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Zusammenfassung VWL IUR I<br />
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AKTUELL VOLKSWIRTSCHAFTLEHRE<br />
AUSGABE 2004 /2005<br />
ZUSAMMENFASSUNG<br />
I
Zusammenfassung VWL IUR I<br />
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INHALTSVERZEICHNIS<br />
KAPITEL 1 WOMIT BESCHÄFTIGT SICH DIE VOLKSWIRTSCHAFTSLEHRE? ...................................1<br />
KAPITEL 2 DIE PREISBILDUNG ..............................................................................................6<br />
KAPITEL 3 DIE MARKTWIRTSCHAFT.....................................................................................22<br />
KAPITEL 4 DIE ERFASSUNG DER GESAMTEN WIRTSCHAFTSLEISTUNG: ...................................31<br />
DIE VOLKSWIRTSCHAFTLICHE GESAMTRECHNUNG (VGR)<br />
KAPITEL 5 DAS KONJUNKTURPHÄNOMEN: ...........................................................................43<br />
KURZFRISTIGE BETRACHTUNGEN DER WIRTSCHAFTLICHEN ENTWICKLUNG<br />
KAPITEL 6 KONJUNKTURPOLITIK .........................................................................................51<br />
KAPITEL 7 WACHSTUM: .....................................................................................................65<br />
LANGFRISTIGE BETRACHTUNG DER WIRTSCHAFTLICHEN ENTWICKLUNG<br />
KAPITEL 8 STRUKTURWANDEL ALS CHARAKTERISTIKUM WIRTSCHAFTLICHER ENTWICKLUNG ...75<br />
KAPITEL 9 GELD, GELDPOLITIK UND DAS PROBLEM DER INFLATION .......................................81<br />
KAPITEL 10 DAS PROBLEM DER ARBEITSLOSIGKEIT ..............................................................95<br />
KAPITEL 11 DAS PROBLEM DER STAATSVERSCHULDUNG .....................................................100<br />
KAPITEL 12 DAS PROBLEM DER SOZIALEN SICHERHEIT ........................................................105<br />
II
KAPITEL 1 – WOMIT BESCHÄFTIGT SICH DIE VOLKSWIRTSCHAFTSLEHRE?<br />
VWL bes<strong>ch</strong>äftigt si<strong>ch</strong> mit vielen Gebieten, generell kann man aussagen:<br />
„Die VWL bes<strong>ch</strong>äftigt si<strong>ch</strong> mit dem Problem der Knappheit“.<br />
Knappheit <strong>ch</strong>arakterisiert das Verhältnis zwis<strong>ch</strong>en den verfügbaren Mitteln und den<br />
Bedürfnissen.<br />
Von bestimmten Gütern wollen wir mehr, als wir haben, folgli<strong>ch</strong> versu<strong>ch</strong>en wir dur<strong>ch</strong> Taus<strong>ch</strong><br />
jene Güter zu erhalten, die uns mehr wert sind als das, was wir dafür hergeben müssen.<br />
Es ist also ni<strong>ch</strong>t der Gegenstand, sondern der Ansatz, der die VWL von anderen<br />
Sozialwissens<strong>ch</strong>aften unters<strong>ch</strong>eidet.<br />
Knappheit und Taus<strong>ch</strong> spielen in der VWL eine so grosse Rolle, dass man das gesamte<br />
Gebiet oft als Lehre von „Ents<strong>ch</strong>eidungen bei Knappheit“ oder als die Lehre vom Taus<strong>ch</strong><br />
bezei<strong>ch</strong>net.<br />
BEDÜRFNISSE<br />
Der Begriff Bedürfnis wird sehr weit gefasst, er umfasst einerseits die materiellen Bedürfnisse<br />
und andererseits au<strong>ch</strong> Dinge wie Wuns<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> Ma<strong>ch</strong>t, Ansehen, Si<strong>ch</strong>erheit, S<strong>ch</strong>önheit, etc.<br />
Deshalb sagen Ökonomen, dass die Bedürfnisse der Mens<strong>ch</strong>en unbegrenzt sind. Man ordnet<br />
die Bedürfnisse in vers<strong>ch</strong>ieden S<strong>ch</strong>ubladen ein; Maslow tut dies folgendermassen in der<br />
Bedürfnispyramide:<br />
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Selbstverwirkli<strong>ch</strong>ungsbedürfnisse<br />
Werts<strong>ch</strong>ätzungsbedürfnisse<br />
Soziale Bedürfnisse<br />
Si<strong>ch</strong>erheitsbedürfnisse<br />
Grundbedürfnisse<br />
Diese Bedürfnisse werden ni<strong>ch</strong>t na<strong>ch</strong>einander befriedigt, sondern der Mens<strong>ch</strong> versu<strong>ch</strong>t,<br />
mögli<strong>ch</strong>st viele Wüns<strong>ch</strong>e aus den vers<strong>ch</strong>iedenen Ebenen glei<strong>ch</strong>zeitig zu befriedigen.<br />
GÜTER<br />
Güter sind mittel zur Bedürfnisbefriedigung und meist nur begrenzt verfügbar!<br />
FREIE GÜTER: Sind von der Natur in sol<strong>ch</strong>er Menge zur Verfügung gestellt, dass sie gratis<br />
sind. Beispiel: Luft.<br />
Im Normalfall sind zu wenige Güter vorhanden, um alle Bedürfnisse zu befriedigen, wel<strong>ch</strong>e<br />
alsdann als WIRTSCHAFTLICHE GÜTER bezei<strong>ch</strong>net werden, denn sie werden – da sie<br />
knapp sind – na<strong>ch</strong>gefragt und erzielen einen Preis.<br />
Güter, wel<strong>ch</strong>e direkt der tägli<strong>ch</strong>en Bedürfnisbefriedigung dienen – also vom Mens<strong>ch</strong>en<br />
verbrau<strong>ch</strong>t werden - bezei<strong>ch</strong>nen wir als KONSUMGÜTER. Im Unters<strong>ch</strong>ied dazu nennt man<br />
Güter, wel<strong>ch</strong>e zur Herstellung der Konsumgüter notwendig sind INVESTITIONSGÜTER.<br />
Beide Kategorien gehören zu der Kategorie der SACHGÜTER. Nebst den Sa<strong>ch</strong>gütern gibt es<br />
no<strong>ch</strong> DIENSTLEISTUNGEN wel<strong>ch</strong>e vom Mens<strong>ch</strong>en nebst den Sa<strong>ch</strong>gütern zur Bedürfnis-<br />
befriedigung in Anspru<strong>ch</strong> genommen werden.<br />
1
PRODUKTIONSFAKTOREN<br />
Güter sind – in aller Regel – das Ergebnis eines Produktionsprozesses und dienen der<br />
Bedürfnisbefriedigung.<br />
Alle Mittel, die in der Produktion von Gütern eingesetzt werden, um ein Gut zu erzeugen,<br />
nennt man PRODUKTIONSFAKTOREN:<br />
Unter dem Produktionsfaktor ARBEIT verstehen wir jede produktive Tätigkeit des Mens<strong>ch</strong>en.<br />
NATÜRLICHE RESSOURCEN benötigt man z.B. in der Form von Boden und Rohmaterial und<br />
REALKAPITAL/KAPITAL in der Form von Mas<strong>ch</strong>inen, Anlagen und Gebäuden. Als vierten<br />
Produktionsfaktor kann man das WISSEN betra<strong>ch</strong>ten, wel<strong>ch</strong>em in Form des Humankapitals<br />
(Wissen, Können, Fähigkeiten und Fertigkeiten) und des te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>en Forts<strong>ch</strong>ritts eine grosse<br />
Bedeutung zukommt.<br />
Damit etwas produziert werden kann, brau<strong>ch</strong>t es immer eine Kombination dieser vier<br />
Produktionsfaktoren.<br />
Mit ihrer Hilfe bäckt man den „Wohlstandsku<strong>ch</strong>en“. Ihre Qualität & Quantität sind sehr<br />
bedeutungsvoll für die wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Entwicklung eines Landes.<br />
ARBEITSTEILUNG, TAUSCH UND GELD<br />
Ein einzelner Mens<strong>ch</strong> ist nur ein Teil eines di<strong>ch</strong>ten Netzes, in wel<strong>ch</strong>em die Individuen die<br />
Arbeit weitgehend aufgeteilt haben und si<strong>ch</strong> somit auf gewisse Tätigkeiten spezialisiert haben.<br />
Dies ist vorteilhaft, weil so jedes Individuum die Leistung erbringt, wel<strong>ch</strong>e seinen Fähigkeiten<br />
am ehesten entspri<strong>ch</strong>t. So bringt er für si<strong>ch</strong> und für die Gruppe/Gesells<strong>ch</strong>aft den grössten<br />
Beitrag zum Wohlstand. Daraus ergibt si<strong>ch</strong> die heutige Berufsteilung. Ni<strong>ch</strong>t nur die Mens<strong>ch</strong>en<br />
sondern au<strong>ch</strong> jede Unternehmung und die Natur ma<strong>ch</strong>en si<strong>ch</strong> die Vorteile der Spezialisierung<br />
zu nutzen.<br />
Arbeitsteilung und Spezialisierung ents<strong>ch</strong>ärfen das Knappheitsproblem, weil si<strong>ch</strong> dadur<strong>ch</strong> die<br />
Produktivität (=Leistung pro Stunde oder pro Arbeitskraft)) und damit das Gütervolumen<br />
erhöhen lässt.<br />
Der TAUSCH wird als notwendige Ergänzung der Arbeitsteilung betra<strong>ch</strong>tet. Taus<strong>ch</strong> ermögli<strong>ch</strong>t<br />
es einerseits beiden Taus<strong>ch</strong>partnern ihren Nutzen zu erhöhen andererseits ermögli<strong>ch</strong>t der<br />
Austaus<strong>ch</strong> von Gütern überhaupt erst die Arbeitsteilung. Was jemand eintaus<strong>ch</strong>t, ist ihm<br />
offensi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> weniger wert, als was er dafür erhält.<br />
Damit der Taus<strong>ch</strong> funktioniert, brau<strong>ch</strong>t es ein allgemein anerkanntes Zahlungsmittel, das<br />
GELD, weil ansonsten der Taus<strong>ch</strong> mit zu viel Aufwand verbunden wäre, weil man erst immer<br />
jemanden finden müsste, der das besitzt, was man gern hätte, und glei<strong>ch</strong>zeitig müsste der<br />
Taus<strong>ch</strong>partner das wollen, was man selber besitzt. Das entfällt, wenn man Geld als<br />
Verre<strong>ch</strong>nungseinheit dazwis<strong>ch</strong>en s<strong>ch</strong>altet. Geld erfüllt also die FUNKTION DES ZAHLUNGS-<br />
MITTELS wodur<strong>ch</strong> Zeit und Kosten eingespart werden können. Im Weiteren müsste in der<br />
Taus<strong>ch</strong>wirts<strong>ch</strong>aft der Preis eines Gutes in Mengen des zu taus<strong>ch</strong>enden Gutes bere<strong>ch</strong>net<br />
werden. Es gibt aber unzählige Güter wel<strong>ch</strong>e getaus<strong>ch</strong>t werden könnten, was die Sa<strong>ch</strong>e<br />
extrem verkompliziert. Dank der FUNKTION ALS RECHNUNGSEINHEIT ermögli<strong>ch</strong>t das Geld<br />
ein transparentes System von direkt verglei<strong>ch</strong>baren Preisen.<br />
Zudem lassen si<strong>ch</strong> viele Güter ni<strong>ch</strong>t lagern und verlieren an Wert oder verderben gar. Geld ist<br />
einfa<strong>ch</strong> und kostengünstig aufzubewahren und man kann es – sofern man es gerade ni<strong>ch</strong>t<br />
benötigt – über einen Vermittler demjenigen zur Verfügung stellen, der dafür die hö<strong>ch</strong>ste<br />
Ents<strong>ch</strong>ädigung (Zinsen) bietet. Geld erfüllt also au<strong>ch</strong> die FUNKTION ALS<br />
WERTAUFBEWAHRUNGMITTEL, etwa um den Konsum auf einen späteren Zeitpunkt zu<br />
vers<strong>ch</strong>ieben. Dadur<strong>ch</strong> sinken au<strong>ch</strong> die Wertaufbewahrungskosten.<br />
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2
Alle diese drei Funktionen helfen die TRANSAKTIONSKOSTEN zu senken. Unter<br />
Transaktionskosten versteht man all jene Kosten, die entstehen, wenn man ein<br />
Taus<strong>ch</strong>ges<strong>ch</strong>äft abwickeln will.<br />
Spezialisierung, verbunden mit einer weltweiten Arbeitsteilung, si<strong>ch</strong> daraus ergebende<br />
Taus<strong>ch</strong>mögli<strong>ch</strong>keiten und das ideale Zahlungsmittel Geld haben zu einer enormen Steigerung<br />
des Wohlstandes beigetragen.<br />
DER ÖKONOMISCHE ENTSCHEID UND DIE OPPORTUNITÄTSKOSTEN<br />
Arbeitsteilung, Taus<strong>ch</strong>, Geld und die dadur<strong>ch</strong> errei<strong>ch</strong>te Wohlstandssteigerung ents<strong>ch</strong>ärfen das<br />
Knappheitsproblem zwar, lösen es aber ni<strong>ch</strong>t.<br />
Bei der Bedürfnisbefriedigung müssen Mens<strong>ch</strong>en dauernd Ents<strong>ch</strong>eide treffen, uns interessiert<br />
die Frage, WIE ents<strong>ch</strong>ieden wird. Davon ausgehend, dass Mens<strong>ch</strong>en ni<strong>ch</strong>t rein zufällig<br />
ents<strong>ch</strong>eiden, sondern ihrem Handeln gewisse Regeln zugrunde legen, nehmen wir an, dass<br />
man unter vers<strong>ch</strong>iedenen Mögli<strong>ch</strong>keiten jene wählt, die man für die beste hält, d.h., dass man<br />
mit seinem Ents<strong>ch</strong>eid seinen Nutzen maximieren will und si<strong>ch</strong> dementspre<strong>ch</strong>end verhält.<br />
Der „homo oeconomicus“ ents<strong>ch</strong>eidet also so, dass er in einer gegebenen Situation – unter<br />
der Berücksi<strong>ch</strong>tigung seiner Mittel – jene Mögli<strong>ch</strong>keit wählt, die seinen Nutzen maximiert.<br />
Er kann dabei 2 Strategien anwenden, wel<strong>ch</strong>e wir als Handeln na<strong>ch</strong> dem ÖKONOMISCHEN<br />
PRINZIP bezei<strong>ch</strong>nen:<br />
• Minimumprinzip = Er versu<strong>ch</strong>t seine Bedürfnisse mit mögli<strong>ch</strong>st geringem Einsatz an<br />
Mitteln zu befriedigen.<br />
• Maximumprinzip = Er versu<strong>ch</strong>t mit den gegebenen Mitteln eine mögli<strong>ch</strong>st hohe<br />
Bedürfnisbefriedigung zu errei<strong>ch</strong>en.<br />
Der homo oeconomicus ist prinzipiell ungesättigt, verfolgt mehrere Ziele, versu<strong>ch</strong>t glei<strong>ch</strong>zeitig<br />
mehrere Bedürfnisse zu befriedigen und will deshalb vielerlei Güter besitzen. Je grösser seine<br />
Besitzmenge eines bestimmten Gutes ist, umso geringer s<strong>ch</strong>ätzt er eine zusätzli<strong>ch</strong>e Einheit.<br />
Er nutzt jede Chance, sein Wohlergehen zu vermehren, er su<strong>ch</strong>t überall aktiv und unermüdli<strong>ch</strong><br />
seinen eigenen Vorteil. Wie das Wasser wei<strong>ch</strong>t er allen Hindernissen aus und su<strong>ch</strong>t immer<br />
den kürzesten Weg zum Ziel. Er bleibt „cool“, überlegt, kalkuliert und handelt zweckgeri<strong>ch</strong>tet.<br />
Beim homo oeconomicus handelt es si<strong>ch</strong> um ein Modell, das von individuellen<br />
Persönli<strong>ch</strong>keitsmerkmalen absieht. Wie alle anderen Wissens<strong>ch</strong>aften ist au<strong>ch</strong> die VWL auf<br />
Abstraktion und Verallgemeinerung angewiesen, um die Komplexität in den Griff<br />
zubekommen. Deshalb erklärt der homo oeconomicus eben kein Individualverhalten, sondern<br />
er soll ein Dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nittsverhalten widerspiegeln, in wel<strong>ch</strong>em die wesentli<strong>ch</strong>sten<br />
Einflussfaktoren enthalten sind. Das Modell ist in gewissem Sinne gezielt unrealistis<strong>ch</strong>.<br />
Ein wi<strong>ch</strong>tiger Einflussfaktor ist das EIGENNÜTZIGE VERHALTEN, das bedeutete, dass der<br />
Mens<strong>ch</strong> si<strong>ch</strong> in der Regel na<strong>ch</strong> seinen eigenen Interessen orientiert (d.h. weder Heilige no<strong>ch</strong><br />
Verbre<strong>ch</strong>er sind). Der homo oeconomicus weiss, dass er ni<strong>ch</strong>t alleine lebt und nur in einer<br />
Gesells<strong>ch</strong>aft leben kann.<br />
Es wäre also zu einfa<strong>ch</strong>, den homo oeconomicus als vollständig rationalen Egoisten und<br />
blitzs<strong>ch</strong>nell maximierenden Automaten zu begreifen, bei dem nur das Geld zählt.<br />
In erster Linie kommt es bei dem Modell „homo oeconomicus“ auf die Erklärungskraft und die<br />
Prognosefähigkeit der Reaktionen von Mens<strong>ch</strong>en insgesamt auf Änderungen des Umfeldes<br />
an und ni<strong>ch</strong>t so sehr auf die detailgetreue Wirkli<strong>ch</strong>keitsnähe. Es dient als Arbeitshypothese.<br />
Die RATIONALE ENTSCHEIDUNG des homo oeconomicus erfordert ein Abwägen von Vor-<br />
und Na<strong>ch</strong>teilen aller vers<strong>ch</strong>iedenen Mögli<strong>ch</strong>keiten. Dieser Ents<strong>ch</strong>eid kostet zumindest den<br />
Verzi<strong>ch</strong>t auf den Nutzen der ni<strong>ch</strong>t gewählten Alternative. Diesen Verzi<strong>ch</strong>t bezei<strong>ch</strong>nen wir als<br />
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OPPORTUNITÄTSKOSTEN. Da man immer vers<strong>ch</strong>iedene Mögli<strong>ch</strong>keiten hat, beinhaltet jeder<br />
Ents<strong>ch</strong>eid Opportunitätskosten.<br />
Die wi<strong>ch</strong>tigste Erkenntnis aus dem Opportunitätskostenprinzip ist, dass ni<strong>ch</strong>ts gratis ist.<br />
Sol<strong>ch</strong>e Opportunitätskosten-Überlegungen sind für wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Ents<strong>ch</strong>iede äusserst wi<strong>ch</strong>tig<br />
weil sie der hö<strong>ch</strong>stmögli<strong>ch</strong>en Bedürfnisbefriedigung bzw. Gewinnmaximierung dienen.<br />
DIE AUFGABEN DER VWL<br />
Eine erste Aufgabe der VWL besteht im BESCHREIBEN von wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Vorgängen. Bei<br />
jeder Aussage über die Wirts<strong>ch</strong>aft stellt si<strong>ch</strong> soglei<strong>ch</strong> die Frage na<strong>ch</strong> dem Warum. Damit sind<br />
wir s<strong>ch</strong>on bei einer zweiten Aufgabe der VWL angelangt: sie muss wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Vorgänge<br />
ERKLÄREN, also Ursa<strong>ch</strong>en von Fakten aufzeigen. Darüber hinaus hat die VWL die Aufgabe,<br />
den zukünftigen Ablauf des Wirts<strong>ch</strong>aftsges<strong>ch</strong>ehens zu PROGNOSTIZIEREN.<br />
Eine wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Prognose setzt ni<strong>ch</strong>t nur Kenntnisse der Zusammenhänge voraus,<br />
sondern verlangt au<strong>ch</strong> eine S<strong>ch</strong>ätzung der erwarteten Entwicklung der Einflussfaktoren, wie<br />
z.B. der Güterna<strong>ch</strong>frage, der Löhne, des te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>en Forts<strong>ch</strong>ritts usw.<br />
Die Erkenntnisse sollen dazu dienen, die wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Entwicklung in eine bestimmte<br />
Ri<strong>ch</strong>tung zu beeinflussen. Wie soll ein Problem gelöst werden? Wel<strong>ch</strong>e Strategie wird<br />
angewendet?<br />
Fragen dieser Art sind zentral für die Wirts<strong>ch</strong>aftspolitik, ohne Erklärungsmodelle würden sie<br />
si<strong>ch</strong> im luftleeren Raum bewegen.<br />
ZIELE DER WIRTSCHAFTSPOLITIK<br />
Wel<strong>ch</strong>e Ziele sollen mit Hilfe volkswirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>er Erkenntnisse erre<strong>ch</strong>t werden?<br />
Na<strong>ch</strong> der Krise der 1930er-Jahre war die Rede vom magis<strong>ch</strong>en Dreieck, bestehend aus:<br />
• Vollbes<strong>ch</strong>äftigung<br />
• Preisstabilität<br />
• Aussenwirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>em Glei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>t<br />
Diese drei Ziele sind im Laufe der Zeit um folgende Ziele ergänzt worden:<br />
• Wirts<strong>ch</strong>aftswa<strong>ch</strong>stum<br />
• Gere<strong>ch</strong>te Einkommens- und Vermögensverteilung<br />
• Erhaltung und Verbesserung der Umweltqualität<br />
Als magis<strong>ch</strong> werden diese Ziel-Vielecke bezei<strong>ch</strong>net, weil es s<strong>ch</strong>wierig ist, all Ziele glei<strong>ch</strong>zeitig<br />
zu errei<strong>ch</strong>en. Drei Zielbeziehungen können grundsätzli<strong>ch</strong> unters<strong>ch</strong>ieden werden:<br />
• Zielharmonie = Das Anstreben des einen Zieles<br />
fördert au<strong>ch</strong> das Errei<strong>ch</strong>en eines anderen (z.B.<br />
Wirts<strong>ch</strong>aftswa<strong>ch</strong>stum und Vollbes<strong>ch</strong>äftigung).<br />
• Zielneutralität = In seltenen Fällen und meistens<br />
nur für eine begrenzte Periode kann ein Ziel<br />
angestrebt werden, ohne dass ein anderes Ziel<br />
direkt tangiert wird (z.B. Preisstabilität und<br />
Umweltqualität).<br />
• Zielkonkurrenz = Das Anstreben des einen<br />
Zieles behindert – zumindest kurzfristig – das<br />
Errei<strong>ch</strong>en eines anderen Zieles (z.B.<br />
Preisstabilität und Vollbes<strong>ch</strong>äftigung).<br />
Zielbeziehungen lassen si<strong>ch</strong> aber längst ni<strong>ch</strong>t immer unbestritten festlegen. Je na<strong>ch</strong><br />
wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>er Situation ändern si<strong>ch</strong> S<strong>ch</strong>werpunkte und es könne sogar weiter/ neue Ziele<br />
formuliert werden. Momentan stehen zwei zentrale Fragen im Raum:<br />
1. Wie können wir die Wettbewerbsfähigkeit der s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en Wirts<strong>ch</strong>aft stärken?<br />
2. Wie können wir unsere Standortattraktivität gegenüber dem Ausland steigern?<br />
Zusammenfassung VWL IUR I<br />
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Analog zu den individuellen Zielsetzung sind au<strong>ch</strong> die gesamtwirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Zielsetzungen<br />
von Opportunitätskostenüberlegungen und Austaus<strong>ch</strong>beziehungen – in der Fa<strong>ch</strong>spra<strong>ch</strong>e<br />
„Trade offs“ genannt – geprägt und beeinflussen den Ents<strong>ch</strong>ied zwis<strong>ch</strong>en den verfügbaren<br />
Mögli<strong>ch</strong>keiten: Ein biss<strong>ch</strong>en weniger Arbeitslose gegen ein biss<strong>ch</strong>en weniger Preisstabilität<br />
oder mehr Wa<strong>ch</strong>stum gegen ein biss<strong>ch</strong>en weniger Umweltqualität.<br />
Die VWL hat die Aufgabe, wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Vorgänge zu bes<strong>ch</strong>reiben, zu erklären, zu<br />
prognostizieren und zielgeri<strong>ch</strong>tet zu beeinflussen. Dabei spielen<br />
Opportunitätskostenüberlegungen, Zielkonkurrenzen und Austaus<strong>ch</strong>beziehungen (Trade off)<br />
eine wi<strong>ch</strong>tige Rolle.<br />
ANREIZE UND IHRE WIRKUNG<br />
Um zu beeinflussen benötigt man geeignete Instrumente. Sol<strong>ch</strong>e Instrumente sind die<br />
Werkzeuge, wel<strong>ch</strong>e den Wirts<strong>ch</strong>aftspolitikern zur Verfügung stehen. Der wirts<strong>ch</strong>aftspolitis<strong>ch</strong>e<br />
Werkzeugkasten bietet eine grosse Auswahl an; je na<strong>ch</strong> Art des „Defektes“ sind andere<br />
Werkzeuge zur „Reparatur“ geeignet.<br />
(Bsp. aus dem Inventar des Werkzeugkastens: Mehrwertsteuer, internationale<br />
Handelsabkommen, Zinspolitik, Arbeitslosenversi<strong>ch</strong>erung, Preisüberwa<strong>ch</strong>ung, Kartellverbote,<br />
Investitionsprogramme, etc.)<br />
ABER: Der Mens<strong>ch</strong> ist keine Mas<strong>ch</strong>ine, er lässt si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t so einfa<strong>ch</strong> steuern. Erinnern wir uns<br />
daran, dass der homo oeconomicus stets aktiv na<strong>ch</strong> seinem eigenen Vorteil strebt, dass er<br />
sehr erfinderis<strong>ch</strong> dabei ist und Hindernissen auswei<strong>ch</strong>t. Das ma<strong>ch</strong>t ihn zwar glei<strong>ch</strong>zeitig<br />
extrem empfängli<strong>ch</strong> für Anreize, aber seine Handlungsmögli<strong>ch</strong>keiten sind von einer kaum<br />
erfassbaren Vielfalt.<br />
Deshalb sind regulatoris<strong>ch</strong>e Eingriffe oft von unerwüns<strong>ch</strong>ten oder gar kontraproduktiven<br />
Nebeneffekten begleitet (Bsp. als die Sackgebühr eingeführt wurde, Steuererhöhungen).<br />
Mens<strong>ch</strong> ist keine blosse Reiz-Reaktions-Mas<strong>ch</strong>ine.<br />
Das unermüdli<strong>ch</strong>e Streben des homo oeconomicus na<strong>ch</strong> seinem eigenen Vorteil ma<strong>ch</strong>t ihn<br />
besonders empfängli<strong>ch</strong> für Anreize. Allerdings sind politis<strong>ch</strong>e Steuerungsversu<strong>ch</strong>e immer von<br />
ungewissen Nebeneffekten begleitet.<br />
Vermutli<strong>ch</strong> verfolgen Sie persönli<strong>ch</strong> gerade mehrere Ziele und wollen vers<strong>ch</strong>ieden Bedürfnisse<br />
befriedigen. Der Ents<strong>ch</strong>eid für Ihre jetzige Ausbildung war glei<strong>ch</strong>zeitig ein Ents<strong>ch</strong>eid gegen<br />
eine andere Ausbildung oder Tätigkeit. Sol<strong>ch</strong>e Austaus<strong>ch</strong>beziehungen („Trade offs“) prägen<br />
die ökonomis<strong>ch</strong>e Wahlhandlung.<br />
Der homo oeconomicus stellt seinen Ents<strong>ch</strong>eid jederzeit zur Disposition. Anreize werden<br />
dur<strong>ch</strong> Unters<strong>ch</strong>iede gesetzt und Verhaltensänderungen dur<strong>ch</strong> Veränderungen dieser<br />
Unters<strong>ch</strong>iede ausgelöst. Grundsätzli<strong>ch</strong> kann jede Einflussgrösse eine Revision eines<br />
Ents<strong>ch</strong>eides bewirken, wenn die Veränderung nur genügend gross ist.<br />
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KAPITEL 2 – DIE PREISBILDUNG<br />
DIE NACHFRAGE: GRUNDLAGE DES KAUFENTSCHEIDES<br />
Die na<strong>ch</strong>gefragt Menge eines Gutes wird dur<strong>ch</strong> folgende Faktoren bestimmt:<br />
• Der Preis ist für den Kaufents<strong>ch</strong>eid wi<strong>ch</strong>tig<br />
• Die Nutzenvorstellung, die man mit einem Gut verbindet<br />
• Das Einkommen, wel<strong>ch</strong>es einem finanzielle Grenzen setzt<br />
• Die Erwartungen für die Zukunft<br />
Die Na<strong>ch</strong>frage ist von einer Vielzahl von Einflussgrössen abhängig.<br />
Die Wirkungen der einzelnen Einflussfaktoren können wir nur erkennen, wenn wir sie einzeln<br />
betra<strong>ch</strong>ten. Wie arbeiten deshalb mit der Annahme, dass si<strong>ch</strong> nur ein Faktor verändert und<br />
alles andere glei<strong>ch</strong> bleibt. Diese Annahme wird in der ökonomis<strong>ch</strong>en Analyse sehr häufig<br />
benutzt, man verwendet dafür den lateinis<strong>ch</strong>en Ausdruck „ceteris paribus“.<br />
Betra<strong>ch</strong>ten wir zunä<strong>ch</strong>st einen der wesentli<strong>ch</strong>sten Einflussfaktoren: den Preis.<br />
Die Frage, die wir uns stellen, lautete also: Wie verändert si<strong>ch</strong> die na<strong>ch</strong>gefragte Menge eines<br />
Gutes, wenn si<strong>ch</strong> der Preis dieses Gutes verändert?<br />
Die Erfahrung zeigt, dass die na<strong>ch</strong>gefragte Menge eines Gutes in der Regel mit sinkendem<br />
Preis – ceteris paribus – zunimmt und umgekehrt mit steigendem Preis abnimmt.<br />
Graphis<strong>ch</strong> kann die Na<strong>ch</strong>frage in einem Preis-Mengen-Diagramm dargestellt werden.<br />
Die Na<strong>ch</strong>fragekurve zeigt, wel<strong>ch</strong>e Menge die<br />
Na<strong>ch</strong>frager zu unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>e Preisen zu kaufen<br />
bereit sind.<br />
Bei P1 ist der Preis so ho<strong>ch</strong>, dass es keine<br />
Na<strong>ch</strong>frage na<strong>ch</strong> dem Gut mehr gibt.<br />
M1 zeigt die Menge des Gutes, die selbst dann<br />
Übers<strong>ch</strong>ritten wird, wenn man es ges<strong>ch</strong>enkt<br />
Bekäme (=Sättigungsmenge).<br />
Dieses Verhalten leu<strong>ch</strong>tet wohl ein, denno<strong>ch</strong> wollen wir die Begründung dafür ans<strong>ch</strong>auen:<br />
1. Sobald der Preis eines Gutes steigt, sind Sie versu<strong>ch</strong>t, dieses Gut dur<strong>ch</strong> andere zu<br />
ersetzen (Substitutionseffekt). Zudem werden Sie gezwungen, ihre Ausgabenstruktur zu<br />
überdenken, weil Sie bei steigenden Preisen aber glei<strong>ch</strong> bleibendem Einkommen ein<br />
wenig ärmer werden (Einkommenseffekt).<br />
2. Je mehr man von einem Gut s<strong>ch</strong>on besitzt, desto weniger s<strong>ch</strong>ätzt man eine zusätzli<strong>ch</strong>e<br />
Einheit dieses Gutes. Diesen Nutzen, den die zuletzt konsumierte Einheit stiftet, nenn man<br />
Grenznutzen. Da der Grenznutzen eines Gutes bei zunehmender Menge abnimmt, will der<br />
Na<strong>ch</strong>frager immer weniger dafür bezahlen, je mehr er bereits davon besitzt. Man<br />
bezei<strong>ch</strong>net diese Tatsa<strong>ch</strong>e als das erste Gossens<strong>ch</strong>e Gesetz: Das Gesetz vom<br />
abnehmenden Grenznutzen.<br />
Der Na<strong>ch</strong>frager verglei<strong>ch</strong>t also ständig den Preis eines Gutes mit dem Grenznutzen der<br />
jeweiligen Einheit und konsumiert so viel (bzw. so lange) bis der Grenznutzen der letzten<br />
Einheit gerade no<strong>ch</strong> seinem Preis entspri<strong>ch</strong>t. Die Na<strong>ch</strong>fragekurve ist deshalb ni<strong>ch</strong>ts<br />
anderes als die Grenznutzenkurve.<br />
3. Der Preis zeigt immer das Taus<strong>ch</strong>verhältnis von Gütereinheiten. Er gibt an, wel<strong>ch</strong>e Menge<br />
eines Gutes aufgegeben werden muss, um eine Einheit eines anderen Gutes zu erhalten<br />
(Opportunitätskostenprinzip).<br />
6
Güter erhalten also ihren Preis, indem sie auf andere Güter bezogen werden man spri<strong>ch</strong>t<br />
deshalb von relativen Preisen.<br />
Solange pro aufgewendeter Geldeinheit der Grenznutzen einer Einheit eines Gutes höher<br />
ist als der eines anderen, erhöht der homo oeconomicus den Grenznutzen dur<strong>ch</strong><br />
Ums<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tung der Na<strong>ch</strong>frage von einem Gut auf ein anderes. Das Maximum ist dann<br />
errei<strong>ch</strong>t, wenn der Grenznutzen pro Geldeinheit in allen Verwendungsri<strong>ch</strong>tungen glei<strong>ch</strong><br />
gross ist. Dies ist die Aussage des zweiten Gossens<strong>ch</strong>en Gesetzes: Das Gesetz vom<br />
Ausglei<strong>ch</strong> der Grenznutzen.<br />
DIE VERSCHIEBUNG DER NACHFRAGEKURVE<br />
Man unters<strong>ch</strong>eidet zwis<strong>ch</strong>en Vers<strong>ch</strong>iebungen auf der Kurve und Vers<strong>ch</strong>iebungen der Kurve!<br />
Wenn zum Beispiel Autos teurer geworden sind, könnte dies zu einer Re<strong>ch</strong>tsvers<strong>ch</strong>iebung der<br />
Na<strong>ch</strong>fragekurve für Motorräder führen. Diese Begründung ist dann zutreffend, wenn man<br />
davon ausgeht, dass Autos dur<strong>ch</strong> Motorräder ersetzt werden können.<br />
Güter, mit denen man andere Güter ersetzen kann, nennt man Substitutionsgüter.<br />
Unbestreitbar Substitutionsgüter sind etwa Butter und Margarine, Zucke und künstli<strong>ch</strong>er<br />
Süssstoff, Henniez und Valser.<br />
Wie müssten si<strong>ch</strong> die Preise von Sturzhelmen, Lederkombis und anderen Zubehören<br />
verändert haben, um einen Re<strong>ch</strong>tsvers<strong>ch</strong>iebung der Na<strong>ch</strong>fragekurve von Motorrädern zu<br />
bewirken?<br />
Ri<strong>ch</strong>tig, sie müssten gesunken sein. Bei den angeführten Beispielen handelt es si<strong>ch</strong> um<br />
Komplementärgüter. Als Komplementärgüter bezei<strong>ch</strong>net man also Güter, die si<strong>ch</strong> ergänzen<br />
und deshalb zusammengehören. Beispiele dafür sind Pfeife und Tabak, Autos und Reifen.<br />
Verwe<strong>ch</strong>seln Sie keinesfalls einen Bewegung auf der Na<strong>ch</strong>fragekurve mit einer Vers<strong>ch</strong>iebung<br />
der Na<strong>ch</strong>fragekurve. Eine Bewegung auf der Kurve stellt si<strong>ch</strong> dann ein, wenn si<strong>ch</strong> der Preis<br />
verändert, alles andere aber glei<strong>ch</strong> bleibt. Eine Vers<strong>ch</strong>iebung der Kurve ergibt si<strong>ch</strong> hingegen,<br />
wenn si<strong>ch</strong> ein anderer Faktor (z.B. das Einkommen) verändert, wel<strong>ch</strong>er der Na<strong>ch</strong>fragekurve<br />
zugrunde liegt.<br />
Gründe für einen Re<strong>ch</strong>tsvers<strong>ch</strong>iebung: Gründe für eine Linksvers<strong>ch</strong>iebung:<br />
● Höhere Nutzeneins<strong>ch</strong>ätzung ● Tiefere Nutzeneins<strong>ch</strong>ätzung<br />
● Steigende Preise von Substitutionsgütern ● Sinkende Preise von Substitutionsgütern<br />
● Sinkende Preise von Komplementärgütern ● Steigende Preise von Komplementärgütern<br />
● Höheres Einkommen ● Tieferes Einkommen<br />
● Erwartet Preissteigungen ● Erwartete Preissenkungen<br />
Zusammenfassung VWL IUR I<br />
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DAS ANGEBOT: GRUNDLAGE DES VERKAUFENTSCHEIDES<br />
Das Angebot eines Gutes wird dur<strong>ch</strong> folgende Faktoren bestimmt:<br />
• Der Preis, wel<strong>ch</strong>en man für ein Gut erhält, ist für die Produktionsmenge ents<strong>ch</strong>eidend<br />
• Die Kosten der Produktion<br />
• Die Te<strong>ch</strong>nologie, da sie die Kosten beeinflusst<br />
• Der Staat, dur<strong>ch</strong> die Höhe der Steuerlast<br />
WIE VERÄNDERT EIN PRODUZENT SEIN ANGEBOT, WENN SICH DER PREIS DIESES<br />
GUTES VERÄNDERT?<br />
Bevor wir uns dieser Frage stellen, müssen wir einige Vorfragen klären.<br />
Für die Menge des Angebotes spielt – wie bereits festgehalten – der Verlauf der Kosten bei<br />
steigender Produktion eine zentrale Rolle. Um den Kostenverlauf zu erklären, müssen wir<br />
vorerst den Zusammenhang zwis<strong>ch</strong>en dem Produktionsergebnis (=Output) und den dafür<br />
erforderli<strong>ch</strong>en Produktionsfaktoren (=Input) ergründen: Wie verändert si<strong>ch</strong> der Output, wenn<br />
ein Inputfaktor – bei Konstanz aller übrigen Inputs – vergrössert wird?<br />
Stellen wir uns einen Landwirt auf einem kleinen Hof ohne Angestellte vor. Seine Produktion<br />
je Arbeitsstunde ist gering, da er viel Zeit für Arbeitswege brau<strong>ch</strong>t und au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t in allen<br />
Arbeiten glei<strong>ch</strong> ges<strong>ch</strong>ickt ist. Die Produktionsleistung steigt, wenn er einen zusätzli<strong>ch</strong>en<br />
Arbeiter einstellt. Zu zweit können ihre Arbeit so aufteilen, dass jeder das tut, wofür er am<br />
besten geeignet ist, und dass mögli<strong>ch</strong>st wenig Zeit mit Arbeitswegen und der Umstellung von<br />
einer Arbeit auf die andere verloren geht. Die produzierte Menge pro Arbeitsstunde<br />
(=Grenzertrag) steigt deshalb überproportional.<br />
Wie entwickelt si<strong>ch</strong> die Produktion, wenn er 2, 3, 4, … 100 Arbeiter bes<strong>ch</strong>äftigt?<br />
Es ist klar, es ist nur eine Frage der Zeit, bis der zusätzli<strong>ch</strong>e Angestellte weniger zur<br />
Produktionssteigerung beiträgt als der vorher eingestellte (der Grenzertrag sinkt).<br />
Bei 100 Angestellten kann die Produktion sogar kleiner werden, weil si<strong>ch</strong> die Arbeiter<br />
gegenseitig auf den Füssen stehen.<br />
Dieses Phänomen wird als Ertragsgesetz bezei<strong>ch</strong>net: Versu<strong>ch</strong>t man aus einem begrenzten<br />
Stück Land zusätzli<strong>ch</strong>e Erträge dur<strong>ch</strong> den zusätzli<strong>ch</strong>en Einsatz von Arbeitskräften zu erzielen,<br />
sinkt der Produktionszuwa<strong>ch</strong>s ab einer bestimmten Einsatzmenge und kann sogar negativ<br />
werden.<br />
Ertragsgesetz:<br />
Wird der Einsatz eines Produktionsfaktors bei Konstanz der Menge der übrigen Faktoren<br />
erhöht, so nimmt der Output (Ertrag) zunä<strong>ch</strong>st mit steigenden, dann mit fallenden<br />
Grenzerträgen zu, bis s<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> der Output sinkt, der Grenzertrag also negativ wird.<br />
Abnehmende Grenzerträge ma<strong>ch</strong>en si<strong>ch</strong> eigentli<strong>ch</strong> auf jedem Gebiet bemerkbar.<br />
Aus dem dargestellten Verlauf des Ertrages lassen si<strong>ch</strong> Kosten ableiten.<br />
Bevor au<strong>ch</strong> nur die eine Einheit eines Gutes hergestellt ist, fallen bereits Kosten an (z.B.<br />
Kapitalzinsen, Miete oder Pa<strong>ch</strong>t). Diese Kosten bezei<strong>ch</strong>net man als Fixkosten. Fix, weil sie<br />
unabhängig von der produzierten Gütermenge anfallen. Diese Kosten sind in der Regel nur im<br />
kurzfristigen Berei<strong>ch</strong> fix. Langfristig können sie si<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong>aus verändern, z.B. dur<strong>ch</strong> den<br />
Ausbau der Produktionshalle.<br />
Variable Kosten hängen hingegen unmittelbar von der Höhe der Produktionsmenge ab,<br />
Beispiele dafür sind Löhne und Rohmaterialkosten.<br />
Solange im Berei<strong>ch</strong> steigender Grenzerträge produziert wird, wird der Zuwa<strong>ch</strong>s der<br />
Totalkosten immer kleiner, die Totalkostenkurve wird also fla<strong>ch</strong>er.<br />
Das heisst ni<strong>ch</strong>ts anderes, als dass die Grenzkosten, die zusätzli<strong>ch</strong>en Kosten je zusätzli<strong>ch</strong>e<br />
Einheit, fallen.<br />
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Mit dem Übergang zu abnehmenden Grenzerträgen, beim Wendepunkt der Totalkostenkurve,<br />
beginnen die Grenzkosten zu steigen, die Totalkostenkurve wird steiler.<br />
Steigende Grenzkosten korrespondieren also mit fallenden Grenzerträgen – und umgekehrt.<br />
Wieviel Stück eines Produktes würden sie anbieten, wenn Sie einen Preis von Fr. 400.- für<br />
jedes verkaufte Stück erhalten?<br />
Solange die Stückkosten jedes zusätzli<strong>ch</strong> produzierten Gutes – die Grenzkosten – unter Fr.<br />
400.- liegen, werden Sie soviel verkaufen wollen wie nur mögli<strong>ch</strong>. Erst wenn die Grenzkosten<br />
über Fr. 400.- zu stehen kommen, lohnt si<strong>ch</strong> das Angebot ni<strong>ch</strong>t mehr.<br />
Steigt der Preis, werden Sie ihre Produktion so lange ausdehnen, bis Ihre Grenzkosten wieder<br />
dem höheren Marktpreis angepasst sind. Denn so lange, wie die zusätzli<strong>ch</strong>en Kosten unter<br />
dem Marktpreis sind, können Sie aus einer zusätzli<strong>ch</strong> verkauften Einheit einen zusätzli<strong>ch</strong>en<br />
Gewinn erzielen.<br />
Sinkt der Preis, bedeutet dies, dass Ihre Grenzkosten beim alten Produktionsniveau grösser<br />
sind als der neue Preis, deshalb werden Sie die Produktion drosseln, bis Preis und<br />
Grenzkosten wieder übereinstimmen.<br />
Die Bedingung für die Gewinnmaximierung heisst also: Preis = Grenzkosten.<br />
Aus den vorhergehenden Überlegungen folgt, dass die Angebotskurve dem steigenden Ast<br />
der Grenzkostenkurve entspri<strong>ch</strong>t.<br />
Die angebotene Menge eines Gutes<br />
steigt in der Regel mit steigenden<br />
Preisen und nimmt umgekehrt<br />
bei sinkenden Preisen ab.<br />
Die Angebotskurve zeigt, wel<strong>ch</strong>e<br />
Mengen die Anbieter zu unter-<br />
S<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>en Preisen zu verkaufen<br />
bereit sind.<br />
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9
DIE VERSCHIEBUNG DER ANGEBOTSKURVE<br />
Eine Vers<strong>ch</strong>iebung der Angebotskurve bedeutet, dass die Anbieter zum selben Preis mehr<br />
(bei einer Re<strong>ch</strong>tsvers<strong>ch</strong>iebung) oder weniger (bei einer Linksvers<strong>ch</strong>iebung) anbieten als<br />
vorher.<br />
Gründe für einen Re<strong>ch</strong>tsvers<strong>ch</strong>iebung: Gründe für eine Linksvers<strong>ch</strong>iebung:<br />
● Sinkende Faktorkosten (z.B. Zinsen) ● Steigende Faktorkosten (z.B. Löhne)<br />
● Forts<strong>ch</strong>ritte in den Produktionsverfahren ● Rücks<strong>ch</strong>ritte in den Produktionsverfahren<br />
● Positive externe Einflussgrössen ● Negative externe Einflussgrössen<br />
(z.B. gut Weinernte infolge des s<strong>ch</strong>önen (z.B. Produktionsausfall infolge von<br />
Wetters) Streiks)<br />
● Staatli<strong>ch</strong>e, kostensenkende Massnahmen ● Staatli<strong>ch</strong>e, kostensteigernde Massnahmen<br />
(z.B. Zollreduktion) (z.B. Steuererhöhungen)<br />
● Erwartete Preissteigerungen ● Erwartete Preissteigerungen<br />
Verwe<strong>ch</strong>seln Sie keinesfalls eine Bewegung auf der Angebotskurve mit einer Vers<strong>ch</strong>iebung<br />
der Angebotskurve. Eine Bewegung auf der Kurve stellt si<strong>ch</strong> dann ein, wenn si<strong>ch</strong> der Preis<br />
verändert, alles andere aber glei<strong>ch</strong> bleibt.<br />
Eine Vers<strong>ch</strong>iebung der Kurve ergibt si<strong>ch</strong> hingegen, wenn si<strong>ch</strong> ein anderer Faktor (z.B. die<br />
Rohstoffkosten) verändert, wel<strong>ch</strong>er der Angebotskurve zugrunde liegt.<br />
DIE REAKTION AUF PREIS- UND EINKOMMENSÄNDERUNGEN<br />
Wann sind die Einnahmen am hö<strong>ch</strong>sten, bei den „übli<strong>ch</strong>en“ Preisen, bei Preiserhöhungen<br />
oder bei Preissenkungen?<br />
Das Ausmass der Reaktion einer abhängigen Variablen auf die Veränderung einer<br />
unabhängigen Variablen nennt man Elastizität:<br />
Die Elastizität setzt die prozentuale Veränderung einer Grösse (der abhängigen Variablen) ins<br />
Verhältnis zur prozentualen Veränderung einer anderen Grösse (der unabhängigen<br />
Variablen).<br />
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Veränderung der abhängigen Variablen in %<br />
Elastizität = ---------------------------------------------------------------------------<br />
Veränderung der unabhängigen Variablen in %<br />
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Das Elastizitätskonzept ist ganz allgemein auf die Messung der Reaktion einer Grösse infolge<br />
der Veränderung einer anderen Grösse ausgelegt. Es lässt si<strong>ch</strong> auf die vers<strong>ch</strong>iedensten<br />
Situationen anwenden, wir wollen im Folgenden drei spezielle Elastizitäten unter die Lupe<br />
nehmen.<br />
DIE REAKTION DES NACHFRAGERS AUF PREISÄNDERUNGEN<br />
Die Preiselastizität der Na<strong>ch</strong>frage: Sie misst, die relative Änderung der na<strong>ch</strong>gefragten Menge<br />
infolge einer relativen Änderung des Preises:<br />
Veränderung der na<strong>ch</strong>gefragten Menge in %<br />
Preiselastizität der Na<strong>ch</strong>frage = ---------------------------------------------------------------------------<br />
Veränderung des Preises in %<br />
Fall 1: Preiselastizität der Na<strong>ch</strong>frage grösser als Eins<br />
Wir gehen von der folgenden Kurve aus:<br />
Ein Ticket kostet im folgenden Beispiel<br />
40 Fr. Nun bere<strong>ch</strong>nen wir die Elastizität<br />
bei einer Preissenkung auf 30 Fr.<br />
50 %<br />
-------------- = - 2<br />
- 25 %<br />
Da die Na<strong>ch</strong>fragekurve negativ geneigt ist,<br />
muss au<strong>ch</strong> die Preiselastizität negativ<br />
sein.<br />
Meistens lässt man allerdings das negative<br />
Vorzei<strong>ch</strong>en weg.<br />
Ist die Elastizität grösser als 1, spre<strong>ch</strong>en<br />
wir von einer elastis<strong>ch</strong>en Na<strong>ch</strong>frage, weil<br />
eine Preisänderung zu einer<br />
überproportionalen Änderung der na<strong>ch</strong>gefragten menge führt.<br />
Das mit „+“ bezei<strong>ch</strong>net Re<strong>ch</strong>teck, wel<strong>ch</strong>es der Zunahme der Einnahmen des Fussballvereins<br />
bzw. der Ausgaben der Zus<strong>ch</strong>auer entspri<strong>ch</strong>t, ist grösser als das mit „-“ bezei<strong>ch</strong>nete Re<strong>ch</strong>teck,<br />
wel<strong>ch</strong>es die Abnahme der Einnahmen des Vereins bzw. der Ausgaben der Zus<strong>ch</strong>auer<br />
darstellt.<br />
Fall 2: Preiselastizität der Na<strong>ch</strong>frage kleiner als Eins<br />
Wir gehen von der folgenden Kurve aus:<br />
Ein Ticket kostet im folgenden Beispiel<br />
20 Fr. Nun bere<strong>ch</strong>nen wir die Elastizität bei<br />
einer Preissenkung auf 10 Fr.<br />
25 %<br />
-------------- = - 0.5<br />
- 50 %<br />
Ist die Elastizität kleiner als 1, spre<strong>ch</strong>en wir<br />
von einer unelastis<strong>ch</strong>en Na<strong>ch</strong>frage, weil<br />
Zusammenfassung VWL IUR I<br />
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eine Änderung des Preises zu einer unter-<br />
proportionalen Änderung der na<strong>ch</strong>gefragten<br />
Menge führt.<br />
Aus diesen zwei Fällen lässt si<strong>ch</strong> die Erkenntnis ziehen, dass die Preiselastizität bei einer<br />
linearen Na<strong>ch</strong>fragekurve in jedem Punkt unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong> ist. Eine lineare Na<strong>ch</strong>fragekurve hat<br />
zwar überall dieselbe Steigung, aber das Verhältnis von Preis zu Menge ist in jedem Punkt<br />
unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>.<br />
Nun führen wir no<strong>ch</strong> zwei Extremfälle auf:<br />
• Vollkommen unelastis<strong>ch</strong> nennen wir die Na<strong>ch</strong>frage, wenn sie überhaupt ni<strong>ch</strong>t auf<br />
Preisänderungen reagiert. In diesem Fall verläuft die Na<strong>ch</strong>fragekurve parallel zur<br />
Preisa<strong>ch</strong>se. Die Elastizität hat überall den Wert null.<br />
• Das andere Extrem ist die vollkommen elastis<strong>ch</strong>e Na<strong>ch</strong>frage. Bei ihr hat die Preiselastizität<br />
den Wert unendli<strong>ch</strong>. Die Na<strong>ch</strong>fragekurve verläuft parallel zur Mengea<strong>ch</strong>se<br />
WOVON IST DIE PREISELASTIZITÄT DER NACHFRAGE ABHÄNGIG?<br />
1. Die Preiselastizität hängt von der Mögli<strong>ch</strong>keit der Substitution dieses Gutes dur<strong>ch</strong> andere<br />
Güter ab: Je mehr Substitute zur Verfügung stehen, desto höher ist die Preiselastizität der<br />
Na<strong>ch</strong>frage.<br />
2. Sie hängt ents<strong>ch</strong>eidend von der Wi<strong>ch</strong>tigkeit des Produktes ab: Je wi<strong>ch</strong>tiger<br />
(lebensnotwendiger) ein Produkt ist, desto weniger kann und will man darauf verzi<strong>ch</strong>ten,<br />
desto geringer ist deshalb die Preiselastizität der Na<strong>ch</strong>frage.<br />
3. Die Elastizität hängt au<strong>ch</strong> vom Anteil der Ausgaben für dieses Gut am Haushaltsbudget<br />
ab: Je geringer dieser Anteil, desto geringer die Preiselastizität.<br />
4. S<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> ist der Zeitaspekt von zentraler Bedeutung: Je länger die betra<strong>ch</strong>tete<br />
Zeitperiode, desto höher ist die Preiselastizität der Na<strong>ch</strong>frage. Der Grund dafür ist, dass<br />
die Su<strong>ch</strong>e na<strong>ch</strong> mögli<strong>ch</strong>en Substituten eine gewisse Zeit in Anspru<strong>ch</strong> nimmt.<br />
WELCHE BEDEUTUNG HAT DIE PREISELASTIZITÄT DER NACHFRAGE?<br />
Die Preiselastizität der Na<strong>ch</strong>frage ist ein zentraler Faktor für die Preispolitik der<br />
Unternehmungen.<br />
Den ri<strong>ch</strong>tigen Preis zu setzen, bereitet den Ents<strong>ch</strong>eidungsträgern oft grosses Kopfzerbre<strong>ch</strong>en.<br />
Der Preis ist letztli<strong>ch</strong> das S<strong>ch</strong>lüsselinstrument: verlangt das Unternehmen zuviel, laufen die<br />
Kunden weg, verlangt es zu wenig, werden Erträge vers<strong>ch</strong>enkt.<br />
DIE REAKTION DES ANBIETERS AUF PREISÄNDERUNGEN<br />
Die Preiselastizität des Angebots misst die relative Änderung der angebotenen Menge infolge<br />
einer relativen Änderung des Preises:<br />
Veränderung der angebotenen Menge in %<br />
Preiselastizität der Angebots = ---------------------------------------------------------------------------<br />
Veränderung des Preises in %<br />
Bei gut haltbaren, lagerfähigen Produkten (z.B. Konserven) reagiert das Angebot auf<br />
Preisänderungen elastis<strong>ch</strong> (Preiselastizität des Angebots grösser als 1). Ebenso bei Gütern,<br />
die bei Bedarf ras<strong>ch</strong> in beliebiger Menge hergestellt werden können (z.B. Büroklammern).<br />
Je weniger lagerfähig ein Produkt ist (z.B. Erdbeeren) und je weniger si<strong>ch</strong> die Produktion<br />
steuern lässt (z.B. Boden), desto unelastis<strong>ch</strong>er ist die Preiselastizität<br />
Zusammenfassung VWL IUR I<br />
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Im kurzfristigen Fall (z.B. fris<strong>ch</strong>e Fis<strong>ch</strong>e an einem bestimmten Tag) kann das Angebot nur<br />
s<strong>ch</strong>wer oder gar ni<strong>ch</strong>t variiert werden. Die Elastizität ist deshalb Null.<br />
Im langfristigen Fall aber ist ni<strong>ch</strong>t nur eine Anpassung des Angebots mögli<strong>ch</strong>, sondern au<strong>ch</strong><br />
der Eintritt oder Austritt von Anbietern. Je länger der Beoba<strong>ch</strong>tungszeitraum ist, desto höher<br />
ist deshalb die Elastizität des Angebots.<br />
DIE REAKTION DES NACHFRAGERS AUF EINKOMMENSÄNDERUNGEN<br />
Die Einkommenselastizität der Na<strong>ch</strong>frage gibt an, um wie viel si<strong>ch</strong> die Na<strong>ch</strong>frage na<strong>ch</strong> einem<br />
Gut prozentual ändert, wenn si<strong>ch</strong> das Einkommen ändert.<br />
Veränderung der na<strong>ch</strong>gefragten Menge in %<br />
Einkommenselastizität = ---------------------------------------------------------------------------<br />
Veränderung des Einkommens in %<br />
Dabei können wir grundsätzli<strong>ch</strong> vier Fälle unters<strong>ch</strong>eiden:<br />
1. Einkommenselastizität glei<strong>ch</strong> Null<br />
Bewegt si<strong>ch</strong> die Na<strong>ch</strong>frage auf Einkommensänderungen überhaupt ni<strong>ch</strong>t, dann ist die<br />
Einkommenselastizität glei<strong>ch</strong> Null. Die Na<strong>ch</strong>frage na<strong>ch</strong> Salz oder na<strong>ch</strong> Toilettenpapier<br />
beispielsweise wird si<strong>ch</strong> bei steigendem oder sinkendem Einkommen kaum verändern.<br />
2. Einkommenselastizität zwis<strong>ch</strong>en Null und Eins<br />
Bei „normalen“ Gütern ist die Einkommenselastizität positiv, aber kleiner oder glei<strong>ch</strong> Eins.<br />
Mit steigendem Einkommen steigt zwar au<strong>ch</strong> die Na<strong>ch</strong>frage, do<strong>ch</strong> bestenfalls im<br />
Verhältnis zur Einkommenssteigerung, z.B. Nahrungsmittel, Bekleidung.<br />
3. Einkommenselastizität grösser als Eins<br />
Bei Luxusgütern ist die Einkommenselastizität grösser als Eins, d.h. die Na<strong>ch</strong>frage<br />
verändert si<strong>ch</strong> prozentual stärker als das Einkommen. Beispiele für sol<strong>ch</strong>e Güter sind<br />
Reisen, S<strong>ch</strong>muck, Gesundheitspflege, Unterhaltung.<br />
4. Einkommenselastizität kleiner als Null<br />
S<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> kommt es au<strong>ch</strong> vor, dass mit steigendem Einkommen die Na<strong>ch</strong>frage na<strong>ch</strong><br />
einem Gut zurückgeht. Sol<strong>ch</strong>e Güter nennt man inferiore Güter. Paradebeispiel dafür<br />
sind Grundnahrungsmittel wie Bohnen oder Kartoffeln.<br />
So stark ein Unternehmer im Aufs<strong>ch</strong>wung profitieren kann, wenn die Einkommenselastizität<br />
na<strong>ch</strong> seinem Gut höher als Eins ist, so stark leidet er in einer Abs<strong>ch</strong>wungphase.<br />
DAS ZUSAMMENWIRKEN VON ANGEBOT UND NACHFRAGE<br />
Nun wollen wir Angebot und Na<strong>ch</strong>frage zusammenführen.<br />
Das Marktangebot ergibt si<strong>ch</strong> aus der Zusammenfassung aller Angebotskurven derjenigen,<br />
die auf diesem Markt als Anbieter auftreten.<br />
Die Marktna<strong>ch</strong>frage ist ni<strong>ch</strong>ts anderes als eine Zusammenfassung aller Na<strong>ch</strong>fragekurven<br />
derjenigen, die auf diesem Markt als Na<strong>ch</strong>frager auftreten.<br />
MODELL DER VOLLKOMMENEN KONKURRENZ<br />
1. Die angebotenen Güter müssen völlig homogen sein, d.h. die Birnen von vers<strong>ch</strong>iedenen<br />
Anbietern sind völlig glei<strong>ch</strong>, sie lassen si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t voneinander unters<strong>ch</strong>eiden.<br />
2. Es gibt eine grosse Anzahl von Marktteilnehmern, sowohl auf der Anbieter- als au<strong>ch</strong> auf<br />
der Na<strong>ch</strong>fragerseite. Der einzelne Marktteilnehmer kann mit seinem Verhalten das<br />
Marktges<strong>ch</strong>ehen ni<strong>ch</strong>t beeinflussen.<br />
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3. Ein freier Zutritt zum Markt ist gewährleistet. Es bestehen also keinerlei<br />
Marktzutrittsbes<strong>ch</strong>ränkungen, weder dur<strong>ch</strong> administrative no<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> gesetzli<strong>ch</strong>e<br />
Hemmnisse.<br />
4. Die Marktteilnehmer sind bezügli<strong>ch</strong> Preisen und Mengen der Güter vollständig informiert.<br />
Die Anbieter können deshalb die identis<strong>ch</strong>en Güter ni<strong>ch</strong>t zu unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>en Preisen<br />
verkaufen.<br />
Sind diese 4 Bedingungen erfüllt, bewegen wir uns im Modell der vollkommenen Konkurrenz.<br />
Auf dem Markt treffen zwei Gruppen mit völlig unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>en Interessenlagen aufeinander:<br />
Die Konsumenten sind an tiefen Preisen interessiert, die Anbieter an mögli<strong>ch</strong>st hohen.<br />
Um die Funktionsweise des Marktes zu<br />
verstehen, gehen wir von der Annahme aus,<br />
dass die Anbieter beim Preis P1 für 1kg<br />
Birnen die Menge M2 anbieten.<br />
Beim Preis P1 ist die na<strong>ch</strong>gefragte Menge<br />
M1 kleiner als die angebotene Menge M2.<br />
Die Differenz ist ein Angebotsübers<strong>ch</strong>uss.<br />
Bei diesem Preis übersteigen also die Ver-<br />
kaufswüns<strong>ch</strong>e die Kaufwüns<strong>ch</strong>e bei weitem.<br />
Die Anbieter finden ni<strong>ch</strong>t die gewüns<strong>ch</strong>te<br />
Anzahl von Kunden. Die Folge ist, dass sie<br />
auf ihren Birnen sitzen bleiben. Deshalb<br />
werden sie die Preise senken.<br />
Da die Anbieter beim Preis P2 bloss die<br />
Menge M1 anbieten, können die Konsumenten<br />
ni<strong>ch</strong>t soviel kaufen, wie sie beim Preis P2 gerne mö<strong>ch</strong>ten (nämli<strong>ch</strong> die Menge M2). Die<br />
Verkäufer bieten zu diesem Preis nur die Menge M1 an. Die Differenz ist ein Na<strong>ch</strong>frageübers<strong>ch</strong>uss.<br />
Die Na<strong>ch</strong>frager werden si<strong>ch</strong> bei dieser Situation die Birnen „aus den Händen reissen“<br />
und den Verkäufern höhere Preise bieten. So wird der Preis und dadur<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> die<br />
angebotene Menge wieder steigen.<br />
Sowohl bei P1 und P2 entsteht somit eine Situation, in der die angebotene Menge ni<strong>ch</strong>t der<br />
na<strong>ch</strong>gefragten Menge entspri<strong>ch</strong>t.<br />
Nur im S<strong>ch</strong>nittpunkt von Angebots- und Na<strong>ch</strong>fragekurve ist diese Bedingung erfüllt. Als<br />
Ergebnis des Preisme<strong>ch</strong>anismus ergibt si<strong>ch</strong> der Preis P3 und die Menge M3. Der S<strong>ch</strong>nittpunkt<br />
von Angebots- und Na<strong>ch</strong>fragekurve wird deshalb als Marktglei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>t bezei<strong>ch</strong>net.<br />
Hier gehen alle Pläne in Erfüllung: Die von den Na<strong>ch</strong>fragern gewüns<strong>ch</strong>te Kaufmenge<br />
entspri<strong>ch</strong>t der von den Anbietern gewüns<strong>ch</strong>ten Verkaufsmenge.<br />
Das Ents<strong>ch</strong>eidende am Glei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>tskonzept ist die Tendenz zum Marktglei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>t. Dank<br />
dieser Tendenz lassen si<strong>ch</strong> Vorhersagen über künftige Preis- und Mengenentwicklungen<br />
treffen.<br />
Die Bedingungen der vollkommenen Konkurrenz sind tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> in Wirkli<strong>ch</strong>keit selten erfüllt.<br />
Die grundsätzli<strong>ch</strong>e Funktionsweise des Marktme<strong>ch</strong>anismus wei<strong>ch</strong>t aber bei nur teilweisem<br />
Vorliegen der einen oder anderen Bedingung ni<strong>ch</strong>t wesentli<strong>ch</strong> von den Modellaussagen der<br />
vollkommenen Konkurrenz ab.<br />
Je weniger die Bedingungen allerdings erfüllt sind, desto weniger können au<strong>ch</strong> die Vorteile<br />
des Marktes zum Tragen kommen.<br />
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Bei der Analyse der Auswirkungen eines Ereignisses auf das Marktglei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>t ist gemäss<br />
folgenden 3 S<strong>ch</strong>ritten vorzugehen:<br />
Vorgehen bei der Analyse von Marktveränderungen:<br />
1. Ents<strong>ch</strong>eiden Sie, ob das Ereignis die Na<strong>ch</strong>fragekurve, die Angebotskurve oder allenfalls<br />
beider Kurven vers<strong>ch</strong>iebt.<br />
2. Ents<strong>ch</strong>eiden Sie, in wel<strong>ch</strong>er Ri<strong>ch</strong>tung si<strong>ch</strong> die entspre<strong>ch</strong>ende Kurve vers<strong>ch</strong>iebt.<br />
3. Untersu<strong>ch</strong>en Sie die Wirkungen der Vers<strong>ch</strong>iebungen im Diagramm auf den<br />
Glei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>tspreis und die Glei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>tsmenge.<br />
ANWENDUNGSBEISPIELE<br />
BEISPIEL 1<br />
Was passiert auf dem Markt für Mountainbikes, wenn die Na<strong>ch</strong>frage aufgrund von höheren<br />
Werts<strong>ch</strong>ätzungen der Konsumenten, ceteris paribus, steigt?<br />
Wenn die Na<strong>ch</strong>frage steigt, vers<strong>ch</strong>iebt si<strong>ch</strong><br />
die Na<strong>ch</strong>fragkurve na<strong>ch</strong> re<strong>ch</strong>ts und es<br />
entsteht kurzfristig ein Na<strong>ch</strong>frageübers<strong>ch</strong>uss.<br />
Deshalb werden die Anbieter sowohl die Preise<br />
als au<strong>ch</strong> ihre Produktionsmenge erhöhen.<br />
BEISPIEL 2<br />
Wovon hängt es ab, ob dur<strong>ch</strong> eine 20%-ige Steuererhöhung auf Benzin der Benzinverbrau<strong>ch</strong><br />
wenig oder stark zurückgeht? Wer trägt die Steuer?<br />
Zusammenfassung VWL IUR I<br />
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15
Dur<strong>ch</strong> die Steuererhöhung (S) vers<strong>ch</strong>iebt si<strong>ch</strong> die Angebotskurve na<strong>ch</strong> links. Natürli<strong>ch</strong> ist die<br />
Reaktion der Benzinna<strong>ch</strong>frager auf die Erhöhung des Benzinpreises ents<strong>ch</strong>eidend.<br />
Ist ihre Preiselastizität ho<strong>ch</strong>, dann sind sie bereit auf Substitute, wie z.B. auf Elektroautos, auf<br />
Velos oder auf die eigenen Füsse umzusteigen.<br />
Ist hingegen ihre Preiselastizität der Na<strong>ch</strong>frager klein, werden sie trotz des höheren<br />
Benzinpreises ihren Verbrau<strong>ch</strong> nur geringfügig eins<strong>ch</strong>ränken.<br />
Dur<strong>ch</strong> die Steuer steigt der Preis von P1 auf P2. Der Preis, der den Anbietern na<strong>ch</strong> Abzug der<br />
Steuern übrig bleibt, sinkt von P1 auf P3. Die der elastis<strong>ch</strong>en Na<strong>ch</strong>frage tragen die Anbieter<br />
den grössten Teil der Steuerlast; bei der unelastis<strong>ch</strong>en Na<strong>ch</strong>frage kann die Steuer zum<br />
grössten Teil auf die Na<strong>ch</strong>frager überwälzt werden.<br />
(Au<strong>ch</strong> die Elastizität des Angebots ist für die Steuerüberwälzung ents<strong>ch</strong>eidend:<br />
Die Steuerüberwälzung ist umso grösser, je preiselastis<strong>ch</strong>er das Angebot ist.)<br />
BEISPIEL 3<br />
Um den Bauern ein höheres Einkommen zu ermögli<strong>ch</strong>en, garantiert der Staat den Bauern<br />
Mindestpreise. Was sind die Folgen?<br />
Der staatli<strong>ch</strong>e Mindestpreis ist selbstverständli<strong>ch</strong><br />
höher als der Glei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>tspreis.<br />
Als Folge davon entsteht ein Angebotsübers<strong>ch</strong>uss.<br />
Wie kann der Staat auf diesen Angebots-<br />
übers<strong>ch</strong>uss reagieren?<br />
1. Er kauft den Angebotsübers<strong>ch</strong>uss (Menge A-B),<br />
verkauft ihn zu Billigstpreisen auf ausländis<strong>ch</strong>en<br />
Märkten, vers<strong>ch</strong>enkt oder verni<strong>ch</strong>tet ihn<br />
notfalls. (Der Steuerzahler bezahlt im Endeffekt)<br />
2. Der Staat zahlt Preissubventionen (C-D).<br />
Staat zahlt Bauern Mindestpreis, verlangt aber<br />
von Konsumenten den Preis, zu dem die<br />
Mil<strong>ch</strong>menge abgesetzt werden kann.<br />
Differenz Konsumentenpreis (E) – Mindestpreis<br />
bezahlt der Steuerzahler.<br />
3. Der Staat führt eine Mil<strong>ch</strong>kontingentierung ein.<br />
Bauern dürfen nur so viel produzieren, wie die Konsumente zum Mindestpreis zu kaufen<br />
bereit sind (Menge A). Dadur<strong>ch</strong> wird, je na<strong>ch</strong> Preiselastizität der Na<strong>ch</strong>frage, das<br />
ursprüngli<strong>ch</strong>e Ziel Einkommenserhöhung verfehlt. Belastet wird der Mil<strong>ch</strong>konsument.<br />
BEISPIEL 4<br />
Adam Smith, der Vater der Volkswirts<strong>ch</strong>aftslehre hat in seinem Bu<strong>ch</strong> „Wohlstand der<br />
Nationen“, das „Wasser-Diamanten-Paradoxon“ festgehalten, aber niemals ganz lösen<br />
können. Helfen Sie dem Altmeister auf die Sprünge:<br />
„Ni<strong>ch</strong>ts ist nützli<strong>ch</strong>er als Wasser, und do<strong>ch</strong> lässt si<strong>ch</strong> damit kaum etwas kaufen oder<br />
eintaus<strong>ch</strong>en. Dagegen besitzt ein Diamant kaum einen Gebrau<strong>ch</strong>swert, do<strong>ch</strong> kann man oft im<br />
Taus<strong>ch</strong> dafür eine Menge anderer Güter bekommen“<br />
Warum ist also Wasser so billig und sind Diamanten so teuer?<br />
Weil Diamanten knapp sind und Wasser rei<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> vorhanden ist, werden sie jetzt antworten.<br />
Das ist au<strong>ch</strong> ri<strong>ch</strong>tig, aber die Nutzenvorstellungen sind do<strong>ch</strong> mitents<strong>ch</strong>eidend für den Preis,<br />
und der Nutzen von Wasser ist do<strong>ch</strong> sehr viel höher als der von Diamanten.<br />
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16
Was antworten Sie darauf?<br />
Der Gesamtnutzen des Wassers bestimmt weder den Preis no<strong>ch</strong> die Na<strong>ch</strong>frage. Ledigli<strong>ch</strong> der<br />
Grenznutzen ist ents<strong>ch</strong>eidend. Wenn nämli<strong>ch</strong> der Preis – wie Sie wissen – über dem<br />
Grenznutzen liegt, kann diese letzte Mengeneinheit ni<strong>ch</strong>t verkauft werden. Deshalb muss der<br />
Preis soweit sinken, bis er den Grenznutzen der letzten Wassereinheit errei<strong>ch</strong>t.<br />
KOSTEN- UND GEWINNTHEORIE<br />
Nun wollen wir den Zusammenhang zwis<strong>ch</strong>en Kosten und Gewinn verans<strong>ch</strong>auli<strong>ch</strong>en und<br />
zuglei<strong>ch</strong> vertiefen.<br />
Solange im Berei<strong>ch</strong> steigender Grenzerträge produziert wird, wird die Totalkostenkurve<br />
fla<strong>ch</strong>er. Das wiederum bedeutet, dass die Grenzkosten fallen. Au<strong>ch</strong> die totalen<br />
Dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nittskosten oder totalen Stückkosten (=Totale Kosten pro hergestellte Einheit) fallen.<br />
Beim Wendepunkt der Totalkostenkurve beginnen die Grenzkosten zu steigen, die<br />
Zusammenfassung VWL IUR I<br />
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Totalkostenkurve wird steiler. Die totale Dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nittskostenkurve sinkt solange weiter, als der<br />
letzte Kostenzuwa<strong>ch</strong>s kleiner ist als der Dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nitt aller vorherigen. Wenn die Grenzkosten<br />
grösser werden als die Dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nittskosten, beginnen au<strong>ch</strong> diese zu steigen.<br />
Liegt der Preis gerade beim Minimum der Dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nittskosten, entsteht weder Gewinn no<strong>ch</strong><br />
Verlust. Man bezei<strong>ch</strong>net diesen Punkt deshalb als Gewinns<strong>ch</strong>welle oder Break-even-point.<br />
Die Kurve der variablen Dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nittskosten verläuft weiter unter der totalen<br />
Dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nittskostenkurve, weil bei ihr ja die fixen Kosten ni<strong>ch</strong>t enthalten sind. Liegt der Preis<br />
zwis<strong>ch</strong>en dem Minimum der variablen Dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nittskosten und dem Minimum der totalen<br />
Dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nittskostenkurve, ma<strong>ch</strong>t der Anbieter zwar einen Verlust, den er aber minimiert, weil<br />
der Preis dazu beiträgt, einen Teil der fixen Kosten zu decken. Liegt der Preis allerdings unter<br />
dem Minimum der variablen Kosten, wird der Unternehmer auf ein Angebot verzi<strong>ch</strong>ten, weil<br />
dieser Preis ni<strong>ch</strong>t einmal die variablen Stückkosten deckt. Deshalb wird das Minimum der<br />
variablen Kosten als Betriebsminimum bezei<strong>ch</strong>net.<br />
PREISBILDUNG BEIM MONOPOL<br />
WIE VERÄNDERT SICH DIE PREISBILDUNG, WENN IS IM EXTREMFALL NUR EINEN<br />
ANBIETER – EIN ANGEBOTSMONOPOL – GIBT?<br />
In Bezug auf die Kostenkurve gibt es keinen Unters<strong>ch</strong>ied zu den bisherigen Ausführungen.<br />
Anders sieht es jedo<strong>ch</strong> auf der Absatzseite aus.<br />
Bei vollkommener Konkurrenz hat die einzelne Unternehmung keinerlei Mögli<strong>ch</strong>keiten, die<br />
Marktsituation zu beeinflussen. Sie hat keinen Einfluss auf den Preis. Der Erlös einer<br />
zusätzli<strong>ch</strong> verkauften Einheit (= Grenzerlös) ist konstant und entspri<strong>ch</strong>t dem Preis. Deshalb<br />
haben wir das Optimum bei vollkommener Konkurrenz au<strong>ch</strong> dort festgelegt, wo die<br />
Grenzkosten glei<strong>ch</strong> ho<strong>ch</strong> sind wie der Preis.<br />
Der Monopolist aber kann die Marktsituation sehr wohl beeinflussen: Dehnt er sein Angebot<br />
aus, so muss er die Preise senken, weil er sonst auf einem Teil seiner Ware sitzen bleibt.<br />
Zusammenfassung VWL IUR I<br />
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Der Erlös einer zusätzli<strong>ch</strong> verkauften Einheit (= Grenzerlös) ist also ni<strong>ch</strong>t glei<strong>ch</strong> dem Preis,<br />
weil er die bisher abgesetzte Menge in Zukunft ebenfalls zum tieferen Preis verkaufen muss.<br />
Die Folge ist, dass der Grenzerlös beim Monopolisten geringer ist als der Preis.<br />
Folgendes Zahlenbeispiel soll dies verdeutli<strong>ch</strong>en:<br />
Na<strong>ch</strong>gefragte<br />
Menge<br />
0<br />
1<br />
2<br />
3<br />
4<br />
5<br />
6<br />
Zusammenfassung VWL IUR I<br />
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Preis Gesamterlös Grenzerlös<br />
500<br />
450<br />
400<br />
350<br />
300<br />
250<br />
200<br />
0<br />
450<br />
800<br />
1050<br />
1200<br />
1250<br />
1200<br />
Wel<strong>ch</strong>es Verhalten ist für den Monopolisten gewinnmaximierend?<br />
Solange der Grenzerlöse über den Grenzkosten liegt, lohnt si<strong>ch</strong> ein zusätzli<strong>ch</strong>er Verkauft. Erst<br />
wenn der zusätzli<strong>ch</strong>e Erlös glei<strong>ch</strong> ho<strong>ch</strong> ist wie die zusätzli<strong>ch</strong>en Kosten, kann er seinen<br />
Gewinn ni<strong>ch</strong>t mehr steigern.<br />
Die Bedingung für die Gewinnmaximierung des Monopolisten lautet deshalb:<br />
Grenzerlös = Grenzkosten.<br />
Halten wir diese Zusammenhänge grafis<strong>ch</strong> fest, dann zeigt si<strong>ch</strong>, dass der Monopolist die<br />
optimale Menge (S<strong>ch</strong>nittpunkt der Grenzkostenkurve mit der Grenzerlöskurve) zu dem Preis<br />
verkaufen kann, wie er si<strong>ch</strong> auf der Na<strong>ch</strong>fragekurve ergibt. In Erinnerung an A. Cournot, dem<br />
S<strong>ch</strong>öpfer der Monopolpreistheorie, wird dieser Punkt Cournots<strong>ch</strong>er Punkt genannt.<br />
---<br />
450<br />
350<br />
250<br />
150<br />
50<br />
- 50<br />
WELCHES SIND DIE UTNERSCHIEDE DER PREISBILDUNG BEIM MONOPOL UND IM<br />
VERGLEICH ZUR VOLLKOMMENEN KONKURRENZ?<br />
Um beider Situationen verglei<strong>ch</strong>e zu können, müssen wir von glei<strong>ch</strong>en Kostenstrukturen<br />
19
ausgehen. Wir nehmen also an, dass die zusammengefasste Grenzkostenkurve der Anbieter<br />
bei vollständiger Konkurrenz der Grenzkostenkurve des Monopolisten entspri<strong>ch</strong>t.<br />
Bei vollständiger Konkurrenz würde der Preis P1 und die Menge M1 dem Marktglei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>t<br />
entspre<strong>ch</strong>en. Bei diesem Preis und dieser Menge s<strong>ch</strong>neiden si<strong>ch</strong> die Na<strong>ch</strong>frage- und<br />
Angebotskurve (die Angebotskurve entspri<strong>ch</strong>t ja der Grenzkostenkurve).<br />
Das Glei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>t im Monopol (z.B. wenn si<strong>ch</strong> alle Anbieter zu einer grossen Unternehmung<br />
zusammens<strong>ch</strong>liessen würden) wird aber dur<strong>ch</strong> den S<strong>ch</strong>nittpunkt der Grenzerlöskurve mit der<br />
Grenzkostenkurve bestimmt. Dadur<strong>ch</strong> ergibt si<strong>ch</strong> der Preis P2 und die Menge M2. Bei<br />
vollkommener Konkurrenz wird also eine grössere Menge zu einem niedrigeren Preis auf dem<br />
Markt umgesetzt als bei der Monopolsituation.<br />
Was für Monopole gilt, gilt au<strong>ch</strong> für Kartelle:<br />
Die Einkommensumverteilung ändert si<strong>ch</strong> zu Gunsten der Kartell – Unternehmung und zu<br />
Lasten der Konsumenten.<br />
DIE REALITÄT: EINE VIELZAHL VON MARKTFORMEN<br />
Während die Analyse der Preisbildung bei den bisher gesehenen beiden Marktformen relativ<br />
einfa<strong>ch</strong> war, ist sie bei vielen anderen Marktformen viel komplizierter und in einigen Fällen<br />
überhaupt ni<strong>ch</strong>t mögli<strong>ch</strong>.<br />
Dabei hat das wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Leben eine Vielzahl von Marktformen entstehen lassen, deren<br />
Grenzen untereinander teilweise fliessend sind.<br />
Folgend nun ein Überblick über die wi<strong>ch</strong>tigsten Marktformen ohne aber auf das Verhalten von<br />
Anbietern und Na<strong>ch</strong>fragern bei diesen unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>en Marktbedingungen einzugehen.<br />
Eine erste Abwei<strong>ch</strong>ung von den Bedingungen der vollkommenen Konkurrenz bezieht si<strong>ch</strong> auf<br />
die Anzahl von Anbietern und Na<strong>ch</strong>fragern. Dieses Kriterium ist für die Einteilung von<br />
Marktformen denn au<strong>ch</strong> das am häufigsten verwendete.<br />
Gestützt auf dieses Kriterium ergibt si<strong>ch</strong> folgender Überblick:<br />
Na<strong>ch</strong>frager Viele<br />
Anbieter<br />
Wenige Einer<br />
Viele Polypol<br />
(Vollkommene Konkurrenz)<br />
Angebotsoligopol Angebotsmonopol<br />
Wenige Na<strong>ch</strong>frageoligopol Zweiseitiges Angebotsmonopol<br />
(bilaterales) Oligopol<br />
und<br />
Na<strong>ch</strong>frageoligopol<br />
Einer Na<strong>ch</strong>fragemonopol Na<strong>ch</strong>fragemonopol Zweiseitiges<br />
und Angebotsoligopol (bilaterales) Monopol<br />
Reine Monopole sind genau so selten zu finden wie die vollkommene Konkurrenz. Meist sind<br />
es Monopole der öffentli<strong>ch</strong>en Hand.<br />
Eine sehr häufig vorkommende Marktform ist das (Angebots-)Oligopol. Beispiele für diese<br />
Marktform sind Automobile bestimmter Klassen, Zigaretten, S<strong>ch</strong>okolade, Mineralöl,<br />
Was<strong>ch</strong>mittel, Computer.<br />
Eine weitere Abwei<strong>ch</strong>ung von den Bedingungen der vollkommenen Konkurrenz, die Ihnen<br />
mögli<strong>ch</strong>erweise beim Birnen-Beispiel au<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> den Kopf gegangen ist, bezieht si<strong>ch</strong> auf die<br />
getroffene Annahme der homogenen Güter. Bei der überwiegenden Mehrzahl der Güter<br />
besteht dur<strong>ch</strong>aus die Mögli<strong>ch</strong>keit von Produktdifferenzierung, der Abgrenzung des eigenen<br />
Produktes von denjenigen der Konkurrenz. Der Wettbewerb unter den Marktkonkurrenten<br />
wandelt si<strong>ch</strong> vom Preis- zum Differenzierungswettbewerb.<br />
Zusammenfassung VWL IUR I<br />
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Es gibt nur ein Unternehmen, dass Coca Cola herstellt, denno<strong>ch</strong> betra<strong>ch</strong>ten die Na<strong>ch</strong>frager<br />
die vers<strong>ch</strong>iedenen Getränkemarken in einem bestimmten Ausmass als Substitute.<br />
Der Coca-Cola Produzent ist aber insofern monopolistis<strong>ch</strong>, als er dur<strong>ch</strong> sein differenziertes<br />
Produkt einen begrenzten „monopolistis<strong>ch</strong>en“ Spielraum hat, des es ihm erlaubt, seinen<br />
eigenen Preis zu setzen (wie beim Monopol); er muss den Marktpreis also ni<strong>ch</strong>t passiv (wie<br />
bei vollkommener Konkurrenz) akzeptieren. Andererseits steht Coca-Cola hinsi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> Preis<br />
und Produkt mit anderen Getränkeanbietern im Wettbewerb um die Kunden (wie bei der<br />
Konkurrenz). Deshalb sind die Grenzen für die eigene Preisfestsetzung do<strong>ch</strong> re<strong>ch</strong>t eng.<br />
Da ein sol<strong>ch</strong>er Markt dur<strong>ch</strong> Elemente des Monopols als au<strong>ch</strong> der Konkurrenz gekennzei<strong>ch</strong>net<br />
ist, wird für diese Marktform der Begriff der monopolistis<strong>ch</strong>en Konkurrenz verwendet. Die<br />
monopolistis<strong>ch</strong>e Konkurrenz ist wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong>e die vorherrs<strong>ch</strong>ende Marktform.<br />
In den Marktformen kommt au<strong>ch</strong> die Dynamik der Wirts<strong>ch</strong>aft zum Vors<strong>ch</strong>ein. Kommt ein<br />
neues Produkt auf den Markt, tritt diese Unternehmung vorerst als Monopolist auf und<br />
erweitert die Wahlmögli<strong>ch</strong>keit der Haushalte, die darüber ents<strong>ch</strong>eiden, ob dieses neue<br />
Produkt zum Erfolg oder zum Flop wird. Die Konkurrenz der Unternehmungen um die<br />
Na<strong>ch</strong>frage der Haushalte wird jedenfalls verstärkt.<br />
Trifft das Produkt die Bedürfnisse der Na<strong>ch</strong>frager, werden bald neuen Unternehmer mit<br />
ähnli<strong>ch</strong>en Produkten auf den Markt kommen – es entsteht eine monopolistis<strong>ch</strong>e Konkurrenz,<br />
die Preise der neuen Produkte und die der Substitutionsgüter als au<strong>ch</strong> die Gewinne des<br />
Pionierunternehmens sinken. Einzelne Unternehmungen, vor allem diejenigen, die na<strong>ch</strong> wie<br />
vor „alte“ Produkte anbieten, erleiden Verluste und vers<strong>ch</strong>winden vom Markt.<br />
Unter den verbleibenden Unternehmungen herrs<strong>ch</strong>t aufgrund des grossen Wettbewerbs ein<br />
Rationalisierungsdruck. Als Folge davon, kann si<strong>ch</strong> die Marktform des Oligopols bilden, bei<br />
wel<strong>ch</strong>er nur wenige Anbieter um Marktanteile kämpfen und mit laufend neuen Angeboten die<br />
Mitbewerber auszuboten versu<strong>ch</strong>en.<br />
Diese Überlegungen zeigen, dass der innovative Unternehmer in der Dynamik der Wirts<strong>ch</strong>aft<br />
eine S<strong>ch</strong>lüsselrolle einnimmt, indem er ständig na<strong>ch</strong> neuen Produkten und kostengünstigen<br />
Produktionsmethoden su<strong>ch</strong>t.<br />
Zur Freude der Haushalte: Sinkende Preise steigern ihr Realeinkommen und neue Produkte<br />
erhöhen ihre Wahlmögli<strong>ch</strong>keiten.<br />
Die Bedingungen der vollkommenen Konkurrenz und des Monopols sind in Wirkli<strong>ch</strong>keit selten<br />
erfüllt. Die am häufigsten anzutreffenden Marktformen sind das Oligopol und die<br />
monopolistis<strong>ch</strong>e Konkurrenz. Innovative Unternehmer sind die S<strong>ch</strong>lüsselfaktoren für die<br />
Dynamik der Wirts<strong>ch</strong>aft und des Wettbewerbs.<br />
Die grundsätzli<strong>ch</strong>e Funktionsweise des Preisme<strong>ch</strong>anismus wei<strong>ch</strong>t aber bei nur teilweisem<br />
Vorliegen der einen oder anderen Bedingung ni<strong>ch</strong>t wesentli<strong>ch</strong> von den Modellaussagen der<br />
vollkommenen Konkurrenz ab. Je weniger die Bedingungen allerdings erfüllt sind, desto<br />
weniger können au<strong>ch</strong> die Vorteile des Marktes zum Tragen kommen.<br />
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KAPITEL 3 – DIE MARKTWIRTSCHAFT<br />
WIE FUNTIONIERT DIE MARKTWIRTSCHAFT?<br />
Man muss si<strong>ch</strong> darüber im Klaren sein, wie genau die drei zentralen Fragen in einer VW<br />
ents<strong>ch</strong>ieden wird:<br />
• Was soll produziert werden?<br />
• Wie soll produziert werden?<br />
• Für wen soll produziert werden?<br />
Das Wirts<strong>ch</strong>aftssystem ist jeweils der Versu<strong>ch</strong> einer Gemeins<strong>ch</strong>aft, auf diese Frage eine<br />
Antwort zu geben. Auf den Märkten werden die drei zentralen Probleme der wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en<br />
Ordnung gelöst.<br />
Der Markt ist ein Verfahren, bei dem dur<strong>ch</strong> das Zusammenwirken von Anbietern und<br />
Na<strong>ch</strong>fragern Ents<strong>ch</strong>eidungen über den Preis und die Menge von Gütern und<br />
Produktionsfaktoren getroffen werden.<br />
MARKT- UND PREISFUNKTIONEN<br />
• In einer Marktwirts<strong>ch</strong>aft sorgt der Preisme<strong>ch</strong>anismus dafür, dass die Anbieter diejenigen<br />
Güter herstellen, wel<strong>ch</strong>e die Konsumenten wüns<strong>ch</strong>en. Preise sind somit wi<strong>ch</strong>tige<br />
Informationsträger, die dem Anbieter signalisieren, ob es si<strong>ch</strong> lohnt und wie viel es si<strong>ch</strong><br />
lohnt, von einem bestimmten Gut herzustellen. Preise zeigen also, in wel<strong>ch</strong>er<br />
Verwendungsri<strong>ch</strong>tung die Mittel den hö<strong>ch</strong>sten Nutzen bzw. Ertrag bringen.<br />
• Preise übernehmen aber au<strong>ch</strong> eine wi<strong>ch</strong>tige Steuerungs- oder Allokationsfunktion. Dies<br />
bezei<strong>ch</strong>net die Zuweisung der verfügbaren Mittel an die Herstellung bestimmter Güter. Mit<br />
der Allokation der Mittel wird darüber ents<strong>ch</strong>ieden, wel<strong>ch</strong>e Güter in wel<strong>ch</strong>en Verfahren und<br />
mit wel<strong>ch</strong>en Produktionsmitteln wo und wann hergestellt werden. Der Markt- und<br />
Preisme<strong>ch</strong>anismus löst dieses Allokationsproblem in der Weise, dass die knappen Mittel<br />
(Produktionsfaktoren) dorthin gelenkt werden, wo die Verwendung am dringendsten ist.<br />
Relativ hohe Preise zeigen hohe Knappheit an, deshalb werden die zur Produktion dieser<br />
Güter benötigten Te<strong>ch</strong>nologien entwickelt, die Produktionsmittel umgelenkt und letztli<strong>ch</strong> die<br />
Knappheit ents<strong>ch</strong>ärft. Diese Me<strong>ch</strong>anismen verbürgen die grosse Dynamik und<br />
Leistungsfähigkeit des marktwirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Systems. Weil der homo oeconomicus stets<br />
um den bestmögli<strong>ch</strong>en Einsatz seiner Mittel bemüht ist, zei<strong>ch</strong>net si<strong>ch</strong> di<strong>ch</strong> Marktwirts<strong>ch</strong>aft<br />
über einen hohen Grad an Effizienz aus.<br />
Die Marktwirts<strong>ch</strong>aft sorgt für die effiziente Allokation der Ressourcen: Die vorhandenen<br />
Mittel werden in ihrer produktivsten Verwendung eingesetzt, so dass das Gesamtprodukt<br />
maximiert wird; es kann dur<strong>ch</strong> keine Umverteilung gesteigert werden.<br />
• In der Marktwirts<strong>ch</strong>aft wird au<strong>ch</strong> die sehr wi<strong>ch</strong>tige Funktion der Koordination vom Markt-<br />
und Preisme<strong>ch</strong>anismus übernommen. Der Preis- und Marktme<strong>ch</strong>anismus koordiniert die<br />
Pläne von Millionen Individuen, ohne dass Institutionen mit grosser Bürokratie benötigt<br />
werden, die enorme Mittel vers<strong>ch</strong>lingen.<br />
Darüber WAS produziert wird, ents<strong>ch</strong>eiden also die Frankenstimmen der Konsumenten. WIE<br />
Güter produziert werden, ents<strong>ch</strong>eidet das Markt- und Preissystem.<br />
Für WEN die Güter produziert werden, wird auf den Märkten für Produktionsfaktoren<br />
ents<strong>ch</strong>ieden. Angebot und Na<strong>ch</strong>frage auf diesen Märkten bestimmen die Löhne, die Zinsen<br />
und die Gewinne. Sie sind verantwortli<strong>ch</strong> für die Höhe der Einkommen und bestimmen somit<br />
die Kaufkraft der einzelnen Na<strong>ch</strong>frage an den Gütermärkten.<br />
22
DAS MARKTERGEBNIS<br />
Der marktwirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Anreizme<strong>ch</strong>anismus führt unablässig zur Su<strong>ch</strong>e na<strong>ch</strong> neuen<br />
Produkten, besseren Te<strong>ch</strong>nologien, neuen Ressourcen und na<strong>ch</strong> Wegen zur effizienteren<br />
Nutzung von bestehenden Ressourcen.<br />
Daraus folgt, dass ni<strong>ch</strong>t nur die Verkäufer einen Gewinn erwirts<strong>ch</strong>aften, sonder dass au<strong>ch</strong> der<br />
Nutzen der Käufer erhöht wird.<br />
Ein System, das von selbst relative Knappheiten und Übers<strong>ch</strong>üsse anzeigt und eine<br />
„unsi<strong>ch</strong>tbare Hand“, wel<strong>ch</strong>e die Handlungen der Individuen derart lenkt, dass der Nutzen aller<br />
maximiert wird. Diese Metapher von der unsi<strong>ch</strong>tbaren Hand geht auf ADAM SMITH zurück.<br />
Vereinfa<strong>ch</strong>t wiedergegeben, lautet sie:<br />
Die „unsi<strong>ch</strong>tbare Hand“ von Adam Smith:<br />
Jedes Individuum wird bei der Verfolgung seines eigenen Vorteils von einer unsi<strong>ch</strong>tbaren<br />
Hand geleitet, die gewährleistet, dass das grösstmögli<strong>ch</strong>e Wohl aller errei<strong>ch</strong>t wird, obwohl<br />
keiner der Handelnden dies bezweckt:<br />
Um einen optimalen Gewinn zu erzielen, bietet jeder Produzent das an, was der Konsument<br />
kaufen will; dur<strong>ch</strong> den Kauf steigert der Konsument wiederum seinen eigenen Nutzen. Die<br />
Maximierung des Eigennutzens maximiert so au<strong>ch</strong> das gesells<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Wohl.<br />
Dieses gesells<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Optimum ist eine unbeabsi<strong>ch</strong>tigte Folge der individuellen<br />
Handlungen, die dur<strong>ch</strong> den Marktme<strong>ch</strong>anismus – die unsi<strong>ch</strong>tbare Hand – aufeinander<br />
abgestimmt werden. Die relevanten Informationen dazu liefert das Preissystem, indes es<br />
relative Knappheiten und Übers<strong>ch</strong>üsse signalisiert.<br />
EXKURS: „IRRATIONALE BÖRSE?“<br />
Die Fehlleistungen am Markt sind eklatant!!!<br />
Nokia: Gestern, heute und morgen die glei<strong>ch</strong>e Firma, obwohl der Aktienkurs fällt und steigt<br />
wie no<strong>ch</strong> nie. Wenn das ni<strong>ch</strong>t irrational ist!<br />
Eben gerade ni<strong>ch</strong>t. Darin besteht das grosse Andererseits, das leider nur von wenigen<br />
verstanden wird: Der Marktme<strong>ch</strong>anismus ist ein Prozess, bei dem der Fehler Prinzip ist. Jeder<br />
am Markt zustande gekommene Kurs birgt den Irrtum in si<strong>ch</strong>. Er erweist si<strong>ch</strong> im nä<strong>ch</strong>sten<br />
Moment als fals<strong>ch</strong>.<br />
Der Allokationsprozess über die Finanzmärkte ist auf totale Dynamik angelegt. Das<br />
immanente dauernde Überprüfen der millionenfa<strong>ch</strong>en individuellen Positionen führt zu<br />
Glei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>tszuständen, wel<strong>ch</strong>e die gegenwärtige, aggregierte Meinung zu so<br />
vers<strong>ch</strong>iedenen Sa<strong>ch</strong>verhalten wie der amerikanis<strong>ch</strong>en Geldpolitik, den Aussi<strong>ch</strong>ten in der Gente<strong>ch</strong>nik<br />
und der Befindli<strong>ch</strong>keit des Herrn S<strong>ch</strong>remp von DaimlerChrysler wiedergeben.<br />
Wenn hingegen der Wissensstand, die Meinungen und die Gefühle weit auseinander liegen<br />
und erst no<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong>einander gewirbelt werden, dann ers<strong>ch</strong>allt der „Casino-Vorwurf“.<br />
Dafür dass das Kapital am ri<strong>ch</strong>tigen Ort platziert wird, sorgt weltweit die Kraft und die Ma<strong>ch</strong>t<br />
des Marktme<strong>ch</strong>anismus. Die intellektuelle Ni<strong>ch</strong>tbewältigung der Allokationsfrage ist<br />
bekanntermassen die Haupts<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>e kollektivistis<strong>ch</strong>er Ans<strong>ch</strong>auungen.<br />
MARKTVERSAGEN<br />
Die Koordination und Allokation dur<strong>ch</strong> den Marktme<strong>ch</strong>anismus kann unter bestimmten<br />
Bedingungen unvollkommen sein und zu gesells<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong> unerwüns<strong>ch</strong>ten Nebeneffekten<br />
führen. Diese Fälle werden als Marktversagen bezei<strong>ch</strong>net.<br />
Einige Beispiele, in denen der raffinierte Allokationsme<strong>ch</strong>anismus des Marktes versagt, wollen<br />
wir nun betra<strong>ch</strong>ten.<br />
• MARKTVERSAGEN BEI WETTBEWERBSBESCHRÄNKUNGEN<br />
Der vollkommene Wettbewerb setzt eine so grosse Zahl von Anbietern voraus, dass kein<br />
Unternehmen den Preis eines Gutes beeinflussen kann. Eine Mögli<strong>ch</strong>keit dem<br />
Zusammenfassung VWL IUR I<br />
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23
unbequemen Leistungswettbewerb auszuwei<strong>ch</strong>en, ist die Bes<strong>ch</strong>ränkung des Wettbewerbs.<br />
Ständig sind deshalb Tendenzen zur Eins<strong>ch</strong>ränkung oder Aufhebung des Wettbewerbs am<br />
Werk. Au<strong>ch</strong> hier zeigt si<strong>ch</strong> die Findigkeit des homo oeconomicus:<br />
So werden dur<strong>ch</strong> Zölle, Einfuhrkontingente, Monopole usw. zahlrei<strong>ch</strong>e<br />
Wettbewerbseins<strong>ch</strong>ränkungen erstellt.<br />
Dadur<strong>ch</strong> werden künstli<strong>ch</strong>e Knappheiten ges<strong>ch</strong>affen, die es den Anbietern ermögli<strong>ch</strong>en,<br />
überdur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nittli<strong>ch</strong>e Profite zu erzielen. Die Eins<strong>ch</strong>ränkung des Wettbewerbs ist oft der<br />
einfa<strong>ch</strong>ere Weg si<strong>ch</strong> Gewinne zu si<strong>ch</strong>ern als dur<strong>ch</strong> die Steigerung der eigenen Leistungsfähigkeit.<br />
Der Ökonom spri<strong>ch</strong>t in diesen Fällen von „rent seeking“ – von der Su<strong>ch</strong>e na<strong>ch</strong><br />
unverdientem Einkommen – mit beträ<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>er Vers<strong>ch</strong>wendung von Ressourcen als dessen<br />
Folge.<br />
• MARKTVERSAGEN BEI ÖFFENTLICHEN GÜTERN<br />
Ein weiterer Fall von Marktversagen liegt dann vor, wenn es Güter gibt, die von privater<br />
Seite ni<strong>ch</strong>t angeboten werden, obwohl eine kaufkräftige Na<strong>ch</strong>frage vorhanden ist. Gibt es<br />
Güter, die ohne den Staat ni<strong>ch</strong>t produziert werden würden?<br />
Für den Anreiz, ein Gut privat zu produzieren und zu verkaufen, muss es mögli<strong>ch</strong> sein, das<br />
Re<strong>ch</strong>t auf den Konsum dieses Gutes auf bestimmte Personen zu bes<strong>ch</strong>ränken.<br />
Funktioniert dieses Auss<strong>ch</strong>lussprinzip ni<strong>ch</strong>t, sind die einzelnen Na<strong>ch</strong>frager ni<strong>ch</strong>t bereit,<br />
dafür einen Preis zu bezahlen. Deshalb finden si<strong>ch</strong> für sol<strong>ch</strong>e Güter au<strong>ch</strong> keine Anbieter.<br />
Wenn die Nutzung eines Gutes dur<strong>ch</strong> ein Individuum die Nutzung dur<strong>ch</strong> jemand anderen<br />
ni<strong>ch</strong>t beeinträ<strong>ch</strong>tigt (Ni<strong>ch</strong>t-Rivalität im Konsum), ist ebenfalls niemand bereit, für dieses Gut<br />
einen Preis zu bezahlen.<br />
Funktioniert bei einem Gut sowohl das Auss<strong>ch</strong>lussprinzip als au<strong>ch</strong> die Rivalität im Konsum<br />
ni<strong>ch</strong>t, spri<strong>ch</strong>t man von öffentli<strong>ch</strong>en oder Kollektivgütern. Die einzelnen Na<strong>ch</strong>frager<br />
können si<strong>ch</strong> bei öffentli<strong>ch</strong>en Gütern wie Trittbrettfahrer verhalten.<br />
Beispiele für öffentli<strong>ch</strong>e Güter: öffentli<strong>ch</strong>e Si<strong>ch</strong>erheit, Landesverteidigung,<br />
Strassenbeleu<strong>ch</strong>tung, Stadtparks…<br />
Au<strong>ch</strong> die Umwelt hat in vielen Berei<strong>ch</strong>en den Charakter eines öffentli<strong>ch</strong>en Gutes.<br />
Weil bei öffentli<strong>ch</strong>en Gütern alle die „freerider-Haltung“ wählen, kommt es gar ni<strong>ch</strong>t zur<br />
Na<strong>ch</strong>frage und damit zur Produktion sol<strong>ch</strong>er Güter.<br />
Der Markt versagt offensi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>: Güter, deren Produktion alle besser stellen würde, werden<br />
ni<strong>ch</strong>t produziert; der Markt sorgt ni<strong>ch</strong>t dafür, dass die entspre<strong>ch</strong>enden Bedürfnisse<br />
befriedigt werden.<br />
• MARKTVERSAGEN BEI EXTERNEN EFFEKTEN<br />
Marktversagen tritt au<strong>ch</strong> dann auf, wenn ni<strong>ch</strong>t alle Koste, die bei der Produktion anfallen,<br />
vom Verursa<strong>ch</strong>er getragen werden. Weil diese Kosten auf Aussenstehende überwälzt<br />
werden, spri<strong>ch</strong>t man in sol<strong>ch</strong>en Fällen von externen Kosten.<br />
Verursa<strong>ch</strong>t die Produktion oder der Konsum externe Kosten, versagt der Markt: Sol<strong>ch</strong>e<br />
Güter werden in zu grosser Menge hergestellt oder konsumiert, weil in die Kalkulation und<br />
Nutzenoptimierung zu tiefe Kosten eingehen.<br />
Umgekehrt gibt es au<strong>ch</strong> Fälle, wo die Produktion eines Gutes externen Nutzen stiftet.<br />
Private Gärten beispielsweise absorbieren Abgase, oder die sanfte Renovierung eines alten<br />
Hauses vers<strong>ch</strong>önert das Dorfbild und erfreut alle Betra<strong>ch</strong>ter.<br />
Weil au<strong>ch</strong> hier das Auss<strong>ch</strong>lussprinzip ni<strong>ch</strong>t funktioniert, ist niemand bereit, einen dem<br />
Nutzen entspre<strong>ch</strong>enden Preis zu zahlen. Die Konsequenz daraus ist, dass zu wenig Güter<br />
mit externem Nutzen produziert werden.<br />
Aufgrund externer Effekte kann der Marktme<strong>ch</strong>anismus die optimale Allokation der<br />
Produktionsfaktoren ni<strong>ch</strong>t gewährleisten, weil sie si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t in den Kosten bzw. in den<br />
Preisen widerspiegeln.<br />
• MEKRTVERSAGEN BEI ASSYMETRISCHER INFORMATION<br />
Im Modell der vollkommenen Konkurrenz verfügen sämtli<strong>ch</strong>e Marktteilnehmer über eine<br />
lückenlose Information bezügli<strong>ch</strong>e qualitativer Eigens<strong>ch</strong>aften der Produkte, der Nutzen und<br />
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24
des Verhaltens der Taus<strong>ch</strong>partner. In der Realität haben die Marktteilnehmer aber oft<br />
Informationsdefizite, die zu einem Marktversagen führen.<br />
„Frau Doktor, muss i<strong>ch</strong> Sie wegen meiner Knieverletzung no<strong>ch</strong>mals konsultieren?“<br />
„Herr Garagist, brau<strong>ch</strong>t mein Auto tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> einen neuen Auspuff?“<br />
Hier haben die Befragten den Anreiz, Ihnen jene Antwort zu geben, die ihnen zusätzli<strong>ch</strong>e<br />
Einkommen ermögli<strong>ch</strong>t. Für Sie ist es so oder so s<strong>ch</strong>wierig, die Antwort zu prüfen, weil die<br />
Informationen sehr unglei<strong>ch</strong> – eben asymmetris<strong>ch</strong> – verteilt sind.<br />
Hat ein Taus<strong>ch</strong>partner die Mögli<strong>ch</strong>keit und den Anreiz Kosten auf den anderen<br />
Taus<strong>ch</strong>partner zu überwälzen, liegt ein moral-hazard Problem vor (moralis<strong>ch</strong>es Risiko).<br />
Sol<strong>ch</strong>e Probleme ergeben si<strong>ch</strong> insbesondere bei Versi<strong>ch</strong>erungsverträgen. Die Prämien für<br />
die Versi<strong>ch</strong>erung müssen das dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nittli<strong>ch</strong>e Risiko abdecken. Versi<strong>ch</strong>erungsnehmer mit<br />
tiefem Risiko subventionieren deshalb sol<strong>ch</strong>e mit hohem Risiko. Die Versi<strong>ch</strong>erung hat so<br />
genau jene Kunden, die sie eigentli<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t mö<strong>ch</strong>te, nämli<strong>ch</strong> jene, die eine hohe<br />
Wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong>keit eines S<strong>ch</strong>adenfalls aufweisen (denn jene die keinen S<strong>ch</strong>adenfall<br />
erwarten, werden si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t versi<strong>ch</strong>ern). Deshalb wird die Versi<strong>ch</strong>erung die Prämien<br />
erhöhen müssen, was wiederum zu Kündigungen von „guten“ Kunden mit tiefem Risiko<br />
führt. Dieses Problem bezei<strong>ch</strong>net man mit adverse selection (fals<strong>ch</strong>e Auslese), weil ni<strong>ch</strong>t<br />
die „guten“ Teilnehmer im Markt verbleiben, sondern gerade die „s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>ten“.<br />
In allen Fällen, bei denen die eine Vertragspartei mehr weiss als die andere, findet eine<br />
fals<strong>ch</strong>e Auslese (adverse selection) unter den Marktteilnehmern statt und erzeugt<br />
ineffiziente Ergebnisse.<br />
DIE ROLLE DES STAATES: FESTLEGEN VON SPIELREGELN<br />
In den Fällen wo Markversagen auftritt, ist der Ruf na<strong>ch</strong> dem Staat nahe liegend. Die wohl<br />
wi<strong>ch</strong>tigste Aufgabe des Staates ist aber die S<strong>ch</strong>affung von Voraussetzungen, ohne die eine<br />
Marktwirts<strong>ch</strong>aft überhaupt ni<strong>ch</strong>t funktionieren kann.<br />
SCHAFFUNG VON VORAUSSETZUNGEN ZUR FUNKTION DER MARKTWIRTSCHAFT<br />
Folgende Voraussetzungen müssen zum funktionieren der Marktwirts<strong>ch</strong>aft erfüllt sein:<br />
• Privateigentum an mögli<strong>ch</strong>st allen Gütern muss gewährleistet sein<br />
• Marktwirts<strong>ch</strong>aft entsteht nur, wenn Vertragsfreiheit und Re<strong>ch</strong>tssi<strong>ch</strong>erheit besteht.<br />
• Auf den Märkten darf es keine Zutrittsbes<strong>ch</strong>ränkungen geben. Diese Bedingungen erlauben<br />
eine mögli<strong>ch</strong>st hohe Anzahl von Anbietern (und Na<strong>ch</strong>fragern), die e<strong>ch</strong>ten Wettbewerb<br />
garantieren und si<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> Preisreduktionen solange zu unterbieten versu<strong>ch</strong>en, bis der<br />
Marktpreis den Grenzkosten entspri<strong>ch</strong>t.<br />
• Eng verbunden mit offenen Märkten ist die Aufgabe des Staates zur Si<strong>ch</strong>erung des Wettbewerbs.<br />
Kartelle müssen verboten und ungere<strong>ch</strong>tfertigte Monopole verhindert werden.<br />
Mit den Voraussetzungen 3. und 4. haben wir bereits die zweite Rolle des Staates in der<br />
Marktwirts<strong>ch</strong>aft tangiert:<br />
VERHINDERN VON MARKTVERSAGEN<br />
• Um ein Marktversagen aufgrund von Wettbewerbsbes<strong>ch</strong>ränkungen zu verhindern, gilt es für<br />
offene Märkte zu sorgen und Wettbewerbshindernisse aller Art abzubauen.<br />
• Damit die Gesells<strong>ch</strong>aft au<strong>ch</strong> in den Genuss von öffentli<strong>ch</strong>en Gütern kommt, muss der Staat<br />
sie bereitstellen oder zumindest an ihrer Bereitstellung mitwirken.<br />
• Au<strong>ch</strong> bei externen Effekten muss der Staat eingreifen, um ein unerwüns<strong>ch</strong>tes<br />
Marktergebnis zu verhindern. Übli<strong>ch</strong>erweise ges<strong>ch</strong>ieht dies direkt dur<strong>ch</strong> Verbote und<br />
Normen.<br />
Dur<strong>ch</strong> die Internalisierung externer Effekte können si<strong>ch</strong> die Marktfunktionen entfalten,<br />
wodur<strong>ch</strong> ein effizienter Umgang mit knappen Ressourcen si<strong>ch</strong>ergestellt wird.<br />
• Dem Marktversagen bei asymmetris<strong>ch</strong>er Information wird mit vers<strong>ch</strong>iedenen Massnahmen<br />
begegnet: Mit Standesri<strong>ch</strong>tlinien und Zulassungsbedingungen für bestimmte Berufsgruppen<br />
Zusammenfassung VWL IUR I<br />
<strong>www</strong>.<strong><strong>ch</strong>illingpeople</strong>.<strong>ch</strong><br />
25
(mit der Gefahr von „rent seeking“), Konsumenten- und Arbeitnehmers<strong>ch</strong>utz, staatli<strong>ch</strong>e<br />
Informationen, Versi<strong>ch</strong>erungspfli<strong>ch</strong>t, Selbstbehaltsklauseln, Bonus-Malus-Systemen,<br />
zwingende ärztli<strong>ch</strong>e Untersu<strong>ch</strong>ungen, Gruppenbildung in der Versi<strong>ch</strong>erung na<strong>ch</strong> Beruf oder<br />
Alter usw.<br />
GEWÄHRLEISTUNG EINER GERECHTEN EINKOMMENS- UND<br />
VERMÖGENSVERTEILUNG<br />
Beim Marktversagen haben wir uns auf die Mängel in der Steuerung dur<strong>ch</strong> die „Unsi<strong>ch</strong>tbare<br />
Hand“ konzentriert. Aber selbst wenn der Marktme<strong>ch</strong>anismus in vollkommener Weise<br />
funktionieren würde, würden ihn viele als ni<strong>ch</strong>t ideal beurteilen. Denn die Marktwirts<strong>ch</strong>aft<br />
belohnt nur den, der im Wettbewerb zu bestehen vermag. Der Marktme<strong>ch</strong>anismus verteilt die<br />
Einkommen einzig na<strong>ch</strong> Leistungskriterien.<br />
Deshalb muss die Marktwirts<strong>ch</strong>aft um die soziale Komponente ergänzt werden, die zu einer<br />
Umverteilung der Einkommen führt. Als Hauptinstrumente zur Umverteilung stehen die Sozialtransfers<br />
und staatli<strong>ch</strong>e Versi<strong>ch</strong>erungssysteme sowie die progressiven Einkommenssteuern<br />
zur Verfügung.<br />
Das Ausbalancieren zwis<strong>ch</strong>en Allokationseffizienz und Verteilungsgere<strong>ch</strong>tigkeit ist eine<br />
Herausforderung für die Wirts<strong>ch</strong>aftspolitik.<br />
Urteile über die Gere<strong>ch</strong>tigkeit gründen immer auf subjektiven Werturteilen.<br />
FÖRDERUNG DER WIRTSCHAFTLICHEN STABILITÄT<br />
Marktwirts<strong>ch</strong>aften werden immer wieder von Perioden hoher Inflation oder hoher<br />
Arbeitslosigkeit heimgesu<strong>ch</strong>t, wel<strong>ch</strong>e das Bedürfnis na<strong>ch</strong> einer Stabilisierungspolitik des<br />
Staates wecken, andererseits si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> die Grenzen einer sol<strong>ch</strong>en Politik si<strong>ch</strong>tbar geworden.<br />
STAATSVERSAGEN<br />
Was tut der Staat eigentli<strong>ch</strong> in der Realität?<br />
Im Laufe der 1960er-Jahre erlebten die meisten Industrieländer einen S<strong>ch</strong>ub von staatli<strong>ch</strong>en<br />
Eingriffen, im Besonderen bei den Sozialausgaben.<br />
Mit der Erdölkrise 1973 wu<strong>ch</strong>s der Ruf na<strong>ch</strong> Protektionismus (= S<strong>ch</strong>utz der eigenen Wirts<strong>ch</strong>aft<br />
vor ausländis<strong>ch</strong>er Konkurrenz), bedrohte Unternehmen su<strong>ch</strong>ten Hilfe beim Staat und erhielten<br />
sie in Form von Subventionen, der Kündigungss<strong>ch</strong>utz wurde ausgebaut und die<br />
Sozialausgaben erhöht. „Mehr Staat“ war die Antwort auf die Rezession. Ende der 1970er-<br />
Jahre drehte aber der Wind: S<strong>ch</strong>lankheitskuren für den Wohlfahrtsstaat usw.<br />
„Mehr Markt“ war und ist au<strong>ch</strong> heute no<strong>ch</strong> ein Trend.<br />
Allerdings kamen zu Beginn des neuen Jahrtausend Ma<strong>ch</strong>ens<strong>ch</strong>aften wie Bilanzfäls<strong>ch</strong>ungen,<br />
Korruption, etc. ans Tagesli<strong>ch</strong>t, wel<strong>ch</strong>e au<strong>ch</strong> dem Ruf na<strong>ch</strong> „mehr Staats“ wieder Auftrieb<br />
verliehen haben.<br />
Darin kommt ein der Marktwirts<strong>ch</strong>aft eigentümli<strong>ch</strong>es Dilemma zum Vors<strong>ch</strong>ein. Einerseits lässt<br />
die Lehre vom Marktversagen, das Verhindern von sozialen Unglei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>ten und die<br />
Förderung der Stabilität den Ruf na<strong>ch</strong> „mehr Staat“ laut werden, andererseits erweist si<strong>ch</strong> die<br />
Tätigkeit des Staates oft als ni<strong>ch</strong>t geeignet, die jeweiligen Probleme zu lösen, oder s<strong>ch</strong>afft<br />
sogar neue Probleme. Diese Fälle werden mit Staatsversagen bezei<strong>ch</strong>net.<br />
Was als Staatsversagen bezei<strong>ch</strong>net wird, hängt davon ab, wel<strong>ch</strong>e Leistungen von der Politik<br />
erwartet werden. Aus der Si<strong>ch</strong>t der Neuen Politis<strong>ch</strong>en Ökonomie (in Amerika als „public<br />
<strong>ch</strong>oice“ bekannt) entstehen dur<strong>ch</strong> die Staatstätigkeit insbesondere folgende Probleme, wel<strong>ch</strong>e<br />
zu einer Vers<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>terung der Funktionsfähigkeit der Marktwirts<strong>ch</strong>aft führen können:<br />
• Politis<strong>ch</strong> motivierte Ents<strong>ch</strong>eidungen<br />
In einer Demokratie entsteht die Gefahr, dass nur Massnahmen ergriffen werden, die<br />
kurzfristig populär sind und den einflussrei<strong>ch</strong>en und gut organisierten Interessengruppen<br />
dienen. Die Eingriffe in den Markt können zwar für gewisse Interessengruppen Vorteile<br />
s<strong>ch</strong>affen, der Allgemeinheit aber s<strong>ch</strong>aden – indem sie die Voraussetzungen für „rent<br />
seeking“ s<strong>ch</strong>affen.<br />
Zusammenfassung VWL IUR I<br />
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26
• Regulierungskosten<br />
Wird ein Regulierungsbedarf festgestellt, muss ein Instrumentarium für die Markteingriffe<br />
ausgewählt werden. Es entsteht Informationsbedarf, deren Bes<strong>ch</strong>affung mit Kosten<br />
verbunden ist. Zusätzli<strong>ch</strong> versu<strong>ch</strong>en die betroffenen Stellen ihren Informationsvorsprung zu<br />
ihren Gunsten auszunützen. Au<strong>ch</strong> die Dur<strong>ch</strong>führung und Kontrolle der Markteingriffe<br />
erfordern einen gewissen Verwaltungsapparat und verursa<strong>ch</strong>en damit Kosten.<br />
• Verzerrung der Allokationseffizienz<br />
Das eigennützige Verhalten jedes Einzelnen ermögli<strong>ch</strong>t eine effiziente Allokation der<br />
Ressourcen: Die relativen Knappheiten widerspiegeln si<strong>ch</strong> in den Preisverhältnissen und<br />
werden so in den Ents<strong>ch</strong>eidungen berücksi<strong>ch</strong>tigt.<br />
Im politis<strong>ch</strong>en Prozess aber bezahlt z.B. eine Bran<strong>ch</strong>e, die dur<strong>ch</strong> Importbes<strong>ch</strong>ränkungen<br />
ges<strong>ch</strong>ützt wird, keinen Preis, mit dem die Verlierer ents<strong>ch</strong>ädigt werden könnten. Dur<strong>ch</strong> die<br />
Importbes<strong>ch</strong>ränkungen ergeben si<strong>ch</strong> Änderungen der relativen Preise, entspre<strong>ch</strong>ende<br />
Anreize und Gewinnmögli<strong>ch</strong>keiten für die ges<strong>ch</strong>ützte Bran<strong>ch</strong>e, zu Lasten der Konsumenten<br />
– es kommt eben zu einer Verzerrung der Allokationseffizienz.<br />
Damit die Marktwirts<strong>ch</strong>aft ihre Rolle erfüllen kann, muss der Staat die notwendigen<br />
Voraussetzungen s<strong>ch</strong>affen und Marktversagen verhindern. Allerdings bergen staatli<strong>ch</strong>e<br />
Eingriffe die Gefahr in si<strong>ch</strong>, dass Marktversagen dur<strong>ch</strong> Staatsversagen ersetzt wird.<br />
DIE WIRTSCHAFTSORDNUNG DER SCHWEIZ<br />
GRUNDLAGE: VERFASSUNG UND GESETZE<br />
Die S<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>e Wirts<strong>ch</strong>aftsordnung s<strong>ch</strong>eint gemäss der Verfassung auf dem Fundament<br />
des Liberalismus zu stehen, dessen beherrs<strong>ch</strong>ende Idee die Forderung na<strong>ch</strong> individueller<br />
Selbständigkeit und Freiheit ist.<br />
Diverse Verfassungsartikel und darauf abgestützte Gesetze erlauben es aber, von den<br />
marktwirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Grundprinzipien abzugehen und die gewährten Freiheitsre<strong>ch</strong>te<br />
einzus<strong>ch</strong>ränken.<br />
Bereits in der Bundesverfassung selber sind „harte“ Eins<strong>ch</strong>ränkungen der Marktwirts<strong>ch</strong>aft<br />
vorgesehen. Weil si<strong>ch</strong> aber zuglei<strong>ch</strong> die Interpretation der Verfassung vielfa<strong>ch</strong> von ihrem<br />
Wortlaut entfernte, kam es zu einer Vielzahl von Staatseingriffen.<br />
Marktzutrittsbes<strong>ch</strong>ränkungen und Kartelle sind in der S<strong>ch</strong>weiz häufige Vertreter sol<strong>ch</strong>er<br />
Eins<strong>ch</strong>ränkungen. Unter Kartellen versteht man die Zusammenarbeit re<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> selbständiger<br />
Zusammenfassung VWL IUR I<br />
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27
Unternehmungen mit dem Zweck, ihr Verhalten so zu koordinieren, dass sie auf dem Markt<br />
eine dominierende Stellung einnehmen können.<br />
DER RUF NACH MARKTWIRTSCHAFTLICHER ERNEUERUNG<br />
Spätestens na<strong>ch</strong> dem 6.Dezember 1992, als das Volk den EWR-Vertrag ablehnte, ist die<br />
Revitalisierung bzw. die marktwirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Erneuerung der S<strong>ch</strong>weizer Wirts<strong>ch</strong>aft in aller<br />
Munde.<br />
In der S<strong>ch</strong>weiz wurde man si<strong>ch</strong> zusehends bewusster, dass traditionelle Standortvorteile<br />
verloren gehen und dass ein ordnungspolitis<strong>ch</strong>er Handlungsbedarf bestand.<br />
Ziel der marktwirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Erneuerungen ist es, die Konkurrenzfähigkeit des<br />
Wirts<strong>ch</strong>aftsstandortes S<strong>ch</strong>weiz zu verstärken. Das Trainingsprogramm für die „Fitnesskur von<br />
Mutter Helvetia“ enthält folgende Stossri<strong>ch</strong>tungen:<br />
1. Wettbewerbsintensive Märkte: Die S<strong>ch</strong>affung wirksamer Wettbewerbs und dessen<br />
S<strong>ch</strong>utz ist eine Kernaufgabe des Staates in einer Marktwirts<strong>ch</strong>aft. Zum Programm der<br />
marktwirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Erneuerung gehören u.a.<br />
Das Bundesgesetz über das öffentli<strong>ch</strong>e Bes<strong>ch</strong>affungswesen: Wettbewerb bei<br />
Auftragsvergabe dur<strong>ch</strong> staatli<strong>ch</strong>e Behörden.<br />
Das Bundesgesetz über Kartelle<br />
Das Binnenmarktgesetz<br />
2. Liberalisierungen im öffentli<strong>ch</strong>en Versorgungsberei<strong>ch</strong>: Die S<strong>ch</strong>weiz ist im Allgemeinen<br />
im Rückstand gegenüber der EU in Sa<strong>ch</strong>en Liberalisierung im Versorgungsberei<strong>ch</strong>, in der<br />
Telekommunikation, beim Elektrizitätsmarkt oder im öffentli<strong>ch</strong>en Verkehr.<br />
3. Internationale Öffnung: Die wi<strong>ch</strong>tigsten Elemente der s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en<br />
Aussenwirts<strong>ch</strong>aftspolitik sind die Abkommen im Rahmen der WTO sowie die bilateralen<br />
Abkommen mit der EU.<br />
4. Öffentli<strong>ch</strong>e Finanzen: Um die öffentli<strong>ch</strong>en Finanzen zu sanieren, sind eine Bes<strong>ch</strong>ränkung<br />
des Ausgabenwa<strong>ch</strong>stums sowie Steuerreformen notwendig.<br />
EINFLUSSMÖGLICHEITEN VON INTERESSENVERBÄNDEN<br />
Die S<strong>ch</strong>weiz wird häufig als Verbandsdemokratie bezei<strong>ch</strong>net. In dieser Bezei<strong>ch</strong>nung kommt<br />
die Tatsa<strong>ch</strong>e zum Ausdruck, dass si<strong>ch</strong> wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Akteure mit glei<strong>ch</strong>en Interessen zu<br />
Verbänden zusammens<strong>ch</strong>liessen, um dadur<strong>ch</strong> wirts<strong>ch</strong>aftspolitis<strong>ch</strong>e Ma<strong>ch</strong>t zu entfalten.<br />
Wi<strong>ch</strong>tige Verbände sind Gewerks<strong>ch</strong>aften, Arbeitgeberverbände, economiesuisse (Verband<br />
S<strong>ch</strong>weizer Unternehmer), daneben gibt es aber no<strong>ch</strong> eine Vielzahl von Verbänden, die si<strong>ch</strong><br />
aufgrund anderer Anliegen zusammens<strong>ch</strong>liessen (Stiftung für Konsumentens<strong>ch</strong>utz,<br />
Vermieterverband, Mieterinnen- und Mieterverband, etc.).<br />
Den Verbänden kommt viel Ma<strong>ch</strong>t zu, weil ihnen in frühen Phasen des politis<strong>ch</strong>en Prozesses<br />
Einflussmögli<strong>ch</strong>keiten geboten werden. Zur Vorbereitung für neue Gesetze oder<br />
Verfassungsartikel werden regelmässig Expertenkommissionen gebildet, in denen Vertreter<br />
der vers<strong>ch</strong>iedenen Verbände ihre Sa<strong>ch</strong>kenntnisse und ihre Interessen einbringen. Regierung<br />
und Verwaltung setzen bei ihrer Arbeit auf die Kooperation mit den Verbänden.<br />
Bevor die Expertenberi<strong>ch</strong>te an die Behörden und an das Parlament gehen, werden sie dem so<br />
genannten Vernehmlassungsverfahren unterworfen, in wel<strong>ch</strong>em sämtli<strong>ch</strong>e Interessierten ihre<br />
Meinung zum Ausdruck bringen können. Diese Meinungsäusserungen beeinflussen den<br />
endgültigen Gesetzestext umso wirkungsvoller, je grösser die Finanzkraft und die<br />
Referendumsdrohung (in Abhängigkeit der Mitgliederzahl) der Interessengruppen sind.<br />
Au<strong>ch</strong> im Parlament nehmen die Verbände ihre Interessen wahr, indem sie entweder im<br />
Rahmen einer Partei selbst Einsitz nehmen im Parlament, oder indem sie mit Parteien<br />
zusammenarbeiten und sie finanziell unterstützen.<br />
Zusammenfassung VWL IUR I<br />
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28
Die Interessenverbände beeinflussen dur<strong>ch</strong> Webung und Information au<strong>ch</strong> die öffentli<strong>ch</strong>e<br />
Meinung und damit das Abstimmungs- und Wahlverhalten der Bürgen. Wi<strong>ch</strong>tige Waffen sind<br />
dabei die direkten Volksre<strong>ch</strong>te Referendum und Initiative.<br />
Allerdings lassen si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t alle Interessen glei<strong>ch</strong> lei<strong>ch</strong>t organisieren. Die Leistungen von<br />
Konsumentenverbänden haben beispielsweise den Charakter von öffentli<strong>ch</strong>en Gütern.<br />
Andererseits lassen si<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>lagkräftige Interessengruppen bilden, wo handfeste<br />
wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Anliegen der einzelnen Mitglieder gefördert werden können.<br />
EXKURS: „SCHACH“ … BEIM JASSEN<br />
„Der Staat ist ineffizient!“ Man muss aber zur Kenntnis nehmen, dass in der Wirts<strong>ch</strong>aft, In<br />
Unternehmungen einerseits und im Staat, in der Politik andererseits zwei vers<strong>ch</strong>iedene Spiele<br />
gespielt werden.<br />
Damit alle Interessen eingebra<strong>ch</strong>t werden können, damit Ausglei<strong>ch</strong> mögli<strong>ch</strong>e wird, sind die<br />
staatli<strong>ch</strong>en Institutionen und Ents<strong>ch</strong>eidungsprozesse anders ausgestaltet worden, als dies in<br />
Unternehmungen typis<strong>ch</strong>erweise der Fall ist.<br />
Im Spiel „Staat“ kann und darf ni<strong>ch</strong>t zu viel Effizienz erwartet werden!<br />
Wo das Spiel „Unternehmung“ gespielt wird geht es um Effizienz, und es herrs<strong>ch</strong>t (im Rahmen<br />
unerlässli<strong>ch</strong>er Gesetze und staatli<strong>ch</strong>er Auflagen) Freiheit. Und es ma<strong>ch</strong>t keinen Sinn, dieser<br />
Freiheit in jeder nur denkbaren Hinsi<strong>ch</strong>t einzus<strong>ch</strong>ränken und damit ausserdem effizientes<br />
Verhalten zu verunmögli<strong>ch</strong>en.<br />
Für die Gesells<strong>ch</strong>aft stellt si<strong>ch</strong> immer wieder neu die Frage, wel<strong>ch</strong>e Berei<strong>ch</strong>e sie dem Spiel<br />
„Staat“ und damit den Zielen Fairness, Ausglei<strong>ch</strong> und Gere<strong>ch</strong>tigkeit unterstellen will und in<br />
wel<strong>ch</strong>en Berei<strong>ch</strong>en das Spiel „Wirts<strong>ch</strong>aft“ mit den Zielen Effizienz und Freiheit gespielt werden<br />
soll.<br />
EXKURS: VOM „HOMO SOVIETICUS“ ZUM „HOMO OECONOMICUS“<br />
In einem historis<strong>ch</strong>en Experiment wird ein halber Kontinent auf eine neue Wirts<strong>ch</strong>aftsordnung<br />
umgestellt.<br />
DIE ZENTRALE PLANWIRTSCHAFT IM MODELL<br />
• Eigentumsordnung: Eine wesentli<strong>ch</strong>e These des Kommunismus ist, dass in einer<br />
kapitalistis<strong>ch</strong>en Wirts<strong>ch</strong>aft der Mens<strong>ch</strong> vom Mens<strong>ch</strong>en ausgebeutet wird, deshalb befindet<br />
si<strong>ch</strong> das Eigentum an Produktionsmitteln grundsätzli<strong>ch</strong> in der Hand der Gesells<strong>ch</strong>aft als<br />
ganzes.<br />
• Koordinationsme<strong>ch</strong>anismus: Wir Wirts<strong>ch</strong>aft wird zentral geplant und koordiniert. Eine<br />
staatli<strong>ch</strong>e Plankommission stellt Gesamtpläne und Teilpläne auf und legt die Preise fest.<br />
In einem ersten S<strong>ch</strong>ritt wird festgelegt, wel<strong>ch</strong>e Produkte in wel<strong>ch</strong>en Mengen hergestellt<br />
werden sollen. Der zweite S<strong>ch</strong>ritt besteht in der Erstellung von Bilanzen für jedes<br />
gewüns<strong>ch</strong>te Endprodukt, auf wel<strong>ch</strong>er auf der einen Seite das Produktionsziel und auf der<br />
anderen Seite die notwendigen Inputs festgehalten werden.<br />
Die Zuteilung der produzierten Güter an die Konsumenten erfolgt dur<strong>ch</strong> mengenmässige<br />
Rationierung (Verteilungspläne und Verbrau<strong>ch</strong>spläne).<br />
• Zentrale Preisfestsetzung: Die Preise werden auf dem Verwaltungsweg bere<strong>ch</strong>net und<br />
von den Behörden verbindli<strong>ch</strong> festgelegt.<br />
Je na<strong>ch</strong> Wi<strong>ch</strong>tigkeit der Güter werden sie mit Zus<strong>ch</strong>lägen versehen, damit die relativen<br />
Knappheiten berücksi<strong>ch</strong>tigt werden können.<br />
• Anreizme<strong>ch</strong>anismus: Als Leistungsanreize dienen Orden und Auszei<strong>ch</strong>nungen; werden<br />
die Produktionspläne verfehlt, drohen Strafen.<br />
• Ordnungsfunktion des Staates: Der Staat ist in jeder Hinsi<strong>ch</strong>t dominant. Er ist<br />
Eigentümer der Produktionsmittel und fällt die Investitions- und Produktionsents<strong>ch</strong>eidungen.<br />
Au<strong>ch</strong> der Aussenhandel ist Monopol des Staates.<br />
GRÜNDE FÜR DAS VERSAGEN DER PLANWIRTSCHAFTEN<br />
Vor allem aus der Si<strong>ch</strong>t der Produzenten war die Planwirts<strong>ch</strong>aft negativ. Das führte dazu, dass<br />
der S<strong>ch</strong>warzmarkt blühte.<br />
Zusammenfassung VWL IUR I<br />
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29
Das Versagen dieses Systems liegt in den prinzipiell fals<strong>ch</strong> gesetzten Anreizen. Die<br />
Wirts<strong>ch</strong>aftsakteure werden systematis<strong>ch</strong> davon abgehalten, ihr Wissen um Markt-<br />
Unglei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>te, Versorgungsengpässe und Gewinn<strong>ch</strong>ancen zu nutzen. Zudem werden sie<br />
systematis<strong>ch</strong> dazu verleitet, fals<strong>ch</strong>e Informationen an die Planungsbehörde zu übermitteln.<br />
Planwirts<strong>ch</strong>aft und politis<strong>ch</strong>er Totalitarismus gehen Hand in Hand; mehr no<strong>ch</strong>: Sie bedingen<br />
si<strong>ch</strong> gegenseitig.<br />
VORAUSSETZUNGEN DES SYSTEMWECHSELS<br />
Gut sieben Jahre na<strong>ch</strong> den Anfängen des Umbru<strong>ch</strong>s lässt si<strong>ch</strong> ermessen, wie s<strong>ch</strong>wierig, fragil<br />
und krisenanfällig der Übergang zum Markt in Tat und Wahrheit ist. Art und Ursa<strong>ch</strong>en der<br />
Rücks<strong>ch</strong>läge spiegeln dabei die ganze Vielfalt des Transformationsprozesses.<br />
Zu den Voraussetzungen eines Systemwe<strong>ch</strong>sels gehören:<br />
• Die Absage an ideologis<strong>ch</strong>e Grundwerte<br />
• Die Einführung und Absi<strong>ch</strong>erung des privaten Eigentums<br />
• Die Freigabe der Preise und die Privatisierung der Unternehmungen<br />
• Die Erri<strong>ch</strong>tung eines funktionierenden Kapital- und Arbeitsmarktes<br />
• Die Liberalisierung des Aussenhandels<br />
• Die Einführung der Konvertibilität (=freie Taus<strong>ch</strong>barkeit) der Währung<br />
• Die S<strong>ch</strong>affung einer neuen Re<strong>ch</strong>tsordnung<br />
• Die Reform des Bildungswesens und des Verwaltungsapparates<br />
• Der Abbau des Subventionierungssystems<br />
Für die sozialistis<strong>ch</strong>en Unternehmungen bringt die neue Ordnung eine totale Veränderung<br />
der wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Bedingungen mit si<strong>ch</strong>. Deshalb treten fehlende Erfahrung und Wissen<br />
umso mehr zum Vors<strong>ch</strong>ein.<br />
Die Sanktionierung des Marktes ist unerbittli<strong>ch</strong>, er trennt ohne Sentimentalität die Spreu<br />
vom Weizen, ni<strong>ch</strong>t nur mit Blick auf die Produkte, sondern au<strong>ch</strong> auf ganze Volkswirts<strong>ch</strong>aften.<br />
Die niedrige Produktivität der Wirts<strong>ch</strong>aft lässt ihnen gegen die internationale Konkurrenz keine<br />
grosse Chance, und alle Versu<strong>ch</strong>e, diese Produktivität zu steigern, erhöhen zuerst die<br />
Arbeitslosigkeit und vermindern dadur<strong>ch</strong> die Einkommen.<br />
Zusammenfassung VWL IUR I<br />
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30
KAPITEL 4 – DIE ERFASSUNG DER GESAMTEN WIRTSCHAFTSLEISTUNG:<br />
Zusammenfassung VWL IUR I<br />
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DIE VOLKSWIRTSCHAFTLICHE GESAMTRECHNUNG (VGR)<br />
DER EINFACHE WIRTSCHAFTSKREISLAUF<br />
Hauptziel der Makroökonomie darin, einen Überblick über die Gesamtwirts<strong>ch</strong>aft zu vermitteln.<br />
Dazu vereinfa<strong>ch</strong>en wir die Volkswirts<strong>ch</strong>aft zu einer einfa<strong>ch</strong>en Volkswirts<strong>ch</strong>aft, in der es nur<br />
Haushalte und Unternehmungen gibt.<br />
Der einfa<strong>ch</strong>e Wirts<strong>ch</strong>aftskreislauf zerteilt si<strong>ch</strong> in zwei Kreisläufe: einen Güterkreislauf und<br />
einen Geldkreislauf.<br />
An diesem einfa<strong>ch</strong>en Kreislauf sieht man, dass die Unternehmungen die volkswirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e<br />
Leistung erstellen (Produktion), das Einkommen daraus an die Haushalte weiterleiten<br />
(Einkommensverteilung) und die Haushalte ihrerseits das erhaltene Einkommen dazu<br />
verwenden, die Produktion der Unternehmungen zu kaufen (Verwendung).<br />
Man kann die wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Leistungsfähigkeit also aus drei Blickwinkeln erfassen:<br />
Die Wirkli<strong>ch</strong>keit ist jedo<strong>ch</strong> um einiges komplexer als dies der einfa<strong>ch</strong>e Kreislauf zum Ausdruck<br />
bringt. Um dieser Komplexität Re<strong>ch</strong>nung zu tragen wollen wir im Folgenden diese drei<br />
Blickwinkel einzeln analysieren und auf die s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>e „Wirkli<strong>ch</strong>keit“ anwenden.<br />
31
Das Ziel der VGR ist es, die Leistung einer Volkswirts<strong>ch</strong>aft zu erfassen, um den Unternehmen,<br />
den Arbeitnehmern, den Konsumenten, den Politikern und Wissens<strong>ch</strong>aftlern die für ihre<br />
Tätigkeit notwendigen Informationen zu liefern.<br />
DIE ANALYSE DER PRODUKTIONSSEITE<br />
Bei der Produktionsseite steht folgende Frage im Zentrum des Interesses: Wer hat die<br />
Leistung erbra<strong>ch</strong>t?<br />
Was aber bedeutet Leistung im Sinne der Volkswirts<strong>ch</strong>aftslehre?<br />
WIE MESSEN WIR DIE LEISTUNG EINER UNTERNEHMUNG?<br />
In der BWL dient als Massstab der Umsatz und der Gewinn. Aus volkswirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>er Si<strong>ch</strong>t ist<br />
der Gewinn alleine kein guter Massstab, weil die Unternehmung no<strong>ch</strong> andere Leistungen<br />
erbringt, so bezahlt sie beispielsweise Löhne an ihre Mitarbeiter, was für die VW von zentraler<br />
Bedeutung ist (siehe Verteilungsre<strong>ch</strong>nung).<br />
Der Umsatz überzei<strong>ch</strong>net die Leistung, weil er Werte enthält, die ni<strong>ch</strong>t von der betreffenden<br />
Unternehmung ges<strong>ch</strong>affen wurden. Um Mehrfa<strong>ch</strong>zählungen zu vermeiden, müssen wir alle<br />
Güter, die von anderen Unternehmungen eingekauft und im Produktionsprozess eingesetzt<br />
werden, vom Umsatz subtrahieren. Diese Leistungen, wel<strong>ch</strong>e ni<strong>ch</strong>t vom betreffenden<br />
Unternehmen erstellt wurden, bezei<strong>ch</strong>nen wir als Vorleistungen.<br />
Vorleistungen sind alle ni<strong>ch</strong>t dauerhaften Produktionsmittel, die von anderen Produzenten<br />
bezogen werden.<br />
Dazu zählen Sa<strong>ch</strong>güter wir Roh- und Hilfsstoffe, Energie, Halbfabrikate und Handelswaren<br />
ebenso wie Dienstleistungen (z.B. Transportleistungen, Beratungshonorare, etc.).<br />
Ni<strong>ch</strong>t dazu gehören Käufe von Investitionsgütern, da es si<strong>ch</strong> dabei ni<strong>ch</strong>t um eine Aufwands-,<br />
sondern eine Vermögenserhöhung handelt (wel<strong>ch</strong>e von der Bilanz erfasst wird).<br />
Die VW interessiert si<strong>ch</strong> primär weder für den Umsatz no<strong>ch</strong> für den Gewinn, sondern für die<br />
Leistungen, die von den vers<strong>ch</strong>iednen Produzenten NEU erbra<strong>ch</strong>t wurden. Es geht um den<br />
Wert, wel<strong>ch</strong>er den Vorleistungen dur<strong>ch</strong> die Produktion und den ans<strong>ch</strong>liessenden Absatz<br />
hinzugefügt wurden. Deshalb bezei<strong>ch</strong>nen wir diese Grösse mit dem Begriff Werts<strong>ch</strong>öpfung:<br />
Werts<strong>ch</strong>öpfung ist die selbst erbra<strong>ch</strong>te Leistung eines Unternehmens, also die Differenz<br />
zwis<strong>ch</strong>en den umgesetzten Leistungen eines Produzenten und den von ihm übernommenen<br />
Leistungen (Vorleistungen).<br />
In den selbst erbra<strong>ch</strong>ten Leistungen sind ni<strong>ch</strong>t nur die Güter enthalten, die ein Unternehmen<br />
verkauft, sondern au<strong>ch</strong> Güter die es für si<strong>ch</strong> selber produziert, oder die es ins Lager legt.<br />
Selbst erbra<strong>ch</strong>te Leistungen entspre<strong>ch</strong>en somit der Summe aller Verkäufe, den Wert der<br />
Bestandesveränderung des Lagers und den Wert der selbsterstellten Anlagen.<br />
Bei der oben bes<strong>ch</strong>riebenen Werts<strong>ch</strong>öpfung handelt es si<strong>ch</strong> genau genommen um die<br />
Bruttowerts<strong>ch</strong>öpfung, weil in ihr au<strong>ch</strong> die Abs<strong>ch</strong>reibungen enthalten sind, die dazu dienen, die<br />
Zusammenfassung VWL IUR I<br />
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32
in der laufenden Produktion abgenützten Investitionsgüter zu ersetzen. Die<br />
Bruttowerts<strong>ch</strong>öpfung abzügli<strong>ch</strong> der Abs<strong>ch</strong>reibungen ergibt die Nettowerts<strong>ch</strong>öpfung.<br />
Man bewertet die Leistungen zu Marktpreisen um zu der Werts<strong>ch</strong>öpfung zu gelangen, in der<br />
revidierten VGR (revidiert im Jahre 2003 um internationalen Standards anzupassen) bewertet<br />
man die erbra<strong>ch</strong>ten Leistungen aber zu Herstellungspreisen. Darin sind die Subventionen<br />
enthalten, jedo<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t die Gütersteuern.<br />
Um von den Herstellungspreisen zu den Markpreisen zu gelangen, müssen deshalb die<br />
Gütersteuern addiert und die Subventionen subtrahiert werden.<br />
Übersi<strong>ch</strong>t: Bruttowerts<strong>ch</strong>öpfung einer Unternehmung<br />
Begriff Definition<br />
Produktionswert<br />
+ Gütersteuern<br />
- Gütersubventionen<br />
- Vorleistungen<br />
= Bruttowerts<strong>ch</strong>öpfung<br />
- Abs<strong>ch</strong>reibungen<br />
= Nettowerts<strong>ch</strong>öpfung<br />
Zusammenfassung VWL IUR I<br />
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Wert aller Verkäufe + Wert der Bestandesveränderungen an Fertigprodukten<br />
+ Wert der selbsterstellten Anlagen, bewertet zu Herstellungspreisen.<br />
Indirekte Steuern (z.B. Mehrwertsteuern, Tabaksteuer, Alkoholsteuer).<br />
Produktionsbeiträge des Staates.<br />
Alle von einer Unternehmung bezogenen und für die Produktion verbrau<strong>ch</strong>ten<br />
Güter und Dienstleistungen.<br />
Der erarbeitet Mehrwert.<br />
Wertminderungen des Anlagevermögens dur<strong>ch</strong> Vers<strong>ch</strong>leiss und Alterung.<br />
Mehrwert, den man maximal verbrau<strong>ch</strong>e könnte, ohne die Vermögens-<br />
substanz einer Unternehmung zu gefährden.<br />
Wer- ausser den Unternehmungen, produziert in einer VW au<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> etwas, erbringt also<br />
eine Werts<strong>ch</strong>öpfung?<br />
DIE INSTITIONELLEN SEKTOREN DER VGR<br />
Man ist auf Abstraktion angewiesen, um die Komplexität der gesamten Wirts<strong>ch</strong>aft erfassen zu<br />
können. Man fasst all diejenigen zu einem Sektor zusammen, wel<strong>ch</strong>e mehrheitli<strong>ch</strong> dieselbe<br />
Tätigkeit ausüben. Die VGR unters<strong>ch</strong>eidet folgende Sektoren:<br />
• Ni<strong>ch</strong>t-finanzielle Kapitalgesells<strong>ch</strong>aften: Dieser Sektor umfasst alle Kapitalgesells<strong>ch</strong>aften,<br />
deren Haupttätigkeit in der Produktion von Waren und ni<strong>ch</strong>t-finanziellen Dienstleistungen<br />
liegt. Er umfasst Bran<strong>ch</strong>en wie die Chemie, die Mas<strong>ch</strong>inenindustrie oder die Bauwirts<strong>ch</strong>aft.<br />
• Finanzielle Kapitalgesells<strong>ch</strong>aften: Alle Kapitalgesells<strong>ch</strong>aften, wel<strong>ch</strong>e eine finanzielle<br />
Mittlertätigkeit übernehmen, gehören zu diesem Sektor. Es sind das Banken, die<br />
Nationalbank, Versi<strong>ch</strong>erungsgesells<strong>ch</strong>aften, die Anlagefonds, die Pensionskassen und die<br />
Leasinggesells<strong>ch</strong>aften.<br />
• Staat: Der Sektor Staat umfasst den Bund, die Kantone, die Gemeinden und die<br />
Sozialversi<strong>ch</strong>erungen. Das gemeinsame Merkmal dieser Einheit ist die Produktion von<br />
Waren und Dienstleistungen (z.B. Bildung, Si<strong>ch</strong>erheit, Gesundheit), die zum grössten Teil<br />
über obligatoris<strong>ch</strong>e Abgaben der anderen Sektoren finanziert werden (Steuern,<br />
Sozialbeiträge, usw.).<br />
• Private Haushalte: Alle natürli<strong>ch</strong>en Personen werden diesem Sektore zugeordnet. Dazu<br />
gehören au<strong>ch</strong> die Einzelunternehmungen.<br />
• Private Organisationen ohne Erwerbszweck (POoE): Dieser Sektor vereint alle<br />
Einheiten mit eigener Re<strong>ch</strong>tspersönli<strong>ch</strong>keit, die Waren und Dienstleistungen ohne<br />
Erwerbszweck produzieren. Dazu gehören die Gewerks<strong>ch</strong>aften, Verbrau<strong>ch</strong>erverbände,<br />
Parteien, Kir<strong>ch</strong>en, Hilfswerke, usw.<br />
• Übrige Welt: Die „übrige Welt“ ist streng genommen kein Sektor, sondern fasst die übrigen<br />
Länder zusammen, mit wel<strong>ch</strong>en die inländis<strong>ch</strong>en Sektoren dur<strong>ch</strong> wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e<br />
33
Transaktionen verbunden sind. Aus der S<strong>ch</strong>weiz fliessen viele Leistungen ins Ausland bzw.<br />
stammen von dort.<br />
Gemäss oben bes<strong>ch</strong>riebenem Verfahren müssen wir nun die Summe aller Werts<strong>ch</strong>öpfungen<br />
aller Sektoren bilden, um die Leistungsfähigkeit einer VW zu erhalten.<br />
Wie misst man die Werts<strong>ch</strong>öpfung im Sektor Private Haushalte?<br />
In privaten Haushalten werden eine Menge von Leistungen erbra<strong>ch</strong>t. Weil dabei aber keine<br />
Markttranksaktionen stattfinden, finden diese Leistungen au<strong>ch</strong> keine Berücksi<strong>ch</strong>tigung in der<br />
VGR (Hausarbeit zum Nulltarif).<br />
Mit der Einführung der neuen VGR werden aber dem Sektor „Private Haushalte“ au<strong>ch</strong><br />
Einzelunternehmer und Selbständige zugere<strong>ch</strong>net, wel<strong>ch</strong>e in der alten VGR zum Sektor<br />
„Unternehmungen“ zählte. Ebenfalls der Produktion der privaten Haushalte zugere<strong>ch</strong>net<br />
werden die Produkte der Landwirts<strong>ch</strong>aft, wel<strong>ch</strong>e die Bauernfamilien selbst verbrau<strong>ch</strong>en und<br />
die Eigennutzung von Einfamilienhäusern und Eigentumswohnungen.<br />
Wie misst man die Werts<strong>ch</strong>öpfung beim Staat und bei den POoE?<br />
Es ist s<strong>ch</strong>wierig, diese Leistungen zu bewerten. Denn wie bei den privaten Haushalten haben<br />
staatli<strong>ch</strong>e Leistungen in den meisten Fällen keinen Marktpreis, ihre Finanzierung findet eben<br />
ni<strong>ch</strong>t über den Verkauf, sondern über Steuern statt.<br />
Man wendet hier einen statistis<strong>ch</strong>en Trick an: Im Gegensatz zum Sektor private Haushalte<br />
kennt man in der öffentli<strong>ch</strong>en Verwaltung nämli<strong>ch</strong> den Aufwand (insbesondere die Löhne), der<br />
für die Leistungserstellung erforderli<strong>ch</strong> war. Man nimmt deshalb an, dass die<br />
Bruttowerts<strong>ch</strong>öpfung der Summe aller Aufwände abzügli<strong>ch</strong> der Vorleistungsseinkäufe<br />
entspri<strong>ch</strong>t.<br />
Auf dieselbe Weise wird au<strong>ch</strong> die Werts<strong>ch</strong>öpfung bei den POoE bere<strong>ch</strong>net.<br />
Wie beziehen wie das Ausland in unsere Werts<strong>ch</strong>öpfungsbere<strong>ch</strong>nung mit ein?<br />
Bei der Produktionsseite bereitet die Berücksi<strong>ch</strong>tigung des Auslandes überhaupt keine<br />
Probleme, denn die Exporte sind selbstverständli<strong>ch</strong> im Bruttoproduktionswert enthalten. Die<br />
importierten Vorleistungen werden, wie alle anderen Vorleistungen au<strong>ch</strong>, vom<br />
Bruttoproduktionswert abgezogen, um die Bruttowerts<strong>ch</strong>öpfung zu erhalten.<br />
Um die gesamtwirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Werts<strong>ch</strong>öpfung zu erhalten, addieren wir die Werts<strong>ch</strong>öpfung der<br />
Kapitalgesells<strong>ch</strong>aften, des Staates, der POoE sowie die Werts<strong>ch</strong>öpfung der<br />
Einzelunternehmen und Selbständigen aus dem Sektor „Private Haushalte“. Daraus ergibt<br />
si<strong>ch</strong> folgende Definition des BIP:<br />
Das Bruttoinlandprodukt (BIP) ist die Gesamtheit aller im Laufe eines Jahres im Inland<br />
erbra<strong>ch</strong>ten Werts<strong>ch</strong>öpfungen von Unternehmen, Staat und POoE.<br />
Begriff 2001<br />
in Mio Fr.<br />
Bruttoproduktionswert 788 123<br />
+ Gütersteuern<br />
- Gütersubventionen<br />
- Vorleistungen<br />
Zusammenfassung VWL IUR I<br />
<strong>www</strong>.<strong><strong>ch</strong>illingpeople</strong>.<strong>ch</strong><br />
+ 29 474<br />
- 4 018<br />
- 390 767<br />
Definition<br />
Wert aller Verkäufe + Wert der Bestandesänderungen an<br />
Fertigprodukten + Wert der selbsterstellten Anlagen aller<br />
Unternehmungen, der öffentli<strong>ch</strong>en Haushalte, der Sozialversi<strong>ch</strong>erungen<br />
und der POoE im Inland, bewertet zu<br />
Herstellungspreisen.<br />
Indirekte Steuern (z.B. Mehrwertsteuer, Tabaksteuer,<br />
Alkoholsteuer).<br />
Produktionsbeiträge des Staates.<br />
Alle bezogenen und für die Produktion verbrau<strong>ch</strong>ten Güter und<br />
34
= Bruttoinlandprodukt<br />
(BIP)<br />
- Abs<strong>ch</strong>reibungen<br />
= Nettoinlandprodukt<br />
(NIP)<br />
Zusammenfassung VWL IUR I<br />
<strong>www</strong>.<strong><strong>ch</strong>illingpeople</strong>.<strong>ch</strong><br />
= 422 811<br />
- 75 990<br />
= 346 821<br />
Dienstleistungen.<br />
Summe aller Bruttowerts<strong>ch</strong>öpfungen von Unternehmungen,<br />
Staat und POoE im Inland. (Inklusive ni<strong>ch</strong>t abzugsfähige<br />
Mehrwertsteuer und Nettoeinfuhrabgaben.)<br />
Wertminderungen des Anlagevermögens dur<strong>ch</strong> Vers<strong>ch</strong>leiss<br />
und Alterung.<br />
Werts<strong>ch</strong>öpfung, die man maximal verbrau<strong>ch</strong>en könnte, ohne<br />
die Vermögenssubstanz der Volkswirts<strong>ch</strong>aft zu gefährden.<br />
Nun haben wir das theoretis<strong>ch</strong>e Fundament erarbeitet. Betra<strong>ch</strong>ten wir folgend die Wirkli<strong>ch</strong>keit:<br />
35
DIE ANALYSE DER EINKOMMENSSEITE<br />
Werts<strong>ch</strong>öpfung und Einkommen sind die beiden Seiten derselben Medaille. Jeder Franken<br />
Werts<strong>ch</strong>öpfung ist irgendwo für irgendjemanden ein Franken Einkommen. Es interessiert also,<br />
wie diese Werts<strong>ch</strong>öpfung verteilt wird.<br />
WIE WERDEN DIE ERZIELTEN EINKOMMEN VERTEILT?<br />
Unter diesem Punkt wird die Bezahlung der Produktionsfaktoren (Löhne und Gehälter,<br />
Gewinne, Vermögensrenditen) beleu<strong>ch</strong>tet. Wir mö<strong>ch</strong>ten also wissen, wie gross der Anteil der<br />
vers<strong>ch</strong>ienen Arten von Ents<strong>ch</strong>ädigungen an die Produktionsfaktoren ist.<br />
Erläuterungen zu den einzelnen Anteilen der Einkommensseite:<br />
• Arbeitnehmerentgelt<br />
Speziell interessant ist die Lohnquote (Arbeitnehmerentgelt) und ihre Entwicklung. Um<br />
diesen „Einkommensku<strong>ch</strong>en“ dreht si<strong>ch</strong> der Verteilungskampf zwis<strong>ch</strong>en Arbeitgebern und<br />
Arbeitnehmern.<br />
• Nettobetriebsübers<strong>ch</strong>uss<br />
Im Nettobetriebsübers<strong>ch</strong>uss sind die m Produktionsprozess entstandenen Einkommen aus<br />
Unternehmertätigkeit und Vermögen enthalten. (z.B. Zinsen, Dividenden, unverteilte<br />
Gewinne, Einkommen aus Grund und Boden).<br />
• Abs<strong>ch</strong>reibungen<br />
Die Abs<strong>ch</strong>reibungen entspre<strong>ch</strong>en den Wertminderungen, wel<strong>ch</strong>en das Anlagevermögen<br />
dur<strong>ch</strong> Vers<strong>ch</strong>leiss im Produktionsprozess und Alterung unterliegt. Diese Abs<strong>ch</strong>reibungen<br />
werden von den Unternehmungen zurückbehalten, um die notwendigen Ersatzinvestitionen<br />
tätigen zu können.<br />
• Produktionssteuern und Importabgaben abzügli<strong>ch</strong> Subventionen<br />
Produktionssteuern und Importabgaben sind Zwangsabgaben, wel<strong>ch</strong>e der Staat auf den<br />
produzierten Waren und DL erhebt. Diese Einkommen des Staates sind im Arbeitnehmerentgeld<br />
und im Nettobetriebsübers<strong>ch</strong>uss ni<strong>ch</strong>t enthalten, zählen aber ebenfalls zum BIP.<br />
(Die direkten Steuern hingegen sind im Arbeitnehmerentgelt und im<br />
Nettobetriebsübers<strong>ch</strong>uss enthalten.)<br />
Die Subventionen andererseits sind in den Einkommen aus unselbständiger Arbeit<br />
und/oder im Nettobetriebsübers<strong>ch</strong>uss enthalten. Weil sie aber keiner Werts<strong>ch</strong>öpfung<br />
entspre<strong>ch</strong>en, sind sie ni<strong>ch</strong>t Bestandteil des BIP und werden deshalb subtrahiert.<br />
Zusammenfassung VWL IUR I<br />
<strong>www</strong>.<strong><strong>ch</strong>illingpeople</strong>.<strong>ch</strong><br />
36
EXKURS: PERSONELLE VERMÖGENS- UND EINKOMMENSVERTEILUNG<br />
S<strong>ch</strong>weiz<br />
Die VGR gibt Auskunft über die funktionale Verteilung der Werts<strong>ch</strong>öpfung (d.h. gemässe der<br />
Verteilung des Einkommens auf die Produktionsfaktoren). Für Informationen über die<br />
personelle Verteilung müssen andere Statistiken herangezogen werden.<br />
Die Verteilung der Reineinkommen und der Reinvermögen und der entspre<strong>ch</strong>enden Steuern<br />
auf die Steuerpfli<strong>ch</strong>tigen wird mit der so genannten Lorenzkurve dargestellt. Horizontal sind<br />
die steuerpfli<strong>ch</strong>tigen natürli<strong>ch</strong>en Personen na<strong>ch</strong> Einkommen bzw. Vermögen angeordnet (in<br />
%); vertikal zugeordnet ist der prozentuale Einkommens- oder Vermögensanteil, der auf den<br />
jeweiligen Anteil der Steuerpfli<strong>ch</strong>tigen entfällt.<br />
Der „Dur<strong>ch</strong>hang der Kurven ist ein Mass für die Einseitigkeit der Verteilung.<br />
Verteilung des Vermögens im Jahre 1997:<br />
• An der Lorenzkurve lässt si<strong>ch</strong> z.B. ablesen, dass 90% der Steuerpfli<strong>ch</strong>tigen zusammen nur<br />
über ca. 30% der Reinvermögen verfügen und weniger als 10% an die Summer der<br />
Vermögenssteuern beitragen.<br />
• Gut 30% der Steuerpfli<strong>ch</strong>tigen weisen kein Vermögen aus, während 3% über eine Million<br />
und mehr verfügt.<br />
• Diese 3% der Vermögendsten besitzen rund 50% des Gesamtvermögens.<br />
Betra<strong>ch</strong>tet man die Einkommensverteilung, dann man folgendes festhalten:<br />
• Die unteren 50% der Steuerpfli<strong>ch</strong>tigen verfügen über rund 28% der Reineinkommen und<br />
bezahlen etwa 8% der Einkommenssteuern (komplementär dazu verfügen die oberen 50%<br />
der Steuerpfli<strong>ch</strong>tigen über mehr als 72% der Reineinkommen und bezahlen etwa 92% der<br />
Einkommenssteuern).<br />
• Je die Hälfte der Einkommen entfällt auf ca. 73% Steuerpfli<strong>ch</strong>tige mit niedrigeren und gut<br />
27% Steuerpfli<strong>ch</strong>tige mit höherem Einkommen, wobei die beiden Gruppen die<br />
Einkommenssteuer etwa im Verhältnis von 20% zu 80% aufbringen.<br />
Welt<br />
40% der Weltbevölkerung sind von bitterer Armut bedrängt, sie müssen von ca. 3,1% des<br />
Welteinkommens „leben“, während die 20% Rei<strong>ch</strong>sten 86% des Welteinkommens erhalten.<br />
DIE ANALYSE DER VERWENDUNGSSEITE<br />
Zusammenfassung VWL IUR I<br />
<strong>www</strong>.<strong><strong>ch</strong>illingpeople</strong>.<strong>ch</strong><br />
37
Die Einkommen werden ni<strong>ch</strong>t nur irgendwo erarbeitet, an irgend jemanden verteil, sondern sie<br />
werden au<strong>ch</strong> irgendwie verwendet.<br />
WIE WERDEN DIE ERZIELTEN EINKOMMEN VERWENDET?<br />
Grundsätzli<strong>ch</strong> können Einkommen zum Konsum oder für Investitionen verwendet werden.<br />
Es kann au<strong>ch</strong> gespart werden, aber:<br />
Diese Ersparnisse werden an diejenigen ausgeliehen, die zu wenig eigene Mittel erarbeitet<br />
haben, um ihre Investitionen zu finanzieren. Das heisst, dass s<strong>ch</strong>lussendli<strong>ch</strong> immer soviel<br />
investiert wird, wie gespart wird. Falls Sparen und Investieren ni<strong>ch</strong>t glei<strong>ch</strong> gross sind, treten<br />
Me<strong>ch</strong>anismen auf, die wieder auf ein Glei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>t zwis<strong>ch</strong>en Sparen und Investieren<br />
hinwirken. Einzelne Sektoren (z.B. die privaten Haushalte) können also sehr wohl mehr<br />
sparen als sie investieren, während andere Sektoren (z.B. die Unternehmungen) mehr<br />
investieren, als dass sie zu sparen in der Lage sind. Gesamtwirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong> aber sind Sparen<br />
und Investieren – rückblickend – immer ausgegli<strong>ch</strong>en.<br />
Nehmen wir an, die Haushalte sparen mehr, als die Unternehmen investieren wollen. Das<br />
bedeutet, dass die Unternehmungen ihr geplantes Angebot an Konsumgütern ni<strong>ch</strong>t verkaufen<br />
können. Deshalb erzielen die Unternehmungen einen kleinere Gewinn, was ein Sinken ihrer<br />
Ersparnisse zur Folge hat. Weil sie ni<strong>ch</strong>t ihr ganzes Angebot verkaufen können, nehmen ihre<br />
Lager zu; dieser Lageraufbau entspri<strong>ch</strong>t einer ungeplanten Investition. Als Folge der tieferen<br />
Na<strong>ch</strong>frage entstehen au<strong>ch</strong> tiefere Einkommen (z.B. infolge von Entlassungen); mit<br />
abnehmendem Einkommen sinken au<strong>ch</strong> die Sparmögli<strong>ch</strong>keiten. Diese Prozesse führen<br />
letztli<strong>ch</strong> dazu, dass die Lücke zwis<strong>ch</strong>en Ersparnis und Investitionen ges<strong>ch</strong>lossen wird.<br />
Sie sehen an diesem Beispiel, dass Sparsamkeit ni<strong>ch</strong>t immer etwas Gutes ist.<br />
Wenn in wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>wierigen Zeiten alle sparen, kann dies für die VW verheerende<br />
Folgen haben. Der Versu<strong>ch</strong> mehr zu sparen, kann damit enden, dass die tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en<br />
volkswirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Ersparnisse zurückgehen. Dieses Phänomen wird als Sparparadoxon<br />
bezei<strong>ch</strong>net: „Mit steigender Ersparnis wird die Investitionstätigkeit der Unternehmungen<br />
gebremst. Dadur<strong>ch</strong> sinkt das Volkseinkommen, worauf au<strong>ch</strong> der Konsum und die Ersparnis<br />
vermindert werden.“<br />
Die grundsätzli<strong>ch</strong>en Verwendungsmögli<strong>ch</strong>keiten von Einkommen:<br />
• Konsum der privaten Haushalte und der POoE<br />
Privater Konsum im volkswirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Sinn sind alle Käufe von Güter und DL der<br />
privaten Haushalte und der POoE.<br />
• Konsum des Staates<br />
Wir stehen bei der Verwendungsseite vor dem glei<strong>ch</strong>en Problem wie bei der<br />
Entstehungsre<strong>ch</strong>nung von der Aufwandseite her. Weil die DL des Staates ni<strong>ch</strong>t verkauft<br />
werden, können sie au<strong>ch</strong> niemandem zugeordnet werden. Deshalb arbeitet die VGR mit<br />
der Fiktion des Eigenkonsums des Staates. Zum Konsum des Staates gehören alle<br />
unentgeltli<strong>ch</strong> abgegebenen DL dieses Sektors, bewertete zu Herstellungskosten. D.h., dass<br />
z.B. die Ausgaben für das Militär, S<strong>ch</strong>ulen, Polizei und Feuerwehr mit dem Staatskonsum<br />
glei<strong>ch</strong>gesetzt werden – statistis<strong>ch</strong>e gesehen, konsumiert der Staat die Leistungen dieser<br />
Institutionen selbst. Ni<strong>ch</strong>t alle Staatsausgaben zählen aber zum Konsum des Staates.<br />
Staatli<strong>ch</strong>e Transferzahlungen (z.B. Arbeitslosenunterstützung) zählen ni<strong>ch</strong>t zum<br />
Staatskonsum, da sie keine staatli<strong>ch</strong>e Produktionsleistung widerspiegeln.<br />
• Bruttoinvestitionen<br />
Ein Teil der Werts<strong>ch</strong>öpfung wird von den Unternehmungen und vom Staat in<br />
Produktionsanlagen, in die Lager und in öffentli<strong>ch</strong>e Einri<strong>ch</strong>tungen investiert. Bei den<br />
Bruttoinvestitionen handelt es si<strong>ch</strong> um alle jene Güter, die entweder von Produzenten<br />
gekauft werden, um mehr als ein Jahr im Produktionsprozess eingesetzt zu werden oder<br />
um Vorratsveränderungen. Zu den Bruttoinvestitionen gehören z.B. Bauten, Ausrüstungen,<br />
aber au<strong>ch</strong> in den Läden liegen gebliebene Videorecorder, Konserven oder Bü<strong>ch</strong>er. Die<br />
Bruttoinvestitionen lassen si<strong>ch</strong> folgendermassen gliedern.<br />
Zusammenfassung VWL IUR I<br />
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38
Bauinvestitionen sind Ausgaben zur Erstellung und zum (wertsteigernden) Erhalt von<br />
Gebäuden, Tief- und Ho<strong>ch</strong>bauten.<br />
Ausrüstungsinvestitionen sind Ausgaben für Geräte, Mas<strong>ch</strong>inen, Einri<strong>ch</strong>tungen und<br />
Software.<br />
Vorratsveränderungen entspre<strong>ch</strong>en der Differenz zwis<strong>ch</strong>en dem Wert der Lagerzugänge<br />
abzügli<strong>ch</strong> der Lagerausgänge bei den Unternehmungen.<br />
• Nettoexporte<br />
Im Konsum und den Investitionen der genannten Sektoren sind einerseits die Importe von<br />
Waren und DL aus dem Ausland enthalten, andererseits fehlen die Exporte. Da die Importe<br />
zum Einkommen des Auslandes und ni<strong>ch</strong>t des Inlandes werden, müssen wie diese<br />
subtrahieren, die Exporte aber addiere, um die Leistung des Inlandes zu erhalten.<br />
Von der Verwendungsseite her lässt si<strong>ch</strong> das BIP folgendermassen bere<strong>ch</strong>nen:<br />
Privater Konsum + Staatli<strong>ch</strong>er Konsum + Bruttoinvestitionen + Nettoexporte = BIP<br />
(Dies entspri<strong>ch</strong>t der gesamtwirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Na<strong>ch</strong>frage!)<br />
WELCHE ERKENNTNISSE LASESN SICH AUS DER VERWENDUNGSSEITE ZIEHEN?<br />
• Eine wi<strong>ch</strong>tige Strukturgrösse die si<strong>ch</strong> aus der Verwendungsseite ergibt, ist die<br />
Investitionsquote (Investitionen in % des BIP), die für das Wirts<strong>ch</strong>aftswa<strong>ch</strong>stum eine<br />
ents<strong>ch</strong>eidende Rolle spielt. Je höher die Investitionsquote ist, desto grösser sind die<br />
Wa<strong>ch</strong>stumsmögli<strong>ch</strong>keiten in Zukunft. Der Anteil der Bruttoinvestitionen ist in der CH rund<br />
3% höher als in der EU.<br />
• Die Konsumquote (Konsum in % des BIP) von 61% belegt, dass weniger als 2/3 der in der<br />
S<strong>ch</strong>weiz hergestellten Waren und DL unmittelbar von den privaten Haushalten und den<br />
POoE konsumiert wird.<br />
• Zwis<strong>ch</strong>en Investitionen und Konsum besteht ein „Trade off“. Erhöht eine VW die<br />
Investitionen, wird sie in Zukunft mehr Güter produzieren und konsumieren können. Dieses<br />
Wa<strong>ch</strong>stum ist aber ni<strong>ch</strong>t gratis zu haben. Um den künftigen Konsum steigern zu können,<br />
muss in der Gegenwart auf Konsum zu Gunsten von Investitionen verzi<strong>ch</strong>tet werden<br />
können.<br />
• Die Export- und Importquote (Exporte bzw. Importe in % des BIP) belegen die hohe<br />
Verfle<strong>ch</strong>tung der s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en VW mit dem Ausland. Die Exportquote beträgt 45%, die<br />
Importquote 40%.<br />
ZUSAMMENFASSUNG – ÜBERBLICK ÜBER DIE PRODUKTIONS-, EINKOMMENS- UND<br />
Zusammenfassung VWL IUR I<br />
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VERWENDUNGSSEITE DES BRUTTOINLANDPRODUKTES DER SCHWEIZ<br />
39
DER ERWEITERTE WIRTSCHAFTSKREISLAUF<br />
Dient dazu, ein genaueres Bild der gesamtwirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Vorgänge zu erhalten. Bei der<br />
Interpretation der Abbildung 4.11 ist folgendes zu bea<strong>ch</strong>ten:<br />
• Die Abbildung zeigt nur die Geldströme, die aus Güter- und Faktormärkten resultieren.<br />
• Der Sektor Ausland wird nur summaris<strong>ch</strong> erfasst. Um die Wirkli<strong>ch</strong>keit korrekter abzubilden,<br />
müsste man zwis<strong>ch</strong>en Güter-, Kapital- und Faktorströmen sowie Kapitaltransfers (einseitige<br />
Transaktionen) unters<strong>ch</strong>eiden.<br />
• Der Berei<strong>ch</strong> Vermögensveränderung ist kein Sektor, sondern widerspiegelt eine<br />
bu<strong>ch</strong>halteris<strong>ch</strong>e Trennung, die das Erfassen von Ersparnisbildung und –verwendung bzw.<br />
der Investitionstätigkeit erlaubt.<br />
• Die punktierten Pfeile sind keine Transaktionen, sondern stellen den Übertrag von Salden<br />
dar.<br />
• Die Abs<strong>ch</strong>reibungen sind ein fiktiver Strom in dem Sinne, dass kein Geld fliesst. Hier ist nur<br />
ihr geldwerter Gegenstrom (Nettoinvestitionen = Bruttoinvestitionen abzügli<strong>ch</strong><br />
Abs<strong>ch</strong>reibungen) dargestellt.<br />
GRENZEN DER VOLKSWIRTSCHAFTLICHEN GESAMTRECHNUNG<br />
Die Messung der volkswirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Tätigkeit mit Hilfe der VGR gelingt nur mit einiger<br />
Ungenauigkeit.<br />
Zusammenfassung VWL IUR I<br />
<strong>www</strong>.<strong><strong>ch</strong>illingpeople</strong>.<strong>ch</strong><br />
40
• Unzurei<strong>ch</strong>ende Erfassung der Daten<br />
Es werden nämli<strong>ch</strong> nur legale Leistungen erfasst. S<strong>ch</strong>warzarbeit und Drogenhandel<br />
existieren in den offiziellen Statistiken ni<strong>ch</strong>t, weil diese Leistungen erbra<strong>ch</strong>t werden, ohne<br />
darauf Steuern zu zahlen. Sie bleiben der VGR auf der Entstehungsseite verborgen (auf<br />
der Verwendungsseite kommen sie im Konsum zum Vors<strong>ch</strong>ein). Für das Ausmass der<br />
S<strong>ch</strong>attenwirts<strong>ch</strong>aft ist die Höhe der Steuerbelastung, die Güte staatli<strong>ch</strong>er Institutionen und<br />
die Regulierungen des Arbeitsmarktes ents<strong>ch</strong>eidend.<br />
• Die VGR erfasst nur monetäre Flüsse<br />
Deshalb werden au<strong>ch</strong> die legalen Leistungen ni<strong>ch</strong>t umfassend erfasst. Angenommen sie<br />
kaufen in einer Metzgerei einen eine Kalbsbraten. Im Verständnis der VGR werden Sie<br />
diesen Kalbsbraten roh konsumieren. Das Zubereiten des Kalbsbratens wird ni<strong>ch</strong>t erfasst,<br />
weil es eine Eigenleistung wie alle Haus- oder Do-it-yourself-Arbeiten ist. Nur wenn Sie<br />
diesen Kalbsbraten in einem Restaurant geniessen, findet die Leistung des Ko<strong>ch</strong>ens<br />
Eingang in die VGR.<br />
• Die VGR ist kein Messinstrument für Wohlfahrt oder Lebensqualität<br />
So werden die sozialen oder externen Kosten ni<strong>ch</strong>t erfasst. Denken Sie dabei an die<br />
Umweltvers<strong>ch</strong>mutzung, die unsere Lebensqualität beeinträ<strong>ch</strong>tigt. Es werden eben nur<br />
quantitativ messbare Leistungen erfasst, die qualitativen Aspekte des Wirts<strong>ch</strong>aftens werden<br />
in der VGR verna<strong>ch</strong>lässigt. Mit dem BIP wird unsere Leistungsfähigkeit in der Produktion<br />
von offiziell käufli<strong>ch</strong>en Gütern und DL gemessen, ni<strong>ch</strong>t aber unsere Lebensqualität. So<br />
steigt das BIP z.B. auf Grund eines Autounfalls (wegen Reparaturen, etc.) obwohl dies<br />
si<strong>ch</strong>er ni<strong>ch</strong>t zur Steigerung der Lebensqualität der Insassen beiträgt.<br />
• Problematis<strong>ch</strong>e Bewertung von Leistungen<br />
Bei den erfassten Leistungen stellt si<strong>ch</strong> zudem die Frage na<strong>ch</strong> der ri<strong>ch</strong>tigen Bewertung. Sie<br />
kennen dieses Problem bereits bei den staatli<strong>ch</strong>en Leistungen, die mit ihren Kosten<br />
bewertet werden. Eine Erhöhung der Beamtenlöhne z.B. bedeutet somit unmittelbar im<br />
selben Umfang eine Steigerung ihrer Leistungen, wodur<strong>ch</strong> die Zweifelhaftigkeit der<br />
Bewertung deutli<strong>ch</strong> wird.<br />
• Aufgepasst bei internationalen Verglei<strong>ch</strong>en<br />
Bei internationalen Verglei<strong>ch</strong>en darf ni<strong>ch</strong>t vergessen werden, dass man dabei eine<br />
einheitli<strong>ch</strong>e Währung anwenden muss. Alleine We<strong>ch</strong>selkurss<strong>ch</strong>wankungen können grosse<br />
Veränderungen in den Ranglisten auslösen. Zudem kann man mit der glei<strong>ch</strong>en Summe<br />
Geld in vers<strong>ch</strong>iedenen Länder unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong> viel kaufen.<br />
Die VGR ist ni<strong>ch</strong>t in der Lage, sämtli<strong>ch</strong>e werts<strong>ch</strong>öpfende Leistungen vollständig zu erfassen<br />
und „ri<strong>ch</strong>tig“ zu bewerten. Das BIP ist zudem kein geeigneter Massstab zur Messung der<br />
Lebensqualität.<br />
EXKURS: „SIND REICHE MENSCHEN GLÜCKLICHER?“<br />
Häufig wird angenommen, die Rei<strong>ch</strong>en seien ni<strong>ch</strong>t glückli<strong>ch</strong>er. Diese Vorstellung beruht auf<br />
einem Vorurteil. Glück hängt wesentli<strong>ch</strong> von den wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Bedingungen ab.<br />
Personen, die in Ländern mit einem tiefen Dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nittseinkommen leben, betra<strong>ch</strong>ten si<strong>ch</strong><br />
selbst als deutli<strong>ch</strong> weniger glückli<strong>ch</strong> als sol<strong>ch</strong>e, die in rei<strong>ch</strong>en Ländern leben. Der positive<br />
Zusammenhang zwis<strong>ch</strong>en Einkommen und Zufriedenheit gilt vor allem für die ärmsten Länder<br />
der Welt. Wenn einmal ein höheres Dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nittseinkommen errei<strong>ch</strong>t ist, s<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>t si<strong>ch</strong> der<br />
Zusammenhang ab. Das Glücksempfinden in der CH unters<strong>ch</strong>eidet si<strong>ch</strong> kaum von<br />
demjenigen der Mens<strong>ch</strong>en in Puerto Rico, Südkorea oder Taiwan, die zwar au<strong>ch</strong> wesentli<strong>ch</strong><br />
weniger verdienen als jene in der CH, aber eben do<strong>ch</strong> ein gewisses Einkommensniveau<br />
errei<strong>ch</strong>t haben.<br />
Untersu<strong>ch</strong>ungen von Einkommensunters<strong>ch</strong>ieden innerhalb eines Landes bestätigen, dass<br />
Bezüger höheren Einkommen si<strong>ch</strong> selbst als zufriedener bezei<strong>ch</strong>nen als sol<strong>ch</strong>e mit geringeren<br />
Einkommen. Der Einfluss des Geldes darf allerdings ni<strong>ch</strong>t übers<strong>ch</strong>ätzt werden. Ein höheres<br />
Einkommen ma<strong>ch</strong>t nur dann glückli<strong>ch</strong>er, wenn man im Verglei<strong>ch</strong> zu Kollegen, Na<strong>ch</strong>barn, etc.<br />
Zusammenfassung VWL IUR I<br />
<strong>www</strong>.<strong><strong>ch</strong>illingpeople</strong>.<strong>ch</strong><br />
41
mehr verdient, denn das bringt sozialen Status. Die Mens<strong>ch</strong>en gewöhnen si<strong>ch</strong> relativ ras<strong>ch</strong> an<br />
eine höheres Einkommensniveau, dieses wird na<strong>ch</strong> kurzer Zeit als selbstverständli<strong>ch</strong><br />
betra<strong>ch</strong>tet. Die Freude an materiellen Dingen ist von sehr kurzer Dauer.<br />
Was ma<strong>ch</strong>t den Mens<strong>ch</strong>en glückli<strong>ch</strong>?<br />
Gemäss einer Umfrage ma<strong>ch</strong>t Sex am meisten glückli<strong>ch</strong>, gefolgt von Freunden treffen, Essen,<br />
Relaxen. Dies sind alles Tätigkeiten, die ni<strong>ch</strong>t unmittelbar an den materiellen Wohlstand<br />
gekoppelt sind. Sie drohen gar mit steigendem Einkommen unter die Räder zukommen, weil<br />
die Opportunitätskosten der freien Zeit mit steigendem Einkommen höher werden.<br />
ANHANG: BIP, NATIONALEINKOMMEN UND VOLKSEINKOMMEN DER KANTONE<br />
VOM BIP ZUM NATIONALEINKOMMEN<br />
Das BIP zeigt die Werts<strong>ch</strong>öpfung, wel<strong>ch</strong>e bei der Produktion von Waren und DL entstanden<br />
ist. Dabei geht man vom so genannten Inlandsprinzip aus. Das BIP erfasst also die Summe<br />
der Werts<strong>ch</strong>öpfungen im Inland – massgebend ist der inländis<strong>ch</strong>e Entstehungsort.<br />
„Wieviel Einkommen erzielen die in der S<strong>ch</strong>weiz wohnhaften Personen?“<br />
Darauf gibt das BIP keine geeignete Antwort, denn im BIP sind die Zinsen, die uns auf<br />
Anlagen im Ausland gutges<strong>ch</strong>rieben werden, ni<strong>ch</strong>t enthalten. Ebenso bleiben im BIP die<br />
Einkommen unberücksi<strong>ch</strong>tigt, wel<strong>ch</strong>e die Personen beziehen, die in der S<strong>ch</strong>weiz wohnen,<br />
aber im Ausland arbeiten. Andererseits sind im BIP au<strong>ch</strong> Einkommen enthalten, wel<strong>ch</strong>e an im<br />
Ausland Wohnhafte ausbezahlt werden: Zinsen auf Anlagen in der S<strong>ch</strong>weiz und Löhne von<br />
ausländis<strong>ch</strong>en Grenzgängern.<br />
Das Nationaleinkommen gibt Antwort auf die Frage der Höhe des Einkommens von in der<br />
S<strong>ch</strong>weiz wohnhaften Personen. Es beruht auf dem Inländerprinzip – massgebend ist also der<br />
inländis<strong>ch</strong>e Wohnsitz.<br />
Wie man vom BIP zu Nationaleinkommen (ersetzt das ehemalige BSP) gelangt:<br />
(in Mio. Franken, 2001)<br />
BIP 422,8<br />
- Kapital- und Arbeitseinkommen an das Ausland - 66,5<br />
+ Kapital- und Arbeitseinkommen aus dem Ausland + 89,8<br />
= Bruttonationaleinkommen (BNE) 446,3<br />
- Abs<strong>ch</strong>reibungen - 76,0<br />
= Nettonationaleinkommen 370,3<br />
CH verfügt über ein grosses Nettovermögen im Ausland, das jährli<strong>ch</strong> hohe Erträge abwirft,<br />
deshalb ist das BNE deutli<strong>ch</strong> grösser als das BIP!<br />
DAS VOLKSEINKOMMEN DER KANTONE<br />
Zur Zeit ist es no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t mögli<strong>ch</strong>, das BIP auf Kantonsebene zu bere<strong>ch</strong>nen. Ein Verglei<strong>ch</strong> der<br />
wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Leistungsfähigkeit der Kantone ist zur Zeit nur über das Einkommen mögli<strong>ch</strong>.<br />
Das so genannte Volkseinkommen setzt si<strong>ch</strong> aus drei Komponenten zusammen: Dem<br />
Einkommen der Haushalte (umfasst das Arbeitnehmereinkommen, das Ges<strong>ch</strong>äftseinkommen<br />
der Selbständigen und das Vermögens- und Mietzinseinkommen inklusive direkte Steuern und<br />
Sozialversi<strong>ch</strong>erungsbeiträge), dem Einkommen der Kapitalgesells<strong>ch</strong>aften (unverteilte<br />
Gewinne und direkte Steuern) und dem Vermögens- und Erwerbseinkommen des Staates und<br />
der Sozialversi<strong>ch</strong>erungen.<br />
Der hohe Anteil der Einkommen von Kapitalgesells<strong>ch</strong>aften in Basel und Zug ist darauf zurückzuführen,<br />
dass dort eine stattli<strong>ch</strong>e Anzahl von Grossunternehmen ihren Sitz hat.<br />
Zusammenfassung VWL IUR I<br />
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42
Zusammenfassung VWL IUR I<br />
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KAPITEL 5 – DAS KONJUNKTURPHÄNOMEN:<br />
KURZFRISTIGE BETRACHTUNGEN DER WIRTSCHAFTLICHEN ENTWICKLUNG<br />
DAS ERSCHEINUNGSBILD DER KONJUNKTUR<br />
S<strong>ch</strong>wankungen im Auslastungsgrad des Produktionspotenzials nennt man<br />
Konjunkturs<strong>ch</strong>wankungen.<br />
Das Produktionspotenzial gibt an, wie viele Güter und DL produziert werden könnten, wenn<br />
die vorhandenen Produktionsfaktoren voll ausgelastet werden. Unter ausgelastetem<br />
Produktionspotenzial versteht man eine Normalauslastung von zirka 85%.<br />
Konjunkturfors<strong>ch</strong>er haben seit jeher versu<strong>ch</strong>t, gewisse Gesetzmässigkeiten in der zeitli<strong>ch</strong>en<br />
Abfolge zu erkennen und diese in einem Muster eines typis<strong>ch</strong>en Konjunkturzyklus<br />
einzufangen. Dana<strong>ch</strong> zerfällt ein sol<strong>ch</strong>er Zyklus in eine Phase des Abs<strong>ch</strong>wungs, der dur<strong>ch</strong> ein<br />
Na<strong>ch</strong>lassen der wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Aktivität gekennzei<strong>ch</strong>net ist. Es brau<strong>ch</strong>t weniger<br />
Produktionsfaktoren, die Na<strong>ch</strong>frage geht zurück, die Gewinnerwartungen der Unternehmen<br />
s<strong>ch</strong>winden, die Produktion wird gedrosselt und als Folge davon werden Arbeitskräfte<br />
freigesetzt. Nimmt dieser Abs<strong>ch</strong>wung eine gewisse Intensität an, spri<strong>ch</strong>t man von einer<br />
Rezession (Rezession = Eine Abnahme des BIP in mindestens zwei aufeinander folgenden<br />
Quartalen). Gelingt es ni<strong>ch</strong>t, diesen Abs<strong>ch</strong>wung zu bremsen, und fällt die Konjunktur in ein<br />
tiefes Tal, wel<strong>ch</strong>es dur<strong>ch</strong> hohe Arbeitslosigkeit, sinkende Löhne, tiefe Zinsen, ganz allgemein<br />
von einer depressiven Stimmung gekennzei<strong>ch</strong>net ist, so spri<strong>ch</strong>t man – demzufolge – von einer<br />
Depression.<br />
Ist dieses Tal überwunden, folgt eine Phase der Hoffnung, in der die Zukunftserwartungen<br />
wieder positiver sind, die Gewinnerwartungen der Unternehmer steigen, die<br />
Konsumfreudigkeit der Haushalte zunimmt, die Investitionen steigen, vermehrt Arbeitskräfte<br />
eingestellt werden und die Na<strong>ch</strong>frage und die Produktion wieder zunehmen.<br />
Volkswirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong> ausgedrückt heisst diese Phase Aufs<strong>ch</strong>wung. Auf Grund der hohen<br />
Na<strong>ch</strong>frage könne im Laufe des Aufs<strong>ch</strong>wungs in vers<strong>ch</strong>iedene Bran<strong>ch</strong>en Engpässe auftreten,<br />
die zu weiteren Investitionen, zu Preiserhöhungen, zu steigenden Zinsen und zu einem<br />
Mangel an qualitativ und quantitativ erforderli<strong>ch</strong>en Arbeitskräfte führen. Diese Phase des<br />
Konjunkturzyklus bezei<strong>ch</strong>net man als Boom oder Ho<strong>ch</strong>konjunktur.<br />
Stagniert auf Grund er hohe Preise die Na<strong>ch</strong>frage und wird die Investitionsneigung infolge der<br />
steigenden Faktorpreise (Löhne und Zinsen) rückläufig, geht der Boom in den Abs<strong>ch</strong>wung<br />
43
über, womit wir wieder beim Ausgangspunkt unserer Analyse des Konjunkturzyklus angelangt<br />
wären.<br />
Den Höhepunkt des Zyklus bezei<strong>ch</strong>net man als oberen Wendepunkt, den Tiefstand als<br />
unteren Wendepunkt.<br />
Die einzelnen Phasen sind allerdings ni<strong>ch</strong>t so klar definiert, als dass man sie exakt<br />
voneinander unters<strong>ch</strong>eiden könnte; die Grenzen zwis<strong>ch</strong>en den einzelnen Konjunkturphasen<br />
sind vielmehr fliessend.<br />
Mit der konkreten Messung des Produktionspotenzials sind erhebli<strong>ch</strong>e statistis<strong>ch</strong>e Probleme<br />
verbunden, deshalb:<br />
In der Praxis wird der Konjunkturverlauf anhand der Wa<strong>ch</strong>stumsrate des realen BIP<br />
gemessen.<br />
Real bedeutet, dass Steigerungen des BIP, wel<strong>ch</strong>e nur auf Preiserhöhungen zurückzuführen<br />
sind, korrigiert werden. Würde beispielsweise bei verdoppelten Preisen die glei<strong>ch</strong>e Menge<br />
produziert, käme es zu einer Verdoppelung des BIP. Das BIP zu laufenden Preisen<br />
(=nominelles BIP) wird deshalb dur<strong>ch</strong> die Berücksi<strong>ch</strong>tigung der Preisentwicklung auf die<br />
Preisbasis eines bestimmten Jahres umgere<strong>ch</strong>net (=reales BIP).<br />
In früheren Konjunkturzyklen war die Differenz zwis<strong>ch</strong>en den niedrigsten und den hö<strong>ch</strong>sten<br />
Wa<strong>ch</strong>stumsraten um einiges grösser, als dies heute der Fall ist. Die Konjunkturs<strong>ch</strong>wankungen<br />
sind also kleiner – aber deshalb ni<strong>ch</strong>t unangenehmer – geworden. In den Zeiten des starken<br />
Wirts<strong>ch</strong>aftswa<strong>ch</strong>stums konnten si<strong>ch</strong> konjunkturelle Störungen wegen den vorherrs<strong>ch</strong>enden<br />
Wa<strong>ch</strong>stumskräften gar ni<strong>ch</strong>t ri<strong>ch</strong>tig entfalten, beziehungsweise sie liessen si<strong>ch</strong> ras<strong>ch</strong><br />
überwinden. In Zeiten, in denen si<strong>ch</strong> das Wirts<strong>ch</strong>aftswa<strong>ch</strong>stum verlangsamt, steigt die<br />
Krisenanfälligkeit, und die Widerstandsfähigkeit gegen Konjunktureinbrü<strong>ch</strong>e sinkt.<br />
Dies zeigte si<strong>ch</strong> in den 1990er-Jahren vor allem auf dem Arbeitsmarkt. Ein verglei<strong>ch</strong>sweise<br />
geringer Einbru<strong>ch</strong> bei den Zuwa<strong>ch</strong>sraten des BIP wirkte si<strong>ch</strong> dramatis<strong>ch</strong> auf die Bes<strong>ch</strong>äftigung<br />
aus.<br />
Die Konjunktur ist im Wesentli<strong>ch</strong>en geblieben, was sie s<strong>ch</strong>on immer war: ein Phänomen des<br />
ständigen Auf und Ab der wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Tätigkeit.<br />
KONJUNKTURINDIKATOREN<br />
Es gibt mehrer Massstäbe um die jeweilige Wirts<strong>ch</strong>aftslage zu bes<strong>ch</strong>reiben. Diese Massstäbe<br />
nennt man Konjunkturindikatoren.<br />
Konjunkturindikatoren dienen als „Anzeiger“ für den Gesundheitszustand einer VW.<br />
Der Hauptindikator sind die Veränderungsraten des realen BIP. Es bieten si<strong>ch</strong> aber no<strong>ch</strong><br />
einen Menge weiterer Indikatoren an, beispielsweise:<br />
• die Preisentwicklung Na<strong>ch</strong>hinkend<br />
• die Bestellungseingänge Vorauseilend<br />
• die Entwicklung der Auftragsbestände<br />
• das Investitionsverhalten Glei<strong>ch</strong>laufend<br />
• die Lohnentwicklung Na<strong>ch</strong>hinkend<br />
• die Entwicklung der Arbeitslosigkeit Na<strong>ch</strong>hinkend<br />
• die Veränderung der Geldmenge Vorauseilend<br />
• die We<strong>ch</strong>selkursentwicklung<br />
• der Verlauf des Konsums Glei<strong>ch</strong>laufend<br />
• die Konsumentenstimmung<br />
• die Entwicklung der Exporte Glei<strong>ch</strong>laufend<br />
• die Entwicklung der Zinsen Na<strong>ch</strong>hinkend<br />
• die Anzahl offener Stellen Vorauseilend<br />
• das Sparverhalten<br />
Zusammenfassung VWL IUR I<br />
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44
Bei der Analyse der Indikatoren stellt man fest, dass gewisse Indikatoren mit der Konjunktur<br />
zeitli<strong>ch</strong> Glei<strong>ch</strong>laufen, andere der Konjunktur na<strong>ch</strong>hinken und wieder andere ihr vorauseilen.<br />
Weil die vorauseilenden Indikatoren anzeigen, wie der Verlauf der Konjunktur in absehbarer<br />
Zeit sein könnte, werden sie speziell zu Prognosezwecken eingesetzt. Der<br />
Konjunkturbarometer KOF / ETH ist in der S<strong>ch</strong>weiz die wohl bekannteste Darstellung<br />
vorauseilender Indikatoren.<br />
Der Konjunkturbarometer enthält:<br />
• Bestellungseingang Industrie<br />
• Auftragsbestand Industrie<br />
• Auftragsbestand Bauwirts<strong>ch</strong>aft<br />
• Erwarteter Rohstoff- und Halbfabrikateinkauf<br />
• Beurteilung finanzielle Lage der Haushalte<br />
• Beurteilung der Lagerbestände im Grosshandel<br />
Zur Interpretation des Barometers:<br />
Ähnli<strong>ch</strong> wie bei einem Index ist ni<strong>ch</strong>t das Niveau des Barometers, sondern die Tendenz<br />
ents<strong>ch</strong>eidend. Negative Werte sind deshalb ni<strong>ch</strong>t glei<strong>ch</strong>bedeutend mit einem Signal für eine<br />
negative Wa<strong>ch</strong>stumsrate, sondern ledigli<strong>ch</strong> für eine Wa<strong>ch</strong>stumsverlangsamung.<br />
Der Barometer weist auf das BIP einen Vorlauf von ca. 6 bis 9 Monate auf.<br />
Die Indikatoren unters<strong>ch</strong>eiden si<strong>ch</strong> aber ni<strong>ch</strong>t nur in der zeitli<strong>ch</strong>en Abfolge vom Verlauf des<br />
BIP sondern ebenso in ihrer Intensität. So sind z.B. die S<strong>ch</strong>wankungen des privaten<br />
Konsums deutli<strong>ch</strong> kleiner als die des BIP. Umgekehrt verhalten si<strong>ch</strong> z.B. die Investitionen, ihre<br />
Auss<strong>ch</strong>läge sind bedeutend stärker als diejenigen des BIP. Dieses unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>e Verhalten<br />
hängt mit der Reagibilität der Na<strong>ch</strong>frage na<strong>ch</strong> den entspre<strong>ch</strong>enden Produkten und DL im<br />
Konjunkturverlauf zusammen. Die Messgrösse für die Stärke der Reaktion auf Einkommensveränderungen<br />
ist die Einkommenselastizität.<br />
Der private Konsum ma<strong>ch</strong>t die S<strong>ch</strong>wankungen des BIP nur bes<strong>ch</strong>ränkt mit, weil darin Güter<br />
enthalten sind, die lebenswi<strong>ch</strong>tig sind und deshalb ni<strong>ch</strong>t auf sie verzi<strong>ch</strong>tet werden kann.<br />
Die Investitionen verändern si<strong>ch</strong> sehr stark, sie tragen somit wesentli<strong>ch</strong> zu<br />
Konjunkturs<strong>ch</strong>wankungen bei. Wenn die Zukunftserwartungen s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>t einges<strong>ch</strong>ätzt werden,<br />
wird zuerst auf Investitionen verzi<strong>ch</strong>tet, beziehungsweise sie werden hinausges<strong>ch</strong>oben. Erst<br />
wenn die Na<strong>ch</strong>frage wieder anzieht und die Lager s<strong>ch</strong>rumpfen, werden die Investitionen<br />
überproportional gesteigert.<br />
Diese unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>e Reagibilität der Na<strong>ch</strong>frage na<strong>ch</strong> bestimmten Produkten und<br />
Dienstleistungen bringt es mit si<strong>ch</strong>, dass ganze Bran<strong>ch</strong>en von Konjunkturveränderungen -<br />
unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>e getroffen werden.<br />
Bran<strong>ch</strong>en, in denen vorwiegend Investitionsgüter hergestellt werden, erfahren eine Rezession<br />
viel stärker als beispielsweise das Gesundheitswesen. Die Bauwirts<strong>ch</strong>aft und die<br />
Mas<strong>ch</strong>inenindustrie sind Musterbeispiele für besonders Leidtragende der letzten Rezession.<br />
Es erstaunt au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t, dass unsere Exportwirts<strong>ch</strong>aft empfindli<strong>ch</strong> auf<br />
Konjunkturs<strong>ch</strong>wankungen reagiert, entfällt do<strong>ch</strong> mehr als ein Drittel unserer gesamten<br />
Produktexporte auf Investitionsgüter.<br />
Die Bran<strong>ch</strong>enzusammensetzung ist deshalb mitents<strong>ch</strong>eidend für die unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>e<br />
Konjunkturempflindli<strong>ch</strong>keit von ganzen Regionen und Ländern.<br />
WARUM GIBT ES KONJUNKTURSCHWANKUNGEN?<br />
Zusammenfassung VWL IUR I<br />
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Will die Wirts<strong>ch</strong>aft die negativen Effekte von Konjunkturs<strong>ch</strong>wankungen bekämpfen, muss<br />
zunä<strong>ch</strong>st geklärt werden, worauf sie zurückzuführen sind.<br />
GESAMTANGEBOT UND GESAMTNACHFRAGE<br />
Die Gesamtna<strong>ch</strong>fragekurve erfasst die Beziehung zwis<strong>ch</strong>en der Gesamtmenge an<br />
na<strong>ch</strong>gefragten Gütern und dem gesamtwirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Preisniveau. Die<br />
Gesamtna<strong>ch</strong>fragekurve zeigt die Menge von Gütern, wel<strong>ch</strong>e Unternehmen, Haushalte und<br />
Staat zu unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>en Preisen zu kaufen bereit sind. Die Gesamtna<strong>ch</strong>frage umfasst den<br />
privaten und öffentli<strong>ch</strong>en Konsum, alle Investitionen und die Nettoexporte (die Verwendungsseite<br />
des BIP). Sinkt das Preisniveau, ist das Geld im Portemonnaie mehr wert, die<br />
Konsumenten fühlen si<strong>ch</strong> wohlhabender und die kaufen entspre<strong>ch</strong>end mehr; deshalb hat die<br />
Gesamtna<strong>ch</strong>fragekurve eine negative Steigung.<br />
Ebenso könne wir eine Gesamtangebotskurve zei<strong>ch</strong>nen, wel<strong>ch</strong>e die Beziehung der<br />
Gesamtmenge an angebotenen Gütern und dem gesamtwirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Preisniveau erfasst.<br />
Die Gesamtangebotskurve zeigt die Menge von Gütern, wel<strong>ch</strong>e Unternehmen zu<br />
unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>en Preisen produzieren und verkaufen mö<strong>ch</strong>ten (die Produktionsseite des BIP).<br />
Sinkt das Preisniveau für die angebotenen Güter, reagieren die Unternehmen mit kleinerer<br />
Produktion und weniger Bes<strong>ch</strong>äftigung; deshalb hat die Gesamtangebotskurve eine positive<br />
Steigung.<br />
Zusammenfassung VWL IUR I<br />
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Vers<strong>ch</strong>ieben si<strong>ch</strong> die Gesamtna<strong>ch</strong>frage- oder/und die<br />
Gesamtangebotskurve kommt es zu Veränderungen<br />
in der Produktion und damit zu<br />
Konjunkturs<strong>ch</strong>wankungen.<br />
URSACHEN FÜR KONJUNKTURSCHWANKUNGEN<br />
Eine Veränderung des Preisniveaus bewirkt also eine Bewegung auf der Gesamtangebotsbzw.<br />
der Gesamtna<strong>ch</strong>fragekurve. Angebot und Na<strong>ch</strong>frage von vielen Gütern sind jedo<strong>ch</strong><br />
zusätzli<strong>ch</strong> zum Preis von vielen anderen Einflussfaktoren abhängig, Beispiele dafür sind:<br />
• Die Nationalbank erhöht die Geldmenge. Vie sinkende Zinsen führt dies zu einer erhöhten<br />
Na<strong>ch</strong>frage na<strong>ch</strong> Konsum- und Investitionsgütern – die Gesamtna<strong>ch</strong>fragekurve vers<strong>ch</strong>iebt<br />
si<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> re<strong>ch</strong>ts. Die monetären Konjunkturtheorien erkennen in der Veränderung der<br />
Geldmenge die ents<strong>ch</strong>eidende Ursa<strong>ch</strong>e für Konjunkturs<strong>ch</strong>wankungen.<br />
• Neue Te<strong>ch</strong>nologien senken die Produktionskosten – die Gesamtangebotskurve vers<strong>ch</strong>iebt<br />
si<strong>ch</strong> deshalb na<strong>ch</strong> re<strong>ch</strong>ts. Dur<strong>ch</strong> eine Naturkatastrophe werden Produktionskapazitäten<br />
verni<strong>ch</strong>tet – die Gesamtangebotskurve vers<strong>ch</strong>iebt si<strong>ch</strong> deshalb na<strong>ch</strong> links. Die Theorie<br />
realer Konjunkturzyklen erklärt Konjunkturs<strong>ch</strong>wankungen auss<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> mit<br />
S<strong>ch</strong>wankungen der Gesamtangebotskurve, wel<strong>ch</strong>e auf reale Veränderungen (insbesondere<br />
te<strong>ch</strong>nologis<strong>ch</strong>e S<strong>ch</strong>ocks) zurückzuführen sind.<br />
• Eine pessimistis<strong>ch</strong>e Welle erfasst die Bevölkerung und führt zu erhöhten Sparanstrengungen<br />
und Eins<strong>ch</strong>ränkung im Konsum – die Gesamtna<strong>ch</strong>fragekurve vers<strong>ch</strong>iebt si<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong><br />
links. Die psy<strong>ch</strong>ologis<strong>ch</strong>en Konjunkturtheorien identifizieren si<strong>ch</strong> gegenseitig ablösende<br />
pessimistis<strong>ch</strong>e oder optimistis<strong>ch</strong>e Wellen als Hauptgrund für Konjunkturs<strong>ch</strong>wankungen.<br />
• Auf Grund der bevorstehenden Wahlen versu<strong>ch</strong>e die Politiker dur<strong>ch</strong> Ausgabenerhöhungen<br />
und Steuersenkungen Wähler zu gewinnen – die Gesamtna<strong>ch</strong>fragekurve und die Gesamtangebotskurve<br />
vers<strong>ch</strong>ieben si<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> re<strong>ch</strong>ts. Politis<strong>ch</strong>e Konjunkturmodelle untersu<strong>ch</strong>en<br />
den Zusammenhang zwis<strong>ch</strong>en Wahl- und Konjunkturzyklen.<br />
Das war nur eine Auswahl von Beispielen, wel<strong>ch</strong>e zu Konjunkturs<strong>ch</strong>wankungen führen<br />
können. „Die Konjunkturtheorie“ gibt es ni<strong>ch</strong>t. Jeder Erklärungssatz wird deshalb von der<br />
46
jeweiligen Situation geprägt, in wel<strong>ch</strong>er er entwickelt wurde. Die Konjunkturtheorien stellen<br />
au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t Gegensätze dar, sondern sie setzen andere S<strong>ch</strong>werpunkte.<br />
Zudem haben Veränderungen einer Grösse au<strong>ch</strong> Veränderungen anderer Grössen zur Folge:<br />
Im volkswirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Kreislauf sind alle Grössen miteinander vernetzt. Konjunkturs<strong>ch</strong>wankungen<br />
können dur<strong>ch</strong> vers<strong>ch</strong>iedene Impulse ausgelöst werden, wel<strong>ch</strong>e Veränderungen von<br />
volkswirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Grössen bewirken, die miteinander verbunden sind.<br />
In einer Marktwirts<strong>ch</strong>aft werden die Aktivitäten von individuellen Ents<strong>ch</strong>eidungen getragen.<br />
Diese Ents<strong>ch</strong>eidungen werden unter dem Einfluss einer Vielzahl von Impulsen gefällt, die<br />
unaufhörli<strong>ch</strong> auf uns einwirken und unser Handeln bestimmen. Ein komplexes Zusammenspiel<br />
aller wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Ents<strong>ch</strong>eidungen und der dadur<strong>ch</strong> ausgelösten Aktivitäten führ zu<br />
Veränderungen an den vers<strong>ch</strong>iedenen Märkten und damit letztli<strong>ch</strong> zu<br />
Konjunkturs<strong>ch</strong>wankungen.<br />
KONJUNKTURELLE VERSTÄRKER<br />
Zusammenfassung VWL IUR I<br />
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47
Die dur<strong>ch</strong> sol<strong>ch</strong>e Impulse ausgelösten S<strong>ch</strong>wankungen haben die Tendenz, si<strong>ch</strong> aus eigener<br />
Kraft zu bes<strong>ch</strong>leunigen. Diese Selbstbes<strong>ch</strong>leunigung ist auf vers<strong>ch</strong>iedene Verstärker<br />
zurückzuführen. Erwartungen spielen immer eine ents<strong>ch</strong>eidende Rolle, weil Ents<strong>ch</strong>eidungen<br />
immer zukunftsgeri<strong>ch</strong>tet sind. Au<strong>ch</strong> wenn die psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en Faktoren ni<strong>ch</strong>t von jedermann als<br />
eigentli<strong>ch</strong>e Ursa<strong>ch</strong>e von Konjunkturs<strong>ch</strong>wankungen era<strong>ch</strong>tet werden, sind sie do<strong>ch</strong> als<br />
psy<strong>ch</strong>ologis<strong>ch</strong>e Verstärker anerkannt. Dass die Investitionen ein überdur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nittli<strong>ch</strong>es Mass<br />
von S<strong>ch</strong>wingungsintensität aufweisen, haben wir bereits gesehen.<br />
Investitionen bewirken zwei Effekte:<br />
1. Einmal lösen sie einen Kapazitätseffekt aus, es werden Kapazitäten ges<strong>ch</strong>affen, die das<br />
Potenzialwa<strong>ch</strong>stum mitbestimmen.<br />
2. Im Zuge der Herstellung dieser Kapazitäten entsteht aber au<strong>ch</strong> ein Einkommenseffekt,<br />
d.h. es entstehen Einkommen, die in Na<strong>ch</strong>frage umgesetzt werden und somit die<br />
Potenzialauslastung mitbestimmen.<br />
Es liegt nun auf der Hand, dass der Relation von Kapazitäts- und Einkommenseffekt eine<br />
zentrale Rolle zukommt. Nur wenn Kapazitäts- und Einkommenseffekt identis<strong>ch</strong> sind, gerät die<br />
Konjunktur ni<strong>ch</strong>t in S<strong>ch</strong>wingungen. Ist der Kapazitätseffekt grösser als der Einkommenseffekt,<br />
bleiben Kapazitäten unausgelastet. Die Folge wird ein Kapazitätsabbau sein, d.h. die<br />
Investitionen werden zurückgehen. Ist der Kapazitätseffekt kleiner als der Einkommenseffekt,<br />
werden Kapazitäten überbeanspru<strong>ch</strong>t mit der Folge, dass es zu einem Kapazitätsaufbau, d.h.<br />
zu einer Bes<strong>ch</strong>leunigung der Investitionstätigkeit kommt. Wie ausgeprägt diese<br />
S<strong>ch</strong>wankungen sind, hängt von den folgenden Bedingungen ab:<br />
Die Multiplikatortheorie<br />
Wel<strong>ch</strong>e gesamtwirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Einkommenswirkungen entstehen, wenn dank einer Investition<br />
eine Na<strong>ch</strong>frage von Fr. 500'000.- ausgelöst wird? Die einkommen nehmen gesamthaft um<br />
mehr als Fr. 500'000.- zu, weil die Bezüger dieser Einkommen, ob Arbeitnehmer in Form von<br />
Lohn oder Unternehmer in Form von Gewinn, eine Teil davon wieder ausgeben und damit<br />
zusätzli<strong>ch</strong>e Einkommen auslösen. Die Stärke dieses Prozesses ist vom Anteil der Einkommen<br />
abhängig, wel<strong>ch</strong>er wieder ausgegeben wird, also ni<strong>ch</strong>t gespart wird. In der Fa<strong>ch</strong>spra<strong>ch</strong>e nennt<br />
man das die Grenzneigung zum Konsum. Eine Erhöhung der Na<strong>ch</strong>frage wirkt also<br />
multiplikativ, weil ein Einkommenseffekt erzeugt wird, der bedeutend grösser ist als die<br />
ursprüngli<strong>ch</strong>e Na<strong>ch</strong>frageerhöhung. Deshalb bezei<strong>ch</strong>net man diese Erkenntnis als<br />
Multiplikatortheorie. Ein Beispiel dazu:<br />
Nehmen wir an, der Staat löse eine zusätzli<strong>ch</strong>e Investition von 100. Mio. aus und die<br />
Grenzneigung zum Konsum sei 0,8 oder 80%.<br />
Der Multiplikator bere<strong>ch</strong>net si<strong>ch</strong> wie folgt: 1 / (1 – Grenzneigung zum Konsum).<br />
In unserem Fall beträgt er 5, der gesamte Einkommenseffekt ist fünfmal grösser als die<br />
ursprüngli<strong>ch</strong>e Investition. Die Wirkung des Multiplikators wird immer kleiner und verpufft<br />
s<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong>.<br />
In der genau glei<strong>ch</strong>en Weise kann eine Na<strong>ch</strong>frageerhöhung um 100 Mio. multiplikative<br />
Bes<strong>ch</strong>äftigungswirkungen auslösen. Denn au<strong>ch</strong> auf dem Arbeitsmarkt kann die Summer der<br />
gesamthaft ges<strong>ch</strong>affenen Arbeitsplätze grösser sein als die unmittelbar entstandenen.<br />
Ebenso wie die Einkommen oder die Bes<strong>ch</strong>äftigung bei einer Erhöhung der Na<strong>ch</strong>frage um ein<br />
vielfa<strong>ch</strong>es zunehmen, nehmen sie bei einer Verringerung der Na<strong>ch</strong>frage um ein Vielfa<strong>ch</strong>es ab.<br />
Die Multiplikatortheorie besagt, dass Veränderungen in der Na<strong>ch</strong>frage überproportionale<br />
Veränderungen der Einkommen und der Bes<strong>ch</strong>äftigung auslösen.<br />
Zusammenfassung VWL IUR I<br />
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48
Die Akzeleratortheorie<br />
Wieviel Investitionen werden dur<strong>ch</strong> die Veränderung der Na<strong>ch</strong>frage ausgelöst? Wir wollen<br />
au<strong>ch</strong> diese Frage mit Hilfe eines Beispiels beantworten: Dazu treffen wir folgende Annahme:<br />
Eine Unternehmung in der Teigwaren hergestellt werden, verfügt über einen voll<br />
ausgelasteten Mas<strong>ch</strong>inenpark im Wert von Fr. 600'000.-. Die periodis<strong>ch</strong>en Abs<strong>ch</strong>reibungen<br />
betragen 10%; in diesem Umfang werden entspre<strong>ch</strong>ende Ersatzinvestitionen vorgenommen.<br />
In der 2.Periode steigt die Na<strong>ch</strong>frage na<strong>ch</strong> Teigwaren dieser Unternehmung um 10%, in der<br />
3,Periode bliebt sie konstant.<br />
Das Zahlenbeispiel zeigt, dass Veränderungen in der Na<strong>ch</strong>frage viel grössere („akzelerierte“)<br />
Veränderungen der Investitionen hervorrufen. In der 2.Periode erhöht si<strong>ch</strong> die Na<strong>ch</strong>frage um<br />
10%, weshalb 10% mehr Produktionskapazitäten ges<strong>ch</strong>affen werden müssen. Als Folge<br />
davon steigen die Investitionen sprunghaft um 100% an. Diesen produktionste<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>en<br />
Bes<strong>ch</strong>leunigungseffekt nennt man Akzeleratortheorie. In der 3.Periode zeigt das Beispiel, wie<br />
der Akzelerator zu einem Umkippen der Investitionen führt, au<strong>ch</strong> wenn die Na<strong>ch</strong>frage konstant<br />
bleibt. Der Akzelerator erklärt die überproportionale Reaktion der Investitionen auf<br />
Na<strong>ch</strong>frageänderungen nun auf eindrückli<strong>ch</strong>e Weise.<br />
Die Akzeleratortheorie besagt, dass Veränderungen in der Na<strong>ch</strong>frage überproportionale<br />
Veränderungen der Investitionen auslösen.<br />
Der Akzelerator wirkt si<strong>ch</strong> weniger stark aus, wenn leerstehende Kapazitäten oder<br />
ausrei<strong>ch</strong>ende Lager vorhanden sind. Zudem ist es denkbar, dass bei pessimistis<strong>ch</strong>en<br />
Erwartungen trotz Na<strong>ch</strong>frageerhöhung zunä<strong>ch</strong>st keine Neuinvestitionen getätigt werden,<br />
andererseits kann Optimismus zu Neuinvestitionen führen, au<strong>ch</strong> wenn si<strong>ch</strong> die Na<strong>ch</strong>frage<br />
zunä<strong>ch</strong>st ni<strong>ch</strong>t erhöht.<br />
Der Multiplikator- und der Akzeleratoreffekt verstärken si<strong>ch</strong> gegenseitig. Allein diese beiden<br />
Effekte könne die Konjunktur in S<strong>ch</strong>wingungen versetzen.<br />
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49
Konjunkturs<strong>ch</strong>wankungen lassen si<strong>ch</strong> aus einem komplexen Zusammenspiel von Impulsen<br />
und Verstärkern erklären. Konjunkturs<strong>ch</strong>wankungen sind für eine Marktwirts<strong>ch</strong>aft ein typis<strong>ch</strong>es<br />
Phänomen, da eine Vielzahl von individuellen Ents<strong>ch</strong>eidungen in einer arbeitsteiligen und<br />
international verflo<strong>ch</strong>tenen Volkswirts<strong>ch</strong>aft s<strong>ch</strong>wer voraussehbare Reaktionen aller<br />
Wirts<strong>ch</strong>aftssubjekte hervorrufen.<br />
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Zusammenfassung VWL IUR I<br />
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KAPITEL 6 – KONJUNKTURPOLITIK<br />
Es herrs<strong>ch</strong>en unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>e Auffassungen darüber, wel<strong>ch</strong>es die geeigneten Massnahmen<br />
sind, um Konjunkturs<strong>ch</strong>wankungen mögli<strong>ch</strong>st zu vermeiden. Die Gründe dafür sind ni<strong>ch</strong>t nur<br />
sa<strong>ch</strong>bezogene Differenzen über ökonomis<strong>ch</strong>e Problemstellungen, sondern au<strong>ch</strong> ideologis<strong>ch</strong>e<br />
Unters<strong>ch</strong>iede, denen andere Wertvorstellungen zugrunde liegen.<br />
DIE KLASSISCHE KONZEPTION<br />
GRUNDÜBERLEGUNGEN<br />
Bis zum Ausbru<strong>ch</strong> der Weltwirts<strong>ch</strong>aftskrise anfangs der 1930er-Jahre war folgende Meinung<br />
vorherrs<strong>ch</strong>end: Störungen werden dur<strong>ch</strong> den Preis- und Marktme<strong>ch</strong>anismus von selbst<br />
überwunden und die Wirts<strong>ch</strong>aft findet ohne Unterstützung den Weg zum Glei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>t.<br />
Sol<strong>ch</strong>e Störungen lassen si<strong>ch</strong> zwar ni<strong>ch</strong>t abwenden, aber dur<strong>ch</strong> die Selbstheilungskräfte der<br />
Marktwirts<strong>ch</strong>aft werden sie überwunden!<br />
Na<strong>ch</strong> Ansi<strong>ch</strong>t der sogenannten Klassiker gibt es keine gesamtwirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Überproduktion,<br />
da si<strong>ch</strong> das Güterangebot seine Na<strong>ch</strong>frage selber s<strong>ch</strong>affe. Denn aus jeder Produktion<br />
resultiere Einkommen, wel<strong>ch</strong>es zu Na<strong>ch</strong>frage werde. Ein Konsumrückgang infolge einer<br />
erhöhten Sparanstrengung beispielsweise löse dur<strong>ch</strong> den Anstieg des Kapitalangebots einen<br />
Zinsrückgang aus und bewirke deswegen zusätzli<strong>ch</strong>e Investitionen (Zinsme<strong>ch</strong>anismus). An<br />
die Stelle der Konsumna<strong>ch</strong>frage trete dann eben die Investitionsna<strong>ch</strong>frage. Denkbar seien<br />
zwar Absatzkrisen bei gewissen Produkten, die aber eine Überna<strong>ch</strong>frage na<strong>ch</strong> anderen<br />
Produkten impliziere. Der Preisme<strong>ch</strong>anismus führe automatis<strong>ch</strong> wieder zum Glei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>t<br />
zurück.<br />
Gemässe den Klassikern hängt die Produktionsmenge ni<strong>ch</strong>t vom Preisniveau ab, sondern von<br />
der Arbeitsmenge, vom Realkapital der Te<strong>ch</strong>nologie. Na<strong>ch</strong> ihrer Meinung ist der Arbeitsmarkt<br />
immer in einem Glei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>t. Weil es keine frei verfügbaren Arbeitskräfte gibt, kann au<strong>ch</strong> bei<br />
steigendem Preisniveau die Produktion ni<strong>ch</strong>t erhöht werden. Dies bedeutet, dass die<br />
Gesamtangebotskurve senkre<strong>ch</strong>t verläuft. Daraus ergeben si<strong>ch</strong> wi<strong>ch</strong>tige Konsequenzen:<br />
Vermindert si<strong>ch</strong> die Gesamtna<strong>ch</strong>frage (Vers<strong>ch</strong>iebung der Gesamtna<strong>ch</strong>fragekurve na<strong>ch</strong> links),<br />
vermindert si<strong>ch</strong> kurzfristig die Produktion von Punkt A na<strong>ch</strong> Punkt B. Da bei Punkt B die<br />
Produktion aber unter ihrem mögli<strong>ch</strong>en Niveau liegt, führen sinkende Preise von Punkt B zu<br />
Punkt C. So hat die ursprüngli<strong>ch</strong> gesunkene Gesamtna<strong>ch</strong>frage zwar zu Preissenkungen, ni<strong>ch</strong>t<br />
aber zu Veränderung der Produktion geführt. Die senkre<strong>ch</strong>te Gesamtangebotskurve impliziert<br />
somit, dass die Angebotspreise auf Veränderungen der Na<strong>ch</strong>frage sehr flexibel reagieren.<br />
Preisveränderungen haben also keinen Einfluss auf die angegebenen Menge (unelastis<strong>ch</strong>e<br />
Angebotskurve).<br />
KONSEQUENZEN FÜR DIE WIRTSCHAFTSPOLITIK<br />
Staatli<strong>ch</strong>e Massnahmen zur Unterstützung der Na<strong>ch</strong>frage haben keine realen Effekte.<br />
Staatli<strong>ch</strong>e Eingriffe werden deshalb abgelehnt. Der Staat hat si<strong>ch</strong> darauf zu bes<strong>ch</strong>ränken, ein<br />
reibungsloses Funktionieren der Marktwirts<strong>ch</strong>aft si<strong>ch</strong>erzustellen, indem er für optimale<br />
Rahmenbedingungen sorgt (Na<strong>ch</strong>twä<strong>ch</strong>terstaat). Staatli<strong>ch</strong>e Eingriffe behindern die<br />
marktwirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Kräfte nur.<br />
Jedes Angebot s<strong>ch</strong>afft si<strong>ch</strong> die entspre<strong>ch</strong>ende Na<strong>ch</strong>frage! Bei einem funktionierenden Preis-<br />
und Zinsme<strong>ch</strong>anismus kann es keine dauerhaften Unglei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>te geben. Der Staat hat si<strong>ch</strong><br />
deshalb auf eine „Na<strong>ch</strong>twä<strong>ch</strong>terfunktion“ zu bes<strong>ch</strong>ränken.<br />
Preise reagieren auf Veränderungen der Na<strong>ch</strong>frage<br />
sehr flexibel (senkre<strong>ch</strong>te Gesamtangebotskurve).<br />
Veränderungen der Na<strong>ch</strong>frage lösen deshalb nur<br />
Preiss<strong>ch</strong>wankungen aus.<br />
Ents<strong>ch</strong>eidend für die Höhe des BIP ist das Angebot.<br />
51
DIE KEYNESIANISCHE KONZEPTION<br />
HINTERGRUND DER ENTSTEHUNG<br />
Während der Massenarbeitslosigkeit der 1930er-Jahre häuften si<strong>ch</strong> die Zweifel an den<br />
Selbstheilungskräften der Marktwirts<strong>ch</strong>aft. J.M. Keynes wollte beweisen, dass unter<br />
bestimmten Bedingungen ein Glei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>t auf den Gütermärkten mit Arbeitslosigkeit<br />
bestehen kann, dass ein marktwirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>es System ni<strong>ch</strong>t aus si<strong>ch</strong> heraus Kräfte freisetzt,<br />
um Vollbes<strong>ch</strong>äftigung zu errei<strong>ch</strong>en, und dass sol<strong>ch</strong>e Instabilitäten dur<strong>ch</strong>aus korrigierbar sind.<br />
GRUNDÜBERLEGUNGEN<br />
Aus dem Wirts<strong>ch</strong>aftskreislauf geht hervor, dass im Idealfall Angebot und Na<strong>ch</strong>frage glei<strong>ch</strong><br />
gross sind. Dieser Zusammenhang wird aber dur<strong>ch</strong> Zu- und Abflüsse dur<strong>ch</strong>bro<strong>ch</strong>en.<br />
Die Abflüsse sind dadur<strong>ch</strong> bedingt, dass die Verbrau<strong>ch</strong>er ni<strong>ch</strong>t alles ausgeben, was sie<br />
verdienen, also sparen, ihre Ausgaben au<strong>ch</strong> für Importe verwenden, und dass der Staat<br />
Steuern erhebt. Die Zuflüsse kommen zustande, wenn die Unternehme exportieren und<br />
zusätzli<strong>ch</strong>e Mas<strong>ch</strong>inen ans<strong>ch</strong>affen (investieren), und wenn der Staat Ausgaben tätigt. Da die<br />
Zu- und Abflüsse normalerweise ni<strong>ch</strong>t glei<strong>ch</strong> gross sind, entspri<strong>ch</strong>t das gesamtwirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e<br />
Angebot ni<strong>ch</strong>t zwangsläufig der gesamtwirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Na<strong>ch</strong>frage, so dass es zu<br />
Glei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>tsstörungen kommt. Zur Verans<strong>ch</strong>auli<strong>ch</strong>ung dient das Bild einer Badewanne:<br />
Fliesst mehr zu als ab = Übers<strong>ch</strong>wemmung, fliesst mehr ab als zu = Trockenheit.<br />
Sind die Zuflüsse grösser als die Abflüsse wird die Wirts<strong>ch</strong>aft übers<strong>ch</strong>wemmt, es entsteht<br />
Inflation. Umgekehrt besteht Arbeitslosigkeit, wenn mehr Ab- als Zufliesst.<br />
Somit ist die Na<strong>ch</strong>frage massgebend für die Produktion und damit au<strong>ch</strong> für die Höhe des BIP.<br />
Na<strong>ch</strong> Keynes bestimmt ni<strong>ch</strong>t das Angebot die Na<strong>ch</strong>frage, sonder die Na<strong>ch</strong>frage bestimmt das<br />
Angebot.<br />
Das klingt logis<strong>ch</strong>, war für die damalige Zeit aber eine Umkehr des bisher Gültigen. Bis dahin<br />
glaubte man den Klassikern, gemäss wel<strong>ch</strong>en jedes Angebot eine glei<strong>ch</strong> grosse Na<strong>ch</strong>frage<br />
s<strong>ch</strong>affen würde.<br />
Ist die gesamte Na<strong>ch</strong>frage kleiner als die Vollbes<strong>ch</strong>äftigungsproduktion, so besteht eine<br />
Na<strong>ch</strong>fragelücke. Die Unternehmer reagieren darauf mit Drosselung der Produktion. Keynes<br />
bestritt als ni<strong>ch</strong>t die Tendenz zu Glei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>t auf dem Gütermarkt. Na<strong>ch</strong> ihm ist es aber ni<strong>ch</strong>t<br />
auszus<strong>ch</strong>liessen, dass bei diesem Glei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>t die Zahl der Arbeitssu<strong>ch</strong>enden grösser ist<br />
als die zur Produktion erforderli<strong>ch</strong>en Arbeitskräfte.<br />
Da im Glei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>t die Unternehmenserwartungen erfüllt sind, sehen die Unternehmer<br />
keinen Grund ihre Investitions- oder Produktionsents<strong>ch</strong>eidungen zu ändern, Keynes nannte<br />
dies „Glei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>t bei Unterbes<strong>ch</strong>äftigung“. Dieses Problem wird gemäss Keynes ni<strong>ch</strong>t von<br />
selbst (dur<strong>ch</strong> die marktwirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Kräfte) beseitigt. Denn die Preise sind na<strong>ch</strong> Ansi<strong>ch</strong>t der<br />
Keynesianer in kurzer Frist relativ starr, weil Preisänderungen au<strong>ch</strong> Kosten verursa<strong>ch</strong>en (neue<br />
Preiss<strong>ch</strong>ilder, Kataloge, etc.) Man nennt diese Kosten „menu costs“ (Speisekarten-Kosten).<br />
Zudem bezweifelte Keynes die Wirksamkeit des Lohnme<strong>ch</strong>anismus, weil die Löhne na<strong>ch</strong><br />
unten infolge von staatli<strong>ch</strong>en Eingriffen, wegen den Gewerks<strong>ch</strong>aften und anderen Gründen,<br />
relativ starr seien. Er äusserte au<strong>ch</strong> grundsätzli<strong>ch</strong>e Bedenken am Zinsme<strong>ch</strong>anismus. Eine<br />
unzurei<strong>ch</strong>ende Investitionstätigkeit sein ni<strong>ch</strong>t auf das Zinsniveau, sondern auf die s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>ten<br />
Erfolgserwartungen zurückzuführen.<br />
Die Situation der ausbleibenden Investitionen trotz tiefen Zinsen bezei<strong>ch</strong>nete Keynes als<br />
Investitionsfalle. Eine Erhöhung der Geldmenge kann in der Investitionsfalle also keine<br />
belebende Wirkung entfalten. Eine zweite Begründung für die „monetäre Impotenz“ ist gemäss<br />
Keynes die Liquiditätsfalle. Sie tritt ein, wenn zusätzli<strong>ch</strong>es Geld ni<strong>ch</strong>t in Obligationen angelegt<br />
wird, weil die Renditen aufgrund der tiefen Zinssätze uninteressant sind. Das zusätzli<strong>ch</strong>e Geld<br />
wird liquid gehalten, wodur<strong>ch</strong> die Zinsen ni<strong>ch</strong>t weiter sinken und zusätzli<strong>ch</strong>e Investitionen<br />
ausbleiben.<br />
Zusammenfassung VWL IUR I<br />
<strong>www</strong>.<strong><strong>ch</strong>illingpeople</strong>.<strong>ch</strong><br />
52
Im Gegensatz zu den Klassikern basiert der keynesianis<strong>ch</strong>e Ansatz auf unflexiblen Preisen,<br />
Löhnen und Zinssätzen. Deshalb verläuft die Gesamtangebotskurve fla<strong>ch</strong> bzw. nur lei<strong>ch</strong>t<br />
aufwärts. Sinkt die Na<strong>ch</strong>frage, sinkt das Produktionsniveau von M1 na<strong>ch</strong> M2, die Preise<br />
sinken und es entsteht Arbeitslosigkeit.<br />
KONSEQUENZEN FÜR DIE WIRTSCHAFTSPOLITIK<br />
Um Vollbes<strong>ch</strong>äftigung zu errei<strong>ch</strong>en, muss die Na<strong>ch</strong>frage gesteigert werden.<br />
Erinnern wir uns daran, wie si<strong>ch</strong> die gesamtwirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Na<strong>ch</strong>frage zusammensetzt:<br />
Privater Konsum + Export + Investitionen + Staatskonsum = gesamtwirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Na<strong>ch</strong>frage<br />
Der Private Konsum ist in erster Linie abhängig vom Volkseinkommen, andererseits bestimmt<br />
der private Konsum zu einem wesentli<strong>ch</strong>en Teil die Höhe des Volkseinkommens, es besteht<br />
eine gegenseitige Abhängigkeit. Der Statt kann auf den privaten Konsum insofern indirekt<br />
Einfluss nehmen, als er dur<strong>ch</strong> seine Steuerpolitik das verfügbare Einkommen mitbestimmt.<br />
Der Exportwirts<strong>ch</strong>aft kann dur<strong>ch</strong> staatli<strong>ch</strong>e Unterstützung bzw. steuerli<strong>ch</strong>e Entlastungen unter<br />
die Arme gegriffen werden, zudem nützt eine künstli<strong>ch</strong>e Tiefhaltung der eigenen Währung der<br />
Exportwirts<strong>ch</strong>aft.<br />
Was die Investitionen der Unternehmer betrifft, führen na<strong>ch</strong> Keynes tiefe Zinsen ni<strong>ch</strong>t zum<br />
Aufs<strong>ch</strong>wung, weil für sie vor allem die Zukunftserwartungen ents<strong>ch</strong>eidend sind. Indirekt kann<br />
der Staat versu<strong>ch</strong>en, die privaten Investitionen dur<strong>ch</strong> Zus<strong>ch</strong>üsse oder steuerli<strong>ch</strong>e<br />
Entlastungen anzukurbeln.<br />
Bleiben die staatli<strong>ch</strong>en Investitionen und der Staatskonsum: Bei ihnen liegt der ideale<br />
Ansatzpunkt, weil sie direkt von Staat bestimmt werden können. Die Keynesianer sehen<br />
deshalb in Ausgabenerhöhungen das geeignetste Mittel zur Bekämpfung von Arbeitslosigkeit.<br />
Zudem empfehlen sie in Krisenzeiten Steuersenkungen, um das frei verfügbare Einkommen<br />
zu erhöhen und damit den privaten Konsum, die Exporte und au<strong>ch</strong> die<br />
Unternehmerinvestitionen zu stimulieren.<br />
Ausgabenerhöhungen und Steuersenkungen führen zu Budgetdefiziten. In der Boomphase<br />
plädieren sie andererseits für eine Senkung der Staatsausgaben und eine Erhöhung der<br />
Steuern, d.h. für einen Budgetübers<strong>ch</strong>uss.<br />
Das S<strong>ch</strong>wergewi<strong>ch</strong>t der Konjunktursteuerung liegt also bei der Finanzpolitik. In konjunkturellen<br />
Abs<strong>ch</strong>wüngen muss der Staat seine Ausgaben erhöhen, im Aufs<strong>ch</strong>wung kürzen. Da dies der<br />
Konjunkturentwicklung entgegenläuft, wurde dafür der Ausdruck antizyklis<strong>ch</strong>e Finanzpolitik<br />
geprägt. Dur<strong>ch</strong> diese Feinsteuerung sollte es gelingen, die unangenehmen<br />
Konjunkturs<strong>ch</strong>wankungen zu glätten.<br />
Weil die Selbstheilungskräfte der Marktwirts<strong>ch</strong>aft ni<strong>ch</strong>t funktionieren, muss der Staat eine<br />
antizyklis<strong>ch</strong>e Finanzpolitik betreiben, d.h. in Krisenzeiten seine Ausgaben erhöhen, die<br />
Steuern senken und ein Budgetdefizit in Kauf nehmen; in der Ho<strong>ch</strong>konjunktur muss er die<br />
Ausgaben senken, die Steuern erhöhen und einen Budgetübers<strong>ch</strong>uss erzielen. So stabilisiert<br />
der Staat dur<strong>ch</strong> die Steuerung der Na<strong>ch</strong>frage die konjunkturelle Lage.<br />
Zusätzli<strong>ch</strong>en Aufwind erhält die antizyklis<strong>ch</strong>e Finanzpolitik dur<strong>ch</strong> die konjunkturellen<br />
Verstärker (Multiplikatortheorie + Akzeleratortheorie).<br />
Eine Erhöhung der Staatsausgaben bewirkt, dass gewisse Leute ein Einkommen erhalten,<br />
das sie sonst ni<strong>ch</strong>t bekommen hätten. Weil ein Teil dieses Zusatzeinkommens ausgegeben<br />
wird, kommt dieses Geld wieder anderen Leute zugute. Au<strong>ch</strong> die werden einen Teil davon<br />
wieder ausgeben, und insgesamt steigt deshalb das Einkommen um ein Vielfa<strong>ch</strong>es der<br />
zusätzli<strong>ch</strong>en Staatsausgaben an. Eine Steuersenkung hat selbstverständli<strong>ch</strong> die glei<strong>ch</strong>en<br />
Auswirkungen.<br />
Zusammenfassung VWL IUR I<br />
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53
Zusammenfassung VWL IUR I<br />
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ZUSAMMENFASSUNG – KEYNESIANISCHE KONZEPTION<br />
Zentrales Problem: Konjunkturelle Arbeitslosigkeit<br />
Die Preise sind kurzfristig nur wenig flexibel<br />
(fla<strong>ch</strong>e Angebotskurve).<br />
Veränderungen der Na<strong>ch</strong>frage bewirken<br />
deshalb grosse S<strong>ch</strong>wankungen des BIP.<br />
Ents<strong>ch</strong>eidend für die Höhe des BIP ist die<br />
Na<strong>ch</strong>frage und ni<strong>ch</strong>t das Angebot.<br />
Therapie: Der Staat muss intervenieren, um das Na<strong>ch</strong>fragedefizit zu füllen.<br />
1. Erhöhung der Staatsausgaben (s<strong>ch</strong>afft Na<strong>ch</strong>frage)<br />
2. Senkung der staatli<strong>ch</strong>en Einnahmen (verbessert die Erwartungen<br />
der Unternehmungen und fördert den Konsum)<br />
Infolge 1. und 2. entstehen Defizite im Staatshaushalt<br />
3. Finanzierung der Defizite dur<strong>ch</strong> Anleihen<br />
(Bra<strong>ch</strong>liegende Spargelder werden kreislaufmässig „reaktiviert“)<br />
Kennzei<strong>ch</strong>en: 1. Antizyklis<strong>ch</strong>e Intervention = Feinsteuerung = abwe<strong>ch</strong>selndes<br />
Bremsen und Gasgeben<br />
2. Konzentration auf die Finanzpolitik<br />
(Geldpolitik wird zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit als wenig<br />
geeignet betra<strong>ch</strong>tet)<br />
54
EINWÄNDE GEGEN DIE KONJUNTKTURPOLITK VON KEYNES<br />
Obwohl das Keynesianis<strong>ch</strong>e Gedanken gut dur<strong>ch</strong>aus logis<strong>ch</strong> ers<strong>ch</strong>eint, ergeben si<strong>ch</strong> in der<br />
praktis<strong>ch</strong>en Umsetzung denno<strong>ch</strong> einige Probleme:<br />
• Ents<strong>ch</strong>eidungs- und Wirkungsverzögerungen (Time Lags) treten auf: s<strong>ch</strong>on die Diagnose<br />
kann aufgrund der Verzögerung der statistis<strong>ch</strong>en Daten ni<strong>ch</strong>t die aktuelle Lage erfassen.<br />
Bis dann endli<strong>ch</strong> Massnahmen ausgearbeitet und bes<strong>ch</strong>lossen werden, und bis zu deren<br />
Einführung und Wirkung vergeht weitere Zeit. Weil si<strong>ch</strong> inzwis<strong>ch</strong>en die konjunkturelle<br />
Situation verändert haben kann, besteht die Gefahr, dass die Therapie prozyklis<strong>ch</strong><br />
antizyklis<strong>ch</strong> wirkt, d.h. dass die konjunkturelle Phase verstärkt statt gebremst wird. Stellen<br />
Sie si<strong>ch</strong> zudem den Kampf im Parlament vor, wo und für was Geld ausgegeben wird, etc.<br />
• Der Rückweg stellt ein Problem dar: Steuererlei<strong>ch</strong>terungen und Ausgabenerhöhungen<br />
lassen si<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> relativ lei<strong>ch</strong>t bes<strong>ch</strong>liessen. Aber im Aufs<strong>ch</strong>wung Steuererhöhungen und<br />
Ausgabenkürzungen dur<strong>ch</strong>zubringen, ist eine s<strong>ch</strong>were und wenig populäre Aufgabe.<br />
• Wenn es ni<strong>ch</strong>t gelingt, in der Ho<strong>ch</strong>konjunktur Übers<strong>ch</strong>üsse zu realisieren entstehen<br />
Probleme bei der Finanzierung der Defizite. Werden sie mittels Anleihen im Inland<br />
finanziert, erhöht si<strong>ch</strong> das Zinsniveau. Dur<strong>ch</strong> den Zinsanstieg werden aber insbesondere<br />
Unternehmerinvestitionen verdrängt, weshalb ein Aufs<strong>ch</strong>wung ni<strong>ch</strong>t zustande kommen<br />
kann. Diese Verdrängung wird als crowding-out-Effekt bezei<strong>ch</strong>net. Die Stärke des<br />
crowding-out-Effektes hängt von der Wirkung der Fiskalpolitik auf die Zinsen und der<br />
Zinselastizität der privaten Investitionen ab. Wird das Defizit ni<strong>ch</strong>t dur<strong>ch</strong> Anleihen, sondern<br />
dur<strong>ch</strong> die Nationalbank finanziert, vergrössert si<strong>ch</strong> die Geldmenge, und es werden<br />
Inflationsgefahren ges<strong>ch</strong>ürt. (CH Staat kann ni<strong>ch</strong>t direkt bei SNB Geld aufnehmen!!!)<br />
• Ein weiterer Einwand stellt die Theorie der rationalen Erwartungen dar. Diese Theorie geht<br />
davon aus, dass staatli<strong>ch</strong>e Eingriffe wirkungslos sind, weil die Wirts<strong>ch</strong>aftsteilnehmern sie<br />
dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>auen und si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t in die Irre führen lassen. Sie passen si<strong>ch</strong> der veränderten<br />
Situation an, so dass die Wirkung der Eingriffe verpufft. Das heisst also, die<br />
Wirts<strong>ch</strong>aftssubjekte re<strong>ch</strong>nen mit einem Anstieg der Steuern als Reaktion auf die höheren<br />
Ausgaben des Staates. Dur<strong>ch</strong> den Steueranstieg wird das zukünftig verfügbare Einkommen<br />
vermindert und dies führt s<strong>ch</strong>on heute zu einem Anstieg der Ersparnisse. Dadur<strong>ch</strong> kann<br />
aber der erhoffte Konjunkturaufs<strong>ch</strong>wung s<strong>ch</strong>on im Keime erstickt werden, und es können<br />
negative Multiplikatoreffekte auftreten.<br />
• Staatli<strong>ch</strong>e Ankurbelungsprogramme sind mit der Gefahr der „Strukturerhaltungs-Falle“<br />
behaftet. Werden die knappen finanziellen Mittel in ineffiziente Projekte und Bran<strong>ch</strong>en<br />
gesteckt, lösen sie nur ein kurzes Strohfeuer aus, verzerren marktwirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e<br />
Anreizstrukturen und zementieren überholte Strukturen.<br />
WIRKT DIE SCHWEIZERISCHE FINANZPOLITIK ANTIZYKLISCH?<br />
Aus den bisherigen Überlegungen neigen wir dazu, ein Budgetdefizit mit einer expansiven<br />
(ankurbelnden) Finanzpolitik glei<strong>ch</strong>zusetzen. Diese Interpretation ist allerdings fals<strong>ch</strong>.<br />
Budgetvers<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>terungen stellen si<strong>ch</strong> im Laufe einer Rezession nämli<strong>ch</strong> automatis<strong>ch</strong> ein:<br />
Die Steuereinnahmen sinken und die Ausgaben (vor allem die Arbeitslosenunterstützung)<br />
steigen. Diese „automatis<strong>ch</strong>en Stabilisatoren“ sorgen für eine Stabilisierung der Konjunktur:<br />
In Boomzeiten entsteht ein Übers<strong>ch</strong>uss, in Rezessionsjahren ein Defizit – ohne eine aktive<br />
Veränderung der Finanzpolitik.<br />
Wir können also ni<strong>ch</strong>t einfa<strong>ch</strong> auf das Budget s<strong>ch</strong>auen, um zu beurteilen, ob die Finanzpolitik<br />
restriktiv (bremsend) oder expansiv (bes<strong>ch</strong>leunigend) wirkt. Für die Beurteilung der<br />
Finanzpolitik müssen die konjunkturellen Gründe für die S<strong>ch</strong>wankungen des Budgets<br />
eliminiert werden. Dazu wird das BIP ges<strong>ch</strong>ätzt, wie es bei einer Normalauslastung der<br />
Kapazitäten ausgefallen wäre. Ein Verglei<strong>ch</strong> mit dem tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en BIP ergibt die Outputlücke,<br />
mit deren Hilfe ein Einnahmeausfälle und Mehrausgaben des Staates im Verglei<strong>ch</strong> zur<br />
Normalauslastung bere<strong>ch</strong>net werden können. So kann das Defizit in eine konjunkturelle<br />
Komponente und den Rest, eine strukturelle Komponente unterteilt werden.<br />
Zusammenfassung VWL IUR I<br />
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55
Das strukturelle Defizit dient somit zur Beurteilung der Finanzpolitik. Die Veränderung des<br />
strukturellen Saldos in Prozent des BIP ergibt den Fiskalimpuls: Eine Erhöhung des<br />
strukturellen Defizits bedeutet einen positiven Fiskalimpuls und somit eine expansive<br />
Finanzpolitik S<strong>ch</strong>aut man den Fiskalimpuls im Verglei<strong>ch</strong> mit dem tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en BIP der letzten<br />
Jahre an, so sieht man, dass der Fiskalimpuls zwis<strong>ch</strong>en 1993 und 2000 mehrheitli<strong>ch</strong>e<br />
restriktiv wirkte. Die Anstrengungen zur Sanierung der Staatsfinanzen erfolgten also – aus<br />
konjunkturpolitis<strong>ch</strong>er Si<strong>ch</strong>t – zu früh und trugen dazu bei, die Erholung zu verzögern. Für den<br />
Zeitraum 2000 bis 2003 ergibt si<strong>ch</strong> ein lei<strong>ch</strong>t positiver Fiskalimpuls.<br />
ERFOLGREICHE INVESTITIONSPROGRAMME<br />
1997 hat das Parlament zuletzt auf die Lehre von Keynes im Sinne eines<br />
Ankurbelungsprogramms Rückgriff genommen: ein 481 Millionen s<strong>ch</strong>weres Investitionsprogramm<br />
mit S<strong>ch</strong>werpunkt Bauwirts<strong>ch</strong>aft wurde lanciert. Im Jahr 2001 folgte der<br />
S<strong>ch</strong>lussberi<strong>ch</strong>t zu diesem Investitionsprogramm des SECO.<br />
Zwar wurden in der Bauwirts<strong>ch</strong>aft zusätzli<strong>ch</strong>e Aufträge in der Höhe von 2,5 Mrd. Franken<br />
ausgelöst, aber der BIP-Gewinn lag bei ledigli<strong>ch</strong> 0,14% und das Arbeitsvolumen erhöhte si<strong>ch</strong><br />
nur sehr geringfügig. Ein Grund dafür liegt darin, dass die erhöhte Na<strong>ch</strong>frage zu über 70%<br />
dur<strong>ch</strong> Importe befriedigt wurde.<br />
Au<strong>ch</strong> löste das Zücker<strong>ch</strong>en des Staates einen Mitnahmeeffekt aus: Vorab private Investitionen<br />
wären au<strong>ch</strong> ohne staatli<strong>ch</strong>e Vergünstigungen getätigt worden. Immerhin hatte die<br />
Konjunkturspritze laut SECO keine prozyklis<strong>ch</strong>e Wirkung.<br />
Die Gründe dafür, dass die S<strong>ch</strong>weizer Wirts<strong>ch</strong>aft 1997 aus der konjunkturellen S<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>e<br />
herausfand, seien jedo<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t beim Investitionsprogramm zu su<strong>ch</strong>en.<br />
Zusammenfassung VWL IUR I<br />
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56
DIE MONETARISTSCHE KONZEPTION<br />
HINTERGRUND DER ENTSTEHUNG<br />
Na<strong>ch</strong> dem Zweiten Weltkrieg entstand ein ungeheurer Na<strong>ch</strong>hol- und Wiederaufbaubedarf der<br />
darniederliegenden Volkswirts<strong>ch</strong>aften. Wä<strong>ch</strong>st aber die Na<strong>ch</strong>frage stärker also das<br />
Produktionspotenzial, besteht die Gefahr einer Erhöhung der Preise. Ein Anstieg des<br />
Preisniveaus (Inflation) war denn au<strong>ch</strong> das vorherrs<strong>ch</strong>ende Problem der Na<strong>ch</strong>kriegsjahre.<br />
Gegenüber inflationären Entwicklungen war aber die keynesianis<strong>ch</strong>e Finanzpolitik ma<strong>ch</strong>tlos.<br />
Mit der Veränderung der Problemlage war au<strong>ch</strong> eine andere Konjunkturpolitik gefordert.<br />
GRUNDÜBERLEGUNGEN<br />
Milton Friedman begründete die monetaristis<strong>ch</strong>e S<strong>ch</strong>ule, die si<strong>ch</strong> in erster Linie mit der Rolle<br />
des Geldes und dem Inflationsproblem auseinandersetzte. Ein Na<strong>ch</strong>frageüberhang wie er<br />
damals vorlag, könne nur entstehen, wenn im Verhältnis zu den vorhandenen Gütern zu viel<br />
Geld gebe argumentieren die Monetaristen.<br />
Die Hypothese der Monetaristen mündet grundsätzli<strong>ch</strong> gesagt darin, dass Veränderungen der<br />
Geldmenge im Wesentli<strong>ch</strong>en für Konjunkturs<strong>ch</strong>wankungen verantwortli<strong>ch</strong>e sind.<br />
Für die Bestimmung des Geldwertes ist allein ents<strong>ch</strong>eidend, wie viele Güter man für eine<br />
bestimmte Geldmenge kaufen kann. Diese Beziehung zwis<strong>ch</strong>en Geld und Gütern wollen wir<br />
an einem stark vereinfa<strong>ch</strong>ten Beispiel ans<strong>ch</strong>auen:<br />
• Im ersten Jahr werden in einem Land 1000 Stück Güter produziert und es gibt in diesem<br />
Land 1000 Banknoten à Fr. 10.-. Der Preis für ein Stück ist also 10 Fr.<br />
• Die Geldmenge (1000 Noten zu Fr. 10.- = Fr. 10'000.-) ist glei<strong>ch</strong> gross wie die Gütermenge<br />
(1000 Stück zu Fr. 10.- = Fr. 10'000.-)<br />
• Im zweiten Jahr druckt der Staat weitere 1000 Banknoten à Fr. 10.-. Der dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nittli<strong>ch</strong>e<br />
Preis pro Stück steigt auf 20 Fr. pro Stück, sodass die Geldmenge wieder glei<strong>ch</strong> gross ist<br />
wie die Gütermenge (je Fr. 20'000.-)<br />
• Im dritten Jahr wird die Produktion der Güter dank höherer Effizienz auf 2000 Stück<br />
gesteigert. Der Preis pro Stück sinkt als Folge wieder auf Fr. 10.-, Geld- und Gütermenge<br />
sind wieder ausgegli<strong>ch</strong>en (je Fr. 20'000.-)<br />
• Im vierten Jahr geben die Konsumenten die Hälfte der Banknoten ni<strong>ch</strong>t aus, 1000 Noten<br />
kommen also ni<strong>ch</strong>t in Umlauf. Damit halbiert si<strong>ch</strong> die Umlaufsges<strong>ch</strong>windigkeit des Geldes,<br />
was dasselbe bewirkt wie eine Reduktion der Geldmenge: der dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nittli<strong>ch</strong>e Preis pro<br />
Stück wird fallen und zwar auf Fr. 5.-.<br />
Es ist also ni<strong>ch</strong>t nur wi<strong>ch</strong>tig wie viel Geld physis<strong>ch</strong> vorhanden ist, sondern au<strong>ch</strong> wie s<strong>ch</strong>nell<br />
dieses Geld dur<strong>ch</strong> Taus<strong>ch</strong>aktionen von Hand zu Hand geht.<br />
Diesen Zusammenhang von Gütermenge, Geldmenge, Umlaufges<strong>ch</strong>windigkeit und<br />
Preisniveau können wir nun in eine Formel (Quantitätsglei<strong>ch</strong>ung des Geldes) fassen:<br />
Geldmenge x Umlaufges<strong>ch</strong>windigkeit = Gütermenge x Preisniveau<br />
Gemäss Monetaristen ist Inflation die Folge von steigender Geldmenge oder/und erhöhter<br />
Umlaufsges<strong>ch</strong>windigkeit bei weniger stark wa<strong>ch</strong>sender, konstanter oder s<strong>ch</strong>rumpfender<br />
Geldmenge.<br />
Die Grundüberlegungen, wel<strong>ch</strong>e den Monetarismus prägen lauten deshalb:<br />
Zwis<strong>ch</strong>en dem Wa<strong>ch</strong>stum der Geldmenge und jenem des BIP besteht eine stabile Beziehung.<br />
Verändert si<strong>ch</strong> die Geldmenge, reagieren mit einer Verzögerung von einigen Monaten<br />
Produktion und Bes<strong>ch</strong>äftigung – allerdings nur vorübergehend. Langfristig beeinflussen<br />
Geldmengenveränderungen nur das Preisniveau. Steigt die Geldmenge (multipliziert mit der<br />
Umlaufsges<strong>ch</strong>windigkeit) s<strong>ch</strong>neller als die Gütermenge, entsteht Inflation.<br />
Zusammenfassung VWL IUR I<br />
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Nur wenn Geldmenge (multipliziert mit der Umlaufsges<strong>ch</strong>windigkeit) und Gütermenge si<strong>ch</strong><br />
glei<strong>ch</strong>mässig entwickeln, bliebt au<strong>ch</strong> der Geldwert stabil.<br />
Wenden wir die Quantitätsglei<strong>ch</strong>ung des Geldes auf die s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>e Wirkli<strong>ch</strong>keit an:<br />
Im Jahr 1990 betrug die Geldmenge M1 111,5 Mrd. Das Bruttoinlandprodukt der<br />
s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en VW belief si<strong>ch</strong> auf 314 Mrd. Daraus lässt si<strong>ch</strong> eine Umlaufsges<strong>ch</strong>windigkeit<br />
des Geldes von 2,82 erre<strong>ch</strong>nen. Die Quantitätsglei<strong>ch</strong>ung des Geldes präsentierte si<strong>ch</strong> also<br />
folgendermassen:<br />
Geldmenge 111,5 Mrd. x Umlaufsges<strong>ch</strong>windigkeit 2,82 = BIP 314 Mrd. x Preisniveau 1<br />
Im Jahr 1991 sank das reale Bruttoinlandprodukt auf 311,6 Mrd. (-0,8%) und die Geldmenge<br />
erhöhte si<strong>ch</strong> auf 113,7 Mrd. (+2%). Daraus lässt si<strong>ch</strong> ableiten, dass das Preisniveau gestiegen<br />
oder die Umlaufsges<strong>ch</strong>windigkeit gesunken sein muss. Tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> erhöhte si<strong>ch</strong> das<br />
Preisniveau in einem für die S<strong>ch</strong>weiz ungewöhnli<strong>ch</strong> hohem Ausmass von 5,9%, so dass die<br />
Umlaufges<strong>ch</strong>windigkeit lei<strong>ch</strong>t zunahm:<br />
Geldmenge 113,7 Mrd. x Umlaufsges<strong>ch</strong>windigkeit 2,902 = BIP 311,6 Mrd. x Preisniveau 1,059<br />
Monetaristen betonen die Vorrangigkeit der Geldmenge für die Höhe der Gesamtna<strong>ch</strong>frage:<br />
„Was zählt, ist Geld!“<br />
Antizyklis<strong>ch</strong>e Finanzpolitik lehnen sie ab. Ein Grund dafür zeigt si<strong>ch</strong> im Verlauf der<br />
Gesamtangebotskurve. Da Preise und Löhne auf Veränderungen flexibel reagieren, ist die<br />
Gesamtangebotskurve dementspre<strong>ch</strong>end steil. Für die Monetaristen wirken si<strong>ch</strong> deshalb<br />
Änderungen der Gesamtna<strong>ch</strong>frage vor allem auf die Preise aus.<br />
KONESEQUENZEN FÜR DIE WIRTSCHAFTSPOLITK<br />
Da na<strong>ch</strong> monetaristis<strong>ch</strong>er Ansi<strong>ch</strong>t eine stabile Beziehung zwis<strong>ch</strong>en Geldmenge und<br />
Entwicklung des BIP besteht und ein stärkeres Wa<strong>ch</strong>stum der Geldmenge als der<br />
Gütermenge ein Anstieg der Preise bewirkt, stellten die Monetaristen folgende Regel auf:<br />
Um eine inflationsfreie Entwicklung der Wirts<strong>ch</strong>aft zu ermögli<strong>ch</strong>en, muss dafür gesorgt<br />
werden, dass die Geldmenge si<strong>ch</strong> im Glei<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ritt mit dem Produktionspotenzial entwickelt.<br />
Die Zentralbanken sollen si<strong>ch</strong> also darauf konzentrieren, über eine strikte Kontrolle der<br />
Geldmenge die Entwicklung des BIP zu stabilisieren, und damit den besten S<strong>ch</strong>utz gegen<br />
Inflation zu gewährleisten. Diese Regel impliziert au<strong>ch</strong>, dass die Monetaristen den Einsatz der<br />
Geldpolitik zur Ankurbelung der Konjunktur ablehnen.<br />
Im Zentrum der monetaristis<strong>ch</strong>en Konjunkturpolitik steht also die Wa<strong>ch</strong>stumsrate der<br />
Geldmenge. Für die Überwa<strong>ch</strong>ung und Steuerung der Geldmenge ist die Nationalbank<br />
zuständig. Damit we<strong>ch</strong>selt im Verglei<strong>ch</strong> mit der keynesianis<strong>ch</strong>en Konzeption au<strong>ch</strong> die<br />
Verantwortli<strong>ch</strong>keit für die Konjunkturpolitik von der Regierung zum Direktorium der<br />
Nationalbank.<br />
Zusammenfassung VWL IUR I<br />
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Zusammenfassung VWL IUR I<br />
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ZUSAMMENFASSUNG – MONETARISTISCHE KONZEPTION<br />
Ents<strong>ch</strong>eidend für die Gesamtna<strong>ch</strong>frage ist das Geld.<br />
Die Preise sind flexibel (steile Angebotskurve).<br />
Veränderungen der Geldmenge bewirken grosse<br />
Preiss<strong>ch</strong>wankungen. Deshalb ist der Entwicklung der<br />
Geldmenge grosse Bedeutung zuzumessen.<br />
Therapie: Primär muss die Notenbank intervenieren und für ein Glei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>t<br />
zwis<strong>ch</strong>en Geldmengen- und realem Wa<strong>ch</strong>stum sorgen.<br />
Kennzei<strong>ch</strong>en: 1. Konzentration auf die Geldmengensteuerung der Notenbank<br />
(Finanzpolitik wird als ungeeignetes Instrument der<br />
Stabilisierungspolitik betra<strong>ch</strong>tet)<br />
2. Keine antizyklis<strong>ch</strong>e Politik. Absage an das Konzept der<br />
Feinsteuerung<br />
Mittelfristige Verfestigungspolitik:<br />
a) Geldmengenzuwa<strong>ch</strong>s<br />
Geldmenge<br />
Produktionspotenzial<br />
Die Geldmenge ist auf das Wa<strong>ch</strong>stum<br />
des Produktionspotenzials auszuri<strong>ch</strong>ten.<br />
b) Konjunkturneutraler Finanzhaushalt. Au<strong>ch</strong> die Finanzpolitik soll<br />
langfristig ausgeri<strong>ch</strong>tet werden.<br />
59
EINWÄNDE GEGEN DIE MONETARISTISCHEN KONZEPTION<br />
Friedman und seine Anhänger haben die VWL in der Tat verändert.<br />
Es wirt anerkannt, dass keine bedeutende Inflation ohne s<strong>ch</strong>nelles Geldmengenwa<strong>ch</strong>stum<br />
stattfindet, und zu s<strong>ch</strong>nelles Geldmengenwa<strong>ch</strong>stum verursa<strong>ch</strong>t eine Inflation. Jede Politik, die<br />
die Wa<strong>ch</strong>stumsrate des Geldes ents<strong>ch</strong>lossen niedrig hält, wird letztendli<strong>ch</strong> eine niedrige<br />
Inflationsrate errei<strong>ch</strong>en. Unproblematis<strong>ch</strong> ist aber au<strong>ch</strong> die monetaristis<strong>ch</strong>e Konzeption ni<strong>ch</strong>t:<br />
• Zur Bekämpfung einer Inflation befürworten die Monetaristen eine strikte Kontrolle des<br />
Geldmengenwa<strong>ch</strong>stums. Dabei treten deutli<strong>ch</strong>e Zielkonflikte zum Vors<strong>ch</strong>ein: Wird die<br />
Geldmenge zu stark einges<strong>ch</strong>ränkt, erhöht si<strong>ch</strong> die Gefahr einer Rezession. Die Geldpolitik<br />
unternimmt eine Gratwanderung. Der Vorwurf an die Monetaristen lautet deshalb, sie seien<br />
Inflationsfanatiker, die mit einer harten Geldpolitik stur das Ziel der Preisstabilität verfolgen,<br />
selbst dann, wenn dadur<strong>ch</strong> viele Mens<strong>ch</strong>en ihre Arbeitsplätze verlören.<br />
• Die Umlaufsges<strong>ch</strong>windigkeit ist die Zahl, die angibt, wie oft die Geldmenge pro Jahr zur<br />
Abwicklung von Güter- und Dienstleistungskäufen umges<strong>ch</strong>lagen wird. Weil die<br />
Monetaristen die Umlaufsges<strong>ch</strong>windigkeit als wenig veränderli<strong>ch</strong> betra<strong>ch</strong>ten, sind sie der<br />
Ansi<strong>ch</strong>t, dass man über die Kontrolle der Geldmenge au<strong>ch</strong> das BIP kontrollieren kann.<br />
Tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> ist die Umlaufsges<strong>ch</strong>windigkeit ni<strong>ch</strong>t konstant. Vielmehr hängt sie von den<br />
Zinssätzen, der Höhe der Einkommen, vom Zahlungssystem, von den<br />
Finanzierungsmögli<strong>ch</strong>keiten und anderen Faktoren ab.<br />
• Ers<strong>ch</strong>werend für den Erfolg der monetaristis<strong>ch</strong>en Politik wirken zudem die vielen<br />
finanzte<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>en Innovationen einerseits und die gewaltig zunehmenden<br />
grenzübers<strong>ch</strong>reitenden Finanzströme andererseits.<br />
• Erfahrungsgemäss ist es au<strong>ch</strong> aus politis<strong>ch</strong>en Gründen s<strong>ch</strong>wierig, eine auf das<br />
Produktionspotenzial ausgeri<strong>ch</strong>tete Geldmengepolitik zu verfolgen. Denn unter der Last von<br />
stagnierender Produktion und drohender Arbeitslosigkeit steigt der Druck auf die<br />
Nationalbank mittels Lockerung der Geldmengezügel die Zinsen zu senken.<br />
DIE ANGEBOTSORIENTIERTE KONZEPTION<br />
Zusammenfassung VWL IUR I<br />
<strong>www</strong>.<strong><strong>ch</strong>illingpeople</strong>.<strong>ch</strong><br />
60
HINTERGRUND DER ENTSTEHUNG<br />
In den 1970er-Jahren änderte si<strong>ch</strong> die wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Problemlage erneut. 1973 – in Zuge des<br />
Ölpreiss<strong>ch</strong>ocks – traten Arbeitslosigkeit und Inflation glei<strong>ch</strong>zeitig in einem sehr hohen Mass<br />
auf, was eine neue Situation darstellte.<br />
Da dur<strong>ch</strong> eine Steigerung der Staatsausgaben die Inflation zusätzli<strong>ch</strong>e angeheizt würde, kam<br />
das keynesianis<strong>ch</strong>e Rezept ni<strong>ch</strong>t in Frage. Da dur<strong>ch</strong> eine Reduktion der Geldmenge die<br />
Arbeitslosigkeit erhöht würde, kam au<strong>ch</strong> das monetaristis<strong>ch</strong>e Rezept ni<strong>ch</strong>t in Frage.<br />
Eine Konstellation, in der die Wirts<strong>ch</strong>aft stagniert und die Inflation trotzdem wä<strong>ch</strong>st, wird mit<br />
dem Begriff Stagflation gekennzei<strong>ch</strong>net.<br />
Stagflation ist das zentrale Problem, mit dem si<strong>ch</strong> die Angebotsökonomen auseinandersetzen.<br />
GRUNDÜBERLEGUNGEN<br />
Die Angebotsökonomen orten grosse Anreizeffekte im Steuersystem. Gemäss ihrer Ansi<strong>ch</strong>t<br />
haben Steueränderungen grosse Auswirkungen auf das Sparen, das Investieren, das<br />
Arbeitsangebot und die Steuereinnahmen. Zu den radikalen Angebotsökonomen gehört Arthur<br />
Laffer. In seiner Kurve – der Laffer-Kurve – setzte er die Steuereinnahmen mit dem Steuersatz<br />
in Beziehung. Die Kurve zeigt, dass die gesamten Steuereinnahmen bei steigendem<br />
Steuersatz zunä<strong>ch</strong>st zunehmen und ab einem gewissen Punkt abnehmen.<br />
Die Begründung dafür lautet wie folgt:<br />
Beträgt der Steuersatz Null (Punkt 1 auf der<br />
Kurve), sind logis<strong>ch</strong>erweise die<br />
Steuereinnahmen au<strong>ch</strong> Null. Beträgt der<br />
Steuersatz 100%, müssen die gesamten<br />
Einkommen an den Staat abgeliefert werden;<br />
deshalb wird bei diesem Steuersatz ni<strong>ch</strong>t<br />
gearbeitet, womit sowohl das Einkommen als<br />
au<strong>ch</strong> die Steuereinnahmen Null betragen<br />
(Punkt 2). Steigt der Steuersatz ausgehend<br />
von Null, werden die Steuereinnahmen zuerst<br />
ebenfalls ansteigen, aber wie lange? Ab einem<br />
gewissen Steuersatz (Punkt 3) beginnen die<br />
Steuereinnahmen wieder zu sinken, weil ab<br />
dieser Steuerhöhe der Anreiz, Einkommen zu erzielen, abnimmt (also die Opportunitätskosten<br />
des Arbeitens übermässig steigen, S<strong>ch</strong>warzarbeit blüht, Steuerhinterziehungen zunehmen<br />
und in Steuerparadiese abgewandert wird.<br />
Die Angebotsökonomen behaupteten im Jahre 1981, dass si<strong>ch</strong> die amerikanis<strong>ch</strong>en Wirts<strong>ch</strong>aft<br />
re<strong>ch</strong>ts von Punkt 3 befinde. Dies bedeutet, dass die Steuereinnahmen ansteigen –<br />
aufgrund der Senkung des Steuersatzes. Reagan senkte in der Folge die Steuersätze<br />
zwis<strong>ch</strong>en 1981 und 1983 in einem dreistufigen Prozess um 30%. Na<strong>ch</strong>trägli<strong>ch</strong> können wir<br />
festhalten, dass die Behauptung von 1981, für die es keine Beweise gab, fals<strong>ch</strong> gewesen zu<br />
sein s<strong>ch</strong>eint; das Staatsdefizit der USA stieg auf neue Rekordhöhen an.<br />
Die s<strong>ch</strong>nelle Erholung der Rezession der Jahre 1983/1984 stützt jedo<strong>ch</strong> gewisse<br />
Behauptungen der angebotsorientierten Volkswirts<strong>ch</strong>aftler.<br />
Die Angebotsökonomen verleihen der Bedeutung von Anreizen in einer Marktwirts<strong>ch</strong>aft neues<br />
Gewi<strong>ch</strong>t und stellen diese in den Mittelpunkt ihrer Überlegungen.<br />
Sie argumentieren, dass die zunehmenden staatli<strong>ch</strong>en Regulierungen einerseits die<br />
Produktivität von Investitionen reduziere und andererseits die hohen Einkommenssteuern das<br />
Sparen unattraktiv ma<strong>ch</strong>e und damit die Finanzierung von Investitionen ers<strong>ch</strong>were. Beide<br />
Effekte zusammen bewirken eine Investitionss<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>e der Unternehmer.<br />
Zusammenfassung VWL IUR I<br />
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61
KONSEQUENZEN FÜR DIE WIRTSCHAFTSPOLITIK<br />
Die gemässigten Vertreter sind der Ansi<strong>ch</strong>t, man müsse die Angebotsbedingungen<br />
verbessern, indem Gewinne, Eigenkapitalquote und Investitionstätigkeit der Unternehmen<br />
gesteigert werden. Die etwas radikaleren Vertreter sehen die Ursa<strong>ch</strong>e für die S<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>e vor<br />
allem beim Staat. Angebotspolitik heisst dann radikaler Abbau des staatli<strong>ch</strong>en Einflusses auf<br />
die Wirts<strong>ch</strong>aft.<br />
S<strong>ch</strong>affung von Anreizen dur<strong>ch</strong> Steuersenkungen, Deregulierungen, Privatisierungen, Abbau<br />
von Subventionen, Erweiterung der freien Handlungsspielräume, Verbesserung der<br />
Rahmenbedingungen für die wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Tätigkeit, weniger Staat und mehr Markt – so<br />
lautet die Therapie der Angebotsökonomen.<br />
In der S<strong>ch</strong>weiz dominieren diese Themen zur Zeit die Diskussion. Die Zahl jener wä<strong>ch</strong>st,<br />
wel<strong>ch</strong>e si<strong>ch</strong> für Deregulierungen und angebotsseitige Entkrustungen einsetzen. Glei<strong>ch</strong>zeitig,<br />
im S<strong>ch</strong>lepptau der Arbeitslosigkeit, erfahren aber au<strong>ch</strong> die Anhänger von Keynes eine<br />
Renaissance. Sie werfen den Angebotsökonomen blinden Marktglauben vor und befür<strong>ch</strong>ten<br />
einen Sozialabbau.<br />
Steuersenkungen – ein wi<strong>ch</strong>tiges Element der angebotsseitig orientierten S<strong>ch</strong>ule – steigern<br />
den Einsatz der Produktionsfaktoren und vers<strong>ch</strong>ieben die Gesamtangebotskurve na<strong>ch</strong> re<strong>ch</strong>ts.<br />
Da die Angebotsökonomen von einer relativ steilen Gesamtangebotskurve ausgehen, führt die<br />
Vers<strong>ch</strong>iebung zu einer grossen Erhöhung der Produktion. Zudem führen Steuersenkungen<br />
au<strong>ch</strong> zu einer Re<strong>ch</strong>tsvers<strong>ch</strong>iebung der Gesamtna<strong>ch</strong>fragekurve. So führen Steuersenkungen<br />
zu einer Erhöhung des BIP (von M1 auf M2) und einem Anstieg der Bes<strong>ch</strong>äftigung.<br />
Angebotsorientierte Politik ist dann am effektivsten, wenn si<strong>ch</strong> die Wirts<strong>ch</strong>aft na<strong>ch</strong> dem<br />
klassis<strong>ch</strong>en Modell verhält: flexible Preise, Löhnen und Zinsen.<br />
EINWÄNDE GEGEN DIE ANGEBOTSORIENTIERTE KONZEPTION<br />
Au<strong>ch</strong> hier stellen si<strong>ch</strong> vers<strong>ch</strong>iedene Probleme bei der praktis<strong>ch</strong>en Umsetzung:<br />
• Bei der Dur<strong>ch</strong>setzung des Revitalisierungsprogramms in der S<strong>ch</strong>weiz zeigen si<strong>ch</strong> politis<strong>ch</strong>e<br />
S<strong>ch</strong>wierigkeiten: Ein Abbau von staatli<strong>ch</strong>en Regulierungen gefährdet immer au<strong>ch</strong> die<br />
Besitzstände von betroffenen Interessengruppen, die si<strong>ch</strong> entspre<strong>ch</strong>end zur Wehr setzen.<br />
• Es stellt si<strong>ch</strong> aber au<strong>ch</strong> die Frage, wie stark und wie s<strong>ch</strong>nell die vorges<strong>ch</strong>lagenen Politiken<br />
wirken, das heisst, ob sie das zukünftige Wa<strong>ch</strong>stum im erhofften Masse und in der erhofften<br />
Zeit fördern. Man wirft den Angebotsökonomen vor, dass sie die Selbstheilungskräfte der<br />
Wirts<strong>ch</strong>aft übers<strong>ch</strong>ätzen. Selbst wenn die Marktwirts<strong>ch</strong>aft grundsätzli<strong>ch</strong> stabil sei, dauere<br />
der Anpassungsprozess viel zu lange. Deshalb müsse die Wirts<strong>ch</strong>aftspolitik zügig auf<br />
Störungen reagieren.<br />
• Unter der Annahme, dass die angebotsorientierte Konzeption wirksam ist, stellt si<strong>ch</strong> zudem<br />
die Frage, wie weit man gehen kann, um Anreize für die Erhöhung des Wa<strong>ch</strong>stums zu<br />
s<strong>ch</strong>affen. Steuererlei<strong>ch</strong>terungen fordern Ausgabenkürzungen, es drohen deshalb massive<br />
Verteilungskonflikte. Die angebotsorientiert Konzeption verna<strong>ch</strong>lässigt soziopolitis<strong>ch</strong>e<br />
Zusammenhänge.<br />
• Von den Kritikern werden Widersprü<strong>ch</strong>e in der Finanzpolitik der Angebotsökonomen<br />
ausgema<strong>ch</strong>t. Glei<strong>ch</strong>zeitiger Steuerabbau und eine Verminderung der Staatss<strong>ch</strong>ulden lasse<br />
si<strong>ch</strong> nur in Ausnahmefällen errei<strong>ch</strong>en, weil eben der Verlauf der Laffer-Kurve ni<strong>ch</strong>t bekannt<br />
sei.<br />
Zusammenfassung VWL IUR I<br />
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ZUSAMMENFASSUNG – ANGEBOTSORIENTIERTE KONZEPTION<br />
62
Zusammenfassung VWL IUR I<br />
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Die Angebotskurve ist steil.<br />
Eine Erhöhung des Gesamtangebots hat eine grosse<br />
Wirkung auf das BIP.<br />
Eine alleinige Na<strong>ch</strong>frageerhöhung würde vor allem zu<br />
Preissteigerungen führen.<br />
Diagnose: 1. Kosteninflation, die zum Teil ni<strong>ch</strong>t auf die Preise überwälzt werden kann:<br />
Vers<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>terung der Ertragserwartungen; Kostenwa<strong>ch</strong>stum<br />
→Produktivitätswa<strong>ch</strong>stum wegen übersetzten Lohnforderungen, einem<br />
übersetzten Ausbau der Sozialleistungen und überproportional<br />
wa<strong>ch</strong>senden Steuern.<br />
2. Ungebührli<strong>ch</strong>e Eins<strong>ch</strong>ränkungen der freien Handlungsspielräume der<br />
Unternehmer (Erhöhung der Staatsquote, Reglementierung und<br />
Bürokratisierung des Wirts<strong>ch</strong>aftslebens).<br />
3. Zuviel Interventionismus des Staates (Unsi<strong>ch</strong>er Erwartungen<br />
Therapie: 1. Deregulierung, Abbau der Staatsquote, Reprivatisierung, Erweiterung der<br />
freien Handlungsspielräume der Unternehmer, Aktive Wettbewerbspolitik.<br />
2. Entlastung der Unternehmer vom Kostendruck dur<strong>ch</strong> Steuersenkungen,<br />
eine marktorientierte Lohnbildung und die Bea<strong>ch</strong>tung der Grenzen des<br />
Wohlfahrtsstaates.<br />
3. Verbesserung der übrigen Rahmenbedingungen der unternehmeris<strong>ch</strong>en<br />
Tätigkeit.<br />
4. Verstetigende Geld- und Finanzpolitik.<br />
WER HAT RECHT?<br />
63
LANGFRISTIG ODER KURZFRISTIG?<br />
Ökonomen sind bezügli<strong>ch</strong> der ri<strong>ch</strong>tigen Konjunkturpolitik unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>er Meinung. Es gibt<br />
aber au<strong>ch</strong> Erkenntnisse, die von den meisten Ökonomen heute unters<strong>ch</strong>rieben würden:<br />
• Langfristig hängt das Wirts<strong>ch</strong>aftswa<strong>ch</strong>stum von der Qualität und Quantität der<br />
Produktionsfaktoren ab.<br />
Über einen längeren Zeitraum betra<strong>ch</strong>tet sind Löhne, Zinse und Preise flexibel. Die<br />
Gesamtangebotskurve verläuft senkre<strong>ch</strong>t. Änderungen in der Gesamtna<strong>ch</strong>frage<br />
beeinflussen nur das Preisniveau. Eine Veränderung des Preisniveaus hat langfristig<br />
keinen Einfluss auf die das Wa<strong>ch</strong>stum bestimmende Arbeit, Kapital, Wissen und die<br />
natürli<strong>ch</strong>en Ressourcen. Die wi<strong>ch</strong>tigste Erkenntnis daraus ist, dass langfristig die staatli<strong>ch</strong>e<br />
Wirts<strong>ch</strong>aftspolitik das BIP nur dur<strong>ch</strong> eine Verbesserung der Produktionskapazitäten – die<br />
Angebotsbedingungen – erhöhen kann. Veränderungen in der Geldmenge beeinflussen<br />
langfristig nur die Höhe der Inflationsrate.<br />
• Kurzfristig wird das BIP au<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> die Gesamtna<strong>ch</strong>frage beeinflusst.<br />
Kurzfristig sind die Preise und Löhne ni<strong>ch</strong>t völlig flexibel und können si<strong>ch</strong> deshalb ni<strong>ch</strong>t<br />
unverzügli<strong>ch</strong> an die veränderte Na<strong>ch</strong>frage anpassen. Die Gesamtangebotskurve verläuft<br />
ni<strong>ch</strong>t senkre<strong>ch</strong>t. Änderungen in der Gesamtna<strong>ch</strong>frage beeinflussen deshalb die<br />
Produktionshöhe. Alle Faktoren, wel<strong>ch</strong>e si<strong>ch</strong> auf die Gesamtna<strong>ch</strong>frage auswirken, haben<br />
Effekte auf die S<strong>ch</strong>wankungen des BIP. Geld- und finanzpolitis<strong>ch</strong>e Massnahmen haben<br />
deshalb Auswirkungen auf den Verlauf der Konjunktur.<br />
Au<strong>ch</strong> wenn viele Unters<strong>ch</strong>iede dur<strong>ch</strong> die Unters<strong>ch</strong>iede im Zeitraum bereinigt werden, bleiben<br />
Meinungsvers<strong>ch</strong>iedenheiten bestehen.<br />
Die wi<strong>ch</strong>tigste offene Frage bleibt deshalb:<br />
SOLL DIE WIRTSCHAFTSPOLITIK VERSUCHEN, KONJUNKTURSCHWANKUNGEN ZU<br />
STABILISIEREN?<br />
Dem Erfolg einer aktiven Wirts<strong>ch</strong>aftspolitik stehen vers<strong>ch</strong>iedene Hindernisse im Wege:<br />
Die zeitli<strong>ch</strong>en Verzögerungen, der s<strong>ch</strong>wierigen Rückweg, rationale Erwartungen,<br />
Unsi<strong>ch</strong>erheiten über die zukünftige Erwartungen, Unsi<strong>ch</strong>erheiten über die zukünftige<br />
Entwicklung usw. Aufgrund dieser Einwände fordern gewisse Ökonomen denn au<strong>ch</strong> eine<br />
passive Wirts<strong>ch</strong>aftspolitik, die si<strong>ch</strong> an festen Regeln orientiert (konstantes<br />
Geldmengenwa<strong>ch</strong>stum, ausgegli<strong>ch</strong>enes Budget).<br />
Au<strong>ch</strong> wenn si<strong>ch</strong> die Ökonomen darüber streiten, ob und inwieweit antizyklis<strong>ch</strong>e Finanz- und<br />
Geldpolitik wirken können, darf ni<strong>ch</strong>t übersehen werden, dass es keinen seriösen Ökonomen<br />
gibt, der eine prozyklis<strong>ch</strong>e Wirts<strong>ch</strong>aftspolitik befürwortet. Einig sind si<strong>ch</strong> die meisten<br />
Ökonomen au<strong>ch</strong> darin, dass die staatli<strong>ch</strong>e Finanzpolitik, wenn au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t antizyklis<strong>ch</strong>, so do<strong>ch</strong><br />
zu verstetigen ist. Das gilt insbesondere für die staatli<strong>ch</strong>en Investitionsausgaben.<br />
Die in diesem Kapitel dargestellten Lehrmeinungen zur Konjunkturpolitik in ihrer<br />
„ursprüngli<strong>ch</strong>en“ Form werden heute von kaum jemandem mehr vertreten. Aber sie haben den<br />
Gange der Wissens<strong>ch</strong>aft und der wirts<strong>ch</strong>aftspolitis<strong>ch</strong>en Praxis ents<strong>ch</strong>eidend geprägt und<br />
feiern immer wieder Auferstehung, so z.B. im „Neuen Keynesianismus“ oder in der „Neuen<br />
Klassis<strong>ch</strong>en Makroökonomie“, die ohne die Tradition ihrer Vorgänger in ihrer heutigen Form<br />
ni<strong>ch</strong>t denkbar wären.<br />
Im Laufe der Entwicklung wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>er Lehrmeinungen ergaben si<strong>ch</strong> gewisse<br />
Konvergenzen. So übernahm der „moderne“ Keynesianismus die monetäre Erklärung des<br />
Inflationsprozesses und akzeptierte die Theorie der rationalen Erwartungen. Umgekehrt haben<br />
Monetaristen von einer allzu strikten Regelbindung der Geldpolitik Abstand genommen. Die<br />
praktis<strong>ch</strong>e Geldpolitik der Zentralbanken nimmt heute vermehrt Rücksi<strong>ch</strong>t auf die<br />
Konjunkturlage und die Situation am Arbeitsmarkt.<br />
Zusammenfassung VWL IUR I<br />
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64
Zusammenfassung VWL IUR I<br />
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KAPITEL 7 – WACHSTUM:<br />
LANGFRISTIGE BETRACHTUNG DER WIRTSCHAFTLICHEN ENTWICKLUNG<br />
ERSCHEINUNGSBILD UND BEGRÜNDUNG DES WIRTSCHATLICHEN WACHSTUMS<br />
Die Wa<strong>ch</strong>stumstheorie und Wa<strong>ch</strong>stumspolitik bes<strong>ch</strong>äftigt si<strong>ch</strong> mit der langfristigen<br />
Entwicklung der Wirts<strong>ch</strong>aft, unabhängig von kurz- oder mittelfristigen Störungen oder<br />
wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Aktivitäten.<br />
Ein Blick auf das Wa<strong>ch</strong>stum der s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en Volkswirts<strong>ch</strong>aft seit 1950 zeigt, dass dabei<br />
drei Phasen unters<strong>ch</strong>ieden werden können. Na<strong>ch</strong> Ende des zweiten Weltkrieges erlebte die<br />
S<strong>ch</strong>weiz während 25 Jahren einen Trend mit hohen und zuglei<strong>ch</strong> konstanten Wa<strong>ch</strong>stumsraten<br />
von 4,6% pro Jahr. In den 1970er-Jahren folgte ein kurzer Einbru<strong>ch</strong> des BIP (Ursa<strong>ch</strong>en:<br />
Erdölkrise: Verzehnfa<strong>ch</strong>ung des Erdölpreises zwis<strong>ch</strong>en 73 und 79, Zusammenbru<strong>ch</strong> des<br />
Systems der fixen We<strong>ch</strong>selkurse, wa<strong>ch</strong>sende Staatsvers<strong>ch</strong>uldung, Ost-West-Spannungen,<br />
Nord-Süd-Konflikt, usw.). Von 1970 bis 1990 bewegten wir uns auf einem relativ<br />
bes<strong>ch</strong>eidenen Wa<strong>ch</strong>stumspfad mit dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nittli<strong>ch</strong>en jährli<strong>ch</strong>en Wa<strong>ch</strong>stumsraten von 1,7%.<br />
Von 1990 bis 2000 stagnierte das wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Wa<strong>ch</strong>stum beinahe.<br />
Warum werden tiefe Wa<strong>ch</strong>stumsraten als unerwüns<strong>ch</strong>t klassifiziert?<br />
• Ein starkes Wa<strong>ch</strong>stum wird begrüsst, weil dur<strong>ch</strong> die Produktion von mehr Gütern und DL<br />
die Mens<strong>ch</strong>en ihre Bedürfnisse besser befriedigen können. (Besonders in Ländern, in<br />
wel<strong>ch</strong>en es um die Deckung elementarer Bedürfnisse geht)<br />
• Eine wa<strong>ch</strong>sende Wirts<strong>ch</strong>aft erhöht die Na<strong>ch</strong>frage na<strong>ch</strong> Arbeitskräften und senkt die<br />
Arbeitslosigkeit. Da Wa<strong>ch</strong>stum in der Regel mit einer Zunahme der Arbeitsproduktivität<br />
verbunden ist, muss die Wa<strong>ch</strong>stumsrate des BIP allerdings diejenige der<br />
Arbeitsproduktivität übersteigen, damit es zu neuen Arbeitsplätzen kommt.<br />
• Eine Erhöhung der Freizeit ohne Einbusse beim Einkommen ist nur in einer wa<strong>ch</strong>senden<br />
Wirts<strong>ch</strong>aft, das heisst bei wa<strong>ch</strong>sender Arbeitsproduktivität, mögli<strong>ch</strong>.<br />
• Wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>es Wa<strong>ch</strong>stum erlei<strong>ch</strong>tert die Lösung sozialpolitis<strong>ch</strong>er Probleme. Was einer<br />
Gruppe zusätzli<strong>ch</strong> gegeben werden soll, muss ni<strong>ch</strong>t einer anderen weggenommen werden.<br />
Hohe Wa<strong>ch</strong>stumsraten erlauben dem Staat die Erfüllung seiner Aufgaben, ohne dass er die<br />
Steuersätze erhöhen muss. Sie tragen deshalb zu einer Konfliktmilderung zwis<strong>ch</strong>en Staat<br />
und Privaten als au<strong>ch</strong> innerhalb des privaten Sektors bei.<br />
DIE BESTIMMUNGSFAKTOREN DES WIRTSCHAFTLICHEN WACHSTUMS<br />
Die Kenntnis der Bestimmungsfaktoren ist no<strong>ch</strong> keineswegs vollständig. Unbestritten ist, dass<br />
die Produktionsmögli<strong>ch</strong>keiten einer VW von der Menge und der Produktivität der<br />
Produktionsfaktoren abhängen. Wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>es Wa<strong>ch</strong>stum kann also sowohl dur<strong>ch</strong> eine<br />
mengenmässige Vermehrung der Produktionsfaktoren als au<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> eine qualitative<br />
Verbesserung und damit einen erhöhten Produktivität errei<strong>ch</strong>t werden.<br />
♦ Natürli<strong>ch</strong>e Ressourcen: Quelle des Wa<strong>ch</strong>stums einzelner Länder<br />
Natürli<strong>ch</strong>e Ressourcen wie Erdöl sind verantwortli<strong>ch</strong> für den Rei<strong>ch</strong>tum einzelner Länder<br />
(Kuwait, Saudi Arabien). Aber sie sind keine Bedingung für ein hohes BIP (Bsp. S<strong>ch</strong>weiz).<br />
Die Entdeckung neuer Ressourcenvorkommen kann ebenso wie eine Erhöhung der<br />
Ressourcenproduktivität (sinkender Einsatz von Ressourcen pro produzierte Einheit) zu<br />
einer Bes<strong>ch</strong>leunigung des Wa<strong>ch</strong>stums führen.<br />
♦ Arbeit: Ein wa<strong>ch</strong>stumslimitierender Faktor?<br />
Offensi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> bestimmt das Bevölkerungswa<strong>ch</strong>stum den Lebensstandard eines Landes mit.<br />
Mit steigender Zahl von Erwerbstätigen lässt si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> ein höheres BIP erarbeiten.<br />
Allerdings sind für den Wohlstand die pro Kopf verfügbaren Waren und DL – also das BIP<br />
65
pro Kopf – ents<strong>ch</strong>eidend. Ein starker Anstieg der Bevölkerung kann aber das BIP pro Kopf<br />
s<strong>ch</strong>mälern, weil die übrigen Produktionsfaktoren auf eine grössere Anzahl Arbeitskräfte<br />
verteilt werden muss. Eine starke Bevölkerungszunahme limitiert oft die<br />
Wa<strong>ch</strong>stums<strong>ch</strong>ancen und verkleinert das BIP pro Kopf.<br />
Andererseits kann das wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Wa<strong>ch</strong>stum au<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> einen Mangel an Arbeitskräften<br />
– insbesondere von gut qualifizierten – begrenzt werden. Der Mangel an<br />
Arbeitskräften ist übli<strong>ch</strong>erweise kein Wa<strong>ch</strong>stumsproblem, weil dieser Mangel nur bei Ho<strong>ch</strong>konjunktur<br />
auftritt und si<strong>ch</strong> bei einer Konjunkturabkühlung von selbst auflöst. Zum<br />
Wa<strong>ch</strong>stumsengpass kann es dann kommen, wenn der Mangel an Arbeitskräften auf das<br />
Bevölkerungswa<strong>ch</strong>stum und ni<strong>ch</strong>t auf die Konjunktur zurückzuführen ist.<br />
In der CH ist ab 2010 mit einer Abnahme der Erwerbsbevölkerung zu re<strong>ch</strong>nen. Diese Enge<br />
am Arbeitsmarkt kann si<strong>ch</strong> negativ auf die internationale Wettebewerbsfähigkeit auswirken<br />
und die Attraktivität des Standortes S<strong>ch</strong>weiz leidet. Zudem ers<strong>ch</strong>wert das dadur<strong>ch</strong> limitierte<br />
Wa<strong>ch</strong>stum die Finanzierung der Sozialversi<strong>ch</strong>erungen. So kann es also dur<strong>ch</strong>aus ein, dass<br />
die Wa<strong>ch</strong>stums<strong>ch</strong>ancen einer ho<strong>ch</strong> entwickelten VW dur<strong>ch</strong> einen Mangel an Arbeitskräften<br />
einges<strong>ch</strong>ränkt wird.<br />
♦ Realkapital: Ohne Investitionen kein Wa<strong>ch</strong>stum<br />
Der Produktionsfaktor Realkapital umfasst eine Vielzahl von materiellen Gütern, die si<strong>ch</strong> für<br />
die Produktion weiterer Güter einsetzen lassen. Mit mehr Realkapital kann ein höheres BIP<br />
erzeugt werden, die Produktion und die Einkommen pro Kopf steigen. Der<br />
Produktionsfaktor Kapital lässt si<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> Investitionen vergrössern, allerdings tragen nur<br />
die Nettoinvestitionen (=Bruttoinvestitionen - Abs<strong>ch</strong>reibungen) zur Erhöhung des<br />
Kapitalstocks bei. Für die Finanzierung von Investitionen ist Sparen (=Konsumverzi<strong>ch</strong>t)<br />
notwendig. Dass die Investitionsquote (Investitionen in % des BIP) und damit au<strong>ch</strong> die<br />
Sparquote für die Entwicklung des wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Wa<strong>ch</strong>stums von zentraler Bedeutung ist,<br />
bestätigen au<strong>ch</strong> empiris<strong>ch</strong>e Analysen.<br />
♦ Wissen: Der Erfolgsfaktor des 21. Jahrhunderts<br />
Ni<strong>ch</strong>t nur die Investitionsquote, sondern au<strong>ch</strong> die Effizienz der Investitionen ist für das Mass<br />
des wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Wa<strong>ch</strong>stums mitents<strong>ch</strong>eidend. Der Produktionsfaktor Wissen umfasst<br />
im wesentli<strong>ch</strong>en den Ausbildungs- und Qualifikationsgrad (das Humankapital) und den<br />
te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>en Forts<strong>ch</strong>ritt; er bestimmt weitgehend die Produktivität der Investitionen.<br />
Der Produktionsfaktor Wissen ist hauptverantwortli<strong>ch</strong> dafür, dass ein stetiger Strom von<br />
Erfindungen zu einer ungeheuren Ausweitung der Produktionsmögli<strong>ch</strong>keiten geführt hat.<br />
Die Erstellung neuer Güter (Produktinnovationen) tragen wesentli<strong>ch</strong> zur Hebung des<br />
Wohlstandes bei. Die Anwendung neuer Produktionsverfahren (Prozessinnovationen)<br />
steigert die Kapital- und Arbeitsproduktivität. Es besteht eine enge Beziehung zwis<strong>ch</strong>en der<br />
BIP-Entwicklung und der Arbeitsproduktivität.<br />
Die neue Wa<strong>ch</strong>stumstheorie stellt das Wissen ins Zentrum ihrer Untersu<strong>ch</strong>ungen. Neueste<br />
Studien ermitteln eine enge Korrelation zwis<strong>ch</strong>en der Ausbildung (als Mass für das<br />
Humankapital) und dem Einkommenswa<strong>ch</strong>stum. Die Vertreter der neuen<br />
Wa<strong>ch</strong>stumstheorie betonen die Wi<strong>ch</strong>tigkeit von Investitionen in die Förderung des<br />
Humankapitals und in die Fors<strong>ch</strong>ung und Entwicklung. Denn Bildung lohnt si<strong>ch</strong> für die<br />
gesamte VW. Die Akkumulation von Humankapital dur<strong>ch</strong> einzelne Personen erzeugt<br />
nämli<strong>ch</strong> positive externe Effekte, von denen die ganze VW profitiert.<br />
Drei wissensbezogene Indikatoren korrelieren in erhebli<strong>ch</strong>em Masse mit den<br />
Wa<strong>ch</strong>stumsraten: Bildung, offene Handelspolitik und die Verfügbarkeit einer<br />
Kommunikationsinfrastruktur (Fernspre<strong>ch</strong>di<strong>ch</strong>te). Weniger Handelsbes<strong>ch</strong>ränkungen<br />
ermögli<strong>ch</strong>en es, im Ausland vorhandenes Wissen zu ers<strong>ch</strong>liessen, der Bildungsstand steht<br />
für die Fähigkeit, Wissen zu nutzen, und die Fernspre<strong>ch</strong>dienste für die Fähigkeit, auf<br />
nützli<strong>ch</strong>e Informationen zuzugreifen.<br />
♦ Weitere Bestimmungsfaktoren des Wa<strong>ch</strong>stums<br />
Auf der Su<strong>ch</strong>e na<strong>ch</strong> den Quellen des wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Wa<strong>ch</strong>stums belegen neue Ansätze,<br />
dass länderspezifis<strong>ch</strong>e Charakteristika als dominierende Determinanten zu betra<strong>ch</strong>ten sind.<br />
Zusammenfassung VWL IUR I<br />
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66
Diese Einsi<strong>ch</strong>t hat zu einer Reihe von Arbeiten geführt, in denen die Rahmenbedingungen<br />
mittels vers<strong>ch</strong>iedener Variablen hinsi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> ihrer Bedeutung für das Wa<strong>ch</strong>stum untersu<strong>ch</strong>t<br />
werden.<br />
Empiris<strong>ch</strong>e Fors<strong>ch</strong>ungen haben zudem ergeben, dass die Geographie und die Politik das<br />
Wa<strong>ch</strong>stum am besten erklären können. Je weiter ein Land vom Äquator entfernt, desto<br />
besser sind seine Wa<strong>ch</strong>stums<strong>ch</strong>ancen; tropis<strong>ch</strong>e Hitze und wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>er Erfolg s<strong>ch</strong>einen<br />
si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t zu vertragen. Zudem bewirkt die Demokratie ein günstiges Wa<strong>ch</strong>stumsklima.<br />
Wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>es Wa<strong>ch</strong>stum kann dur<strong>ch</strong> eine quantitative Steigerung oder eine qualitative<br />
Verbesserung der Produktionsfaktoren Arbeit, natürli<strong>ch</strong>e Ressourcen, Realkapital oder<br />
Wissen errei<strong>ch</strong>t werden. Dabei kommt dem Produktionsfaktor Wissen eine wa<strong>ch</strong>sende<br />
Bedeutung zu.<br />
EXKURS: KANADA – MAGNET FÜR DIE BESTQUALIFIZIERTEN DIESER WELT<br />
Kanada gilt als Modell dafür, wie man dur<strong>ch</strong> eine „offene“ Einwanderungspolitik ho<strong>ch</strong><br />
qualifizierte Arbeitskräfte ins Land holt. Kanada setzt dabei auf Arbeitskräfte mit einer hohen<br />
Grundqualifikation, wel<strong>ch</strong>e flexible und transferierbare Fähigkeiten und Kenntnisse mitbringen.<br />
Damit die potenziellen Zuwanderer mögli<strong>ch</strong>st s<strong>ch</strong>nell auf ihrem Berufsgebiet tätig werden<br />
können, anerkennt Kanada die im Herkunftsland erworbenen Grade, Diplome,<br />
Berufsabs<strong>ch</strong>lüsse und andere Zeugnisse bes<strong>ch</strong>leunigt.<br />
Bran<strong>ch</strong>en, denen qualifizierte Arbeitskräfte fehlen, können von der Regierung eine „kollektive“<br />
Anzahl von Arbeitsbewilligungen erhalten. Temporäre Arbeitskräfte könne innerhalb weniger<br />
Monate aus Ländern wie Indien oder Pakistan na<strong>ch</strong> Kanada geholt werden.<br />
Kanada fördert zudem die Integration, denn Integration fördert die Produktivität.<br />
Dur<strong>ch</strong> diese Strategie will Kanada zum Magneten für die Bestqualifizierten der Welt werden.<br />
ANSATZPUNKTE FÜR DIE WIRTSCHAFTSPOLITIK<br />
Der Wohlstand einer VW hängt also von den Produktionsfaktoren bzw. davon ab, wie viel<br />
Güter und DL produziert werden können. Grundsätzli<strong>ch</strong> kann eine VW auf zwei Arten<br />
wa<strong>ch</strong>sen:<br />
Entweder es werden mehr Arbeitsstunden geleistet oder die Produktion pro Arbeitsstunde –<br />
die Produktivität – wird erhöht.<br />
• Erhöhung der Anzahl Arbeitsstunden:<br />
Die Anzahl Arbeitsstunden kann gesteigert werden, indem jede Person länger arbeitet oder<br />
wenn die Anzahl der Erwerbstätigen erhöht werden kann.<br />
Die Anzahl der Erwerbstätigen wiederum wird dur<strong>ch</strong> folgende Faktoren bestimmt:<br />
♦ Zuwanderung: Die Zuwanderung von Arbeitskräften aus dem Ausland beeinflusst die<br />
Höhe des Wa<strong>ch</strong>stumspotentials. Die Ausgestaltung der Ausländerpolitik ist ents<strong>ch</strong>eidend<br />
für die Höhe der Zuwanderung. Weltweit hat ein „Wettkampf um Talente“ eingesetzt.<br />
♦ Geburtenübers<strong>ch</strong>uss: Dur<strong>ch</strong> eine Erhöhung der Fertilitätsrate kann das Potential von<br />
Zusammenfassung VWL IUR I<br />
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Erwerbstätigen gesteigert werden. Man muss deshalb versu<strong>ch</strong>en, die Opportunitätskosten<br />
des Kinderkriegens gering zu halten, Familien steuerli<strong>ch</strong> zu begünstigen, usw.<br />
♦ Erwerbsquote: Die Anzahl der Arbeitsstunden kann au<strong>ch</strong> erhöht werden, wenn es<br />
gelingt, mehr Personen in den Arbeitsprozess zu integrieren. Eine Erhöhung des<br />
Pensionierungsalters oder vermehrte steuerli<strong>ch</strong>e Anreize für Altersarbeit können<br />
beispielsweise zu einer Steigerung der Erwerbsquote beitragen.<br />
• Erhöhung der Arbeitsproduktivität:<br />
Die Arbeitsproduktivität (die Menge von Waren und DL, die eine Person in einer<br />
bestimmten Zeit herstelle kann) nimmt bei Bestimmung des Wa<strong>ch</strong>stums eine S<strong>ch</strong>lüsselrolle<br />
ein. Eine steigende Produktivität ermögli<strong>ch</strong>t mehr Konsum, höhere Einkommen oder mehr<br />
Freizeit. Die Arbeitsproduktivität hat im Wesentli<strong>ch</strong>en drei Bestimmungsfaktoren, nämli<strong>ch</strong><br />
die Ausstattung mit Sa<strong>ch</strong>kapital, mit Humankapital und die verwendete Te<strong>ch</strong>nologie.<br />
♦ Sa<strong>ch</strong>kapital: Die Produktion pro Stunde steigt, wenn ein Arbeiter mehr Kapitalgüter zur<br />
Verfügung hat, denn die Ausrüstung der Arbeitskräfte mit Sa<strong>ch</strong>kapital ist<br />
mitents<strong>ch</strong>eidend für die Leistung pro Arbeitsstunde. Eine Erhöhung der Investitionsquote<br />
kann einer VW zu höherer Arbeitsproduktivität verhelfen.<br />
♦ Humankapital: Die Produktivität hängt zweitens von den Fähigkeiten der Arbeitskräfte<br />
ab. Je besser die Ausbildung, desto höher ist die Produktivität. Deshalb steigen dank<br />
höherer Produktivität in gut funktionierenden Arbeitsmärkten au<strong>ch</strong> die Löhne. Zur<br />
Steigerung des Humankapitals sind Investitionen in die Aus- und Weiterbildung<br />
notwendig.<br />
♦ Te<strong>ch</strong>nik: Drittens führt der Einsatz von fortges<strong>ch</strong>rittenen Te<strong>ch</strong>nologien zu höherer<br />
Produktivität. Te<strong>ch</strong>nologie ist das Wissen, auf wel<strong>ch</strong>e Art Arbeit und Kapital kombiniert<br />
werden können, um Güter und DL zu produzieren. Te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>er Forts<strong>ch</strong>ritt, das heisst die<br />
Entwicklung neuer Te<strong>ch</strong>nologien steigert das Wa<strong>ch</strong>stum ebenfalls.<br />
FÜNF WIRTSCHAFTSPOLITISCHE BEREICHE<br />
Aus diesen Bestimmungsfaktore für das Wa<strong>ch</strong>stum lassen si<strong>ch</strong> fünf Wirts<strong>ch</strong>aftspolitis<strong>ch</strong>e<br />
Berei<strong>ch</strong>e unters<strong>ch</strong>eiden, von denen ein wesentli<strong>ch</strong>er Einfluss auf das Wa<strong>ch</strong>stumspotential<br />
ausgeht:<br />
1. Die Wettbewerbspolitik: Intensiver Wettbewerb im Inland erhöht die Effizienz und s<strong>ch</strong>afft<br />
Anreize für Innovationen.<br />
2. Die Aussenwirts<strong>ch</strong>aftspolitik: Wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong> offene Länder wa<strong>ch</strong>sen na<strong>ch</strong>weisbar stärker<br />
als Länder, wel<strong>ch</strong>e si<strong>ch</strong> von den Auslandmärkten abs<strong>ch</strong>otten. Die wi<strong>ch</strong>tigsten Elemente in<br />
der s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en Aussenwirts<strong>ch</strong>aftspolitik sind Abkommen im Rahmen der WTO sowie<br />
die bilateralen Abkommen mit der EU.<br />
3. Die Bildungspolitik: Die Produktivität und die Innovationsfähigkeit hängen sehr eng mit<br />
dem Ausbildungsstand der Bes<strong>ch</strong>äftigten zusammen. Handlungsbedarf in der<br />
Bildungspolitik ist angezeigt, denn bei vielen Bildungsindikatoren liegt die S<strong>ch</strong>weiz lei<strong>ch</strong>t<br />
unter dem internationalen Dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nitt.<br />
4. Die Innovationspolitik: Die S<strong>ch</strong>affung und Verbreitung von Te<strong>ch</strong>nologien gehört zu den<br />
Kernpunkten jeder Diskussion über das Wa<strong>ch</strong>stum. Deshalb muss eine hohe Qualität der<br />
Fors<strong>ch</strong>ung erhalten, bzw. gefördert werden. Zudem ist der Transfer der Te<strong>ch</strong>nologien und<br />
des Wissens von den Bildungsinstitutionen zu den Unternehmen zu erlei<strong>ch</strong>tern.<br />
5. Die Finanzpolitik: Die Lage der Staatsfinanzen aber au<strong>ch</strong> die Art der Verwendung sowie<br />
die Finanzierung der staatli<strong>ch</strong>en Ausgaben haben eine wesentli<strong>ch</strong>en Einfluss auf as<br />
wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Wa<strong>ch</strong>stum.<br />
Grundsätzli<strong>ch</strong> kann eine VW auf zwei Arten wa<strong>ch</strong>sen: Entweder dur<strong>ch</strong> eine Erhöhung der<br />
Arbeitsstunden oder dur<strong>ch</strong> eine Erhöhung der Produktivität (Produktion pro Arbeitsstunde).<br />
Die Wettbewerbs-, die Aussenwirts<strong>ch</strong>afts-, die Bildungs-, die Innovations- und die<br />
Finanzpolitik lösen wesentli<strong>ch</strong>e Impulse auf das Wa<strong>ch</strong>stum aus.<br />
Zusammenfassung VWL IUR I<br />
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QUALITATIVES WACHSTUM UND NACHHALTIGE ENTWICKLUNG<br />
GRENZEN DES WACHSTUMS<br />
In den letzten 40 Jahren hat si<strong>ch</strong> die Weltbevölkerung mehr als verdoppelt, gemäss UNO-<br />
S<strong>ch</strong>ätzungen wird sie bis 2050 auf rund 9 Mrd. steigen. Wie ist das mit dem Fakt vereinbar,<br />
dass s<strong>ch</strong>lussendli<strong>ch</strong> nur ein begrenzter Vorrat von natürli<strong>ch</strong>en Ressourcen vorhanden ist?<br />
In einer Marktwirts<strong>ch</strong>aft spiegelt si<strong>ch</strong> die Knappheit bekanntli<strong>ch</strong> in den Preisen. Je knapper die<br />
Vorräte bestimmter natürli<strong>ch</strong>er Ressourcen in der Welt werden, desto stärker werden die<br />
Preise dieser Ressourcen steigen und Anreize zur Substitution, zu sparsamerem Gebrau<strong>ch</strong><br />
und zum Recycling aussenden. Gegenwärtig weist die Preisentwicklung der natürli<strong>ch</strong>en<br />
Ressourcen ni<strong>ch</strong>t auf zunehmende Knappheit hin, sind die realen Preise do<strong>ch</strong> stabil oder<br />
sinken gar. Wie stark die Preise in Zukunft steigen werden, ist insbesondere vom te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>en<br />
Forts<strong>ch</strong>ritt abhängig, dur<strong>ch</strong> den es ermögli<strong>ch</strong>t werden kann, ni<strong>ch</strong>t regenerierbare dur<strong>ch</strong><br />
regenerierbare Ressourcen zu ersetzen.<br />
Die wa<strong>ch</strong>sende Bevölkerung und die zunehmende Produktionstätigkeit setzen immer mehr<br />
Kohlendioxyd und andere Treibhausgase in die Atmosphäre. Zudem betreiben wir Raubbau<br />
an den Wäldern, speziell den Regenwäldern. Wie lange können wir so weiterma<strong>ch</strong>en bis es<br />
zum ökologis<strong>ch</strong>en Kollaps kommt?<br />
Freie Märkte s<strong>ch</strong>ützen die Umwelt nur unzurei<strong>ch</strong>end, weil externe Effekte ein Markversagen<br />
bewirken!<br />
NULL-WACHSTUM<br />
Würde es nützen, wenn wir gänzli<strong>ch</strong> auf wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>es Wa<strong>ch</strong>stum verzi<strong>ch</strong>ten würden?<br />
Die Ökonomen lehnen ein Null-Wa<strong>ch</strong>stum aus vers<strong>ch</strong>iedenen Gründen ab. Denn der<br />
Grundbedarf für die zunehmende Bevölkerung kann nur dur<strong>ch</strong> Wa<strong>ch</strong>stum gedeckt werden.<br />
No<strong>ch</strong> heute können breite S<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten der Bevölkerung ihre Grundbedürfnisse ni<strong>ch</strong>t befriedigen.<br />
Zudem würden au<strong>ch</strong> bei einem Null-Wa<strong>ch</strong>stum zu viele natürli<strong>ch</strong>e Ressourcen verbrau<strong>ch</strong>t und<br />
zu viele Abfälle an die Umwelt abgegeben; nur anhaltendes Wirts<strong>ch</strong>aftswa<strong>ch</strong>stum setze die<br />
erforderli<strong>ch</strong>en finanziellen Mittel frei, um erfolgrei<strong>ch</strong> die Umwelt s<strong>ch</strong>ützen zu können.<br />
Aber das quantitative Wirts<strong>ch</strong>aftswa<strong>ch</strong>stum mit seiner zentralen Zielsetzung der Steigerung<br />
der Pro-Kopf-Versorgung mit materiellen Gütern und DL – unter Ausblendung der Natur – hat<br />
ausgedient. Wirts<strong>ch</strong>aftswa<strong>ch</strong>stum und Umweltverbrau<strong>ch</strong> müssen entkoppelt werden.<br />
QUALITATIVES WACHSTUM<br />
Wenn trotz positivem Wirts<strong>ch</strong>aftswa<strong>ch</strong>stum der Umweltverbrau<strong>ch</strong> auf einem bestimmten<br />
Niveau stabilisiert wird, spri<strong>ch</strong>t man übli<strong>ch</strong>erweise von qualitativem Wa<strong>ch</strong>stum. Angestrebt<br />
wird eine Stabilisierung der Umweltbelastung bzw. des Umweltverbrau<strong>ch</strong>s und ni<strong>ch</strong>t etwa eine<br />
Stabilisierung der Umweltqualität. Diese wird trotzt stabilisierter Belastung in aller Regel<br />
weiterhin vers<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>tert.<br />
NACHHALTIGE ENTWICKLUNG<br />
1987: Weltkommission für Umwelt und Entwicklung der UNO erstellte Beri<strong>ch</strong>t<br />
Das Hauptthema dieses Beri<strong>ch</strong>ts ist die Na<strong>ch</strong>haltige Entwicklung (sustainable development),<br />
das folgendermassen definiert wird:<br />
„Na<strong>ch</strong>haltige Entwicklung ist die Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt,<br />
ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse ni<strong>ch</strong>t befriedigen<br />
können.“<br />
Das Hauptziel Na<strong>ch</strong>haltiger Entwicklung ist die Befriedigung mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>er Bedürfnisse, eine<br />
zentrale Leitlinie ist Wohlstand für alle. Betont wird, dass das BIP ni<strong>ch</strong>t die alleinige Zielgrösse<br />
Zusammenfassung VWL IUR I<br />
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sein kann, weil es ausserökonomis<strong>ch</strong>e Bedürfnisse ausblendet. Der Beri<strong>ch</strong>t sieht aber<br />
trotzdem in einer umfassenden Wa<strong>ch</strong>stumsstrategie den Dur<strong>ch</strong>bru<strong>ch</strong> zur Na<strong>ch</strong>haltigen<br />
Entwicklung.<br />
Zu Beginn des 21. Jhrd. erfüllen wir ni<strong>ch</strong>t einmal die erste Bedingung dieser Definition.<br />
LEBEN AUF ZU GROSSEM FUSS<br />
Bei einer Studie darüber, wie eine den Grundsätzen der Na<strong>ch</strong>haltigkeit verpfli<strong>ch</strong>tete S<strong>ch</strong>weiz<br />
aussehen müsste. Es zeigt si<strong>ch</strong>, dass wir auf 5,6 mal zu grossem fuss leben. Damit wir die<br />
Ziele der Na<strong>ch</strong>haltigkeit im Jahre 2050 erfüllen würden, müssten wir zum Beispiel die CO 2 -<br />
Emissionen um 74%, den Verbrau<strong>ch</strong> von Primärenergie um 50% und den Wasserverbrau<strong>ch</strong><br />
um 30% reduzieren.<br />
Vers<strong>ch</strong>ieden Bundesämter überwa<strong>ch</strong>en den Weg der S<strong>ch</strong>weiz zur Na<strong>ch</strong>haltigen Entwicklung<br />
mittels eines Indikatorensystems. Die Indikatore zeigen, dass die S<strong>ch</strong>weiz ni<strong>ch</strong>t in Ri<strong>ch</strong>tung<br />
Na<strong>ch</strong>haltige Entwicklung steuert.<br />
INSTRUMENTE ZUR FÖRDERUNG DER NACHHALTIGEN ENTWICKLUNG<br />
Ausgangspunkt ist die Analyse des Umweltproblems.<br />
Zusammenfassung VWL IUR I<br />
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Demzufolge Hauptgrund liegt darin, dass bei der Produktion und im Konsum Kosten anfallen,<br />
die ni<strong>ch</strong>t vom Verursa<strong>ch</strong>er getragen werden müssen. Umwelts<strong>ch</strong>äden werden eben – in vielen<br />
Fällen – ni<strong>ch</strong>t dem Verursa<strong>ch</strong>er belastet, sondern die Gesells<strong>ch</strong>aft muss dafür aufkommen.<br />
Weil diese Kosten auf Aussenstehende überwälzt werden, spri<strong>ch</strong>t man dabei von externen<br />
Kosten. Wenn externe Kosten auftreten, versagt der Marktme<strong>ch</strong>anismus; von diesen Gütern<br />
wird „zuviel“ produziert und konsumiert, weil sie gemessen an den gesamten Kosten<br />
(betriebswirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e und externe Kosten) zu „billig“ produziert und verkauft werden.<br />
Weil die Umwelt über weite Berei<strong>ch</strong>e ein öffentli<strong>ch</strong>es Gut ist, das von jedermann gratis<br />
beanspru<strong>ch</strong>t werden kann, wird es von allen genutzt und übernutzt.<br />
WIE KANN EINE NACHHALTIGE ENTWICKLUNG GEFÖRDERT WERDEN?<br />
1. Gebote und Verbote<br />
Gebote und Verbote sind der populärste Weg, externe Kosten zu verhindern. Der Staat kann<br />
Auflagen ma<strong>ch</strong>en, Grenzwerte festsetzen, Bewilligungspfli<strong>ch</strong>t einführen und mit Umweltverträgli<strong>ch</strong>keitsprüfungen<br />
bedingen oder gewisse Dinge gänzli<strong>ch</strong> verbieten.<br />
Sol<strong>ch</strong>e polizeili<strong>ch</strong>e Massnahmen sind wirksam und insofern gere<strong>ch</strong>t, als die Gebote und<br />
Verbote von allen eingehalten werden müssen. Sie haben aber au<strong>ch</strong> Na<strong>ch</strong>teile: Das Einhalten<br />
von Verboten und Geboten muss mit einem beträ<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>en Aufwand überwa<strong>ch</strong>t werden. Sie<br />
bieten keinen Anreiz, si<strong>ch</strong> ökologiegere<strong>ch</strong>t zu verhalten.<br />
2. Selbstregulierungen<br />
Unternehmungen und Bran<strong>ch</strong>enverbände auferlegen si<strong>ch</strong> selbst Standards, Kontrollen und<br />
Zielvorgaben für die Verringerung der Umweltvers<strong>ch</strong>mutzung und s<strong>ch</strong>liessen mit den<br />
Behörden entspre<strong>ch</strong>ende Verträge ab. Der Vorteil dieser Selbstregulierungen liegt darin, dass<br />
die Unternehmungen diejenigen Informationen über Te<strong>ch</strong>nologien und Emissionen besitzen,<br />
wel<strong>ch</strong>e die Regierung zum Erlass wirksamer Ri<strong>ch</strong>tlinien bräu<strong>ch</strong>te.<br />
Selbstregulierungen kommen deshalb weniger teuer als Vors<strong>ch</strong>riften, für wel<strong>ch</strong>e si<strong>ch</strong> die<br />
Behörde zuerst die notwendigen Informationen bes<strong>ch</strong>affen muss.<br />
Warum tun die Unternehmen dies? Zuvorkommen von staatli<strong>ch</strong>en Regulierungen, Ansehen in<br />
der Öffentli<strong>ch</strong>keit, selbständige Wahl des kostengünstigsten Weges oder Minimierung des<br />
ökologis<strong>ch</strong>en Risikos.<br />
3. Internalisierung externe Kosten<br />
Wenn die Verursa<strong>ch</strong>er für die von ihnen zu verantwortenden S<strong>ch</strong>äden aufkommen müssen,<br />
spri<strong>ch</strong>t man von Internalisierung externer Kosten.<br />
Die Umweltgüter bekommen einen Preis, dies wirkt si<strong>ch</strong> auf die Kosten aus. Die Verursa<strong>ch</strong>er<br />
bemühen si<strong>ch</strong> dann aus eigenem Interesse, die Umweltbelastung gering zu halten. Zur<br />
Internalisierung externer Kosten sind vers<strong>ch</strong>iedene Instrumente mögli<strong>ch</strong>:<br />
a) Einri<strong>ch</strong>ten von Eigentums-, Nutzungs- und Klagere<strong>ch</strong>ten<br />
Externe Effekte treten dann auf, wenn für Güter keine Eigentums-, Nutzungs- und Klagere<strong>ch</strong>te<br />
definiert sind. Denn um die Kosten verursa<strong>ch</strong>ergere<strong>ch</strong>t abre<strong>ch</strong>nen zu können, muss ni<strong>ch</strong>t nur<br />
das, was den S<strong>ch</strong>aden verursa<strong>ch</strong>t, jemandem gehören, sondern au<strong>ch</strong> das, was ges<strong>ch</strong>ädigt<br />
wird, muss jemandem gehören bzw. dieser jemand muss ein Nutzungs- und Klagere<strong>ch</strong>t<br />
geltend ma<strong>ch</strong>en können – was eben bei Umweltgütern ni<strong>ch</strong>t der Fall ist. Das Re<strong>ch</strong>t auf<br />
gesunde Luft, sauberes Wasser, intakte Lands<strong>ch</strong>aft usw. muss geltend gema<strong>ch</strong>t werden<br />
können. So erhalten die S<strong>ch</strong>ädiger Anreize, S<strong>ch</strong>ädigungen von ihrer Seite zu vermeiden.<br />
Dank klar geregelten Eigentumsre<strong>ch</strong>ten kann es gemäss dem Coase-Theorem dur<strong>ch</strong><br />
freiwillige Verhandlungen zwis<strong>ch</strong>en den betroffenen Parteien zu einer Abs<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>ung externer<br />
Effekte kommen.<br />
So wird die Unvollkommenheit des Marktsystems dur<strong>ch</strong> klar definierte Eigentumsre<strong>ch</strong>te – aber<br />
ohne direkte Staatseingriffe – ausgebügelt. Voraussetzung dazu ist eine geringe Zahl der<br />
Zusammenfassung VWL IUR I<br />
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Betroffenen (kleine Transaktionskosten). Zudem müssten Gewinner und Verlierer der<br />
externen Effekte eindeutig bestimmt werden können. Das Coase-Theorem verdeutli<strong>ch</strong>t, dass<br />
für das Funktionieren des ökonomis<strong>ch</strong>en Prozesses ein verlässli<strong>ch</strong>es Re<strong>ch</strong>tssystem vorliegen<br />
muss, wel<strong>ch</strong>es für alle knappen Güter dur<strong>ch</strong>setzbare Eigentumsre<strong>ch</strong>te definieren und verteilen<br />
sollte.<br />
b) Besteuerung<br />
Um externe Kosten zu verringern, kann man umweltbelastende Aktivitäten mit einer<br />
besonderen Steuer belegen. Die Wirkung lässt si<strong>ch</strong> anhand eines einfa<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>aubildes<br />
demonstrieren:<br />
Sind wir ni<strong>ch</strong>t verpfli<strong>ch</strong>tet, für Umwelts<strong>ch</strong>äden aufzukommen, werden wir unsere Tätigkeiten<br />
soweit ausdehnen, wie sie uns Gewinn oder Nutzen bereiten, d.h. soweit, wie unser<br />
Grenznutzen no<strong>ch</strong> positiv ist = Punkt B.<br />
Gesamtwirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong> sinnvoll wären aber diese vers<strong>ch</strong>mutzenden Tätigkeiten nur bis zum<br />
Punkt A. Denn bis dahin ist der anfallende Nutzen no<strong>ch</strong> höher als die Grenzkosten der<br />
Umweltvers<strong>ch</strong>mutzung. Deshalb müssen die umweltbelastenden Tätigkeiten in Höhe von<br />
Punkt X besteuert werden. Niemand hätte mehr Interesse daran, Tätigkeiten auszuüben, die<br />
eine höhere S<strong>ch</strong>adstoffbelastung als bei Punkt A mit si<strong>ch</strong> bringen, weil ab diesem Punkt die<br />
abzuführende Steuer höher ausfällt als der zu erzielende Grenznutzen. Die Steuer reduziert<br />
die S<strong>ch</strong>adstoffemissionen auf das volkswirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong> erwüns<strong>ch</strong>te Mass.<br />
Eine Besteuerung na<strong>ch</strong> dem Verursa<strong>ch</strong>erprinzip setzt voraus, dass die Grenznutzen der<br />
Umweltbelastung bekannt sind, dass die externen Kosten erfasst, in Geld bewertet und den<br />
einzelnen S<strong>ch</strong>ädigern angelastet werden können. Da diese Bewertung oft nur mit grossen<br />
S<strong>ch</strong>wierigkeiten verbunden ist, kann man au<strong>ch</strong> die zulässige Vers<strong>ch</strong>mutzung festlegen, und<br />
die Belastungen erhöhen, bis das erwüns<strong>ch</strong>te Mass der Umweltvers<strong>ch</strong>mutzung errei<strong>ch</strong>t wird.<br />
c) Lenkungsabgaben<br />
Dur<strong>ch</strong> Lenkungsabgaben kann dem Problem der Kostenbestimmung ausgewi<strong>ch</strong>en werden,<br />
indem eben von festgelegten Grenzwerten für S<strong>ch</strong>adstoffe ausgegangen und diese mit einer<br />
Abgabe belegt werden, mit dem Ziel, eine Verhaltensänderung zu bewirken, wel<strong>ch</strong>e die<br />
gewüns<strong>ch</strong>te S<strong>ch</strong>adstoffreduktion zustande bringt. Wieviel jeder Einzelne seine<br />
Vers<strong>ch</strong>mutzung senkt, bleibt ihm selber überlassen. Der Anreiz wird aber – je na<strong>ch</strong><br />
Abgabesatz – gross sein, derartige Kosten zu verhindern oder zumindest zu vermindern.<br />
Grundsätzli<strong>ch</strong> sollen Lenkungsabgaben die Wirts<strong>ch</strong>aft in eine umweltfreundli<strong>ch</strong>ere Ri<strong>ch</strong>tung<br />
lenken und ni<strong>ch</strong>t etwa dem Staat höhere Einnahmen vers<strong>ch</strong>affen. Deshalb ist darauf zu<br />
a<strong>ch</strong>ten, dass Lenkungsabgaben vollumfängli<strong>ch</strong> an die Wirts<strong>ch</strong>aftssubjekte zurückbezahlt<br />
werden. Die Rückgabe an die Bevölkerung bewirkt, dass diejenigen, wel<strong>ch</strong>e die Umwelt<br />
überdur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nittli<strong>ch</strong> vers<strong>ch</strong>mutzen, weniger erhalten, als sie bezahlen. Diejenigen, die si<strong>ch</strong><br />
umweltgere<strong>ch</strong>t verhalten, werden belohnt, indem sie mehr, als sie bezahlen.<br />
d) Umweltzertifikate<br />
Zusammenfassung VWL IUR I<br />
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72
Beim Konzept der Umweltzertifikate (oder Emissionszertifikate) s<strong>ch</strong>afft der Staat Nutzungsre<strong>ch</strong>te<br />
an der Natur. Er verteilt die gesamte zulässige Umweltbelastung auf Zertifikate<br />
(Belastungsre<strong>ch</strong>te). Wie die Umwelt belastet, muss si<strong>ch</strong> dafür das Re<strong>ch</strong>t kaufen. Die<br />
Zertifikate können au<strong>ch</strong> versteigert oder vom Staat gratis abgegeben werden.<br />
Wer Umwelts<strong>ch</strong>utzmassnahmen einleitet, brau<strong>ch</strong>t weniger Zertifikate und kann sie an<br />
jemanden verkaufen, der sol<strong>ch</strong>e Vers<strong>ch</strong>mutzungsre<strong>ch</strong>te benötigt. Wer die Umwelt belastet,<br />
muss also bereit sein, dafür zu bezahlen; wer die Umwelt s<strong>ch</strong>ützt, erhält dafür eine materielle<br />
Ents<strong>ch</strong>ädigung.<br />
Vor allem diejenigen, die mit relativ billigen Massnahmen eine Reduktion der Umweltbelastung<br />
errei<strong>ch</strong>en können, werden dur<strong>ch</strong> die Zertifikate veranlasst, diese Massnahmen au<strong>ch</strong><br />
dur<strong>ch</strong>zuführen. Entwerten si<strong>ch</strong> die Zertifikate mit der Zeit, so kann der Umweltstandard<br />
kontinuierli<strong>ch</strong> erhöht werden. Der Handel mit Emissionszertifikaten ist sowohl im CO 2 -Gesetz<br />
der S<strong>ch</strong>weiz als au<strong>ch</strong> in den Vereinbarungen der UNO-Klimakonferenz vorgesehen.<br />
WELCHE INSTRUMENTE SIND ÜBERLEGEN?<br />
Die Na<strong>ch</strong>haltige Entwicklung verlangt eine optimale Mis<strong>ch</strong>ung der angespro<strong>ch</strong>enen<br />
Instrumente. Es muss ermittelt werden, wo Gebote und Verbote am besten funktionieren, und<br />
wie sie dur<strong>ch</strong> Instrumente zur Internalisierung externer Kosten und dur<strong>ch</strong> Selbstregulierungen<br />
ergänzt werden können. Die Auswahl muss so ges<strong>ch</strong>ehen, dass die effektivsten und für die<br />
Gesells<strong>ch</strong>aft kostengünstigsten Massnahmen getroffen werden.<br />
Die bis jetzt stiefmütterli<strong>ch</strong> eingesetzten Instrumente zur Internalisierung externer Kosten<br />
sollten aber ein grösseres Gewi<strong>ch</strong>t erhalten, weil bei ihnen die Kosten für die Unternehmer<br />
und den Staat geringe sind, weil sie Innovationen fördern, weil sie Anreize zur Vermeidung<br />
von Umweltbelastungen auslösen und trotzdem die Freiheit des Einzelnen weniger<br />
eins<strong>ch</strong>ränken als polizeili<strong>ch</strong>e Massnahmen.<br />
Umweltabgaben lösen eine Strukturwandel aus, damit eine „S<strong>ch</strong>ockwirkung“ vermieden wird,<br />
sollten sie stufenweise eingeführt werden; der Wirts<strong>ch</strong>aft muss eine gewisse Zeit eingeräumt<br />
werden, um die optimale Lösung zu planen. Weil viele Umweltprobleme zudem einen globalen<br />
Charakter haben, sollten Umweltabgaben entspre<strong>ch</strong>end global konzipiert werden.<br />
Zur Förderung einer Na<strong>ch</strong>haltigen Entwicklung sollten die externen Kosten internalisiert<br />
werden. Dazu bieten si<strong>ch</strong> z.B. Lenkungsabgaben, die Besteuerung von externen Kosten, die<br />
Einführung von Umweltzertifikaten oder das Definieren von Eigentums-, Nutzungs- und<br />
Klagera<strong>ch</strong>ten an.<br />
EXKURS: „KLIMASCHUTZ WOHIN?“<br />
• CO 2 -Gesetz in der S<strong>ch</strong>weiz: Es s<strong>ch</strong>reib vor, dass der Ausstoss von Kohlendioxid bis 2010<br />
gegenüber dem Sti<strong>ch</strong>jahr 1990 um insgesamt 10% gesenkt werden muss. Das Gesetz<br />
bietet Anreize für eine freiwillige Zielerrei<strong>ch</strong>ung. Genügt dies ni<strong>ch</strong>t, kann frühestens ab 2004<br />
eine Lenkungsabgabe eingeführt werden. Unternehmen, die si<strong>ch</strong> verpfli<strong>ch</strong>ten, ihren CO 2 -<br />
Ausstoss auf ein bestimmtes Mass zu reduzieren, können von der Abgabe befreit werden.<br />
• UNO-Weltklimagipfel: Die Industrieländer verpfli<strong>ch</strong>ten si<strong>ch</strong>, ihre S<strong>ch</strong>adstoffemission bis<br />
2012 um 5,2% unter den Stand von 1990 zu senken. Auffällig ist, dass die Umsetzung des<br />
Kyoto-Protokoll bes<strong>ch</strong>lossen wurde, obwohl die USA die Zusage verweigerte. Damit es<br />
allerdings soweit kam, musst den Industrieländern eine Reihe von Mögli<strong>ch</strong>keiten<br />
zugestanden werden, um s<strong>ch</strong>merzhafte Einsparungen umgehen zu können. Na<strong>ch</strong><br />
Bere<strong>ch</strong>nungen von Umwelts<strong>ch</strong>utzverbänden ginge der Ausstoss von Kohlendioxid ledigli<strong>ch</strong><br />
um 1,8% zurück, wenn alle Staaten ihre „Freibeträge“ wahrnähmen. Die USA ers<strong>ch</strong>weren<br />
den Klimas<strong>ch</strong>utzprozess sehr. Die internationalen Forts<strong>ch</strong>ritte seit 1992 auf dem Weg zu<br />
einer na<strong>ch</strong>haltigen Entwicklung sind ernü<strong>ch</strong>ternd.<br />
• „UBS Alternative Climate“: Erstmals wagte si<strong>ch</strong> eine Bank mit rein marktwirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en<br />
Grundsätzen auf das no<strong>ch</strong> unsi<strong>ch</strong>ere Terrain des Klimas<strong>ch</strong>utzes vor. Hierbei beteiligen si<strong>ch</strong><br />
Zusammenfassung VWL IUR I<br />
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Unternehmen über einen Fonds an Klimas<strong>ch</strong>utzprojekten im Ausland und erzielen damit<br />
ni<strong>ch</strong>t nur Rendite, sonder erhalten au<strong>ch</strong> wertvolle CO 2 -Zertifikate, die gehandelt werden<br />
können. Die Treibhausgasemissionen werden dadur<strong>ch</strong> dort reduziert, wo die Wirkung am<br />
grössten ist.<br />
EXKURS: „ÖKOLOGISCHE WIRTSCHAFTSPOLITIK – DIE SICHT DER NEUEN POLITISCHEN<br />
ÖKONOMIE“<br />
Trotz einer Mammutkonferenz in Rio de Janeiro 1992, steigen die Treibhausgasemissionen<br />
weiter und die Abholzung der Wälder sowie die Zerstörung der Arten s<strong>ch</strong>reitet voran, ni<strong>ch</strong>t mal<br />
ein generelles Reduktionsziel für Treibhausgase konnte festgelegt werden.<br />
Aus der Si<strong>ch</strong>t der Neuen Politis<strong>ch</strong>en Ökonomie hat in repräsentativen Demokratien eine<br />
ökologis<strong>ch</strong> orientierte Wirts<strong>ch</strong>aftspolitik aus folgenden Gründen nur wenig<br />
Realisierungs<strong>ch</strong>ancen:<br />
• Die Umweltqualität hat den Charakter eines öffentli<strong>ch</strong>en Gutes. Für Wähler besteht wenig<br />
Anreiz, die Stimme zugunsten eines sol<strong>ch</strong>en Massnahmenkataloges abzugeben.<br />
• Politiker wollen primär wieder gewählt werden, deshalb sind die Dur<strong>ch</strong>setzungs<strong>ch</strong>ancen<br />
einer ökologis<strong>ch</strong>en Wirts<strong>ch</strong>aftspolitik ebenfalls gering. Sie gerät nämli<strong>ch</strong> in Widerspru<strong>ch</strong> zur<br />
Präferenz von wiederwahlorientierten Politikern, die jene Massnahmen bevorzugen, die<br />
einen unmittelbaren und deutli<strong>ch</strong> spürbaren Nutzen und erst viel später wirksame Kosten<br />
verursa<strong>ch</strong>en. Zudem ents<strong>ch</strong>eiden si<strong>ch</strong> Politiker oft für eine ineffiziente<br />
Instrumentenkombination. Weil das Kriterium sofortiger Nutenzure<strong>ch</strong>nung und erst später<br />
si<strong>ch</strong>tbarer Kosten Vordergrund steht, werden eher Gebote und Verbote gewählt anstelle<br />
von Umweltzertifikaten oder Lenkungsabgaben, weil diese für die Wiederwahl eher<br />
s<strong>ch</strong>ädli<strong>ch</strong> sind.<br />
• Au<strong>ch</strong> die direkt betroffenen Interessengruppen ziehen Auflagen und Verbote andere<br />
ökologis<strong>ch</strong>en Instrumente vor. Dabei müssen nämli<strong>ch</strong> nur Vers<strong>ch</strong>mutzungen vermieden<br />
werden, wel<strong>ch</strong>e bestimmte Emissionsgrenzen übersteigen. Die restli<strong>ch</strong>en Emissionen,<br />
deren Umfang die Grenzwerte ni<strong>ch</strong>t errei<strong>ch</strong>en, bleiben kostenlos. Dies wird begünstigt von<br />
der asymmetris<strong>ch</strong>en Informationsverteilung zwis<strong>ch</strong>en den Unternehmen und dem Staat. Da<br />
zudem Verstösse gegen Auflagen nur unzurei<strong>ch</strong>end kontrolliert und geahndet werden<br />
können, lassen si<strong>ch</strong> die Umwelts<strong>ch</strong>utzkosten in Grenzen halten.<br />
• Staatli<strong>ch</strong>e Umweltbehörden besitzen ein vitales Interesse an umweltpolitis<strong>ch</strong>en<br />
Massnahmen, die arbeits- und ressourcenintensiv sind, dadur<strong>ch</strong> können sie ras<strong>ch</strong> wa<strong>ch</strong>sen<br />
und Mitarbeiter einstellen. Ganz anders als bei Ökosteuern oder Lenkungsabgaben besteht<br />
bei Auflagen und Subventionen ein verglei<strong>ch</strong>sweise hoher Regelungsbedarf, der zu einem<br />
Ma<strong>ch</strong>tzuwa<strong>ch</strong>s beiträgt, was dur<strong>ch</strong>aus mit dem Präferenzen der Bürokratie übereinstimmt.<br />
• Wel<strong>ch</strong>e Mögli<strong>ch</strong>keiten zur Überwindung der aufgezeigten Hindernisse gibt es?<br />
• In kleinen und übers<strong>ch</strong>aubaren Einheiten können die Kosten und der Nutzen von Umweltproblemen<br />
bzw. Umweltmassnahmen besser lokalisiert und den Betroffenen zugere<strong>ch</strong>net<br />
werden.<br />
• Mit Hilfe von direkten Volksabstimmungen können die aufgezeigten Hindernisse besser<br />
überwunden werden als in repräsentativen Demokratien.<br />
• Umweltbewusste Produzenten sollten in effizienter Weise gestärkt werden. Bei Abgaben<br />
sollte deshalb die Verwendung der Mittel zu Gunsten umweltpolitis<strong>ch</strong>er Projekte festgelegt<br />
werden.<br />
• Zu prüfen ist die Erri<strong>ch</strong>tung einer autonomen Umweltzentrale, die für Einzelberei<strong>ch</strong>e der<br />
Bereitstellung dieses öffentli<strong>ch</strong>en Gutes unabhängig von Wahlterminen und<br />
Gruppeninteressen verantwortli<strong>ch</strong> wäre.<br />
Zusammenfassung VWL IUR I<br />
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74
KAPITEL 8 – STRUKTURWANDEL ALS CHARAKTERISTIKUM WIRTSCHAFTLICHER<br />
Zusammenfassung VWL IUR I<br />
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ENTWICKLUNG<br />
KOMPLEXITÄT DES STRUKTURWANDELS<br />
Jede wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Entwicklung ist mit einer Veränderung der einzelnen Teile zueinander und<br />
deren Bedeutung an der ganzen Volkswirts<strong>ch</strong>aft verbunden. Diese Veränderung im Gefüge<br />
einer Volkswirts<strong>ch</strong>aft nennt man Strukturwandel.<br />
Strukturwandel lässt si<strong>ch</strong> an folgenden Grössen beoba<strong>ch</strong>ten:<br />
• Demografis<strong>ch</strong>e Struktur<br />
• Produktionsstruktur<br />
• Einkommensstruktur<br />
• Bes<strong>ch</strong>äftigungsstruktur<br />
• Regionale Wirts<strong>ch</strong>aftsstruktur<br />
• Unternehmungsstruktur<br />
• Am Grad der Internationalisierung der Produktion<br />
• Struktur des internationalen Handels<br />
Strukturwandel bewirkt in vielen Teilen der VW Veränderungen, diejenigen in der Produktions-<br />
und Bes<strong>ch</strong>äftigungsstruktur stehen dabei aber im Zentrum des wirts<strong>ch</strong>aftspolitis<strong>ch</strong>en<br />
Interesses.<br />
KONJUNKTUR-, STRUKTUR- ODER WACHSTUMSKRISE?<br />
Die Diskussion in s<strong>ch</strong>wierigen Zeiten ist in zwei Lager geteilt: Die einen sehen den Kern der<br />
wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Probleme vor allem in einer konjunkturellen S<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>e, die anderen ma<strong>ch</strong>en<br />
grundlegende Struktur- und Wa<strong>ch</strong>stumsprobleme dafür verantwortli<strong>ch</strong>. Unters<strong>ch</strong>iede in der<br />
Diagnose sind wi<strong>ch</strong>tig, da jeweils au<strong>ch</strong> andere Therapien angewendet werden.<br />
Konjunkturs<strong>ch</strong>wankungen sind dadur<strong>ch</strong> gekennzei<strong>ch</strong>net, dass es si<strong>ch</strong> bei ihnen um<br />
periodis<strong>ch</strong>e Bewegungen der wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Aktivität handelt, kurzfristige und versible<br />
Vers<strong>ch</strong>iebung im Rahmen eines Konjunkturzyklus.<br />
ein Strukturwandel ist dur<strong>ch</strong> eine dauerhafte Veränderung gekennzei<strong>ch</strong>net, er trägt keine<br />
Kräfte in si<strong>ch</strong>, die wieder zum ursprüngli<strong>ch</strong>en Zustand zurückführen! Er ändert die Grundlagen<br />
und Rahmenbedingungen, wovon einzelne Unternehmen, Bran<strong>ch</strong>en, Regionen oder gar<br />
Länder betroffen sind, die Veränderungen sind irreversibel<br />
Konjunktur- und Strukturprobleme lassen si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t sauber trennen, was genau vorliegt ist<br />
s<strong>ch</strong>wer erkennbar. Oft überlagern und verstärken si<strong>ch</strong> die beiden gegenseitig.<br />
Zwis<strong>ch</strong>en den beiden herrs<strong>ch</strong>t eine Interdependenz:<br />
Während ein Wa<strong>ch</strong>stumsprozess in der Regel mit einem Strukturwandel verbunden ist,<br />
können dur<strong>ch</strong> Strukturwandel selber Wa<strong>ch</strong>stumsimpulse auf breiter Front ausgelöst werden.<br />
Ein Strukturwandel kann somit einerseits Folge der wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Entwicklung sein,<br />
andererseits kann er au<strong>ch</strong> die Voraussetzung für die Weiterentwicklung der Wirts<strong>ch</strong>aft bilden.<br />
Veränderungen können Katalysatoren für das Wa<strong>ch</strong>stum einer VW darstellen.<br />
URSACHEN DES STRUKTURWANDELS<br />
1949: J. Fourastié, Evolutionstheorie:<br />
Zu Beginn der Industrialisierung eines Landes sind etwa 80% der Bevölkerung in der<br />
Landwirts<strong>ch</strong>aft tätig, 10% in der Industrie und 10% im Dienstleistungssektor; im Verlauf der<br />
Industrialisierung wä<strong>ch</strong>st der Bes<strong>ch</strong>äftigungsanteil im sekundären Sektor weitgehend zu<br />
Lasten des primären; im „Zustand der reifen Wirts<strong>ch</strong>aft“ aber bes<strong>ch</strong>äftigt der<br />
Dienstleistungssektor gegen 80% aller Erwerbstätigen, während in den anderen beiden<br />
Sektoren nur je 10% tätig sind. (Es stimmte mit der Wirkli<strong>ch</strong>keit ziemli<strong>ch</strong> überein).<br />
75
STRUKTURWANDEL ALS FOLGE DER NACHFRAGEDYNAMIK<br />
Mit steigendem Einkommen sinkt der Anteil der Ausgaben für Nahrungsmittel, eine<br />
Sättigungsgrenze wird errei<strong>ch</strong>t, davon betroffen ist der Landwirts<strong>ch</strong>aftssektor. Au<strong>ch</strong> die<br />
Na<strong>ch</strong>frage na<strong>ch</strong> Konsumgütern stösst mit zunehmendem Versorgungsgrad an eine<br />
mengenmässige Sättigungsgrenze, die Na<strong>ch</strong>frage stagniert. Eine zunehmende Marktsättigung<br />
für einzelne Produkte oder ganze Bran<strong>ch</strong>en bei steigendem Einkommen zei<strong>ch</strong>net si<strong>ch</strong> ab.<br />
Dagegen expandiert die Na<strong>ch</strong>frage na<strong>ch</strong> Dienstleistungen mit zunehmenden Einkommen.<br />
Dienstleistungen weisen also im Gegensatz zu Nahrungsmitteln und anderen Konsumgütern<br />
eine hohe Einkommenselastizität aus.<br />
STRUKTURWANDEL ALS FOLGE DER ANGEBOTSDYNAMIK<br />
In Landwirts<strong>ch</strong>aft und Industrie konnte die Arbeitsproduktivität dur<strong>ch</strong> te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>en Forts<strong>ch</strong>ritt<br />
massive gesteigert werden, es werden weniger Arbeitskräfte gebrau<strong>ch</strong>t um dieselbe Menge zu<br />
produzieren. Steigerungen der Arbeitsproduktivität im Dienstleistungsberei<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>eint begrenz<br />
zu sein, do<strong>ch</strong> hat au<strong>ch</strong> hier der Einsatz neuer Te<strong>ch</strong>nologien zur Aufholjagd angesetzt, allen<br />
voran der Bankensektor.<br />
Mengenmässige stagnierende Na<strong>ch</strong>frage und höhere Arbeitsproduktivität vers<strong>ch</strong>ärfen die<br />
Tendenz zur Überproduktion. Als Konsequenz muss die Produktion einges<strong>ch</strong>ränkt werden und<br />
Arbeitsplätze gehen verloren.<br />
Fourastié sah die unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>e Entwicklung der Na<strong>ch</strong>frage und der Arbeitsproduktivität in<br />
den Sektoren und Bran<strong>ch</strong>en als Hauptbegründung für seine Prognosen.<br />
Der te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>e Forts<strong>ch</strong>ritt ist au<strong>ch</strong> heute ein wi<strong>ch</strong>tiger Motor des Strukturwandels. Der<br />
weltweite Informationsfluss erlaubt Aktivitäten in unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>en Weltregionen zu planen<br />
und zu koordinieren. Produktion kann weltweit geplant werden, industrielle Fertigung wird<br />
mobiler, gute Qualität kann überall hergestellt werden. Die sinkenden Kosten der Internationalisierung<br />
ermögli<strong>ch</strong>en die Wahl des günstigsten Standortes für jede Komponente des<br />
Produktes. Au<strong>ch</strong> die ständigen Bemühungen der Unternehmer dur<strong>ch</strong> neue Produkte, neue<br />
Marketingmethoden oder neue Organisations- und Produktionsprozesse einen Vorsprung im<br />
Konkurrenzkampf zu erhalten, bes<strong>ch</strong>leunigen den Strukturwandel von der Angebotsseite her.<br />
STRUKTURWANDEL ALS FOLGE VON VERÄNDERUNGEN IN DEN<br />
RAHMENBEDINGUNGEN<br />
Die Internationalisierung und Globalisierung konnte ras<strong>ch</strong> zunehmen, da si<strong>ch</strong> immer mehr<br />
Länder den internationalen Märkten öffnen (Ostblock-Staaten, China, Indien). Innert kürzester<br />
Zeit drangen fast 50% des internationalen Arbeitskräftepotenzials auf den Weltmarkt; so erlebt<br />
der Welthandel jährli<strong>ch</strong> zweistellige Zuwa<strong>ch</strong>sraten.<br />
Bea<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e Zuwa<strong>ch</strong>sraten errei<strong>ch</strong>en au<strong>ch</strong> die ausländis<strong>ch</strong>en Direktinvestitionen (Kauf oder<br />
Aufbau von To<strong>ch</strong>tergesells<strong>ch</strong>aften, Filialen, Beteiligungen) und grenzübers<strong>ch</strong>reitende<br />
Kooperationen. 1980 betrugen sie 57 Mrd, 1990 s<strong>ch</strong>on 150 Mrd. und im Jahr 2000 gar 1300<br />
Mrd. Dies ist ein Indiz für eine zügig vorans<strong>ch</strong>reitende Globalisierung. Die multinationalen<br />
Unternehmungen leisten einen bedeutenden Beitrag zur Vernetzung nationaler<br />
Volkswirts<strong>ch</strong>aften. Sie fördern au<strong>ch</strong> eine integrierte Weltproduktion, in wel<strong>ch</strong>er Länder oder<br />
Regionen zu spezialisierten Produktionsstandorten für einen bestimmten Auss<strong>ch</strong>nitt eines<br />
Industriezweiges werden. Die internationale Arbeitsteilung wird dur<strong>ch</strong> sinkende<br />
Transportkosten erlei<strong>ch</strong>tert.<br />
Besondere Impulse vermitteln zudem die Bestrebungen im Rahmen der WTO und die<br />
regionalen Integrationsbemühungen (APEC, NAFTA, Binnenmarktprogramm der EU…).<br />
Neben diesen Veränderungen in den internationalen Rahmenbedingungen nimmt die<br />
nationale und regionale Wirts<strong>ch</strong>aftspolitik eine wi<strong>ch</strong>tige Rolle im Strukturwandlungsprozess<br />
ein. Bestimmte Strukturen werden ges<strong>ch</strong>ützt, andere bewusst verändert.<br />
Zu den wesentli<strong>ch</strong>sten Ursa<strong>ch</strong>en eines Strukturwandels gehören die Na<strong>ch</strong>frage- und<br />
Angebotsdynamik sowie die Veränderung in den Rahmenbedingungen.<br />
Zusammenfassung VWL IUR I<br />
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76
EXKURS: DIE WÜRSTCHENPARABEL<br />
Die Produktivitätssteigerung im Sektor X kann in diesem Sektor natürli<strong>ch</strong> einen<br />
Arbeitsplatzabbau na<strong>ch</strong> si<strong>ch</strong> ziehen. Do<strong>ch</strong> die S<strong>ch</strong>lussfolgerung, dieses Produktivitätswa<strong>ch</strong>stum<br />
gehe zu Lasten der Bes<strong>ch</strong>äftigung in der VW insgesamt, steht auf einem völlig<br />
anderen Blatt.<br />
WIE ZEIGT SICH DER STRUKTURWANDEL IN DER SCHWEIZ?<br />
DER SEKTORALE STRUKTURWANDEL<br />
• Periode 1950 bis 1970: zei<strong>ch</strong>nete si<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> ein aussergewöhnli<strong>ch</strong> starkes<br />
Wirts<strong>ch</strong>aftswa<strong>ch</strong>stum aus. BIP wu<strong>ch</strong>s dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nittli<strong>ch</strong> 4,6%, Zahl der Erwerbstätigen nahm<br />
jährli<strong>ch</strong> um 1,4% zu, die Arbeitsproduktivität wu<strong>ch</strong>s mit einer Rate von 3,3%. Sektoral<br />
musste einzig die Landwirts<strong>ch</strong>aft eine Stagnation der Werts<strong>ch</strong>öpfung und einen Abbau der<br />
Erwerbstätigen hinnehmen.<br />
• Periode 1970 bis 1990: Erdölpreiss<strong>ch</strong>ock liess Wa<strong>ch</strong>stum einbre<strong>ch</strong>en. Werts<strong>ch</strong>öpfung<br />
stagniert in der Industrie, in der Landwirts<strong>ch</strong>aft war sie gar rückläufig. Gewinner des<br />
Strukturwandels waren der Dienstleistungssektor und das Baugewerbe, Verlierer die<br />
Industrie und die Landwirts<strong>ch</strong>aft.<br />
• Periode 1990 bis 2002: Das Wa<strong>ch</strong>stum stagnierte oder war sehr s<strong>ch</strong>wa<strong>ch</strong>, die statistis<strong>ch</strong><br />
ausgewiesene Arbeitslosigkeit stieg auf Hö<strong>ch</strong>ststände, die Verlagerung der Erwerbstätigkeit<br />
in den dritten Sektor hat au<strong>ch</strong> seit 1990 eines Fortsetzung erfahren.<br />
Zwis<strong>ch</strong>en Werts<strong>ch</strong>öpfung, Erwerbstätigen und Arbeitsproduktivität besteht ein<br />
Zusammenhang:<br />
♦ Die Werts<strong>ch</strong>öpfung in der Landwirts<strong>ch</strong>aft ist in den letzten 30 Jahren zwar gestiegen, da<br />
si<strong>ch</strong> die Produktivität aber sehr stark erhöht hat, lässt si<strong>ch</strong> die landwirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e<br />
Produktion mit weniger als der Hälfte der Erwerbstätigen herstellen.<br />
♦ Ebenfall mit weniger Erwerbstätigen als 1960 wird die Werts<strong>ch</strong>öpfung in der Industrie<br />
erarbeitet, da si<strong>ch</strong> die Produktivität mehr als verdoppelt hat kann mit weniger<br />
Erwerbstätigen 70% mehr hergestellt werden.<br />
♦ Im DL-Sektor war das Wa<strong>ch</strong>stum der Werts<strong>ch</strong>öpfung am stärksten, während dasjenige der<br />
Produktivität glei<strong>ch</strong>zeitig am s<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>sten war, weshalb heute viel mehr Leute da arbeiten.<br />
DER BRANCHENMÄSSIGE STRUKTURWANDEL<br />
Veränderungen sind logis<strong>ch</strong>erweise au<strong>ch</strong> innerhalb der einzelnen Sektoren auszuma<strong>ch</strong>en. Die<br />
Periode 1990 bis 2002 war von einem starken Strukturwandel auf Bran<strong>ch</strong>enebene begleitet.<br />
Die grössten Zuwa<strong>ch</strong>sraten der Werts<strong>ch</strong>öpfung erzielten die Pharma, die Chemie und die<br />
Informatik/Telekommunikation. Dem grössten S<strong>ch</strong>rumpfungsprozess unterlagen<br />
Textil/Bekleidung und die Bauwirts<strong>ch</strong>aft.<br />
Der Strukturwandel zeigt si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> bei den Erwerbstätigen. Die längerfristigen Aussi<strong>ch</strong>ten<br />
lassen si<strong>ch</strong> einerseits aufgrund des Na<strong>ch</strong>fragepotentials ableiten, andererseits spielt für die<br />
Prognose die Wettbewerbsfähigkeit der jeweiligen Unternehmen einer Bran<strong>ch</strong>e eine wi<strong>ch</strong>tige<br />
Rolle.<br />
STRUKTURWANDEL ALS HERAUSFORDERUNG FÜR UNTENEHMEN, STAAT UND GESELLSCHAFT<br />
Der bran<strong>ch</strong>enmässige und sektorale Strukturwandel in der S<strong>ch</strong>weiz wir stark von den<br />
Veränderungen im internationalen Umfeld mitgeprägt. Die Öffnung nationaler Märkte, die<br />
WTO und regionale Integrationsbemühungen eröffnen Chancen für Markterweiterungen,<br />
wel<strong>ch</strong>e allerdings Strukturanpassungen voraussetzen. Importe aus den neuen<br />
Industrieländern sind die Voraussetzung für Exporte aus den alten Industrieländern. Der<br />
Wohlstand der S<strong>ch</strong>weiz ist auf das engste mit dem Ausland verknüpft, deshalb kommt wohl<br />
nur eine Strategie in Betra<strong>ch</strong>t: „Dabeisein im Globalisierungsprozess!“<br />
STRUKTURPOLITISCHE HANDLUNGSALTERNATIVEN FÜR DEN STAAT<br />
Zusammenfassung VWL IUR I<br />
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77
Obwohl die Bewältigung des Strukturwandels primär Aufgabe der Unternehme ist, wird au<strong>ch</strong><br />
die Politik gefordert. Dabei kann die Strukturpolitik des Staates grundsätzli<strong>ch</strong> darauf<br />
ausgeri<strong>ch</strong>tet werden, einen Strukturwandel abzus<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>en (Strukturerhaltung), zu<br />
erlei<strong>ch</strong>tern (Strukturanpassung) oder gar in eine gewisse Ri<strong>ch</strong>tung zu steuern<br />
(Strukturgestaltung).<br />
Kritiker sagen bei Strukturerhaltungspolitik werde die Problemlösung nur aufges<strong>ch</strong>oben,<br />
fals<strong>ch</strong>e Anreize gesetzt und volkswirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Kosten verursa<strong>ch</strong>t. Strukturerhaltung<br />
bedeutet für sie die Verteidigung des Vergangenen, statt die Zukunft ins Visier zu nehmen.<br />
Bei Strukturgestaltungspolitik muss der Staat Ents<strong>ch</strong>eiden, wel<strong>ch</strong>e Bran<strong>ch</strong>en gute<br />
Zukunftsaussi<strong>ch</strong>ten haben, die ist mit zwei Problemen verbunden:<br />
Erstens verfügt der Staat über weniger Informationen als die Wirts<strong>ch</strong>aft, wel<strong>ch</strong>e Aktivitäten<br />
Zukunftspotential enthalten. Zweitens besteht eine gewisse Gewöhnungsgefahr an die<br />
staatli<strong>ch</strong>en Krücken, die in der Praxis – einmal gewährt – oft s<strong>ch</strong>wierig zu beseitigen sind.<br />
Unbestritten ist die Aufgabe des Staates, den erforderli<strong>ch</strong>en Spielraum für den Wandel der<br />
Strukturen zu s<strong>ch</strong>affen.<br />
ERFOLGSFAKTOREN FÜR DIE BEWÄLTIGUNG DES STRUKTURWANDELS<br />
Erfolgsfaktor Herausforderung für die<br />
Unternehmen<br />
Herausforderung für den Staat<br />
„Wandel als Chance Im Umfeld des rasanten Einige staatli<strong>ch</strong>e Regelungen<br />
erkennen –<br />
Wandels gerät die<br />
behindern die Innovationsfähig-<br />
Innovationsfähigkeit Wettbewerbsfähigkeit unserer keit (Bauvors<strong>ch</strong>riften, lange<br />
erhöhen“<br />
Unternehmen in Gefahr, sie Bewilligungsverfahren, etc). Au<strong>ch</strong><br />
besteht aus zwei Pfeilern: der als Hindernis werden die<br />
eine ist die Leistungsfähigkeit, Steuerbelastung und die<br />
der andere die<br />
S<strong>ch</strong>wierigkeiten bei der<br />
Innovationsfähigkeit (Fähigkeit Kapitalbes<strong>ch</strong>affung –<br />
neue Ideen zu entwickeln, zu insbesondere beim Risikokapital<br />
realisieren und auf den Markt – genannt. Zudem ist dir direkte<br />
zu bringen). Fehlt die<br />
Demokratie nur zum Preis<br />
Innovationsfähigkeit, steigt die langsamer<br />
Gefahr zu spät zu kommen, Korrekturme<strong>ch</strong>anismen zu<br />
die Reaktionszeit muss erhöht haben, die Kehrseite der<br />
werden.<br />
politis<strong>ch</strong>en Stabilität ist die<br />
mangelnde Anpassungsfähigkeit.<br />
„Stärkung der Globaler Wettbewerb und Grundsätzli<strong>ch</strong> muss der Staat für<br />
Leistungsfähigkeit – Strukturwandel führen zu mehr Wettbewerb sorgen –<br />
Förderung des anhaltendem Preis- und insbesondere in der<br />
Wettbewerbs und Kostendruck. Unternehmen reglementierten und mit vielen<br />
der Standortqualität“ müssen ständig na<strong>ch</strong> kosten- S<strong>ch</strong>ranken behafteten<br />
günstigen Produktions- und Binnenmarktwirts<strong>ch</strong>aft. Je billiger<br />
effizienten<br />
es ist, Produktionsstandorte<br />
Vermarktungsmethoden international zu verlagern, desto<br />
su<strong>ch</strong>en. Mehr Wettbewerb deutli<strong>ch</strong>er treten nationale<br />
steigert die effiziente Nutzung Unters<strong>ch</strong>iede in den<br />
von Ressourcen. Der Zwang Rahmenbedingungen hervor und<br />
zur Herstellung von<br />
desto grösser wird der<br />
werts<strong>ch</strong>öpfungsintensiven Wettbewerb der Standorte. Denn<br />
Produkten und DL steigt. die mobilen Produktionsfaktoren<br />
wandern dorthin, wo ihr Ertrag<br />
am hö<strong>ch</strong>sten ist.<br />
„Bildung und Zu den Hindernissen der Im Zuge der Globalisierung, des<br />
Zusammenfassung VWL IUR I<br />
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78
Wissen“ Innovationsfähigkeit gehört der<br />
Mangel an qualifiziertem<br />
Personal, Zwang zur ras<strong>ch</strong>en<br />
Anpassung verlangt eine<br />
permanente Änderung des<br />
Qualifikationsprofils. Der<br />
intelligente Umgang mit<br />
Wissen in Unternehmen wird<br />
als Form des lebenslangen<br />
Lernens immer wi<strong>ch</strong>tiger.<br />
Zusammenfassung VWL IUR I<br />
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te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>en und wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en<br />
Wandels fallen Arbeitsplätze von<br />
Ungelernte kontinuierli<strong>ch</strong> weg.<br />
Bildung und Wissen werden zur<br />
S<strong>ch</strong>lüsselgrösse für die<br />
erfolgrei<strong>ch</strong>e Bewältigung der<br />
Zukunft.<br />
Die Erhöhung der Innovationsfähigkeit, die Förderung des Wettbewerbs, die Verbesserung<br />
der Standortqualität sowie Anpassungen und Verbesserungen im Bildungssystem sind<br />
wi<strong>ch</strong>tige Erfolgsfaktoren zur Bewältigung des Strukturwandels, die im Kontrast zu gewissen<br />
Verhaltensmustern und Werten stehen.<br />
79
EXKURS: „NEHMEN UNS DIE BILLIGLOHNLÄNDER DIE ARBEITSPLÄTZE WEG?“<br />
Mit dem Argument der Abwanderung in Niedriglohnländer werden immer wieder deutli<strong>ch</strong>e<br />
Forderungen na<strong>ch</strong> Lohnsenkungen auf breiter Ebene vorgetragen.<br />
Nehmen uns die Billiglohnländer also die Arbeitsplätze weg?<br />
Wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>er Wettbewerb beruht immer auf Unters<strong>ch</strong>ieden in der Ausstattung mit<br />
Produktionsfaktoren. Niedrige Löhne allein bewirken keine Wettbewerbsvorteile, ausser in<br />
Wirts<strong>ch</strong>aftszweigen, wo praktis<strong>ch</strong> ohne Kapital und Know-how produziert werden kann. Eine<br />
Abwanderungsgefahr besteht deshalb überall dort, wo mit einheitli<strong>ch</strong>er Te<strong>ch</strong>nologie<br />
standardisierte Güter hergestellt werden, und si<strong>ch</strong> die Konkurrenzfähigkeit auss<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> auf<br />
den Lohn reduziert.<br />
Selbst eine Lohnsenkung um 30% ist bedeutungslos, wenn es weltweit Millionen von<br />
Mens<strong>ch</strong>en gibt, die zu einem Bru<strong>ch</strong>teil unserer Löhne arbeiten. Hohe Lohnkosten gefährden<br />
keine Arbeitsplätze, soweit sie Folge von hoher Arbeitsproduktivität sind.<br />
Hohe Löhne und hohe Wettbewerbsfähigkeit stehen ni<strong>ch</strong>t im Widerspru<strong>ch</strong> zueinander, sonder<br />
gehen Hand in Hand.<br />
Künstli<strong>ch</strong> reduziert Löhne reduzieren die Anreize, lange Ausbildungswerge in Kauf zu nehmen<br />
und höhere Qualifikationen anzustreben.<br />
Soll das traditionell hohe Lohnniveau in der S<strong>ch</strong>weiz bestehen bleiben, muss dem verstärkten<br />
Wettbewerbsdruck offensiv begegnet werden: Mit einer Strategie der Kompetenzen, der<br />
Innovationsfähigkeit und einer Verbesserung der staatli<strong>ch</strong>en Rahmenbedingungen, wel<strong>ch</strong>e<br />
uns ermögli<strong>ch</strong>en, einen Produktivitätsvorsprung zu halten und immer wieder neu zu erringen.<br />
In einem Artikel der Wirts<strong>ch</strong>aftszeigung Cash wurde festgehalten, dass die S<strong>ch</strong>weiz mehr<br />
Waren und DL in die Billiglohnländer exportiert als sie von diesen Ländern importiert. Um dem<br />
Ausland zu erlauben, seine S<strong>ch</strong>ulden gegenüber der S<strong>ch</strong>weiz ni<strong>ch</strong>t weiter zu erhöhen,<br />
müssten so viele Güter und DL zusätzli<strong>ch</strong> importiert werden, dass damit im Ausland<br />
mindestens 250 000 Leute bes<strong>ch</strong>äftigt werden könnten.<br />
Zusammenfassung VWL IUR I<br />
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80
KAPITEL 9 – GELD, GELDPOLITIK UND DAS PROBLEM DER INFLATION<br />
WAS IST GELD?<br />
Geld im engeren Sinne ist alles, womit wie jederzeit bezahlen können. Dazu gehören das<br />
Bargeld, die Si<strong>ch</strong>tguthaben und die Einlagen auf Transaktionskonti des Publikums bei Banken<br />
und Post.<br />
Der Löwenanteil des Zahlungsverkehrs läuft ab, ohne dass Bargeld die Hände we<strong>ch</strong>selt.<br />
Bankguthaben, die sofort verfügbar sind (Kontokorrentguthaben) und Guthaben auf<br />
Post<strong>ch</strong>eckkonten sind au<strong>ch</strong> Geld, so genanntes BUCHGELD. Es erfüllt die Funktionen des<br />
Geldes sogar no<strong>ch</strong> besser als Bargeld. Die Guthaben auf sol<strong>ch</strong>en Konten bei Banken und<br />
Post werden Si<strong>ch</strong>tguthaben oder Giroguthaben genannt, weil sie jederzeit (auf Si<strong>ch</strong>t)<br />
verfügbar sind.<br />
Die Guthaben auf Lohn-, Spar-, Depositen- und Einlagekonti nennt man<br />
TRANSAKTIONSKONTI, sofern sie au<strong>ch</strong> für den Zahlungsverkehr genutzt werden können.<br />
Au<strong>ch</strong> sie gehören zum Geld.<br />
Anders sieht es aus bei Einlagen auf Spar-, Depositen- und Einlagekonti, die der<br />
Wertaufbewahrung dienen (also für den Zahlungsverkehr ungeeignet sind) und<br />
Termineinlagen. Sie sind zeitli<strong>ch</strong> gebunden und ni<strong>ch</strong>t jederzeit verfügbar.<br />
Die Geldbestände der Bank s<strong>ch</strong>eiden aber aus. Erstens weil die Zielsetzung der Geldtheorie<br />
die Erklärung der Veränderung des Preisniveaus, die Produktion, die Bes<strong>ch</strong>äftigung etc.<br />
beinhaltet. Deshalb sind die Geldbestände des Bankensektors relativ unbedeutsam, da sie<br />
selber kaum eine Güterna<strong>ch</strong>frage entfalten. Zweitens werden auf diese Weise Doppelzählung<br />
vermieden. Wenn jemand 1000.- auf sein Konto einzahlt, findet ledigli<strong>ch</strong> ein Taus<strong>ch</strong> von<br />
Bargeld zu Bu<strong>ch</strong>geld statt.<br />
Zur Geldmenge gehören alle Geldbestände des Publikums (Haushalte, Unternehmungen und<br />
Staat).<br />
• Die so definierte Geldmenge im engeren Sinne (siehe oben) wird au<strong>ch</strong> als Geldmenge M1<br />
bezei<strong>ch</strong>net. Für diese Definition ist die Zahlungsmittelfunktion des Geldes als<br />
Abgrenzungskriterium massgebend.<br />
• Addieren wir zu M1 die Spareinlagen (Einlagen auf Spar-, Einlagen- und Depositenkonti,<br />
die der Wertaufbewahrung dienen), gelangen wir zur Geldmenge M2.<br />
• Betonen wir die Wertaufbewahrungsfunktion des Geldes no<strong>ch</strong> stärker und bilden eine<br />
umfassende Geldmenge, die alle potentiellen Zahlungsmittel enthält, als au<strong>ch</strong> die für eine<br />
gewisse Zeit gewisse Zeit gebundenen Einlagen (Termineinlagen), erhalten wir die<br />
Geldmenge M3.<br />
Bei der Definition der M-Geldmengen nehmen wir den Blickwinkel des Publikums ein. Nehmen<br />
wie die Si<strong>ch</strong>t der SNB ein, erhalten wir die Notenbankgeldmenge:<br />
• Die Summe der Banknoten im Publikum und bei den Banken sowie die Si<strong>ch</strong>teinlagen der<br />
Banken bei der SNB ergeben die Notenbankgeldmenge.<br />
Das Verhältnis zwis<strong>ch</strong>en dem Bargeld und den Si<strong>ch</strong>tguthaben/Transaktionsguthaben beträgt<br />
in der S<strong>ch</strong>weiz etwa 1:4. Der bargeldlose Zahlungsverkehr ist also wesentli<strong>ch</strong> wi<strong>ch</strong>tiger als die<br />
Zahlungen mit Noten und Münzen<br />
Kann man au<strong>ch</strong> zuviel Geld haben? Ja, weil nur wenige Mens<strong>ch</strong>en Freude am Besitz von<br />
Geld haben, die meisten wollen materielle Dinge und ni<strong>ch</strong>t Geld besitzen.<br />
Zusammenfassung VWL IUR I<br />
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81
Zusammenfassung VWL IUR I<br />
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82
EXKURS: „ABSCHIED VOM BARGELD?“<br />
Im Laufe der Zeit fand ein Abstraktionsprozess statt. Während Gold- oder Silbermünzen no<strong>ch</strong><br />
einen eigentli<strong>ch</strong>en Wert hatten, besitzen die heutigen Münzen und Noten keinen eigentli<strong>ch</strong>en<br />
Materialwert mehr. Ihnen werden dur<strong>ch</strong> Bedruckung Wert-Informationen vom Herausgeber<br />
zugewiesen. Sie können problemlos dur<strong>ch</strong> elektronis<strong>ch</strong>e Zahlungssysteme, Kredit- oder<br />
Chipkarten ersetzt werden. Damit konnte die Effizienz des Zahlungsverkehrs massiv<br />
gesteigert werden. Elektronis<strong>ch</strong>e Verarbeitung trat an Stelle von manueller Verarbeitung,<br />
daraus resultierte für die Kunden einfa<strong>ch</strong>ere Transportierbarkeit und Zinsgewinn weil die<br />
Abwicklungszeit von Zahlungen praktis<strong>ch</strong> vers<strong>ch</strong>windet. Die E<strong>ch</strong>tzeit-Abwicklung erlaubt es<br />
den Banken, denselben Geldbetrag mehrmals während eines Tages zu verwenden.<br />
Umlaufges<strong>ch</strong>windigkeit hat si<strong>ch</strong> massiv erhöht.<br />
EXKURS: „WIE DENKEN DIE SCHWEIZER IN GELDFRAGEN?“<br />
In der CH gibt es 4 Geldtypen, die fast glei<strong>ch</strong> stark vertreten sind:<br />
• Safe Player: legt Wert auf finanzielle Si<strong>ch</strong>erheit und Sparen, Geld wi<strong>ch</strong>tiges Ziel im Leben,<br />
eher vermögend, sieht si<strong>ch</strong> sehr kompetent im Umgang mit Geld, negative Si<strong>ch</strong>t zu<br />
Börsen/Aktien/Glücksspiel, Frau/Mann ausgegli<strong>ch</strong>en, Kantonal- oder Raiffeisenbanken.<br />
• Risk Seeker: positive Si<strong>ch</strong>t zu Aktien, bereit für Geldvermehrung Risiken einzugehen, Geld<br />
wi<strong>ch</strong>tiges Ziel, überdur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nittli<strong>ch</strong>es Einkommen/Vermögen, deutli<strong>ch</strong> mehr Männer als<br />
Frauen, Präferenz für Grossbanken CS oder UBS.<br />
• Open Book: gibt gerne Auskunft über seine finanziellen Verhältnisse, ansonsten Geld eher<br />
unwi<strong>ch</strong>tig, negativ zu Börsen/Aktien/Glücksspiel, Einkommen tief, wenig bis kein Vermögen,<br />
weit mehr Frauen als Männer, oft Kunde der Post.<br />
• Money Dummy: ist der S<strong>ch</strong>weizer Dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nitt, finanzielle Si<strong>ch</strong>erheit wi<strong>ch</strong>tig aber au<strong>ch</strong><br />
ni<strong>ch</strong>t zu wi<strong>ch</strong>tig, Mittelfeld bezügli<strong>ch</strong> Einkommen/Vermögen, Frau/Mann ausgegli<strong>ch</strong>en,<br />
präferiert keine bestimmte Hausbank, gibt ni<strong>ch</strong>t gerne Auskunft über seine Finanzen.<br />
WIE ENTSTEHT GELD, WIE WIRD GELD VERNICHTET?<br />
Banknoten zählen erst dann zur Geldmenge, wenn sie über den S<strong>ch</strong>alter der SNB zu den<br />
Banken gelangen (Notenbankgeldmenge) oder zum Publikum (Geldmenge M1).<br />
Geld entsteht aus einem Taus<strong>ch</strong>ges<strong>ch</strong>äft, an den eine inländis<strong>ch</strong>e Bank beteiligt ist.<br />
Bei diesen Taus<strong>ch</strong>ges<strong>ch</strong>äften wird etwas, das Ni<strong>ch</strong>tgeld ist, gegen Geld eingetaus<strong>ch</strong>t.<br />
Zusammenfassung VWL IUR I<br />
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83
1. Die Nationalbank kauf von einer Ges<strong>ch</strong>äftsbank eine Million Dollars.<br />
Die Ges<strong>ch</strong>äftsbank überweist der SNB die eine Million Dollars, die Ni<strong>ch</strong>tgeld sind, und bekommt den<br />
Gegenwert in Sfr. auf ihrem Girokonto gutges<strong>ch</strong>rieben. Die Si<strong>ch</strong>tguthaben der Bank steigen, das bedeutet<br />
einen Anstieg der Notenbankgeldmenge. Die M-Geldmengen bleiben unverändert.<br />
2. Die Nationalbank gewährt einer Ges<strong>ch</strong>äftsbank einen Kredit gegen Werts<strong>ch</strong>riften als Pfand.<br />
Die Ges<strong>ch</strong>äftsbank tritt an die SNB eine Si<strong>ch</strong>erheit ab (Ni<strong>ch</strong>tgeld) und erhält dafür Geld in der Form von<br />
Si<strong>ch</strong>tguthaben. Au<strong>ch</strong> in diesem Fall steigt deshalb die Notenbankgeldmenge, die M-Geldmengen bleiben<br />
unverändert. Transaktionen zwis<strong>ch</strong>en der Nationalbank und den Banken wirken si<strong>ch</strong> auf die M-Geldmengen<br />
ni<strong>ch</strong>t aus, weil sie den Berei<strong>ch</strong> des Publikums ni<strong>ch</strong>t berühren.<br />
3. Eine Bank kauft Obligationen der Firma Leiterli.<br />
Die Bank erhält Werts<strong>ch</strong>riften (Ni<strong>ch</strong>tgeld) und der Firma Leiterli wird der Betrag auf ihrem Bankkonto<br />
gutges<strong>ch</strong>rieben. Die M-Geldmengen steigen an.<br />
4. Eine Bank kauft von einer Gemeinde eine Liegens<strong>ch</strong>aft.<br />
Die Gemeinde übergibt das Eigentum an der Liegens<strong>ch</strong>aft (Ni<strong>ch</strong>tgeld) und erhält dafür eine entspre<strong>ch</strong>ende<br />
Guts<strong>ch</strong>rift auf dem Bankkonto. Die M-Geldmengen steigen.<br />
5. Eine Bank gewährt einen Hypothekarkredit.<br />
Die Bank s<strong>ch</strong>reibt den Betrag ihrem Kunden gut. Als Si<strong>ch</strong>erheit erhält sie das Pfandre<strong>ch</strong>t an der<br />
Liegens<strong>ch</strong>aft (Ni<strong>ch</strong>tgeld). Die M-Geldmengen steigen.<br />
6. Eine Festgeldanlage läuft ab.<br />
Die längerfristige S<strong>ch</strong>uld der Bank wird in eine jederzeit verfügbare S<strong>ch</strong>uld umgewandelt. M1 und M2<br />
steigen, M3 bleibt unverändert.<br />
Kehren wir die oben bes<strong>ch</strong>riebenen Transaktionen um, wir Geld verni<strong>ch</strong>tet.<br />
Nun ist klar, warum man Geld au<strong>ch</strong> als Forderungen an Banken definieren kann, oder<br />
weshalb man Banken au<strong>ch</strong> als Unternehmungen bezei<strong>ch</strong>net, mit deren S<strong>ch</strong>ulden andere<br />
Leute ihre S<strong>ch</strong>ulden bezahlen können. Ist keine inländis<strong>ch</strong>e Bank an einer sol<strong>ch</strong>en<br />
Tau<strong>ch</strong>aktion beteiligt, entsteht au<strong>ch</strong> kein Geld, es we<strong>ch</strong>selt nur den Besitzer. Ni<strong>ch</strong>tgeld in Geld<br />
umwandeln (monetisieren) nennt man au<strong>ch</strong> Monetisierungsfunktion.<br />
Wie wir gesehen haben, kann ni<strong>ch</strong>t nur die SNB Geld s<strong>ch</strong>öpfen, sondern au<strong>ch</strong> die<br />
Ges<strong>ch</strong>äftsbanken!<br />
Bankguthaben sind zwar keine gesetzli<strong>ch</strong> anerkannten Zahlungsmittel (im Gegensatz zu<br />
Bargeld), solange die entspre<strong>ch</strong>ende Bank aber genügend vertrauenswürdig ist, werden sie<br />
wie Bargeld angenommen.<br />
Woher hat die Bank das Geld, das sie einem leiht? Sie hat es selbst gema<strong>ch</strong>t, per<br />
Tastendruck (bei der Überweisung)! Sie kann das ni<strong>ch</strong>t unbegrenzt ma<strong>ch</strong>en, weil man könnte<br />
ja Bargeld abheben wollen, und Bargeld kann sie ni<strong>ch</strong>t selber ma<strong>ch</strong>en. Die Bank muss also<br />
aus eigenem Interesse si<strong>ch</strong>erstellen, dass sie zahlungsfähig (d.h. über genügend<br />
Notenbankgeld verfügt) ist. Daneben existieren gesetzli<strong>ch</strong>e Vors<strong>ch</strong>riften um das<br />
Si<strong>ch</strong>erzustellen. Die Banken haben aber ein dauerndes Liquiditätsoptimierungsproblem, da sie<br />
mehr Si<strong>ch</strong>ts<strong>ch</strong>ulden s<strong>ch</strong>öpfen, als sie Bargeld halten, denn Bargeldhaltung ist mit<br />
Opportunitätskosten verbunden.<br />
Dank des Gelds<strong>ch</strong>öpfungsmultiplikators können die Banken sehr wohl Geld s<strong>ch</strong>öpfen, das<br />
ihm sind die Si<strong>ch</strong>tguthaben doppelt so gross wie das Bargeld. Das funktioniert so:<br />
Gelangt eine Ges<strong>ch</strong>äftsbank aus einem Taus<strong>ch</strong>ges<strong>ch</strong>äft mit der SNB in den Besitz von Fr.<br />
2000.- Notenbankgeld, kann sie davon einen Kredit von beispielsweise Fr. 1600.- an jemand<br />
anderen gewähren. Bereits ist für Fr. 1600.- neues Geld entstanden. Diese 1600.- Fr. werden<br />
aber wieder auf einem Bankkonto landen, und diese Bank wird damit wieder einen Kredit<br />
gewähren und so weiter und so weiter.<br />
Eine Erhöhung der Notenbankgeldmenge hat eine multiplikative Wirkung, weil nur ein Teil<br />
davon als Reserve gehalten wird und der Rest als Kredit verliehen wird. Dieser<br />
Gels<strong>ch</strong>öpfungsmultiplikatorprozess endet erst, wenn der Gesamtwert der Gelder die den<br />
Zusammenfassung VWL IUR I<br />
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84
Reserven zufliessen, den ursprüngli<strong>ch</strong>en Anstieg der Notenbankgeldmenge kompensiert. Der<br />
Gelds<strong>ch</strong>öpfungsmulitplikator kann deshalb folgendermassen bere<strong>ch</strong>net werden:<br />
1/Reservesatz<br />
In unserem Beispiel beträgt der Reservesatz 20%, Multiplikator ist somit 5. Aus einer<br />
Erhöhung der Notenbankgeldmenge von Fr. 2000.- entsteht eine Geldmengenerhöhung von<br />
insgesamt Fr. 10000.-!<br />
In der Realität kann allerdings ni<strong>ch</strong>t damit gere<strong>ch</strong>net werden, dass das Geld jeweils wieder im<br />
vollen Umgang auf ein Bankkonto gelangt. Wollen die Individuen ni<strong>ch</strong>t nur Si<strong>ch</strong>teinlagen bei<br />
Banken, sondern au<strong>ch</strong> etwas Bargeld halten, sagen wir 5%, dann verkleinert si<strong>ch</strong> der<br />
Multiplikator:<br />
1<br />
Multiplikator = --------------------- (Herzli: PUNKT VOR STRICH!!!)<br />
r + (1 - r) * c<br />
r = Reservesatz c = Bargeldsatz<br />
Re<strong>ch</strong>enbeispiele:<br />
DIE ROLLE DER SCHWEIZERISCHEN NATIONALBANK<br />
Gründung im Jahr 1906, Aktiengesells<strong>ch</strong>aft, zu rund 2/3 im Besitz von Kantonen und<br />
Kantonalbanken, unter Aufsi<strong>ch</strong>t des Bankenrat (politis<strong>ch</strong>e Behörde), Ges<strong>ch</strong>äftsführung von<br />
einem 3-köpfigen Direktorium (vom Bundesrat gewählt, aber in Geldpolitik autonom).<br />
Sie hat das Notenmonopol, ihr Produkt ist also ganz speziell: Sie ma<strong>ch</strong>t S<strong>ch</strong>weizer Franken<br />
und setzt diese dur<strong>ch</strong> Ges<strong>ch</strong>äfte mit den Banken in Umlauf. Sie ma<strong>ch</strong>t Gewinne, au<strong>ch</strong> denn<br />
das ni<strong>ch</strong>t ihr Zweck ist. Eine weitere Besonderheit ist ihr öffentli<strong>ch</strong>er Auftrag:<br />
Hauptaufgabe der Nationalbank ist gemäss Bundesverfassung Art. 99:<br />
„ Die SNB führ als unabhängige Zentralbank eine Geld- und Währungspolitik, die dem<br />
Gesamtinteresse des Landes dient.“<br />
Wie andere Unternehmen hat sie au<strong>ch</strong> Mitarbeiter (rund 500), wel<strong>ch</strong>e aber CH-Bürger und in<br />
der CH wohnhaft sein müssen, und sie führt au<strong>ch</strong> ein Erfolgsre<strong>ch</strong>nung und eine Bilanz.<br />
Nationalbankbilanz<br />
• Aktivseite: Auf der Aktivseite unters<strong>ch</strong>eidet si<strong>ch</strong> die Bilanz der SNB von andere Bilanzen<br />
dur<strong>ch</strong> den hohen Anteil des Goldes und der Devisen. Die SNB war bis 1954 verpfli<strong>ch</strong>tet von<br />
Gesetzes wegen, ausstehende Banknoten auf Verlangen zu einem fixen Preis gegen Gold<br />
einzutaus<strong>ch</strong>en. Dadur<strong>ch</strong> konnte das Vertrauen in die „bunten Papiere“ ges<strong>ch</strong>affen werden.<br />
Bis zum Jahr 2000 besass die Nationalbank rund 2600 Tonnen Gold. Seit dem 1.Januar<br />
2000 ist eine neue Währungsverfassung in Kraft, in wel<strong>ch</strong>er die Bindung des Frankens an<br />
das Gold gänzli<strong>ch</strong> aufgelöst wurde. Nun verkauft sie s<strong>ch</strong>rittweise ihr Gold. Die<br />
Devisenbestände nehmen au<strong>ch</strong> einen grossen Posten auf der Aktivseite ein, genauso wie<br />
die Repo-Ges<strong>ch</strong>äfte (dazu später mehr).<br />
• Passivseite: Auf der Passivseite springt sofort der Posten Notenumlauf ins Auge, die<br />
Nationalbanken sind die einzigen Unternehmen die Noten auf der Passivseite ausweisen.<br />
Das liegt daran, dass der Notenumlauf eine S<strong>ch</strong>uld der Nationalbank spiegelt, früher<br />
einlösbar gegen Gold, heute ist diese S<strong>ch</strong>uld nur no<strong>ch</strong> fiktiver Natur. Der zweite typis<strong>ch</strong>e<br />
Passivposten sind die Giroguthaben der Banken. Sie dienen in erster Linie als<br />
Zahlungsmittel zwis<strong>ch</strong>en den Banken. Zudem sind sie für die Banken das Hauptinstrument<br />
zur Steuerung ihrer Liquidität. (Notenumlauf und Giroguthaben der Banken bilden<br />
zusammen die Notenbankgeldmenge).<br />
Zusammenfassung VWL IUR I<br />
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Die gekauften Vermögenswerte, vorab Devisen und Werts<strong>ch</strong>riften, bringen Zinserträge, die<br />
der SNB Gewinne ermögli<strong>ch</strong>en.<br />
DIE INSTRUMENTE DER SNB ZUR KONTROLLE DER GELDMENGE<br />
Den Notenumlauf kann die SNB insofern ni<strong>ch</strong>t direkt bestimmen, als sie ihn der<br />
Bargeldhaltung und den Zahlungsgewohnheiten der Haushalte und Unternehmungen anpasst.<br />
Liquiditätsbedürfnisse sind erfahrungsgemäss sehr ho<strong>ch</strong> am Monatsende, Quartalsende, oder<br />
Jahresende.<br />
Deswegen erfolgt die tägli<strong>ch</strong>e Steuerung in zwei S<strong>ch</strong>ritten:<br />
Im ersten S<strong>ch</strong>ritt werden die Veränderungen der Giroguthaben ohne Zutun der SNB mögli<strong>ch</strong>st<br />
genau prognostiziert. Im zweiten S<strong>ch</strong>ritt werden die geldpolitis<strong>ch</strong>en Instrumente so eingesetzt,<br />
dass sie wieder den gewüns<strong>ch</strong>ten Stand errei<strong>ch</strong>en.<br />
Will die SNB die Versorgung mit Geld erhöhen, gewährt sie Kredite oder kauft Wertpapiere zu<br />
attraktiven Konditionen. Das Geld s<strong>ch</strong>reibt sie den Girokonten der Banken gut, die Banken<br />
gewähren daraufhin ihrerseits den Kunden mehr Kredite, der Gelds<strong>ch</strong>öpfungsmultiplikator<br />
setzt si<strong>ch</strong> in Gang.<br />
Folgende geldpolitis<strong>ch</strong>en Instrumente setzt sie dabei ein:<br />
• Lombardkredite<br />
• In Notfällen können die Banken allfällige Liquiditätsengpässe au<strong>ch</strong> mit Lombardkrediten<br />
überbrücken. Beim Lombardkredit hinterlegen die Banken als Si<strong>ch</strong>erheit bestimmte<br />
Wertpapiere und erhalten dafür eine Kreditlimite. Der Zinssatz heisst Lombardsatz.<br />
• Repo (Repur<strong>ch</strong>ase Agreement)<br />
• Das am häufigsten eingesetzte Instrument zur Steuerung der Geldversorgung. Bei diesem<br />
Ges<strong>ch</strong>äft kauf die Nationalbank von einer Bank Wertpapiere – die bezügli<strong>ch</strong> der Liquidität,<br />
der Art der Titel sowie der S<strong>ch</strong>uldnerkategorie bestimmte Anforderungen erfüllen müssen –<br />
und vereinbart, dass die Bank diese Wertpapiere na<strong>ch</strong> einer bestimmten Zeit wieder zurück<br />
kauft. Die Laufzeiten liegen zwis<strong>ch</strong>en einem Tag und wenigen Monaten. Während der<br />
Laufzeit des Ges<strong>ch</strong>äftes verlangt die SNB einen Zinssatz, den Repo-Satz.<br />
• Devisenwap<br />
• Die SNB kauft von den Banken au<strong>ch</strong> ausländis<strong>ch</strong>e Währungen (Devisen). Als Devisenwap<br />
bezei<strong>ch</strong>net man dieses Ges<strong>ch</strong>äft, wenn sie die Devisen glei<strong>ch</strong>zeitig wieder verkauft auf<br />
einen späteren Zeitpunkt hin. Der Swap ist wie der Repo eine Verbindung zwis<strong>ch</strong>en einem<br />
Kassa- und einem Terminges<strong>ch</strong>äft. Früher waren Devisenwaps sehr häufig, heute eher<br />
spärli<strong>ch</strong>. Die übli<strong>ch</strong>en Swaplaufzeiten liegen zwis<strong>ch</strong>en einem und se<strong>ch</strong>s Monaten.<br />
Will sie die Geldmenge reduzieren, erhöht sie den Repo-Satz, zusätzli<strong>ch</strong> könnte sie den<br />
Lombardsatz erhöhen oder Devisen verkaufen. Dadur<strong>ch</strong> reduzieren si<strong>ch</strong> die Giroguthaben der<br />
Banken, die deshalb in ihrer Kreditgewährung einges<strong>ch</strong>ränkt werden: Das<br />
Gelds<strong>ch</strong>öpfungspotenzial der Banken wird kleiner.<br />
Nebst diesen Instrumente kann die SNB au<strong>ch</strong> andere Vermögenswerte kaufen/verkaufen. Tut<br />
sie das mit Werts<strong>ch</strong>riften, nennt man das Offenmarktges<strong>ch</strong>äft.<br />
Mindestreservevors<strong>ch</strong>riften dienen ni<strong>ch</strong>t zur Steuerung der Geldmengen, aber sie sorgen<br />
dafür, dass die Banken über genügend Liquidität verfügen.<br />
FED = Federal Reserve System<br />
Während die SNB Gold und Devisen monetisiert hat, verwandelt das FED vor allem die<br />
Staatss<strong>ch</strong>ulden in Geld.<br />
Die SNB setzt folgende geldpolitis<strong>ch</strong>en Instrumente ein:<br />
Zusammenfassung VWL IUR I<br />
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• Repo-Ges<strong>ch</strong>äfte<br />
• Devisenwaps<br />
• Lombardkredite<br />
Zur Si<strong>ch</strong>erung der Liquidität im Bankensektor enthält das Nationalbankengesetz<br />
Mindestreservevors<strong>ch</strong>riften.<br />
DIE GELDPOLITIK DER SNB UND IHRE WIRKUNGEN<br />
Im Jahr 1973 war der Übergang von fixen zu flexiblen We<strong>ch</strong>selkursen, dadur<strong>ch</strong> bekam die<br />
SNB die Mögli<strong>ch</strong>keit eine eigenständige Geldpolitik zu führen.<br />
Auf den Jahreswe<strong>ch</strong>sel 1999/2000 hin hat die SNB die bedeutendste Änderung seit 1973<br />
vorgenommen. Das neue Konzept beruht auf drei Pfeilern:<br />
1. Inflationsziel: Das Hauptziel der SNB ist die Wahrung der Preisstabilität. Darunter versteht<br />
man einen Anstieg des Landesindex der Konsumentenpreise um weniger als 2%! Au<strong>ch</strong> die<br />
Senkung des Preisniveaus (eine Deflation) will die SNB via Geldpolitik verhindern.<br />
2. Inflationsprognose: Veränderungen in der Geldpolitik s<strong>ch</strong>lagen si<strong>ch</strong> in der Wirts<strong>ch</strong>aft ni<strong>ch</strong>t<br />
unmittelbar, sondern verzögert nieder. Deshalb kann si<strong>ch</strong> die SNB bei ihren geldpolitis<strong>ch</strong>en<br />
Ents<strong>ch</strong>eiden ni<strong>ch</strong>t auf die aktuellen Inflationsraten stützen, sondern auf die<br />
Inflationsprognosen für die folgenden drei Jahre. Gibt es dabei Abwei<strong>ch</strong>ungen von der<br />
Preisstabilität, müssen Anpassungen vorgenommen werden. Bei einem Preisanstieg von<br />
mehr als 2% strafft sie die geldpolitis<strong>ch</strong>en Zügel, droht hingegen eine Rezession bei<br />
sinkender Preistendenz, stellt sie der Wirts<strong>ch</strong>aft mehr Geld zur Verfügung.<br />
3. Zinszielband für den Libor-Satz: Zur Umsetzung ihrer Strategie steuert die SNB den<br />
Zinssatz für Anlagen mit einer Laufzeit von drei Monaten: Den Libor-Satz (London<br />
Interbank Offered Rate). Diesen Zinssatz verlangen grosse Banken untereinander für 3-<br />
Monats-Anlagen in S<strong>ch</strong>weizer Franken untereinander. Wird tägli<strong>ch</strong> in London fixiert. SNB<br />
legt als Leitplanke ein Zielband mit einer S<strong>ch</strong>wankungsbreite von einem Prozentpunkt für<br />
den Zinssatz fest. Sie kann den Libor ni<strong>ch</strong>t direkt beeinflussen, seine Steuerung erfolgt<br />
indirekt über Repo-Ges<strong>ch</strong>äfte, mit denen dem Markt Liquidität zugeführt oder abgezogen<br />
wird.<br />
LANGFRISTIGE WIRKUNGEN DER GELDPOLITIK<br />
Langfristig wirkt si<strong>ch</strong> die Geldpolitik vor allem auf das Preisniveau bzw. die Inflationsrate aus.<br />
Diese These ist na<strong>ch</strong> wie vor anerkannt und kann si<strong>ch</strong> auf jahrelange empiris<strong>ch</strong>e Analysen<br />
stützen. Der grundlegende Zusammenhang zwis<strong>ch</strong>en Geldversorgung und Preisstabilität ist<br />
also unbestritten. Der Ausgangspunkt für die Analyse der Geldpolitik besteht in der Einsi<strong>ch</strong>t,<br />
dass die Produktionsmögli<strong>ch</strong>keiten einer Volkswirts<strong>ch</strong>aft langfristig angebotsseitig bestimmt<br />
sind, d.h. dur<strong>ch</strong> die Produktionsfaktoren. Langfristiges Wa<strong>ch</strong>stum und mehr Bes<strong>ch</strong>äftigung<br />
könne daher ni<strong>ch</strong>t einfa<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> eine Erhöhung der Geldmenge gekauft werden.<br />
Eine einmalige Erhöhung des Geldangebots wird langfristig dur<strong>ch</strong> einen Anstieg des<br />
Preisniveaus an das real konstante Angebot angepasst. Zwis<strong>ch</strong>en der Veränderung der<br />
Geldmenge und der Wirkung auf das Preisniveau entstehen aber Wirkungsverzögerungen.<br />
Die ersten Reaktionen setzen zwar unmittelbar ein, bis es si<strong>ch</strong> aber die Preise nieders<strong>ch</strong>lägt<br />
vergehen erfahrungsgemäss zwei bis drei Jahre.<br />
KURZFRISTIGE WIRKUNGEN DER GELDPOLITIK<br />
Über die kurzfristigen Wirkungen der Geldpolitik divergieren die Ansi<strong>ch</strong>ten der Experten stark.<br />
Die erhoffte Wirkungskette kann folgendermassen ges<strong>ch</strong>ildert werden:<br />
• Zinsen sinken: Dur<strong>ch</strong> eine expansive Geldpolitik steigt das Geldangebot, höheres Angebot<br />
führt zu sinkenden Zinsen, das si<strong>ch</strong> die Geldangebotskurve na<strong>ch</strong> re<strong>ch</strong>ts vers<strong>ch</strong>iebt.<br />
• Investitionen steigen: Höheres Geldangebot führt zu höherem Kreditspielraum, der dur<strong>ch</strong><br />
die tieferen Zinsen ausgenutzt wird: die Ausgaben für Investitionen steigen.<br />
Zusammenfassung VWL IUR I<br />
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87
• Nettoexperte steigen: Zinssenkungen führen zu geringerer Na<strong>ch</strong>frage na<strong>ch</strong> S<strong>ch</strong>weizer<br />
Franken, der si<strong>ch</strong> deshalb abwertet. Dadur<strong>ch</strong> werden die Exporte stimuliert und die Importe<br />
s<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>en si<strong>ch</strong> ab, die Nettoexporte steigen (Export – Importe).<br />
• BIP stiegt: Investitionssteigerungen und Exportanstieg erhöhen die Produktion und die<br />
Einkommen. Mit steigendem Einkommen steigt der Konsum, Multiplikatorprozesse werden<br />
ausgelöst und das BIP steigt.<br />
Gegen diese Wirkungskette können folgende Einwände vorgebra<strong>ch</strong>t werden:<br />
• Zinsen sinken ni<strong>ch</strong>t und die Investitionen steigen ni<strong>ch</strong>t. Grund dafür ist die Liquiditäts- und<br />
Investitionsfalle. Au<strong>ch</strong> wenn sie ni<strong>ch</strong>t zus<strong>ch</strong>nappt ist mit einer Wirkungsverzögerung von ca.<br />
2 Jahren zu re<strong>ch</strong>nen. Wenn dann zudem die meisten Investitionsgüter importiert werden,<br />
erhöht si<strong>ch</strong> die Inlandna<strong>ch</strong>frage ni<strong>ch</strong>t.<br />
• Sinkender S<strong>ch</strong>weizer Franken bedeutet, dass wir für Importe mehr bezahlen müssen.<br />
Konstante Importe bei tiefem Franken erhöhen die Importkosten, andererseits erhöht der<br />
tiefe Franken au<strong>ch</strong> die Na<strong>ch</strong>frage aus dem Ausland. Sinkt allerdings der Preis stärker als<br />
die Exportmenge zunimmt, sinken au<strong>ch</strong> die Exporterlöse. Kurzfristig sinken Die<br />
Nettoexporte, erst langfristig nehmen sie zu. Diese Anpassungsmuster wird als J-Kurveneffekt<br />
bezei<strong>ch</strong>net, da graphis<strong>ch</strong> gesehen die Nettoexporte zuerst sinken bis längerfristig die<br />
Kurve im J errei<strong>ch</strong> wird.<br />
• Selbst wenn oben genannte Fälle ni<strong>ch</strong>t eintreten kann die Wirkung bes<strong>ch</strong>eiden sein,<br />
nämli<strong>ch</strong> wenn die Wirts<strong>ch</strong>aftssubjekte ihren Konsum ni<strong>ch</strong>t oder nur geringfügig erhöhen und<br />
demzufolge der Multiplikator entspre<strong>ch</strong>end klein ausfällt. Warum sollte der Konsum ni<strong>ch</strong>t<br />
steigen?<br />
Theorie der rationalen Erwartungen: Wirts<strong>ch</strong>aftssubjekte lassen si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t systematis<strong>ch</strong><br />
täus<strong>ch</strong>en, sondern bilden ihre Erwartung in voller Kenntnis der wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Zusammenhänge.<br />
Unter dieser Annahme hat eine Erhöhung der Geldmenge au<strong>ch</strong> kurzfristig nur eine<br />
sehr bes<strong>ch</strong>eidene Auswirkung.<br />
DIE ENTWICKLUNG VON GELDMENGE, ZINSEN, INFLATION UND BIP<br />
1. Die Entwicklung des Zinszielbandes: 2000 veröffentli<strong>ch</strong>te die SNB erstmals ein<br />
Zinszielband für den Dreimonats-Libor. Als die Konjunktur anzog erhöhte sie ihr Zielband in<br />
drei S<strong>ch</strong>ritten, als die Konjunktur abfla<strong>ch</strong>te senkte sie das Zinszielband auf einen<br />
rekordtiefen Stand.<br />
2. Die Entwicklung der Geldmenge und der kurzfristigen Zinsen: Herbst 1987 bra<strong>ch</strong> die<br />
Finanzmärkte drastis<strong>ch</strong> ein, die SNB leitete eine expansive Geldpolitik ein. Daraufhin stieg<br />
die Inflation, worauf die SNB ums<strong>ch</strong>wenkte auf eine restriktive Geldpolitik die bis 1992<br />
anhielt. Von 1993 bis 1999 stieg die Geldmenge M1 relativ stark an, M3 wu<strong>ch</strong>s deutli<strong>ch</strong><br />
weniger stark, weil Termineinlagen bei tiefen Zinsen ni<strong>ch</strong>t attraktiv sind. Die Geldmenge M1<br />
und die kurzfristigen Zinsen entwickeln si<strong>ch</strong> sehr Syn<strong>ch</strong>ron.<br />
3. Die Entwicklung der Zinsstruktur: Die kurzfristigen Zinsen entwickeln si<strong>ch</strong> in enger<br />
Abhängigkeit zur Geldmenge. Ein Anstieg der Geldmenge ist mit sinkenden Zinssätzen<br />
verbunden und umgekehrt. Die langfristigen Zinsen werden stark vom erwarteten<br />
Wirts<strong>ch</strong>aftswa<strong>ch</strong>stum und der erwarteten Inflation beeinflusst. Normalerweise sind die<br />
langfristigen Zinssätze höher als die kurzfristigen. Eine Situation, in der die kurzfristigen<br />
Zinse höher sind als die langfristigen, wird als inverse Zinsstruktur bezei<strong>ch</strong>net.<br />
4. Die Entwicklung der Geldmenge und der Inflation: Die expansive Geldpolitik als<br />
Reaktion auf den Börsencrash von 1987 führte mit einer Verzögerung von drei Jahren zum<br />
Anstieg der Inflation auf 5,9% im Jahre 1991. Der eingeleitet Bremsvorgang von 1989<br />
zeigte erst na<strong>ch</strong> drei Jahren seine Wirkung, 1992 begann die Inflation zu sinken. Seither ist<br />
Inflation kein Thema mehr. In den Jahren 2001 und 2002 stiegen sogar die Ängste vor einer<br />
drohenden Deflation. Als Fazit muss man si<strong>ch</strong> merken: Die Geldmengenveränderungen<br />
wirken verzögert auf die Inflation!<br />
Zusammenfassung VWL IUR I<br />
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5. Die Entwicklung der Geldmenge und des BIP: Na<strong>ch</strong> dem Einbru<strong>ch</strong> der Konjunktur zu<br />
Beginn der neunziger Jahre dümpelte das BIP mehr oder weniger vor si<strong>ch</strong> hin, mit<br />
Ausnahme des Jahres 2003 (+3.2%), um si<strong>ch</strong> dana<strong>ch</strong> wieder gegen null zu bewegen.<br />
Die Geldpolitik kann nur kurzfristige Auswirkungen auf das BIP haben und zweitens wird das<br />
BIP zusätzli<strong>ch</strong> zur Geldmenge und den Zinsen von vielen anderen Faktoren mitbestimmt.<br />
Das neue geldpolitis<strong>ch</strong>e Konzept der SNB stützt si<strong>ch</strong> auf drei Pfeiler ab:<br />
• Preisstabilität (Preissteigerungen von hö<strong>ch</strong>stens 2%),<br />
• Inflationsprognosen und<br />
• Festlegung eines Zinszielbandes für den Dreimonats-Libor.<br />
Langfristige Hoffnungen dur<strong>ch</strong> expansive Geldpolitik dauerhaftes Wa<strong>ch</strong>stum und<br />
Bes<strong>ch</strong>äftigungsgewinne zu erzielen, dürften vergebens sein. Kurzfristig hingegen hat die<br />
Geldpolitik reale Wirkungen auf die Wirts<strong>ch</strong>aft.<br />
DER LANDESINDEX DER KONSUMENTENPREISE: FIEBERMESSER DER INFLATION<br />
Der Landesindex der Konsumentenpreise (LIK) misst die Preisveränderungen eines<br />
repräsentativen Korbes von Waren und Dienstleistungen, die von Haushalten zu<br />
Konsumzwecken gekauft werden. Steigt das Preisniveau, sinkt der Wert des Geldes. Ein<br />
sinkender Geldwert bedeutet Inflation.<br />
Für die Preise ist das Spiel von Angebot und Na<strong>ch</strong>frage verantwortli<strong>ch</strong>. Steigt die Gesamtheit<br />
der Preise, spri<strong>ch</strong>t man von Inflation. Zur Messung der Preisänderungen wird ein Korb von ca.<br />
1050 Waren und Dienstleistungen benutzt. Die Konsequenzen eines Preisanstiegs sind<br />
natürli<strong>ch</strong> für die Konsumenten unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>, je na<strong>ch</strong> dem ob es si<strong>ch</strong> um ein Gut handelt,<br />
das in seiner Ausgabenstruktur eine bedeutende Rolle einnimmt oder ni<strong>ch</strong>t. Deshalb werde<br />
die Waren und DL im Korb so gewi<strong>ch</strong>tet, wie ihr Anteil am Haushaltsbudget ist. Steigen die<br />
Wohnungsmieten um 10%, lässt das den LIK und die Inflation stark steigen, steigen hingegen<br />
die Preise für Kartoffeln um 10%, erbost das zwar Kartoffelliebhaber, geht aber am LIK und an<br />
der Inflation fast spurlos vorüber.<br />
WAS DER LIK NICHT ENTHÄLT<br />
Ni<strong>ch</strong>t alle Ausgaben eines Haushaltes fliessen in den LIK ein, insbesondere die direkten<br />
Steuern, die Prämien für Sozialversi<strong>ch</strong>erungen, die Motorfahrzeugsteuer und<br />
Haftpfli<strong>ch</strong>tversi<strong>ch</strong>erung ebenso wie die Krankenkassenprämien fehlen. Diese Ausgaben<br />
ma<strong>ch</strong>en aber ca. 37% aller Ausgaben eines Haushaltes aus. Der Grund ist, dass si<strong>ch</strong> der LIK<br />
am „Privaten Konsum“ der Volkswirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Gesamtre<strong>ch</strong>nung orientiert. (Deshalb werden<br />
ni<strong>ch</strong>t die KK-Prämien gemessen, sondern Preise für Medikamente, Arzt- und Spitalkosten).<br />
Der LIK stellt die Entwicklung der Preise der für die Konsumenten bedeutsamen Waren und<br />
Dienstleistungen dar und ni<strong>ch</strong>t die Entwicklung der Lebenshaltungskosten. Deshalb werden<br />
wi<strong>ch</strong>tige Teuerungseffekte im LIK ni<strong>ch</strong>t erfasst.<br />
Das neue Indexsystem ist deshalb so aufgebaut, dass mit Hilfe von preisstatistis<strong>ch</strong>en<br />
„Bausteinen“ unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>e Indexkonzepte realisiert werden können.<br />
MISST DER LIK DIE TEUERUNG RICHTIG?<br />
Bis zur nä<strong>ch</strong>sten Revision des LIK ist der Warenkorb fix. Veränderungen der<br />
Konsumgewohnheiten z.B. auf Grund neuer Güter können bis dahin ni<strong>ch</strong>t berücksi<strong>ch</strong>tigt<br />
werden. Ebenso wird dem Substitutionseffekt (der Konsument reagiert auf einzelne<br />
Preiserhöhungen indem er auf andere Güter ums<strong>ch</strong>wenkt) ni<strong>ch</strong>t Re<strong>ch</strong>nung getragen werden,<br />
und Qualitätssteigerungen als Ursa<strong>ch</strong>e für Preissteigerungen werden au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t<br />
berücksi<strong>ch</strong>tigt. Gemäss einer Expertengruppe weist der LIK die Teuerung in der CH um 0,5%<br />
zu ho<strong>ch</strong> aus.<br />
Zudem erfährt der einzelne Konsument die Teuerung entspre<strong>ch</strong>end des LIK nur, wenn seine<br />
Konsumgewohnheiten dem Dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nitt entspre<strong>ch</strong>en, das ist aber lange ni<strong>ch</strong>t immer der Fall.<br />
Zusammenfassung VWL IUR I<br />
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Mängel des LIK führen zu einer Überzei<strong>ch</strong>nung der Teuerung.<br />
DIE BEDEUTUNG DES LIK<br />
Dass ein hoher Uns<strong>ch</strong>ärfeberei<strong>ch</strong> existiert, ist keineswegs belanglos, geht der<br />
Konsumentenpreisindex do<strong>ch</strong> in sämtli<strong>ch</strong>e wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Ents<strong>ch</strong>eidungen ein.<br />
Viele Posten des öffentli<strong>ch</strong>en Budgets sind indexgebunden (z.B. Renten), vom Staat gesetzte<br />
Preise/Löhne/Mieten/Verträge und Investitionsre<strong>ch</strong>nungen in den Unternehmen beruhen auf<br />
den Zahlen des LIK, 0,1% mehr oder weniger Teuerungsausglei<strong>ch</strong> bedeuten rund 200 Mio.<br />
mehr oder weniger in helvetis<strong>ch</strong>en Lohntüten. Die je na<strong>ch</strong> Inflationsraten steigenden oder<br />
sinkenden Zinsen können zudem zu gigantis<strong>ch</strong>en Korrekturen and der Wertpapierbörse<br />
führen.<br />
DER „RICHTIGE“ MASSSTAB FÜR DIE TEUERUNG: DIE KERNINFLATION<br />
Ziel der Kerninflation ist es, die Preisentwicklung jener Güter zu erfassen, wel<strong>ch</strong>e die<br />
Nationalbank mit ihrer Geldpolitik au<strong>ch</strong> beeinflussen kann. In der Regel werden Energieträger,<br />
Nahrungsmittel und oft au<strong>ch</strong> die indirekten Steuern, deren Preisentwicklung mit der Geldpolitik<br />
eben ni<strong>ch</strong>ts zu tun haben, zu Bestimmung der Kerninflation eliminiert.<br />
URSACHEN UND FOLGEN EINER INFLATION<br />
WELCHE INFLATIONSURSACHEN WERDEN UNTERSCHIEDEN?<br />
Inflation lässt si<strong>ch</strong> grundsätzli<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> drei theoretis<strong>ch</strong>e Ansätze erklären:<br />
1. Der monetaristis<strong>ch</strong>e Ansatz<br />
Die SNB erhöht die Geldmenge einfa<strong>ch</strong> so und verteilt das neu gedruckte Geld in der<br />
Bevölkerung. Die Leute könnten mehr kaufen, der Anstieg der Güterna<strong>ch</strong>frage würde zu<br />
einem Anstieg des Preisniveaus führen, der Wert des Geldes würde sinken, es käme zur<br />
Inflation, das Ges<strong>ch</strong>enk der SNB hätte si<strong>ch</strong> in Luft aufgelöst. Eine längere und grössere<br />
Inflation erfolgt nur dass, wenn die Geldmenge entspre<strong>ch</strong>end stark wä<strong>ch</strong>st.<br />
2. Die Na<strong>ch</strong>frageinflation<br />
Bei der Na<strong>ch</strong>frageinflation werden Preissteigerungen dur<strong>ch</strong> einen Na<strong>ch</strong>frageübers<strong>ch</strong>uss<br />
na<strong>ch</strong> Gütern oder DL erklärt. Eine Zunahme des Konsums, der Na<strong>ch</strong>frage na<strong>ch</strong><br />
Investitionsgütern, der Na<strong>ch</strong>frage des Auslands oder der Staatausgaben können höhere<br />
Preise auslösen. Dieser Inflationsprozess wird allerdings mit der Zeit zusammenbre<strong>ch</strong>en,<br />
wenn die SNB die Geldmenge ni<strong>ch</strong>t entspre<strong>ch</strong>end ausweitet. Eine Erhöhung der<br />
Geldmenge ist also au<strong>ch</strong> Bedingung für einen lang anhaltenden Prozess der<br />
Na<strong>ch</strong>frageinflation.<br />
3. Die Angebotsinflation<br />
Bei diesem Ansatz werden Preiserhöhungen auf steigende Kosten oder auf höhere<br />
Gewinnsaufs<strong>ch</strong>läge zurückgeführt. Beim Kostendruckansatz werden erhöhte<br />
Produktionskosten auf den Konsumenten überwälzt. Die Unternehmer versu<strong>ch</strong>en die<br />
Kosten auf die Preise zu überwälzen, die Arbeitnehmer verlangen aufgrund der<br />
steigenden Preise höhere Löhne: Die Lohn-Preis-Spirale setzt si<strong>ch</strong> in Gang. Erhöhen si<strong>ch</strong><br />
die Preise dur<strong>ch</strong> Abgaben wie die MWSt. so werden au<strong>ch</strong> hier höhere Löhne gefordert<br />
aufgrund der höheren Preise: Die Preis-Lohn-Spirale setzt si<strong>ch</strong> in Gang.<br />
Liegt der Ursprung für den Preisanstieg bei teuerer werdenden Importen, spri<strong>ch</strong>t man von<br />
importierter Inflation.<br />
WAS SIND DIE FOLGEN EINER INFLATION?<br />
Es treten immer einige Probleme auf.<br />
• Inflation führt zu ungere<strong>ch</strong>ten Einkommens- und Vermögensverteilungen<br />
Hauptbena<strong>ch</strong>teiligte sind die Gläubiger, da der Wert ihrer Forderungen mit zunehmender<br />
Inflationsrate und Zeitdauer abnimmt. Ist der Zins auf dem Sparbu<strong>ch</strong> kleiner als die<br />
Zusammenfassung VWL IUR I<br />
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Inflationsrate, wird der reale Wert der Ersparnisse kleiner. Die Wertaufbewahrungsfunktion<br />
des Geldes leidet also unter der Inflation. Der Verlust der Gläubiger ist der Gewinn der<br />
S<strong>ch</strong>uldner. Zudem bewirkt die Inflation eine Umverteilung zwis<strong>ch</strong>en dem Geld- und<br />
Sa<strong>ch</strong>vermögensbesitzern: Geld verliert im Gegensatz zu Sa<strong>ch</strong>vermögen real an Wert. Ein<br />
weiterer Verteilungseffekt betrifft den Realwert der Steuers<strong>ch</strong>ulden. Die Inflation bringt den<br />
Steuerzahler in höhere Steuerklassen, deshalb steigt der Realwert ihrer Steuerzahlung<br />
bzw. das reale verfügbare Einkommen sinkt; man spri<strong>ch</strong>t in diesem Fall von kalter<br />
Progression.<br />
• Inflation verzerrt die Preissignale und führt zu einer ineffizienten Allokation der<br />
Ressourcen<br />
Je instabiler der Geldwert ist, desto mehr leidet au<strong>ch</strong> die Funktion des Geldes als<br />
Re<strong>ch</strong>eneinheit. Preisverglei<strong>ch</strong>e führen in Zeiten von grossen Preiss<strong>ch</strong>wankungen zu<br />
Fehlents<strong>ch</strong>eidungen, die Märkte verlieren ihre Fähigkeit si<strong>ch</strong> selbst zu regulieren, die<br />
Allokationsfunktion quittiert ihren Dienst. Es kommt zu Marktverzerrungen und<br />
Effizienzverlusten. Deshalb leiden unter einer hohen Inflation au<strong>ch</strong> das Wa<strong>ch</strong>stum und der<br />
Wohlstand einer Volkswirts<strong>ch</strong>aft. In extremen Fällen der Inflation verliert das Geld sogar<br />
seine Funktion als Zahlungsmittel. Dann wird entweder auf ausländis<strong>ch</strong>e Währungen<br />
zurückgegriffen oder reale Güter übernehmen die Funktion des Geldes.<br />
Hauptursa<strong>ch</strong>en für Inflation sind eine übermässige Ausdehnung der Geldmenge, ein<br />
Na<strong>ch</strong>frageübers<strong>ch</strong>uss und steigende Produktionskosten. Inflation führt zu Einkommens- und<br />
Vermögensumverteilungen, zu Markverzerrungen und Effizienzverlusten.<br />
EXKURS: „DIE PHILLIPSKURVE (PK), EINE ‚MENÜ-KARTE’ ZUR AUSWAHL VON INFLATION UND<br />
ARBEITSLOSIGKEIT?“<br />
Die keynesianis<strong>ch</strong>e Phillips-Kurve<br />
Die PK untersu<strong>ch</strong>t den Zusammenhang zwis<strong>ch</strong>en Arbeitslosigkeit und Inflation. Man zog aus<br />
ihr den S<strong>ch</strong>luss, dass man es in der Wirts<strong>ch</strong>aftspolitik mit einem trade-off, einer Austaus<strong>ch</strong>beziehung<br />
zwis<strong>ch</strong>en Inflation und Arbeitslosigkeit zu tun habe: Wolle man die Arbeitslosigkeit<br />
reduzieren, so habe man eine höhere Inflation und Kauf zu nehmen; bekämpfe man die<br />
Inflation, so sei der Preis dafür eine hohe Arbeitslosigkeit. Eine fla<strong>ch</strong>e, negativ geneigte PK<br />
gibt somit vor, dass Politiker zwis<strong>ch</strong>en vers<strong>ch</strong>iedene Kombinationen von Arbeitslosigkeit und<br />
Inflation wählen können<br />
Die monetaristis<strong>ch</strong>e PK<br />
Die monetaristis<strong>ch</strong>e Gegenrevolution bra<strong>ch</strong>te die PK in die Senkre<strong>ch</strong>te und widerlegte damit<br />
jegli<strong>ch</strong>en „Menü-Gedanken“: Aktive Geld- und Fiskalpolitik beeinflussen nur das Preisniveau,<br />
ni<strong>ch</strong>t aber die Bes<strong>ch</strong>äftigung. Denn in den empiris<strong>ch</strong>en Analysen hat sein ein einfa<strong>ch</strong>er tradeoff<br />
zwis<strong>ch</strong>en Inflation und Arbeitslosigkeit ni<strong>ch</strong>t bestätigt. Eine expansive Politik wurde als<br />
Vers<strong>ch</strong>iebung der Kurve na<strong>ch</strong> re<strong>ch</strong>ts gedeutet, wodur<strong>ch</strong> die mögli<strong>ch</strong>en Kombinationen immer<br />
unerfreuli<strong>ch</strong>er wurden.<br />
Der Einfluss der rationalen Erwartungen<br />
Na<strong>ch</strong>dem die Marktteilnehmer Erfahrungen mit einer expansiven, inflationären<br />
Wirts<strong>ch</strong>aftspolitik gema<strong>ch</strong>t hatten, bauen sie na<strong>ch</strong> dieser Theorie die Inflationsprognosen in<br />
ihre Erwartungen über die Preis- und Lohnentwicklung mit ein, so dass die PK eben na<strong>ch</strong><br />
re<strong>ch</strong>ts wandert und Arbeitslosigkeit und Inflation glei<strong>ch</strong>zeitig auftreten. Damit ist die<br />
Ineffektivität der Politik – im Sinne der Theorie der rationalen Erwartungen – einmal mehr<br />
bewiesen.<br />
Kurz- oder langfristig?<br />
Die PK widerspiegelt also die s<strong>ch</strong>on bekannten Auffassungsunters<strong>ch</strong>iede zwis<strong>ch</strong>en der<br />
keynesianis<strong>ch</strong>en und monetaristis<strong>ch</strong>en Theorie. Au<strong>ch</strong> die Aufzei<strong>ch</strong>nungen der historis<strong>ch</strong>en<br />
Daten klärt ni<strong>ch</strong>t, wel<strong>ch</strong>e Auffassung ri<strong>ch</strong>tig ist. In der Abbildung sieht man, wie instabil die<br />
empiris<strong>ch</strong>e PK ist. Langfristig gibt es keine einfa<strong>ch</strong>e Zielkonkurrenz zwis<strong>ch</strong>en Bes<strong>ch</strong>äftigung<br />
und Preisstabilität, die langfristige PK ist steil oder senkre<strong>ch</strong>t – wie sie die Monetaristen<br />
Zusammenfassung VWL IUR I<br />
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darstellten. Kurzfristig kann es aber zu einem trade-off zwis<strong>ch</strong>en Arbeitslosigkeit und Inflation<br />
kommen – das erklärt den fla<strong>ch</strong>en Verlauf der keynesianis<strong>ch</strong>en PK.<br />
DIE BEKÄMPFUNG DER INFLATION<br />
Wo au<strong>ch</strong> immer die Ursa<strong>ch</strong>en einer Inflation liegen, langfristig kann sie nur bestehen, wenn<br />
sie von einer Ausweitung der Geldmenge begeleitet wird. Deshalb steht bei der Bekämpfung<br />
der Inflation au<strong>ch</strong> die Geldpolitik im Mittelpunkt. Wir Sie wissen, ist jede Handlung mit<br />
Opportunitätskosten verbunden. Deshalb kann dieser Kampf mitunter re<strong>ch</strong>t s<strong>ch</strong>merzli<strong>ch</strong> sein.<br />
Grundsätzli<strong>ch</strong> bieten si<strong>ch</strong> 2 Mögli<strong>ch</strong>keiten der Inflationsbekämpfung an:<br />
• Eine Verringerung der Güterna<strong>ch</strong>frage oder<br />
• Eine Erhöhung des Güterangebots<br />
VERRINGERUNG DER GÜTERNACHFRAGE<br />
Reduktion der Güterna<strong>ch</strong>frage dur<strong>ch</strong> Fiskal- oder Geldpolitik. Inflation ist letztli<strong>ch</strong> ein<br />
monetäres Problem, eine restriktive Geldpolitik die S<strong>ch</strong>lüsselgrösse, auf die wir uns hier<br />
konzentrieren. Dabei ergeben si<strong>ch</strong> folgende Probleme:<br />
♦ Wirkungsverzögerung: Restriktive Geldpolitik treibt zuerst die Zinsen in die Höhe, kann<br />
die eigene Währung stärken, was zunä<strong>ch</strong>st den Inflationsdruck erhöht. Bis das<br />
geldpolitis<strong>ch</strong>e Bremsmanöver si<strong>ch</strong> in sinkende Preisen nieders<strong>ch</strong>lägt, vergehen in der Tat<br />
bis zu drei Jahre. Bea<strong>ch</strong>tet man das ni<strong>ch</strong>t, läuft man Gefahr, die eigenen Impulse zu verstärken,<br />
sodass si<strong>ch</strong> die restriktive Geldpolitik in einen no<strong>ch</strong> restriktivere aufs<strong>ch</strong>aukelt.<br />
♦ Rezessionsgefahr: Dur<strong>ch</strong> die angestrebte Drosselung der Gesamtna<strong>ch</strong>frage nimmt au<strong>ch</strong><br />
die gesamtwirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Aktivität ab, es kann zu starken Einbrü<strong>ch</strong>en auf dem Arbeitsmarkt<br />
kommen.<br />
Zusammenfassung VWL IUR I<br />
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♦ Indexme<strong>ch</strong>anismen: Ers<strong>ch</strong>werend in Kampf gegen die Inflation sind die<br />
Indexme<strong>ch</strong>anismen. Liegen die Ursa<strong>ch</strong>en der Inflation in realen Störungen (Rohstoffpreiserhöhungen)<br />
hat eine Lohnindexierung negative Auswirkungen, da sie weitere Rohstoffkosten-,<br />
Preis- und Lohnerhöhungen ausgelöst werden und eine Inflationsspirale in Gang<br />
gesetzt wird. Au<strong>ch</strong> eine automatis<strong>ch</strong>e Anpassung der Mieten an Hypothekarzinserhöhungen<br />
oder an die Teuerung beispielsweise setzt die Kräfte des Marktes ausser Kraft<br />
und kann demzufolge fals<strong>ch</strong>e Signale an die Marktteilnehmer aussenden.<br />
♦ Regulierte Preise: Restriktive Geldpolitik hat nur Erfolg, wenn dadur<strong>ch</strong> die Preise sinken.<br />
Das setzt voraus, dass der Markt- und Preisme<strong>ch</strong>anismus funktioniert. Der LIK resultiert<br />
aber zu 60% aus Preisen, die si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t frei auf dem Markt bilden. Dazu gehören direkt<br />
regulierte Preise (ÖV, Gas, Elektrizität) und indirekt regulierte Preise (Mil<strong>ch</strong> und Mil<strong>ch</strong>produkte,<br />
Fleis<strong>ch</strong>). Und zu rund 20% besteht der LIK aus Preisen, wel<strong>ch</strong>e dur<strong>ch</strong> Abspra<strong>ch</strong>en<br />
und/oder einges<strong>ch</strong>ränkte te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>e Normen entstehen.<br />
ERHÖHUNG DER GÜTERANGEBOTS<br />
In Inflationszeiten kann eine expansive Geld- und Fiskaltpolitik zur Ankurbelung des Angebots<br />
ni<strong>ch</strong>t in Betra<strong>ch</strong>t gezogen werden, weil dadur<strong>ch</strong> die Inflation no<strong>ch</strong> mehr gesteigert wird. Eine<br />
Mögli<strong>ch</strong>keit die Inflation mittels Erhöhung des Güterangebots zu bekämpfen, verspri<strong>ch</strong>t die<br />
Angebotsökonomie. Hierna<strong>ch</strong> soll z.B. dur<strong>ch</strong> eine Senkung der Steuern ein positiver<br />
Angebotss<strong>ch</strong>ock ausgelöst und dadur<strong>ch</strong> dem Preisauftrieb ein Ende gesetzt werden.<br />
Eine langfristig orientierte Stabilitätspolitik sollte si<strong>ch</strong>erstellen, dass eine Wettbewerbspolitik<br />
betrieben wird, die einen e<strong>ch</strong>ten Preiswettbewerb zwis<strong>ch</strong>en den Anbietern garantiert, und<br />
dass grosse S<strong>ch</strong>wankungen in der Geldversorgung der Wirts<strong>ch</strong>aft vermieden werden. Denn<br />
nur dank der relativen Knappheit des Geldes im Verhältnis zu den Gütern und der Erwartung,<br />
dass die Knappheit aufre<strong>ch</strong>terhalten bliebt, ist es mögli<strong>ch</strong>, dass unser Geld real so viel mehr<br />
wert ist, als seine Produktion kostet.<br />
Die Senkung der Inflationsrate ni<strong>ch</strong>t gratis zu haben. Eine restriktive Geldpolitik bewirkt einen<br />
Na<strong>ch</strong>fragerückgang mit der Gefahr einer Rezession. Je weniger die Preise auf den<br />
Na<strong>ch</strong>fragerückgang reagieren (z.B. aufgrund von regulierten Preisen, Indexme<strong>ch</strong>anismen<br />
oder Kartellabspra<strong>ch</strong>en), desto s<strong>ch</strong>merzhafter und langwieriger ist der Prozess der<br />
Inflationsbekämpfung.<br />
DEFLATION UND DISINFLATION<br />
Die Definition von Inflation besagt, dass die Preise steigen, wenn zuviel Geld im Umlauf ist<br />
und Güter knapp sind. Umgekehrt kommt es zu Deflation, wenn das Geld knapp ist.<br />
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Deflation ist das Gegenstück zur Inflation. Deflation bedeutet einen generellen Rückgang des<br />
Preisniveaus über längere Zeit. Bei Deflation sinken die Preise, der Wert des Geldes steigt.<br />
Hauptursa<strong>ch</strong>e für Deflation liege in einem Überangebot an Gütern: Zu viele Industrien<br />
produzieren zu viele Autos, Computer<strong>ch</strong>ips oder Chemie-Erzeugnisse; so kommt es in der<br />
Deflation zu einem si<strong>ch</strong> bes<strong>ch</strong>leunigenden Strudel, der die ganze Wirts<strong>ch</strong>aft in die Depression<br />
zieht. Die Umverteilungswirkungen gehen in diesem Fall zu Lasten der S<strong>ch</strong>uldner und zu<br />
Gunsten der Gläubiger. Und weil Sa<strong>ch</strong>werte ständig billiger werden, kauft niemand mehr, als<br />
unbedingt nötig. Bei der Therapiemögli<strong>ch</strong>keit – Erhöhung der Geldversorgung – ist der Erfolg<br />
ni<strong>ch</strong>t garantiert. Die Zinsen mögen no<strong>ch</strong> so tief sein, solange die Verbrau<strong>ch</strong>er und die<br />
Unternehmer weitere Preissenkungen erwarten, werde sie weder konsumieren no<strong>ch</strong><br />
investieren.<br />
In vielen Analysen wird ni<strong>ch</strong>t genügend zwis<strong>ch</strong>en Deflation und Disinflation unters<strong>ch</strong>ieden.<br />
Disinflation bezei<strong>ch</strong>net eine blosse Verlangsamung der Teuerung.<br />
EXKURS: „GEFORDERTE GELDPOLITIK“<br />
Si<strong>ch</strong>erung der Kaufkraftstabilität steht im Zentrum des Notenbankmandates. Bis in die 1970er<br />
Jahre war die Meinung verbreitet, man müsse mit geld- und finanzpolitis<strong>ch</strong>er Feinsteuerung<br />
der Gesamtna<strong>ch</strong>frage systematis<strong>ch</strong> Bes<strong>ch</strong>äftigung und reales Wa<strong>ch</strong>stum fördern.<br />
Demgegenüber steht die Position der „rationalen Erwartungen“ die der Geldpolitik jedwel<strong>ch</strong>e<br />
Chance abspri<strong>ch</strong>t. Die Wahrheit liegt zwis<strong>ch</strong>en den beiden Extrempositionen.<br />
Es mag auf den ersten Blick wüns<strong>ch</strong>bar ers<strong>ch</strong>einen, der SNB die Aufgabe zuzuweisen,<br />
Verzerrungen des Marktes frühzeitig zu bekämpfen, aber wer sol<strong>ch</strong>es fordert setzt zwei<br />
Sa<strong>ch</strong>en voraus: Erstens, dass Geldbehörden Aktien und Immobilien kompetenter bewerten<br />
können als der Markt und zweitens, dass sie gegebenenfalls in der Lage wären, mit ihrem<br />
Instrumentarium eine werdende Blase im Frühstadium zum Platzen zu bringen. Beide<br />
Voraussetzungen sind ni<strong>ch</strong>t erfüllt.<br />
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Zusammenfassung VWL IUR I<br />
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KAPITEL 10 – DAS PROBLEM DER ARBEITSLOSIGKEIT<br />
DER ARBEITSMARKT<br />
Arbeitsmarkt = Markt wie jeder andere, Angebot und Na<strong>ch</strong>frage treffen aufeinander.<br />
Einige Besonderheiten des Arbeitsmarktes:<br />
• Arbeit (als gehandeltes Produkt) hat eigenen Willen und ist sehr heterogen<br />
• Arbeit für die Anbieter (die Arbeitnehmer) überlebenswi<strong>ch</strong>tig, einziges Einkommen<br />
• Beziehung zwis<strong>ch</strong>en Anbieter und Na<strong>ch</strong>frager auf langfristiger vertragli<strong>ch</strong>er Basis;<br />
beeinflusst dur<strong>ch</strong> vers<strong>ch</strong>iedene Faktoren (Gewerks<strong>ch</strong>aft, Gesetz, etc.)<br />
• Na<strong>ch</strong>frage na<strong>ch</strong> Arbeitskräften ist eine abgeleitete Na<strong>ch</strong>frage, weil sie von der Na<strong>ch</strong>frage<br />
na<strong>ch</strong> Waren und Dienstleistungen abhängt.<br />
Klassis<strong>ch</strong>es Modell des Arbeitsmarktes<br />
Der Verlauf der Angebotskurve kann damit begründet<br />
werden, dass bei steigenden Löhnen die Opportunitäts-<br />
kosten der Freizeit steigen und deshalb mehr Arbeits-<br />
leistung angeboten wird. Die Arbeitsna<strong>ch</strong>frage hingegen<br />
sinkt bei steigenden Löhnen, weil die Löhne höher werden<br />
als der Beitrag zur betriebli<strong>ch</strong>en Werts<strong>ch</strong>öpfung, so dass<br />
die Unternehmen ihre Arbeitsna<strong>ch</strong>frage reduzieren.<br />
Im Punkt A1 stimmen angebotene und na<strong>ch</strong>gefragte<br />
Arbeitsstunden überein. Herrs<strong>ch</strong>t im Punkt A1 Arbeits-<br />
losigkeit, muss sie freiwillig sein. Der Punkt A stellt das<br />
gesamte Arbeitsangebot (das Angebot der gesamten Be-<br />
völkerung im erwerbsfähigen Alter) dar. Das heisst, dass<br />
einige der Bevölkerung zwar arbeiten mö<strong>ch</strong>ten, allerdings nur zu einem höheren Lohn. Die Arbeitslosen (A1-A2)<br />
sind deshalb freiwillig arbeitslos: Der Lohn im Marktglei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>t ist zu niedrig, um alle Arbeitskräfte zu<br />
motivieren, ihre Freizeit gegen Arbeit einzutaus<strong>ch</strong>en. Freiwillig arbeitslos sind ni<strong>ch</strong>t nur die Rei<strong>ch</strong>en, die es si<strong>ch</strong><br />
leisten können, ni<strong>ch</strong>t zu arbeiten. Es können au<strong>ch</strong> diejenige „freiwillig“ arbeitslos sein, die aus anderen Quellen<br />
ein Einkommen erzielen (z.B. von den Eltern, vom Partner oder vom Staat).<br />
Angenommen auf Grund einer Rezession reduzieren die Unternehmen die Na<strong>ch</strong>frage na<strong>ch</strong> Arbeitskräften<br />
(Vers<strong>ch</strong>iebung der Na<strong>ch</strong>fragekurve na<strong>ch</strong> links), dann sinkt das Lohnniveau von L1 auf L2 und es stellt si<strong>ch</strong> ein<br />
neues Glei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>t bei Punkt A2 ein. Bei A2 sind zusätzli<strong>ch</strong>e Arbeitskräfte ni<strong>ch</strong>t mehr bereit, zum angebotenen<br />
Lohn zu arbeiten. Die freiwillige Arbeitslosigkeit steigt nun auf A2-A. Sind die Löhne allerdings unflexibel und<br />
verharren auf dem Niveau L1, dann sinkt die Anzahl na<strong>ch</strong>gefragter Arbeitskräfte auf A3. Dadur<strong>ch</strong> entsteht eine<br />
unfreiwillige Arbeitslosigkeit im Umfang A2-A3.<br />
Wie kommt es zu starren Löhnen?<br />
1. Institutionelle Faktoren: staatli<strong>ch</strong>e Mindestlöhne, Arbeitsmarktregulierungen wie<br />
Kündigungs- und Sozialplanvors<strong>ch</strong>riften oder flä<strong>ch</strong>endeckende GAV<br />
2. Das „Insider-Outsider Modell“: Gemäss diesem Modell nutzen die „Insider“ (die Arbeitsplatzbesitzer,<br />
vertreten dur<strong>ch</strong> die Gewerks<strong>ch</strong>aften) ihre Ma<strong>ch</strong>t gegenüber der Firma in der<br />
Weise aus, dass sie Lohnerhöhungen – aus dur<strong>ch</strong>aus rationalen Überlegungen – für si<strong>ch</strong><br />
selbst dur<strong>ch</strong>setzen, anstatt dur<strong>ch</strong> Lohnkürzungen den „Outsidern“ (Arbeitslose) eine<br />
Chance auf einen Arbeitsplatz zu eröffnen. Weshalb dur<strong>ch</strong>kreuzen denn die Arbeitslosen<br />
diese Strategie der „Insider“ ni<strong>ch</strong>t dur<strong>ch</strong> Lohnunterbietungen? Für die Unternehmen lohnt<br />
es si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t, auf die Lohnunterbietungen einzugehen, weil sie in ihre Bes<strong>ch</strong>äftigten<br />
investiert haben und weil die Entlassung und Neueinstellung mit Transaktionskosten<br />
verbunden ist.<br />
3. Die Effizienzlohntheorie: Lohnerhöhungen haben zwei Gesi<strong>ch</strong>ter: Zum einen stellen sie<br />
Kostensteigerungen dar, zum anderen wirken sie si<strong>ch</strong> positiv auf die Leistungen der<br />
Mitarbeiter und damit kostensenkend aus. Die Grundlage für die Effizienzlohntheorie ist,<br />
dass die Produktivität eines Bes<strong>ch</strong>äftigten positiv vom gezahlten Lohn abhängt.<br />
Unternehmen die gute Löhne bezahlen, haben die qualifiziertesten Bewerber, weniger<br />
Kündigungen, etc. Ri<strong>ch</strong>ten si<strong>ch</strong> jedo<strong>ch</strong> allen Unternehmen daran aus, vers<strong>ch</strong>winden die<br />
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elativen Vorteile von höheren Löhnen und es entsteht eine Lohnstarrheit auf einem<br />
Teilarbeitsmarkt.<br />
Bei flexiblen Löhnen gibt es im klassis<strong>ch</strong>en Arbeitsmarktmodell keine unfreiwillige Arbeitslosigkeit.<br />
Nur wenn die Löhne unflexibel sind und si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t – oder erst langfristig – den<br />
Übers<strong>ch</strong>üssen und Knappheiten anpassen, kommt es zu unfreiwilliger Arbeitslosigkeit. Für die<br />
Starrheit der Löhne gibt es mehrere Ursa<strong>ch</strong>en: Institutionelle Faktoren, das „Insider-Outsider-<br />
Modell“ und die Effizienzlohntheorie.<br />
TYPEN VON ARBEITSLOSIGKEIT<br />
Saisonale und friktionale Arbeitslosigkeit sind kurzfristiger Natur. Au<strong>ch</strong> die konjunkturelle<br />
Arbeitslosigkeit ist temporär. Die strukturelle Arbeitslosigkeit zeigt si<strong>ch</strong> in regional-, bran<strong>ch</strong>en-,<br />
qualifikations-, ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>ts- oder altersspezifis<strong>ch</strong>en Unters<strong>ch</strong>ieden der Arbeitslosigkeit. Die<br />
Sockelarbeitslosigkeit ist jenes Niveau der Arbeitslosigkeit, da in konjunkturneutralen Phasen<br />
auftritt.<br />
BEVERIDGE- KURVE FÜR DIE SCHWEIZ: ERFASSUNG DER SOCKELARBEITSLOSIGKEIT<br />
Entspre<strong>ch</strong>en die offenen Stellen der Zahl der Arbeitslosen, herrs<strong>ch</strong>t gewissermassen Glei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>t auf dem<br />
Arbeitsmarkt, wir befinden und dass auf der Geraden dur<strong>ch</strong> den Ursprung des Diagramms (auf der Winkelhalbierenden).<br />
Alle Punkte auf dieser Geraden entspre<strong>ch</strong>en der Sockelarbeitslosigkeit (friktionelle + strukturelle<br />
Arbeitslosigkeit). Wie entwickelt si<strong>ch</strong> das Verhältnis der offenen Stellen zu den Arbeitslosen im<br />
Konjunkturverlauf?<br />
Bei einer konjunkturellen Überhitzung müsste die Zahl der offenen Stellen jene der Arbeitslosen deutli<strong>ch</strong> übersteigen.<br />
Umgekehrt müsste es weit mehr Arbeitslose als offene Stellen geben, wenn si<strong>ch</strong> die Wirts<strong>ch</strong>aft in der<br />
Rezession befindet. Die theoretis<strong>ch</strong>e Beveridge-Kurve verläuft dementspre<strong>ch</strong>end entlang einer Hyperbel von<br />
links oben na<strong>ch</strong> re<strong>ch</strong>ts unten. Punkte auf der Beveridge-Kurve unterhalb der Winkelhalbierenden stellen<br />
Unglei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>te dar, in wel<strong>ch</strong>en Stellenmangel vorherrs<strong>ch</strong>t (konjunkturelle oder Wa<strong>ch</strong>stumsdefizit-Arbeitslosigkeit),<br />
Punkte oberhalb der Winkelhalbierenden dagegen kennzei<strong>ch</strong>nen Unglei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>te mit Stellenüberhang.<br />
Aus dem empiris<strong>ch</strong>en Verlauf der Beveridge Kurve kann man entnehmen, dass erstens in der<br />
S<strong>ch</strong>weiz vorwiegend ein Stellenmangel bestand und zweitens s<strong>ch</strong>eint si<strong>ch</strong> die Beveridge-<br />
Kurve na<strong>ch</strong> oben vers<strong>ch</strong>oben zu haben, was glei<strong>ch</strong>bedeutend ist mit einem Anstieg der<br />
Sockelarbeitslosigkeit. Dieser Anstieg kann auf vers<strong>ch</strong>ieden Ursa<strong>ch</strong>en zurückgeführt werden:<br />
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S<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>te Markttransparenz und somit eine Zunahme der friktionellen Komponente, au<strong>ch</strong> der<br />
strukturellen Komponente könnte man die S<strong>ch</strong>uld zuweisen, oder der Sozialpolitik, weil sie<br />
dur<strong>ch</strong> das gut ausgebaute Sozialsystem Entlassungen für die Arbeitgeber einfa<strong>ch</strong>er ma<strong>ch</strong>t.<br />
Die empiris<strong>ch</strong>en Daten müssen jedo<strong>ch</strong> mit Vorsi<strong>ch</strong>t genossen werden, da es s<strong>ch</strong>wierig ist, die<br />
Daten zu erfassen.<br />
BEKÄMPFUNG DER ARBEITSLOSIGKEIT<br />
Ansatzpunkte auf dem Gütermarkt<br />
Die Na<strong>ch</strong>frage na<strong>ch</strong> Gütern – und somit das Wa<strong>ch</strong>stum – ankurbeln.<br />
♦ Stärkung der Wettbewerbskraft<br />
Revitalisierung und Verbesserung der Rahmenbedingungen, Marktbefreiung von<br />
Regulationen, weg mit regulatoris<strong>ch</strong>em Ballast.<br />
♦ Erhöhung der Standortattraktivität<br />
Politis<strong>ch</strong>e und monetäre Stabilität, ungehinderter Marktzutritt, gut ausgebaute und<br />
funktionierende Infrastruktur, sozialer Frieden, Re<strong>ch</strong>tssi<strong>ch</strong>erheit, tiefe steuerli<strong>ch</strong>e Belastung<br />
♦ Steigerung der Innovationskraft und der Produktivität<br />
Dur<strong>ch</strong> Innovation und te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>en Forts<strong>ch</strong>ritt die Produktivität ho<strong>ch</strong>halten, damit wir<br />
langfristig unser hohes Lohnniveau halten können. Hohe Produktivität re<strong>ch</strong>tfertigt hohe<br />
Löhne.<br />
♦ Bes<strong>ch</strong>äftigungsprogramme<br />
Staatli<strong>ch</strong>e Ausgabeerhöhungen zur Steigerung der Bes<strong>ch</strong>äftigten<br />
Ansatzpunkte auf dem Arbeitsmarkt<br />
♦ Flexibilität des Arbeitsmarktes<br />
„Mehr Markt für den Arbeitsmarkt!“. Konkret bedeutet dies:<br />
Lohnzahlung na<strong>ch</strong> individueller Leistung, keine Minimallöhne<br />
Volle Freizügigkeit gegenüber ausländis<strong>ch</strong>en Arbeitskräften<br />
Liberale Entlassungspolitik senken die Opportunitätskosten von Einstellungen<br />
♦ Bildungspolitik<br />
Permanente Weiterbildung ist sehr zentral, Lebenslanges Lernen wird zur Notwendigkeit.<br />
♦ Arbeitszeitverkürzungen<br />
Kontroverses Thema, verursa<strong>ch</strong>t es Kosten führt es via Absatzprobleme zu no<strong>ch</strong> mehr<br />
Stellenabbau, verursa<strong>ch</strong>t es keine Kosten für die U muss der Arbeiter überproportionale<br />
Lohnkürzungen in Kauf nehmen, daraus entstehen mehr Stellenwe<strong>ch</strong>sel und wieder<br />
Kosten.<br />
♦ Lohnsenkungen<br />
Hohes Lohnniveau Hauptgrund für die abnehmende Wettbewerbsfähigkeit. Aber<br />
Lohnsenkungen bedeuten au<strong>ch</strong> Kaufkraftverlust, sinkende Gesamtna<strong>ch</strong>frage, was<br />
wiederum die Arbeitslosigkeit erhöht.<br />
♦ Ausländerpolitik<br />
Arbeitskräftewanderungen als Bestandteil einer marktwirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Ordnung positiv. Je<br />
stärker die Zuwanderer Substitute für die vorhandenen Arbeitskräfte sind, umso<br />
bedrohli<strong>ch</strong>er ers<strong>ch</strong>einen sie; sind sie hingegen Komplemente, so helfen sie mit, die<br />
Produktivität und damit au<strong>ch</strong> die Entlöhnung der Einheimis<strong>ch</strong>en zu steigern. Dur<strong>ch</strong> das<br />
Saisonnierprinzip sind jedo<strong>ch</strong> vor allem unqualifizierte Arbeitskräfte angewandert, wel<strong>ch</strong>e<br />
meist als erste ihre Stelle wieder verlieren.<br />
Die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit kann direkt auf dem Arbeitsmarkt (Löhne, Arbeitszeit,<br />
Bildung, Ausländerpolitik) oder indirekt auf dem Gütermarkt (Wettbewerbsfähigkeit,<br />
Innovationskraft, Produktivität, Bes<strong>ch</strong>äftigungsprogramme) ansetzen.<br />
EXKURS: VORSICHT STATISTIK!<br />
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Arbeitslosenquote = Arbeitslosen in Prozent der Erwerbspersonen<br />
Erwerbslosenquote = Erwerbslose in Prozent der Erwerbspersonen<br />
Erwerbsquote = Erwerbspersonen in Prozent der Bevölkerung (15 – 64 Jahre)<br />
Erwerbstätigenquote = Erwerbstätige in Prozent der Bevölkerung (15 – 64 Jahre)<br />
Arbeitslose sind ni<strong>ch</strong>t glei<strong>ch</strong> Stellensu<strong>ch</strong>ende, Erwerbstätige sind ni<strong>ch</strong>t glei<strong>ch</strong> Bes<strong>ch</strong>äftigte,<br />
Arbeitslose sind ni<strong>ch</strong>t glei<strong>ch</strong> Erwerbslose<br />
ARBEITSMARKTENTWICKLUNG IN DER SCHWEIZ<br />
In den letzen 20 Jahren hat die CH drei Rezessionen erlebt. Von 1991 – 1993 war dies<br />
verbunden mit einem extremen Anstieg der Arbeitslosen, mit einer Arbeitslosenquote von<br />
5,7% (= 180 000 Personen, 1990 waren es 18 133!). Dana<strong>ch</strong> kamen einige S<strong>ch</strong>wankungen,<br />
das Wa<strong>ch</strong>stum des BIP s<strong>ch</strong>lug mit Verzögerung ein, 2001 sank die Zahl der Arbeitslosen na<strong>ch</strong><br />
vorhergehenden Steigungen wieder auf 70 000. In den letzten Jahren hat si<strong>ch</strong> die Lage do<strong>ch</strong><br />
wieder markant vers<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>tert.<br />
Aufgrund der Abnahme der Erwerbspersonen ab ca. 2010 und der damit verbundenen Gefahr<br />
einer Wohlfahrtseinbusse, stehen folgende Ansatzpunkt zur Diskussion: Familienpolitik,<br />
Verlängerung der Lebensarbeitszeit, Ausländerpolitik…<br />
Wie bilden si<strong>ch</strong> Löhne?<br />
Arbeitsmarkt gesteuert von Angebot und Na<strong>ch</strong>frage. Arbeitsna<strong>ch</strong>frage hängt also au<strong>ch</strong> davon<br />
ab, wie erfolgrei<strong>ch</strong> eine Unternehmung ihre Produkte am Markt verkaufen kann. Je höher die<br />
Arbeitsproduktivität des Personals, desto besser die Chance eines Markterfolges. Der Erfolg<br />
einer Unternehmung ist also eng mit dem Löhnen der Bes<strong>ch</strong>äftigten verknüpft. Unters<strong>ch</strong>iede<br />
in der Leistung – Arbeitsproduktivität – sind au<strong>ch</strong> der Grund weshalb einige weniger verdienen<br />
als andere. Man<strong>ch</strong>e Mens<strong>ch</strong>en mit aussergewöhnli<strong>ch</strong>en Fähigkeiten und Talenten (Tiger<br />
Woods, Madonna, etc) verdienen extrem viel ihres Talentes wegen.<br />
Gere<strong>ch</strong>tfertigte Managerlöhne?<br />
Es gibt keine allgemein gültigen Massstab oder eine Definition für gere<strong>ch</strong>te Löhne. Viele<br />
unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>e Gere<strong>ch</strong>tigkeitskonzepte wie zum Beispiel: Leistungsgere<strong>ch</strong>tigkeit,<br />
Bedarfsgere<strong>ch</strong>tigkeit, Verteilungsgere<strong>ch</strong>tigkeit. Managerlöhne sind aber oftmals ni<strong>ch</strong>t das<br />
Resultat eines funktionierenden Marktes. Au<strong>ch</strong> wenn die Managerlöhne<br />
Knappheitsverhältnisse darstellen und ihr Beitrag zum Unternehmungserfolg von zentraler<br />
Bedeutung ist, sind einige Marktunvollkommenheiten zu beoba<strong>ch</strong>ten. Zwis<strong>ch</strong>en Managern und<br />
Eigentümern (Aktionären) besteht oft eine asymmetris<strong>ch</strong>e Informationsverteilung bezügli<strong>ch</strong><br />
der Arbeitsproduktivität der Manager, was dazu führt, dass die Manager die Löhne zu ihren<br />
Gunsten beeinflussen können. Sie bestimmen, wel<strong>ch</strong>e Löhne für sie „marktübli<strong>ch</strong>“ sind. Hohe<br />
Transparenz ist eine wi<strong>ch</strong>tige Voraussetzung für einen funktionierenden Markt, ist aber im<br />
Managermarkt oft ni<strong>ch</strong>t gegeben.<br />
Forderung na<strong>ch</strong> Mindestlöhnen<br />
Anteil der „working poor“ in der S<strong>ch</strong>weiz bei 7,5% ( = 250 000). Führt ein Mindestlohn dazu,<br />
dass der Lohn höher liegt als die Arbeitsproduktivität des Mitarbeiters, kann die Dur<strong>ch</strong>setzung<br />
des Mindestlohnes zu Entlassungen, Preiserhöhungen oder gar zur S<strong>ch</strong>liessung von<br />
Betrieben führen.<br />
Mindestlöhne bewirken und bes<strong>ch</strong>leunigen den Strukturwandel.<br />
Ob Mindestlöhne zur Armutsbekämpfung dienen ist fragwürdig. Einerseits helfen sie nur<br />
erwerbstätigen Armen (falls sie aufgrund des Mindestlohnes die Stelle ni<strong>ch</strong>t verlieren) und<br />
andererseits sind sie für Familien oft zu gering, um der Armut zu entrinnen. Andererseits<br />
erhalten Haushalte Mindestlöhne, die gar ni<strong>ch</strong>t als arm einzustufen sind.<br />
Die Vermis<strong>ch</strong>ung von Lohn- und Sozialpolitik ist verlockend, aber gefährli<strong>ch</strong>.<br />
Umverteilungsziele sollten deshalb mit direkter Subjekthilfe und ni<strong>ch</strong>t mit Markteingriffen<br />
verfolgt werden.<br />
Zusammenfassung VWL IUR I<br />
<strong>www</strong>.<strong><strong>ch</strong>illingpeople</strong>.<strong>ch</strong><br />
98
Unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>e Löhne sind in erster Linie auf Knappheitsverhältnisse und<br />
Produktivitätsunters<strong>ch</strong>iede zurückzuführen. Allerdings sind au<strong>ch</strong> Marktunvollkommenheiten<br />
(insbesondere bei Managerlöhnen) zu beoba<strong>ch</strong>ten.<br />
EXKURS: „TRENDS AUF DEM ARBEITSMARKT“<br />
1. Trend: Teilzeitstellen sind „en vogue“!<br />
Massiv mehr Teilzeitstellen. Teilzeitarbeit entspri<strong>ch</strong>t vermehrt den Bedürfnissen von<br />
Arbeitnehmern und Arbeitgebern.<br />
2.Trend: Frauen im Vormars<strong>ch</strong>!<br />
Die zusätzli<strong>ch</strong>en Teilzeitstellen werden zumeist von Frauen besetzt. Im Jahr 2002 waren<br />
44,7% der Erwerbstätigen Frauen. Vor allem Frauen zwis<strong>ch</strong>en 30 und 50 arbeiten heute<br />
mehr als früher.<br />
3. Trend: Na<strong>ch</strong>frage na<strong>ch</strong> höheren Ausbildung hält an!<br />
Gute Ausbildung ist na<strong>ch</strong> wie vor gefragt, so beklagen viele Unternehmen einen<br />
Übers<strong>ch</strong>uss an unqualifizierten und einen Mangel an qualifizierten Arbeitskräften.<br />
4. Trend: Löhne immer flexibler!<br />
Entlöhnungsprozesse werden immer vielfältiger, es werden vermehrt<br />
Gehaltsnebenleistungen (Boni, Ges<strong>ch</strong>äftsautos, etc.) gewährt.<br />
EXKURS: „KILOWATTSTUNDEN STATT MENSCHEN ARBEITSLOS MACHEN!“<br />
Industrieländer haben heute 2 Krisen:<br />
Anhaltend hohe Arbeitslosigkeit und globale Umweltbelastung.<br />
Seit kurzem wird unter dem Titel „ökologis<strong>ch</strong>e Steuerreform“ ein Ansatz diskutiert, mit dem<br />
beide Fliegen mit einem S<strong>ch</strong>lag erledigt werden können. Im Zentrum steht eine langfristig<br />
angelegte, s<strong>ch</strong>rittweise Vers<strong>ch</strong>iebung der Steuer- und Abgabenlasten vom Produktionsfaktor<br />
Arbeit zum Faktor Umweltverbrau<strong>ch</strong>. Es werden Steuern auf Energie- und Umweltverzehr<br />
erhoben, während die Lohnnebenkosten gesenkt werden, ohne das die steuerli<strong>ch</strong>e Belastung<br />
insgesamt verändert wird. Starke Verteuerung der Umwelt, spürbare Verbilligung der<br />
Arbeitskräfte.<br />
Die ökologis<strong>ch</strong>e Steuerreform unterstützt au<strong>ch</strong> den Strukturwandel hin zu energiesparendem<br />
Verhalten.<br />
Eine Ökologisierung des Steuersystems hätte gemässe einer Nationalfondsstudie fast nur<br />
positive Auswirkungen. Nebst einer S<strong>ch</strong>onung der Umwelt könnte die Einführung einer<br />
Ökosteuer au<strong>ch</strong> Arbeitsplätze s<strong>ch</strong>affen, wenn au<strong>ch</strong> nur in geringem Ausmass. Das von den<br />
Gegnern am häufigsten ins Feld geführte Argument ist, dass bei einem Alleingang der<br />
S<strong>ch</strong>weiz eine Wettbewerbsverzehrung stattfinden würde. Do<strong>ch</strong> werden au<strong>ch</strong> die Verluste bei<br />
einem Alleingang als gering einges<strong>ch</strong>ätzt, den besonders betroffenen Bran<strong>ch</strong>en könnte<br />
während einer Übergangszeit verringerte Steuersätze gewährt werden. Zudem habe die<br />
S<strong>ch</strong>weizer Industrie bei zu erwartenden langfristigen Energiepreissteigerungen den „Vorteil<br />
des ersten Zuges“, wenn sie si<strong>ch</strong> frühzeitig auf hohe Preise einstellt.<br />
Zusammenfassung VWL IUR I<br />
<strong>www</strong>.<strong><strong>ch</strong>illingpeople</strong>.<strong>ch</strong><br />
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Zusammenfassung VWL IUR I<br />
<strong>www</strong>.<strong><strong>ch</strong>illingpeople</strong>.<strong>ch</strong><br />
KAPITEL 11 – DAS PROBLEM DER STAATSVERSCHULDUNG<br />
DIE ENTWICKLUNG DES STAATSANTEILS<br />
Bereits sehr früh war bekannt, dass die Staatstätigkeit si<strong>ch</strong> kontinuierli<strong>ch</strong> ausdehnt. Dafür gibt<br />
es vers<strong>ch</strong>iedene Gründe:<br />
• Dem Staat fallen immer neue Aufgaben zu. Mitte letztes Jahrhundert Na<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>terstaat,<br />
seither in vielen Berei<strong>ch</strong>en neue Eingriffe des Staates (Sozial-, Wettbewerbs-, Stabilitäts-<br />
und Strukturpolitik; Bildungs-, Gesundheits-, Energie-, Verkehrs-, Infrastruktur- und<br />
Umweltsektor;…)<br />
• Die öffentli<strong>ch</strong>en Leistungen sind tendenziell einkommenselastis<strong>ch</strong>er als die privaten Güter.<br />
Mit steigendem Einkommen werden deshalb ni<strong>ch</strong>t nur private Dienstleistungen vermehrt<br />
na<strong>ch</strong>gefragt, sondern au<strong>ch</strong> – überproportional – Staatsleistungen.<br />
• Die Neue Politis<strong>ch</strong>e Ökonomie (Public <strong>ch</strong>oice) überträgt das Nutzen- Gewinnmaximierungsdenken<br />
auf die Politik. Da der Faktor Gewinn aber fehlt, tritt an seien Stelle die Entwicklung<br />
der Ausgaben. Das Parkinsons<strong>ch</strong>e Gesetz bes<strong>ch</strong>reibt den Tatbestand, dass der<br />
öffentli<strong>ch</strong>en Verwaltung ein ausgespro<strong>ch</strong>en expansives Verhalten innewohnt, wel<strong>ch</strong>es auf<br />
Ausgaben und Budgetmaximierung ausgeri<strong>ch</strong>tet ist. Kombiniert man dieses Beharrungs-<br />
und Expansionsverhalten mit der Ausgabenfreudigkeit der Parlamente, so entsteht eine<br />
deutli<strong>ch</strong>e Tendenz zur Steigerung der Ausgaben.<br />
Die Messung der Staatsaktivität ges<strong>ch</strong>ieht an der Entwicklung der Ausgaben (CH innert 22<br />
Jahren + 185%). Aussagekräftiger wird die Entwicklung der Ausgaben wenn wir sie in<br />
Beziehung zum Wa<strong>ch</strong>stum (BIP) setzen. Dazu berücksi<strong>ch</strong>tigt man au<strong>ch</strong> die Ausgaben der<br />
Kantone und Gemeinden. Die Ausgaben wirken si<strong>ch</strong> insofern auf die Einnahmen aus, als dass<br />
si<strong>ch</strong> die Fiskalquote ebenfalls erhöht hat (35 Rappen pro Franken gehen an den Staat!).<br />
Fiskal- und Staatsquoten international zu verglei<strong>ch</strong>e ist s<strong>ch</strong>wierig.<br />
Im Jahr 2001 betrug die Fiskalquote 30%, unter Miteinbezug aller Abgaben mit<br />
obligatoris<strong>ch</strong>em Charakter 42,4%.<br />
Im Jahr 2002 betrug die Staatsquote unter Miteinbezug aller Abgaben mit obligatoris<strong>ch</strong>em<br />
Charakter rund 55%.<br />
Steigende Quoten erhöhen die Gefahr von Ineffizienten auf Grund steigender Umverteilung<br />
und s<strong>ch</strong>mälern den Teil des Einkommens, über wel<strong>ch</strong>en man frei verfügen kann. S<strong>ch</strong>weizer<br />
können im Dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nitt ab Mitte Jahr frei über ihr Einkommen verfügen – etwa 6 Monate<br />
arbeiten sie für die Bezahlung der Beiträge an den Staat!<br />
WOFÜR GIBT DER STAAT SEINE MITTEL AUS?<br />
• Gliederung na<strong>ch</strong> den Aufgaben des Staates: Am stärksten gestiegen ist der Anteil der<br />
Ausgaben für die soziale Wohlfahrt, am stärksten abgenommen hat der Anteil für<br />
Landesverteidigung. Der Ausgabenposten Finanzen und Steuern enthält die S<strong>ch</strong>uldzinsen<br />
und die Kantonsanteile an den Bundessteuern. 2003 musste der Staat rund 3,7 Mia<br />
S<strong>ch</strong>uldzinsen bezahlen (tägli<strong>ch</strong> gut 10 Mio.), das ist mehr als er für Bildung und Fors<strong>ch</strong>ung<br />
ausgab. Die Zinslast (S<strong>ch</strong>uldzinsen in % der Gesamteinnahmen) lag 2003 bei 7,2 %.<br />
• Gliederung na<strong>ch</strong> Eigenbedarf und Übertragungen: Dem Bund verbleibt für seine<br />
Zwecke (z.B. Verwaltung, Landesverteidigung, eidg. Ho<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ulen…) nur der kleinere Teil<br />
seiner Mittel. 73% der Bundesausgaben werden für Übertragungen an Dritte verwendet.<br />
Diese „Drehs<strong>ch</strong>eibenfunktion“ des Staates hat si<strong>ch</strong> seit 1960 stark erhöht. Wi<strong>ch</strong>tigster<br />
Empfänger von Bundesmitteln sind die öffentli<strong>ch</strong>en Haushalte der Kantone und Gemeinden<br />
und die öffentli<strong>ch</strong>en Sozialversi<strong>ch</strong>erungen, gefolgt vom privaten Sektor (hauptsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong><br />
Landwirts<strong>ch</strong>aft und Krankenkassen) und den öffentli<strong>ch</strong>en Unternehmungen (z.B. SBB). Der<br />
dominierende Teil diese Ausgaben sind Subventionen, die knapp 60% der gesamten<br />
Bundesausgaben beanspru<strong>ch</strong>en. Heute 7mal mehr Subventionen als 1970. Rund 42% aller<br />
Subventionen entfallen auf die soziale Wohlfahrt, gefolgt vom Berei<strong>ch</strong> öffentli<strong>ch</strong>er Verkehr<br />
100
(21%) und der Landwirts<strong>ch</strong>aft (13%). Auf diese drei Berei<strong>ch</strong>e konzentrieren si<strong>ch</strong> 75% aller<br />
Ausgaben.<br />
WOHER KOMMEN DIE EINNAHMEN DES BUNDES?<br />
1. Indirekte Steuern setzen bei der Belastung des Verbrau<strong>ch</strong>s an und erbringen ca. 55%<br />
aller Bundeseinnahmen. Am wi<strong>ch</strong>tigsten ist die MWSt., gefolgt von Stempelabgaben und<br />
Mineralölsteuer.<br />
2. Direkte Steuern sind die Abgaben auf Einkommen und Vermögen. Sie ma<strong>ch</strong>en ca. 30%<br />
aller Bundeseinnahmen aus und fast 60% aller Staatseinnahmen (Bund, Kantone &<br />
Gemeinden). Nirgendwo in Europa ist der Anteil direkter Steuern so ho<strong>ch</strong> wie in der CH.<br />
3. Übrige Einnahmen stellen ca. 15% der Gesamteinnahmen dar. Es sind dur<strong>ch</strong> den Bund<br />
erzielte Einnahmen dur<strong>ch</strong> die Erhebung von Gebühren und Beiträgen für bestimmte<br />
staatli<strong>ch</strong>e Leistungen.<br />
Den dominierenden Anteil an den Bundesausgaben nehmen die Sozialversi<strong>ch</strong>erungen ein.<br />
Die wi<strong>ch</strong>tigste Einnahmequelle ist die Mehrwertsteuer. Der Bundeshaushalt ist ein eigentli<strong>ch</strong>er<br />
Transferhaushalt. Staats- und Fiskalquote haben in den 1990er-Jahren zugenommen.<br />
EXKURS: WWW.EFV.ADMIN.CH/D/FINANZEN/SUBVEN/INDEX.HTM<br />
Link zu den Subventionen des Bundes.<br />
Steuern = Zahlungen von uns an den Staat<br />
Transfers = Geldflüsse von Staat an die Bevölkerung<br />
Subventionen = „Förderbeiträge“ des Staates entweder an andere staatli<strong>ch</strong>e Körpers<strong>ch</strong>aften<br />
(vom Bund an die Kantone) oder an private Institutionen oder Personen mit der Begründung,<br />
dass dieses Personen/Institutionen förderungswürdige Dinge tun. Subventionierte Aktivitäten<br />
bewirken positive externe Effekte für die Allgemeinheit. Leider sind jedo<strong>ch</strong> die Definitionen von<br />
„positiven Externalitäten“ und des „öffentli<strong>ch</strong>en Interesses“ ni<strong>ch</strong>t nur s<strong>ch</strong>wammig, sondern<br />
werden s<strong>ch</strong>nell zu „Geiseln“ der organisierten Sonderinteressen.<br />
Spri<strong>ch</strong>: Die aus der Politik winkenden Subventionen sind Einladungen für Sonderinteressen,<br />
si<strong>ch</strong> als nützli<strong>ch</strong> für die Allgemeinheit darzustellen. Das ist die Na<strong>ch</strong>frageseite für<br />
Subventionen.<br />
Anbieter sind die Politiker, die wiedergewählt werden wollen und deshalb „ihren“ Regionen,<br />
Verbänden und Wählergruppen etwas aus dem Staatssäckel zukommen lassen mö<strong>ch</strong>ten. Von<br />
Vorteil für beide ist die mangelnde Transparenz zum einen und die Tendenz zur politis<strong>ch</strong>en<br />
Kartellierung zum anderen. Erstere begünstigt das Wegsehen der Steuerzahler, Letzteres<br />
führt dazu, dass „Päckli“ für we<strong>ch</strong>selseitige Begünstigungen ges<strong>ch</strong>nürt werden. Aufhor<strong>ch</strong>en<br />
lässt den weinkennenden Kolumnisten aber die Förderung des Absatzes von „S<strong>ch</strong>weizer<br />
Qualitätsweinen im Ausland sowie Marktfors<strong>ch</strong>ung“ in Höhe von gegen 6 Mio. Franken pro<br />
Jahr. Das ergibt einen Förderbeitrag von 5 bis 6 Franken pro Flas<strong>ch</strong>e!<br />
Man beklagt in diesem Land bekanntli<strong>ch</strong> die mangelnde Innovationskraft, die zu geringe Rate<br />
von „Start-ups“ oder die ungenügende Risikobereits<strong>ch</strong>aft. An Subventionsjägern hingegen<br />
mangelt es ni<strong>ch</strong>t.<br />
All diese vers<strong>ch</strong>enkten Millionen müssen zuerst von jemandem erwirts<strong>ch</strong>aftet werden!!!<br />
EXKURS: „DER SCHWEIZERISCHE FINANZAUSGLEICH IST REFORMBEDÜRFTIG“<br />
In einem föderalistis<strong>ch</strong>en Staat kommen dem Finanzausglei<strong>ch</strong> wi<strong>ch</strong>tige Aufgaben zu. Erstens<br />
müssen die vers<strong>ch</strong>iedenen öffentli<strong>ch</strong>en Aufgaben sowie die Besteuerungskompetenzen dem<br />
Bund, den Kantonen und Gemeinden zugeteilt werden. Zweitens muss der Finanzausglei<strong>ch</strong><br />
für die Feinabstimmung der finanziellen Mittel zwis<strong>ch</strong>en den staatli<strong>ch</strong>en Ebenen sorgen. Diese<br />
Feinabstimmung enthält folgende drei Elemente:<br />
• Bund erhebt gewisse Steuern (VST, Treibstoffzolleinnahmen,…) effizienter als die<br />
Kantone. Teile dieser Steuern transferiert er an die Kantone (Kantonsanteile an<br />
Bundeseinnahmen).<br />
Zusammenfassung VWL IUR I<br />
<strong>www</strong>.<strong><strong>ch</strong>illingpeople</strong>.<strong>ch</strong><br />
101
• Bei kantonalen Leistungen, von wel<strong>ch</strong>en au<strong>ch</strong> Bewohner anderer Kantonen profitieren,<br />
werden Finanzhilfen gezahlt, damit Anreize bestehen, au<strong>ch</strong> die Interessen anderer<br />
Kantone zu berücksi<strong>ch</strong>tigen (z.B. Universitäten,…).<br />
• Abgeltungen s<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> sind Zahlungen, die der Bund den Kantonen ausri<strong>ch</strong>tet, sofern<br />
diese Aufgaben im Auftrag des Bundes erfüllen (z.B. Bau von Nationalstrassen…).<br />
Zudem kommt dem Finanzausglei<strong>ch</strong> die Aufgabe zu, die Einkommensunters<strong>ch</strong>iede zwis<strong>ch</strong>en<br />
den Kantonen/Gemeinden auszuglei<strong>ch</strong>en, die auf unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>en geographis<strong>ch</strong>en und<br />
wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Voraussetzungen der Kantone/Gemeinden basieren.<br />
Ein optimales Transfersystem hat grundsätzli<strong>ch</strong> 3 Funktionen zu erfüllen:<br />
Allokationseffizienz: Die tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> gewüns<strong>ch</strong>ten öffentli<strong>ch</strong>en Leistungen sollen erbra<strong>ch</strong>t<br />
werden.<br />
Kosteneffizienz: Die Leistungen sollen mit mögli<strong>ch</strong>st geringen Kosten erfüllt werden.<br />
Umverteilungseffizienz: Es soll ein zielgeri<strong>ch</strong>teter Abbau der Einkommensunters<strong>ch</strong>iede<br />
zwis<strong>ch</strong>en den Kantonen/Gemeinden erfolgen.<br />
Diese Kriterien sind heute s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>t erfüllt, deshalb der Ruf na<strong>ch</strong> einer Reform. Es gibt drei<br />
Stossri<strong>ch</strong>tungen für Reformen:<br />
1. Klare Trennung der beiden Ziele Allokationseffizienz und Umverteilungseffizienz<br />
2. Ausbau des horizontalen Finanzausglei<strong>ch</strong>s<br />
3. Verbesserungen in der Ausgestaltung und der Ausri<strong>ch</strong>tung der Finanzhilfen und<br />
Abgeltungen<br />
ENTWICKLUNG DER DEFIZITE UND DER VERSCHULDUNG<br />
Bundeshaushalt ist stark von der konjunkturellen Entwicklung beeinflusst.<br />
Konjunkturell bedingte Defizite sind unproblematis<strong>ch</strong>, weil sie im Zuge des wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en<br />
Aufs<strong>ch</strong>wungs von selbst wieder vers<strong>ch</strong>winden. Als automatis<strong>ch</strong>e Stabilisatoren ist ihre<br />
Wirkung im Konjunkturverlauf sogar willkommen.<br />
Weit problematis<strong>ch</strong>er sind die strukturellen Defizite, weil sie ni<strong>ch</strong>t einfa<strong>ch</strong> so wieder<br />
vers<strong>ch</strong>winden. Man kann sie deshalb au<strong>ch</strong> als selbstvers<strong>ch</strong>uldete Defizite bezei<strong>ch</strong>nen, die<br />
si<strong>ch</strong> nur dur<strong>ch</strong> Ausgabenkürzungen oder Steuererhöhungen beseitigen lassen.<br />
Konjunkturelle Defizite sind auf rezessionsbedingt höhere Ausgaben und tiefere Einnahmen<br />
zurückzuführen und wirken als automatis<strong>ch</strong>e Stabilisatoren. Strukturelle Defizite weisen auf<br />
eine dauerhafte Überlastung des Haushalts mit ni<strong>ch</strong>t finanzierten Ausgaben hin und lassen<br />
si<strong>ch</strong> nur dur<strong>ch</strong> Ausgabenkürzungen oder Steuererhöhungen beseitigen.<br />
Die Entwicklung des Staatshaushaltes deutet auf eine steigende Vers<strong>ch</strong>uldung hin. Die<br />
grossen Defizite der 1990er-Jahre konnten zwar eingedämmt werden, denno<strong>ch</strong> ist der<br />
Staatshaushalt no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t ausgegli<strong>ch</strong>en.<br />
GEFAHREN UND GRENZEN DER STAATSVERSCHULDUNG<br />
S<strong>ch</strong>uldenquote CH = 50% (EU-Dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nitt = 70%)<br />
S<strong>ch</strong>ulden sind Kredite, das verlockende an Krediten ist, dass man Ausgaben tätigen kann,<br />
ohne zeitglei<strong>ch</strong> dafür zu bezahlen. Kredit ist eine Aufs<strong>ch</strong>iebung der Zahllast. Staat finanziert<br />
eine Ausgabe entweder dur<strong>ch</strong> Steuererhöhungen oder er ma<strong>ch</strong>t Defizite und finanziert es mit<br />
Krediten. Unters<strong>ch</strong>ied Staatskredit zu Kredit von privatem: Der Staat verlagert die<br />
Zahlungsverpfli<strong>ch</strong>tung auf zukünftige Generationen, während der Private für seinen Kredit<br />
selber aufkommen muss. Jene, wel<strong>ch</strong>e Staatskredite zurückbezahlen müssen, sind no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t<br />
geboren.<br />
Eine wa<strong>ch</strong>sende Staatsvers<strong>ch</strong>uldung birgt die Gefahr von steigenden Zinsen, der<br />
Verdrängung privater Investitionen, steigender Inflation und Wa<strong>ch</strong>stumsabs<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>ung in si<strong>ch</strong>.<br />
Sie s<strong>ch</strong>mälert den Handlungsspielraum des Staates und kann einen Teufelskreis auslösen.<br />
(Teufelskreis = Mit steigenden S<strong>ch</strong>ulden steigen au<strong>ch</strong> die Zinsen, wel<strong>ch</strong>e wieder mit neuen<br />
S<strong>ch</strong>ulden begli<strong>ch</strong>en werden müssen)<br />
Zusammenfassung VWL IUR I<br />
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102
Für einen Staat wird es definitiv ernst, wenn er keine neuen Kredite mehr erhält, er ist faktis<strong>ch</strong><br />
zahlungsunfähig und somit bankrott.<br />
Obwohl es keine fixe Zahl für die Staatsvers<strong>ch</strong>uldung gibt, so gibt es einige Ri<strong>ch</strong>tlinien für<br />
eine akzeptable Staatsvers<strong>ch</strong>uldung:<br />
1. Die Goldene Finanzierungsregel: Die Budgetdefizite sollten die Höhe der<br />
Staatsinvestitionen ni<strong>ch</strong>t übersteigen.<br />
Ni<strong>ch</strong>t nur unproblematis<strong>ch</strong>, sondern dur<strong>ch</strong>aus gere<strong>ch</strong>tfertigt sind Kredite zu<br />
Investitionszwecken, weil diese zu wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>em Wa<strong>ch</strong>stum und zu höheren Erträgen<br />
führen. Andererseits sind S<strong>ch</strong>ulden problematis<strong>ch</strong>, die zur Finanzierung von<br />
Konsumausgaben dienen, wie etwa Sozial-, Personal- oder Rüstungsausgaben. Diese<br />
Regel wird von den öffentli<strong>ch</strong>en Haushalten in der S<strong>ch</strong>weiz erfüllt.<br />
2. Die S<strong>ch</strong>uldenquote (Staatss<strong>ch</strong>ulden im Verhältnis zum BIP) sollte langfristig konstant<br />
sein.<br />
Um dies zu gewährleisten, darf die Zunahme der Vers<strong>ch</strong>uldung die Wa<strong>ch</strong>stumsrate der<br />
VWL ni<strong>ch</strong>t übersteigen. Um den S<strong>ch</strong>neeballeffekt der Zinsen zu verhindern, ist ein<br />
ausgegli<strong>ch</strong>ener Primärhaushalt (Haushaltssaldo ohne Zinszahlungen) notwendig, dann<br />
bleibt die S<strong>ch</strong>uldenquote stabil. Da si<strong>ch</strong> dies ni<strong>ch</strong>t erfüllen wird in den nä<strong>ch</strong>sten Jahren,<br />
müssen in der Zukunft abstri<strong>ch</strong>e bei den Finanzplänen vorgenommen werden.<br />
3. Die Ausgaben sollten im Glei<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ritt mit dem Wirts<strong>ch</strong>aftswa<strong>ch</strong>stum zunehmen.<br />
In den letzten 20 Jahren lag die Zunahme der Ausgaben immer über dem Wa<strong>ch</strong>stum des<br />
BIP, ein Glei<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ritt ist au<strong>ch</strong> hier ni<strong>ch</strong>t gewährleistet.<br />
Die goldene Finanzierungsregel, eine langfristig konstante S<strong>ch</strong>uldenquote und im Glei<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ritt<br />
mit dem BIP wa<strong>ch</strong>sende Ausgaben sind wi<strong>ch</strong>tige Ri<strong>ch</strong>tlinien für eine akzeptable<br />
Staatsvers<strong>ch</strong>uldung.<br />
Zusammenfassung VWL IUR I<br />
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103
EXKURS: „WIE HOCH SIT DIE OPTIMALE STAATSQUOTE?“<br />
Die Senkung der Staatsquote ist ein viel verlangtes Ziel der Finanzpolitik. Man verspri<strong>ch</strong>t si<strong>ch</strong><br />
davon hohe Standortattraktivität. Aber: Keine staatli<strong>ch</strong>e Leistung ist für die Standortattraktivität<br />
genauso s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>t wie zu viele staatli<strong>ch</strong>e Eingriffe.<br />
Die Standortattraktivität hängt vor allem von der steuerli<strong>ch</strong>en Belastung und der Menge und<br />
Qualität der staatli<strong>ch</strong> bereitgestellten Leistungen ab und nur indirekt von der Staatsquote.<br />
Zusammenfassung VWL IUR I<br />
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104
Zusammenfassung VWL IUR I<br />
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KAPITEL 12 – DAS PROBLEM DER SOZIALEN SICHERHEIT<br />
ZWECK DER SOZIALPOLITIK<br />
Die Wohlfahrt eines Volkes ist ni<strong>ch</strong>t nur vom Umfang des Volkseinkommens abhängig,<br />
sondern au<strong>ch</strong> von dessen Verteilung. Das Ergebnis des Marktes kann dem<br />
Gere<strong>ch</strong>tigkeitsempfinden widerspre<strong>ch</strong>en. Ni<strong>ch</strong>t alle Mens<strong>ch</strong>en sind zudem in der Lage in der<br />
vom Markt honorierten Art und Weise leistungsfähig zu sein. Staat muss dur<strong>ch</strong> Umverteilung<br />
der Einkommen für eine gere<strong>ch</strong>tere Verteilung sorgen.<br />
Was ist eine gere<strong>ch</strong>te Einkommensverteilung?<br />
Ungere<strong>ch</strong>tigkeit weil die Arbeit na<strong>ch</strong> Leistung/Werts<strong>ch</strong>öpfung und die Güter na<strong>ch</strong> Kaufkraft<br />
verteilt werden. Auf die Bedürfnisse der Arbeitnehmer oder Konsumenten wird keine<br />
Rücksi<strong>ch</strong>t genommen. Dieses Urteil der Ungere<strong>ch</strong>tigkeit impliziert eine Bedarfs- bzw.<br />
Verteilgere<strong>ch</strong>tigkeit. Die Bedarfsgere<strong>ch</strong>tigkeit geht davon aus, dass ein Mens<strong>ch</strong> ein Anre<strong>ch</strong>t<br />
auf ein gewisses Wohlstandsniveau hat. Die Verteilgere<strong>ch</strong>tigkeit impliziert eine Nivellierung<br />
der Einkommen.<br />
Als Mittel der Umverteilung benutzt der Staat einerseits progressiv ausgestaltete<br />
Einkommens- und Vermögenssteuern und andererseits als ebenfalls wi<strong>ch</strong>tiges Instrument<br />
der Umverteilung sind die Sozialtransfers auf Grund der Sozialversi<strong>ch</strong>erungen.<br />
Die Sozialversi<strong>ch</strong>erungen dienen grundsätzli<strong>ch</strong> drei Zwecken:<br />
1. Soziale Si<strong>ch</strong>erheit: SV bringen eine Umverteilung von den Erwerbstätigen zu den Ni<strong>ch</strong>terwerbstätigen,<br />
indem der Einzelne dur<strong>ch</strong> Prämienzahlung einen Anspru<strong>ch</strong> erwirbt, falls er<br />
infolge Krankheit, Unfall, Arbeitslosigkeit oder anderer Gründe aus dem Erwerbsleben<br />
auss<strong>ch</strong>eidet (SV sind das Auffangnetz für Einkommensausfälle).<br />
2. Risikoausglei<strong>ch</strong>: Die SV befreien das Individuum davon, si<strong>ch</strong> für alle Risikofälle<br />
vorzubereiten und entspre<strong>ch</strong>ende Mittel auf die Seite zu legen, wozu es in den meisten<br />
Fällen so oder so ni<strong>ch</strong>t in der Lage wäre (z.B. bei Invalidität).<br />
3. Einkommensumverteilung: SV sind im Unters<strong>ch</strong>ied zu anderen Versi<strong>ch</strong>erungen<br />
obligatoris<strong>ch</strong> und ärmere Zahlen kleinere Beiträge als Rei<strong>ch</strong>e. Es sind also au<strong>ch</strong> Leute<br />
versi<strong>ch</strong>ert die infolge ihrer Armut keine Prämien bezahlen können. „Sozial“ heisst immer,<br />
dass die Gesells<strong>ch</strong>aft dem Individuum unter die Arme greift.<br />
SV sollen Mens<strong>ch</strong>en in wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong> und sozial s<strong>ch</strong>wierigen Lagen vor materieller Armut<br />
s<strong>ch</strong>ützen. Probleme bereitet jedo<strong>ch</strong> gemeinhin das konkretisieren des Armutsbegriffes. Man<br />
kann 3 Armutsdefinitionen unters<strong>ch</strong>eiden:<br />
• Absolute Armut: Das Einkommen oder das Vermögen gestattet es ni<strong>ch</strong>t, si<strong>ch</strong> mit dem<br />
Lebensnotwendigen zu versorgen.<br />
• Relative Armut: Hier wird die Armut in Relation zum allgemeinen Lebensstandard gesetzt.<br />
Arm ist beispielsweise, wer weniger als die Hälfte des dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nittli<strong>ch</strong>en Einkommens<br />
bezieht.<br />
• Subjektive Armut: Dieses Konzept geht vom subjektiven Empfinden aus, arm zu sein. So<br />
können si<strong>ch</strong> Mens<strong>ch</strong>en mit einem unterdur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nittli<strong>ch</strong>en Einkommen als ni<strong>ch</strong>t arm<br />
empfinden, weil sie z.B. weniger arbeiten und die Freizeit umso mehr geniessen, während<br />
anderen Mens<strong>ch</strong>en ihr überdur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nittli<strong>ch</strong>es Einkommen ni<strong>ch</strong>t ausrei<strong>ch</strong>t, um ihre<br />
Bedürfnisse zu befriedigen, weshalb sie si<strong>ch</strong> arm fühlen.<br />
Wel<strong>ch</strong>es Konzept als zutreffend und relevant angesehen wird, ist eine rein politis<strong>ch</strong>e Frage.<br />
105
SOZIALVERSICHERUNGEN IN DER SCHWEIZ<br />
Der Aufbau des Sozialversi<strong>ch</strong>erungssystems wurde stark begünstigt dur<strong>ch</strong> die Zeit des<br />
grossen Wirts<strong>ch</strong>aftswa<strong>ch</strong>stums na<strong>ch</strong> dem Weltkrieg. Für die vers<strong>ch</strong>iedenen Risikogruppen<br />
wurden eigene Versi<strong>ch</strong>erungen ges<strong>ch</strong>affen.<br />
Zusammenfassung VWL IUR I<br />
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ENTWICKLUNG DER SOZIALAUSGABEN<br />
Die Entwicklung ist geprägt von einem starken Wa<strong>ch</strong>stum der Ausgaben.<br />
Die SV, wel<strong>ch</strong>e der sozialen Si<strong>ch</strong>erheit, dem Risikoausglei<strong>ch</strong> und der<br />
Einkommensumverteilung dienen, unterliegen einem dauernden und kräftigen Wa<strong>ch</strong>stum.<br />
AHV, die Pensionskassen und die Krankenkassen sind bei weitem die wi<strong>ch</strong>tigsten Zweige des<br />
sozialen Si<strong>ch</strong>erungssystem sind (sie vereinen mehr als 70% der Einnahmen auf si<strong>ch</strong>). Von<br />
jedem Franken Werts<strong>ch</strong>öpfung werden aus Gründen der Gere<strong>ch</strong>tigkeit und der sozialen<br />
Si<strong>ch</strong>erheit rund 30 Rappen der individuellen Verfügungsgewalt entzogen.<br />
HERAUSFORDERUNGEN FÜR DIE SOZIALPOLITIK<br />
Das Hauptproblem liegt beim stets steigenden Mehrbedarf, ents<strong>ch</strong>eidend für die Sozialpolitik<br />
sind aber insbesondere die zunehmende Alterung und der Rückgang des Anteils der<br />
erwerbstätigen Personen ab dem Jahr 2015.<br />
Im Jahr 2040 wird ein viertel der Gesamtbevölkerung in Rente sein. Die Anzahl Erwerbstätige<br />
wird si<strong>ch</strong> von heute rund 4 Millionen auf 3,7 Millionen im Jahr 2060 verringern. Die<br />
demografis<strong>ch</strong>e Entwicklung hat sehr eins<strong>ch</strong>neidend negative Auswirkungen auf die<br />
Entwicklung unserer Sozialsysteme.<br />
Wie entwickeln si<strong>ch</strong> di einzelnen Zweige der Sozialversi<strong>ch</strong>erungen? Lässt si<strong>ch</strong> unser<br />
Sozialsystem no<strong>ch</strong> finanzieren?<br />
• Berufli<strong>ch</strong>e Vorsorge: Die Einnahmen der BV liegen – bedingt dur<strong>ch</strong> das Finanzierungsverfahren<br />
– in der Aufbauphase über den Ausgaben. Der Kapitalzuwa<strong>ch</strong>s fiel im Jahr 2000<br />
gegenüber den Vorjahren deutli<strong>ch</strong> ab. Erstmals ist 2001 der Wert des akkumulierten<br />
Finanzkapitals zurückgegangen, weil die Börsenkrise einen Wertverlust von 38 Milliarden<br />
Franken ausgelöst hat.<br />
Zusammenfassung VWL IUR I<br />
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• AHV: Die Finanzierung der AHV gerät dur<strong>ch</strong> die Bevölkerungsentwicklung zunehmend in<br />
Gefahr. Die Alterslastquote d.h. das Verhältnis der über 64-jährigen zu den<br />
20 – 64-jährigen, wird von 9,5:1 im Jahr 1948, auf heute 2,9:1 und bis ins Jahr 2040 auf<br />
2:1 absinken, was speziell bei der über das Umlageverfahren finanzierten AHV Probleme<br />
ergibt.<br />
• Krankenversi<strong>ch</strong>erung: Bis ins Jahr 2040 werden die Ausgaben für die KK real um zirka<br />
40% steigen. Dazu tragen unter anderem die laufende Angebotserweiterung, die<br />
medizinis<strong>ch</strong>-te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>en Forts<strong>ch</strong>ritte, der gesetzli<strong>ch</strong>e Leistungsausbau und au<strong>ch</strong> die<br />
Überalterung bei. Das ist ni<strong>ch</strong>t nur ein Problem für die Prämienzahler, sind au<strong>ch</strong> für den<br />
Staat.<br />
• Invalidenversi<strong>ch</strong>erung: S<strong>ch</strong>reibt rote Zahlen, seit 1993. Die jährli<strong>ch</strong>en Fehlbeträge<br />
steigen bis zum Jahr 2010 auf eine Milliarde an. Na<strong>ch</strong> dem Jahr 2010 dürfte die IV<br />
allerdings das gröbste überstanden haben auf Grund der s<strong>ch</strong>rumpfenden aktiven<br />
Bevölkerung.<br />
• Arbeitslosenversi<strong>ch</strong>erung: Der ALV kommt eine Sonderstellung zu, weil Einnahmen und<br />
Ausgaben sehr stark von der Konjunkturlage abhängen. 1999 we<strong>ch</strong>selte der<br />
Re<strong>ch</strong>nungssaldo vom Defizit zum Übers<strong>ch</strong>uss (na<strong>ch</strong> dem ab dem Jahre 1990 Verluste<br />
ges<strong>ch</strong>rieben wurden).<br />
Ob si<strong>ch</strong> unser Sozialsystem no<strong>ch</strong> finanzieren lässt, hängt sehr stark von der Dynamik der<br />
Wirts<strong>ch</strong>aft ab. Mit Wa<strong>ch</strong>stum allein ist es ni<strong>ch</strong>t getan, es müssen au<strong>ch</strong> der Prozentsatz der<br />
Lohnabzüge erhöht, der Bundeszus<strong>ch</strong>uss hinaufgesetzt und/oder die Leistungen gekürzt<br />
werden. Da alle drei Massnahmen unattraktiv s<strong>ch</strong>einen, wird der Ruf na<strong>ch</strong> eine<br />
Neuorientierung des Systems laut.<br />
Wo liegen die Gefahren des Wohlfahrtsstaates?<br />
Ein Grundgedanke jeder Versi<strong>ch</strong>erung ist es, den Einzelnen vor Risiken und den damit<br />
zusammenhängenden Kosten zu s<strong>ch</strong>ützen. Man addiert alle individuellen S<strong>ch</strong>äden und legt<br />
sie auf alle Beteiligten um, denn das Kollektiv sollte in der Lage sein, sämtli<strong>ch</strong>e S<strong>ch</strong>äden zu<br />
tragen. Der Einzelne haftet zwar ni<strong>ch</strong>t mehr für si<strong>ch</strong>, umgekehrt allerdings haftet er für die<br />
dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nittli<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>adensfälle der Gesells<strong>ch</strong>aft, auf die er keinen Einfluss hat. (Von diesem<br />
System profitieren aber au<strong>ch</strong> sol<strong>ch</strong>e, die eigentli<strong>ch</strong> in der Lage wären, ihren S<strong>ch</strong>aden selber<br />
zu tragen).<br />
Das Absi<strong>ch</strong>ern von Kosten führt dazu, dass Anreize fehlen, die Kosten tief zu halten, weil das<br />
Einzelverhalten auf die Prämienhöhe kaum Wirkung hat.<br />
Weil aus zusätzli<strong>ch</strong> beanspru<strong>ch</strong>ten Leistungen direkt keine zusätzli<strong>ch</strong>en Beitragszahlungen<br />
entstehen, besteht ein Anreiz, mögli<strong>ch</strong>st viele Leistungen zu beziehen, die Versi<strong>ch</strong>erung<br />
bezahlt es ja…<br />
Führt der Versi<strong>ch</strong>erungss<strong>ch</strong>utz deswegen zu einer übermässigen Ausweitung der S<strong>ch</strong>äden,<br />
spri<strong>ch</strong>t man von einem „moral-hazard“-Problem. Es wird dadur<strong>ch</strong> vers<strong>ch</strong>ärft, dass dur<strong>ch</strong> die<br />
staatli<strong>ch</strong>e Sozialpolitik zwis<strong>ch</strong>en Helfer und Bedürftigen eine Institution fällt, die eine<br />
Anonymität zwis<strong>ch</strong>en diesen beiden Gruppen bewirkt.<br />
Die beiden wi<strong>ch</strong>tigsten Kriterien zur Beurteilung von Systemen sozialer Si<strong>ch</strong>erung sind die<br />
ökonomis<strong>ch</strong>e Effizienz und die Verteilungsgere<strong>ch</strong>tigkeit. Eine Steuer oder Abgabe ist<br />
dana<strong>ch</strong> effizient, wenn sie die Innovationskraft einer VW erhält und die Kapitalbildung fördert<br />
oder zumindest ni<strong>ch</strong>t behindert. Von Verteilungsgere<strong>ch</strong>tigkeit kann dann gespro<strong>ch</strong>en werden,<br />
wenn si<strong>ch</strong> die Belastung an der Inanspru<strong>ch</strong>nahme der Leistung oder an der finanziellen<br />
Leistungsfähigkeit ausri<strong>ch</strong>tet. Zwis<strong>ch</strong>en den beiden besteht oft ein Konflikt.<br />
Die Bürger sind si<strong>ch</strong> oft ni<strong>ch</strong>t über die Sozialpolitik (und au<strong>ch</strong> über die Steuerpolitik) einig, weil<br />
sie den Zielkonflikt zwis<strong>ch</strong>en Effizienz und Gere<strong>ch</strong>tigkeit ni<strong>ch</strong>t erkennen oder diesen beiden<br />
Zielen unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>e Bedeutung zumessen.<br />
Zusammenfassung VWL IUR I<br />
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Vors<strong>ch</strong>läge zur Neuorientierung des Systems der sozialen Si<strong>ch</strong>erheit:<br />
Neugestaltung der Leistungsseite:<br />
• AHV<br />
♦ Einführung einer steuerfreien Einheitsrente, die eine Grundsi<strong>ch</strong>erung im Alter<br />
gewährleisten soll. Diese Einheitsrente liegt zwis<strong>ch</strong>en der heutigen Mindestrente und der<br />
heutigen Maximalrente.<br />
♦ Von der Bankenvereinigung stammt der Vors<strong>ch</strong>lag, Rentnern mit einem Einkommen über<br />
Fr. 100'000.- die AHV zu strei<strong>ch</strong>en.<br />
♦ Flexibilisierung oder Erhöhung des Rentenalters.<br />
♦ Privatisierung der AHV.<br />
• Aufhebung des Obligatoriums der 2. Säule<br />
Fakultativer Erwerb zusätzli<strong>ch</strong>er Leistungen zur AHV – Einheitsrente bei freier Wahl der<br />
Versi<strong>ch</strong>erungsform und der Versi<strong>ch</strong>erungshöhe gemäss den eigenen Ansprü<strong>ch</strong>en.<br />
• Privatisierung der Arbeitslosenversi<strong>ch</strong>erung<br />
Au<strong>ch</strong> hier gibt es Vors<strong>ch</strong>läge einer Einheitsrente für Arbeitslose, darüber hinausgehende<br />
Ansprü<strong>ch</strong>e müssten am privaten Versi<strong>ch</strong>erungsmarkt gedeckt werden.<br />
• Obligatoris<strong>ch</strong>e Versi<strong>ch</strong>erung des Existenzminimums<br />
„Extremisten“ fordern gar eine Auszahlung aller bisher geleisteten Lohnabzüge.<br />
Obligatoris<strong>ch</strong> versi<strong>ch</strong>ert soll nur no<strong>ch</strong> das Existenzminimum werden, der Rest soll der<br />
Selbstverantwortung überlassen werden.<br />
Neugestaltung der Finanzierungsseite:<br />
• Umstellung auf Kapitaldeckungsverfahren<br />
Krise beim Umlageverfahren (auf Grund der demografis<strong>ch</strong>en Entwicklung) soll dur<strong>ch</strong> eine<br />
Verstärkung bzw. dur<strong>ch</strong> Ersatz dur<strong>ch</strong> das Kapitaldeckungsverfahren ents<strong>ch</strong>ärft werden.<br />
Dafür wäre eine Akzentverlagerung von der ersten zur zweiten Säule notwendig oder eine<br />
s<strong>ch</strong>rittweise Verlagerung vom Umlage- zum Kapitaldeckungsverfahren bei der<br />
Finanzierung der AHV.<br />
• Finanzierung über Mehrwertsteuer oder Einkommenssteuer<br />
Künftige Aufgaben der Sozialversi<strong>ch</strong>erungen sollen vermehrt über die MWSt. oder über<br />
Einkommenssteuern statt über Lohnprozente finanziert werden. So würden au<strong>ch</strong> die<br />
rei<strong>ch</strong>en Pensionierten ihre und die Renten ihrer Generation mitbezahlen.<br />
1. Finanzierung aus Ökosteuern<br />
Als alternative Finanzierungsquelle könnte zu einer Besteuerung des Energieverbrau<strong>ch</strong>s<br />
und/oder des CO 2 -Ausstosses übergegangen werden.<br />
Das Konzept der negativen Einkommenssteuer<br />
Dem Steuertarif wird unterhalb eines gewissen Einkommens ein negativer Steuersatz<br />
angehängt, gemässe wel<strong>ch</strong>em die Betroffenen eine soziale Grundsi<strong>ch</strong>erung in Form einer<br />
staatli<strong>ch</strong>en Transferzahlung zufliesst. Die negative Einkommenssteuer hat z.B. gegenüber der<br />
Zusammenfassung VWL IUR I<br />
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Arbeitslosenversi<strong>ch</strong>erung den Vorteil, dass au<strong>ch</strong> derjenige in den Genuss von Unterstützung<br />
kommt, der eine Arbeit hat, bei der er aber ein gewisses Mindesteinkommen ni<strong>ch</strong>t errei<strong>ch</strong>t.<br />
Dadur<strong>ch</strong> wird also ein gewisses Mindesteinkommen garantiert bei glei<strong>ch</strong>zeitiger Beibehaltung<br />
von Leistungsanreiz und Effizienz.<br />
Gegen das Konzept der negativen Einkommenssteuer werden starke Einwände erhoben. So<br />
wird die Finanzierung in Frage gestellt, hohe Grenzsteuersätze würden negative<br />
Arbeitsanreize auslösen und bedeutende Philosophen betra<strong>ch</strong>ten dieses Konzepts als<br />
„unfair“. Wenn allerdings eine negative Einkommenssteuer für den pensionierten Teil der<br />
Bevölkerung eingeführt wird, entfallen diese Einwände.<br />
EXKURS: „GESAMTSCHAU DES FINANZIELLEN MEHRBEDARFS DER SOZIALVERSICHERUNGEN“<br />
Absoluter Mehrbedarf im Jahr 2010 gegenüber 2000 wird auf über 26 Milliarden Franken<br />
ges<strong>ch</strong>ätzt, was einem Mehrbedarf von 31% entspri<strong>ch</strong>t. Dur<strong>ch</strong> den Anstieg der Einnahmen im<br />
Rahmen des allgemeinen Wirts<strong>ch</strong>aftswa<strong>ch</strong>stums werden 13 Milliarden Franken gedeckt. Die<br />
restli<strong>ch</strong>en 13 Mia Franken bleiben offen.<br />
Der AHV und der IV stehen vers<strong>ch</strong>iedene Elemente zur Deckung des Mehrbedarfs zur<br />
Verfügung. Nebst der Mehrwertsteuer wird bei der IV au<strong>ch</strong> ein Kapitaltransfer von der EO<br />
notwendig.<br />
Bei der KK wird si<strong>ch</strong> der Mehrbedarf vor allem auf die Prämien auswirken. Bei der berufli<strong>ch</strong>en<br />
Vorsorge werden die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge erhöht werden und bei der EO<br />
wird der Beitragssatz im Jahr 2008 erhöht.<br />
Ein wi<strong>ch</strong>tiges Element ist die Mehrwertsteuer. Für deren Erhöhung zu Gunsten der AHV und<br />
IV ist folgender Zeitplan vorgesehen:<br />
2005 1 Punkt für die IV<br />
2011 0.5 Punkt für die AHV<br />
2012 Kürzung um 0.4 Punkte für die IV<br />
2015 1 Punkt für die AHV<br />
Trotz allen Bemühungen wird die langsam anwa<strong>ch</strong>sende Differenz von 2010 bis 2025<br />
zwis<strong>ch</strong>en Finanzierungsbedarf und Einnahmen zu s<strong>ch</strong>liessen sein. Der grösste<br />
Handlungsbedarf besteht indessen bei der AHV.<br />
Zusammenfassung VWL IUR I<br />
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