</strong> den<br />

Ausbau der Produktionshalle.<br />

Variable Kosten hängen hingegen unmittelbar von der Höhe der Produktionsmenge ab,<br />

Beispiele dafür sind Löhne und Rohmaterialkosten.<br />

Solange im Berei<strong>ch</strong> steigender Grenzerträge produziert wird, wird der Zuwa<strong>ch</strong>s der<br />

Totalkosten immer kleiner, die Totalkostenkurve wird also fla<strong>ch</strong>er.<br />

Das heisst ni<strong>ch</strong>ts anderes, als dass die Grenzkosten, die zusätzli<strong>ch</strong>en Kosten je zusätzli<strong>ch</strong>e<br />

Einheit, fallen.<br />

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Mit dem Übergang zu abnehmenden Grenzerträgen, beim Wendepunkt der Totalkostenkurve,<br />

beginnen die Grenzkosten zu steigen, die Totalkostenkurve wird steiler.<br />

Steigende Grenzkosten korrespondieren also mit fallenden Grenzerträgen – und umgekehrt.<br />

Wieviel Stück eines Produktes würden sie anbieten, wenn Sie einen Preis von Fr. 400.- für<br />

jedes verkaufte Stück erhalten?<br />

Solange die Stückkosten jedes zusätzli<strong>ch</strong> produzierten Gutes – die Grenzkosten – unter Fr.<br />

400.- liegen, werden Sie soviel verkaufen wollen wie nur mögli<strong>ch</strong>. Erst wenn die Grenzkosten<br />

über Fr. 400.- zu stehen kommen, lohnt si<strong>ch</strong> das Angebot ni<strong>ch</strong>t mehr.<br />

Steigt der Preis, werden Sie ihre Produktion so lange ausdehnen, bis Ihre Grenzkosten wieder<br />

dem höheren Marktpreis angepasst sind. Denn so lange, wie die zusätzli<strong>ch</strong>en Kosten unter<br />

dem Marktpreis sind, können Sie aus einer zusätzli<strong>ch</strong> verkauften Einheit einen zusätzli<strong>ch</strong>en<br />

Gewinn erzielen.<br />

Sinkt der Preis, bedeutet dies, dass Ihre Grenzkosten beim alten Produktionsniveau grösser<br />

sind als der neue Preis, deshalb werden Sie die Produktion drosseln, bis Preis und<br />

Grenzkosten wieder übereinstimmen.<br />

Die Bedingung für die Gewinnmaximierung heisst also: Preis = Grenzkosten.<br />

Aus den vorhergehenden Überlegungen folgt, dass die Angebotskurve dem steigenden Ast<br />

der Grenzkostenkurve entspri<strong>ch</strong>t.<br />

Die angebotene Menge eines Gutes<br />

steigt in der Regel mit steigenden<br />

Preisen und nimmt umgekehrt<br />

bei sinkenden Preisen ab.<br />

Die Angebotskurve zeigt, wel<strong>ch</strong>e<br />

Mengen die Anbieter zu unter-<br />

S<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>en Preisen zu verkaufen<br />

bereit sind.<br />

Zusammenfassung VWL IUR I<br />

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9


DIE VERSCHIEBUNG DER ANGEBOTSKURVE<br />

Eine Vers<strong>ch</strong>iebung der Angebotskurve bedeutet, dass die Anbieter zum selben Preis mehr<br />

(bei einer Re<strong>ch</strong>tsvers<strong>ch</strong>iebung) oder weniger (bei einer Linksvers<strong>ch</strong>iebung) anbieten als<br />

vorher.<br />

Gründe für einen Re<strong>ch</strong>tsvers<strong>ch</strong>iebung: Gründe für eine Linksvers<strong>ch</strong>iebung:<br />

● Sinkende Faktorkosten (z.B. Zinsen) ● Steigende Faktorkosten (z.B. Löhne)<br />

● Forts<strong>ch</strong>ritte in den Produktionsverfahren ● Rücks<strong>ch</strong>ritte in den Produktionsverfahren<br />

● Positive externe Einflussgrössen ● Negative externe Einflussgrössen<br />

(z.B. gut Weinernte infolge des s<strong>ch</strong>önen (z.B. Produktionsausfall infolge von<br />

Wetters) Streiks)<br />

● Staatli<strong>ch</strong>e, kostensenkende Massnahmen ● Staatli<strong>ch</strong>e, kostensteigernde Massnahmen<br />

(z.B. Zollreduktion) (z.B. Steuererhöhungen)<br />

● Erwartete Preissteigerungen ● Erwartete Preissteigerungen<br />

Verwe<strong>ch</strong>seln Sie keinesfalls eine Bewegung auf der Angebotskurve mit einer Vers<strong>ch</strong>iebung<br />

der Angebotskurve. Eine Bewegung auf der Kurve stellt si<strong>ch</strong> dann ein, wenn si<strong>ch</strong> der Preis<br />

verändert, alles andere aber glei<strong>ch</strong> bleibt.<br />

Eine Vers<strong>ch</strong>iebung der Kurve ergibt si<strong>ch</strong> hingegen, wenn si<strong>ch</strong> ein anderer Faktor (z.B. die<br />

Rohstoffkosten) verändert, wel<strong>ch</strong>er der Angebotskurve zugrunde liegt.<br />

DIE REAKTION AUF PREIS- UND EINKOMMENSÄNDERUNGEN<br />

Wann sind die Einnahmen am hö<strong>ch</strong>sten, bei den „übli<strong>ch</strong>en“ Preisen, bei Preiserhöhungen<br />

oder bei Preissenkungen?<br />

Das Ausmass der Reaktion einer abhängigen Variablen auf die Veränderung einer<br />

unabhängigen Variablen nennt man Elastizität:<br />

Die Elastizität setzt die prozentuale Veränderung einer Grösse (der abhängigen Variablen) ins<br />

Verhältnis zur prozentualen Veränderung einer anderen Grösse (der unabhängigen<br />

Variablen).<br />

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Veränderung der abhängigen Variablen in %<br />

Elastizität = ---------------------------------------------------------------------------<br />

Veränderung der unabhängigen Variablen in %<br />

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Das Elastizitätskonzept ist ganz allgemein auf die Messung der Reaktion einer Grösse infolge<br />

der Veränderung einer anderen Grösse ausgelegt. Es lässt si<strong>ch</strong> auf die vers<strong>ch</strong>iedensten<br />

Situationen anwenden, wir wollen im Folgenden drei spezielle Elastizitäten unter die Lupe<br />

nehmen.<br />

DIE REAKTION DES NACHFRAGERS AUF PREISÄNDERUNGEN<br />

Die Preiselastizität der Na<strong>ch</strong>frage: Sie misst, die relative Änderung der na<strong>ch</strong>gefragten Menge<br />

infolge einer relativen Änderung des Preises:<br />

Veränderung der na<strong>ch</strong>gefragten Menge in %<br />

Preiselastizität der Na<strong>ch</strong>frage = ---------------------------------------------------------------------------<br />

Veränderung des Preises in %<br />

Fall 1: Preiselastizität der Na<strong>ch</strong>frage grösser als Eins<br />

Wir gehen von der folgenden Kurve aus:<br />

Ein Ticket kostet im folgenden Beispiel<br />

40 Fr. Nun bere<strong>ch</strong>nen wir die Elastizität<br />

bei einer Preissenkung auf 30 Fr.<br />

50 %<br />

-------------- = - 2<br />

- 25 %<br />

Da die Na<strong>ch</strong>fragekurve negativ geneigt ist,<br />

muss au<strong>ch</strong> die Preiselastizität negativ<br />

sein.<br />

Meistens lässt man allerdings das negative<br />

Vorzei<strong>ch</strong>en weg.<br />

Ist die Elastizität grösser als 1, spre<strong>ch</strong>en<br />

wir von einer elastis<strong>ch</strong>en Na<strong>ch</strong>frage, weil<br />

eine Preisänderung zu einer<br />

überproportionalen Änderung der na<strong>ch</strong>gefragten menge führt.<br />

Das mit „+“ bezei<strong>ch</strong>net Re<strong>ch</strong>teck, wel<strong>ch</strong>es der Zunahme der Einnahmen des Fussballvereins<br />

bzw. der Ausgaben der Zus<strong>ch</strong>auer entspri<strong>ch</strong>t, ist grösser als das mit „-“ bezei<strong>ch</strong>nete Re<strong>ch</strong>teck,<br />

wel<strong>ch</strong>es die Abnahme der Einnahmen des Vereins bzw. der Ausgaben der Zus<strong>ch</strong>auer<br />

darstellt.<br />

Fall 2: Preiselastizität der Na<strong>ch</strong>frage kleiner als Eins<br />

Wir gehen von der folgenden Kurve aus:<br />

Ein Ticket kostet im folgenden Beispiel<br />

20 Fr. Nun bere<strong>ch</strong>nen wir die Elastizität bei<br />

einer Preissenkung auf 10 Fr.<br />

25 %<br />

-------------- = - 0.5<br />

- 50 %<br />

Ist die Elastizität kleiner als 1, spre<strong>ch</strong>en wir<br />

von einer unelastis<strong>ch</strong>en Na<strong>ch</strong>frage, weil<br />

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eine Änderung des Preises zu einer unter-<br />

proportionalen Änderung der na<strong>ch</strong>gefragten<br />

Menge führt.<br />

Aus diesen zwei Fällen lässt si<strong>ch</strong> die Erkenntnis ziehen, dass die Preiselastizität bei einer<br />

linearen Na<strong>ch</strong>fragekurve in jedem Punkt unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong> ist. Eine lineare Na<strong>ch</strong>fragekurve hat<br />

zwar überall dieselbe Steigung, aber das Verhältnis von Preis zu Menge ist in jedem Punkt<br />

unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>.<br />

Nun führen wir no<strong>ch</strong> zwei Extremfälle auf:<br />

• Vollkommen unelastis<strong>ch</strong> nennen wir die Na<strong>ch</strong>frage, wenn sie überhaupt ni<strong>ch</strong>t auf<br />

Preisänderungen reagiert. In diesem Fall verläuft die Na<strong>ch</strong>fragekurve parallel zur<br />

Preisa<strong>ch</strong>se. Die Elastizität hat überall den Wert null.<br />

• Das andere Extrem ist die vollkommen elastis<strong>ch</strong>e Na<strong>ch</strong>frage. Bei ihr hat die Preiselastizität<br />

den Wert unendli<strong>ch</strong>. Die Na<strong>ch</strong>fragekurve verläuft parallel zur Mengea<strong>ch</strong>se<br />

WOVON IST DIE PREISELASTIZITÄT DER NACHFRAGE ABHÄNGIG?<br />

1. Die Preiselastizität hängt von der Mögli<strong>ch</strong>keit der Substitution dieses Gutes dur<strong>ch</strong> andere<br />

Güter ab: Je mehr Substitute zur Verfügung stehen, desto höher ist die Preiselastizität der<br />

Na<strong>ch</strong>frage.<br />

2. Sie hängt ents<strong>ch</strong>eidend von der Wi<strong>ch</strong>tigkeit des Produktes ab: Je wi<strong>ch</strong>tiger<br />

(lebensnotwendiger) ein Produkt ist, desto weniger kann und will man darauf verzi<strong>ch</strong>ten,<br />

desto geringer ist deshalb die Preiselastizität der Na<strong>ch</strong>frage.<br />

3. Die Elastizität hängt au<strong>ch</strong> vom Anteil der Ausgaben für dieses Gut am Haushaltsbudget<br />

ab: Je geringer dieser Anteil, desto geringer die Preiselastizität.<br />

4. S<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> ist der Zeitaspekt von zentraler Bedeutung: Je länger die betra<strong>ch</strong>tete<br />

Zeitperiode, desto höher ist die Preiselastizität der Na<strong>ch</strong>frage. Der Grund dafür ist, dass<br />

die Su<strong>ch</strong>e na<strong>ch</strong> mögli<strong>ch</strong>en Substituten eine gewisse Zeit in Anspru<strong>ch</strong> nimmt.<br />

WELCHE BEDEUTUNG HAT DIE PREISELASTIZITÄT DER NACHFRAGE?<br />

Die Preiselastizität der Na<strong>ch</strong>frage ist ein zentraler Faktor für die Preispolitik der<br />

Unternehmungen.<br />

Den ri<strong>ch</strong>tigen Preis zu setzen, bereitet den Ents<strong>ch</strong>eidungsträgern oft grosses Kopfzerbre<strong>ch</strong>en.<br />

Der Preis ist letztli<strong>ch</strong> das S<strong>ch</strong>lüsselinstrument: verlangt das Unternehmen zuviel, laufen die<br />

Kunden weg, verlangt es zu wenig, werden Erträge vers<strong>ch</strong>enkt.<br />

DIE REAKTION DES ANBIETERS AUF PREISÄNDERUNGEN<br />

Die Preiselastizität des Angebots misst die relative Änderung der angebotenen Menge infolge<br />

einer relativen Änderung des Preises:<br />

Veränderung der angebotenen Menge in %<br />

Preiselastizität der Angebots = ---------------------------------------------------------------------------<br />

Veränderung des Preises in %<br />

Bei gut haltbaren, lagerfähigen Produkten (z.B. Konserven) reagiert das Angebot auf<br />

Preisänderungen elastis<strong>ch</strong> (Preiselastizität des Angebots grösser als 1). Ebenso bei Gütern,<br />

die bei Bedarf ras<strong>ch</strong> in beliebiger Menge hergestellt werden können (z.B. Büroklammern).<br />

Je weniger lagerfähig ein Produkt ist (z.B. Erdbeeren) und je weniger si<strong>ch</strong> die Produktion<br />

steuern lässt (z.B. Boden), desto unelastis<strong>ch</strong>er ist die Preiselastizität<br />

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Im kurzfristigen Fall (z.B. fris<strong>ch</strong>e Fis<strong>ch</strong>e an einem bestimmten Tag) kann das Angebot nur<br />

s<strong>ch</strong>wer oder gar ni<strong>ch</strong>t variiert werden. Die Elastizität ist deshalb Null.<br />

Im langfristigen Fall aber ist ni<strong>ch</strong>t nur eine Anpassung des Angebots mögli<strong>ch</strong>, sondern au<strong>ch</strong><br />

der Eintritt oder Austritt von Anbietern. Je länger der Beoba<strong>ch</strong>tungszeitraum ist, desto höher<br />

ist deshalb die Elastizität des Angebots.<br />

DIE REAKTION DES NACHFRAGERS AUF EINKOMMENSÄNDERUNGEN<br />

Die Einkommenselastizität der Na<strong>ch</strong>frage gibt an, um wie viel si<strong>ch</strong> die Na<strong>ch</strong>frage na<strong>ch</strong> einem<br />

Gut prozentual ändert, wenn si<strong>ch</strong> das Einkommen ändert.<br />

Veränderung der na<strong>ch</strong>gefragten Menge in %<br />

Einkommenselastizität = ---------------------------------------------------------------------------<br />

Veränderung des Einkommens in %<br />

Dabei können wir grundsätzli<strong>ch</strong> vier Fälle unters<strong>ch</strong>eiden:<br />

1. Einkommenselastizität glei<strong>ch</strong> Null<br />

Bewegt si<strong>ch</strong> die Na<strong>ch</strong>frage auf Einkommensänderungen überhaupt ni<strong>ch</strong>t, dann ist die<br />

Einkommenselastizität glei<strong>ch</strong> Null. Die Na<strong>ch</strong>frage na<strong>ch</strong> Salz oder na<strong>ch</strong> Toilettenpapier<br />

beispielsweise wird si<strong>ch</strong> bei steigendem oder sinkendem Einkommen kaum verändern.<br />

2. Einkommenselastizität zwis<strong>ch</strong>en Null und Eins<br />

Bei „normalen“ Gütern ist die Einkommenselastizität positiv, aber kleiner oder glei<strong>ch</strong> Eins.<br />

Mit steigendem Einkommen steigt zwar au<strong>ch</strong> die Na<strong>ch</strong>frage, do<strong>ch</strong> bestenfalls im<br />

Verhältnis zur Einkommenssteigerung, z.B. Nahrungsmittel, Bekleidung.<br />

3. Einkommenselastizität grösser als Eins<br />

Bei Luxusgütern ist die Einkommenselastizität grösser als Eins, d.h. die Na<strong>ch</strong>frage<br />

verändert si<strong>ch</strong> prozentual stärker als das Einkommen. Beispiele für sol<strong>ch</strong>e Güter sind<br />

Reisen, S<strong>ch</strong>muck, Gesundheitspflege, Unterhaltung.<br />

4. Einkommenselastizität kleiner als Null<br />

S<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> kommt es au<strong>ch</strong> vor, dass mit steigendem Einkommen die Na<strong>ch</strong>frage na<strong>ch</strong><br />

einem Gut zurückgeht. Sol<strong>ch</strong>e Güter nennt man inferiore Güter. Paradebeispiel dafür<br />

sind Grundnahrungsmittel wie Bohnen oder Kartoffeln.<br />

So stark ein Unternehmer im Aufs<strong>ch</strong>wung profitieren kann, wenn die Einkommenselastizität<br />

na<strong>ch</strong> seinem Gut höher als Eins ist, so stark leidet er in einer Abs<strong>ch</strong>wungphase.<br />

DAS ZUSAMMENWIRKEN VON ANGEBOT UND NACHFRAGE<br />

Nun wollen wir Angebot und Na<strong>ch</strong>frage zusammenführen.<br />

Das Marktangebot ergibt si<strong>ch</strong> aus der Zusammenfassung aller Angebotskurven derjenigen,<br />

die auf diesem Markt als Anbieter auftreten.<br />

Die Marktna<strong>ch</strong>frage ist ni<strong>ch</strong>ts anderes als eine Zusammenfassung aller Na<strong>ch</strong>fragekurven<br />

derjenigen, die auf diesem Markt als Na<strong>ch</strong>frager auftreten.<br />

MODELL DER VOLLKOMMENEN KONKURRENZ<br />

1. Die angebotenen Güter müssen völlig homogen sein, d.h. die Birnen von vers<strong>ch</strong>iedenen<br />

Anbietern sind völlig glei<strong>ch</strong>, sie lassen si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t voneinander unters<strong>ch</strong>eiden.<br />

2. Es gibt eine grosse Anzahl von Marktteilnehmern, sowohl auf der Anbieter- als au<strong>ch</strong> auf<br />

der Na<strong>ch</strong>fragerseite. Der einzelne Marktteilnehmer kann mit seinem Verhalten das<br />

Marktges<strong>ch</strong>ehen ni<strong>ch</strong>t beeinflussen.<br />

Zusammenfassung VWL IUR I<br />

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3. Ein freier Zutritt zum Markt ist gewährleistet. Es bestehen also keinerlei<br />

Marktzutrittsbes<strong>ch</strong>ränkungen, weder dur<strong>ch</strong> administrative no<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> gesetzli<strong>ch</strong>e<br />

Hemmnisse.<br />

4. Die Marktteilnehmer sind bezügli<strong>ch</strong> Preisen und Mengen der Güter vollständig informiert.<br />

Die Anbieter können deshalb die identis<strong>ch</strong>en Güter ni<strong>ch</strong>t zu unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>en Preisen<br />

verkaufen.<br />

Sind diese 4 Bedingungen erfüllt, bewegen wir uns im Modell der vollkommenen Konkurrenz.<br />

Auf dem Markt treffen zwei Gruppen mit völlig unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>en Interessenlagen aufeinander:<br />

Die Konsumenten sind an tiefen Preisen interessiert, die Anbieter an mögli<strong>ch</strong>st hohen.<br />

Um die Funktionsweise des Marktes zu<br />

verstehen, gehen wir von der Annahme aus,<br />

dass die Anbieter beim Preis P1 für 1kg<br />

Birnen die Menge M2 anbieten.<br />

Beim Preis P1 ist die na<strong>ch</strong>gefragte Menge<br />

M1 kleiner als die angebotene Menge M2.<br />

Die Differenz ist ein Angebotsübers<strong>ch</strong>uss.<br />

Bei diesem Preis übersteigen also die Ver-<br />

kaufswüns<strong>ch</strong>e die Kaufwüns<strong>ch</strong>e bei weitem.<br />

Die Anbieter finden ni<strong>ch</strong>t die gewüns<strong>ch</strong>te<br />

Anzahl von Kunden. Die Folge ist, dass sie<br />

auf ihren Birnen sitzen bleiben. Deshalb<br />

werden sie die Preise senken.<br />

Da die Anbieter beim Preis P2 bloss die<br />

Menge M1 anbieten, können die Konsumenten<br />

ni<strong>ch</strong>t soviel kaufen, wie sie beim Preis P2 gerne mö<strong>ch</strong>ten (nämli<strong>ch</strong> die Menge M2). Die<br />

Verkäufer bieten zu diesem Preis nur die Menge M1 an. Die Differenz ist ein Na<strong>ch</strong>frageübers<strong>ch</strong>uss.<br />

Die Na<strong>ch</strong>frager werden si<strong>ch</strong> bei dieser Situation die Birnen „aus den Händen reissen“<br />

und den Verkäufern höhere Preise bieten. So wird der Preis und dadur<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> die<br />

angebotene Menge wieder steigen.<br />

Sowohl bei P1 und P2 entsteht somit eine Situation, in der die angebotene Menge ni<strong>ch</strong>t der<br />

na<strong>ch</strong>gefragten Menge entspri<strong>ch</strong>t.<br />

Nur im S<strong>ch</strong>nittpunkt von Angebots- und Na<strong>ch</strong>fragekurve ist diese Bedingung erfüllt. Als<br />

Ergebnis des Preisme<strong>ch</strong>anismus ergibt si<strong>ch</strong> der Preis P3 und die Menge M3. Der S<strong>ch</strong>nittpunkt<br />

von Angebots- und Na<strong>ch</strong>fragekurve wird deshalb als Marktglei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>t bezei<strong>ch</strong>net.<br />

Hier gehen alle Pläne in Erfüllung: Die von den Na<strong>ch</strong>fragern gewüns<strong>ch</strong>te Kaufmenge<br />

entspri<strong>ch</strong>t der von den Anbietern gewüns<strong>ch</strong>ten Verkaufsmenge.<br />

Das Ents<strong>ch</strong>eidende am Glei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>tskonzept ist die Tendenz zum Marktglei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>t. Dank<br />

dieser Tendenz lassen si<strong>ch</strong> Vorhersagen über künftige Preis- und Mengenentwicklungen<br />

treffen.<br />

Die Bedingungen der vollkommenen Konkurrenz sind tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> in Wirkli<strong>ch</strong>keit selten erfüllt.<br />

Die grundsätzli<strong>ch</strong>e Funktionsweise des Marktme<strong>ch</strong>anismus wei<strong>ch</strong>t aber bei nur teilweisem<br />

Vorliegen der einen oder anderen Bedingung ni<strong>ch</strong>t wesentli<strong>ch</strong> von den Modellaussagen der<br />

vollkommenen Konkurrenz ab.<br />

Je weniger die Bedingungen allerdings erfüllt sind, desto weniger können au<strong>ch</strong> die Vorteile<br />

des Marktes zum Tragen kommen.<br />

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Bei der Analyse der Auswirkungen eines Ereignisses auf das Marktglei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>t ist gemäss<br />

folgenden 3 S<strong>ch</strong>ritten vorzugehen:<br />

Vorgehen bei der Analyse von Marktveränderungen:<br />

1. Ents<strong>ch</strong>eiden Sie, ob das Ereignis die Na<strong>ch</strong>fragekurve, die Angebotskurve oder allenfalls<br />

beider Kurven vers<strong>ch</strong>iebt.<br />

2. Ents<strong>ch</strong>eiden Sie, in wel<strong>ch</strong>er Ri<strong>ch</strong>tung si<strong>ch</strong> die entspre<strong>ch</strong>ende Kurve vers<strong>ch</strong>iebt.<br />

3. Untersu<strong>ch</strong>en Sie die Wirkungen der Vers<strong>ch</strong>iebungen im Diagramm auf den<br />

Glei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>tspreis und die Glei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>tsmenge.<br />

ANWENDUNGSBEISPIELE<br />

BEISPIEL 1<br />

Was passiert auf dem Markt für Mountainbikes, wenn die Na<strong>ch</strong>frage aufgrund von höheren<br />

Werts<strong>ch</strong>ätzungen der Konsumenten, ceteris paribus, steigt?<br />

Wenn die Na<strong>ch</strong>frage steigt, vers<strong>ch</strong>iebt si<strong>ch</strong><br />

die Na<strong>ch</strong>fragkurve na<strong>ch</strong> re<strong>ch</strong>ts und es<br />

entsteht kurzfristig ein Na<strong>ch</strong>frageübers<strong>ch</strong>uss.<br />

Deshalb werden die Anbieter sowohl die Preise<br />

als au<strong>ch</strong> ihre Produktionsmenge erhöhen.<br />

BEISPIEL 2<br />

Wovon hängt es ab, ob dur<strong>ch</strong> eine 20%-ige Steuererhöhung auf Benzin der Benzinverbrau<strong>ch</strong><br />

wenig oder stark zurückgeht? Wer trägt die Steuer?<br />

Zusammenfassung VWL IUR I<br />

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15


Dur<strong>ch</strong> die Steuererhöhung (S) vers<strong>ch</strong>iebt si<strong>ch</strong> die Angebotskurve na<strong>ch</strong> links. Natürli<strong>ch</strong> ist die<br />

Reaktion der Benzinna<strong>ch</strong>frager auf die Erhöhung des Benzinpreises ents<strong>ch</strong>eidend.<br />

Ist ihre Preiselastizität ho<strong>ch</strong>, dann sind sie bereit auf Substitute, wie z.B. auf Elektroautos, auf<br />

Velos oder auf die eigenen Füsse umzusteigen.<br />

Ist hingegen ihre Preiselastizität der Na<strong>ch</strong>frager klein, werden sie trotz des höheren<br />

Benzinpreises ihren Verbrau<strong>ch</strong> nur geringfügig eins<strong>ch</strong>ränken.<br />

Dur<strong>ch</strong> die Steuer steigt der Preis von P1 auf P2. Der Preis, der den Anbietern na<strong>ch</strong> Abzug der<br />

Steuern übrig bleibt, sinkt von P1 auf P3. Die der elastis<strong>ch</strong>en Na<strong>ch</strong>frage tragen die Anbieter<br />

den grössten Teil der Steuerlast; bei der unelastis<strong>ch</strong>en Na<strong>ch</strong>frage kann die Steuer zum<br />

grössten Teil auf die Na<strong>ch</strong>frager überwälzt werden.<br />

(Au<strong>ch</strong> die Elastizität des Angebots ist für die Steuerüberwälzung ents<strong>ch</strong>eidend:<br />

Die Steuerüberwälzung ist umso grösser, je preiselastis<strong>ch</strong>er das Angebot ist.)<br />

BEISPIEL 3<br />

Um den Bauern ein höheres Einkommen zu ermögli<strong>ch</strong>en, garantiert der Staat den Bauern<br />

Mindestpreise. Was sind die Folgen?<br />

Der staatli<strong>ch</strong>e Mindestpreis ist selbstverständli<strong>ch</strong><br />

höher als der Glei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>tspreis.<br />

Als Folge davon entsteht ein Angebotsübers<strong>ch</strong>uss.<br />

Wie kann der Staat auf diesen Angebots-<br />

übers<strong>ch</strong>uss reagieren?<br />

1. Er kauft den Angebotsübers<strong>ch</strong>uss (Menge A-B),<br />

verkauft ihn zu Billigstpreisen auf ausländis<strong>ch</strong>en<br />

Märkten, vers<strong>ch</strong>enkt oder verni<strong>ch</strong>tet ihn<br />

notfalls. (Der Steuerzahler bezahlt im Endeffekt)<br />

2. Der Staat zahlt Preissubventionen (C-D).<br />

Staat zahlt Bauern Mindestpreis, verlangt aber<br />

von Konsumenten den Preis, zu dem die<br />

Mil<strong>ch</strong>menge abgesetzt werden kann.<br />

Differenz Konsumentenpreis (E) – Mindestpreis<br />

bezahlt der Steuerzahler.<br />

3. Der Staat führt eine Mil<strong>ch</strong>kontingentierung ein.<br />

Bauern dürfen nur so viel produzieren, wie die Konsumente zum Mindestpreis zu kaufen<br />

bereit sind (Menge A). Dadur<strong>ch</strong> wird, je na<strong>ch</strong> Preiselastizität der Na<strong>ch</strong>frage, das<br />

ursprüngli<strong>ch</strong>e Ziel Einkommenserhöhung verfehlt. Belastet wird der Mil<strong>ch</strong>konsument.<br />

BEISPIEL 4<br />

Adam Smith, der Vater der Volkswirts<strong>ch</strong>aftslehre hat in seinem Bu<strong>ch</strong> „Wohlstand der<br />

Nationen“, das „Wasser-Diamanten-Paradoxon“ festgehalten, aber niemals ganz lösen<br />

können. Helfen Sie dem Altmeister auf die Sprünge:<br />

„Ni<strong>ch</strong>ts ist nützli<strong>ch</strong>er als Wasser, und do<strong>ch</strong> lässt si<strong>ch</strong> damit kaum etwas kaufen oder<br />

eintaus<strong>ch</strong>en. Dagegen besitzt ein Diamant kaum einen Gebrau<strong>ch</strong>swert, do<strong>ch</strong> kann man oft im<br />

Taus<strong>ch</strong> dafür eine Menge anderer Güter bekommen“<br />

Warum ist also Wasser so billig und sind Diamanten so teuer?<br />

Weil Diamanten knapp sind und Wasser rei<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> vorhanden ist, werden sie jetzt antworten.<br />

Das ist au<strong>ch</strong> ri<strong>ch</strong>tig, aber die Nutzenvorstellungen sind do<strong>ch</strong> mitents<strong>ch</strong>eidend für den Preis,<br />

und der Nutzen von Wasser ist do<strong>ch</strong> sehr viel höher als der von Diamanten.<br />

Zusammenfassung VWL IUR I<br />

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Was antworten Sie darauf?<br />

Der Gesamtnutzen des Wassers bestimmt weder den Preis no<strong>ch</strong> die Na<strong>ch</strong>frage. Ledigli<strong>ch</strong> der<br />

Grenznutzen ist ents<strong>ch</strong>eidend. Wenn nämli<strong>ch</strong> der Preis – wie Sie wissen – über dem<br />

Grenznutzen liegt, kann diese letzte Mengeneinheit ni<strong>ch</strong>t verkauft werden. Deshalb muss der<br />

Preis soweit sinken, bis er den Grenznutzen der letzten Wassereinheit errei<strong>ch</strong>t.<br />

KOSTEN- UND GEWINNTHEORIE<br />

Nun wollen wir den Zusammenhang zwis<strong>ch</strong>en Kosten und Gewinn verans<strong>ch</strong>auli<strong>ch</strong>en und<br />

zuglei<strong>ch</strong> vertiefen.<br />

Solange im Berei<strong>ch</strong> steigender Grenzerträge produziert wird, wird die Totalkostenkurve<br />

fla<strong>ch</strong>er. Das wiederum bedeutet, dass die Grenzkosten fallen. Au<strong>ch</strong> die totalen<br />

Dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nittskosten oder totalen Stückkosten (=Totale Kosten pro hergestellte Einheit) fallen.<br />

Beim Wendepunkt der Totalkostenkurve beginnen die Grenzkosten zu steigen, die<br />

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17


Totalkostenkurve wird steiler. Die totale Dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nittskostenkurve sinkt solange weiter, als der<br />

letzte Kostenzuwa<strong>ch</strong>s kleiner ist als der Dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nitt aller vorherigen. Wenn die Grenzkosten<br />

grösser werden als die Dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nittskosten, beginnen au<strong>ch</strong> diese zu steigen.<br />

Liegt der Preis gerade beim Minimum der Dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nittskosten, entsteht weder Gewinn no<strong>ch</strong><br />

Verlust. Man bezei<strong>ch</strong>net diesen Punkt deshalb als Gewinns<strong>ch</strong>welle oder Break-even-point.<br />

Die Kurve der variablen Dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nittskosten verläuft weiter unter der totalen<br />

Dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nittskostenkurve, weil bei ihr ja die fixen Kosten ni<strong>ch</strong>t enthalten sind. Liegt der Preis<br />

zwis<strong>ch</strong>en dem Minimum der variablen Dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nittskosten und dem Minimum der totalen<br />

Dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nittskostenkurve, ma<strong>ch</strong>t der Anbieter zwar einen Verlust, den er aber minimiert, weil<br />

der Preis dazu beiträgt, einen Teil der fixen Kosten zu decken. Liegt der Preis allerdings unter<br />

dem Minimum der variablen Kosten, wird der Unternehmer auf ein Angebot verzi<strong>ch</strong>ten, weil<br />

dieser Preis ni<strong>ch</strong>t einmal die variablen Stückkosten deckt. Deshalb wird das Minimum der<br />

variablen Kosten als Betriebsminimum bezei<strong>ch</strong>net.<br />

PREISBILDUNG BEIM MONOPOL<br />

WIE VERÄNDERT SICH DIE PREISBILDUNG, WENN IS IM EXTREMFALL NUR EINEN<br />

ANBIETER – EIN ANGEBOTSMONOPOL – GIBT?<br />

In Bezug auf die Kostenkurve gibt es keinen Unters<strong>ch</strong>ied zu den bisherigen Ausführungen.<br />

Anders sieht es jedo<strong>ch</strong> auf der Absatzseite aus.<br />

Bei vollkommener Konkurrenz hat die einzelne Unternehmung keinerlei Mögli<strong>ch</strong>keiten, die<br />

Marktsituation zu beeinflussen. Sie hat keinen Einfluss auf den Preis. Der Erlös einer<br />

zusätzli<strong>ch</strong> verkauften Einheit (= Grenzerlös) ist konstant und entspri<strong>ch</strong>t dem Preis. Deshalb<br />

haben wir das Optimum bei vollkommener Konkurrenz au<strong>ch</strong> dort festgelegt, wo die<br />

Grenzkosten glei<strong>ch</strong> ho<strong>ch</strong> sind wie der Preis.<br />

Der Monopolist aber kann die Marktsituation sehr wohl beeinflussen: Dehnt er sein Angebot<br />

aus, so muss er die Preise senken, weil er sonst auf einem Teil seiner Ware sitzen bleibt.<br />

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Der Erlös einer zusätzli<strong>ch</strong> verkauften Einheit (= Grenzerlös) ist also ni<strong>ch</strong>t glei<strong>ch</strong> dem Preis,<br />

weil er die bisher abgesetzte Menge in Zukunft ebenfalls zum tieferen Preis verkaufen muss.<br />

Die Folge ist, dass der Grenzerlös beim Monopolisten geringer ist als der Preis.<br />

Folgendes Zahlenbeispiel soll dies verdeutli<strong>ch</strong>en:<br />

Na<strong>ch</strong>gefragte<br />

Menge<br />

0<br />

1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

5<br />

6<br />

Zusammenfassung VWL IUR I<br />

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Preis Gesamterlös Grenzerlös<br />

500<br />

450<br />

400<br />

350<br />

300<br />

250<br />

200<br />

0<br />

450<br />

800<br />

1050<br />

1200<br />

1250<br />

1200<br />

Wel<strong>ch</strong>es Verhalten ist für den Monopolisten gewinnmaximierend?<br />

Solange der Grenzerlöse über den Grenzkosten liegt, lohnt si<strong>ch</strong> ein zusätzli<strong>ch</strong>er Verkauft. Erst<br />

wenn der zusätzli<strong>ch</strong>e Erlös glei<strong>ch</strong> ho<strong>ch</strong> ist wie die zusätzli<strong>ch</strong>en Kosten, kann er seinen<br />

Gewinn ni<strong>ch</strong>t mehr steigern.<br />

Die Bedingung für die Gewinnmaximierung des Monopolisten lautet deshalb:<br />

Grenzerlös = Grenzkosten.<br />

Halten wir diese Zusammenhänge grafis<strong>ch</strong> fest, dann zeigt si<strong>ch</strong>, dass der Monopolist die<br />

optimale Menge (S<strong>ch</strong>nittpunkt der Grenzkostenkurve mit der Grenzerlöskurve) zu dem Preis<br />

verkaufen kann, wie er si<strong>ch</strong> auf der Na<strong>ch</strong>fragekurve ergibt. In Erinnerung an A. Cournot, dem<br />

S<strong>ch</strong>öpfer der Monopolpreistheorie, wird dieser Punkt Cournots<strong>ch</strong>er Punkt genannt.<br />

---<br />

450<br />

350<br />

250<br />

150<br />

50<br />

- 50<br />

WELCHES SIND DIE UTNERSCHIEDE DER PREISBILDUNG BEIM MONOPOL UND IM<br />

VERGLEICH ZUR VOLLKOMMENEN KONKURRENZ?<br />

Um beider Situationen verglei<strong>ch</strong>e zu können, müssen wir von glei<strong>ch</strong>en Kostenstrukturen<br />

19


ausgehen. Wir nehmen also an, dass die zusammengefasste Grenzkostenkurve der Anbieter<br />

bei vollständiger Konkurrenz der Grenzkostenkurve des Monopolisten entspri<strong>ch</strong>t.<br />

Bei vollständiger Konkurrenz würde der Preis P1 und die Menge M1 dem Marktglei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>t<br />

entspre<strong>ch</strong>en. Bei diesem Preis und dieser Menge s<strong>ch</strong>neiden si<strong>ch</strong> die Na<strong>ch</strong>frage- und<br />

Angebotskurve (die Angebotskurve entspri<strong>ch</strong>t ja der Grenzkostenkurve).<br />

Das Glei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>t im Monopol (z.B. wenn si<strong>ch</strong> alle Anbieter zu einer grossen Unternehmung<br />

zusammens<strong>ch</strong>liessen würden) wird aber dur<strong>ch</strong> den S<strong>ch</strong>nittpunkt der Grenzerlöskurve mit der<br />

Grenzkostenkurve bestimmt. Dadur<strong>ch</strong> ergibt si<strong>ch</strong> der Preis P2 und die Menge M2. Bei<br />

vollkommener Konkurrenz wird also eine grössere Menge zu einem niedrigeren Preis auf dem<br />

Markt umgesetzt als bei der Monopolsituation.<br />

Was für Monopole gilt, gilt au<strong>ch</strong> für Kartelle:<br />

Die Einkommensumverteilung ändert si<strong>ch</strong> zu Gunsten der Kartell – Unternehmung und zu<br />

Lasten der Konsumenten.<br />

DIE REALITÄT: EINE VIELZAHL VON MARKTFORMEN<br />

Während die Analyse der Preisbildung bei den bisher gesehenen beiden Marktformen relativ<br />

einfa<strong>ch</strong> war, ist sie bei vielen anderen Marktformen viel komplizierter und in einigen Fällen<br />

überhaupt ni<strong>ch</strong>t mögli<strong>ch</strong>.<br />

Dabei hat das wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Leben eine Vielzahl von Marktformen entstehen lassen, deren<br />

Grenzen untereinander teilweise fliessend sind.<br />

Folgend nun ein Überblick über die wi<strong>ch</strong>tigsten Marktformen ohne aber auf das Verhalten von<br />

Anbietern und Na<strong>ch</strong>fragern bei diesen unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>en Marktbedingungen einzugehen.<br />

Eine erste Abwei<strong>ch</strong>ung von den Bedingungen der vollkommenen Konkurrenz bezieht si<strong>ch</strong> auf<br />

die Anzahl von Anbietern und Na<strong>ch</strong>fragern. Dieses Kriterium ist für die Einteilung von<br />

Marktformen denn au<strong>ch</strong> das am häufigsten verwendete.<br />

Gestützt auf dieses Kriterium ergibt si<strong>ch</strong> folgender Überblick:<br />

Na<strong>ch</strong>frager Viele<br />

Anbieter<br />

Wenige Einer<br />

Viele Polypol<br />

(Vollkommene Konkurrenz)<br />

Angebotsoligopol Angebotsmonopol<br />

Wenige Na<strong>ch</strong>frageoligopol Zweiseitiges Angebotsmonopol<br />

(bilaterales) Oligopol<br />

und<br />

Na<strong>ch</strong>frageoligopol<br />

Einer Na<strong>ch</strong>fragemonopol Na<strong>ch</strong>fragemonopol Zweiseitiges<br />

und Angebotsoligopol (bilaterales) Monopol<br />

Reine Monopole sind genau so selten zu finden wie die vollkommene Konkurrenz. Meist sind<br />

es Monopole der öffentli<strong>ch</strong>en Hand.<br />

Eine sehr häufig vorkommende Marktform ist das (Angebots-)Oligopol. Beispiele für diese<br />

Marktform sind Automobile bestimmter Klassen, Zigaretten, S<strong>ch</strong>okolade, Mineralöl,<br />

Was<strong>ch</strong>mittel, Computer.<br />

Eine weitere Abwei<strong>ch</strong>ung von den Bedingungen der vollkommenen Konkurrenz, die Ihnen<br />

mögli<strong>ch</strong>erweise beim Birnen-Beispiel au<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> den Kopf gegangen ist, bezieht si<strong>ch</strong> auf die<br />

getroffene Annahme der homogenen Güter. Bei der überwiegenden Mehrzahl der Güter<br />

besteht dur<strong>ch</strong>aus die Mögli<strong>ch</strong>keit von Produktdifferenzierung, der Abgrenzung des eigenen<br />

Produktes von denjenigen der Konkurrenz. Der Wettbewerb unter den Marktkonkurrenten<br />

wandelt si<strong>ch</strong> vom Preis- zum Differenzierungswettbewerb.<br />

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Es gibt nur ein Unternehmen, dass Coca Cola herstellt, denno<strong>ch</strong> betra<strong>ch</strong>ten die Na<strong>ch</strong>frager<br />

die vers<strong>ch</strong>iedenen Getränkemarken in einem bestimmten Ausmass als Substitute.<br />

Der Coca-Cola Produzent ist aber insofern monopolistis<strong>ch</strong>, als er dur<strong>ch</strong> sein differenziertes<br />

Produkt einen begrenzten „monopolistis<strong>ch</strong>en“ Spielraum hat, des es ihm erlaubt, seinen<br />

eigenen Preis zu setzen (wie beim Monopol); er muss den Marktpreis also ni<strong>ch</strong>t passiv (wie<br />

bei vollkommener Konkurrenz) akzeptieren. Andererseits steht Coca-Cola hinsi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> Preis<br />

und Produkt mit anderen Getränkeanbietern im Wettbewerb um die Kunden (wie bei der<br />

Konkurrenz). Deshalb sind die Grenzen für die eigene Preisfestsetzung do<strong>ch</strong> re<strong>ch</strong>t eng.<br />

Da ein sol<strong>ch</strong>er Markt dur<strong>ch</strong> Elemente des Monopols als au<strong>ch</strong> der Konkurrenz gekennzei<strong>ch</strong>net<br />

ist, wird für diese Marktform der Begriff der monopolistis<strong>ch</strong>en Konkurrenz verwendet. Die<br />

monopolistis<strong>ch</strong>e Konkurrenz ist wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong>e die vorherrs<strong>ch</strong>ende Marktform.<br />

In den Marktformen kommt au<strong>ch</strong> die Dynamik der Wirts<strong>ch</strong>aft zum Vors<strong>ch</strong>ein. Kommt ein<br />

neues Produkt auf den Markt, tritt diese Unternehmung vorerst als Monopolist auf und<br />

erweitert die Wahlmögli<strong>ch</strong>keit der Haushalte, die darüber ents<strong>ch</strong>eiden, ob dieses neue<br />

Produkt zum Erfolg oder zum Flop wird. Die Konkurrenz der Unternehmungen um die<br />

Na<strong>ch</strong>frage der Haushalte wird jedenfalls verstärkt.<br />

Trifft das Produkt die Bedürfnisse der Na<strong>ch</strong>frager, werden bald neuen Unternehmer mit<br />

ähnli<strong>ch</strong>en Produkten auf den Markt kommen – es entsteht eine monopolistis<strong>ch</strong>e Konkurrenz,<br />

die Preise der neuen Produkte und die der Substitutionsgüter als au<strong>ch</strong> die Gewinne des<br />

Pionierunternehmens sinken. Einzelne Unternehmungen, vor allem diejenigen, die na<strong>ch</strong> wie<br />

vor „alte“ Produkte anbieten, erleiden Verluste und vers<strong>ch</strong>winden vom Markt.<br />

Unter den verbleibenden Unternehmungen herrs<strong>ch</strong>t aufgrund des grossen Wettbewerbs ein<br />

Rationalisierungsdruck. Als Folge davon, kann si<strong>ch</strong> die Marktform des Oligopols bilden, bei<br />

wel<strong>ch</strong>er nur wenige Anbieter um Marktanteile kämpfen und mit laufend neuen Angeboten die<br />

Mitbewerber auszuboten versu<strong>ch</strong>en.<br />

Diese Überlegungen zeigen, dass der innovative Unternehmer in der Dynamik der Wirts<strong>ch</strong>aft<br />

eine S<strong>ch</strong>lüsselrolle einnimmt, indem er ständig na<strong>ch</strong> neuen Produkten und kostengünstigen<br />

Produktionsmethoden su<strong>ch</strong>t.<br />

Zur Freude der Haushalte: Sinkende Preise steigern ihr Realeinkommen und neue Produkte<br />

erhöhen ihre Wahlmögli<strong>ch</strong>keiten.<br />

Die Bedingungen der vollkommenen Konkurrenz und des Monopols sind in Wirkli<strong>ch</strong>keit selten<br />

erfüllt. Die am häufigsten anzutreffenden Marktformen sind das Oligopol und die<br />

monopolistis<strong>ch</strong>e Konkurrenz. Innovative Unternehmer sind die S<strong>ch</strong>lüsselfaktoren für die<br />

Dynamik der Wirts<strong>ch</strong>aft und des Wettbewerbs.<br />

Die grundsätzli<strong>ch</strong>e Funktionsweise des Preisme<strong>ch</strong>anismus wei<strong>ch</strong>t aber bei nur teilweisem<br />

Vorliegen der einen oder anderen Bedingung ni<strong>ch</strong>t wesentli<strong>ch</strong> von den Modellaussagen der<br />

vollkommenen Konkurrenz ab. Je weniger die Bedingungen allerdings erfüllt sind, desto<br />

weniger können au<strong>ch</strong> die Vorteile des Marktes zum Tragen kommen.<br />

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KAPITEL 3 – DIE MARKTWIRTSCHAFT<br />

WIE FUNTIONIERT DIE MARKTWIRTSCHAFT?<br />

Man muss si<strong>ch</strong> darüber im Klaren sein, wie genau die drei zentralen Fragen in einer VW<br />

ents<strong>ch</strong>ieden wird:<br />

• Was soll produziert werden?<br />

• Wie soll produziert werden?<br />

• Für wen soll produziert werden?<br />

Das Wirts<strong>ch</strong>aftssystem ist jeweils der Versu<strong>ch</strong> einer Gemeins<strong>ch</strong>aft, auf diese Frage eine<br />

Antwort zu geben. Auf den Märkten werden die drei zentralen Probleme der wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en<br />

Ordnung gelöst.<br />

Der Markt ist ein Verfahren, bei dem dur<strong>ch</strong> das Zusammenwirken von Anbietern und<br />

Na<strong>ch</strong>fragern Ents<strong>ch</strong>eidungen über den Preis und die Menge von Gütern und<br />

Produktionsfaktoren getroffen werden.<br />

MARKT- UND PREISFUNKTIONEN<br />

• In einer Marktwirts<strong>ch</strong>aft sorgt der Preisme<strong>ch</strong>anismus dafür, dass die Anbieter diejenigen<br />

Güter herstellen, wel<strong>ch</strong>e die Konsumenten wüns<strong>ch</strong>en. Preise sind somit wi<strong>ch</strong>tige<br />

Informationsträger, die dem Anbieter signalisieren, ob es si<strong>ch</strong> lohnt und wie viel es si<strong>ch</strong><br />

lohnt, von einem bestimmten Gut herzustellen. Preise zeigen also, in wel<strong>ch</strong>er<br />

Verwendungsri<strong>ch</strong>tung die Mittel den hö<strong>ch</strong>sten Nutzen bzw. Ertrag bringen.<br />

• Preise übernehmen aber au<strong>ch</strong> eine wi<strong>ch</strong>tige Steuerungs- oder Allokationsfunktion. Dies<br />

bezei<strong>ch</strong>net die Zuweisung der verfügbaren Mittel an die Herstellung bestimmter Güter. Mit<br />

der Allokation der Mittel wird darüber ents<strong>ch</strong>ieden, wel<strong>ch</strong>e Güter in wel<strong>ch</strong>en Verfahren und<br />

mit wel<strong>ch</strong>en Produktionsmitteln wo und wann hergestellt werden. Der Markt- und<br />

Preisme<strong>ch</strong>anismus löst dieses Allokationsproblem in der Weise, dass die knappen Mittel<br />

(Produktionsfaktoren) dorthin gelenkt werden, wo die Verwendung am dringendsten ist.<br />

Relativ hohe Preise zeigen hohe Knappheit an, deshalb werden die zur Produktion dieser<br />

Güter benötigten Te<strong>ch</strong>nologien entwickelt, die Produktionsmittel umgelenkt und letztli<strong>ch</strong> die<br />

Knappheit ents<strong>ch</strong>ärft. Diese Me<strong>ch</strong>anismen verbürgen die grosse Dynamik und<br />

Leistungsfähigkeit des marktwirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Systems. Weil der homo oeconomicus stets<br />

um den bestmögli<strong>ch</strong>en Einsatz seiner Mittel bemüht ist, zei<strong>ch</strong>net si<strong>ch</strong> di<strong>ch</strong> Marktwirts<strong>ch</strong>aft<br />

über einen hohen Grad an Effizienz aus.<br />

Die Marktwirts<strong>ch</strong>aft sorgt für die effiziente Allokation der Ressourcen: Die vorhandenen<br />

Mittel werden in ihrer produktivsten Verwendung eingesetzt, so dass das Gesamtprodukt<br />

maximiert wird; es kann dur<strong>ch</strong> keine Umverteilung gesteigert werden.<br />

• In der Marktwirts<strong>ch</strong>aft wird au<strong>ch</strong> die sehr wi<strong>ch</strong>tige Funktion der Koordination vom Markt-<br />

und Preisme<strong>ch</strong>anismus übernommen. Der Preis- und Marktme<strong>ch</strong>anismus koordiniert die<br />

Pläne von Millionen Individuen, ohne dass Institutionen mit grosser Bürokratie benötigt<br />

werden, die enorme Mittel vers<strong>ch</strong>lingen.<br />

Darüber WAS produziert wird, ents<strong>ch</strong>eiden also die Frankenstimmen der Konsumenten. WIE<br />

Güter produziert werden, ents<strong>ch</strong>eidet das Markt- und Preissystem.<br />

Für WEN die Güter produziert werden, wird auf den Märkten für Produktionsfaktoren<br />

ents<strong>ch</strong>ieden. Angebot und Na<strong>ch</strong>frage auf diesen Märkten bestimmen die Löhne, die Zinsen<br />

und die Gewinne. Sie sind verantwortli<strong>ch</strong> für die Höhe der Einkommen und bestimmen somit<br />

die Kaufkraft der einzelnen Na<strong>ch</strong>frage an den Gütermärkten.<br />

22


DAS MARKTERGEBNIS<br />

Der marktwirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Anreizme<strong>ch</strong>anismus führt unablässig zur Su<strong>ch</strong>e na<strong>ch</strong> neuen<br />

Produkten, besseren Te<strong>ch</strong>nologien, neuen Ressourcen und na<strong>ch</strong> Wegen zur effizienteren<br />

Nutzung von bestehenden Ressourcen.<br />

Daraus folgt, dass ni<strong>ch</strong>t nur die Verkäufer einen Gewinn erwirts<strong>ch</strong>aften, sonder dass au<strong>ch</strong> der<br />

Nutzen der Käufer erhöht wird.<br />

Ein System, das von selbst relative Knappheiten und Übers<strong>ch</strong>üsse anzeigt und eine<br />

„unsi<strong>ch</strong>tbare Hand“, wel<strong>ch</strong>e die Handlungen der Individuen derart lenkt, dass der Nutzen aller<br />

maximiert wird. Diese Metapher von der unsi<strong>ch</strong>tbaren Hand geht auf ADAM SMITH zurück.<br />

Vereinfa<strong>ch</strong>t wiedergegeben, lautet sie:<br />

Die „unsi<strong>ch</strong>tbare Hand“ von Adam Smith:<br />

Jedes Individuum wird bei der Verfolgung seines eigenen Vorteils von einer unsi<strong>ch</strong>tbaren<br />

Hand geleitet, die gewährleistet, dass das grösstmögli<strong>ch</strong>e Wohl aller errei<strong>ch</strong>t wird, obwohl<br />

keiner der Handelnden dies bezweckt:<br />

Um einen optimalen Gewinn zu erzielen, bietet jeder Produzent das an, was der Konsument<br />

kaufen will; dur<strong>ch</strong> den Kauf steigert der Konsument wiederum seinen eigenen Nutzen. Die<br />

Maximierung des Eigennutzens maximiert so au<strong>ch</strong> das gesells<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Wohl.<br />

Dieses gesells<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Optimum ist eine unbeabsi<strong>ch</strong>tigte Folge der individuellen<br />

Handlungen, die dur<strong>ch</strong> den Marktme<strong>ch</strong>anismus – die unsi<strong>ch</strong>tbare Hand – aufeinander<br />

abgestimmt werden. Die relevanten Informationen dazu liefert das Preissystem, indes es<br />

relative Knappheiten und Übers<strong>ch</strong>üsse signalisiert.<br />

EXKURS: „IRRATIONALE BÖRSE?“<br />

Die Fehlleistungen am Markt sind eklatant!!!<br />

Nokia: Gestern, heute und morgen die glei<strong>ch</strong>e Firma, obwohl der Aktienkurs fällt und steigt<br />

wie no<strong>ch</strong> nie. Wenn das ni<strong>ch</strong>t irrational ist!<br />

Eben gerade ni<strong>ch</strong>t. Darin besteht das grosse Andererseits, das leider nur von wenigen<br />

verstanden wird: Der Marktme<strong>ch</strong>anismus ist ein Prozess, bei dem der Fehler Prinzip ist. Jeder<br />

am Markt zustande gekommene Kurs birgt den Irrtum in si<strong>ch</strong>. Er erweist si<strong>ch</strong> im nä<strong>ch</strong>sten<br />

Moment als fals<strong>ch</strong>.<br />

Der Allokationsprozess über die Finanzmärkte ist auf totale Dynamik angelegt. Das<br />

immanente dauernde Überprüfen der millionenfa<strong>ch</strong>en individuellen Positionen führt zu<br />

Glei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>tszuständen, wel<strong>ch</strong>e die gegenwärtige, aggregierte Meinung zu so<br />

vers<strong>ch</strong>iedenen Sa<strong>ch</strong>verhalten wie der amerikanis<strong>ch</strong>en Geldpolitik, den Aussi<strong>ch</strong>ten in der Gente<strong>ch</strong>nik<br />

und der Befindli<strong>ch</strong>keit des Herrn S<strong>ch</strong>remp von DaimlerChrysler wiedergeben.<br />

Wenn hingegen der Wissensstand, die Meinungen und die Gefühle weit auseinander liegen<br />

und erst no<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong>einander gewirbelt werden, dann ers<strong>ch</strong>allt der „Casino-Vorwurf“.<br />

Dafür dass das Kapital am ri<strong>ch</strong>tigen Ort platziert wird, sorgt weltweit die Kraft und die Ma<strong>ch</strong>t<br />

des Marktme<strong>ch</strong>anismus. Die intellektuelle Ni<strong>ch</strong>tbewältigung der Allokationsfrage ist<br />

bekanntermassen die Haupts<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>e kollektivistis<strong>ch</strong>er Ans<strong>ch</strong>auungen.<br />

MARKTVERSAGEN<br />

Die Koordination und Allokation dur<strong>ch</strong> den Marktme<strong>ch</strong>anismus kann unter bestimmten<br />

Bedingungen unvollkommen sein und zu gesells<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong> unerwüns<strong>ch</strong>ten Nebeneffekten<br />

führen. Diese Fälle werden als Marktversagen bezei<strong>ch</strong>net.<br />

Einige Beispiele, in denen der raffinierte Allokationsme<strong>ch</strong>anismus des Marktes versagt, wollen<br />

wir nun betra<strong>ch</strong>ten.<br />

• MARKTVERSAGEN BEI WETTBEWERBSBESCHRÄNKUNGEN<br />

Der vollkommene Wettbewerb setzt eine so grosse Zahl von Anbietern voraus, dass kein<br />

Unternehmen den Preis eines Gutes beeinflussen kann. Eine Mögli<strong>ch</strong>keit dem<br />

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23


unbequemen Leistungswettbewerb auszuwei<strong>ch</strong>en, ist die Bes<strong>ch</strong>ränkung des Wettbewerbs.<br />

Ständig sind deshalb Tendenzen zur Eins<strong>ch</strong>ränkung oder Aufhebung des Wettbewerbs am<br />

Werk. Au<strong>ch</strong> hier zeigt si<strong>ch</strong> die Findigkeit des homo oeconomicus:<br />

So werden dur<strong>ch</strong> Zölle, Einfuhrkontingente, Monopole usw. zahlrei<strong>ch</strong>e<br />

Wettbewerbseins<strong>ch</strong>ränkungen erstellt.<br />

Dadur<strong>ch</strong> werden künstli<strong>ch</strong>e Knappheiten ges<strong>ch</strong>affen, die es den Anbietern ermögli<strong>ch</strong>en,<br />

überdur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nittli<strong>ch</strong>e Profite zu erzielen. Die Eins<strong>ch</strong>ränkung des Wettbewerbs ist oft der<br />

einfa<strong>ch</strong>ere Weg si<strong>ch</strong> Gewinne zu si<strong>ch</strong>ern als dur<strong>ch</strong> die Steigerung der eigenen Leistungsfähigkeit.<br />

Der Ökonom spri<strong>ch</strong>t in diesen Fällen von „rent seeking“ – von der Su<strong>ch</strong>e na<strong>ch</strong><br />

unverdientem Einkommen – mit beträ<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>er Vers<strong>ch</strong>wendung von Ressourcen als dessen<br />

Folge.<br />

• MARKTVERSAGEN BEI ÖFFENTLICHEN GÜTERN<br />

Ein weiterer Fall von Marktversagen liegt dann vor, wenn es Güter gibt, die von privater<br />

Seite ni<strong>ch</strong>t angeboten werden, obwohl eine kaufkräftige Na<strong>ch</strong>frage vorhanden ist. Gibt es<br />

Güter, die ohne den Staat ni<strong>ch</strong>t produziert werden würden?<br />

Für den Anreiz, ein Gut privat zu produzieren und zu verkaufen, muss es mögli<strong>ch</strong> sein, das<br />

Re<strong>ch</strong>t auf den Konsum dieses Gutes auf bestimmte Personen zu bes<strong>ch</strong>ränken.<br />

Funktioniert dieses Auss<strong>ch</strong>lussprinzip ni<strong>ch</strong>t, sind die einzelnen Na<strong>ch</strong>frager ni<strong>ch</strong>t bereit,<br />

dafür einen Preis zu bezahlen. Deshalb finden si<strong>ch</strong> für sol<strong>ch</strong>e Güter au<strong>ch</strong> keine Anbieter.<br />

Wenn die Nutzung eines Gutes dur<strong>ch</strong> ein Individuum die Nutzung dur<strong>ch</strong> jemand anderen<br />

ni<strong>ch</strong>t beeinträ<strong>ch</strong>tigt (Ni<strong>ch</strong>t-Rivalität im Konsum), ist ebenfalls niemand bereit, für dieses Gut<br />

einen Preis zu bezahlen.<br />

Funktioniert bei einem Gut sowohl das Auss<strong>ch</strong>lussprinzip als au<strong>ch</strong> die Rivalität im Konsum<br />

ni<strong>ch</strong>t, spri<strong>ch</strong>t man von öffentli<strong>ch</strong>en oder Kollektivgütern. Die einzelnen Na<strong>ch</strong>frager<br />

können si<strong>ch</strong> bei öffentli<strong>ch</strong>en Gütern wie Trittbrettfahrer verhalten.<br />

Beispiele für öffentli<strong>ch</strong>e Güter: öffentli<strong>ch</strong>e Si<strong>ch</strong>erheit, Landesverteidigung,<br />

Strassenbeleu<strong>ch</strong>tung, Stadtparks…<br />

Au<strong>ch</strong> die Umwelt hat in vielen Berei<strong>ch</strong>en den Charakter eines öffentli<strong>ch</strong>en Gutes.<br />

Weil bei öffentli<strong>ch</strong>en Gütern alle die „freerider-Haltung“ wählen, kommt es gar ni<strong>ch</strong>t zur<br />

Na<strong>ch</strong>frage und damit zur Produktion sol<strong>ch</strong>er Güter.<br />

Der Markt versagt offensi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>: Güter, deren Produktion alle besser stellen würde, werden<br />

ni<strong>ch</strong>t produziert; der Markt sorgt ni<strong>ch</strong>t dafür, dass die entspre<strong>ch</strong>enden Bedürfnisse<br />

befriedigt werden.<br />

• MARKTVERSAGEN BEI EXTERNEN EFFEKTEN<br />

Marktversagen tritt au<strong>ch</strong> dann auf, wenn ni<strong>ch</strong>t alle Koste, die bei der Produktion anfallen,<br />

vom Verursa<strong>ch</strong>er getragen werden. Weil diese Kosten auf Aussenstehende überwälzt<br />

werden, spri<strong>ch</strong>t man in sol<strong>ch</strong>en Fällen von externen Kosten.<br />

Verursa<strong>ch</strong>t die Produktion oder der Konsum externe Kosten, versagt der Markt: Sol<strong>ch</strong>e<br />

Güter werden in zu grosser Menge hergestellt oder konsumiert, weil in die Kalkulation und<br />

Nutzenoptimierung zu tiefe Kosten eingehen.<br />

Umgekehrt gibt es au<strong>ch</strong> Fälle, wo die Produktion eines Gutes externen Nutzen stiftet.<br />

Private Gärten beispielsweise absorbieren Abgase, oder die sanfte Renovierung eines alten<br />

Hauses vers<strong>ch</strong>önert das Dorfbild und erfreut alle Betra<strong>ch</strong>ter.<br />

Weil au<strong>ch</strong> hier das Auss<strong>ch</strong>lussprinzip ni<strong>ch</strong>t funktioniert, ist niemand bereit, einen dem<br />

Nutzen entspre<strong>ch</strong>enden Preis zu zahlen. Die Konsequenz daraus ist, dass zu wenig Güter<br />

mit externem Nutzen produziert werden.<br />

Aufgrund externer Effekte kann der Marktme<strong>ch</strong>anismus die optimale Allokation der<br />

Produktionsfaktoren ni<strong>ch</strong>t gewährleisten, weil sie si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t in den Kosten bzw. in den<br />

Preisen widerspiegeln.<br />

• MEKRTVERSAGEN BEI ASSYMETRISCHER INFORMATION<br />

Im Modell der vollkommenen Konkurrenz verfügen sämtli<strong>ch</strong>e Marktteilnehmer über eine<br />

lückenlose Information bezügli<strong>ch</strong>e qualitativer Eigens<strong>ch</strong>aften der Produkte, der Nutzen und<br />

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24


des Verhaltens der Taus<strong>ch</strong>partner. In der Realität haben die Marktteilnehmer aber oft<br />

Informationsdefizite, die zu einem Marktversagen führen.<br />

„Frau Doktor, muss i<strong>ch</strong> Sie wegen meiner Knieverletzung no<strong>ch</strong>mals konsultieren?“<br />

„Herr Garagist, brau<strong>ch</strong>t mein Auto tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> einen neuen Auspuff?“<br />

Hier haben die Befragten den Anreiz, Ihnen jene Antwort zu geben, die ihnen zusätzli<strong>ch</strong>e<br />

Einkommen ermögli<strong>ch</strong>t. Für Sie ist es so oder so s<strong>ch</strong>wierig, die Antwort zu prüfen, weil die<br />

Informationen sehr unglei<strong>ch</strong> – eben asymmetris<strong>ch</strong> – verteilt sind.<br />

Hat ein Taus<strong>ch</strong>partner die Mögli<strong>ch</strong>keit und den Anreiz Kosten auf den anderen<br />

Taus<strong>ch</strong>partner zu überwälzen, liegt ein moral-hazard Problem vor (moralis<strong>ch</strong>es Risiko).<br />

Sol<strong>ch</strong>e Probleme ergeben si<strong>ch</strong> insbesondere bei Versi<strong>ch</strong>erungsverträgen. Die Prämien für<br />

die Versi<strong>ch</strong>erung müssen das dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nittli<strong>ch</strong>e Risiko abdecken. Versi<strong>ch</strong>erungsnehmer mit<br />

tiefem Risiko subventionieren deshalb sol<strong>ch</strong>e mit hohem Risiko. Die Versi<strong>ch</strong>erung hat so<br />

genau jene Kunden, die sie eigentli<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t mö<strong>ch</strong>te, nämli<strong>ch</strong> jene, die eine hohe<br />

Wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong>keit eines S<strong>ch</strong>adenfalls aufweisen (denn jene die keinen S<strong>ch</strong>adenfall<br />

erwarten, werden si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t versi<strong>ch</strong>ern). Deshalb wird die Versi<strong>ch</strong>erung die Prämien<br />

erhöhen müssen, was wiederum zu Kündigungen von „guten“ Kunden mit tiefem Risiko<br />

führt. Dieses Problem bezei<strong>ch</strong>net man mit adverse selection (fals<strong>ch</strong>e Auslese), weil ni<strong>ch</strong>t<br />

die „guten“ Teilnehmer im Markt verbleiben, sondern gerade die „s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>ten“.<br />

In allen Fällen, bei denen die eine Vertragspartei mehr weiss als die andere, findet eine<br />

fals<strong>ch</strong>e Auslese (adverse selection) unter den Marktteilnehmern statt und erzeugt<br />

ineffiziente Ergebnisse.<br />

DIE ROLLE DES STAATES: FESTLEGEN VON SPIELREGELN<br />

In den Fällen wo Markversagen auftritt, ist der Ruf na<strong>ch</strong> dem Staat nahe liegend. Die wohl<br />

wi<strong>ch</strong>tigste Aufgabe des Staates ist aber die S<strong>ch</strong>affung von Voraussetzungen, ohne die eine<br />

Marktwirts<strong>ch</strong>aft überhaupt ni<strong>ch</strong>t funktionieren kann.<br />

SCHAFFUNG VON VORAUSSETZUNGEN ZUR FUNKTION DER MARKTWIRTSCHAFT<br />

Folgende Voraussetzungen müssen zum funktionieren der Marktwirts<strong>ch</strong>aft erfüllt sein:<br />

• Privateigentum an mögli<strong>ch</strong>st allen Gütern muss gewährleistet sein<br />

• Marktwirts<strong>ch</strong>aft entsteht nur, wenn Vertragsfreiheit und Re<strong>ch</strong>tssi<strong>ch</strong>erheit besteht.<br />

• Auf den Märkten darf es keine Zutrittsbes<strong>ch</strong>ränkungen geben. Diese Bedingungen erlauben<br />

eine mögli<strong>ch</strong>st hohe Anzahl von Anbietern (und Na<strong>ch</strong>fragern), die e<strong>ch</strong>ten Wettbewerb<br />

garantieren und si<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> Preisreduktionen solange zu unterbieten versu<strong>ch</strong>en, bis der<br />

Marktpreis den Grenzkosten entspri<strong>ch</strong>t.<br />

• Eng verbunden mit offenen Märkten ist die Aufgabe des Staates zur Si<strong>ch</strong>erung des Wettbewerbs.<br />

Kartelle müssen verboten und ungere<strong>ch</strong>tfertigte Monopole verhindert werden.<br />

Mit den Voraussetzungen 3. und 4. haben wir bereits die zweite Rolle des Staates in der<br />

Marktwirts<strong>ch</strong>aft tangiert:<br />

VERHINDERN VON MARKTVERSAGEN<br />

• Um ein Marktversagen aufgrund von Wettbewerbsbes<strong>ch</strong>ränkungen zu verhindern, gilt es für<br />

offene Märkte zu sorgen und Wettbewerbshindernisse aller Art abzubauen.<br />

• Damit die Gesells<strong>ch</strong>aft au<strong>ch</strong> in den Genuss von öffentli<strong>ch</strong>en Gütern kommt, muss der Staat<br />

sie bereitstellen oder zumindest an ihrer Bereitstellung mitwirken.<br />

• Au<strong>ch</strong> bei externen Effekten muss der Staat eingreifen, um ein unerwüns<strong>ch</strong>tes<br />

Marktergebnis zu verhindern. Übli<strong>ch</strong>erweise ges<strong>ch</strong>ieht dies direkt dur<strong>ch</strong> Verbote und<br />

Normen.<br />

Dur<strong>ch</strong> die Internalisierung externer Effekte können si<strong>ch</strong> die Marktfunktionen entfalten,<br />

wodur<strong>ch</strong> ein effizienter Umgang mit knappen Ressourcen si<strong>ch</strong>ergestellt wird.<br />

• Dem Marktversagen bei asymmetris<strong>ch</strong>er Information wird mit vers<strong>ch</strong>iedenen Massnahmen<br />

begegnet: Mit Standesri<strong>ch</strong>tlinien und Zulassungsbedingungen für bestimmte Berufsgruppen<br />

Zusammenfassung VWL IUR I<br />

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25


(mit der Gefahr von „rent seeking“), Konsumenten- und Arbeitnehmers<strong>ch</strong>utz, staatli<strong>ch</strong>e<br />

Informationen, Versi<strong>ch</strong>erungspfli<strong>ch</strong>t, Selbstbehaltsklauseln, Bonus-Malus-Systemen,<br />

zwingende ärztli<strong>ch</strong>e Untersu<strong>ch</strong>ungen, Gruppenbildung in der Versi<strong>ch</strong>erung na<strong>ch</strong> Beruf oder<br />

Alter usw.<br />

GEWÄHRLEISTUNG EINER GERECHTEN EINKOMMENS- UND<br />

VERMÖGENSVERTEILUNG<br />

Beim Marktversagen haben wir uns auf die Mängel in der Steuerung dur<strong>ch</strong> die „Unsi<strong>ch</strong>tbare<br />

Hand“ konzentriert. Aber selbst wenn der Marktme<strong>ch</strong>anismus in vollkommener Weise<br />

funktionieren würde, würden ihn viele als ni<strong>ch</strong>t ideal beurteilen. Denn die Marktwirts<strong>ch</strong>aft<br />

belohnt nur den, der im Wettbewerb zu bestehen vermag. Der Marktme<strong>ch</strong>anismus verteilt die<br />

Einkommen einzig na<strong>ch</strong> Leistungskriterien.<br />

Deshalb muss die Marktwirts<strong>ch</strong>aft um die soziale Komponente ergänzt werden, die zu einer<br />

Umverteilung der Einkommen führt. Als Hauptinstrumente zur Umverteilung stehen die Sozialtransfers<br />

und staatli<strong>ch</strong>e Versi<strong>ch</strong>erungssysteme sowie die progressiven Einkommenssteuern<br />

zur Verfügung.<br />

Das Ausbalancieren zwis<strong>ch</strong>en Allokationseffizienz und Verteilungsgere<strong>ch</strong>tigkeit ist eine<br />

Herausforderung für die Wirts<strong>ch</strong>aftspolitik.<br />

Urteile über die Gere<strong>ch</strong>tigkeit gründen immer auf subjektiven Werturteilen.<br />

FÖRDERUNG DER WIRTSCHAFTLICHEN STABILITÄT<br />

Marktwirts<strong>ch</strong>aften werden immer wieder von Perioden hoher Inflation oder hoher<br />

Arbeitslosigkeit heimgesu<strong>ch</strong>t, wel<strong>ch</strong>e das Bedürfnis na<strong>ch</strong> einer Stabilisierungspolitik des<br />

Staates wecken, andererseits si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> die Grenzen einer sol<strong>ch</strong>en Politik si<strong>ch</strong>tbar geworden.<br />

STAATSVERSAGEN<br />

Was tut der Staat eigentli<strong>ch</strong> in der Realität?<br />

Im Laufe der 1960er-Jahre erlebten die meisten Industrieländer einen S<strong>ch</strong>ub von staatli<strong>ch</strong>en<br />

Eingriffen, im Besonderen bei den Sozialausgaben.<br />

Mit der Erdölkrise 1973 wu<strong>ch</strong>s der Ruf na<strong>ch</strong> Protektionismus (= S<strong>ch</strong>utz der eigenen Wirts<strong>ch</strong>aft<br />

vor ausländis<strong>ch</strong>er Konkurrenz), bedrohte Unternehmen su<strong>ch</strong>ten Hilfe beim Staat und erhielten<br />

sie in Form von Subventionen, der Kündigungss<strong>ch</strong>utz wurde ausgebaut und die<br />

Sozialausgaben erhöht. „Mehr Staat“ war die Antwort auf die Rezession. Ende der 1970er-<br />

Jahre drehte aber der Wind: S<strong>ch</strong>lankheitskuren für den Wohlfahrtsstaat usw.<br />

„Mehr Markt“ war und ist au<strong>ch</strong> heute no<strong>ch</strong> ein Trend.<br />

Allerdings kamen zu Beginn des neuen Jahrtausend Ma<strong>ch</strong>ens<strong>ch</strong>aften wie Bilanzfäls<strong>ch</strong>ungen,<br />

Korruption, etc. ans Tagesli<strong>ch</strong>t, wel<strong>ch</strong>e au<strong>ch</strong> dem Ruf na<strong>ch</strong> „mehr Staats“ wieder Auftrieb<br />

verliehen haben.<br />

Darin kommt ein der Marktwirts<strong>ch</strong>aft eigentümli<strong>ch</strong>es Dilemma zum Vors<strong>ch</strong>ein. Einerseits lässt<br />

die Lehre vom Marktversagen, das Verhindern von sozialen Unglei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>ten und die<br />

Förderung der Stabilität den Ruf na<strong>ch</strong> „mehr Staat“ laut werden, andererseits erweist si<strong>ch</strong> die<br />

Tätigkeit des Staates oft als ni<strong>ch</strong>t geeignet, die jeweiligen Probleme zu lösen, oder s<strong>ch</strong>afft<br />

sogar neue Probleme. Diese Fälle werden mit Staatsversagen bezei<strong>ch</strong>net.<br />

Was als Staatsversagen bezei<strong>ch</strong>net wird, hängt davon ab, wel<strong>ch</strong>e Leistungen von der Politik<br />

erwartet werden. Aus der Si<strong>ch</strong>t der Neuen Politis<strong>ch</strong>en Ökonomie (in Amerika als „public<br />

<strong>ch</strong>oice“ bekannt) entstehen dur<strong>ch</strong> die Staatstätigkeit insbesondere folgende Probleme, wel<strong>ch</strong>e<br />

zu einer Vers<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>terung der Funktionsfähigkeit der Marktwirts<strong>ch</strong>aft führen können:<br />

• Politis<strong>ch</strong> motivierte Ents<strong>ch</strong>eidungen<br />

In einer Demokratie entsteht die Gefahr, dass nur Massnahmen ergriffen werden, die<br />

kurzfristig populär sind und den einflussrei<strong>ch</strong>en und gut organisierten Interessengruppen<br />

dienen. Die Eingriffe in den Markt können zwar für gewisse Interessengruppen Vorteile<br />

s<strong>ch</strong>affen, der Allgemeinheit aber s<strong>ch</strong>aden – indem sie die Voraussetzungen für „rent<br />

seeking“ s<strong>ch</strong>affen.<br />

Zusammenfassung VWL IUR I<br />

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26


• Regulierungskosten<br />

Wird ein Regulierungsbedarf festgestellt, muss ein Instrumentarium für die Markteingriffe<br />

ausgewählt werden. Es entsteht Informationsbedarf, deren Bes<strong>ch</strong>affung mit Kosten<br />

verbunden ist. Zusätzli<strong>ch</strong> versu<strong>ch</strong>en die betroffenen Stellen ihren Informationsvorsprung zu<br />

ihren Gunsten auszunützen. Au<strong>ch</strong> die Dur<strong>ch</strong>führung und Kontrolle der Markteingriffe<br />

erfordern einen gewissen Verwaltungsapparat und verursa<strong>ch</strong>en damit Kosten.<br />

• Verzerrung der Allokationseffizienz<br />

Das eigennützige Verhalten jedes Einzelnen ermögli<strong>ch</strong>t eine effiziente Allokation der<br />

Ressourcen: Die relativen Knappheiten widerspiegeln si<strong>ch</strong> in den Preisverhältnissen und<br />

werden so in den Ents<strong>ch</strong>eidungen berücksi<strong>ch</strong>tigt.<br />

Im politis<strong>ch</strong>en Prozess aber bezahlt z.B. eine Bran<strong>ch</strong>e, die dur<strong>ch</strong> Importbes<strong>ch</strong>ränkungen<br />

ges<strong>ch</strong>ützt wird, keinen Preis, mit dem die Verlierer ents<strong>ch</strong>ädigt werden könnten. Dur<strong>ch</strong> die<br />

Importbes<strong>ch</strong>ränkungen ergeben si<strong>ch</strong> Änderungen der relativen Preise, entspre<strong>ch</strong>ende<br />

Anreize und Gewinnmögli<strong>ch</strong>keiten für die ges<strong>ch</strong>ützte Bran<strong>ch</strong>e, zu Lasten der Konsumenten<br />

– es kommt eben zu einer Verzerrung der Allokationseffizienz.<br />

Damit die Marktwirts<strong>ch</strong>aft ihre Rolle erfüllen kann, muss der Staat die notwendigen<br />

Voraussetzungen s<strong>ch</strong>affen und Marktversagen verhindern. Allerdings bergen staatli<strong>ch</strong>e<br />

Eingriffe die Gefahr in si<strong>ch</strong>, dass Marktversagen dur<strong>ch</strong> Staatsversagen ersetzt wird.<br />

DIE WIRTSCHAFTSORDNUNG DER SCHWEIZ<br />

GRUNDLAGE: VERFASSUNG UND GESETZE<br />

Die S<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>e Wirts<strong>ch</strong>aftsordnung s<strong>ch</strong>eint gemäss der Verfassung auf dem Fundament<br />

des Liberalismus zu stehen, dessen beherrs<strong>ch</strong>ende Idee die Forderung na<strong>ch</strong> individueller<br />

Selbständigkeit und Freiheit ist.<br />

Diverse Verfassungsartikel und darauf abgestützte Gesetze erlauben es aber, von den<br />

marktwirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Grundprinzipien abzugehen und die gewährten Freiheitsre<strong>ch</strong>te<br />

einzus<strong>ch</strong>ränken.<br />

Bereits in der Bundesverfassung selber sind „harte“ Eins<strong>ch</strong>ränkungen der Marktwirts<strong>ch</strong>aft<br />

vorgesehen. Weil si<strong>ch</strong> aber zuglei<strong>ch</strong> die Interpretation der Verfassung vielfa<strong>ch</strong> von ihrem<br />

Wortlaut entfernte, kam es zu einer Vielzahl von Staatseingriffen.<br />

Marktzutrittsbes<strong>ch</strong>ränkungen und Kartelle sind in der S<strong>ch</strong>weiz häufige Vertreter sol<strong>ch</strong>er<br />

Eins<strong>ch</strong>ränkungen. Unter Kartellen versteht man die Zusammenarbeit re<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> selbständiger<br />

Zusammenfassung VWL IUR I<br />

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27


Unternehmungen mit dem Zweck, ihr Verhalten so zu koordinieren, dass sie auf dem Markt<br />

eine dominierende Stellung einnehmen können.<br />

DER RUF NACH MARKTWIRTSCHAFTLICHER ERNEUERUNG<br />

Spätestens na<strong>ch</strong> dem 6.Dezember 1992, als das Volk den EWR-Vertrag ablehnte, ist die<br />

Revitalisierung bzw. die marktwirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Erneuerung der S<strong>ch</strong>weizer Wirts<strong>ch</strong>aft in aller<br />

Munde.<br />

In der S<strong>ch</strong>weiz wurde man si<strong>ch</strong> zusehends bewusster, dass traditionelle Standortvorteile<br />

verloren gehen und dass ein ordnungspolitis<strong>ch</strong>er Handlungsbedarf bestand.<br />

Ziel der marktwirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Erneuerungen ist es, die Konkurrenzfähigkeit des<br />

Wirts<strong>ch</strong>aftsstandortes S<strong>ch</strong>weiz zu verstärken. Das Trainingsprogramm für die „Fitnesskur von<br />

Mutter Helvetia“ enthält folgende Stossri<strong>ch</strong>tungen:<br />

1. Wettbewerbsintensive Märkte: Die S<strong>ch</strong>affung wirksamer Wettbewerbs und dessen<br />

S<strong>ch</strong>utz ist eine Kernaufgabe des Staates in einer Marktwirts<strong>ch</strong>aft. Zum Programm der<br />

marktwirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Erneuerung gehören u.a.<br />

Das Bundesgesetz über das öffentli<strong>ch</strong>e Bes<strong>ch</strong>affungswesen: Wettbewerb bei<br />

Auftragsvergabe dur<strong>ch</strong> staatli<strong>ch</strong>e Behörden.<br />

Das Bundesgesetz über Kartelle<br />

Das Binnenmarktgesetz<br />

2. Liberalisierungen im öffentli<strong>ch</strong>en Versorgungsberei<strong>ch</strong>: Die S<strong>ch</strong>weiz ist im Allgemeinen<br />

im Rückstand gegenüber der EU in Sa<strong>ch</strong>en Liberalisierung im Versorgungsberei<strong>ch</strong>, in der<br />

Telekommunikation, beim Elektrizitätsmarkt oder im öffentli<strong>ch</strong>en Verkehr.<br />

3. Internationale Öffnung: Die wi<strong>ch</strong>tigsten Elemente der s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en<br />

Aussenwirts<strong>ch</strong>aftspolitik sind die Abkommen im Rahmen der WTO sowie die bilateralen<br />

Abkommen mit der EU.<br />

4. Öffentli<strong>ch</strong>e Finanzen: Um die öffentli<strong>ch</strong>en Finanzen zu sanieren, sind eine Bes<strong>ch</strong>ränkung<br />

des Ausgabenwa<strong>ch</strong>stums sowie Steuerreformen notwendig.<br />

EINFLUSSMÖGLICHEITEN VON INTERESSENVERBÄNDEN<br />

Die S<strong>ch</strong>weiz wird häufig als Verbandsdemokratie bezei<strong>ch</strong>net. In dieser Bezei<strong>ch</strong>nung kommt<br />

die Tatsa<strong>ch</strong>e zum Ausdruck, dass si<strong>ch</strong> wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Akteure mit glei<strong>ch</strong>en Interessen zu<br />

Verbänden zusammens<strong>ch</strong>liessen, um dadur<strong>ch</strong> wirts<strong>ch</strong>aftspolitis<strong>ch</strong>e Ma<strong>ch</strong>t zu entfalten.<br />

Wi<strong>ch</strong>tige Verbände sind Gewerks<strong>ch</strong>aften, Arbeitgeberverbände, economiesuisse (Verband<br />

S<strong>ch</strong>weizer Unternehmer), daneben gibt es aber no<strong>ch</strong> eine Vielzahl von Verbänden, die si<strong>ch</strong><br />

aufgrund anderer Anliegen zusammens<strong>ch</strong>liessen (Stiftung für Konsumentens<strong>ch</strong>utz,<br />

Vermieterverband, Mieterinnen- und Mieterverband, etc.).<br />

Den Verbänden kommt viel Ma<strong>ch</strong>t zu, weil ihnen in frühen Phasen des politis<strong>ch</strong>en Prozesses<br />

Einflussmögli<strong>ch</strong>keiten geboten werden. Zur Vorbereitung für neue Gesetze oder<br />

Verfassungsartikel werden regelmässig Expertenkommissionen gebildet, in denen Vertreter<br />

der vers<strong>ch</strong>iedenen Verbände ihre Sa<strong>ch</strong>kenntnisse und ihre Interessen einbringen. Regierung<br />

und Verwaltung setzen bei ihrer Arbeit auf die Kooperation mit den Verbänden.<br />

Bevor die Expertenberi<strong>ch</strong>te an die Behörden und an das Parlament gehen, werden sie dem so<br />

genannten Vernehmlassungsverfahren unterworfen, in wel<strong>ch</strong>em sämtli<strong>ch</strong>e Interessierten ihre<br />

Meinung zum Ausdruck bringen können. Diese Meinungsäusserungen beeinflussen den<br />

endgültigen Gesetzestext umso wirkungsvoller, je grösser die Finanzkraft und die<br />

Referendumsdrohung (in Abhängigkeit der Mitgliederzahl) der Interessengruppen sind.<br />

Au<strong>ch</strong> im Parlament nehmen die Verbände ihre Interessen wahr, indem sie entweder im<br />

Rahmen einer Partei selbst Einsitz nehmen im Parlament, oder indem sie mit Parteien<br />

zusammenarbeiten und sie finanziell unterstützen.<br />

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Die Interessenverbände beeinflussen dur<strong>ch</strong> Webung und Information au<strong>ch</strong> die öffentli<strong>ch</strong>e<br />

Meinung und damit das Abstimmungs- und Wahlverhalten der Bürgen. Wi<strong>ch</strong>tige Waffen sind<br />

dabei die direkten Volksre<strong>ch</strong>te Referendum und Initiative.<br />

Allerdings lassen si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t alle Interessen glei<strong>ch</strong> lei<strong>ch</strong>t organisieren. Die Leistungen von<br />

Konsumentenverbänden haben beispielsweise den Charakter von öffentli<strong>ch</strong>en Gütern.<br />

Andererseits lassen si<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>lagkräftige Interessengruppen bilden, wo handfeste<br />

wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Anliegen der einzelnen Mitglieder gefördert werden können.<br />

EXKURS: „SCHACH“ … BEIM JASSEN<br />

„Der Staat ist ineffizient!“ Man muss aber zur Kenntnis nehmen, dass in der Wirts<strong>ch</strong>aft, In<br />

Unternehmungen einerseits und im Staat, in der Politik andererseits zwei vers<strong>ch</strong>iedene Spiele<br />

gespielt werden.<br />

Damit alle Interessen eingebra<strong>ch</strong>t werden können, damit Ausglei<strong>ch</strong> mögli<strong>ch</strong>e wird, sind die<br />

staatli<strong>ch</strong>en Institutionen und Ents<strong>ch</strong>eidungsprozesse anders ausgestaltet worden, als dies in<br />

Unternehmungen typis<strong>ch</strong>erweise der Fall ist.<br />

Im Spiel „Staat“ kann und darf ni<strong>ch</strong>t zu viel Effizienz erwartet werden!<br />

Wo das Spiel „Unternehmung“ gespielt wird geht es um Effizienz, und es herrs<strong>ch</strong>t (im Rahmen<br />

unerlässli<strong>ch</strong>er Gesetze und staatli<strong>ch</strong>er Auflagen) Freiheit. Und es ma<strong>ch</strong>t keinen Sinn, dieser<br />

Freiheit in jeder nur denkbaren Hinsi<strong>ch</strong>t einzus<strong>ch</strong>ränken und damit ausserdem effizientes<br />

Verhalten zu verunmögli<strong>ch</strong>en.<br />

Für die Gesells<strong>ch</strong>aft stellt si<strong>ch</strong> immer wieder neu die Frage, wel<strong>ch</strong>e Berei<strong>ch</strong>e sie dem Spiel<br />

„Staat“ und damit den Zielen Fairness, Ausglei<strong>ch</strong> und Gere<strong>ch</strong>tigkeit unterstellen will und in<br />

wel<strong>ch</strong>en Berei<strong>ch</strong>en das Spiel „Wirts<strong>ch</strong>aft“ mit den Zielen Effizienz und Freiheit gespielt werden<br />

soll.<br />

EXKURS: VOM „HOMO SOVIETICUS“ ZUM „HOMO OECONOMICUS“<br />

In einem historis<strong>ch</strong>en Experiment wird ein halber Kontinent auf eine neue Wirts<strong>ch</strong>aftsordnung<br />

umgestellt.<br />

DIE ZENTRALE PLANWIRTSCHAFT IM MODELL<br />

• Eigentumsordnung: Eine wesentli<strong>ch</strong>e These des Kommunismus ist, dass in einer<br />

kapitalistis<strong>ch</strong>en Wirts<strong>ch</strong>aft der Mens<strong>ch</strong> vom Mens<strong>ch</strong>en ausgebeutet wird, deshalb befindet<br />

si<strong>ch</strong> das Eigentum an Produktionsmitteln grundsätzli<strong>ch</strong> in der Hand der Gesells<strong>ch</strong>aft als<br />

ganzes.<br />

• Koordinationsme<strong>ch</strong>anismus: Wir Wirts<strong>ch</strong>aft wird zentral geplant und koordiniert. Eine<br />

staatli<strong>ch</strong>e Plankommission stellt Gesamtpläne und Teilpläne auf und legt die Preise fest.<br />

In einem ersten S<strong>ch</strong>ritt wird festgelegt, wel<strong>ch</strong>e Produkte in wel<strong>ch</strong>en Mengen hergestellt<br />

werden sollen. Der zweite S<strong>ch</strong>ritt besteht in der Erstellung von Bilanzen für jedes<br />

gewüns<strong>ch</strong>te Endprodukt, auf wel<strong>ch</strong>er auf der einen Seite das Produktionsziel und auf der<br />

anderen Seite die notwendigen Inputs festgehalten werden.<br />

Die Zuteilung der produzierten Güter an die Konsumenten erfolgt dur<strong>ch</strong> mengenmässige<br />

Rationierung (Verteilungspläne und Verbrau<strong>ch</strong>spläne).<br />

• Zentrale Preisfestsetzung: Die Preise werden auf dem Verwaltungsweg bere<strong>ch</strong>net und<br />

von den Behörden verbindli<strong>ch</strong> festgelegt.<br />

Je na<strong>ch</strong> Wi<strong>ch</strong>tigkeit der Güter werden sie mit Zus<strong>ch</strong>lägen versehen, damit die relativen<br />

Knappheiten berücksi<strong>ch</strong>tigt werden können.<br />

• Anreizme<strong>ch</strong>anismus: Als Leistungsanreize dienen Orden und Auszei<strong>ch</strong>nungen; werden<br />

die Produktionspläne verfehlt, drohen Strafen.<br />

• Ordnungsfunktion des Staates: Der Staat ist in jeder Hinsi<strong>ch</strong>t dominant. Er ist<br />

Eigentümer der Produktionsmittel und fällt die Investitions- und Produktionsents<strong>ch</strong>eidungen.<br />

Au<strong>ch</strong> der Aussenhandel ist Monopol des Staates.<br />

GRÜNDE FÜR DAS VERSAGEN DER PLANWIRTSCHAFTEN<br />

Vor allem aus der Si<strong>ch</strong>t der Produzenten war die Planwirts<strong>ch</strong>aft negativ. Das führte dazu, dass<br />

der S<strong>ch</strong>warzmarkt blühte.<br />

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Das Versagen dieses Systems liegt in den prinzipiell fals<strong>ch</strong> gesetzten Anreizen. Die<br />

Wirts<strong>ch</strong>aftsakteure werden systematis<strong>ch</strong> davon abgehalten, ihr Wissen um Markt-<br />

Unglei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>te, Versorgungsengpässe und Gewinn<strong>ch</strong>ancen zu nutzen. Zudem werden sie<br />

systematis<strong>ch</strong> dazu verleitet, fals<strong>ch</strong>e Informationen an die Planungsbehörde zu übermitteln.<br />

Planwirts<strong>ch</strong>aft und politis<strong>ch</strong>er Totalitarismus gehen Hand in Hand; mehr no<strong>ch</strong>: Sie bedingen<br />

si<strong>ch</strong> gegenseitig.<br />

VORAUSSETZUNGEN DES SYSTEMWECHSELS<br />

Gut sieben Jahre na<strong>ch</strong> den Anfängen des Umbru<strong>ch</strong>s lässt si<strong>ch</strong> ermessen, wie s<strong>ch</strong>wierig, fragil<br />

und krisenanfällig der Übergang zum Markt in Tat und Wahrheit ist. Art und Ursa<strong>ch</strong>en der<br />

Rücks<strong>ch</strong>läge spiegeln dabei die ganze Vielfalt des Transformationsprozesses.<br />

Zu den Voraussetzungen eines Systemwe<strong>ch</strong>sels gehören:<br />

• Die Absage an ideologis<strong>ch</strong>e Grundwerte<br />

• Die Einführung und Absi<strong>ch</strong>erung des privaten Eigentums<br />

• Die Freigabe der Preise und die Privatisierung der Unternehmungen<br />

• Die Erri<strong>ch</strong>tung eines funktionierenden Kapital- und Arbeitsmarktes<br />

• Die Liberalisierung des Aussenhandels<br />

• Die Einführung der Konvertibilität (=freie Taus<strong>ch</strong>barkeit) der Währung<br />

• Die S<strong>ch</strong>affung einer neuen Re<strong>ch</strong>tsordnung<br />

• Die Reform des Bildungswesens und des Verwaltungsapparates<br />

• Der Abbau des Subventionierungssystems<br />

Für die sozialistis<strong>ch</strong>en Unternehmungen bringt die neue Ordnung eine totale Veränderung<br />

der wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Bedingungen mit si<strong>ch</strong>. Deshalb treten fehlende Erfahrung und Wissen<br />

umso mehr zum Vors<strong>ch</strong>ein.<br />

Die Sanktionierung des Marktes ist unerbittli<strong>ch</strong>, er trennt ohne Sentimentalität die Spreu<br />

vom Weizen, ni<strong>ch</strong>t nur mit Blick auf die Produkte, sondern au<strong>ch</strong> auf ganze Volkswirts<strong>ch</strong>aften.<br />

Die niedrige Produktivität der Wirts<strong>ch</strong>aft lässt ihnen gegen die internationale Konkurrenz keine<br />

grosse Chance, und alle Versu<strong>ch</strong>e, diese Produktivität zu steigern, erhöhen zuerst die<br />

Arbeitslosigkeit und vermindern dadur<strong>ch</strong> die Einkommen.<br />

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KAPITEL 4 – DIE ERFASSUNG DER GESAMTEN WIRTSCHAFTSLEISTUNG:<br />

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DIE VOLKSWIRTSCHAFTLICHE GESAMTRECHNUNG (VGR)<br />

DER EINFACHE WIRTSCHAFTSKREISLAUF<br />

Hauptziel der Makroökonomie darin, einen Überblick über die Gesamtwirts<strong>ch</strong>aft zu vermitteln.<br />

Dazu vereinfa<strong>ch</strong>en wir die Volkswirts<strong>ch</strong>aft zu einer einfa<strong>ch</strong>en Volkswirts<strong>ch</strong>aft, in der es nur<br />

Haushalte und Unternehmungen gibt.<br />

Der einfa<strong>ch</strong>e Wirts<strong>ch</strong>aftskreislauf zerteilt si<strong>ch</strong> in zwei Kreisläufe: einen Güterkreislauf und<br />

einen Geldkreislauf.<br />

An diesem einfa<strong>ch</strong>en Kreislauf sieht man, dass die Unternehmungen die volkswirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e<br />

Leistung erstellen (Produktion), das Einkommen daraus an die Haushalte weiterleiten<br />

(Einkommensverteilung) und die Haushalte ihrerseits das erhaltene Einkommen dazu<br />

verwenden, die Produktion der Unternehmungen zu kaufen (Verwendung).<br />

Man kann die wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Leistungsfähigkeit also aus drei Blickwinkeln erfassen:<br />

Die Wirkli<strong>ch</strong>keit ist jedo<strong>ch</strong> um einiges komplexer als dies der einfa<strong>ch</strong>e Kreislauf zum Ausdruck<br />

bringt. Um dieser Komplexität Re<strong>ch</strong>nung zu tragen wollen wir im Folgenden diese drei<br />

Blickwinkel einzeln analysieren und auf die s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>e „Wirkli<strong>ch</strong>keit“ anwenden.<br />

31


Das Ziel der VGR ist es, die Leistung einer Volkswirts<strong>ch</strong>aft zu erfassen, um den Unternehmen,<br />

den Arbeitnehmern, den Konsumenten, den Politikern und Wissens<strong>ch</strong>aftlern die für ihre<br />

Tätigkeit notwendigen Informationen zu liefern.<br />

DIE ANALYSE DER PRODUKTIONSSEITE<br />

Bei der Produktionsseite steht folgende Frage im Zentrum des Interesses: Wer hat die<br />

Leistung erbra<strong>ch</strong>t?<br />

Was aber bedeutet Leistung im Sinne der Volkswirts<strong>ch</strong>aftslehre?<br />

WIE MESSEN WIR DIE LEISTUNG EINER UNTERNEHMUNG?<br />

In der BWL dient als Massstab der Umsatz und der Gewinn. Aus volkswirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>er Si<strong>ch</strong>t ist<br />

der Gewinn alleine kein guter Massstab, weil die Unternehmung no<strong>ch</strong> andere Leistungen<br />

erbringt, so bezahlt sie beispielsweise Löhne an ihre Mitarbeiter, was für die VW von zentraler<br />

Bedeutung ist (siehe Verteilungsre<strong>ch</strong>nung).<br />

Der Umsatz überzei<strong>ch</strong>net die Leistung, weil er Werte enthält, die ni<strong>ch</strong>t von der betreffenden<br />

Unternehmung ges<strong>ch</strong>affen wurden. Um Mehrfa<strong>ch</strong>zählungen zu vermeiden, müssen wir alle<br />

Güter, die von anderen Unternehmungen eingekauft und im Produktionsprozess eingesetzt<br />

werden, vom Umsatz subtrahieren. Diese Leistungen, wel<strong>ch</strong>e ni<strong>ch</strong>t vom betreffenden<br />

Unternehmen erstellt wurden, bezei<strong>ch</strong>nen wir als Vorleistungen.<br />

Vorleistungen sind alle ni<strong>ch</strong>t dauerhaften Produktionsmittel, die von anderen Produzenten<br />

bezogen werden.<br />

Dazu zählen Sa<strong>ch</strong>güter wir Roh- und Hilfsstoffe, Energie, Halbfabrikate und Handelswaren<br />

ebenso wie Dienstleistungen (z.B. Transportleistungen, Beratungshonorare, etc.).<br />

Ni<strong>ch</strong>t dazu gehören Käufe von Investitionsgütern, da es si<strong>ch</strong> dabei ni<strong>ch</strong>t um eine Aufwands-,<br />

sondern eine Vermögenserhöhung handelt (wel<strong>ch</strong>e von der Bilanz erfasst wird).<br />

Die VW interessiert si<strong>ch</strong> primär weder für den Umsatz no<strong>ch</strong> für den Gewinn, sondern für die<br />

Leistungen, die von den vers<strong>ch</strong>iednen Produzenten NEU erbra<strong>ch</strong>t wurden. Es geht um den<br />

Wert, wel<strong>ch</strong>er den Vorleistungen dur<strong>ch</strong> die Produktion und den ans<strong>ch</strong>liessenden Absatz<br />

hinzugefügt wurden. Deshalb bezei<strong>ch</strong>nen wir diese Grösse mit dem Begriff Werts<strong>ch</strong>öpfung:<br />

Werts<strong>ch</strong>öpfung ist die selbst erbra<strong>ch</strong>te Leistung eines Unternehmens, also die Differenz<br />

zwis<strong>ch</strong>en den umgesetzten Leistungen eines Produzenten und den von ihm übernommenen<br />

Leistungen (Vorleistungen).<br />

In den selbst erbra<strong>ch</strong>ten Leistungen sind ni<strong>ch</strong>t nur die Güter enthalten, die ein Unternehmen<br />

verkauft, sondern au<strong>ch</strong> Güter die es für si<strong>ch</strong> selber produziert, oder die es ins Lager legt.<br />

Selbst erbra<strong>ch</strong>te Leistungen entspre<strong>ch</strong>en somit der Summe aller Verkäufe, den Wert der<br />

Bestandesveränderung des Lagers und den Wert der selbsterstellten Anlagen.<br />

Bei der oben bes<strong>ch</strong>riebenen Werts<strong>ch</strong>öpfung handelt es si<strong>ch</strong> genau genommen um die<br />

Bruttowerts<strong>ch</strong>öpfung, weil in ihr au<strong>ch</strong> die Abs<strong>ch</strong>reibungen enthalten sind, die dazu dienen, die<br />

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32


in der laufenden Produktion abgenützten Investitionsgüter zu ersetzen. Die<br />

Bruttowerts<strong>ch</strong>öpfung abzügli<strong>ch</strong> der Abs<strong>ch</strong>reibungen ergibt die Nettowerts<strong>ch</strong>öpfung.<br />

Man bewertet die Leistungen zu Marktpreisen um zu der Werts<strong>ch</strong>öpfung zu gelangen, in der<br />

revidierten VGR (revidiert im Jahre 2003 um internationalen Standards anzupassen) bewertet<br />

man die erbra<strong>ch</strong>ten Leistungen aber zu Herstellungspreisen. Darin sind die Subventionen<br />

enthalten, jedo<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t die Gütersteuern.<br />

Um von den Herstellungspreisen zu den Markpreisen zu gelangen, müssen deshalb die<br />

Gütersteuern addiert und die Subventionen subtrahiert werden.<br />

Übersi<strong>ch</strong>t: Bruttowerts<strong>ch</strong>öpfung einer Unternehmung<br />

Begriff Definition<br />

Produktionswert<br />

+ Gütersteuern<br />

- Gütersubventionen<br />

- Vorleistungen<br />

= Bruttowerts<strong>ch</strong>öpfung<br />

- Abs<strong>ch</strong>reibungen<br />

= Nettowerts<strong>ch</strong>öpfung<br />

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Wert aller Verkäufe + Wert der Bestandesveränderungen an Fertigprodukten<br />

+ Wert der selbsterstellten Anlagen, bewertet zu Herstellungspreisen.<br />

Indirekte Steuern (z.B. Mehrwertsteuern, Tabaksteuer, Alkoholsteuer).<br />

Produktionsbeiträge des Staates.<br />

Alle von einer Unternehmung bezogenen und für die Produktion verbrau<strong>ch</strong>ten<br />

Güter und Dienstleistungen.<br />

Der erarbeitet Mehrwert.<br />

Wertminderungen des Anlagevermögens dur<strong>ch</strong> Vers<strong>ch</strong>leiss und Alterung.<br />

Mehrwert, den man maximal verbrau<strong>ch</strong>e könnte, ohne die Vermögens-<br />

substanz einer Unternehmung zu gefährden.<br />

Wer- ausser den Unternehmungen, produziert in einer VW au<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> etwas, erbringt also<br />

eine Werts<strong>ch</strong>öpfung?<br />

DIE INSTITIONELLEN SEKTOREN DER VGR<br />

Man ist auf Abstraktion angewiesen, um die Komplexität der gesamten Wirts<strong>ch</strong>aft erfassen zu<br />

können. Man fasst all diejenigen zu einem Sektor zusammen, wel<strong>ch</strong>e mehrheitli<strong>ch</strong> dieselbe<br />

Tätigkeit ausüben. Die VGR unters<strong>ch</strong>eidet folgende Sektoren:<br />

• Ni<strong>ch</strong>t-finanzielle Kapitalgesells<strong>ch</strong>aften: Dieser Sektor umfasst alle Kapitalgesells<strong>ch</strong>aften,<br />

deren Haupttätigkeit in der Produktion von Waren und ni<strong>ch</strong>t-finanziellen Dienstleistungen<br />

liegt. Er umfasst Bran<strong>ch</strong>en wie die Chemie, die Mas<strong>ch</strong>inenindustrie oder die Bauwirts<strong>ch</strong>aft.<br />

• Finanzielle Kapitalgesells<strong>ch</strong>aften: Alle Kapitalgesells<strong>ch</strong>aften, wel<strong>ch</strong>e eine finanzielle<br />

Mittlertätigkeit übernehmen, gehören zu diesem Sektor. Es sind das Banken, die<br />

Nationalbank, Versi<strong>ch</strong>erungsgesells<strong>ch</strong>aften, die Anlagefonds, die Pensionskassen und die<br />

Leasinggesells<strong>ch</strong>aften.<br />

• Staat: Der Sektor Staat umfasst den Bund, die Kantone, die Gemeinden und die<br />

Sozialversi<strong>ch</strong>erungen. Das gemeinsame Merkmal dieser Einheit ist die Produktion von<br />

Waren und Dienstleistungen (z.B. Bildung, Si<strong>ch</strong>erheit, Gesundheit), die zum grössten Teil<br />

über obligatoris<strong>ch</strong>e Abgaben der anderen Sektoren finanziert werden (Steuern,<br />

Sozialbeiträge, usw.).<br />

• Private Haushalte: Alle natürli<strong>ch</strong>en Personen werden diesem Sektore zugeordnet. Dazu<br />

gehören au<strong>ch</strong> die Einzelunternehmungen.<br />

• Private Organisationen ohne Erwerbszweck (POoE): Dieser Sektor vereint alle<br />

Einheiten mit eigener Re<strong>ch</strong>tspersönli<strong>ch</strong>keit, die Waren und Dienstleistungen ohne<br />

Erwerbszweck produzieren. Dazu gehören die Gewerks<strong>ch</strong>aften, Verbrau<strong>ch</strong>erverbände,<br />

Parteien, Kir<strong>ch</strong>en, Hilfswerke, usw.<br />

• Übrige Welt: Die „übrige Welt“ ist streng genommen kein Sektor, sondern fasst die übrigen<br />

Länder zusammen, mit wel<strong>ch</strong>en die inländis<strong>ch</strong>en Sektoren dur<strong>ch</strong> wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e<br />

33


Transaktionen verbunden sind. Aus der S<strong>ch</strong>weiz fliessen viele Leistungen ins Ausland bzw.<br />

stammen von dort.<br />

Gemäss oben bes<strong>ch</strong>riebenem Verfahren müssen wir nun die Summe aller Werts<strong>ch</strong>öpfungen<br />

aller Sektoren bilden, um die Leistungsfähigkeit einer VW zu erhalten.<br />

Wie misst man die Werts<strong>ch</strong>öpfung im Sektor Private Haushalte?<br />

In privaten Haushalten werden eine Menge von Leistungen erbra<strong>ch</strong>t. Weil dabei aber keine<br />

Markttranksaktionen stattfinden, finden diese Leistungen au<strong>ch</strong> keine Berücksi<strong>ch</strong>tigung in der<br />

VGR (Hausarbeit zum Nulltarif).<br />

Mit der Einführung der neuen VGR werden aber dem Sektor „Private Haushalte“ au<strong>ch</strong><br />

Einzelunternehmer und Selbständige zugere<strong>ch</strong>net, wel<strong>ch</strong>e in der alten VGR zum Sektor<br />

„Unternehmungen“ zählte. Ebenfalls der Produktion der privaten Haushalte zugere<strong>ch</strong>net<br />

werden die Produkte der Landwirts<strong>ch</strong>aft, wel<strong>ch</strong>e die Bauernfamilien selbst verbrau<strong>ch</strong>en und<br />

die Eigennutzung von Einfamilienhäusern und Eigentumswohnungen.<br />

Wie misst man die Werts<strong>ch</strong>öpfung beim Staat und bei den POoE?<br />

Es ist s<strong>ch</strong>wierig, diese Leistungen zu bewerten. Denn wie bei den privaten Haushalten haben<br />

staatli<strong>ch</strong>e Leistungen in den meisten Fällen keinen Marktpreis, ihre Finanzierung findet eben<br />

ni<strong>ch</strong>t über den Verkauf, sondern über Steuern statt.<br />

Man wendet hier einen statistis<strong>ch</strong>en Trick an: Im Gegensatz zum Sektor private Haushalte<br />

kennt man in der öffentli<strong>ch</strong>en Verwaltung nämli<strong>ch</strong> den Aufwand (insbesondere die Löhne), der<br />

für die Leistungserstellung erforderli<strong>ch</strong> war. Man nimmt deshalb an, dass die<br />

Bruttowerts<strong>ch</strong>öpfung der Summe aller Aufwände abzügli<strong>ch</strong> der Vorleistungsseinkäufe<br />

entspri<strong>ch</strong>t.<br />

Auf dieselbe Weise wird au<strong>ch</strong> die Werts<strong>ch</strong>öpfung bei den POoE bere<strong>ch</strong>net.<br />

Wie beziehen wie das Ausland in unsere Werts<strong>ch</strong>öpfungsbere<strong>ch</strong>nung mit ein?<br />

Bei der Produktionsseite bereitet die Berücksi<strong>ch</strong>tigung des Auslandes überhaupt keine<br />

Probleme, denn die Exporte sind selbstverständli<strong>ch</strong> im Bruttoproduktionswert enthalten. Die<br />

importierten Vorleistungen werden, wie alle anderen Vorleistungen au<strong>ch</strong>, vom<br />

Bruttoproduktionswert abgezogen, um die Bruttowerts<strong>ch</strong>öpfung zu erhalten.<br />

Um die gesamtwirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Werts<strong>ch</strong>öpfung zu erhalten, addieren wir die Werts<strong>ch</strong>öpfung der<br />

Kapitalgesells<strong>ch</strong>aften, des Staates, der POoE sowie die Werts<strong>ch</strong>öpfung der<br />

Einzelunternehmen und Selbständigen aus dem Sektor „Private Haushalte“. Daraus ergibt<br />

si<strong>ch</strong> folgende Definition des BIP:<br />

Das Bruttoinlandprodukt (BIP) ist die Gesamtheit aller im Laufe eines Jahres im Inland<br />

erbra<strong>ch</strong>ten Werts<strong>ch</strong>öpfungen von Unternehmen, Staat und POoE.<br />

Begriff 2001<br />

in Mio Fr.<br />

Bruttoproduktionswert 788 123<br />

+ Gütersteuern<br />

- Gütersubventionen<br />

- Vorleistungen<br />

Zusammenfassung VWL IUR I<br />

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+ 29 474<br />

- 4 018<br />

- 390 767<br />

Definition<br />

Wert aller Verkäufe + Wert der Bestandesänderungen an<br />

Fertigprodukten + Wert der selbsterstellten Anlagen aller<br />

Unternehmungen, der öffentli<strong>ch</strong>en Haushalte, der Sozialversi<strong>ch</strong>erungen<br />

und der POoE im Inland, bewertet zu<br />

Herstellungspreisen.<br />

Indirekte Steuern (z.B. Mehrwertsteuer, Tabaksteuer,<br />

Alkoholsteuer).<br />

Produktionsbeiträge des Staates.<br />

Alle bezogenen und für die Produktion verbrau<strong>ch</strong>ten Güter und<br />

34


= Bruttoinlandprodukt<br />

(BIP)<br />

- Abs<strong>ch</strong>reibungen<br />

= Nettoinlandprodukt<br />

(NIP)<br />

Zusammenfassung VWL IUR I<br />

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= 422 811<br />

- 75 990<br />

= 346 821<br />

Dienstleistungen.<br />

Summe aller Bruttowerts<strong>ch</strong>öpfungen von Unternehmungen,<br />

Staat und POoE im Inland. (Inklusive ni<strong>ch</strong>t abzugsfähige<br />

Mehrwertsteuer und Nettoeinfuhrabgaben.)<br />

Wertminderungen des Anlagevermögens dur<strong>ch</strong> Vers<strong>ch</strong>leiss<br />

und Alterung.<br />

Werts<strong>ch</strong>öpfung, die man maximal verbrau<strong>ch</strong>en könnte, ohne<br />

die Vermögenssubstanz der Volkswirts<strong>ch</strong>aft zu gefährden.<br />

Nun haben wir das theoretis<strong>ch</strong>e Fundament erarbeitet. Betra<strong>ch</strong>ten wir folgend die Wirkli<strong>ch</strong>keit:<br />

35


DIE ANALYSE DER EINKOMMENSSEITE<br />

Werts<strong>ch</strong>öpfung und Einkommen sind die beiden Seiten derselben Medaille. Jeder Franken<br />

Werts<strong>ch</strong>öpfung ist irgendwo für irgendjemanden ein Franken Einkommen. Es interessiert also,<br />

wie diese Werts<strong>ch</strong>öpfung verteilt wird.<br />

WIE WERDEN DIE ERZIELTEN EINKOMMEN VERTEILT?<br />

Unter diesem Punkt wird die Bezahlung der Produktionsfaktoren (Löhne und Gehälter,<br />

Gewinne, Vermögensrenditen) beleu<strong>ch</strong>tet. Wir mö<strong>ch</strong>ten also wissen, wie gross der Anteil der<br />

vers<strong>ch</strong>ienen Arten von Ents<strong>ch</strong>ädigungen an die Produktionsfaktoren ist.<br />

Erläuterungen zu den einzelnen Anteilen der Einkommensseite:<br />

• Arbeitnehmerentgelt<br />

Speziell interessant ist die Lohnquote (Arbeitnehmerentgelt) und ihre Entwicklung. Um<br />

diesen „Einkommensku<strong>ch</strong>en“ dreht si<strong>ch</strong> der Verteilungskampf zwis<strong>ch</strong>en Arbeitgebern und<br />

Arbeitnehmern.<br />

• Nettobetriebsübers<strong>ch</strong>uss<br />

Im Nettobetriebsübers<strong>ch</strong>uss sind die m Produktionsprozess entstandenen Einkommen aus<br />

Unternehmertätigkeit und Vermögen enthalten. (z.B. Zinsen, Dividenden, unverteilte<br />

Gewinne, Einkommen aus Grund und Boden).<br />

• Abs<strong>ch</strong>reibungen<br />

Die Abs<strong>ch</strong>reibungen entspre<strong>ch</strong>en den Wertminderungen, wel<strong>ch</strong>en das Anlagevermögen<br />

dur<strong>ch</strong> Vers<strong>ch</strong>leiss im Produktionsprozess und Alterung unterliegt. Diese Abs<strong>ch</strong>reibungen<br />

werden von den Unternehmungen zurückbehalten, um die notwendigen Ersatzinvestitionen<br />

tätigen zu können.<br />

• Produktionssteuern und Importabgaben abzügli<strong>ch</strong> Subventionen<br />

Produktionssteuern und Importabgaben sind Zwangsabgaben, wel<strong>ch</strong>e der Staat auf den<br />

produzierten Waren und DL erhebt. Diese Einkommen des Staates sind im Arbeitnehmerentgeld<br />

und im Nettobetriebsübers<strong>ch</strong>uss ni<strong>ch</strong>t enthalten, zählen aber ebenfalls zum BIP.<br />

(Die direkten Steuern hingegen sind im Arbeitnehmerentgelt und im<br />

Nettobetriebsübers<strong>ch</strong>uss enthalten.)<br />

Die Subventionen andererseits sind in den Einkommen aus unselbständiger Arbeit<br />

und/oder im Nettobetriebsübers<strong>ch</strong>uss enthalten. Weil sie aber keiner Werts<strong>ch</strong>öpfung<br />

entspre<strong>ch</strong>en, sind sie ni<strong>ch</strong>t Bestandteil des BIP und werden deshalb subtrahiert.<br />

Zusammenfassung VWL IUR I<br />

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36


EXKURS: PERSONELLE VERMÖGENS- UND EINKOMMENSVERTEILUNG<br />

S<strong>ch</strong>weiz<br />

Die VGR gibt Auskunft über die funktionale Verteilung der Werts<strong>ch</strong>öpfung (d.h. gemässe der<br />

Verteilung des Einkommens auf die Produktionsfaktoren). Für Informationen über die<br />

personelle Verteilung müssen andere Statistiken herangezogen werden.<br />

Die Verteilung der Reineinkommen und der Reinvermögen und der entspre<strong>ch</strong>enden Steuern<br />

auf die Steuerpfli<strong>ch</strong>tigen wird mit der so genannten Lorenzkurve dargestellt. Horizontal sind<br />

die steuerpfli<strong>ch</strong>tigen natürli<strong>ch</strong>en Personen na<strong>ch</strong> Einkommen bzw. Vermögen angeordnet (in<br />

%); vertikal zugeordnet ist der prozentuale Einkommens- oder Vermögensanteil, der auf den<br />

jeweiligen Anteil der Steuerpfli<strong>ch</strong>tigen entfällt.<br />

Der „Dur<strong>ch</strong>hang der Kurven ist ein Mass für die Einseitigkeit der Verteilung.<br />

Verteilung des Vermögens im Jahre 1997:<br />

• An der Lorenzkurve lässt si<strong>ch</strong> z.B. ablesen, dass 90% der Steuerpfli<strong>ch</strong>tigen zusammen nur<br />

über ca. 30% der Reinvermögen verfügen und weniger als 10% an die Summer der<br />

Vermögenssteuern beitragen.<br />

• Gut 30% der Steuerpfli<strong>ch</strong>tigen weisen kein Vermögen aus, während 3% über eine Million<br />

und mehr verfügt.<br />

• Diese 3% der Vermögendsten besitzen rund 50% des Gesamtvermögens.<br />

Betra<strong>ch</strong>tet man die Einkommensverteilung, dann man folgendes festhalten:<br />

• Die unteren 50% der Steuerpfli<strong>ch</strong>tigen verfügen über rund 28% der Reineinkommen und<br />

bezahlen etwa 8% der Einkommenssteuern (komplementär dazu verfügen die oberen 50%<br />

der Steuerpfli<strong>ch</strong>tigen über mehr als 72% der Reineinkommen und bezahlen etwa 92% der<br />

Einkommenssteuern).<br />

• Je die Hälfte der Einkommen entfällt auf ca. 73% Steuerpfli<strong>ch</strong>tige mit niedrigeren und gut<br />

27% Steuerpfli<strong>ch</strong>tige mit höherem Einkommen, wobei die beiden Gruppen die<br />

Einkommenssteuer etwa im Verhältnis von 20% zu 80% aufbringen.<br />

Welt<br />

40% der Weltbevölkerung sind von bitterer Armut bedrängt, sie müssen von ca. 3,1% des<br />

Welteinkommens „leben“, während die 20% Rei<strong>ch</strong>sten 86% des Welteinkommens erhalten.<br />

DIE ANALYSE DER VERWENDUNGSSEITE<br />

Zusammenfassung VWL IUR I<br />

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37


Die Einkommen werden ni<strong>ch</strong>t nur irgendwo erarbeitet, an irgend jemanden verteil, sondern sie<br />

werden au<strong>ch</strong> irgendwie verwendet.<br />

WIE WERDEN DIE ERZIELTEN EINKOMMEN VERWENDET?<br />

Grundsätzli<strong>ch</strong> können Einkommen zum Konsum oder für Investitionen verwendet werden.<br />

Es kann au<strong>ch</strong> gespart werden, aber:<br />

Diese Ersparnisse werden an diejenigen ausgeliehen, die zu wenig eigene Mittel erarbeitet<br />

haben, um ihre Investitionen zu finanzieren. Das heisst, dass s<strong>ch</strong>lussendli<strong>ch</strong> immer soviel<br />

investiert wird, wie gespart wird. Falls Sparen und Investieren ni<strong>ch</strong>t glei<strong>ch</strong> gross sind, treten<br />

Me<strong>ch</strong>anismen auf, die wieder auf ein Glei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>t zwis<strong>ch</strong>en Sparen und Investieren<br />

hinwirken. Einzelne Sektoren (z.B. die privaten Haushalte) können also sehr wohl mehr<br />

sparen als sie investieren, während andere Sektoren (z.B. die Unternehmungen) mehr<br />

investieren, als dass sie zu sparen in der Lage sind. Gesamtwirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong> aber sind Sparen<br />

und Investieren – rückblickend – immer ausgegli<strong>ch</strong>en.<br />

Nehmen wir an, die Haushalte sparen mehr, als die Unternehmen investieren wollen. Das<br />

bedeutet, dass die Unternehmungen ihr geplantes Angebot an Konsumgütern ni<strong>ch</strong>t verkaufen<br />

können. Deshalb erzielen die Unternehmungen einen kleinere Gewinn, was ein Sinken ihrer<br />

Ersparnisse zur Folge hat. Weil sie ni<strong>ch</strong>t ihr ganzes Angebot verkaufen können, nehmen ihre<br />

Lager zu; dieser Lageraufbau entspri<strong>ch</strong>t einer ungeplanten Investition. Als Folge der tieferen<br />

Na<strong>ch</strong>frage entstehen au<strong>ch</strong> tiefere Einkommen (z.B. infolge von Entlassungen); mit<br />

abnehmendem Einkommen sinken au<strong>ch</strong> die Sparmögli<strong>ch</strong>keiten. Diese Prozesse führen<br />

letztli<strong>ch</strong> dazu, dass die Lücke zwis<strong>ch</strong>en Ersparnis und Investitionen ges<strong>ch</strong>lossen wird.<br />

Sie sehen an diesem Beispiel, dass Sparsamkeit ni<strong>ch</strong>t immer etwas Gutes ist.<br />

Wenn in wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>wierigen Zeiten alle sparen, kann dies für die VW verheerende<br />

Folgen haben. Der Versu<strong>ch</strong> mehr zu sparen, kann damit enden, dass die tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en<br />

volkswirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Ersparnisse zurückgehen. Dieses Phänomen wird als Sparparadoxon<br />

bezei<strong>ch</strong>net: „Mit steigender Ersparnis wird die Investitionstätigkeit der Unternehmungen<br />

gebremst. Dadur<strong>ch</strong> sinkt das Volkseinkommen, worauf au<strong>ch</strong> der Konsum und die Ersparnis<br />

vermindert werden.“<br />

Die grundsätzli<strong>ch</strong>en Verwendungsmögli<strong>ch</strong>keiten von Einkommen:<br />

• Konsum der privaten Haushalte und der POoE<br />

Privater Konsum im volkswirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Sinn sind alle Käufe von Güter und DL der<br />

privaten Haushalte und der POoE.<br />

• Konsum des Staates<br />

Wir stehen bei der Verwendungsseite vor dem glei<strong>ch</strong>en Problem wie bei der<br />

Entstehungsre<strong>ch</strong>nung von der Aufwandseite her. Weil die DL des Staates ni<strong>ch</strong>t verkauft<br />

werden, können sie au<strong>ch</strong> niemandem zugeordnet werden. Deshalb arbeitet die VGR mit<br />

der Fiktion des Eigenkonsums des Staates. Zum Konsum des Staates gehören alle<br />

unentgeltli<strong>ch</strong> abgegebenen DL dieses Sektors, bewertete zu Herstellungskosten. D.h., dass<br />

z.B. die Ausgaben für das Militär, S<strong>ch</strong>ulen, Polizei und Feuerwehr mit dem Staatskonsum<br />

glei<strong>ch</strong>gesetzt werden – statistis<strong>ch</strong>e gesehen, konsumiert der Staat die Leistungen dieser<br />

Institutionen selbst. Ni<strong>ch</strong>t alle Staatsausgaben zählen aber zum Konsum des Staates.<br />

Staatli<strong>ch</strong>e Transferzahlungen (z.B. Arbeitslosenunterstützung) zählen ni<strong>ch</strong>t zum<br />

Staatskonsum, da sie keine staatli<strong>ch</strong>e Produktionsleistung widerspiegeln.<br />

• Bruttoinvestitionen<br />

Ein Teil der Werts<strong>ch</strong>öpfung wird von den Unternehmungen und vom Staat in<br />

Produktionsanlagen, in die Lager und in öffentli<strong>ch</strong>e Einri<strong>ch</strong>tungen investiert. Bei den<br />

Bruttoinvestitionen handelt es si<strong>ch</strong> um alle jene Güter, die entweder von Produzenten<br />

gekauft werden, um mehr als ein Jahr im Produktionsprozess eingesetzt zu werden oder<br />

um Vorratsveränderungen. Zu den Bruttoinvestitionen gehören z.B. Bauten, Ausrüstungen,<br />

aber au<strong>ch</strong> in den Läden liegen gebliebene Videorecorder, Konserven oder Bü<strong>ch</strong>er. Die<br />

Bruttoinvestitionen lassen si<strong>ch</strong> folgendermassen gliedern.<br />

Zusammenfassung VWL IUR I<br />

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38


Bauinvestitionen sind Ausgaben zur Erstellung und zum (wertsteigernden) Erhalt von<br />

Gebäuden, Tief- und Ho<strong>ch</strong>bauten.<br />

Ausrüstungsinvestitionen sind Ausgaben für Geräte, Mas<strong>ch</strong>inen, Einri<strong>ch</strong>tungen und<br />

Software.<br />

Vorratsveränderungen entspre<strong>ch</strong>en der Differenz zwis<strong>ch</strong>en dem Wert der Lagerzugänge<br />

abzügli<strong>ch</strong> der Lagerausgänge bei den Unternehmungen.<br />

• Nettoexporte<br />

Im Konsum und den Investitionen der genannten Sektoren sind einerseits die Importe von<br />

Waren und DL aus dem Ausland enthalten, andererseits fehlen die Exporte. Da die Importe<br />

zum Einkommen des Auslandes und ni<strong>ch</strong>t des Inlandes werden, müssen wie diese<br />

subtrahieren, die Exporte aber addiere, um die Leistung des Inlandes zu erhalten.<br />

Von der Verwendungsseite her lässt si<strong>ch</strong> das BIP folgendermassen bere<strong>ch</strong>nen:<br />

Privater Konsum + Staatli<strong>ch</strong>er Konsum + Bruttoinvestitionen + Nettoexporte = BIP<br />

(Dies entspri<strong>ch</strong>t der gesamtwirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Na<strong>ch</strong>frage!)<br />

WELCHE ERKENNTNISSE LASESN SICH AUS DER VERWENDUNGSSEITE ZIEHEN?<br />

• Eine wi<strong>ch</strong>tige Strukturgrösse die si<strong>ch</strong> aus der Verwendungsseite ergibt, ist die<br />

Investitionsquote (Investitionen in % des BIP), die für das Wirts<strong>ch</strong>aftswa<strong>ch</strong>stum eine<br />

ents<strong>ch</strong>eidende Rolle spielt. Je höher die Investitionsquote ist, desto grösser sind die<br />

Wa<strong>ch</strong>stumsmögli<strong>ch</strong>keiten in Zukunft. Der Anteil der Bruttoinvestitionen ist in der CH rund<br />

3% höher als in der EU.<br />

• Die Konsumquote (Konsum in % des BIP) von 61% belegt, dass weniger als 2/3 der in der<br />

S<strong>ch</strong>weiz hergestellten Waren und DL unmittelbar von den privaten Haushalten und den<br />

POoE konsumiert wird.<br />

• Zwis<strong>ch</strong>en Investitionen und Konsum besteht ein „Trade off“. Erhöht eine VW die<br />

Investitionen, wird sie in Zukunft mehr Güter produzieren und konsumieren können. Dieses<br />

Wa<strong>ch</strong>stum ist aber ni<strong>ch</strong>t gratis zu haben. Um den künftigen Konsum steigern zu können,<br />

muss in der Gegenwart auf Konsum zu Gunsten von Investitionen verzi<strong>ch</strong>tet werden<br />

können.<br />

• Die Export- und Importquote (Exporte bzw. Importe in % des BIP) belegen die hohe<br />

Verfle<strong>ch</strong>tung der s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en VW mit dem Ausland. Die Exportquote beträgt 45%, die<br />

Importquote 40%.<br />

ZUSAMMENFASSUNG – ÜBERBLICK ÜBER DIE PRODUKTIONS-, EINKOMMENS- UND<br />

Zusammenfassung VWL IUR I<br />

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VERWENDUNGSSEITE DES BRUTTOINLANDPRODUKTES DER SCHWEIZ<br />

39


DER ERWEITERTE WIRTSCHAFTSKREISLAUF<br />

Dient dazu, ein genaueres Bild der gesamtwirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Vorgänge zu erhalten. Bei der<br />

Interpretation der Abbildung 4.11 ist folgendes zu bea<strong>ch</strong>ten:<br />

• Die Abbildung zeigt nur die Geldströme, die aus Güter- und Faktormärkten resultieren.<br />

• Der Sektor Ausland wird nur summaris<strong>ch</strong> erfasst. Um die Wirkli<strong>ch</strong>keit korrekter abzubilden,<br />

müsste man zwis<strong>ch</strong>en Güter-, Kapital- und Faktorströmen sowie Kapitaltransfers (einseitige<br />

Transaktionen) unters<strong>ch</strong>eiden.<br />

• Der Berei<strong>ch</strong> Vermögensveränderung ist kein Sektor, sondern widerspiegelt eine<br />

bu<strong>ch</strong>halteris<strong>ch</strong>e Trennung, die das Erfassen von Ersparnisbildung und –verwendung bzw.<br />

der Investitionstätigkeit erlaubt.<br />

• Die punktierten Pfeile sind keine Transaktionen, sondern stellen den Übertrag von Salden<br />

dar.<br />

• Die Abs<strong>ch</strong>reibungen sind ein fiktiver Strom in dem Sinne, dass kein Geld fliesst. Hier ist nur<br />

ihr geldwerter Gegenstrom (Nettoinvestitionen = Bruttoinvestitionen abzügli<strong>ch</strong><br />

Abs<strong>ch</strong>reibungen) dargestellt.<br />

GRENZEN DER VOLKSWIRTSCHAFTLICHEN GESAMTRECHNUNG<br />

Die Messung der volkswirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Tätigkeit mit Hilfe der VGR gelingt nur mit einiger<br />

Ungenauigkeit.<br />

Zusammenfassung VWL IUR I<br />

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40


• Unzurei<strong>ch</strong>ende Erfassung der Daten<br />

Es werden nämli<strong>ch</strong> nur legale Leistungen erfasst. S<strong>ch</strong>warzarbeit und Drogenhandel<br />

existieren in den offiziellen Statistiken ni<strong>ch</strong>t, weil diese Leistungen erbra<strong>ch</strong>t werden, ohne<br />

darauf Steuern zu zahlen. Sie bleiben der VGR auf der Entstehungsseite verborgen (auf<br />

der Verwendungsseite kommen sie im Konsum zum Vors<strong>ch</strong>ein). Für das Ausmass der<br />

S<strong>ch</strong>attenwirts<strong>ch</strong>aft ist die Höhe der Steuerbelastung, die Güte staatli<strong>ch</strong>er Institutionen und<br />

die Regulierungen des Arbeitsmarktes ents<strong>ch</strong>eidend.<br />

• Die VGR erfasst nur monetäre Flüsse<br />

Deshalb werden au<strong>ch</strong> die legalen Leistungen ni<strong>ch</strong>t umfassend erfasst. Angenommen sie<br />

kaufen in einer Metzgerei einen eine Kalbsbraten. Im Verständnis der VGR werden Sie<br />

diesen Kalbsbraten roh konsumieren. Das Zubereiten des Kalbsbratens wird ni<strong>ch</strong>t erfasst,<br />

weil es eine Eigenleistung wie alle Haus- oder Do-it-yourself-Arbeiten ist. Nur wenn Sie<br />

diesen Kalbsbraten in einem Restaurant geniessen, findet die Leistung des Ko<strong>ch</strong>ens<br />

Eingang in die VGR.<br />

• Die VGR ist kein Messinstrument für Wohlfahrt oder Lebensqualität<br />

So werden die sozialen oder externen Kosten ni<strong>ch</strong>t erfasst. Denken Sie dabei an die<br />

Umweltvers<strong>ch</strong>mutzung, die unsere Lebensqualität beeinträ<strong>ch</strong>tigt. Es werden eben nur<br />

quantitativ messbare Leistungen erfasst, die qualitativen Aspekte des Wirts<strong>ch</strong>aftens werden<br />

in der VGR verna<strong>ch</strong>lässigt. Mit dem BIP wird unsere Leistungsfähigkeit in der Produktion<br />

von offiziell käufli<strong>ch</strong>en Gütern und DL gemessen, ni<strong>ch</strong>t aber unsere Lebensqualität. So<br />

steigt das BIP z.B. auf Grund eines Autounfalls (wegen Reparaturen, etc.) obwohl dies<br />

si<strong>ch</strong>er ni<strong>ch</strong>t zur Steigerung der Lebensqualität der Insassen beiträgt.<br />

• Problematis<strong>ch</strong>e Bewertung von Leistungen<br />

Bei den erfassten Leistungen stellt si<strong>ch</strong> zudem die Frage na<strong>ch</strong> der ri<strong>ch</strong>tigen Bewertung. Sie<br />

kennen dieses Problem bereits bei den staatli<strong>ch</strong>en Leistungen, die mit ihren Kosten<br />

bewertet werden. Eine Erhöhung der Beamtenlöhne z.B. bedeutet somit unmittelbar im<br />

selben Umfang eine Steigerung ihrer Leistungen, wodur<strong>ch</strong> die Zweifelhaftigkeit der<br />

Bewertung deutli<strong>ch</strong> wird.<br />

• Aufgepasst bei internationalen Verglei<strong>ch</strong>en<br />

Bei internationalen Verglei<strong>ch</strong>en darf ni<strong>ch</strong>t vergessen werden, dass man dabei eine<br />

einheitli<strong>ch</strong>e Währung anwenden muss. Alleine We<strong>ch</strong>selkurss<strong>ch</strong>wankungen können grosse<br />

Veränderungen in den Ranglisten auslösen. Zudem kann man mit der glei<strong>ch</strong>en Summe<br />

Geld in vers<strong>ch</strong>iedenen Länder unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong> viel kaufen.<br />

Die VGR ist ni<strong>ch</strong>t in der Lage, sämtli<strong>ch</strong>e werts<strong>ch</strong>öpfende Leistungen vollständig zu erfassen<br />

und „ri<strong>ch</strong>tig“ zu bewerten. Das BIP ist zudem kein geeigneter Massstab zur Messung der<br />

Lebensqualität.<br />

EXKURS: „SIND REICHE MENSCHEN GLÜCKLICHER?“<br />

Häufig wird angenommen, die Rei<strong>ch</strong>en seien ni<strong>ch</strong>t glückli<strong>ch</strong>er. Diese Vorstellung beruht auf<br />

einem Vorurteil. Glück hängt wesentli<strong>ch</strong> von den wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Bedingungen ab.<br />

Personen, die in Ländern mit einem tiefen Dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nittseinkommen leben, betra<strong>ch</strong>ten si<strong>ch</strong><br />

selbst als deutli<strong>ch</strong> weniger glückli<strong>ch</strong> als sol<strong>ch</strong>e, die in rei<strong>ch</strong>en Ländern leben. Der positive<br />

Zusammenhang zwis<strong>ch</strong>en Einkommen und Zufriedenheit gilt vor allem für die ärmsten Länder<br />

der Welt. Wenn einmal ein höheres Dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nittseinkommen errei<strong>ch</strong>t ist, s<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>t si<strong>ch</strong> der<br />

Zusammenhang ab. Das Glücksempfinden in der CH unters<strong>ch</strong>eidet si<strong>ch</strong> kaum von<br />

demjenigen der Mens<strong>ch</strong>en in Puerto Rico, Südkorea oder Taiwan, die zwar au<strong>ch</strong> wesentli<strong>ch</strong><br />

weniger verdienen als jene in der CH, aber eben do<strong>ch</strong> ein gewisses Einkommensniveau<br />

errei<strong>ch</strong>t haben.<br />

Untersu<strong>ch</strong>ungen von Einkommensunters<strong>ch</strong>ieden innerhalb eines Landes bestätigen, dass<br />

Bezüger höheren Einkommen si<strong>ch</strong> selbst als zufriedener bezei<strong>ch</strong>nen als sol<strong>ch</strong>e mit geringeren<br />

Einkommen. Der Einfluss des Geldes darf allerdings ni<strong>ch</strong>t übers<strong>ch</strong>ätzt werden. Ein höheres<br />

Einkommen ma<strong>ch</strong>t nur dann glückli<strong>ch</strong>er, wenn man im Verglei<strong>ch</strong> zu Kollegen, Na<strong>ch</strong>barn, etc.<br />

Zusammenfassung VWL IUR I<br />

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41


mehr verdient, denn das bringt sozialen Status. Die Mens<strong>ch</strong>en gewöhnen si<strong>ch</strong> relativ ras<strong>ch</strong> an<br />

eine höheres Einkommensniveau, dieses wird na<strong>ch</strong> kurzer Zeit als selbstverständli<strong>ch</strong><br />

betra<strong>ch</strong>tet. Die Freude an materiellen Dingen ist von sehr kurzer Dauer.<br />

Was ma<strong>ch</strong>t den Mens<strong>ch</strong>en glückli<strong>ch</strong>?<br />

Gemäss einer Umfrage ma<strong>ch</strong>t Sex am meisten glückli<strong>ch</strong>, gefolgt von Freunden treffen, Essen,<br />

Relaxen. Dies sind alles Tätigkeiten, die ni<strong>ch</strong>t unmittelbar an den materiellen Wohlstand<br />

gekoppelt sind. Sie drohen gar mit steigendem Einkommen unter die Räder zukommen, weil<br />

die Opportunitätskosten der freien Zeit mit steigendem Einkommen höher werden.<br />

ANHANG: BIP, NATIONALEINKOMMEN UND VOLKSEINKOMMEN DER KANTONE<br />

VOM BIP ZUM NATIONALEINKOMMEN<br />

Das BIP zeigt die Werts<strong>ch</strong>öpfung, wel<strong>ch</strong>e bei der Produktion von Waren und DL entstanden<br />

ist. Dabei geht man vom so genannten Inlandsprinzip aus. Das BIP erfasst also die Summe<br />

der Werts<strong>ch</strong>öpfungen im Inland – massgebend ist der inländis<strong>ch</strong>e Entstehungsort.<br />

„Wieviel Einkommen erzielen die in der S<strong>ch</strong>weiz wohnhaften Personen?“<br />

Darauf gibt das BIP keine geeignete Antwort, denn im BIP sind die Zinsen, die uns auf<br />

Anlagen im Ausland gutges<strong>ch</strong>rieben werden, ni<strong>ch</strong>t enthalten. Ebenso bleiben im BIP die<br />

Einkommen unberücksi<strong>ch</strong>tigt, wel<strong>ch</strong>e die Personen beziehen, die in der S<strong>ch</strong>weiz wohnen,<br />

aber im Ausland arbeiten. Andererseits sind im BIP au<strong>ch</strong> Einkommen enthalten, wel<strong>ch</strong>e an im<br />

Ausland Wohnhafte ausbezahlt werden: Zinsen auf Anlagen in der S<strong>ch</strong>weiz und Löhne von<br />

ausländis<strong>ch</strong>en Grenzgängern.<br />

Das Nationaleinkommen gibt Antwort auf die Frage der Höhe des Einkommens von in der<br />

S<strong>ch</strong>weiz wohnhaften Personen. Es beruht auf dem Inländerprinzip – massgebend ist also der<br />

inländis<strong>ch</strong>e Wohnsitz.<br />

Wie man vom BIP zu Nationaleinkommen (ersetzt das ehemalige BSP) gelangt:<br />

(in Mio. Franken, 2001)<br />

BIP 422,8<br />

- Kapital- und Arbeitseinkommen an das Ausland - 66,5<br />

+ Kapital- und Arbeitseinkommen aus dem Ausland + 89,8<br />

= Bruttonationaleinkommen (BNE) 446,3<br />

- Abs<strong>ch</strong>reibungen - 76,0<br />

= Nettonationaleinkommen 370,3<br />

CH verfügt über ein grosses Nettovermögen im Ausland, das jährli<strong>ch</strong> hohe Erträge abwirft,<br />

deshalb ist das BNE deutli<strong>ch</strong> grösser als das BIP!<br />

DAS VOLKSEINKOMMEN DER KANTONE<br />

Zur Zeit ist es no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t mögli<strong>ch</strong>, das BIP auf Kantonsebene zu bere<strong>ch</strong>nen. Ein Verglei<strong>ch</strong> der<br />

wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Leistungsfähigkeit der Kantone ist zur Zeit nur über das Einkommen mögli<strong>ch</strong>.<br />

Das so genannte Volkseinkommen setzt si<strong>ch</strong> aus drei Komponenten zusammen: Dem<br />

Einkommen der Haushalte (umfasst das Arbeitnehmereinkommen, das Ges<strong>ch</strong>äftseinkommen<br />

der Selbständigen und das Vermögens- und Mietzinseinkommen inklusive direkte Steuern und<br />

Sozialversi<strong>ch</strong>erungsbeiträge), dem Einkommen der Kapitalgesells<strong>ch</strong>aften (unverteilte<br />

Gewinne und direkte Steuern) und dem Vermögens- und Erwerbseinkommen des Staates und<br />

der Sozialversi<strong>ch</strong>erungen.<br />

Der hohe Anteil der Einkommen von Kapitalgesells<strong>ch</strong>aften in Basel und Zug ist darauf zurückzuführen,<br />

dass dort eine stattli<strong>ch</strong>e Anzahl von Grossunternehmen ihren Sitz hat.<br />

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KAPITEL 5 – DAS KONJUNKTURPHÄNOMEN:<br />

KURZFRISTIGE BETRACHTUNGEN DER WIRTSCHAFTLICHEN ENTWICKLUNG<br />

DAS ERSCHEINUNGSBILD DER KONJUNKTUR<br />

S<strong>ch</strong>wankungen im Auslastungsgrad des Produktionspotenzials nennt man<br />

Konjunkturs<strong>ch</strong>wankungen.<br />

Das Produktionspotenzial gibt an, wie viele Güter und DL produziert werden könnten, wenn<br />

die vorhandenen Produktionsfaktoren voll ausgelastet werden. Unter ausgelastetem<br />

Produktionspotenzial versteht man eine Normalauslastung von zirka 85%.<br />

Konjunkturfors<strong>ch</strong>er haben seit jeher versu<strong>ch</strong>t, gewisse Gesetzmässigkeiten in der zeitli<strong>ch</strong>en<br />

Abfolge zu erkennen und diese in einem Muster eines typis<strong>ch</strong>en Konjunkturzyklus<br />

einzufangen. Dana<strong>ch</strong> zerfällt ein sol<strong>ch</strong>er Zyklus in eine Phase des Abs<strong>ch</strong>wungs, der dur<strong>ch</strong> ein<br />

Na<strong>ch</strong>lassen der wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Aktivität gekennzei<strong>ch</strong>net ist. Es brau<strong>ch</strong>t weniger<br />

Produktionsfaktoren, die Na<strong>ch</strong>frage geht zurück, die Gewinnerwartungen der Unternehmen<br />

s<strong>ch</strong>winden, die Produktion wird gedrosselt und als Folge davon werden Arbeitskräfte<br />

freigesetzt. Nimmt dieser Abs<strong>ch</strong>wung eine gewisse Intensität an, spri<strong>ch</strong>t man von einer<br />

Rezession (Rezession = Eine Abnahme des BIP in mindestens zwei aufeinander folgenden<br />

Quartalen). Gelingt es ni<strong>ch</strong>t, diesen Abs<strong>ch</strong>wung zu bremsen, und fällt die Konjunktur in ein<br />

tiefes Tal, wel<strong>ch</strong>es dur<strong>ch</strong> hohe Arbeitslosigkeit, sinkende Löhne, tiefe Zinsen, ganz allgemein<br />

von einer depressiven Stimmung gekennzei<strong>ch</strong>net ist, so spri<strong>ch</strong>t man – demzufolge – von einer<br />

Depression.<br />

Ist dieses Tal überwunden, folgt eine Phase der Hoffnung, in der die Zukunftserwartungen<br />

wieder positiver sind, die Gewinnerwartungen der Unternehmer steigen, die<br />

Konsumfreudigkeit der Haushalte zunimmt, die Investitionen steigen, vermehrt Arbeitskräfte<br />

eingestellt werden und die Na<strong>ch</strong>frage und die Produktion wieder zunehmen.<br />

Volkswirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong> ausgedrückt heisst diese Phase Aufs<strong>ch</strong>wung. Auf Grund der hohen<br />

Na<strong>ch</strong>frage könne im Laufe des Aufs<strong>ch</strong>wungs in vers<strong>ch</strong>iedene Bran<strong>ch</strong>en Engpässe auftreten,<br />

die zu weiteren Investitionen, zu Preiserhöhungen, zu steigenden Zinsen und zu einem<br />

Mangel an qualitativ und quantitativ erforderli<strong>ch</strong>en Arbeitskräfte führen. Diese Phase des<br />

Konjunkturzyklus bezei<strong>ch</strong>net man als Boom oder Ho<strong>ch</strong>konjunktur.<br />

Stagniert auf Grund er hohe Preise die Na<strong>ch</strong>frage und wird die Investitionsneigung infolge der<br />

steigenden Faktorpreise (Löhne und Zinsen) rückläufig, geht der Boom in den Abs<strong>ch</strong>wung<br />

43


über, womit wir wieder beim Ausgangspunkt unserer Analyse des Konjunkturzyklus angelangt<br />

wären.<br />

Den Höhepunkt des Zyklus bezei<strong>ch</strong>net man als oberen Wendepunkt, den Tiefstand als<br />

unteren Wendepunkt.<br />

Die einzelnen Phasen sind allerdings ni<strong>ch</strong>t so klar definiert, als dass man sie exakt<br />

voneinander unters<strong>ch</strong>eiden könnte; die Grenzen zwis<strong>ch</strong>en den einzelnen Konjunkturphasen<br />

sind vielmehr fliessend.<br />

Mit der konkreten Messung des Produktionspotenzials sind erhebli<strong>ch</strong>e statistis<strong>ch</strong>e Probleme<br />

verbunden, deshalb:<br />

In der Praxis wird der Konjunkturverlauf anhand der Wa<strong>ch</strong>stumsrate des realen BIP<br />

gemessen.<br />

Real bedeutet, dass Steigerungen des BIP, wel<strong>ch</strong>e nur auf Preiserhöhungen zurückzuführen<br />

sind, korrigiert werden. Würde beispielsweise bei verdoppelten Preisen die glei<strong>ch</strong>e Menge<br />

produziert, käme es zu einer Verdoppelung des BIP. Das BIP zu laufenden Preisen<br />

(=nominelles BIP) wird deshalb dur<strong>ch</strong> die Berücksi<strong>ch</strong>tigung der Preisentwicklung auf die<br />

Preisbasis eines bestimmten Jahres umgere<strong>ch</strong>net (=reales BIP).<br />

In früheren Konjunkturzyklen war die Differenz zwis<strong>ch</strong>en den niedrigsten und den hö<strong>ch</strong>sten<br />

Wa<strong>ch</strong>stumsraten um einiges grösser, als dies heute der Fall ist. Die Konjunkturs<strong>ch</strong>wankungen<br />

sind also kleiner – aber deshalb ni<strong>ch</strong>t unangenehmer – geworden. In den Zeiten des starken<br />

Wirts<strong>ch</strong>aftswa<strong>ch</strong>stums konnten si<strong>ch</strong> konjunkturelle Störungen wegen den vorherrs<strong>ch</strong>enden<br />

Wa<strong>ch</strong>stumskräften gar ni<strong>ch</strong>t ri<strong>ch</strong>tig entfalten, beziehungsweise sie liessen si<strong>ch</strong> ras<strong>ch</strong><br />

überwinden. In Zeiten, in denen si<strong>ch</strong> das Wirts<strong>ch</strong>aftswa<strong>ch</strong>stum verlangsamt, steigt die<br />

Krisenanfälligkeit, und die Widerstandsfähigkeit gegen Konjunktureinbrü<strong>ch</strong>e sinkt.<br />

Dies zeigte si<strong>ch</strong> in den 1990er-Jahren vor allem auf dem Arbeitsmarkt. Ein verglei<strong>ch</strong>sweise<br />

geringer Einbru<strong>ch</strong> bei den Zuwa<strong>ch</strong>sraten des BIP wirkte si<strong>ch</strong> dramatis<strong>ch</strong> auf die Bes<strong>ch</strong>äftigung<br />

aus.<br />

Die Konjunktur ist im Wesentli<strong>ch</strong>en geblieben, was sie s<strong>ch</strong>on immer war: ein Phänomen des<br />

ständigen Auf und Ab der wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Tätigkeit.<br />

KONJUNKTURINDIKATOREN<br />

Es gibt mehrer Massstäbe um die jeweilige Wirts<strong>ch</strong>aftslage zu bes<strong>ch</strong>reiben. Diese Massstäbe<br />

nennt man Konjunkturindikatoren.<br />

Konjunkturindikatoren dienen als „Anzeiger“ für den Gesundheitszustand einer VW.<br />

Der Hauptindikator sind die Veränderungsraten des realen BIP. Es bieten si<strong>ch</strong> aber no<strong>ch</strong><br />

einen Menge weiterer Indikatoren an, beispielsweise:<br />

• die Preisentwicklung Na<strong>ch</strong>hinkend<br />

• die Bestellungseingänge Vorauseilend<br />

• die Entwicklung der Auftragsbestände<br />

• das Investitionsverhalten Glei<strong>ch</strong>laufend<br />

• die Lohnentwicklung Na<strong>ch</strong>hinkend<br />

• die Entwicklung der Arbeitslosigkeit Na<strong>ch</strong>hinkend<br />

• die Veränderung der Geldmenge Vorauseilend<br />

• die We<strong>ch</strong>selkursentwicklung<br />

• der Verlauf des Konsums Glei<strong>ch</strong>laufend<br />

• die Konsumentenstimmung<br />

• die Entwicklung der Exporte Glei<strong>ch</strong>laufend<br />

• die Entwicklung der Zinsen Na<strong>ch</strong>hinkend<br />

• die Anzahl offener Stellen Vorauseilend<br />

• das Sparverhalten<br />

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Bei der Analyse der Indikatoren stellt man fest, dass gewisse Indikatoren mit der Konjunktur<br />

zeitli<strong>ch</strong> Glei<strong>ch</strong>laufen, andere der Konjunktur na<strong>ch</strong>hinken und wieder andere ihr vorauseilen.<br />

Weil die vorauseilenden Indikatoren anzeigen, wie der Verlauf der Konjunktur in absehbarer<br />

Zeit sein könnte, werden sie speziell zu Prognosezwecken eingesetzt. Der<br />

Konjunkturbarometer KOF / ETH ist in der S<strong>ch</strong>weiz die wohl bekannteste Darstellung<br />

vorauseilender Indikatoren.<br />

Der Konjunkturbarometer enthält:<br />

• Bestellungseingang Industrie<br />

• Auftragsbestand Industrie<br />

• Auftragsbestand Bauwirts<strong>ch</strong>aft<br />

• Erwarteter Rohstoff- und Halbfabrikateinkauf<br />

• Beurteilung finanzielle Lage der Haushalte<br />

• Beurteilung der Lagerbestände im Grosshandel<br />

Zur Interpretation des Barometers:<br />

Ähnli<strong>ch</strong> wie bei einem Index ist ni<strong>ch</strong>t das Niveau des Barometers, sondern die Tendenz<br />

ents<strong>ch</strong>eidend. Negative Werte sind deshalb ni<strong>ch</strong>t glei<strong>ch</strong>bedeutend mit einem Signal für eine<br />

negative Wa<strong>ch</strong>stumsrate, sondern ledigli<strong>ch</strong> für eine Wa<strong>ch</strong>stumsverlangsamung.<br />

Der Barometer weist auf das BIP einen Vorlauf von ca. 6 bis 9 Monate auf.<br />

Die Indikatoren unters<strong>ch</strong>eiden si<strong>ch</strong> aber ni<strong>ch</strong>t nur in der zeitli<strong>ch</strong>en Abfolge vom Verlauf des<br />

BIP sondern ebenso in ihrer Intensität. So sind z.B. die S<strong>ch</strong>wankungen des privaten<br />

Konsums deutli<strong>ch</strong> kleiner als die des BIP. Umgekehrt verhalten si<strong>ch</strong> z.B. die Investitionen, ihre<br />

Auss<strong>ch</strong>läge sind bedeutend stärker als diejenigen des BIP. Dieses unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>e Verhalten<br />

hängt mit der Reagibilität der Na<strong>ch</strong>frage na<strong>ch</strong> den entspre<strong>ch</strong>enden Produkten und DL im<br />

Konjunkturverlauf zusammen. Die Messgrösse für die Stärke der Reaktion auf Einkommensveränderungen<br />

ist die Einkommenselastizität.<br />

Der private Konsum ma<strong>ch</strong>t die S<strong>ch</strong>wankungen des BIP nur bes<strong>ch</strong>ränkt mit, weil darin Güter<br />

enthalten sind, die lebenswi<strong>ch</strong>tig sind und deshalb ni<strong>ch</strong>t auf sie verzi<strong>ch</strong>tet werden kann.<br />

Die Investitionen verändern si<strong>ch</strong> sehr stark, sie tragen somit wesentli<strong>ch</strong> zu<br />

Konjunkturs<strong>ch</strong>wankungen bei. Wenn die Zukunftserwartungen s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>t einges<strong>ch</strong>ätzt werden,<br />

wird zuerst auf Investitionen verzi<strong>ch</strong>tet, beziehungsweise sie werden hinausges<strong>ch</strong>oben. Erst<br />

wenn die Na<strong>ch</strong>frage wieder anzieht und die Lager s<strong>ch</strong>rumpfen, werden die Investitionen<br />

überproportional gesteigert.<br />

Diese unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>e Reagibilität der Na<strong>ch</strong>frage na<strong>ch</strong> bestimmten Produkten und<br />

Dienstleistungen bringt es mit si<strong>ch</strong>, dass ganze Bran<strong>ch</strong>en von Konjunkturveränderungen -<br />

unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>e getroffen werden.<br />

Bran<strong>ch</strong>en, in denen vorwiegend Investitionsgüter hergestellt werden, erfahren eine Rezession<br />

viel stärker als beispielsweise das Gesundheitswesen. Die Bauwirts<strong>ch</strong>aft und die<br />

Mas<strong>ch</strong>inenindustrie sind Musterbeispiele für besonders Leidtragende der letzten Rezession.<br />

Es erstaunt au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t, dass unsere Exportwirts<strong>ch</strong>aft empfindli<strong>ch</strong> auf<br />

Konjunkturs<strong>ch</strong>wankungen reagiert, entfällt do<strong>ch</strong> mehr als ein Drittel unserer gesamten<br />

Produktexporte auf Investitionsgüter.<br />

Die Bran<strong>ch</strong>enzusammensetzung ist deshalb mitents<strong>ch</strong>eidend für die unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>e<br />

Konjunkturempflindli<strong>ch</strong>keit von ganzen Regionen und Ländern.<br />

WARUM GIBT ES KONJUNKTURSCHWANKUNGEN?<br />

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Will die Wirts<strong>ch</strong>aft die negativen Effekte von Konjunkturs<strong>ch</strong>wankungen bekämpfen, muss<br />

zunä<strong>ch</strong>st geklärt werden, worauf sie zurückzuführen sind.<br />

GESAMTANGEBOT UND GESAMTNACHFRAGE<br />

Die Gesamtna<strong>ch</strong>fragekurve erfasst die Beziehung zwis<strong>ch</strong>en der Gesamtmenge an<br />

na<strong>ch</strong>gefragten Gütern und dem gesamtwirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Preisniveau. Die<br />

Gesamtna<strong>ch</strong>fragekurve zeigt die Menge von Gütern, wel<strong>ch</strong>e Unternehmen, Haushalte und<br />

Staat zu unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>en Preisen zu kaufen bereit sind. Die Gesamtna<strong>ch</strong>frage umfasst den<br />

privaten und öffentli<strong>ch</strong>en Konsum, alle Investitionen und die Nettoexporte (die Verwendungsseite<br />

des BIP). Sinkt das Preisniveau, ist das Geld im Portemonnaie mehr wert, die<br />

Konsumenten fühlen si<strong>ch</strong> wohlhabender und die kaufen entspre<strong>ch</strong>end mehr; deshalb hat die<br />

Gesamtna<strong>ch</strong>fragekurve eine negative Steigung.<br />

Ebenso könne wir eine Gesamtangebotskurve zei<strong>ch</strong>nen, wel<strong>ch</strong>e die Beziehung der<br />

Gesamtmenge an angebotenen Gütern und dem gesamtwirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Preisniveau erfasst.<br />

Die Gesamtangebotskurve zeigt die Menge von Gütern, wel<strong>ch</strong>e Unternehmen zu<br />

unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>en Preisen produzieren und verkaufen mö<strong>ch</strong>ten (die Produktionsseite des BIP).<br />

Sinkt das Preisniveau für die angebotenen Güter, reagieren die Unternehmen mit kleinerer<br />

Produktion und weniger Bes<strong>ch</strong>äftigung; deshalb hat die Gesamtangebotskurve eine positive<br />

Steigung.<br />

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Vers<strong>ch</strong>ieben si<strong>ch</strong> die Gesamtna<strong>ch</strong>frage- oder/und die<br />

Gesamtangebotskurve kommt es zu Veränderungen<br />

in der Produktion und damit zu<br />

Konjunkturs<strong>ch</strong>wankungen.<br />

URSACHEN FÜR KONJUNKTURSCHWANKUNGEN<br />

Eine Veränderung des Preisniveaus bewirkt also eine Bewegung auf der Gesamtangebotsbzw.<br />

der Gesamtna<strong>ch</strong>fragekurve. Angebot und Na<strong>ch</strong>frage von vielen Gütern sind jedo<strong>ch</strong><br />

zusätzli<strong>ch</strong> zum Preis von vielen anderen Einflussfaktoren abhängig, Beispiele dafür sind:<br />

• Die Nationalbank erhöht die Geldmenge. Vie sinkende Zinsen führt dies zu einer erhöhten<br />

Na<strong>ch</strong>frage na<strong>ch</strong> Konsum- und Investitionsgütern – die Gesamtna<strong>ch</strong>fragekurve vers<strong>ch</strong>iebt<br />

si<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> re<strong>ch</strong>ts. Die monetären Konjunkturtheorien erkennen in der Veränderung der<br />

Geldmenge die ents<strong>ch</strong>eidende Ursa<strong>ch</strong>e für Konjunkturs<strong>ch</strong>wankungen.<br />

• Neue Te<strong>ch</strong>nologien senken die Produktionskosten – die Gesamtangebotskurve vers<strong>ch</strong>iebt<br />

si<strong>ch</strong> deshalb na<strong>ch</strong> re<strong>ch</strong>ts. Dur<strong>ch</strong> eine Naturkatastrophe werden Produktionskapazitäten<br />

verni<strong>ch</strong>tet – die Gesamtangebotskurve vers<strong>ch</strong>iebt si<strong>ch</strong> deshalb na<strong>ch</strong> links. Die Theorie<br />

realer Konjunkturzyklen erklärt Konjunkturs<strong>ch</strong>wankungen auss<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> mit<br />

S<strong>ch</strong>wankungen der Gesamtangebotskurve, wel<strong>ch</strong>e auf reale Veränderungen (insbesondere<br />

te<strong>ch</strong>nologis<strong>ch</strong>e S<strong>ch</strong>ocks) zurückzuführen sind.<br />

• Eine pessimistis<strong>ch</strong>e Welle erfasst die Bevölkerung und führt zu erhöhten Sparanstrengungen<br />

und Eins<strong>ch</strong>ränkung im Konsum – die Gesamtna<strong>ch</strong>fragekurve vers<strong>ch</strong>iebt si<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong><br />

links. Die psy<strong>ch</strong>ologis<strong>ch</strong>en Konjunkturtheorien identifizieren si<strong>ch</strong> gegenseitig ablösende<br />

pessimistis<strong>ch</strong>e oder optimistis<strong>ch</strong>e Wellen als Hauptgrund für Konjunkturs<strong>ch</strong>wankungen.<br />

• Auf Grund der bevorstehenden Wahlen versu<strong>ch</strong>e die Politiker dur<strong>ch</strong> Ausgabenerhöhungen<br />

und Steuersenkungen Wähler zu gewinnen – die Gesamtna<strong>ch</strong>fragekurve und die Gesamtangebotskurve<br />

vers<strong>ch</strong>ieben si<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> re<strong>ch</strong>ts. Politis<strong>ch</strong>e Konjunkturmodelle untersu<strong>ch</strong>en<br />

den Zusammenhang zwis<strong>ch</strong>en Wahl- und Konjunkturzyklen.<br />

Das war nur eine Auswahl von Beispielen, wel<strong>ch</strong>e zu Konjunkturs<strong>ch</strong>wankungen führen<br />

können. „Die Konjunkturtheorie“ gibt es ni<strong>ch</strong>t. Jeder Erklärungssatz wird deshalb von der<br />

46


jeweiligen Situation geprägt, in wel<strong>ch</strong>er er entwickelt wurde. Die Konjunkturtheorien stellen<br />

au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t Gegensätze dar, sondern sie setzen andere S<strong>ch</strong>werpunkte.<br />

Zudem haben Veränderungen einer Grösse au<strong>ch</strong> Veränderungen anderer Grössen zur Folge:<br />

Im volkswirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Kreislauf sind alle Grössen miteinander vernetzt. Konjunkturs<strong>ch</strong>wankungen<br />

können dur<strong>ch</strong> vers<strong>ch</strong>iedene Impulse ausgelöst werden, wel<strong>ch</strong>e Veränderungen von<br />

volkswirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Grössen bewirken, die miteinander verbunden sind.<br />

In einer Marktwirts<strong>ch</strong>aft werden die Aktivitäten von individuellen Ents<strong>ch</strong>eidungen getragen.<br />

Diese Ents<strong>ch</strong>eidungen werden unter dem Einfluss einer Vielzahl von Impulsen gefällt, die<br />

unaufhörli<strong>ch</strong> auf uns einwirken und unser Handeln bestimmen. Ein komplexes Zusammenspiel<br />

aller wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Ents<strong>ch</strong>eidungen und der dadur<strong>ch</strong> ausgelösten Aktivitäten führ zu<br />

Veränderungen an den vers<strong>ch</strong>iedenen Märkten und damit letztli<strong>ch</strong> zu<br />

Konjunkturs<strong>ch</strong>wankungen.<br />

KONJUNKTURELLE VERSTÄRKER<br />

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Die dur<strong>ch</strong> sol<strong>ch</strong>e Impulse ausgelösten S<strong>ch</strong>wankungen haben die Tendenz, si<strong>ch</strong> aus eigener<br />

Kraft zu bes<strong>ch</strong>leunigen. Diese Selbstbes<strong>ch</strong>leunigung ist auf vers<strong>ch</strong>iedene Verstärker<br />

zurückzuführen. Erwartungen spielen immer eine ents<strong>ch</strong>eidende Rolle, weil Ents<strong>ch</strong>eidungen<br />

immer zukunftsgeri<strong>ch</strong>tet sind. Au<strong>ch</strong> wenn die psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en Faktoren ni<strong>ch</strong>t von jedermann als<br />

eigentli<strong>ch</strong>e Ursa<strong>ch</strong>e von Konjunkturs<strong>ch</strong>wankungen era<strong>ch</strong>tet werden, sind sie do<strong>ch</strong> als<br />

psy<strong>ch</strong>ologis<strong>ch</strong>e Verstärker anerkannt. Dass die Investitionen ein überdur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nittli<strong>ch</strong>es Mass<br />

von S<strong>ch</strong>wingungsintensität aufweisen, haben wir bereits gesehen.<br />

Investitionen bewirken zwei Effekte:<br />

1. Einmal lösen sie einen Kapazitätseffekt aus, es werden Kapazitäten ges<strong>ch</strong>affen, die das<br />

Potenzialwa<strong>ch</strong>stum mitbestimmen.<br />

2. Im Zuge der Herstellung dieser Kapazitäten entsteht aber au<strong>ch</strong> ein Einkommenseffekt,<br />

d.h. es entstehen Einkommen, die in Na<strong>ch</strong>frage umgesetzt werden und somit die<br />

Potenzialauslastung mitbestimmen.<br />

Es liegt nun auf der Hand, dass der Relation von Kapazitäts- und Einkommenseffekt eine<br />

zentrale Rolle zukommt. Nur wenn Kapazitäts- und Einkommenseffekt identis<strong>ch</strong> sind, gerät die<br />

Konjunktur ni<strong>ch</strong>t in S<strong>ch</strong>wingungen. Ist der Kapazitätseffekt grösser als der Einkommenseffekt,<br />

bleiben Kapazitäten unausgelastet. Die Folge wird ein Kapazitätsabbau sein, d.h. die<br />

Investitionen werden zurückgehen. Ist der Kapazitätseffekt kleiner als der Einkommenseffekt,<br />

werden Kapazitäten überbeanspru<strong>ch</strong>t mit der Folge, dass es zu einem Kapazitätsaufbau, d.h.<br />

zu einer Bes<strong>ch</strong>leunigung der Investitionstätigkeit kommt. Wie ausgeprägt diese<br />

S<strong>ch</strong>wankungen sind, hängt von den folgenden Bedingungen ab:<br />

Die Multiplikatortheorie<br />

Wel<strong>ch</strong>e gesamtwirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Einkommenswirkungen entstehen, wenn dank einer Investition<br />

eine Na<strong>ch</strong>frage von Fr. 500'000.- ausgelöst wird? Die einkommen nehmen gesamthaft um<br />

mehr als Fr. 500'000.- zu, weil die Bezüger dieser Einkommen, ob Arbeitnehmer in Form von<br />

Lohn oder Unternehmer in Form von Gewinn, eine Teil davon wieder ausgeben und damit<br />

zusätzli<strong>ch</strong>e Einkommen auslösen. Die Stärke dieses Prozesses ist vom Anteil der Einkommen<br />

abhängig, wel<strong>ch</strong>er wieder ausgegeben wird, also ni<strong>ch</strong>t gespart wird. In der Fa<strong>ch</strong>spra<strong>ch</strong>e nennt<br />

man das die Grenzneigung zum Konsum. Eine Erhöhung der Na<strong>ch</strong>frage wirkt also<br />

multiplikativ, weil ein Einkommenseffekt erzeugt wird, der bedeutend grösser ist als die<br />

ursprüngli<strong>ch</strong>e Na<strong>ch</strong>frageerhöhung. Deshalb bezei<strong>ch</strong>net man diese Erkenntnis als<br />

Multiplikatortheorie. Ein Beispiel dazu:<br />

Nehmen wir an, der Staat löse eine zusätzli<strong>ch</strong>e Investition von 100. Mio. aus und die<br />

Grenzneigung zum Konsum sei 0,8 oder 80%.<br />

Der Multiplikator bere<strong>ch</strong>net si<strong>ch</strong> wie folgt: 1 / (1 – Grenzneigung zum Konsum).<br />

In unserem Fall beträgt er 5, der gesamte Einkommenseffekt ist fünfmal grösser als die<br />

ursprüngli<strong>ch</strong>e Investition. Die Wirkung des Multiplikators wird immer kleiner und verpufft<br />

s<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong>.<br />

In der genau glei<strong>ch</strong>en Weise kann eine Na<strong>ch</strong>frageerhöhung um 100 Mio. multiplikative<br />

Bes<strong>ch</strong>äftigungswirkungen auslösen. Denn au<strong>ch</strong> auf dem Arbeitsmarkt kann die Summer der<br />

gesamthaft ges<strong>ch</strong>affenen Arbeitsplätze grösser sein als die unmittelbar entstandenen.<br />

Ebenso wie die Einkommen oder die Bes<strong>ch</strong>äftigung bei einer Erhöhung der Na<strong>ch</strong>frage um ein<br />

vielfa<strong>ch</strong>es zunehmen, nehmen sie bei einer Verringerung der Na<strong>ch</strong>frage um ein Vielfa<strong>ch</strong>es ab.<br />

Die Multiplikatortheorie besagt, dass Veränderungen in der Na<strong>ch</strong>frage überproportionale<br />

Veränderungen der Einkommen und der Bes<strong>ch</strong>äftigung auslösen.<br />

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Die Akzeleratortheorie<br />

Wieviel Investitionen werden dur<strong>ch</strong> die Veränderung der Na<strong>ch</strong>frage ausgelöst? Wir wollen<br />

au<strong>ch</strong> diese Frage mit Hilfe eines Beispiels beantworten: Dazu treffen wir folgende Annahme:<br />

Eine Unternehmung in der Teigwaren hergestellt werden, verfügt über einen voll<br />

ausgelasteten Mas<strong>ch</strong>inenpark im Wert von Fr. 600'000.-. Die periodis<strong>ch</strong>en Abs<strong>ch</strong>reibungen<br />

betragen 10%; in diesem Umfang werden entspre<strong>ch</strong>ende Ersatzinvestitionen vorgenommen.<br />

In der 2.Periode steigt die Na<strong>ch</strong>frage na<strong>ch</strong> Teigwaren dieser Unternehmung um 10%, in der<br />

3,Periode bliebt sie konstant.<br />

Das Zahlenbeispiel zeigt, dass Veränderungen in der Na<strong>ch</strong>frage viel grössere („akzelerierte“)<br />

Veränderungen der Investitionen hervorrufen. In der 2.Periode erhöht si<strong>ch</strong> die Na<strong>ch</strong>frage um<br />

10%, weshalb 10% mehr Produktionskapazitäten ges<strong>ch</strong>affen werden müssen. Als Folge<br />

davon steigen die Investitionen sprunghaft um 100% an. Diesen produktionste<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>en<br />

Bes<strong>ch</strong>leunigungseffekt nennt man Akzeleratortheorie. In der 3.Periode zeigt das Beispiel, wie<br />

der Akzelerator zu einem Umkippen der Investitionen führt, au<strong>ch</strong> wenn die Na<strong>ch</strong>frage konstant<br />

bleibt. Der Akzelerator erklärt die überproportionale Reaktion der Investitionen auf<br />

Na<strong>ch</strong>frageänderungen nun auf eindrückli<strong>ch</strong>e Weise.<br />

Die Akzeleratortheorie besagt, dass Veränderungen in der Na<strong>ch</strong>frage überproportionale<br />

Veränderungen der Investitionen auslösen.<br />

Der Akzelerator wirkt si<strong>ch</strong> weniger stark aus, wenn leerstehende Kapazitäten oder<br />

ausrei<strong>ch</strong>ende Lager vorhanden sind. Zudem ist es denkbar, dass bei pessimistis<strong>ch</strong>en<br />

Erwartungen trotz Na<strong>ch</strong>frageerhöhung zunä<strong>ch</strong>st keine Neuinvestitionen getätigt werden,<br />

andererseits kann Optimismus zu Neuinvestitionen führen, au<strong>ch</strong> wenn si<strong>ch</strong> die Na<strong>ch</strong>frage<br />

zunä<strong>ch</strong>st ni<strong>ch</strong>t erhöht.<br />

Der Multiplikator- und der Akzeleratoreffekt verstärken si<strong>ch</strong> gegenseitig. Allein diese beiden<br />

Effekte könne die Konjunktur in S<strong>ch</strong>wingungen versetzen.<br />

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Konjunkturs<strong>ch</strong>wankungen lassen si<strong>ch</strong> aus einem komplexen Zusammenspiel von Impulsen<br />

und Verstärkern erklären. Konjunkturs<strong>ch</strong>wankungen sind für eine Marktwirts<strong>ch</strong>aft ein typis<strong>ch</strong>es<br />

Phänomen, da eine Vielzahl von individuellen Ents<strong>ch</strong>eidungen in einer arbeitsteiligen und<br />

international verflo<strong>ch</strong>tenen Volkswirts<strong>ch</strong>aft s<strong>ch</strong>wer voraussehbare Reaktionen aller<br />

Wirts<strong>ch</strong>aftssubjekte hervorrufen.<br />

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KAPITEL 6 – KONJUNKTURPOLITIK<br />

Es herrs<strong>ch</strong>en unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>e Auffassungen darüber, wel<strong>ch</strong>es die geeigneten Massnahmen<br />

sind, um Konjunkturs<strong>ch</strong>wankungen mögli<strong>ch</strong>st zu vermeiden. Die Gründe dafür sind ni<strong>ch</strong>t nur<br />

sa<strong>ch</strong>bezogene Differenzen über ökonomis<strong>ch</strong>e Problemstellungen, sondern au<strong>ch</strong> ideologis<strong>ch</strong>e<br />

Unters<strong>ch</strong>iede, denen andere Wertvorstellungen zugrunde liegen.<br />

DIE KLASSISCHE KONZEPTION<br />

GRUNDÜBERLEGUNGEN<br />

Bis zum Ausbru<strong>ch</strong> der Weltwirts<strong>ch</strong>aftskrise anfangs der 1930er-Jahre war folgende Meinung<br />

vorherrs<strong>ch</strong>end: Störungen werden dur<strong>ch</strong> den Preis- und Marktme<strong>ch</strong>anismus von selbst<br />

überwunden und die Wirts<strong>ch</strong>aft findet ohne Unterstützung den Weg zum Glei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>t.<br />

Sol<strong>ch</strong>e Störungen lassen si<strong>ch</strong> zwar ni<strong>ch</strong>t abwenden, aber dur<strong>ch</strong> die Selbstheilungskräfte der<br />

Marktwirts<strong>ch</strong>aft werden sie überwunden!<br />

Na<strong>ch</strong> Ansi<strong>ch</strong>t der sogenannten Klassiker gibt es keine gesamtwirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Überproduktion,<br />

da si<strong>ch</strong> das Güterangebot seine Na<strong>ch</strong>frage selber s<strong>ch</strong>affe. Denn aus jeder Produktion<br />

resultiere Einkommen, wel<strong>ch</strong>es zu Na<strong>ch</strong>frage werde. Ein Konsumrückgang infolge einer<br />

erhöhten Sparanstrengung beispielsweise löse dur<strong>ch</strong> den Anstieg des Kapitalangebots einen<br />

Zinsrückgang aus und bewirke deswegen zusätzli<strong>ch</strong>e Investitionen (Zinsme<strong>ch</strong>anismus). An<br />

die Stelle der Konsumna<strong>ch</strong>frage trete dann eben die Investitionsna<strong>ch</strong>frage. Denkbar seien<br />

zwar Absatzkrisen bei gewissen Produkten, die aber eine Überna<strong>ch</strong>frage na<strong>ch</strong> anderen<br />

Produkten impliziere. Der Preisme<strong>ch</strong>anismus führe automatis<strong>ch</strong> wieder zum Glei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>t<br />

zurück.<br />

Gemässe den Klassikern hängt die Produktionsmenge ni<strong>ch</strong>t vom Preisniveau ab, sondern von<br />

der Arbeitsmenge, vom Realkapital der Te<strong>ch</strong>nologie. Na<strong>ch</strong> ihrer Meinung ist der Arbeitsmarkt<br />

immer in einem Glei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>t. Weil es keine frei verfügbaren Arbeitskräfte gibt, kann au<strong>ch</strong> bei<br />

steigendem Preisniveau die Produktion ni<strong>ch</strong>t erhöht werden. Dies bedeutet, dass die<br />

Gesamtangebotskurve senkre<strong>ch</strong>t verläuft. Daraus ergeben si<strong>ch</strong> wi<strong>ch</strong>tige Konsequenzen:<br />

Vermindert si<strong>ch</strong> die Gesamtna<strong>ch</strong>frage (Vers<strong>ch</strong>iebung der Gesamtna<strong>ch</strong>fragekurve na<strong>ch</strong> links),<br />

vermindert si<strong>ch</strong> kurzfristig die Produktion von Punkt A na<strong>ch</strong> Punkt B. Da bei Punkt B die<br />

Produktion aber unter ihrem mögli<strong>ch</strong>en Niveau liegt, führen sinkende Preise von Punkt B zu<br />

Punkt C. So hat die ursprüngli<strong>ch</strong> gesunkene Gesamtna<strong>ch</strong>frage zwar zu Preissenkungen, ni<strong>ch</strong>t<br />

aber zu Veränderung der Produktion geführt. Die senkre<strong>ch</strong>te Gesamtangebotskurve impliziert<br />

somit, dass die Angebotspreise auf Veränderungen der Na<strong>ch</strong>frage sehr flexibel reagieren.<br />

Preisveränderungen haben also keinen Einfluss auf die angegebenen Menge (unelastis<strong>ch</strong>e<br />

Angebotskurve).<br />

KONSEQUENZEN FÜR DIE WIRTSCHAFTSPOLITIK<br />

Staatli<strong>ch</strong>e Massnahmen zur Unterstützung der Na<strong>ch</strong>frage haben keine realen Effekte.<br />

Staatli<strong>ch</strong>e Eingriffe werden deshalb abgelehnt. Der Staat hat si<strong>ch</strong> darauf zu bes<strong>ch</strong>ränken, ein<br />

reibungsloses Funktionieren der Marktwirts<strong>ch</strong>aft si<strong>ch</strong>erzustellen, indem er für optimale<br />

Rahmenbedingungen sorgt (Na<strong>ch</strong>twä<strong>ch</strong>terstaat). Staatli<strong>ch</strong>e Eingriffe behindern die<br />

marktwirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Kräfte nur.<br />

Jedes Angebot s<strong>ch</strong>afft si<strong>ch</strong> die entspre<strong>ch</strong>ende Na<strong>ch</strong>frage! Bei einem funktionierenden Preis-<br />

und Zinsme<strong>ch</strong>anismus kann es keine dauerhaften Unglei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>te geben. Der Staat hat si<strong>ch</strong><br />

deshalb auf eine „Na<strong>ch</strong>twä<strong>ch</strong>terfunktion“ zu bes<strong>ch</strong>ränken.<br />

Preise reagieren auf Veränderungen der Na<strong>ch</strong>frage<br />

sehr flexibel (senkre<strong>ch</strong>te Gesamtangebotskurve).<br />

Veränderungen der Na<strong>ch</strong>frage lösen deshalb nur<br />

Preiss<strong>ch</strong>wankungen aus.<br />

Ents<strong>ch</strong>eidend für die Höhe des BIP ist das Angebot.<br />

51


DIE KEYNESIANISCHE KONZEPTION<br />

HINTERGRUND DER ENTSTEHUNG<br />

Während der Massenarbeitslosigkeit der 1930er-Jahre häuften si<strong>ch</strong> die Zweifel an den<br />

Selbstheilungskräften der Marktwirts<strong>ch</strong>aft. J.M. Keynes wollte beweisen, dass unter<br />

bestimmten Bedingungen ein Glei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>t auf den Gütermärkten mit Arbeitslosigkeit<br />

bestehen kann, dass ein marktwirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>es System ni<strong>ch</strong>t aus si<strong>ch</strong> heraus Kräfte freisetzt,<br />

um Vollbes<strong>ch</strong>äftigung zu errei<strong>ch</strong>en, und dass sol<strong>ch</strong>e Instabilitäten dur<strong>ch</strong>aus korrigierbar sind.<br />

GRUNDÜBERLEGUNGEN<br />

Aus dem Wirts<strong>ch</strong>aftskreislauf geht hervor, dass im Idealfall Angebot und Na<strong>ch</strong>frage glei<strong>ch</strong><br />

gross sind. Dieser Zusammenhang wird aber dur<strong>ch</strong> Zu- und Abflüsse dur<strong>ch</strong>bro<strong>ch</strong>en.<br />

Die Abflüsse sind dadur<strong>ch</strong> bedingt, dass die Verbrau<strong>ch</strong>er ni<strong>ch</strong>t alles ausgeben, was sie<br />

verdienen, also sparen, ihre Ausgaben au<strong>ch</strong> für Importe verwenden, und dass der Staat<br />

Steuern erhebt. Die Zuflüsse kommen zustande, wenn die Unternehme exportieren und<br />

zusätzli<strong>ch</strong>e Mas<strong>ch</strong>inen ans<strong>ch</strong>affen (investieren), und wenn der Staat Ausgaben tätigt. Da die<br />

Zu- und Abflüsse normalerweise ni<strong>ch</strong>t glei<strong>ch</strong> gross sind, entspri<strong>ch</strong>t das gesamtwirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e<br />

Angebot ni<strong>ch</strong>t zwangsläufig der gesamtwirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Na<strong>ch</strong>frage, so dass es zu<br />

Glei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>tsstörungen kommt. Zur Verans<strong>ch</strong>auli<strong>ch</strong>ung dient das Bild einer Badewanne:<br />

Fliesst mehr zu als ab = Übers<strong>ch</strong>wemmung, fliesst mehr ab als zu = Trockenheit.<br />

Sind die Zuflüsse grösser als die Abflüsse wird die Wirts<strong>ch</strong>aft übers<strong>ch</strong>wemmt, es entsteht<br />

Inflation. Umgekehrt besteht Arbeitslosigkeit, wenn mehr Ab- als Zufliesst.<br />

Somit ist die Na<strong>ch</strong>frage massgebend für die Produktion und damit au<strong>ch</strong> für die Höhe des BIP.<br />

Na<strong>ch</strong> Keynes bestimmt ni<strong>ch</strong>t das Angebot die Na<strong>ch</strong>frage, sonder die Na<strong>ch</strong>frage bestimmt das<br />

Angebot.<br />

Das klingt logis<strong>ch</strong>, war für die damalige Zeit aber eine Umkehr des bisher Gültigen. Bis dahin<br />

glaubte man den Klassikern, gemäss wel<strong>ch</strong>en jedes Angebot eine glei<strong>ch</strong> grosse Na<strong>ch</strong>frage<br />

s<strong>ch</strong>affen würde.<br />

Ist die gesamte Na<strong>ch</strong>frage kleiner als die Vollbes<strong>ch</strong>äftigungsproduktion, so besteht eine<br />

Na<strong>ch</strong>fragelücke. Die Unternehmer reagieren darauf mit Drosselung der Produktion. Keynes<br />

bestritt als ni<strong>ch</strong>t die Tendenz zu Glei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>t auf dem Gütermarkt. Na<strong>ch</strong> ihm ist es aber ni<strong>ch</strong>t<br />

auszus<strong>ch</strong>liessen, dass bei diesem Glei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>t die Zahl der Arbeitssu<strong>ch</strong>enden grösser ist<br />

als die zur Produktion erforderli<strong>ch</strong>en Arbeitskräfte.<br />

Da im Glei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>t die Unternehmenserwartungen erfüllt sind, sehen die Unternehmer<br />

keinen Grund ihre Investitions- oder Produktionsents<strong>ch</strong>eidungen zu ändern, Keynes nannte<br />

dies „Glei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>t bei Unterbes<strong>ch</strong>äftigung“. Dieses Problem wird gemäss Keynes ni<strong>ch</strong>t von<br />

selbst (dur<strong>ch</strong> die marktwirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Kräfte) beseitigt. Denn die Preise sind na<strong>ch</strong> Ansi<strong>ch</strong>t der<br />

Keynesianer in kurzer Frist relativ starr, weil Preisänderungen au<strong>ch</strong> Kosten verursa<strong>ch</strong>en (neue<br />

Preiss<strong>ch</strong>ilder, Kataloge, etc.) Man nennt diese Kosten „menu costs“ (Speisekarten-Kosten).<br />

Zudem bezweifelte Keynes die Wirksamkeit des Lohnme<strong>ch</strong>anismus, weil die Löhne na<strong>ch</strong><br />

unten infolge von staatli<strong>ch</strong>en Eingriffen, wegen den Gewerks<strong>ch</strong>aften und anderen Gründen,<br />

relativ starr seien. Er äusserte au<strong>ch</strong> grundsätzli<strong>ch</strong>e Bedenken am Zinsme<strong>ch</strong>anismus. Eine<br />

unzurei<strong>ch</strong>ende Investitionstätigkeit sein ni<strong>ch</strong>t auf das Zinsniveau, sondern auf die s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>ten<br />

Erfolgserwartungen zurückzuführen.<br />

Die Situation der ausbleibenden Investitionen trotz tiefen Zinsen bezei<strong>ch</strong>nete Keynes als<br />

Investitionsfalle. Eine Erhöhung der Geldmenge kann in der Investitionsfalle also keine<br />

belebende Wirkung entfalten. Eine zweite Begründung für die „monetäre Impotenz“ ist gemäss<br />

Keynes die Liquiditätsfalle. Sie tritt ein, wenn zusätzli<strong>ch</strong>es Geld ni<strong>ch</strong>t in Obligationen angelegt<br />

wird, weil die Renditen aufgrund der tiefen Zinssätze uninteressant sind. Das zusätzli<strong>ch</strong>e Geld<br />

wird liquid gehalten, wodur<strong>ch</strong> die Zinsen ni<strong>ch</strong>t weiter sinken und zusätzli<strong>ch</strong>e Investitionen<br />

ausbleiben.<br />

Zusammenfassung VWL IUR I<br />

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52


Im Gegensatz zu den Klassikern basiert der keynesianis<strong>ch</strong>e Ansatz auf unflexiblen Preisen,<br />

Löhnen und Zinssätzen. Deshalb verläuft die Gesamtangebotskurve fla<strong>ch</strong> bzw. nur lei<strong>ch</strong>t<br />

aufwärts. Sinkt die Na<strong>ch</strong>frage, sinkt das Produktionsniveau von M1 na<strong>ch</strong> M2, die Preise<br />

sinken und es entsteht Arbeitslosigkeit.<br />

KONSEQUENZEN FÜR DIE WIRTSCHAFTSPOLITIK<br />

Um Vollbes<strong>ch</strong>äftigung zu errei<strong>ch</strong>en, muss die Na<strong>ch</strong>frage gesteigert werden.<br />

Erinnern wir uns daran, wie si<strong>ch</strong> die gesamtwirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Na<strong>ch</strong>frage zusammensetzt:<br />

Privater Konsum + Export + Investitionen + Staatskonsum = gesamtwirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Na<strong>ch</strong>frage<br />

Der Private Konsum ist in erster Linie abhängig vom Volkseinkommen, andererseits bestimmt<br />

der private Konsum zu einem wesentli<strong>ch</strong>en Teil die Höhe des Volkseinkommens, es besteht<br />

eine gegenseitige Abhängigkeit. Der Statt kann auf den privaten Konsum insofern indirekt<br />

Einfluss nehmen, als er dur<strong>ch</strong> seine Steuerpolitik das verfügbare Einkommen mitbestimmt.<br />

Der Exportwirts<strong>ch</strong>aft kann dur<strong>ch</strong> staatli<strong>ch</strong>e Unterstützung bzw. steuerli<strong>ch</strong>e Entlastungen unter<br />

die Arme gegriffen werden, zudem nützt eine künstli<strong>ch</strong>e Tiefhaltung der eigenen Währung der<br />

Exportwirts<strong>ch</strong>aft.<br />

Was die Investitionen der Unternehmer betrifft, führen na<strong>ch</strong> Keynes tiefe Zinsen ni<strong>ch</strong>t zum<br />

Aufs<strong>ch</strong>wung, weil für sie vor allem die Zukunftserwartungen ents<strong>ch</strong>eidend sind. Indirekt kann<br />

der Staat versu<strong>ch</strong>en, die privaten Investitionen dur<strong>ch</strong> Zus<strong>ch</strong>üsse oder steuerli<strong>ch</strong>e<br />

Entlastungen anzukurbeln.<br />

Bleiben die staatli<strong>ch</strong>en Investitionen und der Staatskonsum: Bei ihnen liegt der ideale<br />

Ansatzpunkt, weil sie direkt von Staat bestimmt werden können. Die Keynesianer sehen<br />

deshalb in Ausgabenerhöhungen das geeignetste Mittel zur Bekämpfung von Arbeitslosigkeit.<br />

Zudem empfehlen sie in Krisenzeiten Steuersenkungen, um das frei verfügbare Einkommen<br />

zu erhöhen und damit den privaten Konsum, die Exporte und au<strong>ch</strong> die<br />

Unternehmerinvestitionen zu stimulieren.<br />

Ausgabenerhöhungen und Steuersenkungen führen zu Budgetdefiziten. In der Boomphase<br />

plädieren sie andererseits für eine Senkung der Staatsausgaben und eine Erhöhung der<br />

Steuern, d.h. für einen Budgetübers<strong>ch</strong>uss.<br />

Das S<strong>ch</strong>wergewi<strong>ch</strong>t der Konjunktursteuerung liegt also bei der Finanzpolitik. In konjunkturellen<br />

Abs<strong>ch</strong>wüngen muss der Staat seine Ausgaben erhöhen, im Aufs<strong>ch</strong>wung kürzen. Da dies der<br />

Konjunkturentwicklung entgegenläuft, wurde dafür der Ausdruck antizyklis<strong>ch</strong>e Finanzpolitik<br />

geprägt. Dur<strong>ch</strong> diese Feinsteuerung sollte es gelingen, die unangenehmen<br />

Konjunkturs<strong>ch</strong>wankungen zu glätten.<br />

Weil die Selbstheilungskräfte der Marktwirts<strong>ch</strong>aft ni<strong>ch</strong>t funktionieren, muss der Staat eine<br />

antizyklis<strong>ch</strong>e Finanzpolitik betreiben, d.h. in Krisenzeiten seine Ausgaben erhöhen, die<br />

Steuern senken und ein Budgetdefizit in Kauf nehmen; in der Ho<strong>ch</strong>konjunktur muss er die<br />

Ausgaben senken, die Steuern erhöhen und einen Budgetübers<strong>ch</strong>uss erzielen. So stabilisiert<br />

der Staat dur<strong>ch</strong> die Steuerung der Na<strong>ch</strong>frage die konjunkturelle Lage.<br />

Zusätzli<strong>ch</strong>en Aufwind erhält die antizyklis<strong>ch</strong>e Finanzpolitik dur<strong>ch</strong> die konjunkturellen<br />

Verstärker (Multiplikatortheorie + Akzeleratortheorie).<br />

Eine Erhöhung der Staatsausgaben bewirkt, dass gewisse Leute ein Einkommen erhalten,<br />

das sie sonst ni<strong>ch</strong>t bekommen hätten. Weil ein Teil dieses Zusatzeinkommens ausgegeben<br />

wird, kommt dieses Geld wieder anderen Leute zugute. Au<strong>ch</strong> die werden einen Teil davon<br />

wieder ausgeben, und insgesamt steigt deshalb das Einkommen um ein Vielfa<strong>ch</strong>es der<br />

zusätzli<strong>ch</strong>en Staatsausgaben an. Eine Steuersenkung hat selbstverständli<strong>ch</strong> die glei<strong>ch</strong>en<br />

Auswirkungen.<br />

Zusammenfassung VWL IUR I<br />

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53


Zusammenfassung VWL IUR I<br />

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ZUSAMMENFASSUNG – KEYNESIANISCHE KONZEPTION<br />

Zentrales Problem: Konjunkturelle Arbeitslosigkeit<br />

Die Preise sind kurzfristig nur wenig flexibel<br />

(fla<strong>ch</strong>e Angebotskurve).<br />

Veränderungen der Na<strong>ch</strong>frage bewirken<br />

deshalb grosse S<strong>ch</strong>wankungen des BIP.<br />

Ents<strong>ch</strong>eidend für die Höhe des BIP ist die<br />

Na<strong>ch</strong>frage und ni<strong>ch</strong>t das Angebot.<br />

Therapie: Der Staat muss intervenieren, um das Na<strong>ch</strong>fragedefizit zu füllen.<br />

1. Erhöhung der Staatsausgaben (s<strong>ch</strong>afft Na<strong>ch</strong>frage)<br />

2. Senkung der staatli<strong>ch</strong>en Einnahmen (verbessert die Erwartungen<br />

der Unternehmungen und fördert den Konsum)<br />

Infolge 1. und 2. entstehen Defizite im Staatshaushalt<br />

3. Finanzierung der Defizite dur<strong>ch</strong> Anleihen<br />

(Bra<strong>ch</strong>liegende Spargelder werden kreislaufmässig „reaktiviert“)<br />

Kennzei<strong>ch</strong>en: 1. Antizyklis<strong>ch</strong>e Intervention = Feinsteuerung = abwe<strong>ch</strong>selndes<br />

Bremsen und Gasgeben<br />

2. Konzentration auf die Finanzpolitik<br />

(Geldpolitik wird zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit als wenig<br />

geeignet betra<strong>ch</strong>tet)<br />

54


EINWÄNDE GEGEN DIE KONJUNTKTURPOLITK VON KEYNES<br />

Obwohl das Keynesianis<strong>ch</strong>e Gedanken gut dur<strong>ch</strong>aus logis<strong>ch</strong> ers<strong>ch</strong>eint, ergeben si<strong>ch</strong> in der<br />

praktis<strong>ch</strong>en Umsetzung denno<strong>ch</strong> einige Probleme:<br />

• Ents<strong>ch</strong>eidungs- und Wirkungsverzögerungen (Time Lags) treten auf: s<strong>ch</strong>on die Diagnose<br />

kann aufgrund der Verzögerung der statistis<strong>ch</strong>en Daten ni<strong>ch</strong>t die aktuelle Lage erfassen.<br />

Bis dann endli<strong>ch</strong> Massnahmen ausgearbeitet und bes<strong>ch</strong>lossen werden, und bis zu deren<br />

Einführung und Wirkung vergeht weitere Zeit. Weil si<strong>ch</strong> inzwis<strong>ch</strong>en die konjunkturelle<br />

Situation verändert haben kann, besteht die Gefahr, dass die Therapie prozyklis<strong>ch</strong><br />

antizyklis<strong>ch</strong> wirkt, d.h. dass die konjunkturelle Phase verstärkt statt gebremst wird. Stellen<br />

Sie si<strong>ch</strong> zudem den Kampf im Parlament vor, wo und für was Geld ausgegeben wird, etc.<br />

• Der Rückweg stellt ein Problem dar: Steuererlei<strong>ch</strong>terungen und Ausgabenerhöhungen<br />

lassen si<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> relativ lei<strong>ch</strong>t bes<strong>ch</strong>liessen. Aber im Aufs<strong>ch</strong>wung Steuererhöhungen und<br />

Ausgabenkürzungen dur<strong>ch</strong>zubringen, ist eine s<strong>ch</strong>were und wenig populäre Aufgabe.<br />

• Wenn es ni<strong>ch</strong>t gelingt, in der Ho<strong>ch</strong>konjunktur Übers<strong>ch</strong>üsse zu realisieren entstehen<br />

Probleme bei der Finanzierung der Defizite. Werden sie mittels Anleihen im Inland<br />

finanziert, erhöht si<strong>ch</strong> das Zinsniveau. Dur<strong>ch</strong> den Zinsanstieg werden aber insbesondere<br />

Unternehmerinvestitionen verdrängt, weshalb ein Aufs<strong>ch</strong>wung ni<strong>ch</strong>t zustande kommen<br />

kann. Diese Verdrängung wird als crowding-out-Effekt bezei<strong>ch</strong>net. Die Stärke des<br />

crowding-out-Effektes hängt von der Wirkung der Fiskalpolitik auf die Zinsen und der<br />

Zinselastizität der privaten Investitionen ab. Wird das Defizit ni<strong>ch</strong>t dur<strong>ch</strong> Anleihen, sondern<br />

dur<strong>ch</strong> die Nationalbank finanziert, vergrössert si<strong>ch</strong> die Geldmenge, und es werden<br />

Inflationsgefahren ges<strong>ch</strong>ürt. (CH Staat kann ni<strong>ch</strong>t direkt bei SNB Geld aufnehmen!!!)<br />

• Ein weiterer Einwand stellt die Theorie der rationalen Erwartungen dar. Diese Theorie geht<br />

davon aus, dass staatli<strong>ch</strong>e Eingriffe wirkungslos sind, weil die Wirts<strong>ch</strong>aftsteilnehmern sie<br />

dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>auen und si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t in die Irre führen lassen. Sie passen si<strong>ch</strong> der veränderten<br />

Situation an, so dass die Wirkung der Eingriffe verpufft. Das heisst also, die<br />

Wirts<strong>ch</strong>aftssubjekte re<strong>ch</strong>nen mit einem Anstieg der Steuern als Reaktion auf die höheren<br />

Ausgaben des Staates. Dur<strong>ch</strong> den Steueranstieg wird das zukünftig verfügbare Einkommen<br />

vermindert und dies führt s<strong>ch</strong>on heute zu einem Anstieg der Ersparnisse. Dadur<strong>ch</strong> kann<br />

aber der erhoffte Konjunkturaufs<strong>ch</strong>wung s<strong>ch</strong>on im Keime erstickt werden, und es können<br />

negative Multiplikatoreffekte auftreten.<br />

• Staatli<strong>ch</strong>e Ankurbelungsprogramme sind mit der Gefahr der „Strukturerhaltungs-Falle“<br />

behaftet. Werden die knappen finanziellen Mittel in ineffiziente Projekte und Bran<strong>ch</strong>en<br />

gesteckt, lösen sie nur ein kurzes Strohfeuer aus, verzerren marktwirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e<br />

Anreizstrukturen und zementieren überholte Strukturen.<br />

WIRKT DIE SCHWEIZERISCHE FINANZPOLITIK ANTIZYKLISCH?<br />

Aus den bisherigen Überlegungen neigen wir dazu, ein Budgetdefizit mit einer expansiven<br />

(ankurbelnden) Finanzpolitik glei<strong>ch</strong>zusetzen. Diese Interpretation ist allerdings fals<strong>ch</strong>.<br />

Budgetvers<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>terungen stellen si<strong>ch</strong> im Laufe einer Rezession nämli<strong>ch</strong> automatis<strong>ch</strong> ein:<br />

Die Steuereinnahmen sinken und die Ausgaben (vor allem die Arbeitslosenunterstützung)<br />

steigen. Diese „automatis<strong>ch</strong>en Stabilisatoren“ sorgen für eine Stabilisierung der Konjunktur:<br />

In Boomzeiten entsteht ein Übers<strong>ch</strong>uss, in Rezessionsjahren ein Defizit – ohne eine aktive<br />

Veränderung der Finanzpolitik.<br />

Wir können also ni<strong>ch</strong>t einfa<strong>ch</strong> auf das Budget s<strong>ch</strong>auen, um zu beurteilen, ob die Finanzpolitik<br />

restriktiv (bremsend) oder expansiv (bes<strong>ch</strong>leunigend) wirkt. Für die Beurteilung der<br />

Finanzpolitik müssen die konjunkturellen Gründe für die S<strong>ch</strong>wankungen des Budgets<br />

eliminiert werden. Dazu wird das BIP ges<strong>ch</strong>ätzt, wie es bei einer Normalauslastung der<br />

Kapazitäten ausgefallen wäre. Ein Verglei<strong>ch</strong> mit dem tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en BIP ergibt die Outputlücke,<br />

mit deren Hilfe ein Einnahmeausfälle und Mehrausgaben des Staates im Verglei<strong>ch</strong> zur<br />

Normalauslastung bere<strong>ch</strong>net werden können. So kann das Defizit in eine konjunkturelle<br />

Komponente und den Rest, eine strukturelle Komponente unterteilt werden.<br />

Zusammenfassung VWL IUR I<br />

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55


Das strukturelle Defizit dient somit zur Beurteilung der Finanzpolitik. Die Veränderung des<br />

strukturellen Saldos in Prozent des BIP ergibt den Fiskalimpuls: Eine Erhöhung des<br />

strukturellen Defizits bedeutet einen positiven Fiskalimpuls und somit eine expansive<br />

Finanzpolitik S<strong>ch</strong>aut man den Fiskalimpuls im Verglei<strong>ch</strong> mit dem tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en BIP der letzten<br />

Jahre an, so sieht man, dass der Fiskalimpuls zwis<strong>ch</strong>en 1993 und 2000 mehrheitli<strong>ch</strong>e<br />

restriktiv wirkte. Die Anstrengungen zur Sanierung der Staatsfinanzen erfolgten also – aus<br />

konjunkturpolitis<strong>ch</strong>er Si<strong>ch</strong>t – zu früh und trugen dazu bei, die Erholung zu verzögern. Für den<br />

Zeitraum 2000 bis 2003 ergibt si<strong>ch</strong> ein lei<strong>ch</strong>t positiver Fiskalimpuls.<br />

ERFOLGREICHE INVESTITIONSPROGRAMME<br />

1997 hat das Parlament zuletzt auf die Lehre von Keynes im Sinne eines<br />

Ankurbelungsprogramms Rückgriff genommen: ein 481 Millionen s<strong>ch</strong>weres Investitionsprogramm<br />

mit S<strong>ch</strong>werpunkt Bauwirts<strong>ch</strong>aft wurde lanciert. Im Jahr 2001 folgte der<br />

S<strong>ch</strong>lussberi<strong>ch</strong>t zu diesem Investitionsprogramm des SECO.<br />

Zwar wurden in der Bauwirts<strong>ch</strong>aft zusätzli<strong>ch</strong>e Aufträge in der Höhe von 2,5 Mrd. Franken<br />

ausgelöst, aber der BIP-Gewinn lag bei ledigli<strong>ch</strong> 0,14% und das Arbeitsvolumen erhöhte si<strong>ch</strong><br />

nur sehr geringfügig. Ein Grund dafür liegt darin, dass die erhöhte Na<strong>ch</strong>frage zu über 70%<br />

dur<strong>ch</strong> Importe befriedigt wurde.<br />

Au<strong>ch</strong> löste das Zücker<strong>ch</strong>en des Staates einen Mitnahmeeffekt aus: Vorab private Investitionen<br />

wären au<strong>ch</strong> ohne staatli<strong>ch</strong>e Vergünstigungen getätigt worden. Immerhin hatte die<br />

Konjunkturspritze laut SECO keine prozyklis<strong>ch</strong>e Wirkung.<br />

Die Gründe dafür, dass die S<strong>ch</strong>weizer Wirts<strong>ch</strong>aft 1997 aus der konjunkturellen S<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>e<br />

herausfand, seien jedo<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t beim Investitionsprogramm zu su<strong>ch</strong>en.<br />

Zusammenfassung VWL IUR I<br />

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56


DIE MONETARISTSCHE KONZEPTION<br />

HINTERGRUND DER ENTSTEHUNG<br />

Na<strong>ch</strong> dem Zweiten Weltkrieg entstand ein ungeheurer Na<strong>ch</strong>hol- und Wiederaufbaubedarf der<br />

darniederliegenden Volkswirts<strong>ch</strong>aften. Wä<strong>ch</strong>st aber die Na<strong>ch</strong>frage stärker also das<br />

Produktionspotenzial, besteht die Gefahr einer Erhöhung der Preise. Ein Anstieg des<br />

Preisniveaus (Inflation) war denn au<strong>ch</strong> das vorherrs<strong>ch</strong>ende Problem der Na<strong>ch</strong>kriegsjahre.<br />

Gegenüber inflationären Entwicklungen war aber die keynesianis<strong>ch</strong>e Finanzpolitik ma<strong>ch</strong>tlos.<br />

Mit der Veränderung der Problemlage war au<strong>ch</strong> eine andere Konjunkturpolitik gefordert.<br />

GRUNDÜBERLEGUNGEN<br />

Milton Friedman begründete die monetaristis<strong>ch</strong>e S<strong>ch</strong>ule, die si<strong>ch</strong> in erster Linie mit der Rolle<br />

des Geldes und dem Inflationsproblem auseinandersetzte. Ein Na<strong>ch</strong>frageüberhang wie er<br />

damals vorlag, könne nur entstehen, wenn im Verhältnis zu den vorhandenen Gütern zu viel<br />

Geld gebe argumentieren die Monetaristen.<br />

Die Hypothese der Monetaristen mündet grundsätzli<strong>ch</strong> gesagt darin, dass Veränderungen der<br />

Geldmenge im Wesentli<strong>ch</strong>en für Konjunkturs<strong>ch</strong>wankungen verantwortli<strong>ch</strong>e sind.<br />

Für die Bestimmung des Geldwertes ist allein ents<strong>ch</strong>eidend, wie viele Güter man für eine<br />

bestimmte Geldmenge kaufen kann. Diese Beziehung zwis<strong>ch</strong>en Geld und Gütern wollen wir<br />

an einem stark vereinfa<strong>ch</strong>ten Beispiel ans<strong>ch</strong>auen:<br />

• Im ersten Jahr werden in einem Land 1000 Stück Güter produziert und es gibt in diesem<br />

Land 1000 Banknoten à Fr. 10.-. Der Preis für ein Stück ist also 10 Fr.<br />

• Die Geldmenge (1000 Noten zu Fr. 10.- = Fr. 10'000.-) ist glei<strong>ch</strong> gross wie die Gütermenge<br />

(1000 Stück zu Fr. 10.- = Fr. 10'000.-)<br />

• Im zweiten Jahr druckt der Staat weitere 1000 Banknoten à Fr. 10.-. Der dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nittli<strong>ch</strong>e<br />

Preis pro Stück steigt auf 20 Fr. pro Stück, sodass die Geldmenge wieder glei<strong>ch</strong> gross ist<br />

wie die Gütermenge (je Fr. 20'000.-)<br />

• Im dritten Jahr wird die Produktion der Güter dank höherer Effizienz auf 2000 Stück<br />

gesteigert. Der Preis pro Stück sinkt als Folge wieder auf Fr. 10.-, Geld- und Gütermenge<br />

sind wieder ausgegli<strong>ch</strong>en (je Fr. 20'000.-)<br />

• Im vierten Jahr geben die Konsumenten die Hälfte der Banknoten ni<strong>ch</strong>t aus, 1000 Noten<br />

kommen also ni<strong>ch</strong>t in Umlauf. Damit halbiert si<strong>ch</strong> die Umlaufsges<strong>ch</strong>windigkeit des Geldes,<br />

was dasselbe bewirkt wie eine Reduktion der Geldmenge: der dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nittli<strong>ch</strong>e Preis pro<br />

Stück wird fallen und zwar auf Fr. 5.-.<br />

Es ist also ni<strong>ch</strong>t nur wi<strong>ch</strong>tig wie viel Geld physis<strong>ch</strong> vorhanden ist, sondern au<strong>ch</strong> wie s<strong>ch</strong>nell<br />

dieses Geld dur<strong>ch</strong> Taus<strong>ch</strong>aktionen von Hand zu Hand geht.<br />

Diesen Zusammenhang von Gütermenge, Geldmenge, Umlaufges<strong>ch</strong>windigkeit und<br />

Preisniveau können wir nun in eine Formel (Quantitätsglei<strong>ch</strong>ung des Geldes) fassen:<br />

Geldmenge x Umlaufges<strong>ch</strong>windigkeit = Gütermenge x Preisniveau<br />

Gemäss Monetaristen ist Inflation die Folge von steigender Geldmenge oder/und erhöhter<br />

Umlaufsges<strong>ch</strong>windigkeit bei weniger stark wa<strong>ch</strong>sender, konstanter oder s<strong>ch</strong>rumpfender<br />

Geldmenge.<br />

Die Grundüberlegungen, wel<strong>ch</strong>e den Monetarismus prägen lauten deshalb:<br />

Zwis<strong>ch</strong>en dem Wa<strong>ch</strong>stum der Geldmenge und jenem des BIP besteht eine stabile Beziehung.<br />

Verändert si<strong>ch</strong> die Geldmenge, reagieren mit einer Verzögerung von einigen Monaten<br />

Produktion und Bes<strong>ch</strong>äftigung – allerdings nur vorübergehend. Langfristig beeinflussen<br />

Geldmengenveränderungen nur das Preisniveau. Steigt die Geldmenge (multipliziert mit der<br />

Umlaufsges<strong>ch</strong>windigkeit) s<strong>ch</strong>neller als die Gütermenge, entsteht Inflation.<br />

Zusammenfassung VWL IUR I<br />

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57


Nur wenn Geldmenge (multipliziert mit der Umlaufsges<strong>ch</strong>windigkeit) und Gütermenge si<strong>ch</strong><br />

glei<strong>ch</strong>mässig entwickeln, bliebt au<strong>ch</strong> der Geldwert stabil.<br />

Wenden wir die Quantitätsglei<strong>ch</strong>ung des Geldes auf die s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>e Wirkli<strong>ch</strong>keit an:<br />

Im Jahr 1990 betrug die Geldmenge M1 111,5 Mrd. Das Bruttoinlandprodukt der<br />

s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en VW belief si<strong>ch</strong> auf 314 Mrd. Daraus lässt si<strong>ch</strong> eine Umlaufsges<strong>ch</strong>windigkeit<br />

des Geldes von 2,82 erre<strong>ch</strong>nen. Die Quantitätsglei<strong>ch</strong>ung des Geldes präsentierte si<strong>ch</strong> also<br />

folgendermassen:<br />

Geldmenge 111,5 Mrd. x Umlaufsges<strong>ch</strong>windigkeit 2,82 = BIP 314 Mrd. x Preisniveau 1<br />

Im Jahr 1991 sank das reale Bruttoinlandprodukt auf 311,6 Mrd. (-0,8%) und die Geldmenge<br />

erhöhte si<strong>ch</strong> auf 113,7 Mrd. (+2%). Daraus lässt si<strong>ch</strong> ableiten, dass das Preisniveau gestiegen<br />

oder die Umlaufsges<strong>ch</strong>windigkeit gesunken sein muss. Tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> erhöhte si<strong>ch</strong> das<br />

Preisniveau in einem für die S<strong>ch</strong>weiz ungewöhnli<strong>ch</strong> hohem Ausmass von 5,9%, so dass die<br />

Umlaufges<strong>ch</strong>windigkeit lei<strong>ch</strong>t zunahm:<br />

Geldmenge 113,7 Mrd. x Umlaufsges<strong>ch</strong>windigkeit 2,902 = BIP 311,6 Mrd. x Preisniveau 1,059<br />

Monetaristen betonen die Vorrangigkeit der Geldmenge für die Höhe der Gesamtna<strong>ch</strong>frage:<br />

„Was zählt, ist Geld!“<br />

Antizyklis<strong>ch</strong>e Finanzpolitik lehnen sie ab. Ein Grund dafür zeigt si<strong>ch</strong> im Verlauf der<br />

Gesamtangebotskurve. Da Preise und Löhne auf Veränderungen flexibel reagieren, ist die<br />

Gesamtangebotskurve dementspre<strong>ch</strong>end steil. Für die Monetaristen wirken si<strong>ch</strong> deshalb<br />

Änderungen der Gesamtna<strong>ch</strong>frage vor allem auf die Preise aus.<br />

KONESEQUENZEN FÜR DIE WIRTSCHAFTSPOLITK<br />

Da na<strong>ch</strong> monetaristis<strong>ch</strong>er Ansi<strong>ch</strong>t eine stabile Beziehung zwis<strong>ch</strong>en Geldmenge und<br />

Entwicklung des BIP besteht und ein stärkeres Wa<strong>ch</strong>stum der Geldmenge als der<br />

Gütermenge ein Anstieg der Preise bewirkt, stellten die Monetaristen folgende Regel auf:<br />

Um eine inflationsfreie Entwicklung der Wirts<strong>ch</strong>aft zu ermögli<strong>ch</strong>en, muss dafür gesorgt<br />

werden, dass die Geldmenge si<strong>ch</strong> im Glei<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ritt mit dem Produktionspotenzial entwickelt.<br />

Die Zentralbanken sollen si<strong>ch</strong> also darauf konzentrieren, über eine strikte Kontrolle der<br />

Geldmenge die Entwicklung des BIP zu stabilisieren, und damit den besten S<strong>ch</strong>utz gegen<br />

Inflation zu gewährleisten. Diese Regel impliziert au<strong>ch</strong>, dass die Monetaristen den Einsatz der<br />

Geldpolitik zur Ankurbelung der Konjunktur ablehnen.<br />

Im Zentrum der monetaristis<strong>ch</strong>en Konjunkturpolitik steht also die Wa<strong>ch</strong>stumsrate der<br />

Geldmenge. Für die Überwa<strong>ch</strong>ung und Steuerung der Geldmenge ist die Nationalbank<br />

zuständig. Damit we<strong>ch</strong>selt im Verglei<strong>ch</strong> mit der keynesianis<strong>ch</strong>en Konzeption au<strong>ch</strong> die<br />

Verantwortli<strong>ch</strong>keit für die Konjunkturpolitik von der Regierung zum Direktorium der<br />

Nationalbank.<br />

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Zusammenfassung VWL IUR I<br />

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ZUSAMMENFASSUNG – MONETARISTISCHE KONZEPTION<br />

Ents<strong>ch</strong>eidend für die Gesamtna<strong>ch</strong>frage ist das Geld.<br />

Die Preise sind flexibel (steile Angebotskurve).<br />

Veränderungen der Geldmenge bewirken grosse<br />

Preiss<strong>ch</strong>wankungen. Deshalb ist der Entwicklung der<br />

Geldmenge grosse Bedeutung zuzumessen.<br />

Therapie: Primär muss die Notenbank intervenieren und für ein Glei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>t<br />

zwis<strong>ch</strong>en Geldmengen- und realem Wa<strong>ch</strong>stum sorgen.<br />

Kennzei<strong>ch</strong>en: 1. Konzentration auf die Geldmengensteuerung der Notenbank<br />

(Finanzpolitik wird als ungeeignetes Instrument der<br />

Stabilisierungspolitik betra<strong>ch</strong>tet)<br />

2. Keine antizyklis<strong>ch</strong>e Politik. Absage an das Konzept der<br />

Feinsteuerung<br />

Mittelfristige Verfestigungspolitik:<br />

a) Geldmengenzuwa<strong>ch</strong>s<br />

Geldmenge<br />

Produktionspotenzial<br />

Die Geldmenge ist auf das Wa<strong>ch</strong>stum<br />

des Produktionspotenzials auszuri<strong>ch</strong>ten.<br />

b) Konjunkturneutraler Finanzhaushalt. Au<strong>ch</strong> die Finanzpolitik soll<br />

langfristig ausgeri<strong>ch</strong>tet werden.<br />

59


EINWÄNDE GEGEN DIE MONETARISTISCHEN KONZEPTION<br />

Friedman und seine Anhänger haben die VWL in der Tat verändert.<br />

Es wirt anerkannt, dass keine bedeutende Inflation ohne s<strong>ch</strong>nelles Geldmengenwa<strong>ch</strong>stum<br />

stattfindet, und zu s<strong>ch</strong>nelles Geldmengenwa<strong>ch</strong>stum verursa<strong>ch</strong>t eine Inflation. Jede Politik, die<br />

die Wa<strong>ch</strong>stumsrate des Geldes ents<strong>ch</strong>lossen niedrig hält, wird letztendli<strong>ch</strong> eine niedrige<br />

Inflationsrate errei<strong>ch</strong>en. Unproblematis<strong>ch</strong> ist aber au<strong>ch</strong> die monetaristis<strong>ch</strong>e Konzeption ni<strong>ch</strong>t:<br />

• Zur Bekämpfung einer Inflation befürworten die Monetaristen eine strikte Kontrolle des<br />

Geldmengenwa<strong>ch</strong>stums. Dabei treten deutli<strong>ch</strong>e Zielkonflikte zum Vors<strong>ch</strong>ein: Wird die<br />

Geldmenge zu stark einges<strong>ch</strong>ränkt, erhöht si<strong>ch</strong> die Gefahr einer Rezession. Die Geldpolitik<br />

unternimmt eine Gratwanderung. Der Vorwurf an die Monetaristen lautet deshalb, sie seien<br />

Inflationsfanatiker, die mit einer harten Geldpolitik stur das Ziel der Preisstabilität verfolgen,<br />

selbst dann, wenn dadur<strong>ch</strong> viele Mens<strong>ch</strong>en ihre Arbeitsplätze verlören.<br />

• Die Umlaufsges<strong>ch</strong>windigkeit ist die Zahl, die angibt, wie oft die Geldmenge pro Jahr zur<br />

Abwicklung von Güter- und Dienstleistungskäufen umges<strong>ch</strong>lagen wird. Weil die<br />

Monetaristen die Umlaufsges<strong>ch</strong>windigkeit als wenig veränderli<strong>ch</strong> betra<strong>ch</strong>ten, sind sie der<br />

Ansi<strong>ch</strong>t, dass man über die Kontrolle der Geldmenge au<strong>ch</strong> das BIP kontrollieren kann.<br />

Tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> ist die Umlaufsges<strong>ch</strong>windigkeit ni<strong>ch</strong>t konstant. Vielmehr hängt sie von den<br />

Zinssätzen, der Höhe der Einkommen, vom Zahlungssystem, von den<br />

Finanzierungsmögli<strong>ch</strong>keiten und anderen Faktoren ab.<br />

• Ers<strong>ch</strong>werend für den Erfolg der monetaristis<strong>ch</strong>en Politik wirken zudem die vielen<br />

finanzte<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>en Innovationen einerseits und die gewaltig zunehmenden<br />

grenzübers<strong>ch</strong>reitenden Finanzströme andererseits.<br />

• Erfahrungsgemäss ist es au<strong>ch</strong> aus politis<strong>ch</strong>en Gründen s<strong>ch</strong>wierig, eine auf das<br />

Produktionspotenzial ausgeri<strong>ch</strong>tete Geldmengepolitik zu verfolgen. Denn unter der Last von<br />

stagnierender Produktion und drohender Arbeitslosigkeit steigt der Druck auf die<br />

Nationalbank mittels Lockerung der Geldmengezügel die Zinsen zu senken.<br />

DIE ANGEBOTSORIENTIERTE KONZEPTION<br />

Zusammenfassung VWL IUR I<br />

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60


HINTERGRUND DER ENTSTEHUNG<br />

In den 1970er-Jahren änderte si<strong>ch</strong> die wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Problemlage erneut. 1973 – in Zuge des<br />

Ölpreiss<strong>ch</strong>ocks – traten Arbeitslosigkeit und Inflation glei<strong>ch</strong>zeitig in einem sehr hohen Mass<br />

auf, was eine neue Situation darstellte.<br />

Da dur<strong>ch</strong> eine Steigerung der Staatsausgaben die Inflation zusätzli<strong>ch</strong>e angeheizt würde, kam<br />

das keynesianis<strong>ch</strong>e Rezept ni<strong>ch</strong>t in Frage. Da dur<strong>ch</strong> eine Reduktion der Geldmenge die<br />

Arbeitslosigkeit erhöht würde, kam au<strong>ch</strong> das monetaristis<strong>ch</strong>e Rezept ni<strong>ch</strong>t in Frage.<br />

Eine Konstellation, in der die Wirts<strong>ch</strong>aft stagniert und die Inflation trotzdem wä<strong>ch</strong>st, wird mit<br />

dem Begriff Stagflation gekennzei<strong>ch</strong>net.<br />

Stagflation ist das zentrale Problem, mit dem si<strong>ch</strong> die Angebotsökonomen auseinandersetzen.<br />

GRUNDÜBERLEGUNGEN<br />

Die Angebotsökonomen orten grosse Anreizeffekte im Steuersystem. Gemäss ihrer Ansi<strong>ch</strong>t<br />

haben Steueränderungen grosse Auswirkungen auf das Sparen, das Investieren, das<br />

Arbeitsangebot und die Steuereinnahmen. Zu den radikalen Angebotsökonomen gehört Arthur<br />

Laffer. In seiner Kurve – der Laffer-Kurve – setzte er die Steuereinnahmen mit dem Steuersatz<br />

in Beziehung. Die Kurve zeigt, dass die gesamten Steuereinnahmen bei steigendem<br />

Steuersatz zunä<strong>ch</strong>st zunehmen und ab einem gewissen Punkt abnehmen.<br />

Die Begründung dafür lautet wie folgt:<br />

Beträgt der Steuersatz Null (Punkt 1 auf der<br />

Kurve), sind logis<strong>ch</strong>erweise die<br />

Steuereinnahmen au<strong>ch</strong> Null. Beträgt der<br />

Steuersatz 100%, müssen die gesamten<br />

Einkommen an den Staat abgeliefert werden;<br />

deshalb wird bei diesem Steuersatz ni<strong>ch</strong>t<br />

gearbeitet, womit sowohl das Einkommen als<br />

au<strong>ch</strong> die Steuereinnahmen Null betragen<br />

(Punkt 2). Steigt der Steuersatz ausgehend<br />

von Null, werden die Steuereinnahmen zuerst<br />

ebenfalls ansteigen, aber wie lange? Ab einem<br />

gewissen Steuersatz (Punkt 3) beginnen die<br />

Steuereinnahmen wieder zu sinken, weil ab<br />

dieser Steuerhöhe der Anreiz, Einkommen zu erzielen, abnimmt (also die Opportunitätskosten<br />

des Arbeitens übermässig steigen, S<strong>ch</strong>warzarbeit blüht, Steuerhinterziehungen zunehmen<br />

und in Steuerparadiese abgewandert wird.<br />

Die Angebotsökonomen behaupteten im Jahre 1981, dass si<strong>ch</strong> die amerikanis<strong>ch</strong>en Wirts<strong>ch</strong>aft<br />

re<strong>ch</strong>ts von Punkt 3 befinde. Dies bedeutet, dass die Steuereinnahmen ansteigen –<br />

aufgrund der Senkung des Steuersatzes. Reagan senkte in der Folge die Steuersätze<br />

zwis<strong>ch</strong>en 1981 und 1983 in einem dreistufigen Prozess um 30%. Na<strong>ch</strong>trägli<strong>ch</strong> können wir<br />

festhalten, dass die Behauptung von 1981, für die es keine Beweise gab, fals<strong>ch</strong> gewesen zu<br />

sein s<strong>ch</strong>eint; das Staatsdefizit der USA stieg auf neue Rekordhöhen an.<br />

Die s<strong>ch</strong>nelle Erholung der Rezession der Jahre 1983/1984 stützt jedo<strong>ch</strong> gewisse<br />

Behauptungen der angebotsorientierten Volkswirts<strong>ch</strong>aftler.<br />

Die Angebotsökonomen verleihen der Bedeutung von Anreizen in einer Marktwirts<strong>ch</strong>aft neues<br />

Gewi<strong>ch</strong>t und stellen diese in den Mittelpunkt ihrer Überlegungen.<br />

Sie argumentieren, dass die zunehmenden staatli<strong>ch</strong>en Regulierungen einerseits die<br />

Produktivität von Investitionen reduziere und andererseits die hohen Einkommenssteuern das<br />

Sparen unattraktiv ma<strong>ch</strong>e und damit die Finanzierung von Investitionen ers<strong>ch</strong>were. Beide<br />

Effekte zusammen bewirken eine Investitionss<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>e der Unternehmer.<br />

Zusammenfassung VWL IUR I<br />

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61


KONSEQUENZEN FÜR DIE WIRTSCHAFTSPOLITIK<br />

Die gemässigten Vertreter sind der Ansi<strong>ch</strong>t, man müsse die Angebotsbedingungen<br />

verbessern, indem Gewinne, Eigenkapitalquote und Investitionstätigkeit der Unternehmen<br />

gesteigert werden. Die etwas radikaleren Vertreter sehen die Ursa<strong>ch</strong>e für die S<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>e vor<br />

allem beim Staat. Angebotspolitik heisst dann radikaler Abbau des staatli<strong>ch</strong>en Einflusses auf<br />

die Wirts<strong>ch</strong>aft.<br />

S<strong>ch</strong>affung von Anreizen dur<strong>ch</strong> Steuersenkungen, Deregulierungen, Privatisierungen, Abbau<br />

von Subventionen, Erweiterung der freien Handlungsspielräume, Verbesserung der<br />

Rahmenbedingungen für die wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Tätigkeit, weniger Staat und mehr Markt – so<br />

lautet die Therapie der Angebotsökonomen.<br />

In der S<strong>ch</strong>weiz dominieren diese Themen zur Zeit die Diskussion. Die Zahl jener wä<strong>ch</strong>st,<br />

wel<strong>ch</strong>e si<strong>ch</strong> für Deregulierungen und angebotsseitige Entkrustungen einsetzen. Glei<strong>ch</strong>zeitig,<br />

im S<strong>ch</strong>lepptau der Arbeitslosigkeit, erfahren aber au<strong>ch</strong> die Anhänger von Keynes eine<br />

Renaissance. Sie werfen den Angebotsökonomen blinden Marktglauben vor und befür<strong>ch</strong>ten<br />

einen Sozialabbau.<br />

Steuersenkungen – ein wi<strong>ch</strong>tiges Element der angebotsseitig orientierten S<strong>ch</strong>ule – steigern<br />

den Einsatz der Produktionsfaktoren und vers<strong>ch</strong>ieben die Gesamtangebotskurve na<strong>ch</strong> re<strong>ch</strong>ts.<br />

Da die Angebotsökonomen von einer relativ steilen Gesamtangebotskurve ausgehen, führt die<br />

Vers<strong>ch</strong>iebung zu einer grossen Erhöhung der Produktion. Zudem führen Steuersenkungen<br />

au<strong>ch</strong> zu einer Re<strong>ch</strong>tsvers<strong>ch</strong>iebung der Gesamtna<strong>ch</strong>fragekurve. So führen Steuersenkungen<br />

zu einer Erhöhung des BIP (von M1 auf M2) und einem Anstieg der Bes<strong>ch</strong>äftigung.<br />

Angebotsorientierte Politik ist dann am effektivsten, wenn si<strong>ch</strong> die Wirts<strong>ch</strong>aft na<strong>ch</strong> dem<br />

klassis<strong>ch</strong>en Modell verhält: flexible Preise, Löhnen und Zinsen.<br />

EINWÄNDE GEGEN DIE ANGEBOTSORIENTIERTE KONZEPTION<br />

Au<strong>ch</strong> hier stellen si<strong>ch</strong> vers<strong>ch</strong>iedene Probleme bei der praktis<strong>ch</strong>en Umsetzung:<br />

• Bei der Dur<strong>ch</strong>setzung des Revitalisierungsprogramms in der S<strong>ch</strong>weiz zeigen si<strong>ch</strong> politis<strong>ch</strong>e<br />

S<strong>ch</strong>wierigkeiten: Ein Abbau von staatli<strong>ch</strong>en Regulierungen gefährdet immer au<strong>ch</strong> die<br />

Besitzstände von betroffenen Interessengruppen, die si<strong>ch</strong> entspre<strong>ch</strong>end zur Wehr setzen.<br />

• Es stellt si<strong>ch</strong> aber au<strong>ch</strong> die Frage, wie stark und wie s<strong>ch</strong>nell die vorges<strong>ch</strong>lagenen Politiken<br />

wirken, das heisst, ob sie das zukünftige Wa<strong>ch</strong>stum im erhofften Masse und in der erhofften<br />

Zeit fördern. Man wirft den Angebotsökonomen vor, dass sie die Selbstheilungskräfte der<br />

Wirts<strong>ch</strong>aft übers<strong>ch</strong>ätzen. Selbst wenn die Marktwirts<strong>ch</strong>aft grundsätzli<strong>ch</strong> stabil sei, dauere<br />

der Anpassungsprozess viel zu lange. Deshalb müsse die Wirts<strong>ch</strong>aftspolitik zügig auf<br />

Störungen reagieren.<br />

• Unter der Annahme, dass die angebotsorientierte Konzeption wirksam ist, stellt si<strong>ch</strong> zudem<br />

die Frage, wie weit man gehen kann, um Anreize für die Erhöhung des Wa<strong>ch</strong>stums zu<br />

s<strong>ch</strong>affen. Steuererlei<strong>ch</strong>terungen fordern Ausgabenkürzungen, es drohen deshalb massive<br />

Verteilungskonflikte. Die angebotsorientiert Konzeption verna<strong>ch</strong>lässigt soziopolitis<strong>ch</strong>e<br />

Zusammenhänge.<br />

• Von den Kritikern werden Widersprü<strong>ch</strong>e in der Finanzpolitik der Angebotsökonomen<br />

ausgema<strong>ch</strong>t. Glei<strong>ch</strong>zeitiger Steuerabbau und eine Verminderung der Staatss<strong>ch</strong>ulden lasse<br />

si<strong>ch</strong> nur in Ausnahmefällen errei<strong>ch</strong>en, weil eben der Verlauf der Laffer-Kurve ni<strong>ch</strong>t bekannt<br />

sei.<br />

Zusammenfassung VWL IUR I<br />

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ZUSAMMENFASSUNG – ANGEBOTSORIENTIERTE KONZEPTION<br />

62


Zusammenfassung VWL IUR I<br />

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Die Angebotskurve ist steil.<br />

Eine Erhöhung des Gesamtangebots hat eine grosse<br />

Wirkung auf das BIP.<br />

Eine alleinige Na<strong>ch</strong>frageerhöhung würde vor allem zu<br />

Preissteigerungen führen.<br />

Diagnose: 1. Kosteninflation, die zum Teil ni<strong>ch</strong>t auf die Preise überwälzt werden kann:<br />

Vers<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>terung der Ertragserwartungen; Kostenwa<strong>ch</strong>stum<br />

→Produktivitätswa<strong>ch</strong>stum wegen übersetzten Lohnforderungen, einem<br />

übersetzten Ausbau der Sozialleistungen und überproportional<br />

wa<strong>ch</strong>senden Steuern.<br />

2. Ungebührli<strong>ch</strong>e Eins<strong>ch</strong>ränkungen der freien Handlungsspielräume der<br />

Unternehmer (Erhöhung der Staatsquote, Reglementierung und<br />

Bürokratisierung des Wirts<strong>ch</strong>aftslebens).<br />

3. Zuviel Interventionismus des Staates (Unsi<strong>ch</strong>er Erwartungen<br />

Therapie: 1. Deregulierung, Abbau der Staatsquote, Reprivatisierung, Erweiterung der<br />

freien Handlungsspielräume der Unternehmer, Aktive Wettbewerbspolitik.<br />

2. Entlastung der Unternehmer vom Kostendruck dur<strong>ch</strong> Steuersenkungen,<br />

eine marktorientierte Lohnbildung und die Bea<strong>ch</strong>tung der Grenzen des<br />

Wohlfahrtsstaates.<br />

3. Verbesserung der übrigen Rahmenbedingungen der unternehmeris<strong>ch</strong>en<br />

Tätigkeit.<br />

4. Verstetigende Geld- und Finanzpolitik.<br />

WER HAT RECHT?<br />

63


LANGFRISTIG ODER KURZFRISTIG?<br />

Ökonomen sind bezügli<strong>ch</strong> der ri<strong>ch</strong>tigen Konjunkturpolitik unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>er Meinung. Es gibt<br />

aber au<strong>ch</strong> Erkenntnisse, die von den meisten Ökonomen heute unters<strong>ch</strong>rieben würden:<br />

• Langfristig hängt das Wirts<strong>ch</strong>aftswa<strong>ch</strong>stum von der Qualität und Quantität der<br />

Produktionsfaktoren ab.<br />

Über einen längeren Zeitraum betra<strong>ch</strong>tet sind Löhne, Zinse und Preise flexibel. Die<br />

Gesamtangebotskurve verläuft senkre<strong>ch</strong>t. Änderungen in der Gesamtna<strong>ch</strong>frage<br />

beeinflussen nur das Preisniveau. Eine Veränderung des Preisniveaus hat langfristig<br />

keinen Einfluss auf die das Wa<strong>ch</strong>stum bestimmende Arbeit, Kapital, Wissen und die<br />

natürli<strong>ch</strong>en Ressourcen. Die wi<strong>ch</strong>tigste Erkenntnis daraus ist, dass langfristig die staatli<strong>ch</strong>e<br />

Wirts<strong>ch</strong>aftspolitik das BIP nur dur<strong>ch</strong> eine Verbesserung der Produktionskapazitäten – die<br />

Angebotsbedingungen – erhöhen kann. Veränderungen in der Geldmenge beeinflussen<br />

langfristig nur die Höhe der Inflationsrate.<br />

• Kurzfristig wird das BIP au<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> die Gesamtna<strong>ch</strong>frage beeinflusst.<br />

Kurzfristig sind die Preise und Löhne ni<strong>ch</strong>t völlig flexibel und können si<strong>ch</strong> deshalb ni<strong>ch</strong>t<br />

unverzügli<strong>ch</strong> an die veränderte Na<strong>ch</strong>frage anpassen. Die Gesamtangebotskurve verläuft<br />

ni<strong>ch</strong>t senkre<strong>ch</strong>t. Änderungen in der Gesamtna<strong>ch</strong>frage beeinflussen deshalb die<br />

Produktionshöhe. Alle Faktoren, wel<strong>ch</strong>e si<strong>ch</strong> auf die Gesamtna<strong>ch</strong>frage auswirken, haben<br />

Effekte auf die S<strong>ch</strong>wankungen des BIP. Geld- und finanzpolitis<strong>ch</strong>e Massnahmen haben<br />

deshalb Auswirkungen auf den Verlauf der Konjunktur.<br />

Au<strong>ch</strong> wenn viele Unters<strong>ch</strong>iede dur<strong>ch</strong> die Unters<strong>ch</strong>iede im Zeitraum bereinigt werden, bleiben<br />

Meinungsvers<strong>ch</strong>iedenheiten bestehen.<br />

Die wi<strong>ch</strong>tigste offene Frage bleibt deshalb:<br />

SOLL DIE WIRTSCHAFTSPOLITIK VERSUCHEN, KONJUNKTURSCHWANKUNGEN ZU<br />

STABILISIEREN?<br />

Dem Erfolg einer aktiven Wirts<strong>ch</strong>aftspolitik stehen vers<strong>ch</strong>iedene Hindernisse im Wege:<br />

Die zeitli<strong>ch</strong>en Verzögerungen, der s<strong>ch</strong>wierigen Rückweg, rationale Erwartungen,<br />

Unsi<strong>ch</strong>erheiten über die zukünftige Erwartungen, Unsi<strong>ch</strong>erheiten über die zukünftige<br />

Entwicklung usw. Aufgrund dieser Einwände fordern gewisse Ökonomen denn au<strong>ch</strong> eine<br />

passive Wirts<strong>ch</strong>aftspolitik, die si<strong>ch</strong> an festen Regeln orientiert (konstantes<br />

Geldmengenwa<strong>ch</strong>stum, ausgegli<strong>ch</strong>enes Budget).<br />

Au<strong>ch</strong> wenn si<strong>ch</strong> die Ökonomen darüber streiten, ob und inwieweit antizyklis<strong>ch</strong>e Finanz- und<br />

Geldpolitik wirken können, darf ni<strong>ch</strong>t übersehen werden, dass es keinen seriösen Ökonomen<br />

gibt, der eine prozyklis<strong>ch</strong>e Wirts<strong>ch</strong>aftspolitik befürwortet. Einig sind si<strong>ch</strong> die meisten<br />

Ökonomen au<strong>ch</strong> darin, dass die staatli<strong>ch</strong>e Finanzpolitik, wenn au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t antizyklis<strong>ch</strong>, so do<strong>ch</strong><br />

zu verstetigen ist. Das gilt insbesondere für die staatli<strong>ch</strong>en Investitionsausgaben.<br />

Die in diesem Kapitel dargestellten Lehrmeinungen zur Konjunkturpolitik in ihrer<br />

„ursprüngli<strong>ch</strong>en“ Form werden heute von kaum jemandem mehr vertreten. Aber sie haben den<br />

Gange der Wissens<strong>ch</strong>aft und der wirts<strong>ch</strong>aftspolitis<strong>ch</strong>en Praxis ents<strong>ch</strong>eidend geprägt und<br />

feiern immer wieder Auferstehung, so z.B. im „Neuen Keynesianismus“ oder in der „Neuen<br />

Klassis<strong>ch</strong>en Makroökonomie“, die ohne die Tradition ihrer Vorgänger in ihrer heutigen Form<br />

ni<strong>ch</strong>t denkbar wären.<br />

Im Laufe der Entwicklung wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>er Lehrmeinungen ergaben si<strong>ch</strong> gewisse<br />

Konvergenzen. So übernahm der „moderne“ Keynesianismus die monetäre Erklärung des<br />

Inflationsprozesses und akzeptierte die Theorie der rationalen Erwartungen. Umgekehrt haben<br />

Monetaristen von einer allzu strikten Regelbindung der Geldpolitik Abstand genommen. Die<br />

praktis<strong>ch</strong>e Geldpolitik der Zentralbanken nimmt heute vermehrt Rücksi<strong>ch</strong>t auf die<br />

Konjunkturlage und die Situation am Arbeitsmarkt.<br />

Zusammenfassung VWL IUR I<br />

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64


Zusammenfassung VWL IUR I<br />

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KAPITEL 7 – WACHSTUM:<br />

LANGFRISTIGE BETRACHTUNG DER WIRTSCHAFTLICHEN ENTWICKLUNG<br />

ERSCHEINUNGSBILD UND BEGRÜNDUNG DES WIRTSCHATLICHEN WACHSTUMS<br />

Die Wa<strong>ch</strong>stumstheorie und Wa<strong>ch</strong>stumspolitik bes<strong>ch</strong>äftigt si<strong>ch</strong> mit der langfristigen<br />

Entwicklung der Wirts<strong>ch</strong>aft, unabhängig von kurz- oder mittelfristigen Störungen oder<br />

wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Aktivitäten.<br />

Ein Blick auf das Wa<strong>ch</strong>stum der s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en Volkswirts<strong>ch</strong>aft seit 1950 zeigt, dass dabei<br />

drei Phasen unters<strong>ch</strong>ieden werden können. Na<strong>ch</strong> Ende des zweiten Weltkrieges erlebte die<br />

S<strong>ch</strong>weiz während 25 Jahren einen Trend mit hohen und zuglei<strong>ch</strong> konstanten Wa<strong>ch</strong>stumsraten<br />

von 4,6% pro Jahr. In den 1970er-Jahren folgte ein kurzer Einbru<strong>ch</strong> des BIP (Ursa<strong>ch</strong>en:<br />

Erdölkrise: Verzehnfa<strong>ch</strong>ung des Erdölpreises zwis<strong>ch</strong>en 73 und 79, Zusammenbru<strong>ch</strong> des<br />

Systems der fixen We<strong>ch</strong>selkurse, wa<strong>ch</strong>sende Staatsvers<strong>ch</strong>uldung, Ost-West-Spannungen,<br />

Nord-Süd-Konflikt, usw.). Von 1970 bis 1990 bewegten wir uns auf einem relativ<br />

bes<strong>ch</strong>eidenen Wa<strong>ch</strong>stumspfad mit dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nittli<strong>ch</strong>en jährli<strong>ch</strong>en Wa<strong>ch</strong>stumsraten von 1,7%.<br />

Von 1990 bis 2000 stagnierte das wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Wa<strong>ch</strong>stum beinahe.<br />

Warum werden tiefe Wa<strong>ch</strong>stumsraten als unerwüns<strong>ch</strong>t klassifiziert?<br />

• Ein starkes Wa<strong>ch</strong>stum wird begrüsst, weil dur<strong>ch</strong> die Produktion von mehr Gütern und DL<br />

die Mens<strong>ch</strong>en ihre Bedürfnisse besser befriedigen können. (Besonders in Ländern, in<br />

wel<strong>ch</strong>en es um die Deckung elementarer Bedürfnisse geht)<br />

• Eine wa<strong>ch</strong>sende Wirts<strong>ch</strong>aft erhöht die Na<strong>ch</strong>frage na<strong>ch</strong> Arbeitskräften und senkt die<br />

Arbeitslosigkeit. Da Wa<strong>ch</strong>stum in der Regel mit einer Zunahme der Arbeitsproduktivität<br />

verbunden ist, muss die Wa<strong>ch</strong>stumsrate des BIP allerdings diejenige der<br />

Arbeitsproduktivität übersteigen, damit es zu neuen Arbeitsplätzen kommt.<br />

• Eine Erhöhung der Freizeit ohne Einbusse beim Einkommen ist nur in einer wa<strong>ch</strong>senden<br />

Wirts<strong>ch</strong>aft, das heisst bei wa<strong>ch</strong>sender Arbeitsproduktivität, mögli<strong>ch</strong>.<br />

• Wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>es Wa<strong>ch</strong>stum erlei<strong>ch</strong>tert die Lösung sozialpolitis<strong>ch</strong>er Probleme. Was einer<br />

Gruppe zusätzli<strong>ch</strong> gegeben werden soll, muss ni<strong>ch</strong>t einer anderen weggenommen werden.<br />

Hohe Wa<strong>ch</strong>stumsraten erlauben dem Staat die Erfüllung seiner Aufgaben, ohne dass er die<br />

Steuersätze erhöhen muss. Sie tragen deshalb zu einer Konfliktmilderung zwis<strong>ch</strong>en Staat<br />

und Privaten als au<strong>ch</strong> innerhalb des privaten Sektors bei.<br />

DIE BESTIMMUNGSFAKTOREN DES WIRTSCHAFTLICHEN WACHSTUMS<br />

Die Kenntnis der Bestimmungsfaktoren ist no<strong>ch</strong> keineswegs vollständig. Unbestritten ist, dass<br />

die Produktionsmögli<strong>ch</strong>keiten einer VW von der Menge und der Produktivität der<br />

Produktionsfaktoren abhängen. Wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>es Wa<strong>ch</strong>stum kann also sowohl dur<strong>ch</strong> eine<br />

mengenmässige Vermehrung der Produktionsfaktoren als au<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> eine qualitative<br />

Verbesserung und damit einen erhöhten Produktivität errei<strong>ch</strong>t werden.<br />

♦ Natürli<strong>ch</strong>e Ressourcen: Quelle des Wa<strong>ch</strong>stums einzelner Länder<br />

Natürli<strong>ch</strong>e Ressourcen wie Erdöl sind verantwortli<strong>ch</strong> für den Rei<strong>ch</strong>tum einzelner Länder<br />

(Kuwait, Saudi Arabien). Aber sie sind keine Bedingung für ein hohes BIP (Bsp. S<strong>ch</strong>weiz).<br />

Die Entdeckung neuer Ressourcenvorkommen kann ebenso wie eine Erhöhung der<br />

Ressourcenproduktivität (sinkender Einsatz von Ressourcen pro produzierte Einheit) zu<br />

einer Bes<strong>ch</strong>leunigung des Wa<strong>ch</strong>stums führen.<br />

♦ Arbeit: Ein wa<strong>ch</strong>stumslimitierender Faktor?<br />

Offensi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> bestimmt das Bevölkerungswa<strong>ch</strong>stum den Lebensstandard eines Landes mit.<br />

Mit steigender Zahl von Erwerbstätigen lässt si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> ein höheres BIP erarbeiten.<br />

Allerdings sind für den Wohlstand die pro Kopf verfügbaren Waren und DL – also das BIP<br />

65


pro Kopf – ents<strong>ch</strong>eidend. Ein starker Anstieg der Bevölkerung kann aber das BIP pro Kopf<br />

s<strong>ch</strong>mälern, weil die übrigen Produktionsfaktoren auf eine grössere Anzahl Arbeitskräfte<br />

verteilt werden muss. Eine starke Bevölkerungszunahme limitiert oft die<br />

Wa<strong>ch</strong>stums<strong>ch</strong>ancen und verkleinert das BIP pro Kopf.<br />

Andererseits kann das wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Wa<strong>ch</strong>stum au<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> einen Mangel an Arbeitskräften<br />

– insbesondere von gut qualifizierten – begrenzt werden. Der Mangel an<br />

Arbeitskräften ist übli<strong>ch</strong>erweise kein Wa<strong>ch</strong>stumsproblem, weil dieser Mangel nur bei Ho<strong>ch</strong>konjunktur<br />

auftritt und si<strong>ch</strong> bei einer Konjunkturabkühlung von selbst auflöst. Zum<br />

Wa<strong>ch</strong>stumsengpass kann es dann kommen, wenn der Mangel an Arbeitskräften auf das<br />

Bevölkerungswa<strong>ch</strong>stum und ni<strong>ch</strong>t auf die Konjunktur zurückzuführen ist.<br />

In der CH ist ab 2010 mit einer Abnahme der Erwerbsbevölkerung zu re<strong>ch</strong>nen. Diese Enge<br />

am Arbeitsmarkt kann si<strong>ch</strong> negativ auf die internationale Wettebewerbsfähigkeit auswirken<br />

und die Attraktivität des Standortes S<strong>ch</strong>weiz leidet. Zudem ers<strong>ch</strong>wert das dadur<strong>ch</strong> limitierte<br />

Wa<strong>ch</strong>stum die Finanzierung der Sozialversi<strong>ch</strong>erungen. So kann es also dur<strong>ch</strong>aus ein, dass<br />

die Wa<strong>ch</strong>stums<strong>ch</strong>ancen einer ho<strong>ch</strong> entwickelten VW dur<strong>ch</strong> einen Mangel an Arbeitskräften<br />

einges<strong>ch</strong>ränkt wird.<br />

♦ Realkapital: Ohne Investitionen kein Wa<strong>ch</strong>stum<br />

Der Produktionsfaktor Realkapital umfasst eine Vielzahl von materiellen Gütern, die si<strong>ch</strong> für<br />

die Produktion weiterer Güter einsetzen lassen. Mit mehr Realkapital kann ein höheres BIP<br />

erzeugt werden, die Produktion und die Einkommen pro Kopf steigen. Der<br />

Produktionsfaktor Kapital lässt si<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> Investitionen vergrössern, allerdings tragen nur<br />

die Nettoinvestitionen (=Bruttoinvestitionen - Abs<strong>ch</strong>reibungen) zur Erhöhung des<br />

Kapitalstocks bei. Für die Finanzierung von Investitionen ist Sparen (=Konsumverzi<strong>ch</strong>t)<br />

notwendig. Dass die Investitionsquote (Investitionen in % des BIP) und damit au<strong>ch</strong> die<br />

Sparquote für die Entwicklung des wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Wa<strong>ch</strong>stums von zentraler Bedeutung ist,<br />

bestätigen au<strong>ch</strong> empiris<strong>ch</strong>e Analysen.<br />

♦ Wissen: Der Erfolgsfaktor des 21. Jahrhunderts<br />

Ni<strong>ch</strong>t nur die Investitionsquote, sondern au<strong>ch</strong> die Effizienz der Investitionen ist für das Mass<br />

des wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Wa<strong>ch</strong>stums mitents<strong>ch</strong>eidend. Der Produktionsfaktor Wissen umfasst<br />

im wesentli<strong>ch</strong>en den Ausbildungs- und Qualifikationsgrad (das Humankapital) und den<br />

te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>en Forts<strong>ch</strong>ritt; er bestimmt weitgehend die Produktivität der Investitionen.<br />

Der Produktionsfaktor Wissen ist hauptverantwortli<strong>ch</strong> dafür, dass ein stetiger Strom von<br />

Erfindungen zu einer ungeheuren Ausweitung der Produktionsmögli<strong>ch</strong>keiten geführt hat.<br />

Die Erstellung neuer Güter (Produktinnovationen) tragen wesentli<strong>ch</strong> zur Hebung des<br />

Wohlstandes bei. Die Anwendung neuer Produktionsverfahren (Prozessinnovationen)<br />

steigert die Kapital- und Arbeitsproduktivität. Es besteht eine enge Beziehung zwis<strong>ch</strong>en der<br />

BIP-Entwicklung und der Arbeitsproduktivität.<br />

Die neue Wa<strong>ch</strong>stumstheorie stellt das Wissen ins Zentrum ihrer Untersu<strong>ch</strong>ungen. Neueste<br />

Studien ermitteln eine enge Korrelation zwis<strong>ch</strong>en der Ausbildung (als Mass für das<br />

Humankapital) und dem Einkommenswa<strong>ch</strong>stum. Die Vertreter der neuen<br />

Wa<strong>ch</strong>stumstheorie betonen die Wi<strong>ch</strong>tigkeit von Investitionen in die Förderung des<br />

Humankapitals und in die Fors<strong>ch</strong>ung und Entwicklung. Denn Bildung lohnt si<strong>ch</strong> für die<br />

gesamte VW. Die Akkumulation von Humankapital dur<strong>ch</strong> einzelne Personen erzeugt<br />

nämli<strong>ch</strong> positive externe Effekte, von denen die ganze VW profitiert.<br />

Drei wissensbezogene Indikatoren korrelieren in erhebli<strong>ch</strong>em Masse mit den<br />

Wa<strong>ch</strong>stumsraten: Bildung, offene Handelspolitik und die Verfügbarkeit einer<br />

Kommunikationsinfrastruktur (Fernspre<strong>ch</strong>di<strong>ch</strong>te). Weniger Handelsbes<strong>ch</strong>ränkungen<br />

ermögli<strong>ch</strong>en es, im Ausland vorhandenes Wissen zu ers<strong>ch</strong>liessen, der Bildungsstand steht<br />

für die Fähigkeit, Wissen zu nutzen, und die Fernspre<strong>ch</strong>dienste für die Fähigkeit, auf<br />

nützli<strong>ch</strong>e Informationen zuzugreifen.<br />

♦ Weitere Bestimmungsfaktoren des Wa<strong>ch</strong>stums<br />

Auf der Su<strong>ch</strong>e na<strong>ch</strong> den Quellen des wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Wa<strong>ch</strong>stums belegen neue Ansätze,<br />

dass länderspezifis<strong>ch</strong>e Charakteristika als dominierende Determinanten zu betra<strong>ch</strong>ten sind.<br />

Zusammenfassung VWL IUR I<br />

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66


Diese Einsi<strong>ch</strong>t hat zu einer Reihe von Arbeiten geführt, in denen die Rahmenbedingungen<br />

mittels vers<strong>ch</strong>iedener Variablen hinsi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> ihrer Bedeutung für das Wa<strong>ch</strong>stum untersu<strong>ch</strong>t<br />

werden.<br />

Empiris<strong>ch</strong>e Fors<strong>ch</strong>ungen haben zudem ergeben, dass die Geographie und die Politik das<br />

Wa<strong>ch</strong>stum am besten erklären können. Je weiter ein Land vom Äquator entfernt, desto<br />

besser sind seine Wa<strong>ch</strong>stums<strong>ch</strong>ancen; tropis<strong>ch</strong>e Hitze und wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>er Erfolg s<strong>ch</strong>einen<br />

si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t zu vertragen. Zudem bewirkt die Demokratie ein günstiges Wa<strong>ch</strong>stumsklima.<br />

Wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>es Wa<strong>ch</strong>stum kann dur<strong>ch</strong> eine quantitative Steigerung oder eine qualitative<br />

Verbesserung der Produktionsfaktoren Arbeit, natürli<strong>ch</strong>e Ressourcen, Realkapital oder<br />

Wissen errei<strong>ch</strong>t werden. Dabei kommt dem Produktionsfaktor Wissen eine wa<strong>ch</strong>sende<br />

Bedeutung zu.<br />

EXKURS: KANADA – MAGNET FÜR DIE BESTQUALIFIZIERTEN DIESER WELT<br />

Kanada gilt als Modell dafür, wie man dur<strong>ch</strong> eine „offene“ Einwanderungspolitik ho<strong>ch</strong><br />

qualifizierte Arbeitskräfte ins Land holt. Kanada setzt dabei auf Arbeitskräfte mit einer hohen<br />

Grundqualifikation, wel<strong>ch</strong>e flexible und transferierbare Fähigkeiten und Kenntnisse mitbringen.<br />

Damit die potenziellen Zuwanderer mögli<strong>ch</strong>st s<strong>ch</strong>nell auf ihrem Berufsgebiet tätig werden<br />

können, anerkennt Kanada die im Herkunftsland erworbenen Grade, Diplome,<br />

Berufsabs<strong>ch</strong>lüsse und andere Zeugnisse bes<strong>ch</strong>leunigt.<br />

Bran<strong>ch</strong>en, denen qualifizierte Arbeitskräfte fehlen, können von der Regierung eine „kollektive“<br />

Anzahl von Arbeitsbewilligungen erhalten. Temporäre Arbeitskräfte könne innerhalb weniger<br />

Monate aus Ländern wie Indien oder Pakistan na<strong>ch</strong> Kanada geholt werden.<br />

Kanada fördert zudem die Integration, denn Integration fördert die Produktivität.<br />

Dur<strong>ch</strong> diese Strategie will Kanada zum Magneten für die Bestqualifizierten der Welt werden.<br />

ANSATZPUNKTE FÜR DIE WIRTSCHAFTSPOLITIK<br />

Der Wohlstand einer VW hängt also von den Produktionsfaktoren bzw. davon ab, wie viel<br />

Güter und DL produziert werden können. Grundsätzli<strong>ch</strong> kann eine VW auf zwei Arten<br />

wa<strong>ch</strong>sen:<br />

Entweder es werden mehr Arbeitsstunden geleistet oder die Produktion pro Arbeitsstunde –<br />

die Produktivität – wird erhöht.<br />

• Erhöhung der Anzahl Arbeitsstunden:<br />

Die Anzahl Arbeitsstunden kann gesteigert werden, indem jede Person länger arbeitet oder<br />

wenn die Anzahl der Erwerbstätigen erhöht werden kann.<br />

Die Anzahl der Erwerbstätigen wiederum wird dur<strong>ch</strong> folgende Faktoren bestimmt:<br />

♦ Zuwanderung: Die Zuwanderung von Arbeitskräften aus dem Ausland beeinflusst die<br />

Höhe des Wa<strong>ch</strong>stumspotentials. Die Ausgestaltung der Ausländerpolitik ist ents<strong>ch</strong>eidend<br />

für die Höhe der Zuwanderung. Weltweit hat ein „Wettkampf um Talente“ eingesetzt.<br />

♦ Geburtenübers<strong>ch</strong>uss: Dur<strong>ch</strong> eine Erhöhung der Fertilitätsrate kann das Potential von<br />

Zusammenfassung VWL IUR I<br />

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Erwerbstätigen gesteigert werden. Man muss deshalb versu<strong>ch</strong>en, die Opportunitätskosten<br />

des Kinderkriegens gering zu halten, Familien steuerli<strong>ch</strong> zu begünstigen, usw.<br />

♦ Erwerbsquote: Die Anzahl der Arbeitsstunden kann au<strong>ch</strong> erhöht werden, wenn es<br />

gelingt, mehr Personen in den Arbeitsprozess zu integrieren. Eine Erhöhung des<br />

Pensionierungsalters oder vermehrte steuerli<strong>ch</strong>e Anreize für Altersarbeit können<br />

beispielsweise zu einer Steigerung der Erwerbsquote beitragen.<br />

• Erhöhung der Arbeitsproduktivität:<br />

Die Arbeitsproduktivität (die Menge von Waren und DL, die eine Person in einer<br />

bestimmten Zeit herstelle kann) nimmt bei Bestimmung des Wa<strong>ch</strong>stums eine S<strong>ch</strong>lüsselrolle<br />

ein. Eine steigende Produktivität ermögli<strong>ch</strong>t mehr Konsum, höhere Einkommen oder mehr<br />

Freizeit. Die Arbeitsproduktivität hat im Wesentli<strong>ch</strong>en drei Bestimmungsfaktoren, nämli<strong>ch</strong><br />

die Ausstattung mit Sa<strong>ch</strong>kapital, mit Humankapital und die verwendete Te<strong>ch</strong>nologie.<br />

♦ Sa<strong>ch</strong>kapital: Die Produktion pro Stunde steigt, wenn ein Arbeiter mehr Kapitalgüter zur<br />

Verfügung hat, denn die Ausrüstung der Arbeitskräfte mit Sa<strong>ch</strong>kapital ist<br />

mitents<strong>ch</strong>eidend für die Leistung pro Arbeitsstunde. Eine Erhöhung der Investitionsquote<br />

kann einer VW zu höherer Arbeitsproduktivität verhelfen.<br />

♦ Humankapital: Die Produktivität hängt zweitens von den Fähigkeiten der Arbeitskräfte<br />

ab. Je besser die Ausbildung, desto höher ist die Produktivität. Deshalb steigen dank<br />

höherer Produktivität in gut funktionierenden Arbeitsmärkten au<strong>ch</strong> die Löhne. Zur<br />

Steigerung des Humankapitals sind Investitionen in die Aus- und Weiterbildung<br />

notwendig.<br />

♦ Te<strong>ch</strong>nik: Drittens führt der Einsatz von fortges<strong>ch</strong>rittenen Te<strong>ch</strong>nologien zu höherer<br />

Produktivität. Te<strong>ch</strong>nologie ist das Wissen, auf wel<strong>ch</strong>e Art Arbeit und Kapital kombiniert<br />

werden können, um Güter und DL zu produzieren. Te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>er Forts<strong>ch</strong>ritt, das heisst die<br />

Entwicklung neuer Te<strong>ch</strong>nologien steigert das Wa<strong>ch</strong>stum ebenfalls.<br />

FÜNF WIRTSCHAFTSPOLITISCHE BEREICHE<br />

Aus diesen Bestimmungsfaktore für das Wa<strong>ch</strong>stum lassen si<strong>ch</strong> fünf Wirts<strong>ch</strong>aftspolitis<strong>ch</strong>e<br />

Berei<strong>ch</strong>e unters<strong>ch</strong>eiden, von denen ein wesentli<strong>ch</strong>er Einfluss auf das Wa<strong>ch</strong>stumspotential<br />

ausgeht:<br />

1. Die Wettbewerbspolitik: Intensiver Wettbewerb im Inland erhöht die Effizienz und s<strong>ch</strong>afft<br />

Anreize für Innovationen.<br />

2. Die Aussenwirts<strong>ch</strong>aftspolitik: Wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong> offene Länder wa<strong>ch</strong>sen na<strong>ch</strong>weisbar stärker<br />

als Länder, wel<strong>ch</strong>e si<strong>ch</strong> von den Auslandmärkten abs<strong>ch</strong>otten. Die wi<strong>ch</strong>tigsten Elemente in<br />

der s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en Aussenwirts<strong>ch</strong>aftspolitik sind Abkommen im Rahmen der WTO sowie<br />

die bilateralen Abkommen mit der EU.<br />

3. Die Bildungspolitik: Die Produktivität und die Innovationsfähigkeit hängen sehr eng mit<br />

dem Ausbildungsstand der Bes<strong>ch</strong>äftigten zusammen. Handlungsbedarf in der<br />

Bildungspolitik ist angezeigt, denn bei vielen Bildungsindikatoren liegt die S<strong>ch</strong>weiz lei<strong>ch</strong>t<br />

unter dem internationalen Dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nitt.<br />

4. Die Innovationspolitik: Die S<strong>ch</strong>affung und Verbreitung von Te<strong>ch</strong>nologien gehört zu den<br />

Kernpunkten jeder Diskussion über das Wa<strong>ch</strong>stum. Deshalb muss eine hohe Qualität der<br />

Fors<strong>ch</strong>ung erhalten, bzw. gefördert werden. Zudem ist der Transfer der Te<strong>ch</strong>nologien und<br />

des Wissens von den Bildungsinstitutionen zu den Unternehmen zu erlei<strong>ch</strong>tern.<br />

5. Die Finanzpolitik: Die Lage der Staatsfinanzen aber au<strong>ch</strong> die Art der Verwendung sowie<br />

die Finanzierung der staatli<strong>ch</strong>en Ausgaben haben eine wesentli<strong>ch</strong>en Einfluss auf as<br />

wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Wa<strong>ch</strong>stum.<br />

Grundsätzli<strong>ch</strong> kann eine VW auf zwei Arten wa<strong>ch</strong>sen: Entweder dur<strong>ch</strong> eine Erhöhung der<br />

Arbeitsstunden oder dur<strong>ch</strong> eine Erhöhung der Produktivität (Produktion pro Arbeitsstunde).<br />

Die Wettbewerbs-, die Aussenwirts<strong>ch</strong>afts-, die Bildungs-, die Innovations- und die<br />

Finanzpolitik lösen wesentli<strong>ch</strong>e Impulse auf das Wa<strong>ch</strong>stum aus.<br />

Zusammenfassung VWL IUR I<br />

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QUALITATIVES WACHSTUM UND NACHHALTIGE ENTWICKLUNG<br />

GRENZEN DES WACHSTUMS<br />

In den letzten 40 Jahren hat si<strong>ch</strong> die Weltbevölkerung mehr als verdoppelt, gemäss UNO-<br />

S<strong>ch</strong>ätzungen wird sie bis 2050 auf rund 9 Mrd. steigen. Wie ist das mit dem Fakt vereinbar,<br />

dass s<strong>ch</strong>lussendli<strong>ch</strong> nur ein begrenzter Vorrat von natürli<strong>ch</strong>en Ressourcen vorhanden ist?<br />

In einer Marktwirts<strong>ch</strong>aft spiegelt si<strong>ch</strong> die Knappheit bekanntli<strong>ch</strong> in den Preisen. Je knapper die<br />

Vorräte bestimmter natürli<strong>ch</strong>er Ressourcen in der Welt werden, desto stärker werden die<br />

Preise dieser Ressourcen steigen und Anreize zur Substitution, zu sparsamerem Gebrau<strong>ch</strong><br />

und zum Recycling aussenden. Gegenwärtig weist die Preisentwicklung der natürli<strong>ch</strong>en<br />

Ressourcen ni<strong>ch</strong>t auf zunehmende Knappheit hin, sind die realen Preise do<strong>ch</strong> stabil oder<br />

sinken gar. Wie stark die Preise in Zukunft steigen werden, ist insbesondere vom te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>en<br />

Forts<strong>ch</strong>ritt abhängig, dur<strong>ch</strong> den es ermögli<strong>ch</strong>t werden kann, ni<strong>ch</strong>t regenerierbare dur<strong>ch</strong><br />

regenerierbare Ressourcen zu ersetzen.<br />

Die wa<strong>ch</strong>sende Bevölkerung und die zunehmende Produktionstätigkeit setzen immer mehr<br />

Kohlendioxyd und andere Treibhausgase in die Atmosphäre. Zudem betreiben wir Raubbau<br />

an den Wäldern, speziell den Regenwäldern. Wie lange können wir so weiterma<strong>ch</strong>en bis es<br />

zum ökologis<strong>ch</strong>en Kollaps kommt?<br />

Freie Märkte s<strong>ch</strong>ützen die Umwelt nur unzurei<strong>ch</strong>end, weil externe Effekte ein Markversagen<br />

bewirken!<br />

NULL-WACHSTUM<br />

Würde es nützen, wenn wir gänzli<strong>ch</strong> auf wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>es Wa<strong>ch</strong>stum verzi<strong>ch</strong>ten würden?<br />

Die Ökonomen lehnen ein Null-Wa<strong>ch</strong>stum aus vers<strong>ch</strong>iedenen Gründen ab. Denn der<br />

Grundbedarf für die zunehmende Bevölkerung kann nur dur<strong>ch</strong> Wa<strong>ch</strong>stum gedeckt werden.<br />

No<strong>ch</strong> heute können breite S<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten der Bevölkerung ihre Grundbedürfnisse ni<strong>ch</strong>t befriedigen.<br />

Zudem würden au<strong>ch</strong> bei einem Null-Wa<strong>ch</strong>stum zu viele natürli<strong>ch</strong>e Ressourcen verbrau<strong>ch</strong>t und<br />

zu viele Abfälle an die Umwelt abgegeben; nur anhaltendes Wirts<strong>ch</strong>aftswa<strong>ch</strong>stum setze die<br />

erforderli<strong>ch</strong>en finanziellen Mittel frei, um erfolgrei<strong>ch</strong> die Umwelt s<strong>ch</strong>ützen zu können.<br />

Aber das quantitative Wirts<strong>ch</strong>aftswa<strong>ch</strong>stum mit seiner zentralen Zielsetzung der Steigerung<br />

der Pro-Kopf-Versorgung mit materiellen Gütern und DL – unter Ausblendung der Natur – hat<br />

ausgedient. Wirts<strong>ch</strong>aftswa<strong>ch</strong>stum und Umweltverbrau<strong>ch</strong> müssen entkoppelt werden.<br />

QUALITATIVES WACHSTUM<br />

Wenn trotz positivem Wirts<strong>ch</strong>aftswa<strong>ch</strong>stum der Umweltverbrau<strong>ch</strong> auf einem bestimmten<br />

Niveau stabilisiert wird, spri<strong>ch</strong>t man übli<strong>ch</strong>erweise von qualitativem Wa<strong>ch</strong>stum. Angestrebt<br />

wird eine Stabilisierung der Umweltbelastung bzw. des Umweltverbrau<strong>ch</strong>s und ni<strong>ch</strong>t etwa eine<br />

Stabilisierung der Umweltqualität. Diese wird trotzt stabilisierter Belastung in aller Regel<br />

weiterhin vers<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>tert.<br />

NACHHALTIGE ENTWICKLUNG<br />

1987: Weltkommission für Umwelt und Entwicklung der UNO erstellte Beri<strong>ch</strong>t<br />

Das Hauptthema dieses Beri<strong>ch</strong>ts ist die Na<strong>ch</strong>haltige Entwicklung (sustainable development),<br />

das folgendermassen definiert wird:<br />

„Na<strong>ch</strong>haltige Entwicklung ist die Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt,<br />

ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse ni<strong>ch</strong>t befriedigen<br />

können.“<br />

Das Hauptziel Na<strong>ch</strong>haltiger Entwicklung ist die Befriedigung mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>er Bedürfnisse, eine<br />

zentrale Leitlinie ist Wohlstand für alle. Betont wird, dass das BIP ni<strong>ch</strong>t die alleinige Zielgrösse<br />

Zusammenfassung VWL IUR I<br />

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sein kann, weil es ausserökonomis<strong>ch</strong>e Bedürfnisse ausblendet. Der Beri<strong>ch</strong>t sieht aber<br />

trotzdem in einer umfassenden Wa<strong>ch</strong>stumsstrategie den Dur<strong>ch</strong>bru<strong>ch</strong> zur Na<strong>ch</strong>haltigen<br />

Entwicklung.<br />

Zu Beginn des 21. Jhrd. erfüllen wir ni<strong>ch</strong>t einmal die erste Bedingung dieser Definition.<br />

LEBEN AUF ZU GROSSEM FUSS<br />

Bei einer Studie darüber, wie eine den Grundsätzen der Na<strong>ch</strong>haltigkeit verpfli<strong>ch</strong>tete S<strong>ch</strong>weiz<br />

aussehen müsste. Es zeigt si<strong>ch</strong>, dass wir auf 5,6 mal zu grossem fuss leben. Damit wir die<br />

Ziele der Na<strong>ch</strong>haltigkeit im Jahre 2050 erfüllen würden, müssten wir zum Beispiel die CO 2 -<br />

Emissionen um 74%, den Verbrau<strong>ch</strong> von Primärenergie um 50% und den Wasserverbrau<strong>ch</strong><br />

um 30% reduzieren.<br />

Vers<strong>ch</strong>ieden Bundesämter überwa<strong>ch</strong>en den Weg der S<strong>ch</strong>weiz zur Na<strong>ch</strong>haltigen Entwicklung<br />

mittels eines Indikatorensystems. Die Indikatore zeigen, dass die S<strong>ch</strong>weiz ni<strong>ch</strong>t in Ri<strong>ch</strong>tung<br />

Na<strong>ch</strong>haltige Entwicklung steuert.<br />

INSTRUMENTE ZUR FÖRDERUNG DER NACHHALTIGEN ENTWICKLUNG<br />

Ausgangspunkt ist die Analyse des Umweltproblems.<br />

Zusammenfassung VWL IUR I<br />

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Demzufolge Hauptgrund liegt darin, dass bei der Produktion und im Konsum Kosten anfallen,<br />

die ni<strong>ch</strong>t vom Verursa<strong>ch</strong>er getragen werden müssen. Umwelts<strong>ch</strong>äden werden eben – in vielen<br />

Fällen – ni<strong>ch</strong>t dem Verursa<strong>ch</strong>er belastet, sondern die Gesells<strong>ch</strong>aft muss dafür aufkommen.<br />

Weil diese Kosten auf Aussenstehende überwälzt werden, spri<strong>ch</strong>t man dabei von externen<br />

Kosten. Wenn externe Kosten auftreten, versagt der Marktme<strong>ch</strong>anismus; von diesen Gütern<br />

wird „zuviel“ produziert und konsumiert, weil sie gemessen an den gesamten Kosten<br />

(betriebswirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e und externe Kosten) zu „billig“ produziert und verkauft werden.<br />

Weil die Umwelt über weite Berei<strong>ch</strong>e ein öffentli<strong>ch</strong>es Gut ist, das von jedermann gratis<br />

beanspru<strong>ch</strong>t werden kann, wird es von allen genutzt und übernutzt.<br />

WIE KANN EINE NACHHALTIGE ENTWICKLUNG GEFÖRDERT WERDEN?<br />

1. Gebote und Verbote<br />

Gebote und Verbote sind der populärste Weg, externe Kosten zu verhindern. Der Staat kann<br />

Auflagen ma<strong>ch</strong>en, Grenzwerte festsetzen, Bewilligungspfli<strong>ch</strong>t einführen und mit Umweltverträgli<strong>ch</strong>keitsprüfungen<br />

bedingen oder gewisse Dinge gänzli<strong>ch</strong> verbieten.<br />

Sol<strong>ch</strong>e polizeili<strong>ch</strong>e Massnahmen sind wirksam und insofern gere<strong>ch</strong>t, als die Gebote und<br />

Verbote von allen eingehalten werden müssen. Sie haben aber au<strong>ch</strong> Na<strong>ch</strong>teile: Das Einhalten<br />

von Verboten und Geboten muss mit einem beträ<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>en Aufwand überwa<strong>ch</strong>t werden. Sie<br />

bieten keinen Anreiz, si<strong>ch</strong> ökologiegere<strong>ch</strong>t zu verhalten.<br />

2. Selbstregulierungen<br />

Unternehmungen und Bran<strong>ch</strong>enverbände auferlegen si<strong>ch</strong> selbst Standards, Kontrollen und<br />

Zielvorgaben für die Verringerung der Umweltvers<strong>ch</strong>mutzung und s<strong>ch</strong>liessen mit den<br />

Behörden entspre<strong>ch</strong>ende Verträge ab. Der Vorteil dieser Selbstregulierungen liegt darin, dass<br />

die Unternehmungen diejenigen Informationen über Te<strong>ch</strong>nologien und Emissionen besitzen,<br />

wel<strong>ch</strong>e die Regierung zum Erlass wirksamer Ri<strong>ch</strong>tlinien bräu<strong>ch</strong>te.<br />

Selbstregulierungen kommen deshalb weniger teuer als Vors<strong>ch</strong>riften, für wel<strong>ch</strong>e si<strong>ch</strong> die<br />

Behörde zuerst die notwendigen Informationen bes<strong>ch</strong>affen muss.<br />

Warum tun die Unternehmen dies? Zuvorkommen von staatli<strong>ch</strong>en Regulierungen, Ansehen in<br />

der Öffentli<strong>ch</strong>keit, selbständige Wahl des kostengünstigsten Weges oder Minimierung des<br />

ökologis<strong>ch</strong>en Risikos.<br />

3. Internalisierung externe Kosten<br />

Wenn die Verursa<strong>ch</strong>er für die von ihnen zu verantwortenden S<strong>ch</strong>äden aufkommen müssen,<br />

spri<strong>ch</strong>t man von Internalisierung externer Kosten.<br />

Die Umweltgüter bekommen einen Preis, dies wirkt si<strong>ch</strong> auf die Kosten aus. Die Verursa<strong>ch</strong>er<br />

bemühen si<strong>ch</strong> dann aus eigenem Interesse, die Umweltbelastung gering zu halten. Zur<br />

Internalisierung externer Kosten sind vers<strong>ch</strong>iedene Instrumente mögli<strong>ch</strong>:<br />

a) Einri<strong>ch</strong>ten von Eigentums-, Nutzungs- und Klagere<strong>ch</strong>ten<br />

Externe Effekte treten dann auf, wenn für Güter keine Eigentums-, Nutzungs- und Klagere<strong>ch</strong>te<br />

definiert sind. Denn um die Kosten verursa<strong>ch</strong>ergere<strong>ch</strong>t abre<strong>ch</strong>nen zu können, muss ni<strong>ch</strong>t nur<br />

das, was den S<strong>ch</strong>aden verursa<strong>ch</strong>t, jemandem gehören, sondern au<strong>ch</strong> das, was ges<strong>ch</strong>ädigt<br />

wird, muss jemandem gehören bzw. dieser jemand muss ein Nutzungs- und Klagere<strong>ch</strong>t<br />

geltend ma<strong>ch</strong>en können – was eben bei Umweltgütern ni<strong>ch</strong>t der Fall ist. Das Re<strong>ch</strong>t auf<br />

gesunde Luft, sauberes Wasser, intakte Lands<strong>ch</strong>aft usw. muss geltend gema<strong>ch</strong>t werden<br />

können. So erhalten die S<strong>ch</strong>ädiger Anreize, S<strong>ch</strong>ädigungen von ihrer Seite zu vermeiden.<br />

Dank klar geregelten Eigentumsre<strong>ch</strong>ten kann es gemäss dem Coase-Theorem dur<strong>ch</strong><br />

freiwillige Verhandlungen zwis<strong>ch</strong>en den betroffenen Parteien zu einer Abs<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>ung externer<br />

Effekte kommen.<br />

So wird die Unvollkommenheit des Marktsystems dur<strong>ch</strong> klar definierte Eigentumsre<strong>ch</strong>te – aber<br />

ohne direkte Staatseingriffe – ausgebügelt. Voraussetzung dazu ist eine geringe Zahl der<br />

Zusammenfassung VWL IUR I<br />

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Betroffenen (kleine Transaktionskosten). Zudem müssten Gewinner und Verlierer der<br />

externen Effekte eindeutig bestimmt werden können. Das Coase-Theorem verdeutli<strong>ch</strong>t, dass<br />

für das Funktionieren des ökonomis<strong>ch</strong>en Prozesses ein verlässli<strong>ch</strong>es Re<strong>ch</strong>tssystem vorliegen<br />

muss, wel<strong>ch</strong>es für alle knappen Güter dur<strong>ch</strong>setzbare Eigentumsre<strong>ch</strong>te definieren und verteilen<br />

sollte.<br />

b) Besteuerung<br />

Um externe Kosten zu verringern, kann man umweltbelastende Aktivitäten mit einer<br />

besonderen Steuer belegen. Die Wirkung lässt si<strong>ch</strong> anhand eines einfa<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>aubildes<br />

demonstrieren:<br />

Sind wir ni<strong>ch</strong>t verpfli<strong>ch</strong>tet, für Umwelts<strong>ch</strong>äden aufzukommen, werden wir unsere Tätigkeiten<br />

soweit ausdehnen, wie sie uns Gewinn oder Nutzen bereiten, d.h. soweit, wie unser<br />

Grenznutzen no<strong>ch</strong> positiv ist = Punkt B.<br />

Gesamtwirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong> sinnvoll wären aber diese vers<strong>ch</strong>mutzenden Tätigkeiten nur bis zum<br />

Punkt A. Denn bis dahin ist der anfallende Nutzen no<strong>ch</strong> höher als die Grenzkosten der<br />

Umweltvers<strong>ch</strong>mutzung. Deshalb müssen die umweltbelastenden Tätigkeiten in Höhe von<br />

Punkt X besteuert werden. Niemand hätte mehr Interesse daran, Tätigkeiten auszuüben, die<br />

eine höhere S<strong>ch</strong>adstoffbelastung als bei Punkt A mit si<strong>ch</strong> bringen, weil ab diesem Punkt die<br />

abzuführende Steuer höher ausfällt als der zu erzielende Grenznutzen. Die Steuer reduziert<br />

die S<strong>ch</strong>adstoffemissionen auf das volkswirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong> erwüns<strong>ch</strong>te Mass.<br />

Eine Besteuerung na<strong>ch</strong> dem Verursa<strong>ch</strong>erprinzip setzt voraus, dass die Grenznutzen der<br />

Umweltbelastung bekannt sind, dass die externen Kosten erfasst, in Geld bewertet und den<br />

einzelnen S<strong>ch</strong>ädigern angelastet werden können. Da diese Bewertung oft nur mit grossen<br />

S<strong>ch</strong>wierigkeiten verbunden ist, kann man au<strong>ch</strong> die zulässige Vers<strong>ch</strong>mutzung festlegen, und<br />

die Belastungen erhöhen, bis das erwüns<strong>ch</strong>te Mass der Umweltvers<strong>ch</strong>mutzung errei<strong>ch</strong>t wird.<br />

c) Lenkungsabgaben<br />

Dur<strong>ch</strong> Lenkungsabgaben kann dem Problem der Kostenbestimmung ausgewi<strong>ch</strong>en werden,<br />

indem eben von festgelegten Grenzwerten für S<strong>ch</strong>adstoffe ausgegangen und diese mit einer<br />

Abgabe belegt werden, mit dem Ziel, eine Verhaltensänderung zu bewirken, wel<strong>ch</strong>e die<br />

gewüns<strong>ch</strong>te S<strong>ch</strong>adstoffreduktion zustande bringt. Wieviel jeder Einzelne seine<br />

Vers<strong>ch</strong>mutzung senkt, bleibt ihm selber überlassen. Der Anreiz wird aber – je na<strong>ch</strong><br />

Abgabesatz – gross sein, derartige Kosten zu verhindern oder zumindest zu vermindern.<br />

Grundsätzli<strong>ch</strong> sollen Lenkungsabgaben die Wirts<strong>ch</strong>aft in eine umweltfreundli<strong>ch</strong>ere Ri<strong>ch</strong>tung<br />

lenken und ni<strong>ch</strong>t etwa dem Staat höhere Einnahmen vers<strong>ch</strong>affen. Deshalb ist darauf zu<br />

a<strong>ch</strong>ten, dass Lenkungsabgaben vollumfängli<strong>ch</strong> an die Wirts<strong>ch</strong>aftssubjekte zurückbezahlt<br />

werden. Die Rückgabe an die Bevölkerung bewirkt, dass diejenigen, wel<strong>ch</strong>e die Umwelt<br />

überdur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nittli<strong>ch</strong> vers<strong>ch</strong>mutzen, weniger erhalten, als sie bezahlen. Diejenigen, die si<strong>ch</strong><br />

umweltgere<strong>ch</strong>t verhalten, werden belohnt, indem sie mehr, als sie bezahlen.<br />

d) Umweltzertifikate<br />

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Beim Konzept der Umweltzertifikate (oder Emissionszertifikate) s<strong>ch</strong>afft der Staat Nutzungsre<strong>ch</strong>te<br />

an der Natur. Er verteilt die gesamte zulässige Umweltbelastung auf Zertifikate<br />

(Belastungsre<strong>ch</strong>te). Wie die Umwelt belastet, muss si<strong>ch</strong> dafür das Re<strong>ch</strong>t kaufen. Die<br />

Zertifikate können au<strong>ch</strong> versteigert oder vom Staat gratis abgegeben werden.<br />

Wer Umwelts<strong>ch</strong>utzmassnahmen einleitet, brau<strong>ch</strong>t weniger Zertifikate und kann sie an<br />

jemanden verkaufen, der sol<strong>ch</strong>e Vers<strong>ch</strong>mutzungsre<strong>ch</strong>te benötigt. Wer die Umwelt belastet,<br />

muss also bereit sein, dafür zu bezahlen; wer die Umwelt s<strong>ch</strong>ützt, erhält dafür eine materielle<br />

Ents<strong>ch</strong>ädigung.<br />

Vor allem diejenigen, die mit relativ billigen Massnahmen eine Reduktion der Umweltbelastung<br />

errei<strong>ch</strong>en können, werden dur<strong>ch</strong> die Zertifikate veranlasst, diese Massnahmen au<strong>ch</strong><br />

dur<strong>ch</strong>zuführen. Entwerten si<strong>ch</strong> die Zertifikate mit der Zeit, so kann der Umweltstandard<br />

kontinuierli<strong>ch</strong> erhöht werden. Der Handel mit Emissionszertifikaten ist sowohl im CO 2 -Gesetz<br />

der S<strong>ch</strong>weiz als au<strong>ch</strong> in den Vereinbarungen der UNO-Klimakonferenz vorgesehen.<br />

WELCHE INSTRUMENTE SIND ÜBERLEGEN?<br />

Die Na<strong>ch</strong>haltige Entwicklung verlangt eine optimale Mis<strong>ch</strong>ung der angespro<strong>ch</strong>enen<br />

Instrumente. Es muss ermittelt werden, wo Gebote und Verbote am besten funktionieren, und<br />

wie sie dur<strong>ch</strong> Instrumente zur Internalisierung externer Kosten und dur<strong>ch</strong> Selbstregulierungen<br />

ergänzt werden können. Die Auswahl muss so ges<strong>ch</strong>ehen, dass die effektivsten und für die<br />

Gesells<strong>ch</strong>aft kostengünstigsten Massnahmen getroffen werden.<br />

Die bis jetzt stiefmütterli<strong>ch</strong> eingesetzten Instrumente zur Internalisierung externer Kosten<br />

sollten aber ein grösseres Gewi<strong>ch</strong>t erhalten, weil bei ihnen die Kosten für die Unternehmer<br />

und den Staat geringe sind, weil sie Innovationen fördern, weil sie Anreize zur Vermeidung<br />

von Umweltbelastungen auslösen und trotzdem die Freiheit des Einzelnen weniger<br />

eins<strong>ch</strong>ränken als polizeili<strong>ch</strong>e Massnahmen.<br />

Umweltabgaben lösen eine Strukturwandel aus, damit eine „S<strong>ch</strong>ockwirkung“ vermieden wird,<br />

sollten sie stufenweise eingeführt werden; der Wirts<strong>ch</strong>aft muss eine gewisse Zeit eingeräumt<br />

werden, um die optimale Lösung zu planen. Weil viele Umweltprobleme zudem einen globalen<br />

Charakter haben, sollten Umweltabgaben entspre<strong>ch</strong>end global konzipiert werden.<br />

Zur Förderung einer Na<strong>ch</strong>haltigen Entwicklung sollten die externen Kosten internalisiert<br />

werden. Dazu bieten si<strong>ch</strong> z.B. Lenkungsabgaben, die Besteuerung von externen Kosten, die<br />

Einführung von Umweltzertifikaten oder das Definieren von Eigentums-, Nutzungs- und<br />

Klagera<strong>ch</strong>ten an.<br />

EXKURS: „KLIMASCHUTZ WOHIN?“<br />

• CO 2 -Gesetz in der S<strong>ch</strong>weiz: Es s<strong>ch</strong>reib vor, dass der Ausstoss von Kohlendioxid bis 2010<br />

gegenüber dem Sti<strong>ch</strong>jahr 1990 um insgesamt 10% gesenkt werden muss. Das Gesetz<br />

bietet Anreize für eine freiwillige Zielerrei<strong>ch</strong>ung. Genügt dies ni<strong>ch</strong>t, kann frühestens ab 2004<br />

eine Lenkungsabgabe eingeführt werden. Unternehmen, die si<strong>ch</strong> verpfli<strong>ch</strong>ten, ihren CO 2 -<br />

Ausstoss auf ein bestimmtes Mass zu reduzieren, können von der Abgabe befreit werden.<br />

• UNO-Weltklimagipfel: Die Industrieländer verpfli<strong>ch</strong>ten si<strong>ch</strong>, ihre S<strong>ch</strong>adstoffemission bis<br />

2012 um 5,2% unter den Stand von 1990 zu senken. Auffällig ist, dass die Umsetzung des<br />

Kyoto-Protokoll bes<strong>ch</strong>lossen wurde, obwohl die USA die Zusage verweigerte. Damit es<br />

allerdings soweit kam, musst den Industrieländern eine Reihe von Mögli<strong>ch</strong>keiten<br />

zugestanden werden, um s<strong>ch</strong>merzhafte Einsparungen umgehen zu können. Na<strong>ch</strong><br />

Bere<strong>ch</strong>nungen von Umwelts<strong>ch</strong>utzverbänden ginge der Ausstoss von Kohlendioxid ledigli<strong>ch</strong><br />

um 1,8% zurück, wenn alle Staaten ihre „Freibeträge“ wahrnähmen. Die USA ers<strong>ch</strong>weren<br />

den Klimas<strong>ch</strong>utzprozess sehr. Die internationalen Forts<strong>ch</strong>ritte seit 1992 auf dem Weg zu<br />

einer na<strong>ch</strong>haltigen Entwicklung sind ernü<strong>ch</strong>ternd.<br />

• „UBS Alternative Climate“: Erstmals wagte si<strong>ch</strong> eine Bank mit rein marktwirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en<br />

Grundsätzen auf das no<strong>ch</strong> unsi<strong>ch</strong>ere Terrain des Klimas<strong>ch</strong>utzes vor. Hierbei beteiligen si<strong>ch</strong><br />

Zusammenfassung VWL IUR I<br />

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Unternehmen über einen Fonds an Klimas<strong>ch</strong>utzprojekten im Ausland und erzielen damit<br />

ni<strong>ch</strong>t nur Rendite, sonder erhalten au<strong>ch</strong> wertvolle CO 2 -Zertifikate, die gehandelt werden<br />

können. Die Treibhausgasemissionen werden dadur<strong>ch</strong> dort reduziert, wo die Wirkung am<br />

grössten ist.<br />

EXKURS: „ÖKOLOGISCHE WIRTSCHAFTSPOLITIK – DIE SICHT DER NEUEN POLITISCHEN<br />

ÖKONOMIE“<br />

Trotz einer Mammutkonferenz in Rio de Janeiro 1992, steigen die Treibhausgasemissionen<br />

weiter und die Abholzung der Wälder sowie die Zerstörung der Arten s<strong>ch</strong>reitet voran, ni<strong>ch</strong>t mal<br />

ein generelles Reduktionsziel für Treibhausgase konnte festgelegt werden.<br />

Aus der Si<strong>ch</strong>t der Neuen Politis<strong>ch</strong>en Ökonomie hat in repräsentativen Demokratien eine<br />

ökologis<strong>ch</strong> orientierte Wirts<strong>ch</strong>aftspolitik aus folgenden Gründen nur wenig<br />

Realisierungs<strong>ch</strong>ancen:<br />

• Die Umweltqualität hat den Charakter eines öffentli<strong>ch</strong>en Gutes. Für Wähler besteht wenig<br />

Anreiz, die Stimme zugunsten eines sol<strong>ch</strong>en Massnahmenkataloges abzugeben.<br />

• Politiker wollen primär wieder gewählt werden, deshalb sind die Dur<strong>ch</strong>setzungs<strong>ch</strong>ancen<br />

einer ökologis<strong>ch</strong>en Wirts<strong>ch</strong>aftspolitik ebenfalls gering. Sie gerät nämli<strong>ch</strong> in Widerspru<strong>ch</strong> zur<br />

Präferenz von wiederwahlorientierten Politikern, die jene Massnahmen bevorzugen, die<br />

einen unmittelbaren und deutli<strong>ch</strong> spürbaren Nutzen und erst viel später wirksame Kosten<br />

verursa<strong>ch</strong>en. Zudem ents<strong>ch</strong>eiden si<strong>ch</strong> Politiker oft für eine ineffiziente<br />

Instrumentenkombination. Weil das Kriterium sofortiger Nutenzure<strong>ch</strong>nung und erst später<br />

si<strong>ch</strong>tbarer Kosten Vordergrund steht, werden eher Gebote und Verbote gewählt anstelle<br />

von Umweltzertifikaten oder Lenkungsabgaben, weil diese für die Wiederwahl eher<br />

s<strong>ch</strong>ädli<strong>ch</strong> sind.<br />

• Au<strong>ch</strong> die direkt betroffenen Interessengruppen ziehen Auflagen und Verbote andere<br />

ökologis<strong>ch</strong>en Instrumente vor. Dabei müssen nämli<strong>ch</strong> nur Vers<strong>ch</strong>mutzungen vermieden<br />

werden, wel<strong>ch</strong>e bestimmte Emissionsgrenzen übersteigen. Die restli<strong>ch</strong>en Emissionen,<br />

deren Umfang die Grenzwerte ni<strong>ch</strong>t errei<strong>ch</strong>en, bleiben kostenlos. Dies wird begünstigt von<br />

der asymmetris<strong>ch</strong>en Informationsverteilung zwis<strong>ch</strong>en den Unternehmen und dem Staat. Da<br />

zudem Verstösse gegen Auflagen nur unzurei<strong>ch</strong>end kontrolliert und geahndet werden<br />

können, lassen si<strong>ch</strong> die Umwelts<strong>ch</strong>utzkosten in Grenzen halten.<br />

• Staatli<strong>ch</strong>e Umweltbehörden besitzen ein vitales Interesse an umweltpolitis<strong>ch</strong>en<br />

Massnahmen, die arbeits- und ressourcenintensiv sind, dadur<strong>ch</strong> können sie ras<strong>ch</strong> wa<strong>ch</strong>sen<br />

und Mitarbeiter einstellen. Ganz anders als bei Ökosteuern oder Lenkungsabgaben besteht<br />

bei Auflagen und Subventionen ein verglei<strong>ch</strong>sweise hoher Regelungsbedarf, der zu einem<br />

Ma<strong>ch</strong>tzuwa<strong>ch</strong>s beiträgt, was dur<strong>ch</strong>aus mit dem Präferenzen der Bürokratie übereinstimmt.<br />

• Wel<strong>ch</strong>e Mögli<strong>ch</strong>keiten zur Überwindung der aufgezeigten Hindernisse gibt es?<br />

• In kleinen und übers<strong>ch</strong>aubaren Einheiten können die Kosten und der Nutzen von Umweltproblemen<br />

bzw. Umweltmassnahmen besser lokalisiert und den Betroffenen zugere<strong>ch</strong>net<br />

werden.<br />

• Mit Hilfe von direkten Volksabstimmungen können die aufgezeigten Hindernisse besser<br />

überwunden werden als in repräsentativen Demokratien.<br />

• Umweltbewusste Produzenten sollten in effizienter Weise gestärkt werden. Bei Abgaben<br />

sollte deshalb die Verwendung der Mittel zu Gunsten umweltpolitis<strong>ch</strong>er Projekte festgelegt<br />

werden.<br />

• Zu prüfen ist die Erri<strong>ch</strong>tung einer autonomen Umweltzentrale, die für Einzelberei<strong>ch</strong>e der<br />

Bereitstellung dieses öffentli<strong>ch</strong>en Gutes unabhängig von Wahlterminen und<br />

Gruppeninteressen verantwortli<strong>ch</strong> wäre.<br />

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74


KAPITEL 8 – STRUKTURWANDEL ALS CHARAKTERISTIKUM WIRTSCHAFTLICHER<br />

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ENTWICKLUNG<br />

KOMPLEXITÄT DES STRUKTURWANDELS<br />

Jede wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Entwicklung ist mit einer Veränderung der einzelnen Teile zueinander und<br />

deren Bedeutung an der ganzen Volkswirts<strong>ch</strong>aft verbunden. Diese Veränderung im Gefüge<br />

einer Volkswirts<strong>ch</strong>aft nennt man Strukturwandel.<br />

Strukturwandel lässt si<strong>ch</strong> an folgenden Grössen beoba<strong>ch</strong>ten:<br />

• Demografis<strong>ch</strong>e Struktur<br />

• Produktionsstruktur<br />

• Einkommensstruktur<br />

• Bes<strong>ch</strong>äftigungsstruktur<br />

• Regionale Wirts<strong>ch</strong>aftsstruktur<br />

• Unternehmungsstruktur<br />

• Am Grad der Internationalisierung der Produktion<br />

• Struktur des internationalen Handels<br />

Strukturwandel bewirkt in vielen Teilen der VW Veränderungen, diejenigen in der Produktions-<br />

und Bes<strong>ch</strong>äftigungsstruktur stehen dabei aber im Zentrum des wirts<strong>ch</strong>aftspolitis<strong>ch</strong>en<br />

Interesses.<br />

KONJUNKTUR-, STRUKTUR- ODER WACHSTUMSKRISE?<br />

Die Diskussion in s<strong>ch</strong>wierigen Zeiten ist in zwei Lager geteilt: Die einen sehen den Kern der<br />

wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Probleme vor allem in einer konjunkturellen S<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>e, die anderen ma<strong>ch</strong>en<br />

grundlegende Struktur- und Wa<strong>ch</strong>stumsprobleme dafür verantwortli<strong>ch</strong>. Unters<strong>ch</strong>iede in der<br />

Diagnose sind wi<strong>ch</strong>tig, da jeweils au<strong>ch</strong> andere Therapien angewendet werden.<br />

Konjunkturs<strong>ch</strong>wankungen sind dadur<strong>ch</strong> gekennzei<strong>ch</strong>net, dass es si<strong>ch</strong> bei ihnen um<br />

periodis<strong>ch</strong>e Bewegungen der wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Aktivität handelt, kurzfristige und versible<br />

Vers<strong>ch</strong>iebung im Rahmen eines Konjunkturzyklus.<br />

ein Strukturwandel ist dur<strong>ch</strong> eine dauerhafte Veränderung gekennzei<strong>ch</strong>net, er trägt keine<br />

Kräfte in si<strong>ch</strong>, die wieder zum ursprüngli<strong>ch</strong>en Zustand zurückführen! Er ändert die Grundlagen<br />

und Rahmenbedingungen, wovon einzelne Unternehmen, Bran<strong>ch</strong>en, Regionen oder gar<br />

Länder betroffen sind, die Veränderungen sind irreversibel<br />

Konjunktur- und Strukturprobleme lassen si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t sauber trennen, was genau vorliegt ist<br />

s<strong>ch</strong>wer erkennbar. Oft überlagern und verstärken si<strong>ch</strong> die beiden gegenseitig.<br />

Zwis<strong>ch</strong>en den beiden herrs<strong>ch</strong>t eine Interdependenz:<br />

Während ein Wa<strong>ch</strong>stumsprozess in der Regel mit einem Strukturwandel verbunden ist,<br />

können dur<strong>ch</strong> Strukturwandel selber Wa<strong>ch</strong>stumsimpulse auf breiter Front ausgelöst werden.<br />

Ein Strukturwandel kann somit einerseits Folge der wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Entwicklung sein,<br />

andererseits kann er au<strong>ch</strong> die Voraussetzung für die Weiterentwicklung der Wirts<strong>ch</strong>aft bilden.<br />

Veränderungen können Katalysatoren für das Wa<strong>ch</strong>stum einer VW darstellen.<br />

URSACHEN DES STRUKTURWANDELS<br />

1949: J. Fourastié, Evolutionstheorie:<br />

Zu Beginn der Industrialisierung eines Landes sind etwa 80% der Bevölkerung in der<br />

Landwirts<strong>ch</strong>aft tätig, 10% in der Industrie und 10% im Dienstleistungssektor; im Verlauf der<br />

Industrialisierung wä<strong>ch</strong>st der Bes<strong>ch</strong>äftigungsanteil im sekundären Sektor weitgehend zu<br />

Lasten des primären; im „Zustand der reifen Wirts<strong>ch</strong>aft“ aber bes<strong>ch</strong>äftigt der<br />

Dienstleistungssektor gegen 80% aller Erwerbstätigen, während in den anderen beiden<br />

Sektoren nur je 10% tätig sind. (Es stimmte mit der Wirkli<strong>ch</strong>keit ziemli<strong>ch</strong> überein).<br />

75


STRUKTURWANDEL ALS FOLGE DER NACHFRAGEDYNAMIK<br />

Mit steigendem Einkommen sinkt der Anteil der Ausgaben für Nahrungsmittel, eine<br />

Sättigungsgrenze wird errei<strong>ch</strong>t, davon betroffen ist der Landwirts<strong>ch</strong>aftssektor. Au<strong>ch</strong> die<br />

Na<strong>ch</strong>frage na<strong>ch</strong> Konsumgütern stösst mit zunehmendem Versorgungsgrad an eine<br />

mengenmässige Sättigungsgrenze, die Na<strong>ch</strong>frage stagniert. Eine zunehmende Marktsättigung<br />

für einzelne Produkte oder ganze Bran<strong>ch</strong>en bei steigendem Einkommen zei<strong>ch</strong>net si<strong>ch</strong> ab.<br />

Dagegen expandiert die Na<strong>ch</strong>frage na<strong>ch</strong> Dienstleistungen mit zunehmenden Einkommen.<br />

Dienstleistungen weisen also im Gegensatz zu Nahrungsmitteln und anderen Konsumgütern<br />

eine hohe Einkommenselastizität aus.<br />

STRUKTURWANDEL ALS FOLGE DER ANGEBOTSDYNAMIK<br />

In Landwirts<strong>ch</strong>aft und Industrie konnte die Arbeitsproduktivität dur<strong>ch</strong> te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>en Forts<strong>ch</strong>ritt<br />

massive gesteigert werden, es werden weniger Arbeitskräfte gebrau<strong>ch</strong>t um dieselbe Menge zu<br />

produzieren. Steigerungen der Arbeitsproduktivität im Dienstleistungsberei<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>eint begrenz<br />

zu sein, do<strong>ch</strong> hat au<strong>ch</strong> hier der Einsatz neuer Te<strong>ch</strong>nologien zur Aufholjagd angesetzt, allen<br />

voran der Bankensektor.<br />

Mengenmässige stagnierende Na<strong>ch</strong>frage und höhere Arbeitsproduktivität vers<strong>ch</strong>ärfen die<br />

Tendenz zur Überproduktion. Als Konsequenz muss die Produktion einges<strong>ch</strong>ränkt werden und<br />

Arbeitsplätze gehen verloren.<br />

Fourastié sah die unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>e Entwicklung der Na<strong>ch</strong>frage und der Arbeitsproduktivität in<br />

den Sektoren und Bran<strong>ch</strong>en als Hauptbegründung für seine Prognosen.<br />

Der te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>e Forts<strong>ch</strong>ritt ist au<strong>ch</strong> heute ein wi<strong>ch</strong>tiger Motor des Strukturwandels. Der<br />

weltweite Informationsfluss erlaubt Aktivitäten in unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>en Weltregionen zu planen<br />

und zu koordinieren. Produktion kann weltweit geplant werden, industrielle Fertigung wird<br />

mobiler, gute Qualität kann überall hergestellt werden. Die sinkenden Kosten der Internationalisierung<br />

ermögli<strong>ch</strong>en die Wahl des günstigsten Standortes für jede Komponente des<br />

Produktes. Au<strong>ch</strong> die ständigen Bemühungen der Unternehmer dur<strong>ch</strong> neue Produkte, neue<br />

Marketingmethoden oder neue Organisations- und Produktionsprozesse einen Vorsprung im<br />

Konkurrenzkampf zu erhalten, bes<strong>ch</strong>leunigen den Strukturwandel von der Angebotsseite her.<br />

STRUKTURWANDEL ALS FOLGE VON VERÄNDERUNGEN IN DEN<br />

RAHMENBEDINGUNGEN<br />

Die Internationalisierung und Globalisierung konnte ras<strong>ch</strong> zunehmen, da si<strong>ch</strong> immer mehr<br />

Länder den internationalen Märkten öffnen (Ostblock-Staaten, China, Indien). Innert kürzester<br />

Zeit drangen fast 50% des internationalen Arbeitskräftepotenzials auf den Weltmarkt; so erlebt<br />

der Welthandel jährli<strong>ch</strong> zweistellige Zuwa<strong>ch</strong>sraten.<br />

Bea<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e Zuwa<strong>ch</strong>sraten errei<strong>ch</strong>en au<strong>ch</strong> die ausländis<strong>ch</strong>en Direktinvestitionen (Kauf oder<br />

Aufbau von To<strong>ch</strong>tergesells<strong>ch</strong>aften, Filialen, Beteiligungen) und grenzübers<strong>ch</strong>reitende<br />

Kooperationen. 1980 betrugen sie 57 Mrd, 1990 s<strong>ch</strong>on 150 Mrd. und im Jahr 2000 gar 1300<br />

Mrd. Dies ist ein Indiz für eine zügig vorans<strong>ch</strong>reitende Globalisierung. Die multinationalen<br />

Unternehmungen leisten einen bedeutenden Beitrag zur Vernetzung nationaler<br />

Volkswirts<strong>ch</strong>aften. Sie fördern au<strong>ch</strong> eine integrierte Weltproduktion, in wel<strong>ch</strong>er Länder oder<br />

Regionen zu spezialisierten Produktionsstandorten für einen bestimmten Auss<strong>ch</strong>nitt eines<br />

Industriezweiges werden. Die internationale Arbeitsteilung wird dur<strong>ch</strong> sinkende<br />

Transportkosten erlei<strong>ch</strong>tert.<br />

Besondere Impulse vermitteln zudem die Bestrebungen im Rahmen der WTO und die<br />

regionalen Integrationsbemühungen (APEC, NAFTA, Binnenmarktprogramm der EU…).<br />

Neben diesen Veränderungen in den internationalen Rahmenbedingungen nimmt die<br />

nationale und regionale Wirts<strong>ch</strong>aftspolitik eine wi<strong>ch</strong>tige Rolle im Strukturwandlungsprozess<br />

ein. Bestimmte Strukturen werden ges<strong>ch</strong>ützt, andere bewusst verändert.<br />

Zu den wesentli<strong>ch</strong>sten Ursa<strong>ch</strong>en eines Strukturwandels gehören die Na<strong>ch</strong>frage- und<br />

Angebotsdynamik sowie die Veränderung in den Rahmenbedingungen.<br />

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76


EXKURS: DIE WÜRSTCHENPARABEL<br />

Die Produktivitätssteigerung im Sektor X kann in diesem Sektor natürli<strong>ch</strong> einen<br />

Arbeitsplatzabbau na<strong>ch</strong> si<strong>ch</strong> ziehen. Do<strong>ch</strong> die S<strong>ch</strong>lussfolgerung, dieses Produktivitätswa<strong>ch</strong>stum<br />

gehe zu Lasten der Bes<strong>ch</strong>äftigung in der VW insgesamt, steht auf einem völlig<br />

anderen Blatt.<br />

WIE ZEIGT SICH DER STRUKTURWANDEL IN DER SCHWEIZ?<br />

DER SEKTORALE STRUKTURWANDEL<br />

• Periode 1950 bis 1970: zei<strong>ch</strong>nete si<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> ein aussergewöhnli<strong>ch</strong> starkes<br />

Wirts<strong>ch</strong>aftswa<strong>ch</strong>stum aus. BIP wu<strong>ch</strong>s dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nittli<strong>ch</strong> 4,6%, Zahl der Erwerbstätigen nahm<br />

jährli<strong>ch</strong> um 1,4% zu, die Arbeitsproduktivität wu<strong>ch</strong>s mit einer Rate von 3,3%. Sektoral<br />

musste einzig die Landwirts<strong>ch</strong>aft eine Stagnation der Werts<strong>ch</strong>öpfung und einen Abbau der<br />

Erwerbstätigen hinnehmen.<br />

• Periode 1970 bis 1990: Erdölpreiss<strong>ch</strong>ock liess Wa<strong>ch</strong>stum einbre<strong>ch</strong>en. Werts<strong>ch</strong>öpfung<br />

stagniert in der Industrie, in der Landwirts<strong>ch</strong>aft war sie gar rückläufig. Gewinner des<br />

Strukturwandels waren der Dienstleistungssektor und das Baugewerbe, Verlierer die<br />

Industrie und die Landwirts<strong>ch</strong>aft.<br />

• Periode 1990 bis 2002: Das Wa<strong>ch</strong>stum stagnierte oder war sehr s<strong>ch</strong>wa<strong>ch</strong>, die statistis<strong>ch</strong><br />

ausgewiesene Arbeitslosigkeit stieg auf Hö<strong>ch</strong>ststände, die Verlagerung der Erwerbstätigkeit<br />

in den dritten Sektor hat au<strong>ch</strong> seit 1990 eines Fortsetzung erfahren.<br />

Zwis<strong>ch</strong>en Werts<strong>ch</strong>öpfung, Erwerbstätigen und Arbeitsproduktivität besteht ein<br />

Zusammenhang:<br />

♦ Die Werts<strong>ch</strong>öpfung in der Landwirts<strong>ch</strong>aft ist in den letzten 30 Jahren zwar gestiegen, da<br />

si<strong>ch</strong> die Produktivität aber sehr stark erhöht hat, lässt si<strong>ch</strong> die landwirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e<br />

Produktion mit weniger als der Hälfte der Erwerbstätigen herstellen.<br />

♦ Ebenfall mit weniger Erwerbstätigen als 1960 wird die Werts<strong>ch</strong>öpfung in der Industrie<br />

erarbeitet, da si<strong>ch</strong> die Produktivität mehr als verdoppelt hat kann mit weniger<br />

Erwerbstätigen 70% mehr hergestellt werden.<br />

♦ Im DL-Sektor war das Wa<strong>ch</strong>stum der Werts<strong>ch</strong>öpfung am stärksten, während dasjenige der<br />

Produktivität glei<strong>ch</strong>zeitig am s<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>sten war, weshalb heute viel mehr Leute da arbeiten.<br />

DER BRANCHENMÄSSIGE STRUKTURWANDEL<br />

Veränderungen sind logis<strong>ch</strong>erweise au<strong>ch</strong> innerhalb der einzelnen Sektoren auszuma<strong>ch</strong>en. Die<br />

Periode 1990 bis 2002 war von einem starken Strukturwandel auf Bran<strong>ch</strong>enebene begleitet.<br />

Die grössten Zuwa<strong>ch</strong>sraten der Werts<strong>ch</strong>öpfung erzielten die Pharma, die Chemie und die<br />

Informatik/Telekommunikation. Dem grössten S<strong>ch</strong>rumpfungsprozess unterlagen<br />

Textil/Bekleidung und die Bauwirts<strong>ch</strong>aft.<br />

Der Strukturwandel zeigt si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> bei den Erwerbstätigen. Die längerfristigen Aussi<strong>ch</strong>ten<br />

lassen si<strong>ch</strong> einerseits aufgrund des Na<strong>ch</strong>fragepotentials ableiten, andererseits spielt für die<br />

Prognose die Wettbewerbsfähigkeit der jeweiligen Unternehmen einer Bran<strong>ch</strong>e eine wi<strong>ch</strong>tige<br />

Rolle.<br />

STRUKTURWANDEL ALS HERAUSFORDERUNG FÜR UNTENEHMEN, STAAT UND GESELLSCHAFT<br />

Der bran<strong>ch</strong>enmässige und sektorale Strukturwandel in der S<strong>ch</strong>weiz wir stark von den<br />

Veränderungen im internationalen Umfeld mitgeprägt. Die Öffnung nationaler Märkte, die<br />

WTO und regionale Integrationsbemühungen eröffnen Chancen für Markterweiterungen,<br />

wel<strong>ch</strong>e allerdings Strukturanpassungen voraussetzen. Importe aus den neuen<br />

Industrieländern sind die Voraussetzung für Exporte aus den alten Industrieländern. Der<br />

Wohlstand der S<strong>ch</strong>weiz ist auf das engste mit dem Ausland verknüpft, deshalb kommt wohl<br />

nur eine Strategie in Betra<strong>ch</strong>t: „Dabeisein im Globalisierungsprozess!“<br />

STRUKTURPOLITISCHE HANDLUNGSALTERNATIVEN FÜR DEN STAAT<br />

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77


Obwohl die Bewältigung des Strukturwandels primär Aufgabe der Unternehme ist, wird au<strong>ch</strong><br />

die Politik gefordert. Dabei kann die Strukturpolitik des Staates grundsätzli<strong>ch</strong> darauf<br />

ausgeri<strong>ch</strong>tet werden, einen Strukturwandel abzus<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>en (Strukturerhaltung), zu<br />

erlei<strong>ch</strong>tern (Strukturanpassung) oder gar in eine gewisse Ri<strong>ch</strong>tung zu steuern<br />

(Strukturgestaltung).<br />

Kritiker sagen bei Strukturerhaltungspolitik werde die Problemlösung nur aufges<strong>ch</strong>oben,<br />

fals<strong>ch</strong>e Anreize gesetzt und volkswirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Kosten verursa<strong>ch</strong>t. Strukturerhaltung<br />

bedeutet für sie die Verteidigung des Vergangenen, statt die Zukunft ins Visier zu nehmen.<br />

Bei Strukturgestaltungspolitik muss der Staat Ents<strong>ch</strong>eiden, wel<strong>ch</strong>e Bran<strong>ch</strong>en gute<br />

Zukunftsaussi<strong>ch</strong>ten haben, die ist mit zwei Problemen verbunden:<br />

Erstens verfügt der Staat über weniger Informationen als die Wirts<strong>ch</strong>aft, wel<strong>ch</strong>e Aktivitäten<br />

Zukunftspotential enthalten. Zweitens besteht eine gewisse Gewöhnungsgefahr an die<br />

staatli<strong>ch</strong>en Krücken, die in der Praxis – einmal gewährt – oft s<strong>ch</strong>wierig zu beseitigen sind.<br />

Unbestritten ist die Aufgabe des Staates, den erforderli<strong>ch</strong>en Spielraum für den Wandel der<br />

Strukturen zu s<strong>ch</strong>affen.<br />

ERFOLGSFAKTOREN FÜR DIE BEWÄLTIGUNG DES STRUKTURWANDELS<br />

Erfolgsfaktor Herausforderung für die<br />

Unternehmen<br />

Herausforderung für den Staat<br />

„Wandel als Chance Im Umfeld des rasanten Einige staatli<strong>ch</strong>e Regelungen<br />

erkennen –<br />

Wandels gerät die<br />

behindern die Innovationsfähig-<br />

Innovationsfähigkeit Wettbewerbsfähigkeit unserer keit (Bauvors<strong>ch</strong>riften, lange<br />

erhöhen“<br />

Unternehmen in Gefahr, sie Bewilligungsverfahren, etc). Au<strong>ch</strong><br />

besteht aus zwei Pfeilern: der als Hindernis werden die<br />

eine ist die Leistungsfähigkeit, Steuerbelastung und die<br />

der andere die<br />

S<strong>ch</strong>wierigkeiten bei der<br />

Innovationsfähigkeit (Fähigkeit Kapitalbes<strong>ch</strong>affung –<br />

neue Ideen zu entwickeln, zu insbesondere beim Risikokapital<br />

realisieren und auf den Markt – genannt. Zudem ist dir direkte<br />

zu bringen). Fehlt die<br />

Demokratie nur zum Preis<br />

Innovationsfähigkeit, steigt die langsamer<br />

Gefahr zu spät zu kommen, Korrekturme<strong>ch</strong>anismen zu<br />

die Reaktionszeit muss erhöht haben, die Kehrseite der<br />

werden.<br />

politis<strong>ch</strong>en Stabilität ist die<br />

mangelnde Anpassungsfähigkeit.<br />

„Stärkung der Globaler Wettbewerb und Grundsätzli<strong>ch</strong> muss der Staat für<br />

Leistungsfähigkeit – Strukturwandel führen zu mehr Wettbewerb sorgen –<br />

Förderung des anhaltendem Preis- und insbesondere in der<br />

Wettbewerbs und Kostendruck. Unternehmen reglementierten und mit vielen<br />

der Standortqualität“ müssen ständig na<strong>ch</strong> kosten- S<strong>ch</strong>ranken behafteten<br />

günstigen Produktions- und Binnenmarktwirts<strong>ch</strong>aft. Je billiger<br />

effizienten<br />

es ist, Produktionsstandorte<br />

Vermarktungsmethoden international zu verlagern, desto<br />

su<strong>ch</strong>en. Mehr Wettbewerb deutli<strong>ch</strong>er treten nationale<br />

steigert die effiziente Nutzung Unters<strong>ch</strong>iede in den<br />

von Ressourcen. Der Zwang Rahmenbedingungen hervor und<br />

zur Herstellung von<br />

desto grösser wird der<br />

werts<strong>ch</strong>öpfungsintensiven Wettbewerb der Standorte. Denn<br />

Produkten und DL steigt. die mobilen Produktionsfaktoren<br />

wandern dorthin, wo ihr Ertrag<br />

am hö<strong>ch</strong>sten ist.<br />

„Bildung und Zu den Hindernissen der Im Zuge der Globalisierung, des<br />

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78


Wissen“ Innovationsfähigkeit gehört der<br />

Mangel an qualifiziertem<br />

Personal, Zwang zur ras<strong>ch</strong>en<br />

Anpassung verlangt eine<br />

permanente Änderung des<br />

Qualifikationsprofils. Der<br />

intelligente Umgang mit<br />

Wissen in Unternehmen wird<br />

als Form des lebenslangen<br />

Lernens immer wi<strong>ch</strong>tiger.<br />

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te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>en und wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en<br />

Wandels fallen Arbeitsplätze von<br />

Ungelernte kontinuierli<strong>ch</strong> weg.<br />

Bildung und Wissen werden zur<br />

S<strong>ch</strong>lüsselgrösse für die<br />

erfolgrei<strong>ch</strong>e Bewältigung der<br />

Zukunft.<br />

Die Erhöhung der Innovationsfähigkeit, die Förderung des Wettbewerbs, die Verbesserung<br />

der Standortqualität sowie Anpassungen und Verbesserungen im Bildungssystem sind<br />

wi<strong>ch</strong>tige Erfolgsfaktoren zur Bewältigung des Strukturwandels, die im Kontrast zu gewissen<br />

Verhaltensmustern und Werten stehen.<br />

79


EXKURS: „NEHMEN UNS DIE BILLIGLOHNLÄNDER DIE ARBEITSPLÄTZE WEG?“<br />

Mit dem Argument der Abwanderung in Niedriglohnländer werden immer wieder deutli<strong>ch</strong>e<br />

Forderungen na<strong>ch</strong> Lohnsenkungen auf breiter Ebene vorgetragen.<br />

Nehmen uns die Billiglohnländer also die Arbeitsplätze weg?<br />

Wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>er Wettbewerb beruht immer auf Unters<strong>ch</strong>ieden in der Ausstattung mit<br />

Produktionsfaktoren. Niedrige Löhne allein bewirken keine Wettbewerbsvorteile, ausser in<br />

Wirts<strong>ch</strong>aftszweigen, wo praktis<strong>ch</strong> ohne Kapital und Know-how produziert werden kann. Eine<br />

Abwanderungsgefahr besteht deshalb überall dort, wo mit einheitli<strong>ch</strong>er Te<strong>ch</strong>nologie<br />

standardisierte Güter hergestellt werden, und si<strong>ch</strong> die Konkurrenzfähigkeit auss<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> auf<br />

den Lohn reduziert.<br />

Selbst eine Lohnsenkung um 30% ist bedeutungslos, wenn es weltweit Millionen von<br />

Mens<strong>ch</strong>en gibt, die zu einem Bru<strong>ch</strong>teil unserer Löhne arbeiten. Hohe Lohnkosten gefährden<br />

keine Arbeitsplätze, soweit sie Folge von hoher Arbeitsproduktivität sind.<br />

Hohe Löhne und hohe Wettbewerbsfähigkeit stehen ni<strong>ch</strong>t im Widerspru<strong>ch</strong> zueinander, sonder<br />

gehen Hand in Hand.<br />

Künstli<strong>ch</strong> reduziert Löhne reduzieren die Anreize, lange Ausbildungswerge in Kauf zu nehmen<br />

und höhere Qualifikationen anzustreben.<br />

Soll das traditionell hohe Lohnniveau in der S<strong>ch</strong>weiz bestehen bleiben, muss dem verstärkten<br />

Wettbewerbsdruck offensiv begegnet werden: Mit einer Strategie der Kompetenzen, der<br />

Innovationsfähigkeit und einer Verbesserung der staatli<strong>ch</strong>en Rahmenbedingungen, wel<strong>ch</strong>e<br />

uns ermögli<strong>ch</strong>en, einen Produktivitätsvorsprung zu halten und immer wieder neu zu erringen.<br />

In einem Artikel der Wirts<strong>ch</strong>aftszeigung Cash wurde festgehalten, dass die S<strong>ch</strong>weiz mehr<br />

Waren und DL in die Billiglohnländer exportiert als sie von diesen Ländern importiert. Um dem<br />

Ausland zu erlauben, seine S<strong>ch</strong>ulden gegenüber der S<strong>ch</strong>weiz ni<strong>ch</strong>t weiter zu erhöhen,<br />

müssten so viele Güter und DL zusätzli<strong>ch</strong> importiert werden, dass damit im Ausland<br />

mindestens 250 000 Leute bes<strong>ch</strong>äftigt werden könnten.<br />

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KAPITEL 9 – GELD, GELDPOLITIK UND DAS PROBLEM DER INFLATION<br />

WAS IST GELD?<br />

Geld im engeren Sinne ist alles, womit wie jederzeit bezahlen können. Dazu gehören das<br />

Bargeld, die Si<strong>ch</strong>tguthaben und die Einlagen auf Transaktionskonti des Publikums bei Banken<br />

und Post.<br />

Der Löwenanteil des Zahlungsverkehrs läuft ab, ohne dass Bargeld die Hände we<strong>ch</strong>selt.<br />

Bankguthaben, die sofort verfügbar sind (Kontokorrentguthaben) und Guthaben auf<br />

Post<strong>ch</strong>eckkonten sind au<strong>ch</strong> Geld, so genanntes BUCHGELD. Es erfüllt die Funktionen des<br />

Geldes sogar no<strong>ch</strong> besser als Bargeld. Die Guthaben auf sol<strong>ch</strong>en Konten bei Banken und<br />

Post werden Si<strong>ch</strong>tguthaben oder Giroguthaben genannt, weil sie jederzeit (auf Si<strong>ch</strong>t)<br />

verfügbar sind.<br />

Die Guthaben auf Lohn-, Spar-, Depositen- und Einlagekonti nennt man<br />

TRANSAKTIONSKONTI, sofern sie au<strong>ch</strong> für den Zahlungsverkehr genutzt werden können.<br />

Au<strong>ch</strong> sie gehören zum Geld.<br />

Anders sieht es aus bei Einlagen auf Spar-, Depositen- und Einlagekonti, die der<br />

Wertaufbewahrung dienen (also für den Zahlungsverkehr ungeeignet sind) und<br />

Termineinlagen. Sie sind zeitli<strong>ch</strong> gebunden und ni<strong>ch</strong>t jederzeit verfügbar.<br />

Die Geldbestände der Bank s<strong>ch</strong>eiden aber aus. Erstens weil die Zielsetzung der Geldtheorie<br />

die Erklärung der Veränderung des Preisniveaus, die Produktion, die Bes<strong>ch</strong>äftigung etc.<br />

beinhaltet. Deshalb sind die Geldbestände des Bankensektors relativ unbedeutsam, da sie<br />

selber kaum eine Güterna<strong>ch</strong>frage entfalten. Zweitens werden auf diese Weise Doppelzählung<br />

vermieden. Wenn jemand 1000.- auf sein Konto einzahlt, findet ledigli<strong>ch</strong> ein Taus<strong>ch</strong> von<br />

Bargeld zu Bu<strong>ch</strong>geld statt.<br />

Zur Geldmenge gehören alle Geldbestände des Publikums (Haushalte, Unternehmungen und<br />

Staat).<br />

• Die so definierte Geldmenge im engeren Sinne (siehe oben) wird au<strong>ch</strong> als Geldmenge M1<br />

bezei<strong>ch</strong>net. Für diese Definition ist die Zahlungsmittelfunktion des Geldes als<br />

Abgrenzungskriterium massgebend.<br />

• Addieren wir zu M1 die Spareinlagen (Einlagen auf Spar-, Einlagen- und Depositenkonti,<br />

die der Wertaufbewahrung dienen), gelangen wir zur Geldmenge M2.<br />

• Betonen wir die Wertaufbewahrungsfunktion des Geldes no<strong>ch</strong> stärker und bilden eine<br />

umfassende Geldmenge, die alle potentiellen Zahlungsmittel enthält, als au<strong>ch</strong> die für eine<br />

gewisse Zeit gewisse Zeit gebundenen Einlagen (Termineinlagen), erhalten wir die<br />

Geldmenge M3.<br />

Bei der Definition der M-Geldmengen nehmen wir den Blickwinkel des Publikums ein. Nehmen<br />

wie die Si<strong>ch</strong>t der SNB ein, erhalten wir die Notenbankgeldmenge:<br />

• Die Summe der Banknoten im Publikum und bei den Banken sowie die Si<strong>ch</strong>teinlagen der<br />

Banken bei der SNB ergeben die Notenbankgeldmenge.<br />

Das Verhältnis zwis<strong>ch</strong>en dem Bargeld und den Si<strong>ch</strong>tguthaben/Transaktionsguthaben beträgt<br />

in der S<strong>ch</strong>weiz etwa 1:4. Der bargeldlose Zahlungsverkehr ist also wesentli<strong>ch</strong> wi<strong>ch</strong>tiger als die<br />

Zahlungen mit Noten und Münzen<br />

Kann man au<strong>ch</strong> zuviel Geld haben? Ja, weil nur wenige Mens<strong>ch</strong>en Freude am Besitz von<br />

Geld haben, die meisten wollen materielle Dinge und ni<strong>ch</strong>t Geld besitzen.<br />

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EXKURS: „ABSCHIED VOM BARGELD?“<br />

Im Laufe der Zeit fand ein Abstraktionsprozess statt. Während Gold- oder Silbermünzen no<strong>ch</strong><br />

einen eigentli<strong>ch</strong>en Wert hatten, besitzen die heutigen Münzen und Noten keinen eigentli<strong>ch</strong>en<br />

Materialwert mehr. Ihnen werden dur<strong>ch</strong> Bedruckung Wert-Informationen vom Herausgeber<br />

zugewiesen. Sie können problemlos dur<strong>ch</strong> elektronis<strong>ch</strong>e Zahlungssysteme, Kredit- oder<br />

Chipkarten ersetzt werden. Damit konnte die Effizienz des Zahlungsverkehrs massiv<br />

gesteigert werden. Elektronis<strong>ch</strong>e Verarbeitung trat an Stelle von manueller Verarbeitung,<br />

daraus resultierte für die Kunden einfa<strong>ch</strong>ere Transportierbarkeit und Zinsgewinn weil die<br />

Abwicklungszeit von Zahlungen praktis<strong>ch</strong> vers<strong>ch</strong>windet. Die E<strong>ch</strong>tzeit-Abwicklung erlaubt es<br />

den Banken, denselben Geldbetrag mehrmals während eines Tages zu verwenden.<br />

Umlaufges<strong>ch</strong>windigkeit hat si<strong>ch</strong> massiv erhöht.<br />

EXKURS: „WIE DENKEN DIE SCHWEIZER IN GELDFRAGEN?“<br />

In der CH gibt es 4 Geldtypen, die fast glei<strong>ch</strong> stark vertreten sind:<br />

• Safe Player: legt Wert auf finanzielle Si<strong>ch</strong>erheit und Sparen, Geld wi<strong>ch</strong>tiges Ziel im Leben,<br />

eher vermögend, sieht si<strong>ch</strong> sehr kompetent im Umgang mit Geld, negative Si<strong>ch</strong>t zu<br />

Börsen/Aktien/Glücksspiel, Frau/Mann ausgegli<strong>ch</strong>en, Kantonal- oder Raiffeisenbanken.<br />

• Risk Seeker: positive Si<strong>ch</strong>t zu Aktien, bereit für Geldvermehrung Risiken einzugehen, Geld<br />

wi<strong>ch</strong>tiges Ziel, überdur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nittli<strong>ch</strong>es Einkommen/Vermögen, deutli<strong>ch</strong> mehr Männer als<br />

Frauen, Präferenz für Grossbanken CS oder UBS.<br />

• Open Book: gibt gerne Auskunft über seine finanziellen Verhältnisse, ansonsten Geld eher<br />

unwi<strong>ch</strong>tig, negativ zu Börsen/Aktien/Glücksspiel, Einkommen tief, wenig bis kein Vermögen,<br />

weit mehr Frauen als Männer, oft Kunde der Post.<br />

• Money Dummy: ist der S<strong>ch</strong>weizer Dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nitt, finanzielle Si<strong>ch</strong>erheit wi<strong>ch</strong>tig aber au<strong>ch</strong><br />

ni<strong>ch</strong>t zu wi<strong>ch</strong>tig, Mittelfeld bezügli<strong>ch</strong> Einkommen/Vermögen, Frau/Mann ausgegli<strong>ch</strong>en,<br />

präferiert keine bestimmte Hausbank, gibt ni<strong>ch</strong>t gerne Auskunft über seine Finanzen.<br />

WIE ENTSTEHT GELD, WIE WIRD GELD VERNICHTET?<br />

Banknoten zählen erst dann zur Geldmenge, wenn sie über den S<strong>ch</strong>alter der SNB zu den<br />

Banken gelangen (Notenbankgeldmenge) oder zum Publikum (Geldmenge M1).<br />

Geld entsteht aus einem Taus<strong>ch</strong>ges<strong>ch</strong>äft, an den eine inländis<strong>ch</strong>e Bank beteiligt ist.<br />

Bei diesen Taus<strong>ch</strong>ges<strong>ch</strong>äften wird etwas, das Ni<strong>ch</strong>tgeld ist, gegen Geld eingetaus<strong>ch</strong>t.<br />

Zusammenfassung VWL IUR I<br />

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1. Die Nationalbank kauf von einer Ges<strong>ch</strong>äftsbank eine Million Dollars.<br />

Die Ges<strong>ch</strong>äftsbank überweist der SNB die eine Million Dollars, die Ni<strong>ch</strong>tgeld sind, und bekommt den<br />

Gegenwert in Sfr. auf ihrem Girokonto gutges<strong>ch</strong>rieben. Die Si<strong>ch</strong>tguthaben der Bank steigen, das bedeutet<br />

einen Anstieg der Notenbankgeldmenge. Die M-Geldmengen bleiben unverändert.<br />

2. Die Nationalbank gewährt einer Ges<strong>ch</strong>äftsbank einen Kredit gegen Werts<strong>ch</strong>riften als Pfand.<br />

Die Ges<strong>ch</strong>äftsbank tritt an die SNB eine Si<strong>ch</strong>erheit ab (Ni<strong>ch</strong>tgeld) und erhält dafür Geld in der Form von<br />

Si<strong>ch</strong>tguthaben. Au<strong>ch</strong> in diesem Fall steigt deshalb die Notenbankgeldmenge, die M-Geldmengen bleiben<br />

unverändert. Transaktionen zwis<strong>ch</strong>en der Nationalbank und den Banken wirken si<strong>ch</strong> auf die M-Geldmengen<br />

ni<strong>ch</strong>t aus, weil sie den Berei<strong>ch</strong> des Publikums ni<strong>ch</strong>t berühren.<br />

3. Eine Bank kauft Obligationen der Firma Leiterli.<br />

Die Bank erhält Werts<strong>ch</strong>riften (Ni<strong>ch</strong>tgeld) und der Firma Leiterli wird der Betrag auf ihrem Bankkonto<br />

gutges<strong>ch</strong>rieben. Die M-Geldmengen steigen an.<br />

4. Eine Bank kauft von einer Gemeinde eine Liegens<strong>ch</strong>aft.<br />

Die Gemeinde übergibt das Eigentum an der Liegens<strong>ch</strong>aft (Ni<strong>ch</strong>tgeld) und erhält dafür eine entspre<strong>ch</strong>ende<br />

Guts<strong>ch</strong>rift auf dem Bankkonto. Die M-Geldmengen steigen.<br />

5. Eine Bank gewährt einen Hypothekarkredit.<br />

Die Bank s<strong>ch</strong>reibt den Betrag ihrem Kunden gut. Als Si<strong>ch</strong>erheit erhält sie das Pfandre<strong>ch</strong>t an der<br />

Liegens<strong>ch</strong>aft (Ni<strong>ch</strong>tgeld). Die M-Geldmengen steigen.<br />

6. Eine Festgeldanlage läuft ab.<br />

Die längerfristige S<strong>ch</strong>uld der Bank wird in eine jederzeit verfügbare S<strong>ch</strong>uld umgewandelt. M1 und M2<br />

steigen, M3 bleibt unverändert.<br />

Kehren wir die oben bes<strong>ch</strong>riebenen Transaktionen um, wir Geld verni<strong>ch</strong>tet.<br />

Nun ist klar, warum man Geld au<strong>ch</strong> als Forderungen an Banken definieren kann, oder<br />

weshalb man Banken au<strong>ch</strong> als Unternehmungen bezei<strong>ch</strong>net, mit deren S<strong>ch</strong>ulden andere<br />

Leute ihre S<strong>ch</strong>ulden bezahlen können. Ist keine inländis<strong>ch</strong>e Bank an einer sol<strong>ch</strong>en<br />

Tau<strong>ch</strong>aktion beteiligt, entsteht au<strong>ch</strong> kein Geld, es we<strong>ch</strong>selt nur den Besitzer. Ni<strong>ch</strong>tgeld in Geld<br />

umwandeln (monetisieren) nennt man au<strong>ch</strong> Monetisierungsfunktion.<br />

Wie wir gesehen haben, kann ni<strong>ch</strong>t nur die SNB Geld s<strong>ch</strong>öpfen, sondern au<strong>ch</strong> die<br />

Ges<strong>ch</strong>äftsbanken!<br />

Bankguthaben sind zwar keine gesetzli<strong>ch</strong> anerkannten Zahlungsmittel (im Gegensatz zu<br />

Bargeld), solange die entspre<strong>ch</strong>ende Bank aber genügend vertrauenswürdig ist, werden sie<br />

wie Bargeld angenommen.<br />

Woher hat die Bank das Geld, das sie einem leiht? Sie hat es selbst gema<strong>ch</strong>t, per<br />

Tastendruck (bei der Überweisung)! Sie kann das ni<strong>ch</strong>t unbegrenzt ma<strong>ch</strong>en, weil man könnte<br />

ja Bargeld abheben wollen, und Bargeld kann sie ni<strong>ch</strong>t selber ma<strong>ch</strong>en. Die Bank muss also<br />

aus eigenem Interesse si<strong>ch</strong>erstellen, dass sie zahlungsfähig (d.h. über genügend<br />

Notenbankgeld verfügt) ist. Daneben existieren gesetzli<strong>ch</strong>e Vors<strong>ch</strong>riften um das<br />

Si<strong>ch</strong>erzustellen. Die Banken haben aber ein dauerndes Liquiditätsoptimierungsproblem, da sie<br />

mehr Si<strong>ch</strong>ts<strong>ch</strong>ulden s<strong>ch</strong>öpfen, als sie Bargeld halten, denn Bargeldhaltung ist mit<br />

Opportunitätskosten verbunden.<br />

Dank des Gelds<strong>ch</strong>öpfungsmultiplikators können die Banken sehr wohl Geld s<strong>ch</strong>öpfen, das<br />

ihm sind die Si<strong>ch</strong>tguthaben doppelt so gross wie das Bargeld. Das funktioniert so:<br />

Gelangt eine Ges<strong>ch</strong>äftsbank aus einem Taus<strong>ch</strong>ges<strong>ch</strong>äft mit der SNB in den Besitz von Fr.<br />

2000.- Notenbankgeld, kann sie davon einen Kredit von beispielsweise Fr. 1600.- an jemand<br />

anderen gewähren. Bereits ist für Fr. 1600.- neues Geld entstanden. Diese 1600.- Fr. werden<br />

aber wieder auf einem Bankkonto landen, und diese Bank wird damit wieder einen Kredit<br />

gewähren und so weiter und so weiter.<br />

Eine Erhöhung der Notenbankgeldmenge hat eine multiplikative Wirkung, weil nur ein Teil<br />

davon als Reserve gehalten wird und der Rest als Kredit verliehen wird. Dieser<br />

Gels<strong>ch</strong>öpfungsmultiplikatorprozess endet erst, wenn der Gesamtwert der Gelder die den<br />

Zusammenfassung VWL IUR I<br />

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84


Reserven zufliessen, den ursprüngli<strong>ch</strong>en Anstieg der Notenbankgeldmenge kompensiert. Der<br />

Gelds<strong>ch</strong>öpfungsmulitplikator kann deshalb folgendermassen bere<strong>ch</strong>net werden:<br />

1/Reservesatz<br />

In unserem Beispiel beträgt der Reservesatz 20%, Multiplikator ist somit 5. Aus einer<br />

Erhöhung der Notenbankgeldmenge von Fr. 2000.- entsteht eine Geldmengenerhöhung von<br />

insgesamt Fr. 10000.-!<br />

In der Realität kann allerdings ni<strong>ch</strong>t damit gere<strong>ch</strong>net werden, dass das Geld jeweils wieder im<br />

vollen Umgang auf ein Bankkonto gelangt. Wollen die Individuen ni<strong>ch</strong>t nur Si<strong>ch</strong>teinlagen bei<br />

Banken, sondern au<strong>ch</strong> etwas Bargeld halten, sagen wir 5%, dann verkleinert si<strong>ch</strong> der<br />

Multiplikator:<br />

1<br />

Multiplikator = --------------------- (Herzli: PUNKT VOR STRICH!!!)<br />

r + (1 - r) * c<br />

r = Reservesatz c = Bargeldsatz<br />

Re<strong>ch</strong>enbeispiele:<br />

DIE ROLLE DER SCHWEIZERISCHEN NATIONALBANK<br />

Gründung im Jahr 1906, Aktiengesells<strong>ch</strong>aft, zu rund 2/3 im Besitz von Kantonen und<br />

Kantonalbanken, unter Aufsi<strong>ch</strong>t des Bankenrat (politis<strong>ch</strong>e Behörde), Ges<strong>ch</strong>äftsführung von<br />

einem 3-köpfigen Direktorium (vom Bundesrat gewählt, aber in Geldpolitik autonom).<br />

Sie hat das Notenmonopol, ihr Produkt ist also ganz speziell: Sie ma<strong>ch</strong>t S<strong>ch</strong>weizer Franken<br />

und setzt diese dur<strong>ch</strong> Ges<strong>ch</strong>äfte mit den Banken in Umlauf. Sie ma<strong>ch</strong>t Gewinne, au<strong>ch</strong> denn<br />

das ni<strong>ch</strong>t ihr Zweck ist. Eine weitere Besonderheit ist ihr öffentli<strong>ch</strong>er Auftrag:<br />

Hauptaufgabe der Nationalbank ist gemäss Bundesverfassung Art. 99:<br />

„ Die SNB führ als unabhängige Zentralbank eine Geld- und Währungspolitik, die dem<br />

Gesamtinteresse des Landes dient.“<br />

Wie andere Unternehmen hat sie au<strong>ch</strong> Mitarbeiter (rund 500), wel<strong>ch</strong>e aber CH-Bürger und in<br />

der CH wohnhaft sein müssen, und sie führt au<strong>ch</strong> ein Erfolgsre<strong>ch</strong>nung und eine Bilanz.<br />

Nationalbankbilanz<br />

• Aktivseite: Auf der Aktivseite unters<strong>ch</strong>eidet si<strong>ch</strong> die Bilanz der SNB von andere Bilanzen<br />

dur<strong>ch</strong> den hohen Anteil des Goldes und der Devisen. Die SNB war bis 1954 verpfli<strong>ch</strong>tet von<br />

Gesetzes wegen, ausstehende Banknoten auf Verlangen zu einem fixen Preis gegen Gold<br />

einzutaus<strong>ch</strong>en. Dadur<strong>ch</strong> konnte das Vertrauen in die „bunten Papiere“ ges<strong>ch</strong>affen werden.<br />

Bis zum Jahr 2000 besass die Nationalbank rund 2600 Tonnen Gold. Seit dem 1.Januar<br />

2000 ist eine neue Währungsverfassung in Kraft, in wel<strong>ch</strong>er die Bindung des Frankens an<br />

das Gold gänzli<strong>ch</strong> aufgelöst wurde. Nun verkauft sie s<strong>ch</strong>rittweise ihr Gold. Die<br />

Devisenbestände nehmen au<strong>ch</strong> einen grossen Posten auf der Aktivseite ein, genauso wie<br />

die Repo-Ges<strong>ch</strong>äfte (dazu später mehr).<br />

• Passivseite: Auf der Passivseite springt sofort der Posten Notenumlauf ins Auge, die<br />

Nationalbanken sind die einzigen Unternehmen die Noten auf der Passivseite ausweisen.<br />

Das liegt daran, dass der Notenumlauf eine S<strong>ch</strong>uld der Nationalbank spiegelt, früher<br />

einlösbar gegen Gold, heute ist diese S<strong>ch</strong>uld nur no<strong>ch</strong> fiktiver Natur. Der zweite typis<strong>ch</strong>e<br />

Passivposten sind die Giroguthaben der Banken. Sie dienen in erster Linie als<br />

Zahlungsmittel zwis<strong>ch</strong>en den Banken. Zudem sind sie für die Banken das Hauptinstrument<br />

zur Steuerung ihrer Liquidität. (Notenumlauf und Giroguthaben der Banken bilden<br />

zusammen die Notenbankgeldmenge).<br />

Zusammenfassung VWL IUR I<br />

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85


Die gekauften Vermögenswerte, vorab Devisen und Werts<strong>ch</strong>riften, bringen Zinserträge, die<br />

der SNB Gewinne ermögli<strong>ch</strong>en.<br />

DIE INSTRUMENTE DER SNB ZUR KONTROLLE DER GELDMENGE<br />

Den Notenumlauf kann die SNB insofern ni<strong>ch</strong>t direkt bestimmen, als sie ihn der<br />

Bargeldhaltung und den Zahlungsgewohnheiten der Haushalte und Unternehmungen anpasst.<br />

Liquiditätsbedürfnisse sind erfahrungsgemäss sehr ho<strong>ch</strong> am Monatsende, Quartalsende, oder<br />

Jahresende.<br />

Deswegen erfolgt die tägli<strong>ch</strong>e Steuerung in zwei S<strong>ch</strong>ritten:<br />

Im ersten S<strong>ch</strong>ritt werden die Veränderungen der Giroguthaben ohne Zutun der SNB mögli<strong>ch</strong>st<br />

genau prognostiziert. Im zweiten S<strong>ch</strong>ritt werden die geldpolitis<strong>ch</strong>en Instrumente so eingesetzt,<br />

dass sie wieder den gewüns<strong>ch</strong>ten Stand errei<strong>ch</strong>en.<br />

Will die SNB die Versorgung mit Geld erhöhen, gewährt sie Kredite oder kauft Wertpapiere zu<br />

attraktiven Konditionen. Das Geld s<strong>ch</strong>reibt sie den Girokonten der Banken gut, die Banken<br />

gewähren daraufhin ihrerseits den Kunden mehr Kredite, der Gelds<strong>ch</strong>öpfungsmultiplikator<br />

setzt si<strong>ch</strong> in Gang.<br />

Folgende geldpolitis<strong>ch</strong>en Instrumente setzt sie dabei ein:<br />

• Lombardkredite<br />

• In Notfällen können die Banken allfällige Liquiditätsengpässe au<strong>ch</strong> mit Lombardkrediten<br />

überbrücken. Beim Lombardkredit hinterlegen die Banken als Si<strong>ch</strong>erheit bestimmte<br />

Wertpapiere und erhalten dafür eine Kreditlimite. Der Zinssatz heisst Lombardsatz.<br />

• Repo (Repur<strong>ch</strong>ase Agreement)<br />

• Das am häufigsten eingesetzte Instrument zur Steuerung der Geldversorgung. Bei diesem<br />

Ges<strong>ch</strong>äft kauf die Nationalbank von einer Bank Wertpapiere – die bezügli<strong>ch</strong> der Liquidität,<br />

der Art der Titel sowie der S<strong>ch</strong>uldnerkategorie bestimmte Anforderungen erfüllen müssen –<br />

und vereinbart, dass die Bank diese Wertpapiere na<strong>ch</strong> einer bestimmten Zeit wieder zurück<br />

kauft. Die Laufzeiten liegen zwis<strong>ch</strong>en einem Tag und wenigen Monaten. Während der<br />

Laufzeit des Ges<strong>ch</strong>äftes verlangt die SNB einen Zinssatz, den Repo-Satz.<br />

• Devisenwap<br />

• Die SNB kauft von den Banken au<strong>ch</strong> ausländis<strong>ch</strong>e Währungen (Devisen). Als Devisenwap<br />

bezei<strong>ch</strong>net man dieses Ges<strong>ch</strong>äft, wenn sie die Devisen glei<strong>ch</strong>zeitig wieder verkauft auf<br />

einen späteren Zeitpunkt hin. Der Swap ist wie der Repo eine Verbindung zwis<strong>ch</strong>en einem<br />

Kassa- und einem Terminges<strong>ch</strong>äft. Früher waren Devisenwaps sehr häufig, heute eher<br />

spärli<strong>ch</strong>. Die übli<strong>ch</strong>en Swaplaufzeiten liegen zwis<strong>ch</strong>en einem und se<strong>ch</strong>s Monaten.<br />

Will sie die Geldmenge reduzieren, erhöht sie den Repo-Satz, zusätzli<strong>ch</strong> könnte sie den<br />

Lombardsatz erhöhen oder Devisen verkaufen. Dadur<strong>ch</strong> reduzieren si<strong>ch</strong> die Giroguthaben der<br />

Banken, die deshalb in ihrer Kreditgewährung einges<strong>ch</strong>ränkt werden: Das<br />

Gelds<strong>ch</strong>öpfungspotenzial der Banken wird kleiner.<br />

Nebst diesen Instrumente kann die SNB au<strong>ch</strong> andere Vermögenswerte kaufen/verkaufen. Tut<br />

sie das mit Werts<strong>ch</strong>riften, nennt man das Offenmarktges<strong>ch</strong>äft.<br />

Mindestreservevors<strong>ch</strong>riften dienen ni<strong>ch</strong>t zur Steuerung der Geldmengen, aber sie sorgen<br />

dafür, dass die Banken über genügend Liquidität verfügen.<br />

FED = Federal Reserve System<br />

Während die SNB Gold und Devisen monetisiert hat, verwandelt das FED vor allem die<br />

Staatss<strong>ch</strong>ulden in Geld.<br />

Die SNB setzt folgende geldpolitis<strong>ch</strong>en Instrumente ein:<br />

Zusammenfassung VWL IUR I<br />

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86


• Repo-Ges<strong>ch</strong>äfte<br />

• Devisenwaps<br />

• Lombardkredite<br />

Zur Si<strong>ch</strong>erung der Liquidität im Bankensektor enthält das Nationalbankengesetz<br />

Mindestreservevors<strong>ch</strong>riften.<br />

DIE GELDPOLITIK DER SNB UND IHRE WIRKUNGEN<br />

Im Jahr 1973 war der Übergang von fixen zu flexiblen We<strong>ch</strong>selkursen, dadur<strong>ch</strong> bekam die<br />

SNB die Mögli<strong>ch</strong>keit eine eigenständige Geldpolitik zu führen.<br />

Auf den Jahreswe<strong>ch</strong>sel 1999/2000 hin hat die SNB die bedeutendste Änderung seit 1973<br />

vorgenommen. Das neue Konzept beruht auf drei Pfeilern:<br />

1. Inflationsziel: Das Hauptziel der SNB ist die Wahrung der Preisstabilität. Darunter versteht<br />

man einen Anstieg des Landesindex der Konsumentenpreise um weniger als 2%! Au<strong>ch</strong> die<br />

Senkung des Preisniveaus (eine Deflation) will die SNB via Geldpolitik verhindern.<br />

2. Inflationsprognose: Veränderungen in der Geldpolitik s<strong>ch</strong>lagen si<strong>ch</strong> in der Wirts<strong>ch</strong>aft ni<strong>ch</strong>t<br />

unmittelbar, sondern verzögert nieder. Deshalb kann si<strong>ch</strong> die SNB bei ihren geldpolitis<strong>ch</strong>en<br />

Ents<strong>ch</strong>eiden ni<strong>ch</strong>t auf die aktuellen Inflationsraten stützen, sondern auf die<br />

Inflationsprognosen für die folgenden drei Jahre. Gibt es dabei Abwei<strong>ch</strong>ungen von der<br />

Preisstabilität, müssen Anpassungen vorgenommen werden. Bei einem Preisanstieg von<br />

mehr als 2% strafft sie die geldpolitis<strong>ch</strong>en Zügel, droht hingegen eine Rezession bei<br />

sinkender Preistendenz, stellt sie der Wirts<strong>ch</strong>aft mehr Geld zur Verfügung.<br />

3. Zinszielband für den Libor-Satz: Zur Umsetzung ihrer Strategie steuert die SNB den<br />

Zinssatz für Anlagen mit einer Laufzeit von drei Monaten: Den Libor-Satz (London<br />

Interbank Offered Rate). Diesen Zinssatz verlangen grosse Banken untereinander für 3-<br />

Monats-Anlagen in S<strong>ch</strong>weizer Franken untereinander. Wird tägli<strong>ch</strong> in London fixiert. SNB<br />

legt als Leitplanke ein Zielband mit einer S<strong>ch</strong>wankungsbreite von einem Prozentpunkt für<br />

den Zinssatz fest. Sie kann den Libor ni<strong>ch</strong>t direkt beeinflussen, seine Steuerung erfolgt<br />

indirekt über Repo-Ges<strong>ch</strong>äfte, mit denen dem Markt Liquidität zugeführt oder abgezogen<br />

wird.<br />

LANGFRISTIGE WIRKUNGEN DER GELDPOLITIK<br />

Langfristig wirkt si<strong>ch</strong> die Geldpolitik vor allem auf das Preisniveau bzw. die Inflationsrate aus.<br />

Diese These ist na<strong>ch</strong> wie vor anerkannt und kann si<strong>ch</strong> auf jahrelange empiris<strong>ch</strong>e Analysen<br />

stützen. Der grundlegende Zusammenhang zwis<strong>ch</strong>en Geldversorgung und Preisstabilität ist<br />

also unbestritten. Der Ausgangspunkt für die Analyse der Geldpolitik besteht in der Einsi<strong>ch</strong>t,<br />

dass die Produktionsmögli<strong>ch</strong>keiten einer Volkswirts<strong>ch</strong>aft langfristig angebotsseitig bestimmt<br />

sind, d.h. dur<strong>ch</strong> die Produktionsfaktoren. Langfristiges Wa<strong>ch</strong>stum und mehr Bes<strong>ch</strong>äftigung<br />

könne daher ni<strong>ch</strong>t einfa<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> eine Erhöhung der Geldmenge gekauft werden.<br />

Eine einmalige Erhöhung des Geldangebots wird langfristig dur<strong>ch</strong> einen Anstieg des<br />

Preisniveaus an das real konstante Angebot angepasst. Zwis<strong>ch</strong>en der Veränderung der<br />

Geldmenge und der Wirkung auf das Preisniveau entstehen aber Wirkungsverzögerungen.<br />

Die ersten Reaktionen setzen zwar unmittelbar ein, bis es si<strong>ch</strong> aber die Preise nieders<strong>ch</strong>lägt<br />

vergehen erfahrungsgemäss zwei bis drei Jahre.<br />

KURZFRISTIGE WIRKUNGEN DER GELDPOLITIK<br />

Über die kurzfristigen Wirkungen der Geldpolitik divergieren die Ansi<strong>ch</strong>ten der Experten stark.<br />

Die erhoffte Wirkungskette kann folgendermassen ges<strong>ch</strong>ildert werden:<br />

• Zinsen sinken: Dur<strong>ch</strong> eine expansive Geldpolitik steigt das Geldangebot, höheres Angebot<br />

führt zu sinkenden Zinsen, das si<strong>ch</strong> die Geldangebotskurve na<strong>ch</strong> re<strong>ch</strong>ts vers<strong>ch</strong>iebt.<br />

• Investitionen steigen: Höheres Geldangebot führt zu höherem Kreditspielraum, der dur<strong>ch</strong><br />

die tieferen Zinsen ausgenutzt wird: die Ausgaben für Investitionen steigen.<br />

Zusammenfassung VWL IUR I<br />

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87


• Nettoexperte steigen: Zinssenkungen führen zu geringerer Na<strong>ch</strong>frage na<strong>ch</strong> S<strong>ch</strong>weizer<br />

Franken, der si<strong>ch</strong> deshalb abwertet. Dadur<strong>ch</strong> werden die Exporte stimuliert und die Importe<br />

s<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>en si<strong>ch</strong> ab, die Nettoexporte steigen (Export – Importe).<br />

• BIP stiegt: Investitionssteigerungen und Exportanstieg erhöhen die Produktion und die<br />

Einkommen. Mit steigendem Einkommen steigt der Konsum, Multiplikatorprozesse werden<br />

ausgelöst und das BIP steigt.<br />

Gegen diese Wirkungskette können folgende Einwände vorgebra<strong>ch</strong>t werden:<br />

• Zinsen sinken ni<strong>ch</strong>t und die Investitionen steigen ni<strong>ch</strong>t. Grund dafür ist die Liquiditäts- und<br />

Investitionsfalle. Au<strong>ch</strong> wenn sie ni<strong>ch</strong>t zus<strong>ch</strong>nappt ist mit einer Wirkungsverzögerung von ca.<br />

2 Jahren zu re<strong>ch</strong>nen. Wenn dann zudem die meisten Investitionsgüter importiert werden,<br />

erhöht si<strong>ch</strong> die Inlandna<strong>ch</strong>frage ni<strong>ch</strong>t.<br />

• Sinkender S<strong>ch</strong>weizer Franken bedeutet, dass wir für Importe mehr bezahlen müssen.<br />

Konstante Importe bei tiefem Franken erhöhen die Importkosten, andererseits erhöht der<br />

tiefe Franken au<strong>ch</strong> die Na<strong>ch</strong>frage aus dem Ausland. Sinkt allerdings der Preis stärker als<br />

die Exportmenge zunimmt, sinken au<strong>ch</strong> die Exporterlöse. Kurzfristig sinken Die<br />

Nettoexporte, erst langfristig nehmen sie zu. Diese Anpassungsmuster wird als J-Kurveneffekt<br />

bezei<strong>ch</strong>net, da graphis<strong>ch</strong> gesehen die Nettoexporte zuerst sinken bis längerfristig die<br />

Kurve im J errei<strong>ch</strong> wird.<br />

• Selbst wenn oben genannte Fälle ni<strong>ch</strong>t eintreten kann die Wirkung bes<strong>ch</strong>eiden sein,<br />

nämli<strong>ch</strong> wenn die Wirts<strong>ch</strong>aftssubjekte ihren Konsum ni<strong>ch</strong>t oder nur geringfügig erhöhen und<br />

demzufolge der Multiplikator entspre<strong>ch</strong>end klein ausfällt. Warum sollte der Konsum ni<strong>ch</strong>t<br />

steigen?<br />

Theorie der rationalen Erwartungen: Wirts<strong>ch</strong>aftssubjekte lassen si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t systematis<strong>ch</strong><br />

täus<strong>ch</strong>en, sondern bilden ihre Erwartung in voller Kenntnis der wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Zusammenhänge.<br />

Unter dieser Annahme hat eine Erhöhung der Geldmenge au<strong>ch</strong> kurzfristig nur eine<br />

sehr bes<strong>ch</strong>eidene Auswirkung.<br />

DIE ENTWICKLUNG VON GELDMENGE, ZINSEN, INFLATION UND BIP<br />

1. Die Entwicklung des Zinszielbandes: 2000 veröffentli<strong>ch</strong>te die SNB erstmals ein<br />

Zinszielband für den Dreimonats-Libor. Als die Konjunktur anzog erhöhte sie ihr Zielband in<br />

drei S<strong>ch</strong>ritten, als die Konjunktur abfla<strong>ch</strong>te senkte sie das Zinszielband auf einen<br />

rekordtiefen Stand.<br />

2. Die Entwicklung der Geldmenge und der kurzfristigen Zinsen: Herbst 1987 bra<strong>ch</strong> die<br />

Finanzmärkte drastis<strong>ch</strong> ein, die SNB leitete eine expansive Geldpolitik ein. Daraufhin stieg<br />

die Inflation, worauf die SNB ums<strong>ch</strong>wenkte auf eine restriktive Geldpolitik die bis 1992<br />

anhielt. Von 1993 bis 1999 stieg die Geldmenge M1 relativ stark an, M3 wu<strong>ch</strong>s deutli<strong>ch</strong><br />

weniger stark, weil Termineinlagen bei tiefen Zinsen ni<strong>ch</strong>t attraktiv sind. Die Geldmenge M1<br />

und die kurzfristigen Zinsen entwickeln si<strong>ch</strong> sehr Syn<strong>ch</strong>ron.<br />

3. Die Entwicklung der Zinsstruktur: Die kurzfristigen Zinsen entwickeln si<strong>ch</strong> in enger<br />

Abhängigkeit zur Geldmenge. Ein Anstieg der Geldmenge ist mit sinkenden Zinssätzen<br />

verbunden und umgekehrt. Die langfristigen Zinsen werden stark vom erwarteten<br />

Wirts<strong>ch</strong>aftswa<strong>ch</strong>stum und der erwarteten Inflation beeinflusst. Normalerweise sind die<br />

langfristigen Zinssätze höher als die kurzfristigen. Eine Situation, in der die kurzfristigen<br />

Zinse höher sind als die langfristigen, wird als inverse Zinsstruktur bezei<strong>ch</strong>net.<br />

4. Die Entwicklung der Geldmenge und der Inflation: Die expansive Geldpolitik als<br />

Reaktion auf den Börsencrash von 1987 führte mit einer Verzögerung von drei Jahren zum<br />

Anstieg der Inflation auf 5,9% im Jahre 1991. Der eingeleitet Bremsvorgang von 1989<br />

zeigte erst na<strong>ch</strong> drei Jahren seine Wirkung, 1992 begann die Inflation zu sinken. Seither ist<br />

Inflation kein Thema mehr. In den Jahren 2001 und 2002 stiegen sogar die Ängste vor einer<br />

drohenden Deflation. Als Fazit muss man si<strong>ch</strong> merken: Die Geldmengenveränderungen<br />

wirken verzögert auf die Inflation!<br />

Zusammenfassung VWL IUR I<br />

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5. Die Entwicklung der Geldmenge und des BIP: Na<strong>ch</strong> dem Einbru<strong>ch</strong> der Konjunktur zu<br />

Beginn der neunziger Jahre dümpelte das BIP mehr oder weniger vor si<strong>ch</strong> hin, mit<br />

Ausnahme des Jahres 2003 (+3.2%), um si<strong>ch</strong> dana<strong>ch</strong> wieder gegen null zu bewegen.<br />

Die Geldpolitik kann nur kurzfristige Auswirkungen auf das BIP haben und zweitens wird das<br />

BIP zusätzli<strong>ch</strong> zur Geldmenge und den Zinsen von vielen anderen Faktoren mitbestimmt.<br />

Das neue geldpolitis<strong>ch</strong>e Konzept der SNB stützt si<strong>ch</strong> auf drei Pfeiler ab:<br />

• Preisstabilität (Preissteigerungen von hö<strong>ch</strong>stens 2%),<br />

• Inflationsprognosen und<br />

• Festlegung eines Zinszielbandes für den Dreimonats-Libor.<br />

Langfristige Hoffnungen dur<strong>ch</strong> expansive Geldpolitik dauerhaftes Wa<strong>ch</strong>stum und<br />

Bes<strong>ch</strong>äftigungsgewinne zu erzielen, dürften vergebens sein. Kurzfristig hingegen hat die<br />

Geldpolitik reale Wirkungen auf die Wirts<strong>ch</strong>aft.<br />

DER LANDESINDEX DER KONSUMENTENPREISE: FIEBERMESSER DER INFLATION<br />

Der Landesindex der Konsumentenpreise (LIK) misst die Preisveränderungen eines<br />

repräsentativen Korbes von Waren und Dienstleistungen, die von Haushalten zu<br />

Konsumzwecken gekauft werden. Steigt das Preisniveau, sinkt der Wert des Geldes. Ein<br />

sinkender Geldwert bedeutet Inflation.<br />

Für die Preise ist das Spiel von Angebot und Na<strong>ch</strong>frage verantwortli<strong>ch</strong>. Steigt die Gesamtheit<br />

der Preise, spri<strong>ch</strong>t man von Inflation. Zur Messung der Preisänderungen wird ein Korb von ca.<br />

1050 Waren und Dienstleistungen benutzt. Die Konsequenzen eines Preisanstiegs sind<br />

natürli<strong>ch</strong> für die Konsumenten unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>, je na<strong>ch</strong> dem ob es si<strong>ch</strong> um ein Gut handelt,<br />

das in seiner Ausgabenstruktur eine bedeutende Rolle einnimmt oder ni<strong>ch</strong>t. Deshalb werde<br />

die Waren und DL im Korb so gewi<strong>ch</strong>tet, wie ihr Anteil am Haushaltsbudget ist. Steigen die<br />

Wohnungsmieten um 10%, lässt das den LIK und die Inflation stark steigen, steigen hingegen<br />

die Preise für Kartoffeln um 10%, erbost das zwar Kartoffelliebhaber, geht aber am LIK und an<br />

der Inflation fast spurlos vorüber.<br />

WAS DER LIK NICHT ENTHÄLT<br />

Ni<strong>ch</strong>t alle Ausgaben eines Haushaltes fliessen in den LIK ein, insbesondere die direkten<br />

Steuern, die Prämien für Sozialversi<strong>ch</strong>erungen, die Motorfahrzeugsteuer und<br />

Haftpfli<strong>ch</strong>tversi<strong>ch</strong>erung ebenso wie die Krankenkassenprämien fehlen. Diese Ausgaben<br />

ma<strong>ch</strong>en aber ca. 37% aller Ausgaben eines Haushaltes aus. Der Grund ist, dass si<strong>ch</strong> der LIK<br />

am „Privaten Konsum“ der Volkswirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Gesamtre<strong>ch</strong>nung orientiert. (Deshalb werden<br />

ni<strong>ch</strong>t die KK-Prämien gemessen, sondern Preise für Medikamente, Arzt- und Spitalkosten).<br />

Der LIK stellt die Entwicklung der Preise der für die Konsumenten bedeutsamen Waren und<br />

Dienstleistungen dar und ni<strong>ch</strong>t die Entwicklung der Lebenshaltungskosten. Deshalb werden<br />

wi<strong>ch</strong>tige Teuerungseffekte im LIK ni<strong>ch</strong>t erfasst.<br />

Das neue Indexsystem ist deshalb so aufgebaut, dass mit Hilfe von preisstatistis<strong>ch</strong>en<br />

„Bausteinen“ unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>e Indexkonzepte realisiert werden können.<br />

MISST DER LIK DIE TEUERUNG RICHTIG?<br />

Bis zur nä<strong>ch</strong>sten Revision des LIK ist der Warenkorb fix. Veränderungen der<br />

Konsumgewohnheiten z.B. auf Grund neuer Güter können bis dahin ni<strong>ch</strong>t berücksi<strong>ch</strong>tigt<br />

werden. Ebenso wird dem Substitutionseffekt (der Konsument reagiert auf einzelne<br />

Preiserhöhungen indem er auf andere Güter ums<strong>ch</strong>wenkt) ni<strong>ch</strong>t Re<strong>ch</strong>nung getragen werden,<br />

und Qualitätssteigerungen als Ursa<strong>ch</strong>e für Preissteigerungen werden au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t<br />

berücksi<strong>ch</strong>tigt. Gemäss einer Expertengruppe weist der LIK die Teuerung in der CH um 0,5%<br />

zu ho<strong>ch</strong> aus.<br />

Zudem erfährt der einzelne Konsument die Teuerung entspre<strong>ch</strong>end des LIK nur, wenn seine<br />

Konsumgewohnheiten dem Dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nitt entspre<strong>ch</strong>en, das ist aber lange ni<strong>ch</strong>t immer der Fall.<br />

Zusammenfassung VWL IUR I<br />

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89


Mängel des LIK führen zu einer Überzei<strong>ch</strong>nung der Teuerung.<br />

DIE BEDEUTUNG DES LIK<br />

Dass ein hoher Uns<strong>ch</strong>ärfeberei<strong>ch</strong> existiert, ist keineswegs belanglos, geht der<br />

Konsumentenpreisindex do<strong>ch</strong> in sämtli<strong>ch</strong>e wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Ents<strong>ch</strong>eidungen ein.<br />

Viele Posten des öffentli<strong>ch</strong>en Budgets sind indexgebunden (z.B. Renten), vom Staat gesetzte<br />

Preise/Löhne/Mieten/Verträge und Investitionsre<strong>ch</strong>nungen in den Unternehmen beruhen auf<br />

den Zahlen des LIK, 0,1% mehr oder weniger Teuerungsausglei<strong>ch</strong> bedeuten rund 200 Mio.<br />

mehr oder weniger in helvetis<strong>ch</strong>en Lohntüten. Die je na<strong>ch</strong> Inflationsraten steigenden oder<br />

sinkenden Zinsen können zudem zu gigantis<strong>ch</strong>en Korrekturen and der Wertpapierbörse<br />

führen.<br />

DER „RICHTIGE“ MASSSTAB FÜR DIE TEUERUNG: DIE KERNINFLATION<br />

Ziel der Kerninflation ist es, die Preisentwicklung jener Güter zu erfassen, wel<strong>ch</strong>e die<br />

Nationalbank mit ihrer Geldpolitik au<strong>ch</strong> beeinflussen kann. In der Regel werden Energieträger,<br />

Nahrungsmittel und oft au<strong>ch</strong> die indirekten Steuern, deren Preisentwicklung mit der Geldpolitik<br />

eben ni<strong>ch</strong>ts zu tun haben, zu Bestimmung der Kerninflation eliminiert.<br />

URSACHEN UND FOLGEN EINER INFLATION<br />

WELCHE INFLATIONSURSACHEN WERDEN UNTERSCHIEDEN?<br />

Inflation lässt si<strong>ch</strong> grundsätzli<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> drei theoretis<strong>ch</strong>e Ansätze erklären:<br />

1. Der monetaristis<strong>ch</strong>e Ansatz<br />

Die SNB erhöht die Geldmenge einfa<strong>ch</strong> so und verteilt das neu gedruckte Geld in der<br />

Bevölkerung. Die Leute könnten mehr kaufen, der Anstieg der Güterna<strong>ch</strong>frage würde zu<br />

einem Anstieg des Preisniveaus führen, der Wert des Geldes würde sinken, es käme zur<br />

Inflation, das Ges<strong>ch</strong>enk der SNB hätte si<strong>ch</strong> in Luft aufgelöst. Eine längere und grössere<br />

Inflation erfolgt nur dass, wenn die Geldmenge entspre<strong>ch</strong>end stark wä<strong>ch</strong>st.<br />

2. Die Na<strong>ch</strong>frageinflation<br />

Bei der Na<strong>ch</strong>frageinflation werden Preissteigerungen dur<strong>ch</strong> einen Na<strong>ch</strong>frageübers<strong>ch</strong>uss<br />

na<strong>ch</strong> Gütern oder DL erklärt. Eine Zunahme des Konsums, der Na<strong>ch</strong>frage na<strong>ch</strong><br />

Investitionsgütern, der Na<strong>ch</strong>frage des Auslands oder der Staatausgaben können höhere<br />

Preise auslösen. Dieser Inflationsprozess wird allerdings mit der Zeit zusammenbre<strong>ch</strong>en,<br />

wenn die SNB die Geldmenge ni<strong>ch</strong>t entspre<strong>ch</strong>end ausweitet. Eine Erhöhung der<br />

Geldmenge ist also au<strong>ch</strong> Bedingung für einen lang anhaltenden Prozess der<br />

Na<strong>ch</strong>frageinflation.<br />

3. Die Angebotsinflation<br />

Bei diesem Ansatz werden Preiserhöhungen auf steigende Kosten oder auf höhere<br />

Gewinnsaufs<strong>ch</strong>läge zurückgeführt. Beim Kostendruckansatz werden erhöhte<br />

Produktionskosten auf den Konsumenten überwälzt. Die Unternehmer versu<strong>ch</strong>en die<br />

Kosten auf die Preise zu überwälzen, die Arbeitnehmer verlangen aufgrund der<br />

steigenden Preise höhere Löhne: Die Lohn-Preis-Spirale setzt si<strong>ch</strong> in Gang. Erhöhen si<strong>ch</strong><br />

die Preise dur<strong>ch</strong> Abgaben wie die MWSt. so werden au<strong>ch</strong> hier höhere Löhne gefordert<br />

aufgrund der höheren Preise: Die Preis-Lohn-Spirale setzt si<strong>ch</strong> in Gang.<br />

Liegt der Ursprung für den Preisanstieg bei teuerer werdenden Importen, spri<strong>ch</strong>t man von<br />

importierter Inflation.<br />

WAS SIND DIE FOLGEN EINER INFLATION?<br />

Es treten immer einige Probleme auf.<br />

• Inflation führt zu ungere<strong>ch</strong>ten Einkommens- und Vermögensverteilungen<br />

Hauptbena<strong>ch</strong>teiligte sind die Gläubiger, da der Wert ihrer Forderungen mit zunehmender<br />

Inflationsrate und Zeitdauer abnimmt. Ist der Zins auf dem Sparbu<strong>ch</strong> kleiner als die<br />

Zusammenfassung VWL IUR I<br />

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Inflationsrate, wird der reale Wert der Ersparnisse kleiner. Die Wertaufbewahrungsfunktion<br />

des Geldes leidet also unter der Inflation. Der Verlust der Gläubiger ist der Gewinn der<br />

S<strong>ch</strong>uldner. Zudem bewirkt die Inflation eine Umverteilung zwis<strong>ch</strong>en dem Geld- und<br />

Sa<strong>ch</strong>vermögensbesitzern: Geld verliert im Gegensatz zu Sa<strong>ch</strong>vermögen real an Wert. Ein<br />

weiterer Verteilungseffekt betrifft den Realwert der Steuers<strong>ch</strong>ulden. Die Inflation bringt den<br />

Steuerzahler in höhere Steuerklassen, deshalb steigt der Realwert ihrer Steuerzahlung<br />

bzw. das reale verfügbare Einkommen sinkt; man spri<strong>ch</strong>t in diesem Fall von kalter<br />

Progression.<br />

• Inflation verzerrt die Preissignale und führt zu einer ineffizienten Allokation der<br />

Ressourcen<br />

Je instabiler der Geldwert ist, desto mehr leidet au<strong>ch</strong> die Funktion des Geldes als<br />

Re<strong>ch</strong>eneinheit. Preisverglei<strong>ch</strong>e führen in Zeiten von grossen Preiss<strong>ch</strong>wankungen zu<br />

Fehlents<strong>ch</strong>eidungen, die Märkte verlieren ihre Fähigkeit si<strong>ch</strong> selbst zu regulieren, die<br />

Allokationsfunktion quittiert ihren Dienst. Es kommt zu Marktverzerrungen und<br />

Effizienzverlusten. Deshalb leiden unter einer hohen Inflation au<strong>ch</strong> das Wa<strong>ch</strong>stum und der<br />

Wohlstand einer Volkswirts<strong>ch</strong>aft. In extremen Fällen der Inflation verliert das Geld sogar<br />

seine Funktion als Zahlungsmittel. Dann wird entweder auf ausländis<strong>ch</strong>e Währungen<br />

zurückgegriffen oder reale Güter übernehmen die Funktion des Geldes.<br />

Hauptursa<strong>ch</strong>en für Inflation sind eine übermässige Ausdehnung der Geldmenge, ein<br />

Na<strong>ch</strong>frageübers<strong>ch</strong>uss und steigende Produktionskosten. Inflation führt zu Einkommens- und<br />

Vermögensumverteilungen, zu Markverzerrungen und Effizienzverlusten.<br />

EXKURS: „DIE PHILLIPSKURVE (PK), EINE ‚MENÜ-KARTE’ ZUR AUSWAHL VON INFLATION UND<br />

ARBEITSLOSIGKEIT?“<br />

Die keynesianis<strong>ch</strong>e Phillips-Kurve<br />

Die PK untersu<strong>ch</strong>t den Zusammenhang zwis<strong>ch</strong>en Arbeitslosigkeit und Inflation. Man zog aus<br />

ihr den S<strong>ch</strong>luss, dass man es in der Wirts<strong>ch</strong>aftspolitik mit einem trade-off, einer Austaus<strong>ch</strong>beziehung<br />

zwis<strong>ch</strong>en Inflation und Arbeitslosigkeit zu tun habe: Wolle man die Arbeitslosigkeit<br />

reduzieren, so habe man eine höhere Inflation und Kauf zu nehmen; bekämpfe man die<br />

Inflation, so sei der Preis dafür eine hohe Arbeitslosigkeit. Eine fla<strong>ch</strong>e, negativ geneigte PK<br />

gibt somit vor, dass Politiker zwis<strong>ch</strong>en vers<strong>ch</strong>iedene Kombinationen von Arbeitslosigkeit und<br />

Inflation wählen können<br />

Die monetaristis<strong>ch</strong>e PK<br />

Die monetaristis<strong>ch</strong>e Gegenrevolution bra<strong>ch</strong>te die PK in die Senkre<strong>ch</strong>te und widerlegte damit<br />

jegli<strong>ch</strong>en „Menü-Gedanken“: Aktive Geld- und Fiskalpolitik beeinflussen nur das Preisniveau,<br />

ni<strong>ch</strong>t aber die Bes<strong>ch</strong>äftigung. Denn in den empiris<strong>ch</strong>en Analysen hat sein ein einfa<strong>ch</strong>er tradeoff<br />

zwis<strong>ch</strong>en Inflation und Arbeitslosigkeit ni<strong>ch</strong>t bestätigt. Eine expansive Politik wurde als<br />

Vers<strong>ch</strong>iebung der Kurve na<strong>ch</strong> re<strong>ch</strong>ts gedeutet, wodur<strong>ch</strong> die mögli<strong>ch</strong>en Kombinationen immer<br />

unerfreuli<strong>ch</strong>er wurden.<br />

Der Einfluss der rationalen Erwartungen<br />

Na<strong>ch</strong>dem die Marktteilnehmer Erfahrungen mit einer expansiven, inflationären<br />

Wirts<strong>ch</strong>aftspolitik gema<strong>ch</strong>t hatten, bauen sie na<strong>ch</strong> dieser Theorie die Inflationsprognosen in<br />

ihre Erwartungen über die Preis- und Lohnentwicklung mit ein, so dass die PK eben na<strong>ch</strong><br />

re<strong>ch</strong>ts wandert und Arbeitslosigkeit und Inflation glei<strong>ch</strong>zeitig auftreten. Damit ist die<br />

Ineffektivität der Politik – im Sinne der Theorie der rationalen Erwartungen – einmal mehr<br />

bewiesen.<br />

Kurz- oder langfristig?<br />

Die PK widerspiegelt also die s<strong>ch</strong>on bekannten Auffassungsunters<strong>ch</strong>iede zwis<strong>ch</strong>en der<br />

keynesianis<strong>ch</strong>en und monetaristis<strong>ch</strong>en Theorie. Au<strong>ch</strong> die Aufzei<strong>ch</strong>nungen der historis<strong>ch</strong>en<br />

Daten klärt ni<strong>ch</strong>t, wel<strong>ch</strong>e Auffassung ri<strong>ch</strong>tig ist. In der Abbildung sieht man, wie instabil die<br />

empiris<strong>ch</strong>e PK ist. Langfristig gibt es keine einfa<strong>ch</strong>e Zielkonkurrenz zwis<strong>ch</strong>en Bes<strong>ch</strong>äftigung<br />

und Preisstabilität, die langfristige PK ist steil oder senkre<strong>ch</strong>t – wie sie die Monetaristen<br />

Zusammenfassung VWL IUR I<br />

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darstellten. Kurzfristig kann es aber zu einem trade-off zwis<strong>ch</strong>en Arbeitslosigkeit und Inflation<br />

kommen – das erklärt den fla<strong>ch</strong>en Verlauf der keynesianis<strong>ch</strong>en PK.<br />

DIE BEKÄMPFUNG DER INFLATION<br />

Wo au<strong>ch</strong> immer die Ursa<strong>ch</strong>en einer Inflation liegen, langfristig kann sie nur bestehen, wenn<br />

sie von einer Ausweitung der Geldmenge begeleitet wird. Deshalb steht bei der Bekämpfung<br />

der Inflation au<strong>ch</strong> die Geldpolitik im Mittelpunkt. Wir Sie wissen, ist jede Handlung mit<br />

Opportunitätskosten verbunden. Deshalb kann dieser Kampf mitunter re<strong>ch</strong>t s<strong>ch</strong>merzli<strong>ch</strong> sein.<br />

Grundsätzli<strong>ch</strong> bieten si<strong>ch</strong> 2 Mögli<strong>ch</strong>keiten der Inflationsbekämpfung an:<br />

• Eine Verringerung der Güterna<strong>ch</strong>frage oder<br />

• Eine Erhöhung des Güterangebots<br />

VERRINGERUNG DER GÜTERNACHFRAGE<br />

Reduktion der Güterna<strong>ch</strong>frage dur<strong>ch</strong> Fiskal- oder Geldpolitik. Inflation ist letztli<strong>ch</strong> ein<br />

monetäres Problem, eine restriktive Geldpolitik die S<strong>ch</strong>lüsselgrösse, auf die wir uns hier<br />

konzentrieren. Dabei ergeben si<strong>ch</strong> folgende Probleme:<br />

♦ Wirkungsverzögerung: Restriktive Geldpolitik treibt zuerst die Zinsen in die Höhe, kann<br />

die eigene Währung stärken, was zunä<strong>ch</strong>st den Inflationsdruck erhöht. Bis das<br />

geldpolitis<strong>ch</strong>e Bremsmanöver si<strong>ch</strong> in sinkende Preisen nieders<strong>ch</strong>lägt, vergehen in der Tat<br />

bis zu drei Jahre. Bea<strong>ch</strong>tet man das ni<strong>ch</strong>t, läuft man Gefahr, die eigenen Impulse zu verstärken,<br />

sodass si<strong>ch</strong> die restriktive Geldpolitik in einen no<strong>ch</strong> restriktivere aufs<strong>ch</strong>aukelt.<br />

♦ Rezessionsgefahr: Dur<strong>ch</strong> die angestrebte Drosselung der Gesamtna<strong>ch</strong>frage nimmt au<strong>ch</strong><br />

die gesamtwirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Aktivität ab, es kann zu starken Einbrü<strong>ch</strong>en auf dem Arbeitsmarkt<br />

kommen.<br />

Zusammenfassung VWL IUR I<br />

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♦ Indexme<strong>ch</strong>anismen: Ers<strong>ch</strong>werend in Kampf gegen die Inflation sind die<br />

Indexme<strong>ch</strong>anismen. Liegen die Ursa<strong>ch</strong>en der Inflation in realen Störungen (Rohstoffpreiserhöhungen)<br />

hat eine Lohnindexierung negative Auswirkungen, da sie weitere Rohstoffkosten-,<br />

Preis- und Lohnerhöhungen ausgelöst werden und eine Inflationsspirale in Gang<br />

gesetzt wird. Au<strong>ch</strong> eine automatis<strong>ch</strong>e Anpassung der Mieten an Hypothekarzinserhöhungen<br />

oder an die Teuerung beispielsweise setzt die Kräfte des Marktes ausser Kraft<br />

und kann demzufolge fals<strong>ch</strong>e Signale an die Marktteilnehmer aussenden.<br />

♦ Regulierte Preise: Restriktive Geldpolitik hat nur Erfolg, wenn dadur<strong>ch</strong> die Preise sinken.<br />

Das setzt voraus, dass der Markt- und Preisme<strong>ch</strong>anismus funktioniert. Der LIK resultiert<br />

aber zu 60% aus Preisen, die si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t frei auf dem Markt bilden. Dazu gehören direkt<br />

regulierte Preise (ÖV, Gas, Elektrizität) und indirekt regulierte Preise (Mil<strong>ch</strong> und Mil<strong>ch</strong>produkte,<br />

Fleis<strong>ch</strong>). Und zu rund 20% besteht der LIK aus Preisen, wel<strong>ch</strong>e dur<strong>ch</strong> Abspra<strong>ch</strong>en<br />

und/oder einges<strong>ch</strong>ränkte te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>e Normen entstehen.<br />

ERHÖHUNG DER GÜTERANGEBOTS<br />

In Inflationszeiten kann eine expansive Geld- und Fiskaltpolitik zur Ankurbelung des Angebots<br />

ni<strong>ch</strong>t in Betra<strong>ch</strong>t gezogen werden, weil dadur<strong>ch</strong> die Inflation no<strong>ch</strong> mehr gesteigert wird. Eine<br />

Mögli<strong>ch</strong>keit die Inflation mittels Erhöhung des Güterangebots zu bekämpfen, verspri<strong>ch</strong>t die<br />

Angebotsökonomie. Hierna<strong>ch</strong> soll z.B. dur<strong>ch</strong> eine Senkung der Steuern ein positiver<br />

Angebotss<strong>ch</strong>ock ausgelöst und dadur<strong>ch</strong> dem Preisauftrieb ein Ende gesetzt werden.<br />

Eine langfristig orientierte Stabilitätspolitik sollte si<strong>ch</strong>erstellen, dass eine Wettbewerbspolitik<br />

betrieben wird, die einen e<strong>ch</strong>ten Preiswettbewerb zwis<strong>ch</strong>en den Anbietern garantiert, und<br />

dass grosse S<strong>ch</strong>wankungen in der Geldversorgung der Wirts<strong>ch</strong>aft vermieden werden. Denn<br />

nur dank der relativen Knappheit des Geldes im Verhältnis zu den Gütern und der Erwartung,<br />

dass die Knappheit aufre<strong>ch</strong>terhalten bliebt, ist es mögli<strong>ch</strong>, dass unser Geld real so viel mehr<br />

wert ist, als seine Produktion kostet.<br />

Die Senkung der Inflationsrate ni<strong>ch</strong>t gratis zu haben. Eine restriktive Geldpolitik bewirkt einen<br />

Na<strong>ch</strong>fragerückgang mit der Gefahr einer Rezession. Je weniger die Preise auf den<br />

Na<strong>ch</strong>fragerückgang reagieren (z.B. aufgrund von regulierten Preisen, Indexme<strong>ch</strong>anismen<br />

oder Kartellabspra<strong>ch</strong>en), desto s<strong>ch</strong>merzhafter und langwieriger ist der Prozess der<br />

Inflationsbekämpfung.<br />

DEFLATION UND DISINFLATION<br />

Die Definition von Inflation besagt, dass die Preise steigen, wenn zuviel Geld im Umlauf ist<br />

und Güter knapp sind. Umgekehrt kommt es zu Deflation, wenn das Geld knapp ist.<br />

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Deflation ist das Gegenstück zur Inflation. Deflation bedeutet einen generellen Rückgang des<br />

Preisniveaus über längere Zeit. Bei Deflation sinken die Preise, der Wert des Geldes steigt.<br />

Hauptursa<strong>ch</strong>e für Deflation liege in einem Überangebot an Gütern: Zu viele Industrien<br />

produzieren zu viele Autos, Computer<strong>ch</strong>ips oder Chemie-Erzeugnisse; so kommt es in der<br />

Deflation zu einem si<strong>ch</strong> bes<strong>ch</strong>leunigenden Strudel, der die ganze Wirts<strong>ch</strong>aft in die Depression<br />

zieht. Die Umverteilungswirkungen gehen in diesem Fall zu Lasten der S<strong>ch</strong>uldner und zu<br />

Gunsten der Gläubiger. Und weil Sa<strong>ch</strong>werte ständig billiger werden, kauft niemand mehr, als<br />

unbedingt nötig. Bei der Therapiemögli<strong>ch</strong>keit – Erhöhung der Geldversorgung – ist der Erfolg<br />

ni<strong>ch</strong>t garantiert. Die Zinsen mögen no<strong>ch</strong> so tief sein, solange die Verbrau<strong>ch</strong>er und die<br />

Unternehmer weitere Preissenkungen erwarten, werde sie weder konsumieren no<strong>ch</strong><br />

investieren.<br />

In vielen Analysen wird ni<strong>ch</strong>t genügend zwis<strong>ch</strong>en Deflation und Disinflation unters<strong>ch</strong>ieden.<br />

Disinflation bezei<strong>ch</strong>net eine blosse Verlangsamung der Teuerung.<br />

EXKURS: „GEFORDERTE GELDPOLITIK“<br />

Si<strong>ch</strong>erung der Kaufkraftstabilität steht im Zentrum des Notenbankmandates. Bis in die 1970er<br />

Jahre war die Meinung verbreitet, man müsse mit geld- und finanzpolitis<strong>ch</strong>er Feinsteuerung<br />

der Gesamtna<strong>ch</strong>frage systematis<strong>ch</strong> Bes<strong>ch</strong>äftigung und reales Wa<strong>ch</strong>stum fördern.<br />

Demgegenüber steht die Position der „rationalen Erwartungen“ die der Geldpolitik jedwel<strong>ch</strong>e<br />

Chance abspri<strong>ch</strong>t. Die Wahrheit liegt zwis<strong>ch</strong>en den beiden Extrempositionen.<br />

Es mag auf den ersten Blick wüns<strong>ch</strong>bar ers<strong>ch</strong>einen, der SNB die Aufgabe zuzuweisen,<br />

Verzerrungen des Marktes frühzeitig zu bekämpfen, aber wer sol<strong>ch</strong>es fordert setzt zwei<br />

Sa<strong>ch</strong>en voraus: Erstens, dass Geldbehörden Aktien und Immobilien kompetenter bewerten<br />

können als der Markt und zweitens, dass sie gegebenenfalls in der Lage wären, mit ihrem<br />

Instrumentarium eine werdende Blase im Frühstadium zum Platzen zu bringen. Beide<br />

Voraussetzungen sind ni<strong>ch</strong>t erfüllt.<br />

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KAPITEL 10 – DAS PROBLEM DER ARBEITSLOSIGKEIT<br />

DER ARBEITSMARKT<br />

Arbeitsmarkt = Markt wie jeder andere, Angebot und Na<strong>ch</strong>frage treffen aufeinander.<br />

Einige Besonderheiten des Arbeitsmarktes:<br />

• Arbeit (als gehandeltes Produkt) hat eigenen Willen und ist sehr heterogen<br />

• Arbeit für die Anbieter (die Arbeitnehmer) überlebenswi<strong>ch</strong>tig, einziges Einkommen<br />

• Beziehung zwis<strong>ch</strong>en Anbieter und Na<strong>ch</strong>frager auf langfristiger vertragli<strong>ch</strong>er Basis;<br />

beeinflusst dur<strong>ch</strong> vers<strong>ch</strong>iedene Faktoren (Gewerks<strong>ch</strong>aft, Gesetz, etc.)<br />

• Na<strong>ch</strong>frage na<strong>ch</strong> Arbeitskräften ist eine abgeleitete Na<strong>ch</strong>frage, weil sie von der Na<strong>ch</strong>frage<br />

na<strong>ch</strong> Waren und Dienstleistungen abhängt.<br />

Klassis<strong>ch</strong>es Modell des Arbeitsmarktes<br />

Der Verlauf der Angebotskurve kann damit begründet<br />

werden, dass bei steigenden Löhnen die Opportunitäts-<br />

kosten der Freizeit steigen und deshalb mehr Arbeits-<br />

leistung angeboten wird. Die Arbeitsna<strong>ch</strong>frage hingegen<br />

sinkt bei steigenden Löhnen, weil die Löhne höher werden<br />

als der Beitrag zur betriebli<strong>ch</strong>en Werts<strong>ch</strong>öpfung, so dass<br />

die Unternehmen ihre Arbeitsna<strong>ch</strong>frage reduzieren.<br />

Im Punkt A1 stimmen angebotene und na<strong>ch</strong>gefragte<br />

Arbeitsstunden überein. Herrs<strong>ch</strong>t im Punkt A1 Arbeits-<br />

losigkeit, muss sie freiwillig sein. Der Punkt A stellt das<br />

gesamte Arbeitsangebot (das Angebot der gesamten Be-<br />

völkerung im erwerbsfähigen Alter) dar. Das heisst, dass<br />

einige der Bevölkerung zwar arbeiten mö<strong>ch</strong>ten, allerdings nur zu einem höheren Lohn. Die Arbeitslosen (A1-A2)<br />

sind deshalb freiwillig arbeitslos: Der Lohn im Marktglei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>t ist zu niedrig, um alle Arbeitskräfte zu<br />

motivieren, ihre Freizeit gegen Arbeit einzutaus<strong>ch</strong>en. Freiwillig arbeitslos sind ni<strong>ch</strong>t nur die Rei<strong>ch</strong>en, die es si<strong>ch</strong><br />

leisten können, ni<strong>ch</strong>t zu arbeiten. Es können au<strong>ch</strong> diejenige „freiwillig“ arbeitslos sein, die aus anderen Quellen<br />

ein Einkommen erzielen (z.B. von den Eltern, vom Partner oder vom Staat).<br />

Angenommen auf Grund einer Rezession reduzieren die Unternehmen die Na<strong>ch</strong>frage na<strong>ch</strong> Arbeitskräften<br />

(Vers<strong>ch</strong>iebung der Na<strong>ch</strong>fragekurve na<strong>ch</strong> links), dann sinkt das Lohnniveau von L1 auf L2 und es stellt si<strong>ch</strong> ein<br />

neues Glei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>t bei Punkt A2 ein. Bei A2 sind zusätzli<strong>ch</strong>e Arbeitskräfte ni<strong>ch</strong>t mehr bereit, zum angebotenen<br />

Lohn zu arbeiten. Die freiwillige Arbeitslosigkeit steigt nun auf A2-A. Sind die Löhne allerdings unflexibel und<br />

verharren auf dem Niveau L1, dann sinkt die Anzahl na<strong>ch</strong>gefragter Arbeitskräfte auf A3. Dadur<strong>ch</strong> entsteht eine<br />

unfreiwillige Arbeitslosigkeit im Umfang A2-A3.<br />

Wie kommt es zu starren Löhnen?<br />

1. Institutionelle Faktoren: staatli<strong>ch</strong>e Mindestlöhne, Arbeitsmarktregulierungen wie<br />

Kündigungs- und Sozialplanvors<strong>ch</strong>riften oder flä<strong>ch</strong>endeckende GAV<br />

2. Das „Insider-Outsider Modell“: Gemäss diesem Modell nutzen die „Insider“ (die Arbeitsplatzbesitzer,<br />

vertreten dur<strong>ch</strong> die Gewerks<strong>ch</strong>aften) ihre Ma<strong>ch</strong>t gegenüber der Firma in der<br />

Weise aus, dass sie Lohnerhöhungen – aus dur<strong>ch</strong>aus rationalen Überlegungen – für si<strong>ch</strong><br />

selbst dur<strong>ch</strong>setzen, anstatt dur<strong>ch</strong> Lohnkürzungen den „Outsidern“ (Arbeitslose) eine<br />

Chance auf einen Arbeitsplatz zu eröffnen. Weshalb dur<strong>ch</strong>kreuzen denn die Arbeitslosen<br />

diese Strategie der „Insider“ ni<strong>ch</strong>t dur<strong>ch</strong> Lohnunterbietungen? Für die Unternehmen lohnt<br />

es si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t, auf die Lohnunterbietungen einzugehen, weil sie in ihre Bes<strong>ch</strong>äftigten<br />

investiert haben und weil die Entlassung und Neueinstellung mit Transaktionskosten<br />

verbunden ist.<br />

3. Die Effizienzlohntheorie: Lohnerhöhungen haben zwei Gesi<strong>ch</strong>ter: Zum einen stellen sie<br />

Kostensteigerungen dar, zum anderen wirken sie si<strong>ch</strong> positiv auf die Leistungen der<br />

Mitarbeiter und damit kostensenkend aus. Die Grundlage für die Effizienzlohntheorie ist,<br />

dass die Produktivität eines Bes<strong>ch</strong>äftigten positiv vom gezahlten Lohn abhängt.<br />

Unternehmen die gute Löhne bezahlen, haben die qualifiziertesten Bewerber, weniger<br />

Kündigungen, etc. Ri<strong>ch</strong>ten si<strong>ch</strong> jedo<strong>ch</strong> allen Unternehmen daran aus, vers<strong>ch</strong>winden die<br />

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elativen Vorteile von höheren Löhnen und es entsteht eine Lohnstarrheit auf einem<br />

Teilarbeitsmarkt.<br />

Bei flexiblen Löhnen gibt es im klassis<strong>ch</strong>en Arbeitsmarktmodell keine unfreiwillige Arbeitslosigkeit.<br />

Nur wenn die Löhne unflexibel sind und si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t – oder erst langfristig – den<br />

Übers<strong>ch</strong>üssen und Knappheiten anpassen, kommt es zu unfreiwilliger Arbeitslosigkeit. Für die<br />

Starrheit der Löhne gibt es mehrere Ursa<strong>ch</strong>en: Institutionelle Faktoren, das „Insider-Outsider-<br />

Modell“ und die Effizienzlohntheorie.<br />

TYPEN VON ARBEITSLOSIGKEIT<br />

Saisonale und friktionale Arbeitslosigkeit sind kurzfristiger Natur. Au<strong>ch</strong> die konjunkturelle<br />

Arbeitslosigkeit ist temporär. Die strukturelle Arbeitslosigkeit zeigt si<strong>ch</strong> in regional-, bran<strong>ch</strong>en-,<br />

qualifikations-, ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>ts- oder altersspezifis<strong>ch</strong>en Unters<strong>ch</strong>ieden der Arbeitslosigkeit. Die<br />

Sockelarbeitslosigkeit ist jenes Niveau der Arbeitslosigkeit, da in konjunkturneutralen Phasen<br />

auftritt.<br />

BEVERIDGE- KURVE FÜR DIE SCHWEIZ: ERFASSUNG DER SOCKELARBEITSLOSIGKEIT<br />

Entspre<strong>ch</strong>en die offenen Stellen der Zahl der Arbeitslosen, herrs<strong>ch</strong>t gewissermassen Glei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>t auf dem<br />

Arbeitsmarkt, wir befinden und dass auf der Geraden dur<strong>ch</strong> den Ursprung des Diagramms (auf der Winkelhalbierenden).<br />

Alle Punkte auf dieser Geraden entspre<strong>ch</strong>en der Sockelarbeitslosigkeit (friktionelle + strukturelle<br />

Arbeitslosigkeit). Wie entwickelt si<strong>ch</strong> das Verhältnis der offenen Stellen zu den Arbeitslosen im<br />

Konjunkturverlauf?<br />

Bei einer konjunkturellen Überhitzung müsste die Zahl der offenen Stellen jene der Arbeitslosen deutli<strong>ch</strong> übersteigen.<br />

Umgekehrt müsste es weit mehr Arbeitslose als offene Stellen geben, wenn si<strong>ch</strong> die Wirts<strong>ch</strong>aft in der<br />

Rezession befindet. Die theoretis<strong>ch</strong>e Beveridge-Kurve verläuft dementspre<strong>ch</strong>end entlang einer Hyperbel von<br />

links oben na<strong>ch</strong> re<strong>ch</strong>ts unten. Punkte auf der Beveridge-Kurve unterhalb der Winkelhalbierenden stellen<br />

Unglei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>te dar, in wel<strong>ch</strong>en Stellenmangel vorherrs<strong>ch</strong>t (konjunkturelle oder Wa<strong>ch</strong>stumsdefizit-Arbeitslosigkeit),<br />

Punkte oberhalb der Winkelhalbierenden dagegen kennzei<strong>ch</strong>nen Unglei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>te mit Stellenüberhang.<br />

Aus dem empiris<strong>ch</strong>en Verlauf der Beveridge Kurve kann man entnehmen, dass erstens in der<br />

S<strong>ch</strong>weiz vorwiegend ein Stellenmangel bestand und zweitens s<strong>ch</strong>eint si<strong>ch</strong> die Beveridge-<br />

Kurve na<strong>ch</strong> oben vers<strong>ch</strong>oben zu haben, was glei<strong>ch</strong>bedeutend ist mit einem Anstieg der<br />

Sockelarbeitslosigkeit. Dieser Anstieg kann auf vers<strong>ch</strong>ieden Ursa<strong>ch</strong>en zurückgeführt werden:<br />

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S<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>te Markttransparenz und somit eine Zunahme der friktionellen Komponente, au<strong>ch</strong> der<br />

strukturellen Komponente könnte man die S<strong>ch</strong>uld zuweisen, oder der Sozialpolitik, weil sie<br />

dur<strong>ch</strong> das gut ausgebaute Sozialsystem Entlassungen für die Arbeitgeber einfa<strong>ch</strong>er ma<strong>ch</strong>t.<br />

Die empiris<strong>ch</strong>en Daten müssen jedo<strong>ch</strong> mit Vorsi<strong>ch</strong>t genossen werden, da es s<strong>ch</strong>wierig ist, die<br />

Daten zu erfassen.<br />

BEKÄMPFUNG DER ARBEITSLOSIGKEIT<br />

Ansatzpunkte auf dem Gütermarkt<br />

Die Na<strong>ch</strong>frage na<strong>ch</strong> Gütern – und somit das Wa<strong>ch</strong>stum – ankurbeln.<br />

♦ Stärkung der Wettbewerbskraft<br />

Revitalisierung und Verbesserung der Rahmenbedingungen, Marktbefreiung von<br />

Regulationen, weg mit regulatoris<strong>ch</strong>em Ballast.<br />

♦ Erhöhung der Standortattraktivität<br />

Politis<strong>ch</strong>e und monetäre Stabilität, ungehinderter Marktzutritt, gut ausgebaute und<br />

funktionierende Infrastruktur, sozialer Frieden, Re<strong>ch</strong>tssi<strong>ch</strong>erheit, tiefe steuerli<strong>ch</strong>e Belastung<br />

♦ Steigerung der Innovationskraft und der Produktivität<br />

Dur<strong>ch</strong> Innovation und te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>en Forts<strong>ch</strong>ritt die Produktivität ho<strong>ch</strong>halten, damit wir<br />

langfristig unser hohes Lohnniveau halten können. Hohe Produktivität re<strong>ch</strong>tfertigt hohe<br />

Löhne.<br />

♦ Bes<strong>ch</strong>äftigungsprogramme<br />

Staatli<strong>ch</strong>e Ausgabeerhöhungen zur Steigerung der Bes<strong>ch</strong>äftigten<br />

Ansatzpunkte auf dem Arbeitsmarkt<br />

♦ Flexibilität des Arbeitsmarktes<br />

„Mehr Markt für den Arbeitsmarkt!“. Konkret bedeutet dies:<br />

Lohnzahlung na<strong>ch</strong> individueller Leistung, keine Minimallöhne<br />

Volle Freizügigkeit gegenüber ausländis<strong>ch</strong>en Arbeitskräften<br />

Liberale Entlassungspolitik senken die Opportunitätskosten von Einstellungen<br />

♦ Bildungspolitik<br />

Permanente Weiterbildung ist sehr zentral, Lebenslanges Lernen wird zur Notwendigkeit.<br />

♦ Arbeitszeitverkürzungen<br />

Kontroverses Thema, verursa<strong>ch</strong>t es Kosten führt es via Absatzprobleme zu no<strong>ch</strong> mehr<br />

Stellenabbau, verursa<strong>ch</strong>t es keine Kosten für die U muss der Arbeiter überproportionale<br />

Lohnkürzungen in Kauf nehmen, daraus entstehen mehr Stellenwe<strong>ch</strong>sel und wieder<br />

Kosten.<br />

♦ Lohnsenkungen<br />

Hohes Lohnniveau Hauptgrund für die abnehmende Wettbewerbsfähigkeit. Aber<br />

Lohnsenkungen bedeuten au<strong>ch</strong> Kaufkraftverlust, sinkende Gesamtna<strong>ch</strong>frage, was<br />

wiederum die Arbeitslosigkeit erhöht.<br />

♦ Ausländerpolitik<br />

Arbeitskräftewanderungen als Bestandteil einer marktwirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Ordnung positiv. Je<br />

stärker die Zuwanderer Substitute für die vorhandenen Arbeitskräfte sind, umso<br />

bedrohli<strong>ch</strong>er ers<strong>ch</strong>einen sie; sind sie hingegen Komplemente, so helfen sie mit, die<br />

Produktivität und damit au<strong>ch</strong> die Entlöhnung der Einheimis<strong>ch</strong>en zu steigern. Dur<strong>ch</strong> das<br />

Saisonnierprinzip sind jedo<strong>ch</strong> vor allem unqualifizierte Arbeitskräfte angewandert, wel<strong>ch</strong>e<br />

meist als erste ihre Stelle wieder verlieren.<br />

Die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit kann direkt auf dem Arbeitsmarkt (Löhne, Arbeitszeit,<br />

Bildung, Ausländerpolitik) oder indirekt auf dem Gütermarkt (Wettbewerbsfähigkeit,<br />

Innovationskraft, Produktivität, Bes<strong>ch</strong>äftigungsprogramme) ansetzen.<br />

EXKURS: VORSICHT STATISTIK!<br />

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Arbeitslosenquote = Arbeitslosen in Prozent der Erwerbspersonen<br />

Erwerbslosenquote = Erwerbslose in Prozent der Erwerbspersonen<br />

Erwerbsquote = Erwerbspersonen in Prozent der Bevölkerung (15 – 64 Jahre)<br />

Erwerbstätigenquote = Erwerbstätige in Prozent der Bevölkerung (15 – 64 Jahre)<br />

Arbeitslose sind ni<strong>ch</strong>t glei<strong>ch</strong> Stellensu<strong>ch</strong>ende, Erwerbstätige sind ni<strong>ch</strong>t glei<strong>ch</strong> Bes<strong>ch</strong>äftigte,<br />

Arbeitslose sind ni<strong>ch</strong>t glei<strong>ch</strong> Erwerbslose<br />

ARBEITSMARKTENTWICKLUNG IN DER SCHWEIZ<br />

In den letzen 20 Jahren hat die CH drei Rezessionen erlebt. Von 1991 – 1993 war dies<br />

verbunden mit einem extremen Anstieg der Arbeitslosen, mit einer Arbeitslosenquote von<br />

5,7% (= 180 000 Personen, 1990 waren es 18 133!). Dana<strong>ch</strong> kamen einige S<strong>ch</strong>wankungen,<br />

das Wa<strong>ch</strong>stum des BIP s<strong>ch</strong>lug mit Verzögerung ein, 2001 sank die Zahl der Arbeitslosen na<strong>ch</strong><br />

vorhergehenden Steigungen wieder auf 70 000. In den letzten Jahren hat si<strong>ch</strong> die Lage do<strong>ch</strong><br />

wieder markant vers<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>tert.<br />

Aufgrund der Abnahme der Erwerbspersonen ab ca. 2010 und der damit verbundenen Gefahr<br />

einer Wohlfahrtseinbusse, stehen folgende Ansatzpunkt zur Diskussion: Familienpolitik,<br />

Verlängerung der Lebensarbeitszeit, Ausländerpolitik…<br />

Wie bilden si<strong>ch</strong> Löhne?<br />

Arbeitsmarkt gesteuert von Angebot und Na<strong>ch</strong>frage. Arbeitsna<strong>ch</strong>frage hängt also au<strong>ch</strong> davon<br />

ab, wie erfolgrei<strong>ch</strong> eine Unternehmung ihre Produkte am Markt verkaufen kann. Je höher die<br />

Arbeitsproduktivität des Personals, desto besser die Chance eines Markterfolges. Der Erfolg<br />

einer Unternehmung ist also eng mit dem Löhnen der Bes<strong>ch</strong>äftigten verknüpft. Unters<strong>ch</strong>iede<br />

in der Leistung – Arbeitsproduktivität – sind au<strong>ch</strong> der Grund weshalb einige weniger verdienen<br />

als andere. Man<strong>ch</strong>e Mens<strong>ch</strong>en mit aussergewöhnli<strong>ch</strong>en Fähigkeiten und Talenten (Tiger<br />

Woods, Madonna, etc) verdienen extrem viel ihres Talentes wegen.<br />

Gere<strong>ch</strong>tfertigte Managerlöhne?<br />

Es gibt keine allgemein gültigen Massstab oder eine Definition für gere<strong>ch</strong>te Löhne. Viele<br />

unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>e Gere<strong>ch</strong>tigkeitskonzepte wie zum Beispiel: Leistungsgere<strong>ch</strong>tigkeit,<br />

Bedarfsgere<strong>ch</strong>tigkeit, Verteilungsgere<strong>ch</strong>tigkeit. Managerlöhne sind aber oftmals ni<strong>ch</strong>t das<br />

Resultat eines funktionierenden Marktes. Au<strong>ch</strong> wenn die Managerlöhne<br />

Knappheitsverhältnisse darstellen und ihr Beitrag zum Unternehmungserfolg von zentraler<br />

Bedeutung ist, sind einige Marktunvollkommenheiten zu beoba<strong>ch</strong>ten. Zwis<strong>ch</strong>en Managern und<br />

Eigentümern (Aktionären) besteht oft eine asymmetris<strong>ch</strong>e Informationsverteilung bezügli<strong>ch</strong><br />

der Arbeitsproduktivität der Manager, was dazu führt, dass die Manager die Löhne zu ihren<br />

Gunsten beeinflussen können. Sie bestimmen, wel<strong>ch</strong>e Löhne für sie „marktübli<strong>ch</strong>“ sind. Hohe<br />

Transparenz ist eine wi<strong>ch</strong>tige Voraussetzung für einen funktionierenden Markt, ist aber im<br />

Managermarkt oft ni<strong>ch</strong>t gegeben.<br />

Forderung na<strong>ch</strong> Mindestlöhnen<br />

Anteil der „working poor“ in der S<strong>ch</strong>weiz bei 7,5% ( = 250 000). Führt ein Mindestlohn dazu,<br />

dass der Lohn höher liegt als die Arbeitsproduktivität des Mitarbeiters, kann die Dur<strong>ch</strong>setzung<br />

des Mindestlohnes zu Entlassungen, Preiserhöhungen oder gar zur S<strong>ch</strong>liessung von<br />

Betrieben führen.<br />

Mindestlöhne bewirken und bes<strong>ch</strong>leunigen den Strukturwandel.<br />

Ob Mindestlöhne zur Armutsbekämpfung dienen ist fragwürdig. Einerseits helfen sie nur<br />

erwerbstätigen Armen (falls sie aufgrund des Mindestlohnes die Stelle ni<strong>ch</strong>t verlieren) und<br />

andererseits sind sie für Familien oft zu gering, um der Armut zu entrinnen. Andererseits<br />

erhalten Haushalte Mindestlöhne, die gar ni<strong>ch</strong>t als arm einzustufen sind.<br />

Die Vermis<strong>ch</strong>ung von Lohn- und Sozialpolitik ist verlockend, aber gefährli<strong>ch</strong>.<br />

Umverteilungsziele sollten deshalb mit direkter Subjekthilfe und ni<strong>ch</strong>t mit Markteingriffen<br />

verfolgt werden.<br />

Zusammenfassung VWL IUR I<br />

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98


Unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>e Löhne sind in erster Linie auf Knappheitsverhältnisse und<br />

Produktivitätsunters<strong>ch</strong>iede zurückzuführen. Allerdings sind au<strong>ch</strong> Marktunvollkommenheiten<br />

(insbesondere bei Managerlöhnen) zu beoba<strong>ch</strong>ten.<br />

EXKURS: „TRENDS AUF DEM ARBEITSMARKT“<br />

1. Trend: Teilzeitstellen sind „en vogue“!<br />

Massiv mehr Teilzeitstellen. Teilzeitarbeit entspri<strong>ch</strong>t vermehrt den Bedürfnissen von<br />

Arbeitnehmern und Arbeitgebern.<br />

2.Trend: Frauen im Vormars<strong>ch</strong>!<br />

Die zusätzli<strong>ch</strong>en Teilzeitstellen werden zumeist von Frauen besetzt. Im Jahr 2002 waren<br />

44,7% der Erwerbstätigen Frauen. Vor allem Frauen zwis<strong>ch</strong>en 30 und 50 arbeiten heute<br />

mehr als früher.<br />

3. Trend: Na<strong>ch</strong>frage na<strong>ch</strong> höheren Ausbildung hält an!<br />

Gute Ausbildung ist na<strong>ch</strong> wie vor gefragt, so beklagen viele Unternehmen einen<br />

Übers<strong>ch</strong>uss an unqualifizierten und einen Mangel an qualifizierten Arbeitskräften.<br />

4. Trend: Löhne immer flexibler!<br />

Entlöhnungsprozesse werden immer vielfältiger, es werden vermehrt<br />

Gehaltsnebenleistungen (Boni, Ges<strong>ch</strong>äftsautos, etc.) gewährt.<br />

EXKURS: „KILOWATTSTUNDEN STATT MENSCHEN ARBEITSLOS MACHEN!“<br />

Industrieländer haben heute 2 Krisen:<br />

Anhaltend hohe Arbeitslosigkeit und globale Umweltbelastung.<br />

Seit kurzem wird unter dem Titel „ökologis<strong>ch</strong>e Steuerreform“ ein Ansatz diskutiert, mit dem<br />

beide Fliegen mit einem S<strong>ch</strong>lag erledigt werden können. Im Zentrum steht eine langfristig<br />

angelegte, s<strong>ch</strong>rittweise Vers<strong>ch</strong>iebung der Steuer- und Abgabenlasten vom Produktionsfaktor<br />

Arbeit zum Faktor Umweltverbrau<strong>ch</strong>. Es werden Steuern auf Energie- und Umweltverzehr<br />

erhoben, während die Lohnnebenkosten gesenkt werden, ohne das die steuerli<strong>ch</strong>e Belastung<br />

insgesamt verändert wird. Starke Verteuerung der Umwelt, spürbare Verbilligung der<br />

Arbeitskräfte.<br />

Die ökologis<strong>ch</strong>e Steuerreform unterstützt au<strong>ch</strong> den Strukturwandel hin zu energiesparendem<br />

Verhalten.<br />

Eine Ökologisierung des Steuersystems hätte gemässe einer Nationalfondsstudie fast nur<br />

positive Auswirkungen. Nebst einer S<strong>ch</strong>onung der Umwelt könnte die Einführung einer<br />

Ökosteuer au<strong>ch</strong> Arbeitsplätze s<strong>ch</strong>affen, wenn au<strong>ch</strong> nur in geringem Ausmass. Das von den<br />

Gegnern am häufigsten ins Feld geführte Argument ist, dass bei einem Alleingang der<br />

S<strong>ch</strong>weiz eine Wettbewerbsverzehrung stattfinden würde. Do<strong>ch</strong> werden au<strong>ch</strong> die Verluste bei<br />

einem Alleingang als gering einges<strong>ch</strong>ätzt, den besonders betroffenen Bran<strong>ch</strong>en könnte<br />

während einer Übergangszeit verringerte Steuersätze gewährt werden. Zudem habe die<br />

S<strong>ch</strong>weizer Industrie bei zu erwartenden langfristigen Energiepreissteigerungen den „Vorteil<br />

des ersten Zuges“, wenn sie si<strong>ch</strong> frühzeitig auf hohe Preise einstellt.<br />

Zusammenfassung VWL IUR I<br />

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99


Zusammenfassung VWL IUR I<br />

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KAPITEL 11 – DAS PROBLEM DER STAATSVERSCHULDUNG<br />

DIE ENTWICKLUNG DES STAATSANTEILS<br />

Bereits sehr früh war bekannt, dass die Staatstätigkeit si<strong>ch</strong> kontinuierli<strong>ch</strong> ausdehnt. Dafür gibt<br />

es vers<strong>ch</strong>iedene Gründe:<br />

• Dem Staat fallen immer neue Aufgaben zu. Mitte letztes Jahrhundert Na<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>terstaat,<br />

seither in vielen Berei<strong>ch</strong>en neue Eingriffe des Staates (Sozial-, Wettbewerbs-, Stabilitäts-<br />

und Strukturpolitik; Bildungs-, Gesundheits-, Energie-, Verkehrs-, Infrastruktur- und<br />

Umweltsektor;…)<br />

• Die öffentli<strong>ch</strong>en Leistungen sind tendenziell einkommenselastis<strong>ch</strong>er als die privaten Güter.<br />

Mit steigendem Einkommen werden deshalb ni<strong>ch</strong>t nur private Dienstleistungen vermehrt<br />

na<strong>ch</strong>gefragt, sondern au<strong>ch</strong> – überproportional – Staatsleistungen.<br />

• Die Neue Politis<strong>ch</strong>e Ökonomie (Public <strong>ch</strong>oice) überträgt das Nutzen- Gewinnmaximierungsdenken<br />

auf die Politik. Da der Faktor Gewinn aber fehlt, tritt an seien Stelle die Entwicklung<br />

der Ausgaben. Das Parkinsons<strong>ch</strong>e Gesetz bes<strong>ch</strong>reibt den Tatbestand, dass der<br />

öffentli<strong>ch</strong>en Verwaltung ein ausgespro<strong>ch</strong>en expansives Verhalten innewohnt, wel<strong>ch</strong>es auf<br />

Ausgaben und Budgetmaximierung ausgeri<strong>ch</strong>tet ist. Kombiniert man dieses Beharrungs-<br />

und Expansionsverhalten mit der Ausgabenfreudigkeit der Parlamente, so entsteht eine<br />

deutli<strong>ch</strong>e Tendenz zur Steigerung der Ausgaben.<br />

Die Messung der Staatsaktivität ges<strong>ch</strong>ieht an der Entwicklung der Ausgaben (CH innert 22<br />

Jahren + 185%). Aussagekräftiger wird die Entwicklung der Ausgaben wenn wir sie in<br />

Beziehung zum Wa<strong>ch</strong>stum (BIP) setzen. Dazu berücksi<strong>ch</strong>tigt man au<strong>ch</strong> die Ausgaben der<br />

Kantone und Gemeinden. Die Ausgaben wirken si<strong>ch</strong> insofern auf die Einnahmen aus, als dass<br />

si<strong>ch</strong> die Fiskalquote ebenfalls erhöht hat (35 Rappen pro Franken gehen an den Staat!).<br />

Fiskal- und Staatsquoten international zu verglei<strong>ch</strong>e ist s<strong>ch</strong>wierig.<br />

Im Jahr 2001 betrug die Fiskalquote 30%, unter Miteinbezug aller Abgaben mit<br />

obligatoris<strong>ch</strong>em Charakter 42,4%.<br />

Im Jahr 2002 betrug die Staatsquote unter Miteinbezug aller Abgaben mit obligatoris<strong>ch</strong>em<br />

Charakter rund 55%.<br />

Steigende Quoten erhöhen die Gefahr von Ineffizienten auf Grund steigender Umverteilung<br />

und s<strong>ch</strong>mälern den Teil des Einkommens, über wel<strong>ch</strong>en man frei verfügen kann. S<strong>ch</strong>weizer<br />

können im Dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nitt ab Mitte Jahr frei über ihr Einkommen verfügen – etwa 6 Monate<br />

arbeiten sie für die Bezahlung der Beiträge an den Staat!<br />

WOFÜR GIBT DER STAAT SEINE MITTEL AUS?<br />

• Gliederung na<strong>ch</strong> den Aufgaben des Staates: Am stärksten gestiegen ist der Anteil der<br />

Ausgaben für die soziale Wohlfahrt, am stärksten abgenommen hat der Anteil für<br />

Landesverteidigung. Der Ausgabenposten Finanzen und Steuern enthält die S<strong>ch</strong>uldzinsen<br />

und die Kantonsanteile an den Bundessteuern. 2003 musste der Staat rund 3,7 Mia<br />

S<strong>ch</strong>uldzinsen bezahlen (tägli<strong>ch</strong> gut 10 Mio.), das ist mehr als er für Bildung und Fors<strong>ch</strong>ung<br />

ausgab. Die Zinslast (S<strong>ch</strong>uldzinsen in % der Gesamteinnahmen) lag 2003 bei 7,2 %.<br />

• Gliederung na<strong>ch</strong> Eigenbedarf und Übertragungen: Dem Bund verbleibt für seine<br />

Zwecke (z.B. Verwaltung, Landesverteidigung, eidg. Ho<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ulen…) nur der kleinere Teil<br />

seiner Mittel. 73% der Bundesausgaben werden für Übertragungen an Dritte verwendet.<br />

Diese „Drehs<strong>ch</strong>eibenfunktion“ des Staates hat si<strong>ch</strong> seit 1960 stark erhöht. Wi<strong>ch</strong>tigster<br />

Empfänger von Bundesmitteln sind die öffentli<strong>ch</strong>en Haushalte der Kantone und Gemeinden<br />

und die öffentli<strong>ch</strong>en Sozialversi<strong>ch</strong>erungen, gefolgt vom privaten Sektor (hauptsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong><br />

Landwirts<strong>ch</strong>aft und Krankenkassen) und den öffentli<strong>ch</strong>en Unternehmungen (z.B. SBB). Der<br />

dominierende Teil diese Ausgaben sind Subventionen, die knapp 60% der gesamten<br />

Bundesausgaben beanspru<strong>ch</strong>en. Heute 7mal mehr Subventionen als 1970. Rund 42% aller<br />

Subventionen entfallen auf die soziale Wohlfahrt, gefolgt vom Berei<strong>ch</strong> öffentli<strong>ch</strong>er Verkehr<br />

100


(21%) und der Landwirts<strong>ch</strong>aft (13%). Auf diese drei Berei<strong>ch</strong>e konzentrieren si<strong>ch</strong> 75% aller<br />

Ausgaben.<br />

WOHER KOMMEN DIE EINNAHMEN DES BUNDES?<br />

1. Indirekte Steuern setzen bei der Belastung des Verbrau<strong>ch</strong>s an und erbringen ca. 55%<br />

aller Bundeseinnahmen. Am wi<strong>ch</strong>tigsten ist die MWSt., gefolgt von Stempelabgaben und<br />

Mineralölsteuer.<br />

2. Direkte Steuern sind die Abgaben auf Einkommen und Vermögen. Sie ma<strong>ch</strong>en ca. 30%<br />

aller Bundeseinnahmen aus und fast 60% aller Staatseinnahmen (Bund, Kantone &<br />

Gemeinden). Nirgendwo in Europa ist der Anteil direkter Steuern so ho<strong>ch</strong> wie in der CH.<br />

3. Übrige Einnahmen stellen ca. 15% der Gesamteinnahmen dar. Es sind dur<strong>ch</strong> den Bund<br />

erzielte Einnahmen dur<strong>ch</strong> die Erhebung von Gebühren und Beiträgen für bestimmte<br />

staatli<strong>ch</strong>e Leistungen.<br />

Den dominierenden Anteil an den Bundesausgaben nehmen die Sozialversi<strong>ch</strong>erungen ein.<br />

Die wi<strong>ch</strong>tigste Einnahmequelle ist die Mehrwertsteuer. Der Bundeshaushalt ist ein eigentli<strong>ch</strong>er<br />

Transferhaushalt. Staats- und Fiskalquote haben in den 1990er-Jahren zugenommen.<br />

EXKURS: WWW.EFV.ADMIN.CH/D/FINANZEN/SUBVEN/INDEX.HTM<br />

Link zu den Subventionen des Bundes.<br />

Steuern = Zahlungen von uns an den Staat<br />

Transfers = Geldflüsse von Staat an die Bevölkerung<br />

Subventionen = „Förderbeiträge“ des Staates entweder an andere staatli<strong>ch</strong>e Körpers<strong>ch</strong>aften<br />

(vom Bund an die Kantone) oder an private Institutionen oder Personen mit der Begründung,<br />

dass dieses Personen/Institutionen förderungswürdige Dinge tun. Subventionierte Aktivitäten<br />

bewirken positive externe Effekte für die Allgemeinheit. Leider sind jedo<strong>ch</strong> die Definitionen von<br />

„positiven Externalitäten“ und des „öffentli<strong>ch</strong>en Interesses“ ni<strong>ch</strong>t nur s<strong>ch</strong>wammig, sondern<br />

werden s<strong>ch</strong>nell zu „Geiseln“ der organisierten Sonderinteressen.<br />

Spri<strong>ch</strong>: Die aus der Politik winkenden Subventionen sind Einladungen für Sonderinteressen,<br />

si<strong>ch</strong> als nützli<strong>ch</strong> für die Allgemeinheit darzustellen. Das ist die Na<strong>ch</strong>frageseite für<br />

Subventionen.<br />

Anbieter sind die Politiker, die wiedergewählt werden wollen und deshalb „ihren“ Regionen,<br />

Verbänden und Wählergruppen etwas aus dem Staatssäckel zukommen lassen mö<strong>ch</strong>ten. Von<br />

Vorteil für beide ist die mangelnde Transparenz zum einen und die Tendenz zur politis<strong>ch</strong>en<br />

Kartellierung zum anderen. Erstere begünstigt das Wegsehen der Steuerzahler, Letzteres<br />

führt dazu, dass „Päckli“ für we<strong>ch</strong>selseitige Begünstigungen ges<strong>ch</strong>nürt werden. Aufhor<strong>ch</strong>en<br />

lässt den weinkennenden Kolumnisten aber die Förderung des Absatzes von „S<strong>ch</strong>weizer<br />

Qualitätsweinen im Ausland sowie Marktfors<strong>ch</strong>ung“ in Höhe von gegen 6 Mio. Franken pro<br />

Jahr. Das ergibt einen Förderbeitrag von 5 bis 6 Franken pro Flas<strong>ch</strong>e!<br />

Man beklagt in diesem Land bekanntli<strong>ch</strong> die mangelnde Innovationskraft, die zu geringe Rate<br />

von „Start-ups“ oder die ungenügende Risikobereits<strong>ch</strong>aft. An Subventionsjägern hingegen<br />

mangelt es ni<strong>ch</strong>t.<br />

All diese vers<strong>ch</strong>enkten Millionen müssen zuerst von jemandem erwirts<strong>ch</strong>aftet werden!!!<br />

EXKURS: „DER SCHWEIZERISCHE FINANZAUSGLEICH IST REFORMBEDÜRFTIG“<br />

In einem föderalistis<strong>ch</strong>en Staat kommen dem Finanzausglei<strong>ch</strong> wi<strong>ch</strong>tige Aufgaben zu. Erstens<br />

müssen die vers<strong>ch</strong>iedenen öffentli<strong>ch</strong>en Aufgaben sowie die Besteuerungskompetenzen dem<br />

Bund, den Kantonen und Gemeinden zugeteilt werden. Zweitens muss der Finanzausglei<strong>ch</strong><br />

für die Feinabstimmung der finanziellen Mittel zwis<strong>ch</strong>en den staatli<strong>ch</strong>en Ebenen sorgen. Diese<br />

Feinabstimmung enthält folgende drei Elemente:<br />

• Bund erhebt gewisse Steuern (VST, Treibstoffzolleinnahmen,…) effizienter als die<br />

Kantone. Teile dieser Steuern transferiert er an die Kantone (Kantonsanteile an<br />

Bundeseinnahmen).<br />

Zusammenfassung VWL IUR I<br />

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101


• Bei kantonalen Leistungen, von wel<strong>ch</strong>en au<strong>ch</strong> Bewohner anderer Kantonen profitieren,<br />

werden Finanzhilfen gezahlt, damit Anreize bestehen, au<strong>ch</strong> die Interessen anderer<br />

Kantone zu berücksi<strong>ch</strong>tigen (z.B. Universitäten,…).<br />

• Abgeltungen s<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> sind Zahlungen, die der Bund den Kantonen ausri<strong>ch</strong>tet, sofern<br />

diese Aufgaben im Auftrag des Bundes erfüllen (z.B. Bau von Nationalstrassen…).<br />

Zudem kommt dem Finanzausglei<strong>ch</strong> die Aufgabe zu, die Einkommensunters<strong>ch</strong>iede zwis<strong>ch</strong>en<br />

den Kantonen/Gemeinden auszuglei<strong>ch</strong>en, die auf unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>en geographis<strong>ch</strong>en und<br />

wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Voraussetzungen der Kantone/Gemeinden basieren.<br />

Ein optimales Transfersystem hat grundsätzli<strong>ch</strong> 3 Funktionen zu erfüllen:<br />

Allokationseffizienz: Die tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> gewüns<strong>ch</strong>ten öffentli<strong>ch</strong>en Leistungen sollen erbra<strong>ch</strong>t<br />

werden.<br />

Kosteneffizienz: Die Leistungen sollen mit mögli<strong>ch</strong>st geringen Kosten erfüllt werden.<br />

Umverteilungseffizienz: Es soll ein zielgeri<strong>ch</strong>teter Abbau der Einkommensunters<strong>ch</strong>iede<br />

zwis<strong>ch</strong>en den Kantonen/Gemeinden erfolgen.<br />

Diese Kriterien sind heute s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>t erfüllt, deshalb der Ruf na<strong>ch</strong> einer Reform. Es gibt drei<br />

Stossri<strong>ch</strong>tungen für Reformen:<br />

1. Klare Trennung der beiden Ziele Allokationseffizienz und Umverteilungseffizienz<br />

2. Ausbau des horizontalen Finanzausglei<strong>ch</strong>s<br />

3. Verbesserungen in der Ausgestaltung und der Ausri<strong>ch</strong>tung der Finanzhilfen und<br />

Abgeltungen<br />

ENTWICKLUNG DER DEFIZITE UND DER VERSCHULDUNG<br />

Bundeshaushalt ist stark von der konjunkturellen Entwicklung beeinflusst.<br />

Konjunkturell bedingte Defizite sind unproblematis<strong>ch</strong>, weil sie im Zuge des wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en<br />

Aufs<strong>ch</strong>wungs von selbst wieder vers<strong>ch</strong>winden. Als automatis<strong>ch</strong>e Stabilisatoren ist ihre<br />

Wirkung im Konjunkturverlauf sogar willkommen.<br />

Weit problematis<strong>ch</strong>er sind die strukturellen Defizite, weil sie ni<strong>ch</strong>t einfa<strong>ch</strong> so wieder<br />

vers<strong>ch</strong>winden. Man kann sie deshalb au<strong>ch</strong> als selbstvers<strong>ch</strong>uldete Defizite bezei<strong>ch</strong>nen, die<br />

si<strong>ch</strong> nur dur<strong>ch</strong> Ausgabenkürzungen oder Steuererhöhungen beseitigen lassen.<br />

Konjunkturelle Defizite sind auf rezessionsbedingt höhere Ausgaben und tiefere Einnahmen<br />

zurückzuführen und wirken als automatis<strong>ch</strong>e Stabilisatoren. Strukturelle Defizite weisen auf<br />

eine dauerhafte Überlastung des Haushalts mit ni<strong>ch</strong>t finanzierten Ausgaben hin und lassen<br />

si<strong>ch</strong> nur dur<strong>ch</strong> Ausgabenkürzungen oder Steuererhöhungen beseitigen.<br />

Die Entwicklung des Staatshaushaltes deutet auf eine steigende Vers<strong>ch</strong>uldung hin. Die<br />

grossen Defizite der 1990er-Jahre konnten zwar eingedämmt werden, denno<strong>ch</strong> ist der<br />

Staatshaushalt no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t ausgegli<strong>ch</strong>en.<br />

GEFAHREN UND GRENZEN DER STAATSVERSCHULDUNG<br />

S<strong>ch</strong>uldenquote CH = 50% (EU-Dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nitt = 70%)<br />

S<strong>ch</strong>ulden sind Kredite, das verlockende an Krediten ist, dass man Ausgaben tätigen kann,<br />

ohne zeitglei<strong>ch</strong> dafür zu bezahlen. Kredit ist eine Aufs<strong>ch</strong>iebung der Zahllast. Staat finanziert<br />

eine Ausgabe entweder dur<strong>ch</strong> Steuererhöhungen oder er ma<strong>ch</strong>t Defizite und finanziert es mit<br />

Krediten. Unters<strong>ch</strong>ied Staatskredit zu Kredit von privatem: Der Staat verlagert die<br />

Zahlungsverpfli<strong>ch</strong>tung auf zukünftige Generationen, während der Private für seinen Kredit<br />

selber aufkommen muss. Jene, wel<strong>ch</strong>e Staatskredite zurückbezahlen müssen, sind no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t<br />

geboren.<br />

Eine wa<strong>ch</strong>sende Staatsvers<strong>ch</strong>uldung birgt die Gefahr von steigenden Zinsen, der<br />

Verdrängung privater Investitionen, steigender Inflation und Wa<strong>ch</strong>stumsabs<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>ung in si<strong>ch</strong>.<br />

Sie s<strong>ch</strong>mälert den Handlungsspielraum des Staates und kann einen Teufelskreis auslösen.<br />

(Teufelskreis = Mit steigenden S<strong>ch</strong>ulden steigen au<strong>ch</strong> die Zinsen, wel<strong>ch</strong>e wieder mit neuen<br />

S<strong>ch</strong>ulden begli<strong>ch</strong>en werden müssen)<br />

Zusammenfassung VWL IUR I<br />

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102


Für einen Staat wird es definitiv ernst, wenn er keine neuen Kredite mehr erhält, er ist faktis<strong>ch</strong><br />

zahlungsunfähig und somit bankrott.<br />

Obwohl es keine fixe Zahl für die Staatsvers<strong>ch</strong>uldung gibt, so gibt es einige Ri<strong>ch</strong>tlinien für<br />

eine akzeptable Staatsvers<strong>ch</strong>uldung:<br />

1. Die Goldene Finanzierungsregel: Die Budgetdefizite sollten die Höhe der<br />

Staatsinvestitionen ni<strong>ch</strong>t übersteigen.<br />

Ni<strong>ch</strong>t nur unproblematis<strong>ch</strong>, sondern dur<strong>ch</strong>aus gere<strong>ch</strong>tfertigt sind Kredite zu<br />

Investitionszwecken, weil diese zu wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>em Wa<strong>ch</strong>stum und zu höheren Erträgen<br />

führen. Andererseits sind S<strong>ch</strong>ulden problematis<strong>ch</strong>, die zur Finanzierung von<br />

Konsumausgaben dienen, wie etwa Sozial-, Personal- oder Rüstungsausgaben. Diese<br />

Regel wird von den öffentli<strong>ch</strong>en Haushalten in der S<strong>ch</strong>weiz erfüllt.<br />

2. Die S<strong>ch</strong>uldenquote (Staatss<strong>ch</strong>ulden im Verhältnis zum BIP) sollte langfristig konstant<br />

sein.<br />

Um dies zu gewährleisten, darf die Zunahme der Vers<strong>ch</strong>uldung die Wa<strong>ch</strong>stumsrate der<br />

VWL ni<strong>ch</strong>t übersteigen. Um den S<strong>ch</strong>neeballeffekt der Zinsen zu verhindern, ist ein<br />

ausgegli<strong>ch</strong>ener Primärhaushalt (Haushaltssaldo ohne Zinszahlungen) notwendig, dann<br />

bleibt die S<strong>ch</strong>uldenquote stabil. Da si<strong>ch</strong> dies ni<strong>ch</strong>t erfüllen wird in den nä<strong>ch</strong>sten Jahren,<br />

müssen in der Zukunft abstri<strong>ch</strong>e bei den Finanzplänen vorgenommen werden.<br />

3. Die Ausgaben sollten im Glei<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ritt mit dem Wirts<strong>ch</strong>aftswa<strong>ch</strong>stum zunehmen.<br />

In den letzten 20 Jahren lag die Zunahme der Ausgaben immer über dem Wa<strong>ch</strong>stum des<br />

BIP, ein Glei<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ritt ist au<strong>ch</strong> hier ni<strong>ch</strong>t gewährleistet.<br />

Die goldene Finanzierungsregel, eine langfristig konstante S<strong>ch</strong>uldenquote und im Glei<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ritt<br />

mit dem BIP wa<strong>ch</strong>sende Ausgaben sind wi<strong>ch</strong>tige Ri<strong>ch</strong>tlinien für eine akzeptable<br />

Staatsvers<strong>ch</strong>uldung.<br />

Zusammenfassung VWL IUR I<br />

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103


EXKURS: „WIE HOCH SIT DIE OPTIMALE STAATSQUOTE?“<br />

Die Senkung der Staatsquote ist ein viel verlangtes Ziel der Finanzpolitik. Man verspri<strong>ch</strong>t si<strong>ch</strong><br />

davon hohe Standortattraktivität. Aber: Keine staatli<strong>ch</strong>e Leistung ist für die Standortattraktivität<br />

genauso s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>t wie zu viele staatli<strong>ch</strong>e Eingriffe.<br />

Die Standortattraktivität hängt vor allem von der steuerli<strong>ch</strong>en Belastung und der Menge und<br />

Qualität der staatli<strong>ch</strong> bereitgestellten Leistungen ab und nur indirekt von der Staatsquote.<br />

Zusammenfassung VWL IUR I<br />

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104


Zusammenfassung VWL IUR I<br />

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KAPITEL 12 – DAS PROBLEM DER SOZIALEN SICHERHEIT<br />

ZWECK DER SOZIALPOLITIK<br />

Die Wohlfahrt eines Volkes ist ni<strong>ch</strong>t nur vom Umfang des Volkseinkommens abhängig,<br />

sondern au<strong>ch</strong> von dessen Verteilung. Das Ergebnis des Marktes kann dem<br />

Gere<strong>ch</strong>tigkeitsempfinden widerspre<strong>ch</strong>en. Ni<strong>ch</strong>t alle Mens<strong>ch</strong>en sind zudem in der Lage in der<br />

vom Markt honorierten Art und Weise leistungsfähig zu sein. Staat muss dur<strong>ch</strong> Umverteilung<br />

der Einkommen für eine gere<strong>ch</strong>tere Verteilung sorgen.<br />

Was ist eine gere<strong>ch</strong>te Einkommensverteilung?<br />

Ungere<strong>ch</strong>tigkeit weil die Arbeit na<strong>ch</strong> Leistung/Werts<strong>ch</strong>öpfung und die Güter na<strong>ch</strong> Kaufkraft<br />

verteilt werden. Auf die Bedürfnisse der Arbeitnehmer oder Konsumenten wird keine<br />

Rücksi<strong>ch</strong>t genommen. Dieses Urteil der Ungere<strong>ch</strong>tigkeit impliziert eine Bedarfs- bzw.<br />

Verteilgere<strong>ch</strong>tigkeit. Die Bedarfsgere<strong>ch</strong>tigkeit geht davon aus, dass ein Mens<strong>ch</strong> ein Anre<strong>ch</strong>t<br />

auf ein gewisses Wohlstandsniveau hat. Die Verteilgere<strong>ch</strong>tigkeit impliziert eine Nivellierung<br />

der Einkommen.<br />

Als Mittel der Umverteilung benutzt der Staat einerseits progressiv ausgestaltete<br />

Einkommens- und Vermögenssteuern und andererseits als ebenfalls wi<strong>ch</strong>tiges Instrument<br />

der Umverteilung sind die Sozialtransfers auf Grund der Sozialversi<strong>ch</strong>erungen.<br />

Die Sozialversi<strong>ch</strong>erungen dienen grundsätzli<strong>ch</strong> drei Zwecken:<br />

1. Soziale Si<strong>ch</strong>erheit: SV bringen eine Umverteilung von den Erwerbstätigen zu den Ni<strong>ch</strong>terwerbstätigen,<br />

indem der Einzelne dur<strong>ch</strong> Prämienzahlung einen Anspru<strong>ch</strong> erwirbt, falls er<br />

infolge Krankheit, Unfall, Arbeitslosigkeit oder anderer Gründe aus dem Erwerbsleben<br />

auss<strong>ch</strong>eidet (SV sind das Auffangnetz für Einkommensausfälle).<br />

2. Risikoausglei<strong>ch</strong>: Die SV befreien das Individuum davon, si<strong>ch</strong> für alle Risikofälle<br />

vorzubereiten und entspre<strong>ch</strong>ende Mittel auf die Seite zu legen, wozu es in den meisten<br />

Fällen so oder so ni<strong>ch</strong>t in der Lage wäre (z.B. bei Invalidität).<br />

3. Einkommensumverteilung: SV sind im Unters<strong>ch</strong>ied zu anderen Versi<strong>ch</strong>erungen<br />

obligatoris<strong>ch</strong> und ärmere Zahlen kleinere Beiträge als Rei<strong>ch</strong>e. Es sind also au<strong>ch</strong> Leute<br />

versi<strong>ch</strong>ert die infolge ihrer Armut keine Prämien bezahlen können. „Sozial“ heisst immer,<br />

dass die Gesells<strong>ch</strong>aft dem Individuum unter die Arme greift.<br />

SV sollen Mens<strong>ch</strong>en in wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong> und sozial s<strong>ch</strong>wierigen Lagen vor materieller Armut<br />

s<strong>ch</strong>ützen. Probleme bereitet jedo<strong>ch</strong> gemeinhin das konkretisieren des Armutsbegriffes. Man<br />

kann 3 Armutsdefinitionen unters<strong>ch</strong>eiden:<br />

• Absolute Armut: Das Einkommen oder das Vermögen gestattet es ni<strong>ch</strong>t, si<strong>ch</strong> mit dem<br />

Lebensnotwendigen zu versorgen.<br />

• Relative Armut: Hier wird die Armut in Relation zum allgemeinen Lebensstandard gesetzt.<br />

Arm ist beispielsweise, wer weniger als die Hälfte des dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nittli<strong>ch</strong>en Einkommens<br />

bezieht.<br />

• Subjektive Armut: Dieses Konzept geht vom subjektiven Empfinden aus, arm zu sein. So<br />

können si<strong>ch</strong> Mens<strong>ch</strong>en mit einem unterdur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nittli<strong>ch</strong>en Einkommen als ni<strong>ch</strong>t arm<br />

empfinden, weil sie z.B. weniger arbeiten und die Freizeit umso mehr geniessen, während<br />

anderen Mens<strong>ch</strong>en ihr überdur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nittli<strong>ch</strong>es Einkommen ni<strong>ch</strong>t ausrei<strong>ch</strong>t, um ihre<br />

Bedürfnisse zu befriedigen, weshalb sie si<strong>ch</strong> arm fühlen.<br />

Wel<strong>ch</strong>es Konzept als zutreffend und relevant angesehen wird, ist eine rein politis<strong>ch</strong>e Frage.<br />

105


SOZIALVERSICHERUNGEN IN DER SCHWEIZ<br />

Der Aufbau des Sozialversi<strong>ch</strong>erungssystems wurde stark begünstigt dur<strong>ch</strong> die Zeit des<br />

grossen Wirts<strong>ch</strong>aftswa<strong>ch</strong>stums na<strong>ch</strong> dem Weltkrieg. Für die vers<strong>ch</strong>iedenen Risikogruppen<br />

wurden eigene Versi<strong>ch</strong>erungen ges<strong>ch</strong>affen.<br />

Zusammenfassung VWL IUR I<br />

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ENTWICKLUNG DER SOZIALAUSGABEN<br />

Die Entwicklung ist geprägt von einem starken Wa<strong>ch</strong>stum der Ausgaben.<br />

Die SV, wel<strong>ch</strong>e der sozialen Si<strong>ch</strong>erheit, dem Risikoausglei<strong>ch</strong> und der<br />

Einkommensumverteilung dienen, unterliegen einem dauernden und kräftigen Wa<strong>ch</strong>stum.<br />

AHV, die Pensionskassen und die Krankenkassen sind bei weitem die wi<strong>ch</strong>tigsten Zweige des<br />

sozialen Si<strong>ch</strong>erungssystem sind (sie vereinen mehr als 70% der Einnahmen auf si<strong>ch</strong>). Von<br />

jedem Franken Werts<strong>ch</strong>öpfung werden aus Gründen der Gere<strong>ch</strong>tigkeit und der sozialen<br />

Si<strong>ch</strong>erheit rund 30 Rappen der individuellen Verfügungsgewalt entzogen.<br />

HERAUSFORDERUNGEN FÜR DIE SOZIALPOLITIK<br />

Das Hauptproblem liegt beim stets steigenden Mehrbedarf, ents<strong>ch</strong>eidend für die Sozialpolitik<br />

sind aber insbesondere die zunehmende Alterung und der Rückgang des Anteils der<br />

erwerbstätigen Personen ab dem Jahr 2015.<br />

Im Jahr 2040 wird ein viertel der Gesamtbevölkerung in Rente sein. Die Anzahl Erwerbstätige<br />

wird si<strong>ch</strong> von heute rund 4 Millionen auf 3,7 Millionen im Jahr 2060 verringern. Die<br />

demografis<strong>ch</strong>e Entwicklung hat sehr eins<strong>ch</strong>neidend negative Auswirkungen auf die<br />

Entwicklung unserer Sozialsysteme.<br />

Wie entwickeln si<strong>ch</strong> di einzelnen Zweige der Sozialversi<strong>ch</strong>erungen? Lässt si<strong>ch</strong> unser<br />

Sozialsystem no<strong>ch</strong> finanzieren?<br />

• Berufli<strong>ch</strong>e Vorsorge: Die Einnahmen der BV liegen – bedingt dur<strong>ch</strong> das Finanzierungsverfahren<br />

– in der Aufbauphase über den Ausgaben. Der Kapitalzuwa<strong>ch</strong>s fiel im Jahr 2000<br />

gegenüber den Vorjahren deutli<strong>ch</strong> ab. Erstmals ist 2001 der Wert des akkumulierten<br />

Finanzkapitals zurückgegangen, weil die Börsenkrise einen Wertverlust von 38 Milliarden<br />

Franken ausgelöst hat.<br />

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• AHV: Die Finanzierung der AHV gerät dur<strong>ch</strong> die Bevölkerungsentwicklung zunehmend in<br />

Gefahr. Die Alterslastquote d.h. das Verhältnis der über 64-jährigen zu den<br />

20 – 64-jährigen, wird von 9,5:1 im Jahr 1948, auf heute 2,9:1 und bis ins Jahr 2040 auf<br />

2:1 absinken, was speziell bei der über das Umlageverfahren finanzierten AHV Probleme<br />

ergibt.<br />

• Krankenversi<strong>ch</strong>erung: Bis ins Jahr 2040 werden die Ausgaben für die KK real um zirka<br />

40% steigen. Dazu tragen unter anderem die laufende Angebotserweiterung, die<br />

medizinis<strong>ch</strong>-te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>en Forts<strong>ch</strong>ritte, der gesetzli<strong>ch</strong>e Leistungsausbau und au<strong>ch</strong> die<br />

Überalterung bei. Das ist ni<strong>ch</strong>t nur ein Problem für die Prämienzahler, sind au<strong>ch</strong> für den<br />

Staat.<br />

• Invalidenversi<strong>ch</strong>erung: S<strong>ch</strong>reibt rote Zahlen, seit 1993. Die jährli<strong>ch</strong>en Fehlbeträge<br />

steigen bis zum Jahr 2010 auf eine Milliarde an. Na<strong>ch</strong> dem Jahr 2010 dürfte die IV<br />

allerdings das gröbste überstanden haben auf Grund der s<strong>ch</strong>rumpfenden aktiven<br />

Bevölkerung.<br />

• Arbeitslosenversi<strong>ch</strong>erung: Der ALV kommt eine Sonderstellung zu, weil Einnahmen und<br />

Ausgaben sehr stark von der Konjunkturlage abhängen. 1999 we<strong>ch</strong>selte der<br />

Re<strong>ch</strong>nungssaldo vom Defizit zum Übers<strong>ch</strong>uss (na<strong>ch</strong> dem ab dem Jahre 1990 Verluste<br />

ges<strong>ch</strong>rieben wurden).<br />

Ob si<strong>ch</strong> unser Sozialsystem no<strong>ch</strong> finanzieren lässt, hängt sehr stark von der Dynamik der<br />

Wirts<strong>ch</strong>aft ab. Mit Wa<strong>ch</strong>stum allein ist es ni<strong>ch</strong>t getan, es müssen au<strong>ch</strong> der Prozentsatz der<br />

Lohnabzüge erhöht, der Bundeszus<strong>ch</strong>uss hinaufgesetzt und/oder die Leistungen gekürzt<br />

werden. Da alle drei Massnahmen unattraktiv s<strong>ch</strong>einen, wird der Ruf na<strong>ch</strong> eine<br />

Neuorientierung des Systems laut.<br />

Wo liegen die Gefahren des Wohlfahrtsstaates?<br />

Ein Grundgedanke jeder Versi<strong>ch</strong>erung ist es, den Einzelnen vor Risiken und den damit<br />

zusammenhängenden Kosten zu s<strong>ch</strong>ützen. Man addiert alle individuellen S<strong>ch</strong>äden und legt<br />

sie auf alle Beteiligten um, denn das Kollektiv sollte in der Lage sein, sämtli<strong>ch</strong>e S<strong>ch</strong>äden zu<br />

tragen. Der Einzelne haftet zwar ni<strong>ch</strong>t mehr für si<strong>ch</strong>, umgekehrt allerdings haftet er für die<br />

dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nittli<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>adensfälle der Gesells<strong>ch</strong>aft, auf die er keinen Einfluss hat. (Von diesem<br />

System profitieren aber au<strong>ch</strong> sol<strong>ch</strong>e, die eigentli<strong>ch</strong> in der Lage wären, ihren S<strong>ch</strong>aden selber<br />

zu tragen).<br />

Das Absi<strong>ch</strong>ern von Kosten führt dazu, dass Anreize fehlen, die Kosten tief zu halten, weil das<br />

Einzelverhalten auf die Prämienhöhe kaum Wirkung hat.<br />

Weil aus zusätzli<strong>ch</strong> beanspru<strong>ch</strong>ten Leistungen direkt keine zusätzli<strong>ch</strong>en Beitragszahlungen<br />

entstehen, besteht ein Anreiz, mögli<strong>ch</strong>st viele Leistungen zu beziehen, die Versi<strong>ch</strong>erung<br />

bezahlt es ja…<br />

Führt der Versi<strong>ch</strong>erungss<strong>ch</strong>utz deswegen zu einer übermässigen Ausweitung der S<strong>ch</strong>äden,<br />

spri<strong>ch</strong>t man von einem „moral-hazard“-Problem. Es wird dadur<strong>ch</strong> vers<strong>ch</strong>ärft, dass dur<strong>ch</strong> die<br />

staatli<strong>ch</strong>e Sozialpolitik zwis<strong>ch</strong>en Helfer und Bedürftigen eine Institution fällt, die eine<br />

Anonymität zwis<strong>ch</strong>en diesen beiden Gruppen bewirkt.<br />

Die beiden wi<strong>ch</strong>tigsten Kriterien zur Beurteilung von Systemen sozialer Si<strong>ch</strong>erung sind die<br />

ökonomis<strong>ch</strong>e Effizienz und die Verteilungsgere<strong>ch</strong>tigkeit. Eine Steuer oder Abgabe ist<br />

dana<strong>ch</strong> effizient, wenn sie die Innovationskraft einer VW erhält und die Kapitalbildung fördert<br />

oder zumindest ni<strong>ch</strong>t behindert. Von Verteilungsgere<strong>ch</strong>tigkeit kann dann gespro<strong>ch</strong>en werden,<br />

wenn si<strong>ch</strong> die Belastung an der Inanspru<strong>ch</strong>nahme der Leistung oder an der finanziellen<br />

Leistungsfähigkeit ausri<strong>ch</strong>tet. Zwis<strong>ch</strong>en den beiden besteht oft ein Konflikt.<br />

Die Bürger sind si<strong>ch</strong> oft ni<strong>ch</strong>t über die Sozialpolitik (und au<strong>ch</strong> über die Steuerpolitik) einig, weil<br />

sie den Zielkonflikt zwis<strong>ch</strong>en Effizienz und Gere<strong>ch</strong>tigkeit ni<strong>ch</strong>t erkennen oder diesen beiden<br />

Zielen unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>e Bedeutung zumessen.<br />

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Vors<strong>ch</strong>läge zur Neuorientierung des Systems der sozialen Si<strong>ch</strong>erheit:<br />

Neugestaltung der Leistungsseite:<br />

• AHV<br />

♦ Einführung einer steuerfreien Einheitsrente, die eine Grundsi<strong>ch</strong>erung im Alter<br />

gewährleisten soll. Diese Einheitsrente liegt zwis<strong>ch</strong>en der heutigen Mindestrente und der<br />

heutigen Maximalrente.<br />

♦ Von der Bankenvereinigung stammt der Vors<strong>ch</strong>lag, Rentnern mit einem Einkommen über<br />

Fr. 100'000.- die AHV zu strei<strong>ch</strong>en.<br />

♦ Flexibilisierung oder Erhöhung des Rentenalters.<br />

♦ Privatisierung der AHV.<br />

• Aufhebung des Obligatoriums der 2. Säule<br />

Fakultativer Erwerb zusätzli<strong>ch</strong>er Leistungen zur AHV – Einheitsrente bei freier Wahl der<br />

Versi<strong>ch</strong>erungsform und der Versi<strong>ch</strong>erungshöhe gemäss den eigenen Ansprü<strong>ch</strong>en.<br />

• Privatisierung der Arbeitslosenversi<strong>ch</strong>erung<br />

Au<strong>ch</strong> hier gibt es Vors<strong>ch</strong>läge einer Einheitsrente für Arbeitslose, darüber hinausgehende<br />

Ansprü<strong>ch</strong>e müssten am privaten Versi<strong>ch</strong>erungsmarkt gedeckt werden.<br />

• Obligatoris<strong>ch</strong>e Versi<strong>ch</strong>erung des Existenzminimums<br />

„Extremisten“ fordern gar eine Auszahlung aller bisher geleisteten Lohnabzüge.<br />

Obligatoris<strong>ch</strong> versi<strong>ch</strong>ert soll nur no<strong>ch</strong> das Existenzminimum werden, der Rest soll der<br />

Selbstverantwortung überlassen werden.<br />

Neugestaltung der Finanzierungsseite:<br />

• Umstellung auf Kapitaldeckungsverfahren<br />

Krise beim Umlageverfahren (auf Grund der demografis<strong>ch</strong>en Entwicklung) soll dur<strong>ch</strong> eine<br />

Verstärkung bzw. dur<strong>ch</strong> Ersatz dur<strong>ch</strong> das Kapitaldeckungsverfahren ents<strong>ch</strong>ärft werden.<br />

Dafür wäre eine Akzentverlagerung von der ersten zur zweiten Säule notwendig oder eine<br />

s<strong>ch</strong>rittweise Verlagerung vom Umlage- zum Kapitaldeckungsverfahren bei der<br />

Finanzierung der AHV.<br />

• Finanzierung über Mehrwertsteuer oder Einkommenssteuer<br />

Künftige Aufgaben der Sozialversi<strong>ch</strong>erungen sollen vermehrt über die MWSt. oder über<br />

Einkommenssteuern statt über Lohnprozente finanziert werden. So würden au<strong>ch</strong> die<br />

rei<strong>ch</strong>en Pensionierten ihre und die Renten ihrer Generation mitbezahlen.<br />

1. Finanzierung aus Ökosteuern<br />

Als alternative Finanzierungsquelle könnte zu einer Besteuerung des Energieverbrau<strong>ch</strong>s<br />

und/oder des CO 2 -Ausstosses übergegangen werden.<br />

Das Konzept der negativen Einkommenssteuer<br />

Dem Steuertarif wird unterhalb eines gewissen Einkommens ein negativer Steuersatz<br />

angehängt, gemässe wel<strong>ch</strong>em die Betroffenen eine soziale Grundsi<strong>ch</strong>erung in Form einer<br />

staatli<strong>ch</strong>en Transferzahlung zufliesst. Die negative Einkommenssteuer hat z.B. gegenüber der<br />

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Arbeitslosenversi<strong>ch</strong>erung den Vorteil, dass au<strong>ch</strong> derjenige in den Genuss von Unterstützung<br />

kommt, der eine Arbeit hat, bei der er aber ein gewisses Mindesteinkommen ni<strong>ch</strong>t errei<strong>ch</strong>t.<br />

Dadur<strong>ch</strong> wird also ein gewisses Mindesteinkommen garantiert bei glei<strong>ch</strong>zeitiger Beibehaltung<br />

von Leistungsanreiz und Effizienz.<br />

Gegen das Konzept der negativen Einkommenssteuer werden starke Einwände erhoben. So<br />

wird die Finanzierung in Frage gestellt, hohe Grenzsteuersätze würden negative<br />

Arbeitsanreize auslösen und bedeutende Philosophen betra<strong>ch</strong>ten dieses Konzepts als<br />

„unfair“. Wenn allerdings eine negative Einkommenssteuer für den pensionierten Teil der<br />

Bevölkerung eingeführt wird, entfallen diese Einwände.<br />

EXKURS: „GESAMTSCHAU DES FINANZIELLEN MEHRBEDARFS DER SOZIALVERSICHERUNGEN“<br />

Absoluter Mehrbedarf im Jahr 2010 gegenüber 2000 wird auf über 26 Milliarden Franken<br />

ges<strong>ch</strong>ätzt, was einem Mehrbedarf von 31% entspri<strong>ch</strong>t. Dur<strong>ch</strong> den Anstieg der Einnahmen im<br />

Rahmen des allgemeinen Wirts<strong>ch</strong>aftswa<strong>ch</strong>stums werden 13 Milliarden Franken gedeckt. Die<br />

restli<strong>ch</strong>en 13 Mia Franken bleiben offen.<br />

Der AHV und der IV stehen vers<strong>ch</strong>iedene Elemente zur Deckung des Mehrbedarfs zur<br />

Verfügung. Nebst der Mehrwertsteuer wird bei der IV au<strong>ch</strong> ein Kapitaltransfer von der EO<br />

notwendig.<br />

Bei der KK wird si<strong>ch</strong> der Mehrbedarf vor allem auf die Prämien auswirken. Bei der berufli<strong>ch</strong>en<br />

Vorsorge werden die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge erhöht werden und bei der EO<br />

wird der Beitragssatz im Jahr 2008 erhöht.<br />

Ein wi<strong>ch</strong>tiges Element ist die Mehrwertsteuer. Für deren Erhöhung zu Gunsten der AHV und<br />

IV ist folgender Zeitplan vorgesehen:<br />

2005 1 Punkt für die IV<br />

2011 0.5 Punkt für die AHV<br />

2012 Kürzung um 0.4 Punkte für die IV<br />

2015 1 Punkt für die AHV<br />

Trotz allen Bemühungen wird die langsam anwa<strong>ch</strong>sende Differenz von 2010 bis 2025<br />

zwis<strong>ch</strong>en Finanzierungsbedarf und Einnahmen zu s<strong>ch</strong>liessen sein. Der grösste<br />

Handlungsbedarf besteht indessen bei der AHV.<br />

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