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Katalog/Catalogue - deutsch/englisch

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Chikaku<br />

Zeit und Erinnerung in Japan<br />

Der vorliegende <strong>Katalog</strong> erscheint anlässlich der<br />

von Kunsthaus Graz, Camera Austria und The Japan<br />

Foundation gemeinsam ausgerichteten Ausstellung<br />

Chikaku – Zeit und Erinnerung in Japan. Wahrnehmung,<br />

Zeit und Erinnerung sind die zentralen Themen, die in<br />

einem breiten Spektrum künstlerischer Ausdrucksformen<br />

– von bildender Kunst über Film und Fotografie<br />

bis hin zu Medienkunst und Architektur – präsentiert<br />

werden. Der komplexe konzeptuelle Ansatz verweist<br />

auf die vielfältigen Schattierungen japanischen Kunstschaffens<br />

und versucht eine Neubestimmung von<br />

bislang kaum gemeinsam gezeigten, aber höchst<br />

charakteristischen aktuellen Positionen innerhalb der<br />

japanischen Kunst.<br />

Der <strong>Katalog</strong> umfasst neben theoretischen Beiträgen<br />

von Ryuta Imafuku, Toshiharu Ito, Makoto Sei<br />

Watanabe und Krystyna Wilkoszewska einen literarischen<br />

Text von Yoko Tawada sowie ein Vorwort der<br />

Japan Foundation und eine Einleitung von Christine<br />

Frisinghelli und Peter Pakesch.<br />

Chikaku<br />

Time and Memory in Japan<br />

The present catalogue is published on the occasion<br />

of the Chikaku – Time and Memory in Japan exhibition<br />

organised jointly by Kunsthaus Graz, Camera Austria<br />

and The Japan Foundation. The key topics are perception,<br />

time and memory, and they are explored in a<br />

wide spectrum of artistic forms ranging from fine art<br />

via film and photography to media art and architecture.<br />

The complex conceptional approach reflects the subtle<br />

diversity of Japanese artistic output and endeavours<br />

to redefine current positions within Japanese art that<br />

hardly ever been shown together but nonetheless are<br />

highly characteristic.<br />

The catalogue includes theoretical articles by Ryuta<br />

Imafuku, Toshiharu Ito, Makoto Sei Watanabe and<br />

Krystyna Wilkoszewska plus a literary essay by Yoko<br />

Tawada. The Japan Foundation has provided a fore-<br />

word, and the introduction is by Christine Frisinghelli<br />

and Peter Pakesch.


Diese Publikation<br />

erscheint anlässlich der<br />

Ausstellung<br />

This catalogue is<br />

published on the occasion<br />

of the exhibition<br />

Chikaku<br />

Zeit und Erinnerung<br />

in Japan<br />

Chikaku<br />

Time and Memory<br />

in Japan


Kunsthaus Graz am<br />

Landesmuseum Joanneum<br />

Camera Austria<br />

04.06.–11.09.2005<br />

Kunsthaus Graz am<br />

Landesmuseum Joanneum<br />

Camera Austria<br />

June 04–September 11, 2005<br />

Veranstaltet mit<br />

The Japan Foundation<br />

Co-organized by<br />

The Japan Foundation


Kurator: Toshiharu Ito<br />

In Zusammenarbeit mit:<br />

Adam Budak, Seiichi Furuya,<br />

Miki Okabe<br />

Curator: Toshiharu Ito<br />

In collaboration with:<br />

Adam Budak, Seiichi Furuya,<br />

Miki Okabe<br />

HerausgeberInnen:<br />

Christine Frisinghelli,<br />

Peter Pakesch<br />

Editors:<br />

Christine Frisinghelli,<br />

Peter Pakesch<br />

Erschienen im Verlag<br />

der Buchhandlung<br />

Walther König, Köln<br />

Published by<br />

Verlag der Buchhandlung<br />

Walther König, Cologne


6<br />

Christine Frisinghelli,<br />

Peter Pakesch<br />

Vorwort<br />

Christine Frisinghelli,<br />

Peter Pakesch<br />

Foreword<br />

12<br />

The Japan Foundation<br />

Über Chikaku: Zeit<br />

und Erinnerung in Japan<br />

The Japan Foundation<br />

About Chikaku: Time<br />

and Memory in Japan<br />

16<br />

Toshiharu Ito<br />

Die Vierte Dimension der<br />

Wahrnehmung: Neue<br />

Koordinaten für japanische<br />

zeitgenössische Kunst<br />

Toshiharu Ito<br />

The Fourth Dimension of<br />

Perception: New<br />

Coordinates for Japanese<br />

Contemporary Art<br />

36<br />

Makoto Sei Watanabe<br />

Ein Band, das „Wissen“<br />

und „Spüren“ verbindet<br />

Makoto Sei Watanabe<br />

A Ribbon that Joins<br />

“Knowing” and “Sensing”<br />

hikaku<br />

eit und Erin<br />

n Japan<br />

ime and M<br />

n Japan


54<br />

Ryuta Imafuku<br />

Ein vierdimensionales<br />

Japan: Von der „Magie“<br />

zu „Infra-ordinary“<br />

Ryuta Imafuku<br />

Four-dimensional<br />

Japan: From “Magic”<br />

to “Infra-ordinary”<br />

74<br />

Krystyna Wilkoszewska<br />

Auf der Reise mit Künstlern<br />

durch Zeit und Raum<br />

Krystyna Wilkoszewska<br />

A Journey with Artists<br />

Through Time and Space<br />

88<br />

Yoko Tawada<br />

Mit den Wörtern knipsen<br />

Yoko Tawada<br />

Snapshots with Words<br />

nerung<br />

emory<br />

101<br />

Abbildungsteil<br />

Illustrations<br />

218<br />

Anhang<br />

Appendix


Christine Frisinghelli,<br />

Peter Pakesch<br />

Vorwort<br />

Foreword


Kunst und Kunsthandwerk aus Asien faszinieren in Europa schon<br />

sehr früh auf Grund ihrer Fremdartigkeit. Asiatische Luxuswaren<br />

(etwa chinesisches Porzellan, japanische Lackarbeiten usw.)<br />

hielten allerdings vor allem in den bizarren Wunderkammern<br />

des Adels Einzug. Auch in Graz erwarb vermutlich Fürst Johann<br />

Anton oder sein Vater Johann Seyfried zwischen 1670 und<br />

1700 einen kostbaren japanischen Paravent. Dieses Kunstwerk,<br />

wahrscheinlich eines der ersten seiner Art in Europa, wurde<br />

einige Jahrzehnte später zerlegt und in Form von Wandpaneelen<br />

als Dekoration für ein „chinesisches“ Zimmer im Schloss Eggenberg<br />

in Graz verwendet, wo es sich noch heute befindet. Die<br />

Erforschung des Stellschirmes, der in den vergangenen Jahren<br />

restauriert wurde, ist noch nicht abgeschlossen. Bei seinen<br />

vielfigürlichen Genreszenen handelt es sich wohl um eine seltene<br />

Darstellung der Stadt Osaka und des Sumiyoshi-Schreins von<br />

besonders hoher Qualität. Die original japanischen Motive und<br />

die üppigen Golddekorationen erweckten für die Zeitgenossen<br />

dabei den Eindruck einer kostbaren, exotischen Zauberwelt.<br />

Heute wissen wir besser um den großen künstlerischen Wert<br />

dieser Darstellung und können diesen auch besser lesen. Japanische<br />

Kunst ist im heutigen Europa durch verschiedene Wellen<br />

der Rezeption bekannter, in ihrer „Exotik“ verständlicher und<br />

damit zunehmend zu einem wichtigen Teil unserer Wahrnehmung<br />

globaler Bildkultur geworden.<br />

Mit der Ausstellung Positionen japanischer Fotografie hat Camera<br />

Austria 2003 seinen neuen Ausstellungsraum im Kunsthaus<br />

Graz eröffnet: Mit diesem Projekt wurde der Versuch gemacht,<br />

die Arbeit einer jüngeren Generation japanischer Fotokünstlerinnen<br />

und Fotokünstler in einen Kontext der Analyse politischer<br />

und sozialer Entwicklungen zu stellen, die ihrerseits die Vorstellung<br />

dessen, was „Japan“ sein und bedeuten könnte, ständig<br />

revidieren und neu beleuchten. Dieses Projekt verwies aber<br />

auch auf die kontinuierliche Zusammenarbeit zwischen Camera<br />

Austria und japanischen FotografInnen und Institutionen, die,<br />

nicht zuletzt durch die Vermittlung Seiichi Furuyas, bis in die<br />

1970er Jahre zurückreicht. Neben der von Otto Breicha 1976 im<br />

Kulturhaus der Stadt Graz präsentierten Ausstellung Neue<br />

Fotografie aus Japan hat die Arbeit von Camera Austria – 1975<br />

bis 1995 in Ausstellungen und bei Symposien des Fotoreferates<br />

des Forum Stadtpark, seit 1980 auch im Rahmen von Veröffentlichungen<br />

in Buchform sowie in der Zeitschrift – wichtige Impulse<br />

gesetzt und zahlreiche japanische FotografInnen, oft erstmals<br />

außerhalb Japans, dem europäischen Publikum vorgestellt. 1980<br />

wurde mit der Ausstellung Das ist Japan das einflussreiche Werk<br />

von Daido Moriyama gezeigt und in Camera Austria Nr. 2/1980<br />

Christine Frisinghelli, Peter Pakesch 6 7<br />

Asian art and handicrafts have long fascinated Europe<br />

in their exoticism, though Asiatic luxury goods (for<br />

example, Chinese porcelain, Japanese lacquer work,<br />

etc.) were principally candidates for private aristocratic<br />

collections of bizarre exotica (“Wunderkammer”). In Graz,<br />

for example, Prince Johann Anton or his father Johann<br />

Seyfried acquired a valuable Japanese screen between<br />

1670 and 1700. Probably one of the first of its kind in<br />

Europe, this work of art was dismantled some decades<br />

later and used as wall panelling to decorate a “Chinese”<br />

room in Schloss Eggenberg in Graz, where it still is<br />

today. The history of the screen, which has recently<br />

been restored, is still being researched. It contains genre<br />

scenes with numerous figures, and is probably a rare,<br />

particularly high-quality depiction of the city of Osaka<br />

and the sumiyoshi shrine. The original Japanese motifs<br />

and the opulent gold decoration seemed to convey to<br />

contemporaries the impression of a precious, exotic<br />

magical world. These days we are more informed as to<br />

the great artistic value of the scenes and are in a better<br />

position to interpret them. In modern Europe, Japanese<br />

art has become increasingly known following several<br />

waves of fashionable interest, so that its “exoticism” is<br />

also better understood and therefore more and more an<br />

important part of our perception of global visual culture.<br />

In 2003, Camera Austria opened its new exhibition room<br />

at the Kunsthaus Graz with an exhibition on Japanese<br />

photographers entitled Positions in Japanese Photography.<br />

In this project, an attempt was made to place the work<br />

of a younger generation of Japanese photographic artists<br />

in a context analysing political and social developments,<br />

with the idea that it would contribute to an ongoing<br />

updating and illumination of what “Japan” is and could<br />

mean to us. The project also drew attention to the<br />

continuous collaboration between Camera Austria and<br />

Japanese photographers and institutions that dates back<br />

to the 1970s, not least thanks to the efforts of Seiichi<br />

Furuya. Following the exhibition of recent Japanese<br />

photography (New Photography from Japan) put on by<br />

Otto Breicha at the city of Graz’s Kulturhaus in 1976,<br />

the work of Camera Austria has shown the way. From<br />

1975 to 1995 this involved exhibitions and symposia in<br />

the Forum Stadtpark photographic department, and<br />

since 1980 publishing has been equally important, with<br />

books and periodicals likewise doing their bit to introduce


Japanischer Paravent aus<br />

dem 17. Jahrhundert (Detail)<br />

Japanese screen from the<br />

17th century (detail)<br />

publiziert, 1984 folgte eine erste europäische Retrospektive auf<br />

das die japanische Nachkriegszeit exemplarisch thematisierende<br />

Werk des Dokumentaristen Shomei Tomatsu, und 1992 wurde<br />

mit der Ausstellung Akt-Tokyo, 1971–1991 erstmals außerhalb<br />

Japans eine Einzelausstellung von Nobuyoshi Araki organisiert,<br />

die in der Folge die internationale Bekanntheit Arakis mit<br />

begründen sollte.<br />

Insbesondere Toshiharu Ito hat sich als Kulturtheoretiker und<br />

Autor immer wieder als Vermittler betätigt und seine Netzwerke<br />

zur Verfügung gestellt. Zahlreiche Veröffentlichungen und Ausstellungsprojekte<br />

japanischer KünstlerInnen hat er unterstützt<br />

und als Autor zeitgenössische japanische Positionen dem westlichen<br />

Publikum zugänglich gemacht und die Frage reflektiert,<br />

unter welchen kulturellen Vorzeichen die aktuellen künstlerischen<br />

Produktionen angesichts eines hoch entwickelten und damit<br />

schon wieder brüchig gewordenen kapitalistischen Systems<br />

stehen, welche Spannungen und Brüche sich mit dem Aufrechterhalten<br />

einer Tradition, wie sie die japanische Moderne hervorgebracht<br />

hat einerseits und den aktuellen sozialen Problemen<br />

und dem kulturellem Verfall insbesondere in den Großstädten<br />

andererseits, auftun.<br />

So ist auch das Projekt Chikaku – Zeit und Erinnerung in Japan<br />

von Toshiharu Ito für eine europäische Präsentation entwickelt<br />

worden: 2002 haben die ersten Gespräche für die Realisierung<br />

dieses ehrgeizigen Vorhabens stattgefunden, die 2003, anlässlich<br />

der Eröffnung des Kunsthaus Graz, in ein konkretes Arbeitsvorhaben<br />

mündeten und schließlich auch zur Zusammenarbeit mit<br />

The Japan Foundation geführt haben.<br />

Japan hat nicht dieselben Phasen der Moderne durchschritten<br />

wie der Westen. Tatsächlich ist erst in den 70er Jahren des<br />

19. Jahrhunderts, der Meiji-Periode, in Japan mit der europäischamerikanischen<br />

Kultur auch eine Vorstellung von „Kunst“ im<br />

westlichen Sinn eingeführt worden. Die davor herrschenden<br />

ästhetischen Konzepte bezogen sich stets auf Stimmungen<br />

und Eindrücke; es gab keine Wertvorstellungen, die sich auf die<br />

Logik westlicher Konzepte wie Ethik, Rationalität, Harmonie oder<br />

Erhabenheit stützten; Künstler war, wer die Fähigkeit besaß,<br />

das Schöne auszudrücken. Es gab keinen Gegensatz zwischen<br />

der Natur und dem, was der Mensch künstlich hervorbrachte<br />

oder ausdrückte. Gerade im Blick auf die Kunst der letzten 50<br />

Jahre, deren Diskussion sich die Ausstellung Chikaku widmet,<br />

ist es interessant danach zu fragen, inwieweit japanische<br />

KünstlerInnen Themen aufgreifen, die in der japanischen bzw.<br />

numerous Japanese photographers to a European public,<br />

often for the first time. In 1980, an exhibition called This is<br />

Japan exhibited the influential work of Daido Moriyama,<br />

which was written up in Camera Austria no. 2/1980,<br />

while in 1984 came the first European retrospective of<br />

documentary photographer Shomei Tomatsu, which<br />

focused on aspects of post-war Japan. In 1992 it was<br />

the turn of Nobuyoshi Araki, who had a solo show called<br />

Akt-Tokyo, 1971–1991 (Tokyo Nude) his first exhibition<br />

outside Japan and the beginning of an international<br />

career.<br />

Art critic and culture writer Toshiharu Ito has been particularly<br />

active in establishing links and making his network<br />

of contacts available. He has supported numerous publications<br />

and exhibition projects dealing with Japanese<br />

artists, and his writings have done much to make contemporary<br />

Japanese work known to the western public,<br />

particularly with regard to the issues of how current<br />

artistic output copes with a highly developed capitalist<br />

system that has gone awry in places. In addition he<br />

explores the tensions and fault lines that have to be<br />

managed to sustain a tradition created by Japanese modernism,<br />

and on the other hand, the rise of topical social<br />

problems and cultural decline, particularly in major cities.<br />

The present project by Toshiharu Ito, Chikaku – Time and<br />

Memory in Japan, was likewise organised for a European<br />

exhibition. The first discussions for implementing this<br />

ambitious scheme took place in 2002, and in 2003 this<br />

culminated in a specific work proposal and finally collaboration<br />

with The Japan Foundation.<br />

Japan did not go through the same stages of modernism<br />

as the West. The actual concept of “art” in the western<br />

sense was not introduced until the 1870s, during the Meiji<br />

period, when European and American cultures made their<br />

first inroads into Japan. The aesthetic concepts prevailing<br />

before that always related to moods and impressions.<br />

There were no moral concepts based on western notions<br />

such as ethics, rationalism, harmony and the sublime.<br />

An artist was someone who could give shape to beauty.<br />

There was no contrast between nature and what man<br />

produces and expresses artificially. It is an interesting<br />

subject, particularly with regard to the art of the last 50<br />

years (which is the subject of Chikaku) to look at what<br />

Japanese artists have or haven’t done with subject matter


asiatischen Kultur begründet sind und – wenn ja – in welcher<br />

Weise diese von westlichen Rezeptionszusammenhängen beeinflusst<br />

sind. Gerade angesichts des „Japanbooms“ der letzten<br />

Jahre in Europa ist aber auch die Frage interessant, welche<br />

Interpretationen dieses Ausstellungsprojekt, das ja auch die<br />

Diskussion dieser Fragestellungen und die konkrete Zusammenarbeit<br />

zwischen japanischen und europäischen Kuratoren<br />

thematisiert, ermöglichen würde.<br />

Europas Auseinandersetzung mit dem „Fernen Osten“ hat eine<br />

lange Tradition: Das Faszinosum Japan in all seiner Widersprüchlichkeit<br />

und Ambivalenz erreichte im letzten Jahrhundert immer<br />

wieder beinahe mythische Dimensionen. Während einerseits<br />

viel von wirtschaftlichen Erfolgen und allgemeinen kulturellen<br />

Differenzen gesprochen wurde und wird, so ist andererseits<br />

unser Wissen in kulturellen Bereichen eher bruchstückhaft,<br />

fragmentarisch und oft auch von Klischees beeinflusst geblieben.<br />

Wenngleich der japanische Film immer wieder besondere Aufmerksamkeit<br />

genießt, die zeitgenössische Literatur in bestimmten<br />

Maßen rezipiert wird und die Populärkultur in unterschiedlichen<br />

Formen zwischen Manga und Tamagotchi vor allem bei<br />

der Jugend durchaus präsent ist, so gibt es doch kaum einen<br />

konzisen Überblick über die aktuelle Kunst des Landes. Konzeptuelle<br />

Kunst und Fotografie sowie eine Kunst, die sich aus<br />

dem Populären ableitet, tauchen bei diversen Großausstellungen<br />

immer wieder auf. Es ist eine überaus heterogene Szene, die<br />

sich in den letzten beiden Jahrzehnten mit großer Geschwindigkeit<br />

und Geschmeidigkeit in das globale Kunstsystem eingefügt<br />

hat. Was im <strong>englisch</strong>sprachigen Raum als „Japaneseness“<br />

bezeichnet wird, wird mehr und mehr zum globalen Begriff, der<br />

das gesteigerte Interesse an der Wahrnehmung japanischer<br />

Kunst außerhalb Japans ausdrückt.<br />

Ein derart komplexes und vielschichtiges Ausstellungsprojekt<br />

wie Chikaku wirft eine ganze Reihe von Fragestellungen und<br />

Problemen auf, die angesichts der heute zunehmend „global“<br />

zu verstehenden Kunstpraxis in einem besonderen Licht gesehen<br />

werden müssen. Warum widmen wir uns ausgerechnet einem<br />

Land und seiner Kunst? Warum lassen wir eine nationale<br />

Betrachtungsweise zu? Haben sich solche Ausstellungsmodelle<br />

nicht überlebt, vor allem angesichts einer zunehmenden Dynamik<br />

der künstlerischen Entwicklungen in Ostasien? – Gerade hier<br />

lohnt es sich jedoch, den Blick zu schärfen und das Interesse auf<br />

ein Land und Aspekte seiner Kunst zu fokussieren. Und gerade<br />

auf diese Weise ist es vielleicht möglich, mehr von der Gesamtheit<br />

der reichen kulturellen und künstlerischen Besonderheiten<br />

Christine Frisinghelli, Peter Pakesch 8 9<br />

rooted in Japanese or Asiatic culture and how their<br />

approach might have been influenced by incoming<br />

western influences. Conversely, in view of the European<br />

interest in all things Japanese in recent years, it proved<br />

fascinating to see what interpretations this exhibition<br />

project, which also looks at the debate on these issues<br />

and the specific collaboration between Japanese and<br />

European curators, would come up with.<br />

Europe’s fascination with the Far East has a long tradition.<br />

The obsession with Japan in all its contrariness and<br />

ambivalence attained almost mythical proportions time<br />

and again during the last century. There was and is much<br />

talk of economic achievements and general cultural differences,<br />

but it is also true that our knowledge of cultural<br />

matters tends to be rather fragmentary and patchy, and<br />

often stuck in a forest of clichés. Although the Japanese<br />

cinema has been a steady draw, contemporary literature<br />

has gone down quite well from time to time and popular<br />

culture in sundry forms ranging from Manga to Tamagotchi<br />

has been a hit especially with the young, art has<br />

done less well. Indeed it would be difficult to give a<br />

concise overview of current developments in Japanese<br />

art. Conceptual art and photography (an art derived<br />

from popular culture) crop up over and again in various<br />

major exhibitions. Overall, it is a thoroughly heterogeneous<br />

picture that has been absorbed into the global<br />

art system at great speed and with great flexibility in the<br />

last two decades. What might be called “Japaneseness”<br />

in the English-speaking world is becoming more and<br />

more of a global concept, an expression of the enhanced<br />

interest in the perception of Japanese art outside Japan.<br />

A complex and multi-layered exhibition project such<br />

as Chikaku throws up a whole series of questions and<br />

problems that, in view of the increasingly global art trade,<br />

have to be seen in a particular light.. What is it that<br />

prompts us to look specifically at a country and its art?<br />

Why do we admit a national way of looking at things?<br />

Are exhibition concepts of this kind not a thing of the past,<br />

particularly in view of the increasing dynamism of artistic<br />

developments in East Asia? – But this is just where we<br />

need to narrow our gaze and focus our attention on a<br />

particular country and aspects of its art. And this is also<br />

the way to glean a better understanding of the totality<br />

of its rich cultural and artistic characteristics.


zu verstehen. Das führt uns zur Frage, die für das Projekt zum<br />

Schlüssel wird: Wie kann das Spezifische einer geografisch<br />

definierten kulturellen Gesamtheit auf differenzierte Weise<br />

repräsentiert werden? Spielen unterschiedliche Geschichten<br />

und Traditionen heute noch eine Rolle?<br />

Wahrnehmung, Zeit und Erinnerung wählte Toshiharu Ito als<br />

zentrale Begriffe für diese Ausstellung, die eine Annäherung an<br />

die sehr unterschiedlichen künstlerischen Positionen dieser Ausstellung<br />

ermöglichen sollen. Der Zeitraum des Entstehens dieser<br />

Arbeiten seit den 1950er Jahren bis in die Gegenwart allein<br />

ergibt bereits ein breit gefächertes Spektrum, zudem werden<br />

international sehr präsente Positionen wie Hiroshi Sugimoto,<br />

Yayoi Kusama oder Yoko Ono mit Werken konfrontiert, die es<br />

für den Westen erst zu entdecken gilt, wie z. B. die frühen<br />

ethnologischen Studien des Bildhauers Taro Okamoto oder die<br />

erst in den letzten Jahren wieder präsenten fotografischen<br />

Arbeiten von Takuma Nakahira.<br />

Die höchst divergierenden medialen und konzeptuellen Ausrichtungen<br />

der gezeigten Künstlerinnen und Künstler spiegeln sich<br />

auch in der speziellen, von Makoto Sei Watanabe entwickelten<br />

Ausstellungsarchitektur wider, die sich auf völlig neue Art und<br />

Weise in die spektakuläre Architektur des Kunsthaus Graz einfügt.<br />

Chikaku bietet den Besucherinnen und Besuchern keine eindeutigen<br />

Antworten – es sind im besten Sinn des Wortes Annäherungen:<br />

Annäherungen an ein faszinierendes Land mit einer<br />

besonders reichen Tradition und einer ungemein vitalen und<br />

dynamischen künstlerischen Szene. Diese Vielgestaltigkeit einem<br />

breiten Publikum zu präsentieren, ist das Ziel der Ausstellung.<br />

This in turn leads on to the question that is at the heart<br />

of the project: how can the specific features of a geographically<br />

defined cultural totality be represented in a<br />

differentiated way? Do different histories and traditions<br />

still have any part to play these days?<br />

Toshiharu Ito selected perception, time and memory<br />

as core concepts for the exhibition in order to embrace<br />

the widely different artistic positions that this exhibition<br />

comprises. The works on show range from 1950s pieces<br />

to present-day work. That is in itself a broad enough<br />

spectrum, but in addition there are the internationally<br />

well established positions of artists such as Hiroshi<br />

Sugimoto, Yayoi Kusama or Yoko Ono to be contrasted<br />

with works that the West still has to discover such as<br />

the early ethnological studies of sculptor Taro Okamoto<br />

or the photographic works of Takuma Nakahira, which<br />

have become familiar only in recent years.<br />

The very divergent media and conceptual orientation of<br />

the artists involved in the exhibition are reflected in the<br />

exhibition architecture specially developed by Makoto Sei<br />

Watanabe, which dovetails with the spectacular architecture<br />

of the Kunsthaus Graz in a completely new way.<br />

Chikaku offers visitors no simple answers. What it provides<br />

are ways of having a closer look at a fascinating<br />

country with a particularly rich tradition and an uncommonly<br />

vital and dynamic artistic scene. Presenting this<br />

diversity to a broad public is the aim of this exhibition.


Christine Frisinghelli, Peter Pakesch 10 11


Japan Foundation<br />

Über Chikaku:<br />

Zeit und Erinnerung in Japan<br />

About Chikaku:<br />

Time and Memory in Japan


Die Japan Foundation ist sehr erfreut darüber, die Ausstellung<br />

Chikaku – Zeit und Erinnerung in Japan in Graz, der zweitgrößten<br />

Stadt Österreichs, und in Vigo, Spanien, organisiert haben zu<br />

können. Die Ausstellung, die zeitgenössisches japanisches Kunstschaffen<br />

seit den 1950er Jahren präsentiert, ist einer der Programmpunkte<br />

im Rahmen des „Japan-EU-Jahres der Begegnung 2005“.<br />

Kuratiert von Toshiharu Ito laufen die Vorbereitungen für Chikaku –<br />

Zeit und Erinnerung in Japan seit Dezember 2003. Worauf Ito im<br />

Zuge der Zusammenstellung dieser Ausstellung zeitgenössischer<br />

japanischer Kunst besonderes Augenmerk gelegt hat, war der<br />

äußerst abstrakte Begriff „chikaku“ (oft vage als „Wahrnehmung“<br />

übersetzt). Zunächst einmal hat eben dieser Begriff „chikaku“<br />

eine weit gefasste Bedeutung: Beginnend mit der Psychologie,<br />

wo er den Akt beschreibt, ein Ding als Ding zu erkennen, bis hin<br />

zu seinem kulturellen Zusammenhang, einem Ding Bedeutung<br />

zuzuschreiben, kann dieser Begriff in viele Richtungen gedeutet<br />

werden. Innerhalb dieses weit gefassten Begriffsfelds von „chikaku“<br />

konzentriert sich die Ausstellung auf die Begriffe „Zeit“ und<br />

„Erinnerung“ in Japan, einem Land, das beginnend mit den 1970er<br />

Jahren ein rasantes Wirtschaftswachstum auf höchstem Niveau<br />

erlebt hat. Die Ausstellung unternimmt den Versuch, „Zeit“, so<br />

wie sie in den verschiedensten Formen, wie Fotografien, Skulpturen,<br />

Gemälden und Installationen, dargestellt wird, näher zu<br />

untersuchen.<br />

Ausgehend von der „vierten Dimension“ – jener magischen Form<br />

der Wahrnehmung, die Taro Okamoto 1952 im wilden, archaischen<br />

Formgefühl entdeckt hat, das so charakteristisch für die<br />

prähistorischen Tongefäße aus der Jomon-Zeit ist – gehen zeitgenössische<br />

japanische Kunstwerke seit den 1970er Jahren der<br />

Frage nach, wie die Wahrnehmung als „vierte Dimension“, als<br />

leidenschaftlicher Dialog zwischen der Wirklichkeit und Mächten<br />

jenseits der Wirklichkeit, auf einer Ebene, die man als Japans<br />

„kollektives Unbewusstes“ bezeichnen könnte, überliefert worden<br />

ist. Wir hoffen, dass der Besuch dieser Ausstellung Ihnen gewissermaßen<br />

ein Gefühl für japanische „Wahrnehmung“ geben wird.<br />

Diese Ausstellung im Kunsthaus Graz legt auch eine neue Methode<br />

nahe, einen Ausstellungsraum zu nutzen, die sich vom zeitgenössischen<br />

Konzept der Galerie als „White Cube“ gänzlich unterscheidet.<br />

Wir möchten, dass Sie die vom Architekten Makoto<br />

Sei Watanabe gestaltete Rahmung des Raumes als dynamischen<br />

Ort erfahren, der den verschiedenen Kunstwerken als Ort der<br />

Begegnung dient.<br />

Die Globalisierung sorgt schon seit langem für heftige Proteste,<br />

und wenn wir von der Annahme ausgehen, die noch nie da<br />

Vorwort 12 13<br />

The Japan Foundation is delighted to have been able<br />

to organize Chikaku – Time and Memory in Japan in<br />

Graz, Austria’s second largest city and in Vigo, Spain.<br />

This exhibition, which presents contemporary art produced<br />

in Japan since the 1950s, is one of the events in<br />

the “Japan-EU Year of People-to-People Exchange 2005.”<br />

Chikaku – Time and Memory in Japan has been in<br />

preparation since December 2003, under the curatorship<br />

of Toshiharu Ito. What drew Ito‘s attention as<br />

he was putting together this presentation of Japanese<br />

contemporary art was the extremely abstract concept<br />

of “chikaku” (often loosely translated as “perception”).<br />

To begin with, the very concept of “chikaku” has a<br />

broad meaning: it can be interpreted as everything<br />

from its psychological sense as the act of recognizing<br />

a thing as a thing, to its cultural context of attaching<br />

meaning to a thing. Within the broad concept of<br />

“chikaku”, the exhibition focuses on the notions of “time”<br />

and “memory” in Japan, a nation that achieved a high<br />

level of rapid economic growth beginning in the 1970s.<br />

The exhibition is an attempt to examine “time” as<br />

represented in various forms, including photographs,<br />

video, paintings, and installations.<br />

Taking off from the “fourth dimension” – the magical<br />

type of perception that Taro Okamoto discovered in 1952<br />

in the wild, primitive sense of form that characterizes<br />

prehistoric Jomon-era earthenware vessels – Japanese<br />

contemporary art works since the 1970s have been<br />

investigating the question of how perception of “the<br />

fourth dimension”, the fierce dialogue between reality<br />

and forces beyond reality, has been handed down in<br />

what we might call Japan’s “collective unconscious”. We<br />

hope that viewing this exhibition will in some measure<br />

give you a sense of Japanese “perception”.<br />

This exhibition at Kunsthaus Graz also suggests a<br />

new method for using an exhibition space that differs<br />

entirely from today’s concept of the gallery as a “White<br />

Cube”. We want you to experience the way that architect<br />

Makoto Sei Watanabe takes full advantage of the<br />

Kunsthaus, framing the space as a dynamic venue<br />

that serves as meeting place for the various artworks.<br />

People have been clamoring about globalization for<br />

a long time, and if we assume that the unprecedented


gewesene rasante Entwicklung des Verkehrs und der Informationsübermittlung<br />

habe die Welt in immer größere Gleichförmigkeit<br />

und Gleichartigkeit getrieben, dann müssen wir uns fragen, ob<br />

Japan als Nation noch irgendeine Bedeutung hat. Und was<br />

versteht man nun unter dem Begriff „japanische Kultur“? Chikaku –<br />

Zeit und Erinnerung in Japan wurde als Versuch konzipiert, diese<br />

Fragen einer neuerlichen Überprüfung zu unterziehen. Selbst<br />

wenn der Rahmen von Japan als Nation verschwindet – es<br />

entsteht etwas daraus, dass man dieselbe Sprache spricht oder<br />

Erfahrungen und Emotionen teilt, die sich wiederum daraus<br />

ergeben, dass man dieselbe Sprache spricht. Die Reflexion über<br />

„Richtungen“ und „Tendenzen“ innerhalb des kulturellen Klimas,<br />

das Sprache, Land und Wetter einschließt, kann eine äußerst<br />

zeitgemäße Form darstellen, wie man inmitten einer Welt, die sich<br />

im Prozess der Globalisierung befindet, Besorgnis ausdrückt.<br />

Seit ihrer Gründung 1972, mit dem Ziel, die japanische Kultur im<br />

Ausland vorzustellen, hat Japan Foundation mit zahlreichen<br />

Museen rund um den Erdball zusammengearbeitet und eine<br />

Vielzahl an Ausstellungen organisiert, die verschiedensten Schwerpunkten<br />

gewidmet waren – von traditionellem japanischem<br />

Kunsthandwerk über zeitgenössische Kunst und Architektur bis<br />

hin zu zeitgenössischem Design. Dass wir heuer die Gelegenheit<br />

haben, eine groß angelegte Ausstellung zu organisieren, die Japan<br />

in der Weltkulturstadt Graz und in Vigo in der spanischen Region<br />

Galizien präsentiert, war schließlich eine der Früchte dieser Programme.<br />

Ermöglicht wurde dies durch den unermüdlichen Einsatz<br />

der ausgestellten Künstlerinnen und Künstler, der Museen, der<br />

Eigentümer der Werke, der Galerien und aller anderen, die an<br />

diesem Projekt beteiligt sind. Wir möchten allen Beteiligten<br />

unseren tief empfundenen Dank bekunden. Japan Airlines und<br />

Toho Tenax Co., Ltd. verdienen eine besondere Erwähnung für ihre<br />

Unterstützung dieses Projekts, und wir möchten auch ihnen an<br />

dieser Stelle ganz besonders danken.<br />

rapid development of transportation and information<br />

transmission has pushed the world toward greater conformity<br />

and homogeneity, we have to wonder whether<br />

the nation of Japan still has any meaning. And what<br />

does the term “Japanese culture” mean? Chikaku –Time<br />

and Memory in Japan was created as an attempt to<br />

reexamine these questions. Even if the framework<br />

of the nation of Japan disappears, something arises<br />

from sharing the same language or from possessing<br />

common experiences and emotions that arise from<br />

using the same language. Thinking about the “directions”<br />

and “tendencies” that exist in the cultural climate that<br />

comprises language, land, and weather, can be an<br />

extremely timely way of expressing concern in the midst<br />

of a world that is being globalized.<br />

Ever since it was founded in 1972 for the purpose<br />

of introducing Japanese culture overseas, The Japan<br />

Foundation has cooperated with many museums<br />

around the world to organize a variety of exhibitions<br />

concerning everything from traditional arts and crafts<br />

to contemporary art, architecture, and design. One<br />

of the fruits of these programs has been this year‘s<br />

opportunity to organize a large-scale exhibition to<br />

present Japan to the World Heritage City of Graz and<br />

to Vigo, in the Galicia region of Spain. This has been<br />

made possible through the tireless efforts of the exhibited<br />

artists, the museums, the owners of the works, the<br />

galleries, and everyone else involved in this project.<br />

We would like to express our heartfelt thanks to everyone<br />

concerned. Japan Airlines and Toho Tenax Co., Ltd.<br />

deserve particular mention for their cooperation in<br />

this venture, and we would like to take this opportunity<br />

to express our gratitude.


Vorwort 14 15


Toshiharu Ito<br />

Die Vierte Dimension der Wahrnehmung:<br />

Neue Koordinaten für japanische zeitgenössische Kunst<br />

The Fourth Dimension of Perception:<br />

New Coordinates for Japanese Contemporary Art


Japan war bereits seit der Meiji-Restauration im Jahre 1868 jenes<br />

asiatische Land, das sich am schnellsten modernisierte, doch nach<br />

dem Zweiten Weltkrieg brachten neuerliche Veränderungen eine<br />

nie da gewesene, von Geschwindigkeit berauschte Welt der Rekorde<br />

mit sich. Dennoch haben sich die Japaner, ihrer Gesellschaft der<br />

Geschwindigkeit und des Wandels zum Trotz, ein unwandelbares<br />

Körpergefühl und eine Bodenständigkeit erhalten. Während die Geschwindigkeit<br />

den Kern der Wahrnehmung bildet, ruft die Zeit gleich<br />

einer Mauer eine starke körperliche Reaktion hervor. Dieses Körpergefühl<br />

macht sich eher als Trägheit bemerkbar. Die Aufmerksamkeit<br />

richtet sich erstmals auf die inneren Vorgänge beim Verstreichen<br />

der Zeit, wobei die Trägheit besondere Beachtung erfährt. Die Verzögerung,<br />

welche der Geschwindigkeit entkommen ist, scheint mit dem<br />

Wesen der japanischen Wahrnehmung oder dem kollektiven Unbewussten<br />

Japans eng verbunden zu sein. Wird aber die Verzögerung<br />

Schritt für Schritt weiter ausgedehnt, stößt sie schlussendlich in<br />

den Bereich der Zeitlosigkeit vor. Geschwindigkeit und Verzögerung –<br />

Japan lebt diese beiden Extreme zur gleichen Zeit und verkörpert<br />

ihren Dualismus in vielfältigen Verhaltensweisen.<br />

Auch die japanische Kunst hat sich von der Mitte des 20. bis ins<br />

21. Jahrhundert dem „Geschwindigkeits-Raum“ des rasanten<br />

Wandels gestellt und dabei diesem Dualismus Ausdruck verschafft.<br />

In gewissem Sinne könnte es sogar sein, dass das Sich-Hindurchwinden<br />

durch die doppelte Struktur der Wahrnehmung zu einem entscheidenden<br />

Faktor geworden ist, der der japanischen Kunst ihren<br />

besonderen Charakter verleiht.<br />

Verschmelzungen von heftig bewegten Dingen und unbeweglichen<br />

Dingen, vielfältige Verdrehungen des Realitätssinns, anti-perspektivische<br />

Deformationen und Krümmungen, Materialisierungen eines<br />

besonderen Gedächtnisses, der geschärfte Sinn gegenüber dem<br />

leeren Raum, Blickpunkte, die Vergangenheit und Gegenwart gleichzeitig<br />

erfassen, Wechselspiele von Realität und Illusion, usw., usw. –<br />

vielleicht sind es diese Gesten, aus denen die Charakteristika der<br />

japanischen Kunst entstanden sind und die der japanischen Kunst<br />

ihre besondere Identität verleihen. Die Ausstellung Chikaku – Zeit<br />

und Erinnerung in Japan stellt sich in den Strom der japanischen<br />

Gegenwartskunst aus einem halben Jahrhundert und versucht, aus<br />

vielfältigen Blickpunkten die heutige Bedeutung der genannten<br />

Charakteristika der japanischen Kunst zu ergründen.<br />

Zunächst möchte ich mich einem der Ausgangspunkte der japanischen<br />

Gegenwartskunst zuwenden. Beginnen wir mit einer bestimmten<br />

Fotografie von Taro Okamoto (1911–1996), der, obwohl in der<br />

westlichen Kunstwelt weitgehend unbekannt, in Japan mittlerweile zu<br />

den Begründern der zeitgenössischen Kunst gezählt wird. Es handelt<br />

Toshiharu Ito 16 17<br />

Starting from the 1868 Meiji Restoration, Japan<br />

modernised earliest and most rapidly among the<br />

nations of Asia; especially since World War II, Japan<br />

has undergone unparalleled transformations and<br />

brought forth new economic realities with record<br />

speed. Yet despite these rapid changes, the Japanese<br />

still preserve their own physically and culturally<br />

grounded way of life. Speed is in perception, even<br />

as our bodies run up against the time barrier and<br />

recoil sharply, giving us a physical sense rather of<br />

slowness, of duration. Within such experiential time,<br />

we tend to stress those things first internalised, and<br />

therein the significance of duration is most keenly<br />

noticed. The escape from speed into extensive time<br />

bears deeply upon quintessential Japanese perceptions<br />

and collective unconsciousness, slowing ever<br />

further asymptotically toward timelessness. Speed<br />

and perpetuity: two coexistent poles of the Japanese<br />

psyche, a duality embodied in diverse gestures and<br />

behaviours.<br />

Japanese art has also confronted the rapid changes<br />

of late twentieth to twenty-first century speed-space,<br />

and brought forth many expressions of this duality.<br />

Indeed, the view through such dyadic perceptual<br />

structures would seem to constitute a major distinguishing<br />

factor in Japanese art.<br />

The fusion of vibrant flux with the immutable into a<br />

vertiginous sense of multi-layered being, the counterperspective<br />

transformations and distortions, the<br />

material register of memory, the keen focus upon<br />

voids and negative space, the simultaneous pastpresent<br />

vision, the interplay of reality and fantasy –<br />

these special characteristics, the very identity of<br />

Japanese art may well derive from the multi-mode<br />

manner in which the Japanese live. This exhibition<br />

examines from various viewpoints these special<br />

characteristics of Japanese art over the last fifty<br />

years in order to discover their renewed meaning<br />

today.<br />

Hereupon, I would first like to trace one of the origins<br />

of Japanese contemporary art. Let us begin with<br />

one photographer: although largely unknown abroad,<br />

surely one of Japan’s most important contemporary<br />

artists was Taro Okamoto (1911–1996), who in 1956


Fig. 1 Taro Okamoto<br />

Tower of the Sun,<br />

Osaka Expo, 1970<br />

(Außenansicht)<br />

Fig. 1 Taro Okamoto<br />

Tower of the Sun,<br />

Osaka Expo, 1970<br />

(Exterior)<br />

Fig. 2 Taro Okamoto<br />

Tower of the Sun,<br />

Osaka Expo, 1970<br />

(Innenansicht)<br />

Fig. 2 Taro Okamoto<br />

Tower of the Sun,<br />

Osaka Expo, 1970<br />

(Interior)<br />

sich um die Ablichtung eines merkwürdigen Tongefäßes, das Okamoto<br />

1956 fotografierte. Es ist weder ein „Kunstfoto“ noch eine Aufnahme<br />

von Okamotos eigenen Skulpturen oder Gemälden, sondern die<br />

Fotografie eines mehrere tausend Jahre alten Gefäßes aus der japanischen<br />

Jomon- („Schnurkeramik“) Kultur: ein dynamisch gewundener<br />

Haufen von rohen, hervorquellenden Kurvenlinien. Okamoto<br />

war in der Zwischenkriegszeit zu Studienzwecken nach Paris gegangen,<br />

hatte dort unter Marcel Mauss, dem Pionier der französischen<br />

Ethnologie, studiert und stand mit Georges Bataille und Michel Leiris<br />

in freundschaftlichem Kontakt. Bevor er kriegsbedingt nach Japan<br />

zurückkehrte, hatte er bereits zahlreiche Werke ausgestellt. Bald nach<br />

Kriegsende, ab den 1950er Jahren, machte er sich daran, Japan<br />

neu zu entdecken, und bereiste mit seiner Kamera das ganze Land.<br />

Am Ende der Reise gelangte er zu einer bestimmten Vorstellung<br />

vom Fundament der japanischen Seelenlandschaft: Es war nicht die<br />

Ansicht eines einheitlichen, ordentlichen, förmlichen Japan, sondern<br />

der Blick auf ein Japan voll ungeahnter Vitalität und Lebhaftigkeit.<br />

Oder vielmehr etwas, das über den Begriff Japan hinausging, etwas,<br />

das von jener Geschichte und Tradition, die vom so genannten Altertum<br />

bis in die Gegenwart reichen, verschieden war und aus einem<br />

noch tiefer liegenden Fluss schöpfte. Was dieses Japanbild Okamotos<br />

klar zum Ausdruck brachte, war die Jomon-Keramik, die die ehemaligen<br />

Grenzen des bewohnten Japan, nämlich die Tohoku-Region<br />

im äußersten Norden der Hauptinsel Honshu und die Inseln von<br />

Okinawa im äußersten Süden auf einer tiefen Ebene miteinander<br />

verband. Okamoto war erfüllt von der Idee des Ursprungs der japanischen<br />

Kunst. Wo nahm die Kunst Japans ihren Anfang? Was ist<br />

die japanische Kunst? Und so eröffneten sich Okamoto auf seiner<br />

Forschungsreise nach den Quellen der japanischen Kunst schließlich<br />

die Gefäße der Jomon-Kultur.<br />

1877 führte der amerikanische Zoologe Edward S. Morse (1838–1925)<br />

Untersuchungen an den Muschelhaufen von Omori in der Bucht<br />

von Tokio durch und förderte dabei eine große Anzahl merkwürdig<br />

geformter Tongefäße zu Tage, die er als Schnurkeramik („jomon“)<br />

bezeichnete. Okamoto unternahm den Versuch, aus diesen rohen,<br />

unharmonischen Gefäßen, die von der japanischen Kunstgeschichte<br />

mit ihrer Beschränkung auf die verfeinerte Wabi-Sabi-Ästhetik lange<br />

ignoriert worden waren, eine mystische Form der Wahrnehmung,<br />

mit der die Japaner vor tausenden Jahren die Welt sahen, herauszulesen.<br />

In dem Aufsatz Dialog mit der Vierten Dimension – Von der<br />

Keramik der Jomon-Zeit (Yojigen no taiwa – jomondoki-ron), der<br />

1952 in der Zeitschrift Mizue erschien und großes Echo hervorrief,<br />

interpretierte Okamoto die schlichten archäologischen Artefakte als<br />

ursprünglichste Form der japanischen Kultur und als primitive Kunst.<br />

Die japanische Jomon-Zeit war eine Kultur der Jäger und Sammler,<br />

photographed a curious earthenware vessel. Not an<br />

“art photograph” per se, nor was it how he, how<br />

Okamoto would have photographed his own sculptures<br />

or paintings. No, Okamoto photographed a<br />

several-thousand-year-old proto-Japanese Jomon<br />

period pot, its dynamically kneaded rough clay form<br />

surging with curves. Having studied abroad in Paris<br />

entre les guerres under the pioneering French anthropologist<br />

Marcel Mauss, he was also well befriended<br />

with writers Georges Bataille and Michel Leiris and<br />

exhibited many artworks before returning home at<br />

the outbreak of World War II. Immediately after the<br />

war Okamoto set about to “rediscover Japan”, travelling<br />

the length of the country with camera in hand<br />

in search of the “indigenous Japanese spirit”. For it<br />

was here, on Japanese soil, that he found his true<br />

vision. No unified scheme of formalised Japanese<br />

socio-aesthetics, his was a bold new gaze on Japan,<br />

impossibly charged with life. Or rather, he transcended<br />

existing notions of Japan to channel a deeper<br />

course “outside” the accepted lineage of Japanese<br />

tradition and history from ancient times to the<br />

present. Okamoto‘s vision of Japan found clear underlying<br />

evidence in rope patterns conjoining the thenmarginal<br />

Tohoku region in the far north of Honshu<br />

with Okinawa located in the extreme south of the<br />

Japanese archipelago. Okamoto‘s probing ques-<br />

tions – where had Japanese art come from? what<br />

was Japanese art? – indeed his very quest for the<br />

wellsprings of Japanese art eventually led him to<br />

rediscover Jomon period pottery.<br />

In 1877, American naturalist and University of Tokyo<br />

professor Edward S. Morse (1838–1925) excavated<br />

the Omori Shell Mounds near Tokyo Bay, and encountered<br />

a great many pieces of strangely shaped<br />

pottery, which he named “jomon” or “rope pattern”<br />

wares. From these brutish shards and inharmonious<br />

pots long disregarded by the “wabi”-refined bird-andflower<br />

schools of Japanese art history, Okamoto<br />

sought to read the mystic perceptions of the proto-<br />

Japanese thousands of years ago. In his controversial<br />

1952 treatise Jomon Pottery: Conversation with<br />

the Fourth Dimension published in the art magazine<br />

Mizue, Okamoto reassessed what had been<br />

considered mere archaeological relics as the most


in der die hauptsächlichen Aktivitäten der Menschen im Kampf und<br />

im Aufspüren von Beutetieren bestanden. Es gab keine andere<br />

Möglichkeit als den Tieren zu folgen, um zu überleben. Die Weltsicht<br />

wurde von der Isoliertheit und Unvorhersehbarkeit bestimmt, und<br />

somit nahmen auch die Tongefäße, die diese Sicht reflektieren, nach<br />

allen Richtungen vorspringende, asymmetrische, unharmonische<br />

Formen an. Es ist unmöglich, diese Formen alle von einem Punkt aus<br />

wahrzunehmen, sondern sie verketten sich erst aus der Sicht einer<br />

umkreisenden Bewegung, in der sich die Wülste und Strudel nach<br />

und nach miteinander verketten und ein jede Vorstellungskraft übersteigendes<br />

dynamisches Bild entfalten. Es ist anzunehmen, dass<br />

die Jäger eine ausgeprägte räumliche Vorstellungskraft entwickelten,<br />

um das Verhalten und die Position der Beutetiere zu orten. Eine<br />

starke dreidimensionale Wahrnehmung war notwendig. Um die Tiere<br />

zu fangen, waren außerdem eine gleichsam den Raum anspringende<br />

geistige Anspannung und Konzentrationsfähigkeit unabdingbar. Diese<br />

Lebensbedingungen bildeten das Fundament jener Wahrnehmung,<br />

die die Jomon-Keramik hervorbrachte. Anders ausgedrückt war laut<br />

Okamoto eine dreidimensionale Wahrnehmung nicht genug, um die<br />

Jomon-Keramik wirklich zu verstehen. Man müsse ihr eher einen<br />

vierdimensionalen Charakter zuschreiben, der über die äußerliche<br />

Realität hinausgeht. Vielleicht sollte man auch besser von einem<br />

magischen statt von einem vierdimensionalen Charakter sprechen.<br />

In der Jomon-Zeit war der gesamte Lebensbereich in Japan durch<br />

eine urtümliche Religion bestimmt. Überall gab es Geister und diese<br />

Geister beherrschten die Welt. Um jene unsichtbaren, die Welt<br />

beherrschenden Mächte zu manipulieren, bediente man sich der<br />

Magie. Die Jomon-Keramik war mit starker magischer Bedeutung<br />

aufgeladen, die mit einer die Realität übersteigenden Dimension aufs<br />

Engste verbunden war. Ihre Formen zeigen nicht bloß die sichtbare<br />

Welt, sondern weisen auf die Verbindungen zwischen der unsichtbaren<br />

und der realen Welt hin. Daher wurde der eindrucksvolle Formen-<br />

reichtum der Jomon-Keramik aus der konkreten Begegnung mit der<br />

Welt des Übernatürlichen geboren. Diese Begegnung war es, die<br />

Okamoto mit dem Begriff „Dialog mit der Vierten Dimension“ auszudrücken<br />

versuchte.<br />

Es hat den Anschein, als ob uns heutigen Menschen diese Konfrontation<br />

mit der vierten Dimension abhanden gekommen wäre. Okamoto<br />

jedoch behauptete, dass auch für uns die dringlichsten Fragen zwar<br />

unsichtbar, aber doch höchst real sind, ähnlich wie für die Jomon-<br />

Menschen ihre übernatürliche Welt.<br />

„Das hat nicht bloß mit Ästhetik zu tun. Die Atombombe explodiert,<br />

die Welt teilt sich in zwei Hälften, es kommt zu mysteriösen<br />

Wirtschaftskrisen. All das hat, wie die Geister der Urgesellschaften,<br />

Toshiharu Ito 18 19<br />

original Japanese cultural forms, declaring them<br />

to be primitive art.<br />

During the Jomon period, the islands of Japan<br />

were populated by hunter-gatherers, whose basic<br />

modes of activity and productivity were fighting<br />

and tracking. In this age of nomadic movement, the<br />

race would have died out if they had not stalked<br />

and followed game: reason enough for the lonely<br />

and arbitrary worldview reflected in the asymmetrical<br />

and disquiet markings they traced upon clay.<br />

These designs were not to be seen from one fixed<br />

vantage point, but demanded an all-round viewing,<br />

the swelling ridges and spirals linking one to the<br />

next to unfurl hyper-imaginative dynamic imagery.<br />

Hunter-gatherer period sensibilities were obviously<br />

attuned to signs of animal movement, combined<br />

with three-dimensional spatial acumen to precisely<br />

grasp the position of their prey. Moreover, in order<br />

to hunt it, they would have needed intense rigour<br />

and presence of mind. Such were the living conditions<br />

that shaped the perceptions behind these<br />

Jomon pots. Furthermore, Okamoto argued, Jomon<br />

pottery could not truly be understood in threedimensional<br />

terms alone; we must also consider<br />

fourth-dimension characteristics that go beyond<br />

its superficial reality, though perhaps “magical<br />

characteristics” might have been a better description.<br />

Life during the Jomon period depended on primitive<br />

religious beliefs and practices. There were spirits<br />

everywhere, in everything; these unseen powers<br />

ruled the world, answering only to acts of magic.<br />

Jomon pottery fairly brimmed with such magical<br />

meanings, emblematised connections to that other<br />

dimension. The shapes and patterns were thus<br />

not just visible renderings of the unseen world, but<br />

pathways between this reality and the spiritual<br />

world beyond. The robust ornamentation of Jomon<br />

wares was born of a powerful communion with<br />

the supernatural, an irrepressible outpouring that<br />

Okamoto called “conversation with the fourth<br />

dimension”.<br />

Today it seems that we have lost the ability to<br />

converse with that fourth dimension. Even though,<br />

Okamoto asserted, we still face invisible but vividly<br />

real and crucial questions much the same as


äußerst reale Folgen für unser Leben, ob zum Guten oder zum<br />

Schlechten. Wenn man die Kunst als davon völlig unabhängig ansieht,<br />

ergibt sich jene sinnlose Kunst um der Kunst willen der heutigen<br />

Zeit.“ (aus: Dialog mit der Vierten Dimension – Von der Keramik der<br />

Jomon-Zeit). Okamoto war überzeugt, dass die Kunst verschwinden<br />

würde, wenn sie nicht auf der Konfrontation mit den dringenden<br />

Problemen der Realität gründete. Er versuchte zu beweisen, dass<br />

der Weg, den die Kunst einschlagen müsste, in der Konfrontation<br />

mit zwar unsichtbaren und doch höchst realen Dingen liege und<br />

dass sie die Realität überwinden müsse ohne in Mystizismus zu verfallen.<br />

Dies offenbarte sich Okamoto unter anderem anhand der<br />

Jomon-Keramik. Indem er ihre Kunst hervorstrich, die in so markantem<br />

Gegensatz zu den ästhetischen Traditionen der folgenden<br />

Epochen stand, forderte er den Ausbruch einer lange verborgenen<br />

Geisteshaltung in der Gegenwart. Er kritisierte damit sowohl den<br />

westlichen Modernismus, der die japanische Kunst und Ästhetik im<br />

Hintergrund dominierte, als auch die formalistische japanische<br />

Ästhetik. Auch sollte man nicht unerwähnt lassen, dass Claude Lévi-<br />

Strauss in der Jomon-Keramik das Geheimnis der japanischen Kunst<br />

erblickte: „Es ist, als ob jedes Gefäß seine endgültige Form bereits<br />

in dem Moment erhält, in dem die kreative Energie erstmals hervorbricht.“<br />

(Vorwort zum <strong>Katalog</strong> der Ausstellung Jomon: l’art du Japon<br />

des origines. Paris: Maison de la Culture du Japon 1998)<br />

In den 1950er und 1960er Jahren unternahm Okamoto mehrfache<br />

Reisen durch ganz Japan, um die Tiefenschichten des japanischen<br />

Gedächtnisses zu erkunden, und dokumentierte die einzelnen<br />

Regionen in Text und Fotografie. Seine Feldforschungen, in denen<br />

er das kulturelle Gedächtnis freilegen wollte, mündeten in Werke wie<br />

Die Wiederentdeckung Japans (Nihon Saihakken), Mystisches Japan<br />

(Shinpi Nihon), Vergessenes Japan (Wasurerareta Nihon), mit denen<br />

er seine ganz persönliche Japan-Theorie kreierte. Über diese gedankliche<br />

Auseinandersetzung gelangte er schließlich nach Okinawa.<br />

Okamoto besuchte Okinawa zum ersten Mal im Jahr 1959. Was ihn<br />

dort am meisten beeindruckte, waren die so genannten „utaki“,<br />

heilige Orte, die durch keinerlei materielle Substanz gekennzeichnet<br />

sind. An diesen „utaki“, wo die Götter vom Himmel herabsteigen,<br />

gibt es weder eine Kultstätte noch einen sakralen Gegenstand noch<br />

eine Statue. Es sind lediglich freie, menschenleere Flächen im Wald,<br />

als ob jemand beiläufig eine Lichtung geschlagen hätte. Unter der<br />

unendlichen Weite des Himmels befanden sich dort lediglich schlichte<br />

Steinquader – ein Anblick, der Okamoto beinahe die Sinne schwinden<br />

ließ. Er verspürte erstmals eine atavistische Erinnerung, die tief<br />

verborgen in seinem Inneren geschlummert hatte.<br />

Seine bloße Anwesenheit konfrontierte ihn mit einer vitalen Zeit,<br />

genügte, um von einer rätselhaften Kraft, die tief mit diesem Ort<br />

those confronted by the Jomon people in their supernatural<br />

world.<br />

“This relates not simply to aesthetics. The atomic<br />

bomb explodes, setting two worlds in opposition<br />

and causing monstrous economic upheaval. All with<br />

very real consequences for our lives, just as spirits<br />

acted for good and evil in primitive society. The futility<br />

of today‘s art for art‘s sake lies in our dismissing<br />

these things as unrelated to art.” (Jomon Pottery:<br />

Conversation with the Fourth Dimension)<br />

Okamoto firmly believed that art was a lost cause<br />

unless it was grounded in coming to terms with this<br />

most ineluctable reality. Confronting this unseen<br />

yet all-too-real dimension without mystifying, but<br />

rather overcoming it was the way forward for art<br />

according to Okamoto.<br />

Jomon pottery was a revelation in that direction.<br />

By highlighting Jomon pottery which is so antithetical<br />

to traditional Japanese aesthetic forms from the<br />

later Yayoi period on, he was calling for the contemporary<br />

eruption of a long-overshadowed spirit. By<br />

doing so, Okamoto sought to criticise both Western<br />

modernism and formalistic Japanese tastes whose<br />

values had virtually dominated Japanese art and<br />

aesthetics. We should also note that no less than<br />

anthropologist Claude Lévi-Strauss praised the mysteries<br />

of Jomon pottery: “Each pot seems to have<br />

been shaped in the very instant its creative energies<br />

burst forth.” (Preface to the 1998 exhibition catalogue<br />

Jomon: l‘art du Japon des origines. Paris: Maison<br />

de la Culture du Japon 1998)<br />

From the 1950s into the 1960s, Okamoto travelled<br />

up and down the length of Japan in search of the<br />

underlying strata of Japan’s memories, recording<br />

his findings in photographs and writings. The results<br />

of this fieldwork, his photos and books Japan Rediscovered:<br />

(Nihon Saihakken), Mystic Japan (Shinpi<br />

Nihon), and Forgotten Japan (Wasurerareta Nihon)<br />

heralded a unique critique of Japan, an attempt to<br />

retrieve long-lost proto-Japanese memories. Eventually,<br />

these ideas led Okamoto to Okinawa.<br />

In 1955, on Okamoto’s first trip to Okinawa, he was<br />

thrilled to discover that the most sacred places<br />

to the Okinawans – spiritual sanctuaries known as


Fig. 3 Daido Moriyama<br />

aus dem Buch<br />

SHASHINYO SAYOUNARA<br />

(A Farewell to Photography),<br />

1972<br />

Fig. 3 Daido Moriyama<br />

from the book<br />

SHASHINYO SAYOUNARA<br />

(A Farewell to Photography),<br />

1972<br />

verwurzelt war, angezogen zu werden. Ein Teil der „utaki“ diente<br />

früher als Ort der Luftbestattung, wo sich die sterblichen Überreste<br />

von unzähligen Toten, die den Elementen überantwortet worden<br />

waren, anhäuften. Eine Welt in reinstes Sonnenlicht des umhüllenden<br />

Firmaments getaucht, in der sich da und dort Löcher in tiefe<br />

Abgründe auftun.<br />

Andere „utaki“ waren Orte, an denen Shamaninnen, die „noro“, ihre<br />

religiösen Zeremonien abhielten. Von den „noro“ herbeigerufen<br />

stiegen die Götter auf den leeren Platz herab und begegneten den<br />

Menschen im durchsichtigen Äther. Die „noro“ waren Medien, die<br />

Menschen und Götter miteinander verbanden, oder auch Personifikationen<br />

des menschlichen Willens. Dank der „noro“ erscheinen die<br />

Götter an einem realen Ort, und wenn sie ihre Zeremonien beginnen,<br />

wird der leere Ort mit einer gewaltigen Kraft aufgeladen.<br />

Okamoto erkannte, dass das, was er bei den „utaki“ am eigenen<br />

Leib verspürte, in Wirklichkeit etwas war, das sich in unglaublichen<br />

zeitlichen Dimensionen unendlich lange fortsetzte. Eine übernatürliche<br />

Kraft kommt auf einen leeren Platz herunter. Für die Inselbewohner<br />

ist es unmöglich, ein Leben zu führen, ohne mit ihr in Berührung zu<br />

kommen. Sie legen Steine auf die „utaki“, die dazu dienen, die unsichtbaren<br />

Kräfte herbeizurufen. Sobald sich der Ort mit der unsichtbaren<br />

Kraft füllt, rufen die Menschen sie mit all ihrer Energie an. Diese<br />

permanent wiederholten Gesten und Gebärden akkumulierten<br />

sich Schicht um Schicht an diesem Ort. Hier kam Okamoto unmittelbar<br />

mit einer Kraftquelle in Berührung, die seine eigene Existenz<br />

erschütterte.<br />

In den 1960er und 1970er Jahren erreichte die wirtschaftliche Hochkonjunktur<br />

Japans ihren Höhepunkt. Auf politischer Ebene spitzte<br />

sich zu dieser Zeit eine Bewegung zu, die im Zusammenhang mit<br />

den amerikanisch-japanischen Sicherheitsverträgen nach gesellschaftlichen<br />

Umwälzungen verlangte. Davon inspiriert wandten sich Fotografen<br />

wie Daido Moriyama und Takuma Nakahira den fundamentalen<br />

Fragen der Wahrnehmung zu und entwickelten hinsichtlich der Schnittstelle<br />

von Bild und Wirklichkeit oder der Aktivität der Wahrnehmung<br />

einen ganz eigenen fotografischen Ausdruck. In ihren außergewöhnlichen<br />

Fotografien setzten sie sich beständig mit den Veränderungen<br />

einer gewalttätigen Zeit auseinander. Damals schrieb der Kritiker<br />

Maurice Pinguet anlässlich seines Besuches in Tokio in den 1960er<br />

Jahren: „Tokio ist zwar keine Stadt ohne Vergangenheit, aber es<br />

scheint keinerlei Gedächtnis oder Erinnerung zu geben, als hätte man<br />

sich mit den rasanten geschichtlichen Veränderungen und fundamentalen<br />

Zerstörungen abgefunden.“<br />

In dieser Zeit großer Umwälzungen veröffentlichten die beiden Fotografen<br />

ein umfangreiches Werk, mit dem sie durch gezielte Unschärfe<br />

Toshiharu Ito 20 21<br />

“utaki” – had no physical substance at all; there<br />

were no objects of worship, no sacred figures or idols<br />

erected there where the gods were said to appear<br />

from the heavens, only deserted tracts of virgin<br />

forest. There under pristine blue skies, a rough square<br />

block of stone on the ground and nothing else was<br />

enough to set Okamoto’s head reeling and awaken<br />

memories long dormant deep within himself.<br />

For indeed, by just being there he encountered time<br />

that was vibrantly alive; by being there he was connected<br />

with powerful forces latent deep within the<br />

earth. In ages past, the dead were left outside<br />

exposed to the elements at some “utaki”, making<br />

them open air burial sites: a realm of brilliant sunlight<br />

dotted with deep dark pits.<br />

Other “utaki” sanctuaries were also where female<br />

shamans called “noro” repeatedly held religious<br />

ceremonies. Summoned by these “noro”, the gods<br />

would descend into thin air at that vacant place,<br />

and come face-to-face with people. As mediums –<br />

or rather as deity-communicating media – “noro”<br />

served as transformations of human will; “noro”<br />

made the gods appear in that location and ceremonially<br />

charge that place with divine power.<br />

Okamoto was physically moved by the sense that<br />

here in the “utaki” was something that had been<br />

passed down since time immemorial, a supernatural<br />

presence that descended upon an empty plot of<br />

land and without which the islanders could not<br />

conduct their lives. People left rocks at the “utaki”,<br />

tokens for beseeching unseen powers, and when<br />

those unseen powers permeated the place, people<br />

became wholly and physically enthused with the<br />

spirit, calling forth the gods. Over countless repetitions,<br />

these gestures and energies had built up<br />

there layer upon layer, a continuity that shook<br />

Okamoto to the very roots of his intuitve being.<br />

From the 1960s into the 1970s, during Japan’s<br />

“era of rapid economic growth”, a time of political<br />

unrest that climaxed in calls for social reform and<br />

protests against the US-Japan Security Pact, photographers<br />

Daido Moriyama and Takuma Nakahira<br />

responded by questioning the fundaments of vision;<br />

by pursuing their own idiosyncratic mode of photo-


Fig. 4 Takuma Nakahira<br />

La nuit 4, ca. 1969<br />

Fig. 4 Takuma Nakahira<br />

La nuit 4, ca. 1969<br />

(„bure-boke“), Nachbelichtungen („halation“), seltsame Perspektiven<br />

und einen eigenen Lichtton den Zustand ihrer Wahrnehmung, die<br />

sich im Raum der Geschwindigkeit abrupt verändert, ausdrücken<br />

wollten. Diese Bilder erregten große Aufmerksamkeit, da sie das<br />

Wesen einer japanischen Wahrnehmung enthüllten, die über den<br />

Rahmen westlicher Darstellungsmedien hinausging.<br />

Daido Moriyama machte erstmals Mitte der 1960er Jahre auf sich<br />

aufmerksam, als er – noch unter dem Einfluss älterer Fotografen<br />

wie Shomei Tomatsu und Eiko Hosoe – Nihon Gekijo (Japan: A Photo<br />

Theater) herausbrachte. Es handelt sich dabei um eine Kollektion<br />

grobkörnig kontrastreicher Bilder aus dem Alltag von japanischen<br />

Schaustellern, die aus den Tiefenschichten des japanischen Gedächtnisses<br />

stammen. Moriyamas „bure-boke“-Fotografie – die groben<br />

Bildpunkte, die sich wie im Tanz über die Bildfläche verteilen, die<br />

verschwommenen, unruhigen Einstellungen, die aufgeblähten<br />

Verzerrungen – ist gleichsam eine unmittelbare Reflexion seiner<br />

gelebten Erfahrungen. Noch vor jeder gedanklichen Reflexion nimmt<br />

er über die Kamera die mit dem eigenen Leben verbundene Realität<br />

wahr. Der Riss zwischen dieser Realität und sich selbst wird zum<br />

Foto. Das Foto entsteht aus einer unmittelbaren, die Realität einfangenden<br />

Aktion, die aus dem eigenen Fleisch und Blut herausgeschnitten<br />

zu sein scheint. Moriyamas „bure-boke“ ist nicht bloß eine<br />

Technik oder ein Stilmittel, sondern resultiert direkt aus seiner Haltung<br />

dem Leben und der Welt gegenüber.<br />

Aus seiner fotografischen Aktivität entwickelte Moriyama außerdem<br />

eine eigene Auffassung des Gedächtnisses. Gedächtnis wäre demnach<br />

keine Wiedergabe der Vergangenheit, sondern etwas Ewiges,<br />

bei dem das Vergangene aus der Sicht der Gegenwart imaginiert<br />

und mittels verschiedener Medien neu zusammengesetzt wird, um<br />

es weiter in die Zukunft zu projizieren. „Für mich geht Gedächtnis<br />

über seinen bloßen Wortsinn hinaus, denn ich glaube, dass es sich<br />

um etwas Größeres, Tieferes handelt. Besser gesagt, ich glaube<br />

nicht, dass es der Vergangenheit angehört, sondern es ist eindeutig<br />

etwas Gegenwärtiges.“ (Daido Moriyama: Erinnerungen eines<br />

Hundes [Inu no Kioku], 1982)<br />

Takuma Nakahira war als Zeitschriftenherausgeber auch für die Fotoseiten<br />

einer Illustrierten verantwortlich, kam dadurch mit Shomei<br />

Tomatsu in Kontakt und begann schließlich selbst zu fotografieren.<br />

Gleichzeitig entwickelte er als Film- und Fotokritiker einen besonderen<br />

Stil und schuf mit seinen Schriften Richtung und Maßstab für die<br />

eigene fotografische Arbeit. Für Nakahira waren Wort und Fotografie<br />

untrennbar miteinander verbunden. 1968 gab er mit Moriyama und<br />

anderen die avantgardistische Zeitschrift Provoke heraus, die unter<br />

der Devise „provokantes Material für das Denken“ stand. Sie widmete<br />

graphic investigations into the active role of seeing<br />

at the juncture of reality and image, and so confronting<br />

the twisted realities of harsh times. When<br />

French academic and critic Maurice Pinguet first<br />

visited Tokyo in the 1960s, he wrote: “Tokyo is not<br />

without a past, yet does not expose those memories;<br />

rather it now assumes the role of speeding up<br />

and utterly annihilating history.”<br />

During this era of tumultuous change, the two photographers<br />

created a huge output of images using<br />

unusual effects – blurring (“bure-boke”), backlit<br />

halos (“halation”), odd perspectives, special light<br />

tones – all in an effort to capture the intensified<br />

look of rapidly distorting speed-space. Their “new<br />

regard”, which offended Western visual media norms,<br />

caused quite a stir with its essentially Japanese<br />

perceptual sensibilities.<br />

Daido Moriyama was influenced by such older<br />

generation photographers as Shomei Tomatsu and<br />

Eiko Hosoe, and garnered acclaim in the mid 1960s<br />

for his Nihon Gekijo (Japan: A Photo Theatre, 1968),<br />

a collection of grainy, high-contrast real life images<br />

of burlesque entertainers from the dark underground<br />

of Japanese memory. The picture plane dancing<br />

with specks, the disquieting hand-held blurs, the<br />

skewed blow-ups – Moriyama’s rough-shot “bureboke”<br />

visions were direct physical reflections of<br />

his way of life, through-the-camera perceptions of<br />

his own innate being and assumed reality prior to<br />

any meaning. Photos cleaved from a sphere between<br />

that reality and his own self, photos cut from his own<br />

flesh and blood in the act of grappling with reality.<br />

The blurs and flares were thus no mere gimmick<br />

or style; they were handholds toward Moriyama’s<br />

stance on life and the world.<br />

Moreover, that act of photographing led him to<br />

a unique idea of memory: to Moriyama, memories<br />

were not flashbacks from times past, but rather<br />

were imagined as watershed moments of the present<br />

bordering on the past, recomposed via different<br />

media so as to project into the future. Were there<br />

not, he wondered, immediate eternities? “For me,<br />

memory goes beyond the simple meaning of the


sich grundlegenden Fragen der Wahrnehmung, brachte bis in die<br />

1970er Jahre nie da gewesene radikale Ausdrucksmittel und Bildbearbeitungstechniken<br />

hervor und spielte eine bedeutende Rolle für die<br />

Neuorientierung der japanischen Fotografie.<br />

Nachdem Nakahira sich in den Jahren der extremen politischen und<br />

gesellschaftlichen Unruhen auf radikale Weise mit der Wahrnehmung<br />

selbst auseinander gesetzt hatte, besuchte er 1973 zum ersten Mal<br />

Okinawa. Hier betrat er einen Ort, der von der eigentümlichen Hektik<br />

der japanischen Hochkonjunktur vollkommen unberührt geblieben<br />

war. Wie Nakahira selbst eingestand, erschütterte diese Erfahrung<br />

„die Grundfesten meiner eigenen Existenz.“ Was ihm dort begegnete,<br />

lässt sich nur als eine unsichtbare, spirituelle Präsenz bezeichnen.<br />

Er erfuhr einen Ort, der – wie Taro Okamoto es ausdrückte – angefüllt<br />

war mit unsichtbaren Wesen, die sich über den leeren Raum<br />

heranbahnen. Nakahira stellte sich dieser unsichtbaren Realität,<br />

obwohl auf seinen Fotos zu seinem Ärger nichts zu sehen war, ob er<br />

sie nun unscharf oder verwackelt ablichtete. Er war sich sicher, dass<br />

das Unsichtbare existierte, er fühlte es selbst ganz deutlich. In der<br />

Folge verwarf er sein bisheriges fotografisches Werk und begann mit<br />

Amami, Nami to Haka to Hana, soshite Taiyo (Amami: Wellen, Gräber<br />

und Blumen – und die Sonne, 1975) oder Kokkyo, Tokara Retto,<br />

Mujinka suru Shimajima (Die Grenzregion der Tokara-Inseln – entvölkerte<br />

Inseln, 1976) Fotografien der südlichsten Inseln des japanischen<br />

Archipels zu veröffentlichen.<br />

„Ich sah dort Wellen und Blumen und die Sonne. Und die Gräber<br />

der Inselbewohner, viele Gräber aus verschiedenen Zeiten und Stilen:<br />

Luftbestattung, Erdbestattung und in allerjüngster Zeit Feuerbestattung<br />

– es gab in der Tat viele Einflüsse, die zum Teil aus der Ryukyu-<br />

Kultur, zum Teil aus der Kultur des japanischen „Mutterlandes“<br />

entstanden sind. Aber sie alle sind mit der Natur verschmolzen. Von<br />

schönen Blumen überwachsene Gräber, Grabhügel im gleißenden<br />

Sonnenlicht, keine Spur vom Tod, der in der Finsternis lauert. Vielleicht<br />

bedeutet der Tod für die Leute hier bloß die Rückkehr zur Natur.“<br />

Bald nachdem er sich wie Okamoto den unsichtbaren Schichten des<br />

japanischen Gedächtnisses zugewandt hatte und nach einer neuen,<br />

direkten Sicht auf das Land und die Zeit zu suchen begann, zog sich<br />

Nakahira im Jahr 1977 eine so schwere Alkoholvergiftung zu, dass<br />

er dem Tod nur mit knapper Not entkam. Obwohl er sich körperlich<br />

erholte, litt er unter fortschreitendem Gedächtnisschwund und Sprachverlust.<br />

Der Sprache beraubt, unfähig sich mit anderen Menschen<br />

zu unterhalten, begab sich Nakahira kurz nach seiner Entlassung<br />

aus dem Krankenhaus wieder nach Okinawa, um Fotos zu machen,<br />

und veröffentlichte 1978 den Band Okinawa: Shashin Genten 1<br />

(Okinawa, der Ausgangspunkt der Fotografie 1). Nakahira begründete<br />

diese Eile folgendermaßen: „Mein einzig verlässlicher Ausgangspunkt<br />

Toshiharu Ito 22 23<br />

word; memories are bigger, go deeper than that.<br />

Or rather, they’re not something from the past,<br />

I think they’re very much present.” (Daido<br />

Moriyama: Memories of a Dog [Inu no Kioku], 1982)<br />

Former magazine editor Takuma Nakahira also<br />

knew Shomei Tomatsu from having edited his<br />

gravure pages before eventually taking up a camera<br />

himself. While continuing to critique photography<br />

and cinema as he had since the mid-1960s, writing<br />

gave direction and measure to his own photographic<br />

production. For Nakahira, words and images were<br />

inextricably connected.<br />

In 1968, together with Moriyama and others, he<br />

launched the avant-garde photographic magazine<br />

Provoke, a journal of “inflammatory material for<br />

thought” aimed at raising fundamental issues about<br />

vision, which then went on into the 1970s to champion<br />

unprecedented radical means of expression<br />

and image manipulation, forging a major turning<br />

point in Japanese photography.<br />

After relentlessly attacking the norms of seeing<br />

throughout these years of extreme political and<br />

social upheaval, Nakahira went for the first time<br />

to Okinawa in 1973. There he set foot in a place<br />

wholly untouched by the hyper-speed histrionics of<br />

Japan’s era of rapid economic growth. As Nakahira<br />

himself confesses, “It shook my existential foundations<br />

by their very roots.” In Okinawa, Nakahira<br />

encountered some invisible ethereal presence,<br />

a keen physical sense of place crowded in on all<br />

sides by transparent emptiness very much as Taro<br />

Okamoto had experienced. Yet shake or blur the<br />

camera image as he might, nothing showed. Faced<br />

with unseen entities, he felt utterly frustrated: there<br />

existed things that could not be seen; he could<br />

feel them, he knew they were there, though unphotographable.<br />

Thereafter, Nakahira rejected all his<br />

previous work, and began to photograph the<br />

southernmost islands of the Japanese archipelago,<br />

publishing such books as Amami: Nami to Haka<br />

to Hana, soshite Taiyo (Amami: Waves and Graves<br />

and Flowers – and the Sun, 1975) and Kokyo, Tokara<br />

Retto, Mujinka suru Shimajima (The Tokaras, Border<br />

Islands Soon to Be Deserted, 1976).<br />

“There I saw waves and flowers and sun, as well


war der konkrete Akt des Fotografierens an sich. Es blieb mir nichts<br />

anderes übrig, nachdem ich alles andere vergessen hatte.“<br />

Menschen bemühen sich immer um eine kohärente Wahrnehmung<br />

der Welt. Sie unterscheiden zwischen Landkarte und Land, lesen<br />

Verbindungen und Beziehungen zwischen den Dingen heraus und<br />

schöpfen dann aus den dergestalt arrangierten Einzelheiten eine<br />

Bedeutung. Die Wahrnehmung von Menschen ist von vornherein auf<br />

die Erlangung von Bedeutung konditioniert. Allerdings lässt sich eine<br />

solche Suche nach Bedeutung ohne Erinnerungen nicht durchführen.<br />

Wenn daher das Gedächtnis beschädigt ist, kann Bedeutung keine<br />

Form annehmen. Nakahiras Ambitionen richteten sich stets auf die<br />

Welt, bevor sie eine Bedeutung zugesprochen bekommen hatte,<br />

doch erst seine Krankheit ermöglichte ihm diese Erfahrung. Getrennt<br />

von Zeit und Gesellschaft, bewegte er sich während der vieldeutig<br />

unsicheren Zeitspanne, in der er sein Ich und sein Gedächtnis verloren<br />

hatte, auf einer horizontalen Linie, wo kein Begriff von einer vergehenden<br />

Zeit und einem unmittelbaren Zeitpunkt entstehen konnte,<br />

indem er von einer Zeitinsel zur nächsten sprang. Noch dazu waren<br />

diese Inseln leer und entvölkert. Doch diese leeren Inseln waren voll<br />

von lärmenden Dingen. Während er also von einer entvölkerten Insel<br />

zur nächsten sprang, gewann er durch das Fotografieren von Moment<br />

zu Moment ein neues Gedächtnis zurück.<br />

Sein jüngstes Werk Genten Fukki: Yokohama (Rückkehr zum Ausgangspunkt:<br />

Yokohama, 2003) ist eine Sammlung solcher Bemühungen.<br />

Zahlreiche Bruchstücke, Persönlichkeiten und „Ichs“ sind<br />

hier kompliziert miteinander verwoben. Zahlreiche Erinnerungen sind<br />

im Aufruhr. Das Auge, das versucht, diese Bewegungen mit aller Kraft<br />

zu erfassen. Das Auge, das auf einen bestimmten Lichteinfall reagiert.<br />

Das Auge, das schließlich selbst zur Kamera wird. Nakahiras heutige<br />

Fotos sind von einem solchen Auge festgehalten worden.<br />

Yoko Ono übersiedelte im Jahr 1953, ein Jahr, nachdem Okamoto<br />

seinen Aufsatz Dialog mit der Vierten Dimension – Von der Keramik<br />

der Jomon-Zeit veröffentlicht hatte, mit ihrer Familie nach Amerika.<br />

Sie studierte an der Sarah Lawrence Universität Poesie und Komposition,<br />

stieß ab 1959 in New York zur Kunstrichtung „Fluxus“ und<br />

entfaltete ab 1960 avantgardistische Aktivitäten auf mehreren künstlerischen<br />

Gebieten. Besonders bekannt wurde ihr Werk Grapefruits,<br />

1964, eine Anthologie aus kurzen, epigrammatischen Texten, die als<br />

Vorläufer der conceptual art besondere Wertschätzung erfuhr. 1969,<br />

am Höhepunkt des Vietnamkriegs und kurz nach ihrer Heirat mit<br />

John Lennon, veranstalteten sie in Amsterdam den Event Bed-in for<br />

Peace. Die beiden luden zu einer Pressekonferenz in ihrem Schlafzimmer,<br />

wo sie nur mit Pyjamas bekleidet gewaltlosen Widerstand<br />

gegen das Establishment zum Ausdruck brachten. Ihre direkten<br />

Forderungen nach Frieden setzt Ono bis heute fort, wenn sie etwa<br />

as islanders’ graves, which varied considerably<br />

according to the age: open-air graves, burials and<br />

very recently cremation, truly a mix of many different<br />

styles. A confluence different from either Ryukyu<br />

culture or ‘mainland’ Japanese culture, yet wholly<br />

dissolved into nature. Grave sites covered in beautiful<br />

flowers, earthen dumplings offered out in the sunlight,<br />

not a trace of darkness in death. People here<br />

probably see death as a return to nature.”<br />

Turning his attention like Okamoto toward these<br />

transparent strata of Japan’s memory, trying<br />

to re-direct a more intuitive view of time and land,<br />

Nakahira unfortunately succumbed to acute alcoholism<br />

in 1977, and was given only a one-in-nine<br />

chance of surviving. Although he physically recovered,<br />

mentally he suffered retrogressive [degenerative]<br />

amnesia and verbal aphasia. Yet even<br />

robbed of speech and unable to talk, Nakahira was<br />

soon out of hospital and back photographing in<br />

Okinawa. Seemingly driven by the acuteness of his<br />

condition, in 1978 Nakahira published Okinawa:<br />

Shashin Genten 1 (Okinawa: Photography Degree<br />

Zero 1). As he himself put it, “The most reliable<br />

place for me to start was the very concrete act of<br />

photographing. I’d forgotten all else. It was the only<br />

thing for me to do.” People always try to perceive<br />

a coherent world view. They distinguish map from<br />

territory; they try to find connections and relations<br />

between things, and thereby read meanings into<br />

them. Human perceptions are pre-conditioned to<br />

yield meanings, though the pursuit of meanings<br />

proves impossible without memory. For if memory<br />

functions are impaired, meanings cannot take shape.<br />

Nakahira aspired to a world prior to meanings when<br />

his illness gave him that very experience. Cut off<br />

from current events and society to drift in an uncertain<br />

eternal present without self or memory, a<br />

horizon where sequential linear time does not arise,<br />

he forced himself to jump from one floating moment<br />

to the next, each deserted island of time teaming<br />

with countless hidden things, meanwhile using the<br />

practical technique of photographing to acquire new<br />

memories with each leap.<br />

These efforts all come together in his recent Genten<br />

Fukki: Yokohama (Degree Zero: Yokohama, 2003),


Fig. 5 Makoto Sei Watanabe<br />

Details des Aoyama Technical<br />

College, 1990<br />

Fig. 5 Makoto Sei Watanabe<br />

Details of Aoyama Technical<br />

College, 1990<br />

kurz nach dem 11. September 2001 ein ganzseitiges Inserat mit<br />

einer Strophe aus John Lennons Imagine als Botschaft an die Welt<br />

veröffentlichen ließ.<br />

Ihr Interesse ist stets auf das Hier und Jetzt gerichtet. Was wir im<br />

Alltag oft vergessen, wogegen wir unempfindlich geworden sind –<br />

dieses Hier und Jetzt ist ihr Kriegsschauplatz. Die Worte Peace und<br />

Love verhallen bedeutungslos in der Welt, sie aber behält das Hier<br />

und Jetzt im Auge und teilt weiter allen mit, was wichtig ist. Der Alltag<br />

zieht sich träge dahin, während daneben das Fernsehen pausenlos<br />

von Kriegen, Terror, Tragödien und Morden berichtet. Sie aber<br />

sagt weiter Peace und Love und nimmt dabei den ganzen Schmerz,<br />

die Verzweiflung und die Trauer des Hier und Jetzt auf sich.<br />

Die Skulptur Pointedness, 1964/66, entstand anlässlich des Events<br />

Evening till Dawn, der 1964 von Yoko Ono in einem Tempel in Kyoto<br />

abgehalten wurde. Sie selbst schildert den Moment, als der Event<br />

bei Vollmond zu Ende ging, folgendermaßen: „Die Mönche boten uns<br />

zu essen an. Eine schlichte Mahlzeit aus Reis, eingelegtem Gemüse<br />

und Miso Suppe. Unter dem Licht des Vollmonds, das den Garten<br />

taghell beleuchtete, traf mich plötzlich etwas Scharfes in meiner Brust.<br />

Als ob wir Millionen Meilen vom Licht des Mondes entfernt wären.“<br />

Diese Erfahrung wurde der Ausgangspunkt für Pointedness, das<br />

1966 fertig gestellt wurde und zur Meditation über den Zustand der<br />

Materie anregt: „Die tatsächlich existierende Marmorkugel wird in<br />

deinem Herz langsam zu einem spitzen Gegenstand und weitet sich<br />

dann im ganzen Raum aus.“<br />

Die Erfahrung im Tempelgarten unter dem Licht des Vollmondes ist<br />

nicht nur Teil der traditionellen Zen-Meditation, sondern hängt auch<br />

mit der Wahrnehmung einer großen Entfernung oder einer dramatischen<br />

Veränderung des Maßstabs zusammen. Der Mond scheint<br />

von der Erde aus lediglich als kleine, unbewegliche Kugel. In Pointedness<br />

will Ono dem Betrachter die Möglichkeit bieten, die im Alltag<br />

nicht wahrnehmbare Entfernung, die Kraft, das Geheimnis des<br />

Mondes wieder zu erlangen. Dies mag auch ein Versuch sein, die<br />

Unmittelbarkeit der japanischen Wahrnehmung des Hier und Jetzt<br />

wiederzugewinnen.<br />

Bei der Weltausstellung in Osaka 1970, einem globalen Event, den<br />

man auch als Höhepunkt des japanischen Wirtschaftsaufschwungs<br />

ansehen kann, war es Taro Okamoto, der die Produktionsaufsicht<br />

des Themenparks übernahm. Angeregt von der Dynamik der jomonzeitlichen<br />

Tongefäße schuf er den gigantischen, 70 Meter hohen<br />

„Sonnenturm“, in dem alle Widersprüche der japanischen Nachkriegszeit<br />

aufeinander prallten. Er sah in ihm das Symbol einer Lebenskraft,<br />

die von Urzeiten herrührte und sich in die Zukunft erstreckte,<br />

eine Vision, die den Rahmen der Kunst sprengte und auf eine<br />

wesentliche, innere Form ausgerichtet war. Im Inneren des Sonnen-<br />

Toshiharu Ito 24 25<br />

a complex tangle of diverse entities and personae<br />

and self, crisscrossing in countless undulating<br />

memories. Nakahira’s current photographs evince<br />

a camera-turned-eye attempting to bodily and spiritually<br />

apprehend all unseen motions, to respond to<br />

all light with his whole being.<br />

In 1953, the year after Taro Okamoto published<br />

his Jomon Pottery: Conversation with the Fourth<br />

Dimension, Yoko Ono and her family immigrated to<br />

America where she studied poetry and music composition<br />

at Sarah Lawrence College, moving to<br />

New York in 1959 as a base for her involvement<br />

with the Fluxus movement, which led to diverse<br />

avant-garde expressions from the 1960s on. Among<br />

her most well known works, the aphoristic Grapefruit,<br />

1964 has been cited as a forerunner of conceptual<br />

art. Likewise, her Bed-In for Peace, 1969 in Amsterdam<br />

at the height of the Vietnam War, where she<br />

and her newly wed husband John Lennon received<br />

reporters in their pyjamas, gave novel expression<br />

to anti-establishment pacificism. Her active commitment<br />

to peace came to the fore again in recent<br />

years soon after the 9.11 attack with her full-page<br />

newspaper message borrowing lyrics from Lennon‘s<br />

song Imagine.<br />

Constant throughout her career has been her focus<br />

on the “here and now”, the most commonplace<br />

things we tend to forget. In a world where the words<br />

“peace” and “love” have an empty ring, her sure<br />

gaze on the “here and now” continues to provide an<br />

unwavering message about what‘s most important<br />

in life, a gentle but vital beacon of everyday perseverance<br />

in the face of an endless barrage of war,<br />

terrorism, violence and murder appearing all day long<br />

on the news. Her “here and now” subsumes all<br />

suffering and disillusion into an on-going mantra of<br />

peace and love.<br />

Pointedness, 1964/1966 was inspired by her happening<br />

Evening till Dawn, 1964 held at a Kyoto temple<br />

on a full-moon night, at the end of which she recalls:<br />

“The monks served us breakfast, consisting of<br />

barley-rice, pickles and miso soup. The moonlight,<br />

which had lit the garden as if it was daylight, now


turms befand sich der so genannte „Lebensbaum“, ein 50 Meter<br />

hohes baumartiges Gebilde. Daran waren 300 Objekte befestigt, die<br />

verschiedene Lebensformen vom Beginn des Lebens bis zur Geburt<br />

des Menschen darstellten und sich im Einklang mit Licht und Ton<br />

bewegten. Vier Rolltreppen brachten die Besucher im Inneren des<br />

Turmes nach oben, während sie den Evolutionsprozess betrachten<br />

konnten.<br />

Der Architekt Arata Isozaki entwarf den „Festivals-Platz“, auf dem<br />

der „Sonnenturm“ stand, und schuf auch die riesigen Roboter, die<br />

sich dort umherbewegten. Makoto Sei Watanabe arbeitete zeitweilig<br />

unter Isozaki, bevor er in den 1980er Jahren unter dem Einfluss der<br />

Postmoderne Gebäude wie das Technische College Aoyama schuf,<br />

das an den populären Anime-Roboter „Gundam“ erinnert. Seit den<br />

späten 1990er Jahren interessierte sich Watanabe vermehrt für die<br />

wissenschaftlichen Herausforderungen des künstlichen Lebens und<br />

der Chaostheorie, was ihn dazu veranlasste, Fragen des Lebens und<br />

der Wahrnehmung in Architektur und Stadtplanung einfließen zu<br />

lassen. Ein Beispiel ist das Werk Fiber Wave, das aus etwa hundert<br />

vier bis fünf Meter hohen Kohlefaserstäben besteht, die mit Leuchtdioden<br />

ausgestattet sind. Sie schwanken wie Schilf hin und her,<br />

geben bei jeder Berührung ein angenehmes Geräusch von sich, und<br />

leuchten im Finstern wie Glühwürmchen. Ausgehend von einer sehr<br />

japanischen Sichtweise des Lebens und der Natur sucht Watanabe<br />

nach eigenen Orten und Zeiten, in denen sich Leben und Umwelt<br />

spiralförmig überlagern, sodass daraus eine radiale Zeit zu entstehen<br />

scheint.<br />

Auch von Hiroyuki Moriwaki lässt sich behaupten, dass er seine<br />

Objekte in einer solchen, spezifisch japanischen Sicht des Lebens<br />

und der Natur ansiedelt. Es sind leuchtende Vorrichtungen, die langsam<br />

verglimmen oder aufleuchten, wenn man sich ihnen nähert, als<br />

ob sie ein eigenes Leben besäßen. Bei Lake Awareness, 2005, sind<br />

3300 elektronische Scheiben netzartig zu einem konischen Gebilde<br />

verbunden. Die Scheiben kommunizieren über Signalkabel miteinander<br />

und reagieren auf ihre Umwelt gleichsam wie Neuronen. Wenn<br />

der Betrachter, der im Zentrum des Objekts steht, mit den Händen<br />

winkt, beginnt eine der blauen Leuchtdioden zu pulsieren und überträgt<br />

ihre Veränderung auf ihre Umgebung. Wie wenn man die<br />

Hand ins Wasser taucht, breiten sich Lichtwellen aus und verebben<br />

wieder. Diese Reaktion wird gespeichert. Je nachdem, ob es zu<br />

häufigen Reaktionen kommt oder ob das Objekt sich in einem Schlafzustand<br />

befindet, reagiert es unterschiedlich auf den Betrachter. Die<br />

einzelnen Scheiben werden nicht zentral kontrolliert, sondern agieren<br />

autonom und rufen die Leuchtsignale wechselseitig hervor. Dieses<br />

Lichtobjekt, das einem aus Nervenzellen zusammengesetzten Lebe-<br />

Fig. 6 Hiroshi Sugimoto<br />

Baltic Sea, Rugen, 1996<br />

Fig. 6 Hiroshi Sugimoto<br />

Baltic Sea, Rugen, 1996<br />

Fig. 7 Hiroshi Sugimoto<br />

Sea of Japan, Rebun Island, 1996<br />

Fig. 7 Hiroshi Sugimoto<br />

Sea of Japan, Rebun Island, 1996<br />

became a pointedness in my heart. It seemed that<br />

we were a billion miles away from the moonlight.”<br />

Based on this experience, Pointedness leads the<br />

viewer into meditation upon the wave-states of<br />

matter: “A marble sphere (actually existing) which,<br />

in your head, gradually becomes a sharp cone by<br />

the time it is extended to the far end of the room.”<br />

The experience in the temple garden in the moonlight<br />

is not traditional Zen meditation, but relates<br />

more to dramatic shifts in perception and scale over<br />

a vast distance from the body. The moon seen from<br />

the earth appears to be a small immobile ball, but<br />

Ono‘s Pointedness takes the viewer out of everyday<br />

experience so as to reawaken a sense of distance,<br />

of power, of mystery. This aim overlaps with the<br />

recovery of Japanese perception fully in the “here<br />

and now”.<br />

Taro Okamoto served as supervisory planner for the<br />

main theme pavilion at the Osaka Expo 70, a worldclass<br />

event that capped off Japan’s “era of rapid<br />

economic growth”. Taking a hint from the dynamism<br />

of Jomon pottery, he created a 70-metre “Tower of<br />

the Sun”. As if to unify the contradictions of Japan’s<br />

postwar years, Okamoto’s gigantic Tower rose from<br />

primeval depths toward the future bristling with<br />

vitality, a vision outstripping the dictates of art<br />

toward a more essential ingrown form. Inside the<br />

Tower was a 50 metre-high branching structure<br />

called the “Tree of Life”, encrusted with some 300<br />

diverse biological forms evolutionarily spanning the<br />

origins of life up to the birth of humankind, each<br />

moving to light and sound, and equipped with four<br />

lifts to conduct viewers up through the evolutionary<br />

process.<br />

Architect Arata Isozaki designed the Festival Plaza<br />

where the “Tower of the Sun” stood, as well as twin<br />

giant robots that roamed the area. Makoto Sei<br />

Watanabe, who once worked under Isozaki, went<br />

on to parallel 1980s Postmodernism with his “anime”<br />

robot-like Aoyama Technical College (1990) and<br />

other fantastic architectural projects. From the late<br />

1990s, his interest turned to the scientific frontiers<br />

of artificial life and chaos theory, prompting him to


Fig. 8 Tadashi Kawamata<br />

Lodging Tokyo, 2001<br />

Fig. 8 Tadashi Kawamata<br />

Lodging Tokyo, 2001<br />

wesen ähnelt, evoziert durch sein Aufleben und wieder Vergehen<br />

eine ewige, kosmische Zeit. Moriwaki versteht unter Gedächtnis eine<br />

erinnerte Zeit, die von einer objektiven Aufzeichnung verschieden ist,<br />

Bilder, die in vielen Schichten auf die bisherige Erfahrung gemalt<br />

werden. Die Mechanismen dieses mysteriösen Gedächtnisses sind<br />

auch in seinen Lichtobjekten verborgen.<br />

Auch Hiroshi Sugimoto, der seit den späten 1970er Jahren in New<br />

York tätig ist, offenbart in seinen Fotografien die Suche nach einer<br />

eigenen Zeit und Erinnerung. Seine Serie Diorama, in der er urzeitliche<br />

Diorama-Darstellungen aus naturhistorischen Museen fotografierte,<br />

scheint die Anfänge der Zeit einzufangen und bringt ein<br />

merkwürdiges Zeitgefühl hervor, in dem Bewegung und Stillstand<br />

sich überlagern. In seiner Serie Theaters (begonnen 1978) fotografierte<br />

er die Innenräume von Kinos während eines ganzen Films,<br />

wobei die Belichtungszeit einer einzigen Aufnahme mit der Filmlänge<br />

übereinstimmte. Dadurch erscheint die Leinwand als schlohweiße<br />

leere Fläche, die wie eine Traumszene im Bild steht. Man könnte<br />

daraus ablesen, dass man sich immer mehr dem Nichts annähert,<br />

je mehr Bewegungen man verdichtet und je mehr Zeiten man akkumuliert.<br />

In der 1980 begonnenen Serie Seascapes sind nur das<br />

Meer und der Himmel im Bildausschnitt zu sehen, wobei die Horizontlinie<br />

in der Mitte das Bild in zwei Hälften teilt. Variationen ergeben<br />

sich lediglich aus dem jeweiligen Wetter und aus der jeweiligen<br />

Tageszeit der Aufnahme. Aus den natürlichen Bedingungen wie der<br />

Dichte der Luft, der Bewegung der Wasseroberfläche oder den<br />

Reflexionen des Lichts ergeben sich subtile Unterschiede, doch wer<br />

diese flüchtigen Momente der Leere erblickt, verliert sein Herz an sie.<br />

Das Schaukeln des Meeres und des Himmels und die Erinnerung<br />

an die ständigen Veränderungen der Luft und der Wellen sind in der<br />

Vorstellung vielfältig miteinander verwoben. Statt eines eindeutigen<br />

Blickpunkts des Fotografen erscheint etwas, das sich unausgesetzt<br />

ausbreitet und wie eine Wellenbewegung mit dem Raum verschmilzt.<br />

In der jüngeren Serie Sea of Buddha, 1995, in der er die berühmten<br />

1.000 Buddha-Statuen des Tempels Sanjusangen-do in Kyoto fotografierte,<br />

setzt Sugimoto seine Suche nach einer besonderen Zeitlichkeit<br />

und einem offenen Gedächtnis weiter fort. In der Gesamtheit<br />

seiner Schwarz-Weiß-Bilder scheinen sich die ältesten Schichten<br />

der japanischen Wahrnehmung abzuzeichnen.<br />

Sein neuestes Werk Étant Donnée: Le Grand Verre ist eine Hommage<br />

an Marcel Duchamps „Großes Glas“, das die vierte Dimension zum<br />

Thema hat. In dieser Serie fotografierte er Objekte aus Gips im Besitz<br />

der Universität Tokio, die mathematische Gleichungen modellhaft<br />

darstellen. Die Balance von Licht und Schatten in diesen spiralförmig<br />

aufsteigenden merkwürdigen Formen wirkt wie eine Abstraktion<br />

Toshiharu Ito 26 27<br />

introduce perspectives on life and perception into<br />

architecture and urban planning. In his Fiber Wave,<br />

for instance, some hundred 4–5 metre carbon fibre<br />

rods with twinkling LEDs sway like fronds of pampas<br />

grass, rustling pleasantly as they brush together<br />

now and again, glimmering like fireflies in the dark.<br />

Here we may consider his unique investigations into<br />

time and place as emanating from a very Japanese<br />

love of nature, a spiralling congruence of life and<br />

environment that seems to grow into radiant time.<br />

Hiroyuki Moriwaki creates “living” light objects that<br />

dim or shine as people approach, interactive<br />

behaviour shaped by a Japanese view of natural<br />

life. One such device, Lake Awareness, 2005, is a<br />

bowl form composed of some 3300 networked<br />

circuit boards that interact with their surroundings<br />

like electronic neurons. When viewers standing in<br />

the centre of the bowl wave their hands, blue LEDs<br />

pulse with intense activity that ripples out in all<br />

directions, then calms again – almost as if dipping<br />

hands into water – only here the reaction is remembered<br />

and repeated incessantly, or else becomes<br />

long dormant before flashing back again at random.<br />

The circuit boards are not centrally controlled, but<br />

rather behave autonomically, each acting independently<br />

upon another to generate expressions in light.<br />

Like an organism with a nervous system, this light<br />

object repeatedly generates and dissipates in cycles<br />

that somehow recall eternal cosmic time. Moriwaki’s<br />

light objects seem endowed with some mysterious<br />

mechanism found in human memory, not of objective<br />

recorded events but of reminiscence, calling up<br />

relative images built up layer upon layer from personal<br />

experiences.<br />

Basing himself in New York since the mid-1970s,<br />

Hiroshi Sugimoto has pursued highly personal investigations<br />

of time and memory to create a unique<br />

body of photographic work. His Diorama series shot<br />

from museum dioramas of primeval scenes evokes<br />

a strange double sense of time frozen in motion. Likewise,<br />

his Theaters (begun in 1978) compress all the<br />

light and motion of feature-length films into dreamlike<br />

still frames where the cinema screen shows empty<br />

white, a store of time approaching nothingness.


Fig. 9 Yutaka Sone<br />

Installationsansicht Travel<br />

to Double River Island, 2002<br />

Fig. 9 Yutaka Sone<br />

Installation view of Travel<br />

to Double River Island, 2002<br />

oder Radikalisierung der dynamischen Spiralen der Jomon-Keramik.<br />

Anfang der 1970er Jahre, im Anschluss an die Weltausstellung in<br />

Osaka, begannen die Künstler der „Monoha“ („Schule der Dinge“)<br />

wie Nobuo Sekine, Kishio Suga und Jiro Takamatsu ihre Aktivitäten<br />

zu entfalten. Der Beginn der „Monoha“ hat auch für die Betrachtung<br />

der japanischen Wahrnehmung in ihren Veränderungen und Traditionen<br />

eine tiefe Bedeutung. Die Künstler der „Monoha“ einte nicht<br />

die Suche nach den visuellen Qualitäten eines Mediums, sie wollten<br />

vielmehr über das taktile Erleben und die Materie selbst den Zustand<br />

der menschlichen Wahrnehmung enthüllen. Unter Schlagworten wie<br />

„Vom Objekt zur Beziehung“ oder „Vom Materiellen zum Immateriellen“<br />

wollten sie über bestimmte, festgelegte Handlungen oder Alltagsgegenstände<br />

den Zustand der Welt darlegen und über die Beziehung<br />

von Materie und Geist die erfahrbare Realität hinterfragen. Es war die<br />

Gruppe der „Monoha“, die damals die unbewussten Voraussetzungen<br />

unserer Wahrnehmung einer Überprüfung unterzog und aufzeigte,<br />

dass sich auch die Schnittstellen des Empfindens mit dem Fluss der<br />

Zeit verändern.<br />

Tadashi Kawamata hat seit Ende der 1970er Jahre durch Projekte,<br />

in denen er unter Beteiligung zahlreicher Helfer Wohnanlagen, Kirchen<br />

oder Krankenhäuser mit Bauholz und Brettern umgab, international<br />

auf sich aufmerksam gemacht. In letzter Zeit begann er, sich vermehrt<br />

mit gesellschaftlichen Randgruppen auseinander zu setzen und sich<br />

in Form von Kunstprojekten und Selbsthilfegruppen direkt für Probleme<br />

wie Krankheit, Diskriminierung und Verfolgung zu engagieren.<br />

In seinen Work-in-progress-Projekten werden aber auch Fragen nach<br />

Zeit und Gedächtnis in Japan immanent angesprochen. Kawamata<br />

erachtet den gesamten Prozess der Herstellung als ein Projekt.<br />

Er ordnet seine Werke keiner bestimmten Kategorie zu, sondern<br />

sieht sie als variable, bewegliche Gegenstände, deren provisorischer<br />

Charakter ihm besonders wichtig ist. Diese Auffassung mag mit<br />

der japanischen Sichtweise der menschlichen Existenz zu tun haben,<br />

die das Leben als „vorläufige Wohnstätte“ („kari no yado“) ansieht.<br />

Seine Bretterbauten, die er im Dialog mit der ortsansässigen Bevölkerung<br />

errichtet, bringen jene Zeit zurück, die im „Raum der Geschwindigkeit“<br />

verloren geht, und lagern sich schichtweise zwischen die<br />

Gedanken. Kawamata behauptet, dass gerade jene Probleme, die<br />

tief mit einer bestimmten Region verbunden sind, auch einen internationalen<br />

Aspekt beinhalten können. Diese „inter-localisation“ (ein<br />

Kompositum aus „international“ und „local“) weist auf eine auch für<br />

die künftigen Beziehungen zwischen Japan und der Welt bedeutende<br />

Sichtweise hin.<br />

Im Gegensatz zu Kawamata sind die Plätze und Regionen von Yutaka<br />

Sone Orte, die es nirgendwo gibt. Nach seinem Architekturstudium<br />

On into the 1980s, his Seascapes (begun in 1980)<br />

framed almost featureless expanses of nothing but<br />

sea and sky divided in the middle by the horizon<br />

line, the only variation between images coming from<br />

the hour and weather on the day of the shoot. The<br />

subtle differences created by such natural factors<br />

as air density, sea conditions and light diffusion<br />

grab the imagination with their fleeting ethereality:<br />

the ineffable vacillations of the sea and sky, momentary<br />

atmospheric changes and wave patterns all<br />

woven into the image, memory upon memory. There<br />

no longer exists any clear focus or photographic<br />

point of view, but rather only a vast expanse of<br />

waves melting into air. In his more recent Sea of<br />

Buddha, 1995, a photographic frieze of the famous<br />

1.000 bodhisattva statues of Sanjusangen-do in<br />

Kyoto, Sugimoto continues his pursuit of specific<br />

time and more far-ranging memory, tracing as in<br />

all his black-and-white oeuvre the underlying ancient<br />

strata of Japanese perception.<br />

Or again, his recent series Étant Donnée: Le Grand<br />

Verre is an homage to Marcel Duchamp‘s musings<br />

on the fourth dimension, photographed from the<br />

University of Tokyo‘s collection of antique plaster<br />

models of mathematical formulae, the dynamic highlights<br />

and shadows of their strange twisted forms<br />

like heightened abstractions of the spirals of Jomon<br />

pottery.<br />

Soon after the Osaka Expo 70 in the early 1970s,<br />

“Monoha” artists Nobuo Sekine, Kishio Suga, Jiro<br />

Takamatsu and others began creating works that<br />

shed considerable light on the shifting contexts of<br />

Japanese perception. These “Monoha” artists found<br />

their medium not in visual qualities, but in actual<br />

physical sensations and materiality itself – their<br />

common thematic element in transcending material<br />

things to create conditions that might lay bare human<br />

perception. Under the banner of such aphorisms<br />

as “From material object to relationship” and “From<br />

material to immaterial”, they sought by means of<br />

set acts and items of daily use to expose the world<br />

in its essential being, to question anew the reality<br />

of experience at the phenomenological intersection<br />

of matter and mind. This was thus the era for the<br />

“Monoha” to rethink the tacit bases that premise


ereiste er asiatische Länder wie China und Indien und begann<br />

Anfang der 1990er Jahre in konzeptionellen Arbeiten Skulptur und<br />

Video zu kombinieren. Seine neuesten Arbeiten sind zumeist als<br />

Work-in-progress angelegt – utopische Orte, in denen sich vielfältige<br />

Zeiten und Räume, Empfindungen und Erinnerungen mischen. Sone<br />

besuchte beispielsweise 1998 einen Dschungel in Malaysia, der immer<br />

wieder als Ausgangsmaterial in seinen Werken auftaucht. Er sog<br />

dort die Empfindungen von Dingen in sich auf, die nicht enden und<br />

nicht erfahrbar sind. In seinen Werken arbeitet er mit Fledermäusen,<br />

denen er dort in großen Scharen begegnete. Auf diese Weise baut<br />

er Orte aus verschiedenen Situationen zusammen, lagert ihre jeweiligen<br />

Erinnerungen übereinander, kehrt sie nach außen und wirft<br />

dem Betrachter eine neue Wahrnehmung entgegen. Er führt tropische<br />

und polare Regionen zusammen, benachbart Regionen aus<br />

verschiedenen Zeitaltern und verschmilzt verschiedene Zeiten und<br />

Orte zu mysteriösen Topoi. Sind dies die Orte, in die Japans Geschwindigkeit<br />

mündet? Sind es Naturzustände vor dem Auftauchen<br />

des Menschen? Oder die unberührten Plätze nach seinem Aussterben?<br />

Mit derartigen Fragen sieht man sich konfrontiert, wenn<br />

man Sones utopische Szenen betrachtet.<br />

In den 1980er und 1990er Jahren kam es in Japan zu einer bemerkenswerten<br />

Entwicklung der Informationstechnologie, die einen<br />

großen Einfluss auf die Gesellschaft als Ganzes ausübte. Die Umwelt<br />

wurde zu einem fragmentarischen Teil der Information, die Menschen<br />

richteten ihre Aufmerksamkeit mehr auf die Schaltstellen der Nachrichten<br />

als auf die Dinge selbst. Unter den besonderen Bedingungen<br />

eines Inselstaats machte sich in Japan mit der Entwicklung dieser<br />

Technologie eine perverse Geisteshaltung breit, die die zweidimensionale<br />

Welt der Information realer erscheinen ließ als die Wirklichkeit.<br />

Information hüllte uns ein, drang in unser Innerstes und führte zu<br />

einem Zustand, in dem die Unterschiede zwischen Ich und Anderem,<br />

Innen und Außen, Realität und Fiktion verschwammen und die Zeitachsen<br />

durcheinander gerieten. Je nach Art und Medium der Berichterstattung<br />

unterscheidet sich unsere Rezeption eines Ereignisses in<br />

hohem Maße. Unser Realitätssinn verändert sich je nach Interaktion<br />

mit unserer Umwelt und wird vom Charakter der Medien beeinflusst.<br />

Die Menschen glauben, in einer einzigen Realität zu leben. Dies entspricht<br />

wahrscheinlich der Genese unseres Realitätssinns, die durch<br />

die physiologischen Einschränkungen unseres leiblichen Körpers<br />

bedingt ist. Doch durch den Fortschritt der Medien-Technologie wird<br />

unser Gedächtnis nach außen verlagert, über die Netzwerke sind wir<br />

mit Orten verbunden, die wir physisch nicht erreichen können, wodurch<br />

wir mit einem vielfältigen Realitätssinn in Berührung kommen,<br />

der unsere individuelle Wirklichkeit übersteigt. Es zeigt sich also<br />

deutlich, dass es schwierig ist, die Realität aus einer Zeit und aus<br />

Toshiharu Ito 28 29<br />

our perceptions, and to show how our sensory interfaces<br />

were in a state of flux with the times.<br />

Moving on to the late 1970s, Tadashi Kawamata<br />

began orchestrating many internationally acclaimed<br />

collaborative “building” projects, enveloping entire<br />

housing blocks, churches and hospitals in lumber<br />

scaffolding. More recently, he has turned his<br />

attention to marginalised people, and has become<br />

actively involved in issues of illness, discrimination<br />

and persecution via experimental art and self-education<br />

programmes. Taking a “works-in-progress”<br />

approach to raise issues inherent to Japanese time<br />

and memory, Kawamata views the entire production<br />

process as the work; his pieces do not easily conform<br />

to fixed genres or categories, but rather remain<br />

intentionally variable, open-ended and tentative, a<br />

position that probably relates to Japan’s traditional<br />

“karisome” (transience) – a poetic Buddhistic appreciation<br />

of life as but a “temporary shelter” (“kari no<br />

yado”). Moreover, his on-going involvement with<br />

local residents may be seen as a form of dialogue<br />

with place, his wood-planked sites an attempt to<br />

regain that sense of body-time long lost to the speedspace<br />

of “progress”. Kawamata insists that issues<br />

inherent in any one locale can and do offer up international<br />

viewpoints, and that such “inter-local”<br />

engagement may provide important perspectives<br />

on future relations between Japan and the world<br />

at large.<br />

On the other hand, Yutaka Sone, quite the opposite<br />

of Kawamata, invents places that do not even exist.<br />

Drawing upon his post-university travels in China,<br />

India and other parts of Asia, he began in the 1990s<br />

to create conceptual installations combining sculpture<br />

and video. His recent pieces are mostly “worksin-progress”,<br />

interweaving diverse sensations and<br />

memories in time and space to generate impossible<br />

nowheres. In 1998, for instance, Sone visited the<br />

jungles of Malaysia where, inspired by the unfathomable<br />

foreignness of the surroundings, he entered<br />

into an imaginative “collaboration” with flocks of<br />

bats. Collaging together disparate memories from<br />

far removed circumstances, estranging them<br />

so as to confront the viewer with new perceptual


Fig. 10 Yayoi Kusama<br />

Dots Obsession, 2000<br />

Installationsansicht,<br />

Studio Guenzani, Mailand<br />

Fig. 10 Yayoi Kusama<br />

Dots Obsession, 2000<br />

Installation view at<br />

Studio Guenzani, Milan<br />

einer Perspektive wahrzunehmen, während wir durch die Technik der<br />

Parallelschaltung von digitalen Bildern und Tönen in der Lage sind,<br />

neue, parallele Wirklichkeiten entstehen zu lassen.<br />

Masaki Fujihata beschäftigt sich seit den 1980er Jahren mit Animationen<br />

und Computergrafik und sucht seit den 1990er Jahren mithilfe<br />

seiner eigenen Deskriptionsmethode von Raum und Zeit nach<br />

den neuen Realitäten des digitalen Zeitalters. In seiner neueren<br />

Serie Fieldworks führt er Experimente mit öffentlicher Beteiligung<br />

durch, in denen er digitale Videotechnik mit dem Satellitennavigationssystem<br />

GPS verbindet, um über verschiedene Kommunikationsformen<br />

ein mehrdimensionales Realitätsgefühl entstehen zu lassen.<br />

So führte er ein Experiment durch, bei dem ihm der Shinji-See bei<br />

Matsue, der in Japan selbst als Inbegriff einer japanischen Landschaft<br />

gilt, als gigantische Leinwand diente, auf die er virtuelle Bilder<br />

produzierte. Zugleich versuchte er damit, über die Beziehungen der<br />

Region und der Menschen eine neue kollektive Erinnerung im Cyberspace<br />

zu schaffen.<br />

Auch Miwa Yanagi benutzt digitale Techniken, um in neue Dimensionen<br />

von Zeit und Gedächtnis vorzudringen. Mitte der 1990er Jahre,<br />

machte sie sich eine digitale Technik zu Eigen, die ihr vollkommene<br />

Kontrolle über ihre Bilder ermöglicht, und veröffentlichte die eigenwillige<br />

Serie Elevator Girls, 1995–1999. In einer späteren Serie, Fairy<br />

Tale, interpretiert sie Märchen wie Rotkäppchen oder Erendira auf<br />

ganz eigene Weise, indem sie die Rollen des jungen Mädchens und<br />

der alten Frau vertauscht, sodass ein merkwürdiger, grotesk-erotischer<br />

Effekt entsteht. Yanagi interessiert sich überhaupt ganz<br />

besonders für das Alter. In ihrem jüngsten Werk My Grandmothers,<br />

2000, bat sie junge Frauen, die als Model arbeiten, sich vorzustellen,<br />

wie sie in 50 Jahren aussehen würden, und stellte mithilfe von<br />

speziellen Schmink- und Bildbearbeitungstechniken deren ideales<br />

Altersbild her. Dabei zeigte sich eine unbekümmerte Vitalität, die<br />

den gängigen negativen Altersklischees diametral entgegengesetzt<br />

ist. Für ihre Videoarbeit Granddaughters aus dem Jahr 2004 interviewte<br />

Yanagi ältere Frauen aus verschiedenen Ländern und bat sie,<br />

sich an ihre Großmütter und an ihre Kindheit zu erinnern. Dann ließ<br />

sie die Erzählung in der jeweiligen Landessprache des Ausstellungsortes<br />

von jungen Mädchen synchronisieren. In Fairy Tale zeigt Yanagi<br />

eine Greisin und ein Mädchen, die gleichzeitig in einer Figur existieren,<br />

und demonstriert dabei ihre besondere Zeitlichkeit, in der sie<br />

ungehindert zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft hin<br />

und her pendelt.<br />

Wahrnehmung entsteht aus den wechselseitigen Einwirkungen von<br />

Mensch und Umwelt. Die japanische Wahrnehmung steht auch<br />

worlds, he creates tropical arctic climes, diverse<br />

historical periods existing side by side, mysterious<br />

topo-fictions that push time and place to the chaotic<br />

vanishing point of an accelerating Japan. Do these<br />

scenes depict some alternative nature antedating<br />

human existence, or a paradisiacal pure land after<br />

our demise? These puzzling vistas give us glimpses<br />

of an uncanny utopia.<br />

The 1980s and 1990s saw startling developments<br />

in the realm of information technologies, and the<br />

subsequent advances in media networking brought<br />

sweeping changes across the whole of Japanese<br />

society, as people’s attention turned away from<br />

physical things towards virtual reports via digital<br />

communication terminals. A near-delusionary media<br />

fixation permeated the close quarters of the island<br />

Japan. Information deluged us, entered our pores,<br />

rendered ambiguous all distinctions – self-other,<br />

internal-external, real-unreal – and scrambled our<br />

very time axes. Likewise, different ways and means<br />

by which events are recorded significantly altered<br />

our perceptions; our sense of reality changed as a<br />

co-function of shifts in the specific media supporting<br />

our living environment. Nor is it any longer the<br />

singular reality we are predisposed to believe from<br />

the physical limits of our flesh-and-blood body. For<br />

the more media technologies come to externalise<br />

memory and ever more interconnected networks<br />

span far beyond our physical self, the more difficult<br />

it becomes to apprehend reality in terms of any one<br />

time or viewpoint. Now simultaneous sound and<br />

image feeds inform new parallel realities in digital<br />

expression.<br />

Masaki Fujihata has worked in computer graphics<br />

and animation since the 1980s, then in the 1990s<br />

began searching for an artistic means to come to<br />

terms with the new realities of the digital age, eventually<br />

finding his own unique notational methods for<br />

describing time and space. In his recent Fieldworks<br />

series, he links up digital video to global positioning<br />

system (GPS) technologies to perform public participatory<br />

experiments in interpersonally multi-imaging<br />

the world around us. In one version, he uses the<br />

scenic Lake Shinji on the north coast of Japan as


Fig. 11 Tetsuya Nakamura<br />

Monaco Star, Installationsansicht<br />

von Monaco Rendez-vous, 2004<br />

Fig. 11 Tetsuya Nakamura<br />

Monaco Star, Installation view<br />

of Monaco Rendez-vous, 2004<br />

insofern mit den besonderen gesellschaftlichen und naturgegebenen<br />

Bedingungen dieses Landes in Beziehung, als sie unmittelbar fühlt,<br />

dass Mensch und Umwelt hier zu einem System verschmolzen sind.<br />

Das ist wohl der Grund dafür, dass die japanische Wahrnehmung<br />

dazu tendiert, die Welt als ein einziges Kontinuum oder Fluidum anzusehen.<br />

Die japanische Wahrnehmung zieht nicht wie die westliche<br />

eine Trennlinie zwischen Mensch und Welt und unterscheidet nicht<br />

klar zwischen einzelnen Objekten, sondern versucht die Welt intuitiv<br />

zu „verkörperlichen“. Das Ich existiert hier genau in der Mitte der<br />

Resonanzen von Umwelt und Körper. Es wird nicht, wie in der westlichen<br />

Wahrnehmung, als Mikrokosmos angesehen, in dem sich<br />

verschiedene Phänomene intensivieren, sondern als ein kommunizierendes<br />

Gefäß, das an die Welt angeschlossen ist. Deshalb ist auch<br />

die Trennung von Ich und Anderem undeutlich, deshalb werden<br />

Grenzen als Teil eines verschmolzenen Systems wahrgenommen.<br />

All das führt zu einer rätselhaften Struktur, in der Wirklichkeit und<br />

Vision wie in einem Scheckenmuster miteinander vermengt sind.<br />

Takashi Ito machte bereits in den späten 1970er Jahren durch<br />

Schwindel erregende Bilder und experimentelle Filme, die durch ihr<br />

Flackern unendliche Labyrinthe auf der Netzhaut des Betrachters<br />

entstehen lassen, auf sich aufmerksam. Auch seine Werke lassen<br />

die Charakteristika der japanischen Wahrnehmung deutlich erkennen.<br />

In Spacy, 1981, hat er 700 Fotografien von einem leeren Turnsaal<br />

zu Videosequenzen zusammengefügt. Darin erkennt man deutlich,<br />

dass man beim Sehen einer Aufnahme nicht den abgebildeten<br />

Gegenstand selbst erfasst, sondern sich der Aufnahme ausliefert.<br />

Sehen wird nicht vom Wahrnehmungsorgan Auge geleistet, sondern<br />

bedeutet, sich mit dem ganzen Körper mit den Aufnahmen mitzubewegen,<br />

wobei der Unterschied zwischen Subjekt und Objekt<br />

verschwindet und Unsichtbares als Oszillation wahrgenommen wird.<br />

Yayoi Kusama trat erstmals ins Rampenlicht, als sie 1957 nach<br />

Amerika ging und mit ihren net paintings begann. Seit ihrer Kindheit<br />

hatte sie unter Halluzinationen zu leiden, in denen sich ihr Gesichtsfeld<br />

mit Tropfenmustern bedeckte. Ausgehend von diesen Wahnvorstellungen<br />

hat sie ein umfangreiches Werk geschaffen, an dem die<br />

Erinnerungen an die japanische Nachkriegszeit zu kleben scheinen.<br />

Auf beunruhigend faszinierende Weise wiederholt sie ihre monotonen<br />

Punktmuster und dehnt sie in den dreidimensionalen Raum aus,<br />

etwa wenn sie in ihrer Serie Accumulation Sessel oder Boote mit<br />

phallusförmigen Kissen überzieht. Abgesehen von der sexuellen<br />

Gewalt vermitteln ihre Werke die Intensität der japanischen Wahrnehmung<br />

in einer extremen Situation. Unter Beibehaltung ihrer<br />

Subjektivität überwindet sie ihre Halluzinationen und sublimiert sie<br />

zu einem künstlerischen Ausdruck, indem sie ihre inneren Bilder<br />

Toshiharu Ito 30 31<br />

a gigantic “canvas” on which to draw virtual pictures,<br />

an interfacing of people and place to approximate<br />

a geography of collective memory in cyberspace.<br />

Miwa Yanagi also uses digital technologies to<br />

explore new dimensions of time and memory. From<br />

the late 1990s, she mastered digital techniques that<br />

enabled her total control to create imaginative<br />

photo-based scenes such as her acclaimed debut<br />

series Elevator Girls, 1995–1999. More recently, her<br />

Fairy Tale series brings very personal interpretations<br />

to bear upon such stories as Little Red Riding Hood<br />

and Erendira, the young girl and old woman characters<br />

changing places to create strangely grotesque<br />

and erotic dramatic effects. Yanagi takes<br />

particular interest in the subject of aging: in her<br />

previous series My Grandmothers, 2000 she had<br />

her young female models imagine themselves fifty<br />

years later, then used prosthetic makeup and computer-manipulated<br />

imaging to “age” them into the<br />

role, creating bright vivid images - the diametric<br />

opposite of prevailing views of older women. Likewise,<br />

for her video Granddaughters, 2004 Yanagi interviewed<br />

elderly women from many different countries,<br />

asking them to reminisce about their grandmothers<br />

and girlhood; these narratives were then dubbed in<br />

girls’ voices speaking the local language of each<br />

exhibition venue. While in the installation versions<br />

of Fairy Tale, both old women and young girls exist<br />

in the same past-present-future moment, a further<br />

expression of Yanagi’s special vision of time.<br />

Perception arises as mutual function of persons and<br />

environment. In Japan, specific social and natural<br />

conditions are particularly closely interrelated, so<br />

much so that the intuitive tendency has been to view<br />

the world of humanity and nature as one continuum<br />

or flux with no clear-cut dividing line or symmetries<br />

as in Western dualist perceptions. Therein, the self<br />

is not the concentrated microcosm of isolable<br />

phenomena as it is in the West, but rather exists as<br />

a reverberation between body and environment, a<br />

connective node of exchange with the world. Hence<br />

divisions between self and other are hazy, and<br />

demarcations are perceptually subsumed within<br />

a greater totality, a vision dappled with wondrous<br />

patterns.


nach außen kehrt. Dieser Gestus scheint mit der Zeit immer mehr<br />

an Symbolkraft zu gewinnen.<br />

Emiko Kasahara begab sich ebenfalls Anfang der 1990er Jahre nach<br />

New York, wo sie laufend Werke zum Thema Körper und Gender<br />

produziert. In ihrer Serie La Charme #3, 2004, bedient sie sich des<br />

Haares, das auch als Symbol der Weiblichkeit angesehen werden<br />

kann. Das Werk besteht aus runden, teppichartigen Skulpturen<br />

(Objekt), und Aktionen von Personen (Subjekt), die sich eine Zeit<br />

lang auf den Skulpturen aufhalten. Diese Aktionen werden per Video<br />

aufgezeichnet und sind auf Monitoren zu sehen, die vor den Skulpturen<br />

stehen. Es gibt sieben solcher Skulpturen, die aus künstlichem<br />

Haar hergestellt sind und jeweils die gleiche Form und Größe, aber<br />

unterschiedliche Farben haben. Auf den ersten Blick wirken sie<br />

metallisch hart, doch tatsächlich fühlen sie sich fein und weich an.<br />

Auf den Videos sind sieben Frauen zu sehen, die ihre Haare in der<br />

entsprechenden Farbe gefärbt haben und verschiedene Posen und<br />

Bewegungen ausführen. Diese Performance hantiert mit einer Zeit,<br />

in der Objekt und Subjekt symbiotisch verbunden sind: Neben der<br />

Koexistenz von Mensch als Subjekt und Skulptur als Objekt kommt<br />

es zu einer Objektivierung des Menschen und zu einer Subjektivierung<br />

der Skulptur. Das Hin- und Herschwanken zwischen Subjekt<br />

und Objekt ist zugleich ein Charakteristikum des Haars. Das Haar<br />

ist zwar ein Teil des Menschen, doch sobald es abgeschnitten wird,<br />

verwandelt es sich in etwas Dingliches. Die Haarskulptur, die sich<br />

jeglicher Definition entzieht, wandelt sich in verschiedene Bilder und<br />

beschwört unterschiedliche Erinnerungen und Energien herauf.<br />

In ihrer Auseinandersetzung mit der unbegreiflichen Qualität des<br />

Haares, das seine Grenzen abstreift und nicht durch Zeichen oder<br />

Mitteilungen zu bannen ist, richtet Kasahara ihren Blick auf die<br />

komplexen Emotionen und Perversionen, die auch in ihr selbst verborgen<br />

sind.<br />

In den späten 1980er Jahren begann Rieko Hidaka mit ihrer Bilderserie<br />

Looking Up The Trees, die präzise Bleistiftzeichnungen mit der<br />

Technik der „Nihonga“-Malerei verbindet. Der Blick aus dem Wald in<br />

den Himmel stellt dabei das durchgängige Motiv dar. Hidaka geht<br />

es dabei darum, das Gefühl der körperlichen Umschlossenheit herauszuarbeiten,<br />

das entsteht, wenn man im Wald nach oben blickt<br />

und das Licht des Himmels von Zweigen und Blättern abgehalten<br />

wird. Nicht der Wald ist Gegenstand der Abbildung, sondern die<br />

Wahrnehmung selbst. Nicht nur Stamm und Äste, jedes einzelne<br />

Blatt, das herabfallende Licht, ja sogar die Distanz zum Himmel,<br />

der zwischen den Blättern hindurchscheint, werden festgehalten.<br />

Zugleich betont sie die Besonderheit des Papiers und der Pigmente<br />

der „Nihonga“ -Malerei und wählt Leinwände von einer Größe, dass<br />

Since the late 1970s, Takashi Ito has created a<br />

body of experimental film and video whose flicker<br />

effects and dizzying imagery draw the viewer into<br />

retinal labyrinths. Of particular significance for our<br />

consideration of Japanese perception, his video<br />

work Spacy, 1981 animated from seven hundred<br />

photographs of a deserted gymnasium demonstrates<br />

that in looking at moving images we do not take<br />

in the photographic subject so much as we respond<br />

to the medium itself; seeing is not the doing of the<br />

sensory organ of the eye, but a whole body reaction<br />

in which distinctions between subject and object<br />

disappear and unseen realms become visible as<br />

vibrations.<br />

Yayoi Kusama moved to New York in 1957 and<br />

became famous for her net paintings obsessively<br />

covered in dots. From childhood, Kusama was<br />

traumatised by hallucinatory spots that swarmed<br />

across her field of vision, a memory of the postwar<br />

years in Japan that has underscored her lengthy<br />

productive career ever since. Painting disturbing<br />

repetitive dot patterns that overflow pictorial space,<br />

propagating soft phallic protrusions over chairs and<br />

other common objects as in her Accumulation<br />

series, she creates fetishes charged with violent<br />

sexual energies, suggesting the furthest extremes<br />

of Japanese perception. Wielding her subjectivity to<br />

vanquish her own demons, her inversion of illusion<br />

into external form has taken on ever more emblematic<br />

power over the years.<br />

Based in New York since the early 1990s, Emiko<br />

Kasahara examines the body and gender through<br />

her art. Her video-performance piece La Charme #3,<br />

2004 looks at hair, often hailed as symbol of femininity,<br />

via five identically round sculptures made<br />

of blond coloured artificial hair, whose near-metallic<br />

lustre belies their delicate softness. A video monitor<br />

placed out in front shows seven women with correspondingly<br />

tinted hair gesturing to the coiffure<br />

sculptures, the subject-object relations moving back<br />

and forth between them just like swaying hair. Both<br />

a trait of the person and something apart, hair<br />

defies description yet evokes emotions and memories,<br />

a powerfully charged signifier with its own


sie sich selbst damit einhüllen könnte. Was für Hidaka aber viel-<br />

leicht das Wichtigste ist, ist der „Raum des Himmels“ jenseits der<br />

Bäume. Der sich unendlich weitende Himmel hinter den Bäumen<br />

hat von ihrem Herzen Besitz ergriffen. Während sie Äste und Blätter<br />

zeichnet, erzählt sie stets von einer darüber hinausgehenden Dimension.<br />

Wenn man einen einzelnen Ast ins Auge fasst, so scheint<br />

er nahe zu kommen und sich wieder zu entfernen. Hidaka zeichnet<br />

nicht die tatsächliche Entfernung, sondern den „lebendigen Abstand“,<br />

der sich im eigenen Herzen einmal verringert, einmal vergrößert.<br />

Je genauer man hinsieht, umso mehr nimmt man wahr, wie der<br />

unermessliche „Raum des Himmels“ jenseits der Blätter in Erscheinung<br />

tritt. Dieser „Raum des Himmels“ unterhält auch irgendwo<br />

eine Verbindung zu den leeren „utaki“-Kultstätten von Taro Okamoto.<br />

Mit den Techniken der traditionellen japanischen Holzschnitzerei<br />

reproduziert Yoshihiro Suda präzise verschiedene Pflanzen, angefangen<br />

von Rosen oder Kamelien bis zu Unkraut, in Originalgröße<br />

und -farbe und installiert sie im Raum. Beim Ausstellen seiner<br />

geschnitzten Pflanzen bezieht er die Schwingungen des gesamten<br />

Raums mit ein und nimmt vor allem auf Licht und Schatten Rücksicht,<br />

sodass eine Zeit des besonderen Feingefühls entsteht. An<br />

einem bestimmten Ort erscheint eine Pflanze und ihre Zeit, die hier<br />

eigentlich nicht sein dürften. Man spürt eine Blume aus einer anderen<br />

Dimension in der Wirklichkeit erblühen.<br />

Tetsuya Nakamura trat in die Welt der modernen Kunst ein, nachdem<br />

er an der Universität das traditionelle Kunsthandwerk der Lackkunst<br />

erlernt hatte. Seine Werke Replica oder Speed King orientieren<br />

sich an der Ästhetik von Rennwagen oder Düsenflugzeugen. Es sind<br />

zahlreiche Objekte, die ihrer Fortbewegungsfunktionen beraubt sind<br />

und deren Oberflächen und taktile Eigenschaften an glänzenden<br />

Lack erinnern. Auch in seiner Serie Premium Unit, 2003, nimmt er<br />

Badewannen oder Waschbecken aus ihrem funktionalen Kontext,<br />

überzieht sie mittels raffinierter Techniken mit floralen Mustern und<br />

verwandelt sie dadurch in rätselhafte organische Wesen. Getrennt von<br />

Verwendungszweck und Funktion, zerrissen zwischen den Extremen<br />

Geschwindigkeit und Körper, können wir in Nakamuras Objekten<br />

eine wunderbare Deformation unserer alltäglichen Wahrnehmung<br />

erblicken.<br />

Auch die Werke von Motohiko Odani sind von einer dichten Intensität<br />

durchdrungen, als ob die sich in Höchstgeschwindigkeit verändernde<br />

körperliche Wahrnehmung in ihnen von einem Moment zum nächsten<br />

eingefroren worden wäre. Sein kürzlich entstandenes Werk Berenice,<br />

2003, ist ein weißes kugelförmiges Gebilde von zwei Metern Durchmesser,<br />

das die Trostlosigkeit einer vergessenen Kernwaffe ausstrahlt.<br />

Toshiharu Ito 32 33<br />

irreducible material qualities that Kasahara deftly<br />

uses to plumb the wellsprings of plurality, alienation<br />

and madness in ourselves.<br />

Rieko Hidaka creates monochrome images that wed<br />

precision pencil drawing to the “Nihonga” Japanese<br />

painting tradition. Her series Looking Up The Trees<br />

begun in the late 1980s is like an on-going walk<br />

through the woods gazing at the sky through the<br />

enfolding branches of the forest canopy, and evinces<br />

a consistent focus on the act of perceiving. Her<br />

consummate technique details not only tree trunks<br />

and branches, but individual leaves, the fall of light<br />

and distance to the sky beyond. With dutiful attention<br />

to the special qualities of Nihonga papers and<br />

pigments, she paints picture planes exactly sized to<br />

embrace us. Hidaka’s real focus seems to be the<br />

rapturous “space of the sky”, her rendering of twigs<br />

an ecstatic dialogue with another further dimension.<br />

If one stares at each branch silhouetted against<br />

negative space, it seems to come forward or recede,<br />

not toward any vanishing point, but by some inner<br />

“living perspective”. The longer one looks, the deeper<br />

one’s perception registers the “space of the sky” –<br />

a revelation not unlike Taro Okamoto’s experience<br />

of “utaki” emptiness.<br />

Yoshihiro Suda, a master in the Japanese woodcarving<br />

tradition, meticulously reproduces life-size<br />

garden flora – roses, camellias, even wildflowers –<br />

which he arranges with loving attention to light,<br />

shadow and colour to create spatial installations<br />

that fairly breathe with their own ineffable life outside<br />

time.<br />

Tetsuya Nakamura initially studied traditional Japanese<br />

lacquer-making in university before entering<br />

the world of contemporary art. In works like his<br />

Replica series, and Speed King, he extracts the vehicular<br />

essence of Formula One race cars and jet<br />

planes to sculpt multiples whose lustrous lacquerlike<br />

surfaces suggest speed itself. Similar technical<br />

refinements are showcased in his Premium Unit<br />

series, 2003, streamlined non-functional sinks, tubs<br />

and other bathroom fixtures deformed into wildly<br />

organic objects decorated with flowing peony


Doch der Kern der Bombe ist entfernt, ihr Inneres ist ausgehöhlt.<br />

Diese unheimliche Hohlheit scheint den Zustand des heutigen Japan<br />

widerzuspiegeln. Auch Skeleton, 2003, ist ein Werk, das Geschwindigkeit<br />

und Sinnlichkeit thematisiert. Die Jahre lasten auf dem Körper,<br />

unter dem Druck der Schwerkraft löst sich das Fleisch und die<br />

Knochen werden sichtbar. Die Zeit nimmt flüssige Gestalt an und<br />

tropft wie ein Wasserfall von der Skulptur herab. Odanis Werke, die<br />

die scharfkantigen Formen des prall mit Sinnlichkeit und Geschwindigkeit<br />

gefüllten Japan des 21. Jahrhunderts ausdrücken, saugen<br />

einerseits die Erinnerungen der japanischen Subkultur und der Medien<br />

in sich auf und scheinen andererseits vertikal von der Grenzlinie<br />

zwischen Leben und Tod emporzuragen. Sie zeigen überwältigende<br />

Kräfte, die in unserer Welt nicht sichtbar sind und den Betrachter<br />

verführen.<br />

Die bekannte Filmemacherin und Schriftstellerin Trinh T. Minh-ha<br />

wurde in Vietnam geboren, bereiste Europa und Afrika und lebt derzeit<br />

in Amerika. 2002 vollendete sie während eines längeren Japanaufenthaltes<br />

ihren ersten digitalen Videofilm The Fourth Dimension,<br />

in dem sie die fortgeschrittensten Filmbearbeitungstechniken<br />

anwendet. Sie interessiert sich hier für den japanischen Alltag außerhalb<br />

der üblichen Japan-Klischees und untersucht die zeitliche<br />

Wahrnehmung, an Erinnerungen gebundene Gesten oder zur Gewohnheit<br />

gewordene Rituale, die den Japanern selbst kaum bewusst sind.<br />

Sie bringt dabei Dinge ans Licht, die im Zuge der rasanten Modernisierung<br />

Japans außer Acht gelassen wurden. In Japan, das noch<br />

stärker von Geschwindigkeit besessen ist als die westlichen Gesellschaften,<br />

gibt es dennoch eine davon unberührte, tief eingeprägte<br />

Form der Körperlichkeit. Obwohl dieses Land die Errungenschaften<br />

der westlichen Zivilisation aufsog, effektiv umsetzte und sich schließlich<br />

der Aufgabe verschrieb, das Original noch zu übertreffen, gibt<br />

es eine Art Bodenständigkeit, die es von Grund auf durchsetzt. Wenn<br />

das zum Problem wird, so rührt dies laut Trinh T. Minh-ha daher,<br />

dass man es immer nur innerhalb des Rahmens der geschwindigkeitstrunkenen<br />

Gesellschaft betrachtet. In The Fourth Dimension<br />

analysiert sie Zeit, Riten, Sprache, Mobilität und Wahrnehmung des<br />

21. Jahrhunderts aus dieser Sicht. In Japan durchdringt die digitale<br />

Technologie den Alltag überall, die Gesellschaft wird von Effizienz<br />

und Zweckmäßigkeit angetrieben, die Technologie wiegt die Menschen<br />

in flüchtigen Illusionen, doch den Japanern selbst gelingt es kaum,<br />

auf dieser Welle zu reiten. Sie werden zwischen den Extremen zerrissen.<br />

Es entsteht ein merkwürdiges Schwindelgefühl, als würde<br />

man in einem Hochgeschwindigkeitszug fahren und dabei den Körper<br />

zurücklassen. Durch ihren Blick von außen gelingt es Trinh, den<br />

aktuellen Stand der japanischen Wahrnehmung auf ganz spezielle<br />

Weise herauszuarbeiten. Wahrscheinlich teilen auch alle japanischen<br />

patterns, as if to suggest that our tame everyday<br />

lives are accelerating beautifully out of control.<br />

Motohiko Odani, on the other hand, presents us<br />

with physicality frozen in extremely dense moments<br />

of accelerated “modification”. In his recent Berenice,<br />

2003, a two-metre white sphere-device trails masses<br />

of cables like an abandoned nuclear weapon ready<br />

to detonate, its grim, foreboding presence belying<br />

the empty “nucleus” inside – a symbol of the hollowness<br />

of contemporary Japan? Or again, in Skeleton,<br />

2003, Odani satirises the supercharged speedy<br />

sensuality of twenty-first century Japan in the form<br />

of a towering “biological clock” that sags and drips<br />

with the gravity of ageing, even as the sharpness<br />

of sculptural elements seems to stand right at the<br />

boundary of life and death steeped in memories of<br />

Japanese subculture and media.<br />

Renowned Vietnamese-born writer-filmmaker Trinh<br />

T. Minh-ha who has worked in Europe and Africa,<br />

and currently lives in the United States, finished<br />

her first digital video feature The Fourth Dimension<br />

using high-end postproduction facilities during an<br />

extended residency in Japan in 2002. In this work,<br />

Trinh probes deep into Japanese daily life from<br />

perspectives far removed from any stereotypical<br />

view of Japan, examining unconscious gestures,<br />

memory-laden practices and rituals deeply ingrained<br />

among the Japanese, so as to reveal underlying<br />

attitudes toward time and retrieve elements long<br />

overlooked in Japan’s rush toward modernisation.<br />

For perhaps more than the fast-paced modern<br />

Western society, Japan remains largely unaware<br />

of how its flirtation with even faster speeds has<br />

become a national obsession and, Trinh observes,<br />

has left indelible marks on the Japanese people<br />

themselves. In The Fourth Dimension, Trinh shows<br />

us a society pursuing digitisation, efficiency and<br />

convenience in every aspect of life, chasing after<br />

hyper-real dreams scarcely glimpsed between one<br />

technological advancement and the next, ripping<br />

apart in the physical act of trying to outstrip the very<br />

thresholds of time. These physically stressful aspects<br />

of Japanese perception today may be especially<br />

pronounced to her outside eye – though this vision


Künstler, die wir bisher erwähnt haben, diese Wahrnehmung. In<br />

The Fourth Dimension beschreibt Trinh T. Minh-ha die vierte Dimension<br />

als ein Licht, das psychische Auswirkungen hat. Man kann sie<br />

im Alltag nicht erkennen, sie ist wie die Zeit im Film. Sie verläuft<br />

weder linear, noch gehorcht sie einer Bewegung, noch kehrt sie<br />

zyklisch wieder. Sie ist weder objektivierbar noch akzidentiell noch<br />

real. Sie ist Zeit an sich. Durch die Wahrnehmung dieser zeitlichen<br />

Dimension kommt es zu einer neuen Subjektivierung. Es ist diese<br />

zeitliche Dimension, mit der sich die japanische Gegenwartskunst<br />

auseinander setzt. Wenn der Film die Erfahrung von Zeit und Licht<br />

ist, so führt uns die Ausbreitung der digitalen Technik in den Bereich<br />

einer „intensivierten Zeit“. In gewissem Sinn hat sich die japanische<br />

Gegenwartskunst viel früher als die Kunst anderer Länder auf diesen<br />

Zustand eingelassen. Diese veränderte Zeitwahrnehmung kann als<br />

Charakteristikum des japanischen Übergangs von der Moderne zur<br />

Postmoderne angesehen werden.<br />

Die dynamische Entwicklung der japanischen Kunst vom 20. zum<br />

21. Jahrhundert bringt die Besonderheiten von Wahrnehmung, Zeit<br />

und Gedächtnis in Japan zum Vorschein. Im letzten halben Jahrhundert<br />

war in der japanischen Kunst eine Art Schwerkraft wirksam,<br />

mit der sich die Künstler konfrontierten und die ihren Schatten auf<br />

sämtliche Ausdrucksmittel und -formen warf.<br />

Im Zuge einer rasanten Modernisierung und Technisierung hat die<br />

japanische Kunst, hin- und hergerissen zwischen den Extremen<br />

Geschwindigkeit und Körper, einen komplizierten Weg beschrieben,<br />

der jedoch die wesentlichen Fragen nach Mensch und Umwelt<br />

beinhaltet. Trotz aller Extreme und Windungen sind es diese besonderen<br />

Umstände der japanischen Kunst, mit denen sich im Zeichen<br />

der Globalisierung nunmehr auch die Welt als Ganzes konfrontiert<br />

sieht. Es ist das Ziel dieser Ausstellung, diese wesentlichen Fragen<br />

aus den Entwicklungen der japanischen Kunst zu extrahieren und<br />

zugleich eine darüber hinausgehende neue künstlerische Kraft und<br />

einen Anhaltspunkt für die Suche nach einer zeitgemäßen, neuen<br />

Dimension zu entdecken. Dabei sollen nicht nur die westlichen<br />

Wertmaßstäbe der Kunst hinterfragt und die Bedeutung der Kunst<br />

im 21. Jahrhundert neu überdacht werden, es sollen auch neue Möglichkeiten<br />

für die japanische Kunst aufgezeigt werden, die aus den<br />

dramatischen Änderungen der Medienwelt und den komplexen<br />

Strukturen ihrer in den Alltag vordringenden Technologien entstehen.<br />

Toshiharu Ito 34 35<br />

is to some extent surely shared by the Japanese<br />

artists who have grown up in this society.<br />

Trinh says the “fourth dimension” here refers to the<br />

mental affects of light: unregarded in itself in everyday<br />

reality, light constitutes a dimension akin to<br />

time in the realm of film, albeit neither linear nor<br />

cyclically recursive nor again subordinated to motion.<br />

Non-objectifiable, not event and not existence, it is<br />

time itself; to perceive this time dimension is to<br />

engender a new subjectivity. Contemporary art in<br />

Japan comes face to face with this dimension. Film<br />

is the experience of time and light, now pushed into<br />

the realm of “intensified time” via advanced digital<br />

technologies. In this regard, Japanese art began<br />

struggling to come to terms with these conditions,<br />

perhaps sooner than any other country; thus the<br />

perception of such time has been more readily<br />

apparent in the currents of Japanese modernity<br />

to postmodernism.<br />

These last fifty years Japanese art has laboured<br />

under a special kind of gravitation, a force that<br />

constantly confronts artists and informs the structure,<br />

qualities and formats of their expression.<br />

The dynamic developments seen in Japanese art<br />

in the late twentieth to twenty-first century all bear<br />

uniquely upon questions of perception, time and<br />

memory.<br />

Torn between body and speed amidst unprecedented<br />

rapid modernisation and industrialisation, Japanese<br />

art has probed complex pathways into issues<br />

of our humanity and environment. And now that<br />

these once-special circumstances appear ever more<br />

global in scope, it is time to extract the essential<br />

problematics of this history and find clues toward a<br />

new power of expression, new dimensions in crea-<br />

tivity. This, then, is the aim of our exhibition: we must<br />

reassess the values of Western art and reconsider<br />

its meaning for the twenty-first century, so as to<br />

point the way to new possibilities in Japanese art<br />

at the juncture of dramatic changes in media and<br />

communications and the personalisation of technology<br />

in daily life.


Makoto Sei Watanabe<br />

Ein Band, das „Wissen“ und „Spüren“ verbindet<br />

A Ribbon that Joins “Knowing” and “Sensing”


Bedingung: Design als Lösung<br />

Ausstellungsgestaltung und Architekturdesign streben gleichermaßen<br />

nach der Erfüllung der ihnen auferlegten Bedingungen.<br />

Dies kann auf mehr als eine Art geschehen. Eine Möglichkeit,<br />

Design zu beurteilen, besteht darin, die angewandten Methoden<br />

der Problemlösung zu betrachten. Wenn die Aufgabe beispielsweise<br />

darin besteht, etwas aus einem kleinen Raum zu machen,<br />

dann ist die Vergrößerung des Raumes die naheliegendste<br />

Lösung. Eine andere Möglichkeit aber ist es, den Raum noch<br />

mehr zu verkleinern und ihn derart aufzuteilen, dass er nur<br />

anmutige Bewegungen erlaubt. Dies ist die den Häusern oder<br />

Räumen der traditionellen Teezeremonie – „chashitsu“ – zugrunde<br />

liegende Idee. Diese „Umkehr“-Lösung ist in der Tat die elegantere.<br />

Es gibt also mehr als nur eine Möglichkeit, den kleinen<br />

Raum zu vergrößern. Der Umkehransatz, einen kleinen Raum<br />

noch zusätzlich zu verkleinern, ist ein Paradoxon – es ist weniger<br />

Raum vorhanden, aber er ist angenehm (dieses Umkehrverfahren<br />

kann allerdings nicht auf alle Problemstellungen<br />

angewandt werden).<br />

So findet ein Sprung im Denkprozess statt, und das Lernen aus<br />

diesem Prozess bringt das Vermögen hervor, das die Designer<br />

bei der Lösung anderer herausfordernder Probleme inspiriert.<br />

Das ist nur ein Beispiel, aber es ist unbestritten, dass herausragendes<br />

Design das Resultat ungewöhnlicher Lösungsansätze<br />

ist. (Ob diese Lösungen dann im Einzelnen aufregend sind,<br />

unterliegt anderen Beurteilungskriterien.)<br />

Was waren nun die Bedingungen bei der Gestaltung dieser<br />

Ausstellung? Während meiner Studienzeit waren Peter Cook –<br />

einer der Designer des Kunsthaus Graz – und die Mitglieder<br />

von Archigram die angesagtesten Architekten ihrer Zeit. Damals<br />

glaubte ich noch, es sei die Aufgabe eines Architekten, tatsächliche<br />

Gebäude zu entwerfen. Die Mitglieder von Archigram<br />

hingegen waren weltweit die ersten „Medienarchitekten“, die<br />

zeigten, dass es nicht unbedingt nötig ist, etwas materiell<br />

Vorhandenes zu schaffen, und die betonten, dass es wichtiger<br />

war, die Welt zu „bewegen“ als sie zu bauen. Seither sind über<br />

30 Jahre vergangen und ich möchte Peter von ganzem Herzen<br />

zur Fertigstellung seines allerersten Bauwerkes gratulieren.<br />

Als Architekt sehe ich mich normalerweise den verschiedensten<br />

Gestaltungsansprüchen meiner Auftraggeber gegenüber.<br />

Egal wie bekannt ein Architekt ist, es ist ganz natürlich, dass<br />

der Auftraggeber bei der tatsächlichen Nutzung eine gewisse<br />

Enttäuschung erlebt. Einer der Gründe dafür ist die Tatsache,<br />

Condition: Design as a Solution<br />

Makoto Sei Watanabe 36 37<br />

The goal of providing a solution for a given set of conditions<br />

applies equally to exhibition design and architectural<br />

design. There is more than one way of doing this. One<br />

aspect of evaluating a design is to determine the method<br />

selected and how the given conditions have been addressed.<br />

For example, if there was a need to “do something<br />

with the small space”, then anybody could come up<br />

with the solution “make the space larger”. Another possible<br />

solution is , since the space is small, to make the actual<br />

space even smaller and instead design the space in a way<br />

that enables the movements of the people in that space<br />

to appear beautiful. This space refers specifically to the<br />

“chashitsu” or tea ceremony room or house. It is this<br />

reverse solution that is, in fact, the more elegant solution.<br />

There is more than just the one solution – “small space<br />

> larger space”. The reverse solution of “small space ><br />

an even smaller space” is a paradoxical solution – there<br />

is less space and yet it is comfortable (although this is<br />

not a technique that can necessarily always be applied).<br />

This represents a leap in the thought process and it is<br />

learning from this that generates the power to inspire<br />

designers to come up with solutions to other issues or<br />

challenges as well. This is only one example, but arguably,<br />

outstanding design is the result of coming up with<br />

solutions in the most unexpected of ways. (Whether that<br />

solution makes your heart flutter is another standard<br />

of evaluation.)<br />

So what were the conditions that were posed in the<br />

design of this exhibition? When I was a student, Peter<br />

Cook — one of the designers of the Kunsthaus — and<br />

the members of Archigram were considered the coolest<br />

architects. Back in those days when I believed that an<br />

architect’s role was to design an actual building, these<br />

individuals were the very first “media architects” in the<br />

world who proved that it was not necessary to create<br />

something real and who emphasized that it was more<br />

important to be able to “move” the world than simply to<br />

build. This was over thirty years ago, and I would like to<br />

congratulate Peter from the bottom of my heart on the<br />

completion of his very first work.<br />

As I am an architect, I usually find myself being given<br />

various directions by my clients when it comes to design.


dass diejenigen, mit denen die ursprünglichen Diskussionen<br />

über die Gestaltungsideen geführt wurden, häufig nicht die-<br />

selben Personen oder Organisationen sind, die das Bauwerk<br />

nach seiner Fertigstellung tatsächlich nutzen. Wenn man den<br />

Mitarbeitern des Unternehmens sagt, sie sollen die Einrichtung<br />

einfach nur benutzen und sie aber keinerlei Vorstellung von<br />

den Ansprüchen haben, die während der Entwurfsphase an das<br />

Gebäude gestellt wurden, oder von der Art des Prozesses, der<br />

dem Endresultat zugrunde liegt, dann ist es nur natürlich, dass<br />

das Personal vielerlei Aspekte des Ergebnisses in Frage stellt.<br />

Sogar wenn der Architekt sich bemüht, die Anforderungen des<br />

Auftraggebers schon während der Entwurfsphase zu erfüllen,<br />

werden die Personen, die dann das Endprodukt nutzen, enttäuscht<br />

sein. Dies ist in einem gewissen Sinn das Schicksal des<br />

Architekten. (Es gibt aber auch geglückte Beispiele dafür, dass<br />

dies nicht immer der Fall sein muss. Dann nämlich, wenn der<br />

Auftraggeber das gestalterische Ziel erfasst und es versteht, dies<br />

dem künftigen Personal so zu übermitteln, dass das Gebäude<br />

auch weiterhin liebevoll in Ehren gehalten wird. Die Liebe<br />

überwindet praktisch alle Probleme. Für mich ist das Aoyama<br />

Technical College so ein Beispiel. Obwohl es bereits 1990 fertig<br />

gestellt wurde, sieht es immer noch frisch und neu aus dank<br />

der Liebe, die dieser Architektur von seinen Besitzern entgegengebracht<br />

wird.)<br />

In diesem Essay versetze ich mich in die ungewöhnliche Rolle<br />

des „Benutzers“ oder des Auftraggebers. Manchmal ist es gar<br />

keine so schlechte Idee, die Rollen zu tauschen.<br />

Und wie sieht es nun mit dem Kunsthaus aus, wenn man es<br />

vom Standpunkt des Nutzers aus untersucht? Zuerst möchte<br />

ich der Stadt Graz meinen Respekt für diese mutige Wahl –<br />

der ein Wettbewerb vorausging – aussprechen. Das Resultat<br />

ist als „Friendly Alien“ aus dem Weltall beschrieben worden,<br />

das in einer schönen Stadt gelandet ist. Obwohl die Architektur<br />

ein Fremdkörper in dieser Umgebung ist – mit der Gestalt und<br />

Textur des weichen Körpers eines Wesens, das zwischen den<br />

schroffen Spitzen der anderen Bauten durchfließt und sich ausbreitet<br />

–, steht sie nicht im Gegensatz zur Umgebung, sondern<br />

integriert sich völlig (obwohl dem einige zweifellos widersprechen<br />

würden). Der klare Verzicht auf Kompromisse wirkt wie eine<br />

frische Brise. Die Erhaltung der Altstädte ist ohne Zweifel eine<br />

wichtige Aufgabe, aber die Bedeutung dieses Werkes liegt<br />

darin uns zu zeigen, dass es nie nur eine Möglichkeit bei der<br />

Bewahrung des Alten gibt.<br />

Regardless of how well known the architect is, it is only<br />

normal for the client to discover certain problems when<br />

the work eventually goes into use. One of the reasons<br />

for this is that the person with whom the initial designrelated<br />

discussions were held is often not the same as the<br />

person/s or organization that will be actually using the<br />

building after its completion. If the organization is simply<br />

told to use the facility when it has no idea what kind of<br />

demands and requests were made during the design<br />

process or of the nature of the process that resulted in<br />

the building they are using, then it is only natural that the<br />

people in the organization would question many aspects<br />

of the final result. Even if the architect endeavors to satisfy<br />

the demands of the client during the design stage, the<br />

persons using the end-product are dissatisfied. This is,<br />

in one sense, the fate of the architect. (However, there<br />

are happy instances when this is not always the case.<br />

This is when the client understands the aim of the<br />

design and the facts are conveyed to the successive<br />

maintainers and custodians so that the work continues<br />

to be cherished. “Love” always conquers any problems.<br />

For me personally, Aoyama Technical College is one<br />

such example. Completed in 1990, it always looks fresh<br />

and newly completed thanks to the “love” shown for the<br />

architecture by its owners.)<br />

In this essay, I shall place myself in the unusual position<br />

of “the user” or the client. It is not a bad thing to switch<br />

one’s role from time to time.<br />

And what is the Kunsthaus like when examined from the<br />

point of view of the user?I would first like to express my<br />

respect to the city of Graz for making the courageous<br />

decision of choosing – through a competition – this design.<br />

The resultant work has been described as a friendly<br />

alien from outer space that has landed in a beautiful<br />

ancient city. Although the architecture is completely foreign<br />

to the surrounding streetscape, its form and texture<br />

is like that of a soft-bodied creature that flows between<br />

and spreads out from the rugged peaked buildings and<br />

yet it is not in conflict with its surroundings and if anything,<br />

is quite integrated (although some would no doubt<br />

disagree). The clear lack of compromise is like a breath of<br />

fresh air. Obviously, the preservation of the streetscapes<br />

of ancient cities is important, but the significance of this<br />

work lies in the fact that it proves there is never only one<br />

way of preserving the old.


Ribbon, 2005<br />

Ausstellungsarchitektur<br />

Chikaku, Rendering<br />

Ribbon, 2005<br />

Architecture of exhibition<br />

Chikaku, Rendering<br />

Makoto Sei Watanabe 38 39


Die Hauptausstellungsräume sind auf zwei Ebenen verteilt.<br />

Die obere hat eine hohe, hervorstehende Decke, die mit der<br />

Außenform des Daches übereinstimmt, während die Decke der<br />

unteren Ebene flach ist. In der Decke der oberen Ausstellungsebene<br />

sind Oberlichter und ringförmige Lampen verteilt, die<br />

die Aufmerksamkeit der Besucher anziehen, auch wenn die<br />

Lichter aus sind. Es gibt eine bewegliche Rampe (eine weitere<br />

kühne Wahl), die den Ausstellungsraum in der Mitte durchläuft.<br />

Die Hängung und Positionierung der Arbeiten erfordert so<br />

bestimmte Überlegungen, damit der Zusammenhalt des Ausstellungsraumes<br />

als Einheit erhalten bleibt. Anstelle der glatten<br />

Acryl-Oberfläche der Außenhülle wurde für die Innenräume<br />

graue Farbe verwendet, was die Oberlichtsituation und die<br />

Lampenanordnung an der Decke noch betont.<br />

Eine Möglichkeit, mit dem Innenraum umzugehen, wäre die<br />

Auskleidung mit Trennwänden, aber damit würde man den<br />

Möglichkeiten des Innenraums und der Form des Gebäudes<br />

nicht genügend Rechnung tragen. Es ist keine einfache Aufgabe,<br />

die Merkmale eines Gebäudes optimal zu nutzen und gleichzeitig<br />

einen Weg zu finden, alle Arten von Problemstellungen<br />

und Herausforderungen anzugehen.<br />

Ich wurde von Toshiharu Ito, dem Chefkurator dieser Ausstellung,<br />

von Peter Pakesch, dem Direktor des Kunsthaus Graz,<br />

und von Adam Budak, Kurator am Kunsthaus, gebeten, eine<br />

neue Ausstellungsgestaltung zu entwickeln, die das Wesen<br />

der Architektur hervorhebt<br />

Etwas, das geschlossen scheint und doch offen ist:<br />

ein Band, das sich im Wind bewegt/aufgesprungene DNA<br />

Eine weitere Vorbedingung ergibt sich aus den Exponaten selbst.<br />

In dieser Ausstellung sollen Fotografie, Kunst und Medien gleich<br />

behandelt werden. Die Nachbearbeitung digitaler Fotografien<br />

ist ein der Malerei verwandter Prozess, während die Fotografie<br />

häufig in der Kunst eingesetzt wird. Heute sind die Grenzen<br />

zwischen Medienkunst und „einfach nur Kunst“, die ohne Vorsilben<br />

auskommt, unscharf geworden.<br />

Dennoch wird der Fotograf, wenn er nach seiner Tätigkeit gefragt<br />

wird, antworten, dass er fotografiere, während der Künstler<br />

sagen wird, er mache Kunst. Sie scheinen gleich und sind es<br />

doch nicht. Welche Art der Ordnung und der Anordnung wäre<br />

dieser Ausstellung, in der die verschiedenen Medien gleich<br />

behandelt werden, angemessen?<br />

The main exhibition rooms are on two levels. The upper<br />

level has a high, protruding ceiling that conforms with the<br />

external roofline, while the lower level is flat. The ceiling<br />

of the upper level is dotted with skylights and large multiringed<br />

light fittings that draw the attention of visitors<br />

even when the lights are out. There is a moving ramp<br />

(another bold choice) that runs through the middle of the<br />

exhibition room and the positioning of the works would<br />

require some consideration in order to achieve a sense<br />

of cohesiveness of the exhibition space as a whole. Rather<br />

than the smooth acrylic material used on the exterior,<br />

grey paint has been used in the internal space, which<br />

further enhances the skylights and the large light fittings<br />

on the ceiling.<br />

One way of addressing these issues would be to wrap<br />

the interior with screens, but this would not be making<br />

the most of the building’s internal space and form. To<br />

make the most of the features of a building and at the<br />

same time to find a way to address any issues or challenges<br />

is not an easy task.<br />

I was asked by Toshiharu Ito, the supervising curator<br />

of this exhibition, as well as by Peter Pakesch, Kunsthaus<br />

Graz director and Adam Budak, the Kunsthaus’ curator<br />

of this exhibition, to come up with a new exhibition design<br />

that would enhance the features of this architecture.<br />

Something that appears closed and is yet open:<br />

a ribbon flowing in the wind/sprung-open DNA<br />

Another condition is posed by the exhibits themselves.<br />

One of the aims of this exhibition is for photography,<br />

art and media to be handled in the same way. Postprocessing<br />

of digitized photographs is in fact quite similar<br />

to painting while photography is commonly used in art,<br />

and today, the boundaries between media art and “just<br />

art”, without a prefix, are no longer clear.<br />

However, when asking what they do, a photographer<br />

will answer “photographer” while an artist answers “artist”.<br />

They seem the same and yet they are not. Therefore,<br />

what type of ordering and layout would be appropriate<br />

for this exhibition in which the various media are all<br />

treated as one?


Ich unterteilte daher die Arbeiten entsprechend ihres „Formats“.<br />

Das führte dazu, dass die Objekte oder dreidimensionalen<br />

Arbeiten im großen Raum der oberen Ebene platziert wurden<br />

und die zweidimensionalen Werke mit flacher Oberfläche im<br />

unteren Bereich mit seiner niedrigen Decke. „Dreidimensionale<br />

Arbeiten mit ausgestalteter Außenform“ wurden als „Objekte“<br />

betrachtet, während zweidimensionale Arbeiten mit ebener<br />

Oberfläche als „flach“ galten. In der Folge werden bewegte<br />

Bilder, Fotografien und Gemälde in der unteren Etage ausgestellt,<br />

da sie alle dasselbe Format haben, also flach sind.<br />

Zwar hat die Einteilung von Kunst nach ihrer Form keine besondere<br />

Relevanz, aber andererseits gibt es auch keinen definitiven<br />

Standard für die Kategorisierung von Kunst. In diesem Fall<br />

wurde das „Format“ – die Hardware der Arbeit – als Kriterium<br />

gewählt, um dem „Format“ der Hardware des Ausstellungsraums<br />

gerecht zu werden. Dieses Konzept der Unterteilung war<br />

die gemeinsame Entscheidung von acht Leuten – Toshiharu Ito,<br />

Peter Pakesch, mir, Miki Okabe, Adam Budak, Christine<br />

Frisinghelli, Seiichi Furuya und Niels Jonkhans.<br />

Häufig werden Wände zur Unterteilung eines Ausstellungsraums<br />

benutzt, meist um eine gegenseitige Beeinflussung der<br />

Künstler zu vermeiden. Das bezieht sich logischerweise nicht<br />

auf Einzelausstellungen, sondern auf Gruppenausstellungen, in<br />

denen die Arbeiten mehrerer Künstler zu sehen sind. Aber wenn<br />

man einen Ausstellungsraum dieser Größe in kleinere Räume<br />

unterteilte, würde man den Charakter der räumlichen Ausdehnung,<br />

ein Hauptmerkmal des Kunsthaus Graz, verlieren. (Auch<br />

hier war es meine Absicht, die Intentionen des „Designers“ zu<br />

respektieren.)<br />

Würde man die Arbeiten ohne Konzept in einem einzigen Raum<br />

ausstellen, bestünde die Gefahr, den Eindruck von Regalen in<br />

einem Supermarkt zu erwecken (obwohl auch das interessant<br />

sein könnte). Daher entschloss ich mich für eine Lösung, die<br />

weder aus einem geschlossenen Raum noch einem völlig<br />

offenen bestand noch in einer Auswahl von beiden bestehen<br />

würde.<br />

Und so verbanden sich die „Bedingungen des Raumes“ mit den<br />

„Bedingungen der Arbeiten“. Die Lösung für die obere Etage, die<br />

eine Integration all dieser Elemente darstellt, war die Schaffung<br />

eines Raumes, der aus einer einzigen fortlaufenden Trennwand<br />

besteht. An einigen Stellen erhebt sich diese Leinwand vom<br />

Boden, um das „Territorium“ eines Künstlers zu bezeichnen,<br />

Makoto Sei Watanabe 40 41<br />

I therefore categorized the work based on the “format”<br />

of each work. The result was to place the “objects” or<br />

three-dimensional works on the upper level with its larger<br />

space and the two-dimensional works on the lower level<br />

with its flat ceiling. “Objects” were defined as “threedimensional,<br />

externally shaped works”, while “flat” works<br />

were defined as “two-dimensional, flat screened” works.<br />

As a result, moving images, photographs and paintings<br />

are all exhibited on the lower level as they all have the<br />

same format, that is, they are all flat.<br />

Although there is no particular significance in categorizing<br />

art by its form, neither is there any definitive standard<br />

for categorizing art. In this case, the “format” – the hardware<br />

of the work – was chosen in order to fit into the<br />

hardware “format” of the exhibition space. This concept<br />

of dividing the upper and the lower levels developed as<br />

a result of group consensus between the eight members<br />

of the planning team — Toshiharu Ito, Peter Pakesch,<br />

myself, Miki Okabe, Adam Budak, Christine Frisinghelli,<br />

Seiichi Furuya and Niels Jonkhans.<br />

Walls are often used to divide an exhibition space, partly<br />

to avoid interference amongst artists. This applies obviously<br />

not to solo exhibitions but to exhibitions like this<br />

one in which the works of many artists are on exhibit.<br />

However, if rooms are created from an exhibition area<br />

of this size, the manner in which the building expands<br />

– a feature of the Kunsthaus Graz – would be lost. (Here,<br />

too, I wanted to respect the intention of the “designer”.)<br />

And yet, if the works were simply exhibited indiscriminately<br />

within a single space, there would be the danger<br />

that it would end up looking like display shelves in a<br />

supermarket (although this could also be interesting).<br />

For this exhibition, therefore, I tried to come up with an<br />

exhibition space that was not closed nor totally open nor<br />

a choice between the two.<br />

This is how the “conditions of the space” and “the conditions<br />

of the works” came together. The solution for the<br />

upper level, which represents an integration of all of<br />

these, was the creation of a space that featured a single,<br />

continuous screen. In some places this screen rises up<br />

from the floor to indicate the artist’s “territory” while in<br />

other places it lifts up into the air to form a canopy that<br />

floats to indicate circulation routes.


Ribbon, 2005<br />

Ausstellungsarchitektur<br />

Chikaku, Rendering<br />

Ribbon, 2005<br />

Architecture of exhibition<br />

Chikaku, Rendering


während sie sich an anderen Stellen in die Höhe erhebt, um ein<br />

Dach zu bilden, das mit einer fließenden Bewegung die Wege<br />

durch die Ausstellung weist.<br />

Diese fließende Bewegung verstärkt den Charakter des Innenraumes.<br />

Sie hat eine Stärke, die die Präsenz des Oberlichts<br />

und der Lampen dämpft, und gleichzeitig ist sie zurückhaltend,<br />

um die Arbeiten nicht zu stören. Meine Lösung besteht aus<br />

einem umfassenden Raumkonzept mit dieser changierenden<br />

bandartigen Leinwand. Damit wurde der Architektur gleichzeitig<br />

eine andere Struktur eingebaut.<br />

Es besteht eine Verbindung zwischen diesem „flüssigen Raum,<br />

der eine Reihe von gewundenen Formen enthält“ und Web<br />

Frame, 2000, in der Station „lidabashi“ an der Oedo U-Bahn-Linie<br />

linie in Tokio. In Web Frame wandert eine Sekundärstruktur,<br />

die aus einem Netz von Stahlröhren besteht, durch den Untergrund<br />

und umfasst den Raum. Für diese Arbeit wurde ein<br />

Computerprogramm entwickelt, das sowohl den Anforderungen<br />

des Projektes als auch den Absichten des Designers genügte.<br />

Web Frame repräsentiert das (wahrscheinlich) erste Beispiel<br />

einer Architektur, die durch ein ganz auf die Anforderungen<br />

des Projektes zugeschnittenes Computerprogramm entstand.<br />

Obwohl für Graz kein entsprechendes Programm entwickelt<br />

wurde, gibt es bei der Problemlösung der beiden Projekte Überschneidungen.<br />

Die Art, wie das Band durch den Raum fließt, und seine Form<br />

wurden nicht willkürlich gewählt. Die (schöne) Form des Bandes<br />

entstand durch die Auseinandersetzung mit bestimmten<br />

Anforderungen und Bedingungen, die durch die Beschränkung<br />

der Länge und Breite des Bandes gegeben waren. Außerdem<br />

musste das Band die Abgrenzungen am Boden signalisieren<br />

und sich gleichzeitig erheben können, um die Durchgangswege<br />

zu bezeichnen.<br />

Für Web Frame wurde ein Computerprogramm benötigt, da<br />

die Anforderungen derart komplex waren, dass sie die Möglichkeiten<br />

des menschlichen Hirns schlichtweg überschritten.<br />

Ein Netz kann jede Form annehmen und ist höchst biegbar,<br />

aber gerade wegen dieser Flexibilität ist es so schwierig, auf<br />

bestimmte Problemstellungen abgestimmte Lösungen zu finden.<br />

In Graz handelt es sich um eine einzige fortlaufende Oberfläche,<br />

und diese ist nicht sehr flexibel. Daher kann das menschliche<br />

Hirn diese Anforderungen bewältigen. Das Resultat ist ein Band,<br />

Makoto Sei Watanabe 42 43<br />

This flowing movement reinforces the characteristics<br />

of the internal space. It has a strength that reduces the<br />

presence of the skylights and the light fittings on the<br />

ceiling and at the same time has a softness that does<br />

not obstruct the works. I presented, as a design solution,<br />

an overall space that featured this changing ribbon-like<br />

screen. This design also represents the incorporation of<br />

another structure into the architecture.<br />

There is a link between this “fluid space comprising<br />

a series of curved forms” and Web Frame, 2000, at the<br />

“Iidabashi” Station on the Oedo Subway Line. In Web<br />

Frame, a secondary structure created from rod meshing<br />

travels underground, embracing the space. A computer<br />

program to produce a design that would satisfy the<br />

requirements of the project and the intentions of the<br />

designer was developed for this work. Web Frame<br />

represents the realization of (probably) the first example<br />

worldwide of architecture that was created by utilizing<br />

a computer program that “satisfied the necessary conditions<br />

and requirements”. Although a similar program<br />

was not developed for the Graz exhibition, there are<br />

similarities between the two designs in the way issues<br />

were resolved.<br />

The way the ribbon flowed through the space and the<br />

shape that was selected was not something that was<br />

done spontaneously. The ribbon took shape (and beautifully<br />

so) by addressing certain requirements and conditions<br />

represented by the restrictions posed by the<br />

width and twists of the ribbon, by the need to situate the<br />

ribbon close to the ground around each work to indicate<br />

boundaries, and by the need to have it rise high up in<br />

the air to create passageways for circulation routes.<br />

Web Frame necessitated a computer program in its design<br />

as these requirements and conditions became entangled<br />

to such an extent that solving these was beyond the<br />

ability of the human brain. Mesh can be joined to form<br />

any shape and has a high degree of flexibility but because<br />

of these very features, it is equally difficult to come up<br />

with solutions to the conditions posed in the design. As<br />

the Graz version is a single continuous surface and there<br />

is little flexibility, the requirements and conditions can<br />

be solved by the human brain. The result is a ribbon that<br />

dances in the air, propelled by the wind. The space created


das in der Luft tanzt und dabei vom Wind bewegt wird. Durch<br />

das Band, das sich wie eine Wand aufrichtet, den Raum durchquert<br />

wie ein Dach und sich an bestimmten Stellen zusammen-<br />

zieht und an anderen breiter wird, entstehen Unterteilungen<br />

oder Zusammenhänge. Seine subtile und fließende Erscheinung<br />

erinnert an einen lebendigen Organismus.<br />

Wenn wir gerade von lebenden Organismen sprechen: Auch<br />

die Form des Kunsthauses mahnt an einen Einzeller wie das<br />

Paramecium. Wenn der Zellkern des Parameciums mit einem<br />

Skalpell aufgeschnitten wird, springt die im Zellkern zusammengefaltete<br />

Doppelspirale auf und füllt die Zelle aus. Vielleicht<br />

ist es der geöffnete Zustand dieser DNA, der die Grundlage<br />

für die Gestaltung dieser Ausstellung bildet.<br />

Eine Kleinstadt/Architektur, die sich bewegt:<br />

die Wand als mütterliches Element<br />

Die untere Ebene steht in scharfem Gegensatz zur oberen.<br />

In der unteren Etage sind fotografische Arbeiten ausgestellt,<br />

flache oder zweidimensionale Kunst und bewegte Bilder. Es<br />

wurde entschieden, dass eine „flache“ Art der Hängung für<br />

diese Werke gebraucht werden sollte. Ursprünglich war geplant,<br />

auf Wände ganz zu verzichten und stattdessen eine Art der<br />

Hängung zu gestalten, die die Arbeiten in der Luft zu schweben<br />

lassen scheint. Nachdem ich aber mit den Künstlern geredet<br />

hatte, erkannte ich, dass sie in der Tat Wände haben wollten.<br />

Rieko Hidaka sagte, sie wolle eine robuste Wand, während sich<br />

Hiroshi Sugimoto einen tunnelartigen, engen und langen Raum<br />

wünschte. Das kam völlig unerwartet.<br />

Wenn man die Kunstgeschichte anschaut, kann man sagen,<br />

dass die zweidimensionale Kunst, die von der Wandmalerei herstammt<br />

und somit Teil eines Gebäudes war, durch ihre Wand-<br />

lung zum Tafelbild von dieser Einengung befreit wurde. Eigentlich,<br />

so könnte man meinen, sollte sie noch weiter befreit und<br />

aus dem Rahmen gelöst worden sein. Aber die zweidimensionale<br />

Kunst scheint sich ihrer Ursprünge zu erinnern und sucht immer<br />

noch eine Wand, die sie annimmt, einen Ort, wo sie sich sicher<br />

und geborgen fühlt – ein fast mütterliches Wesen.<br />

Die größte Einschränkung, die der Architektur auferlegt ist,<br />

ist das Land. Der Architekt kann weder das Grundstück aussuchen,<br />

noch kann das Gebäude dem Problem des Bodens<br />

und der Schwerkraft entfliehen. (Übrigens ist eine Arbeit mit<br />

dem Titel Walking City eines der bekanntesten Projekte von<br />

by the ribbon that rises up like a wall and traverses<br />

the space above like a roof contracts in some sections,<br />

expands in others, is segmented or can be continuous.<br />

The appearance of this supple and fluid form resembles<br />

that of a living organism.<br />

Speaking of living organisms, the shape of the Kunsthaus<br />

is reminiscent of a single-cell creature such as a paramecium.<br />

When the nucleus of the paramecium is sliced<br />

open with a scalpel, the DNA’s doublehelix ribbon that<br />

is folded up inside springs open, filling the cell. Perhaps<br />

it is the opened-up state of this DNA that is the basis of<br />

the design for this exhibition.<br />

A small town/architecture that moves:<br />

the wall as maternal presence<br />

The lower level is in sharp contrast to the upper level.<br />

The lower level features photographic work, flat or twodimensional<br />

art and moving images. It was decided that<br />

a “flat” method of exhibiting the works should be used<br />

for flat or two-dimensional work. The initial plan was not<br />

to have any walls, and instead I came up with a way<br />

of exhibiting the works so that they appear to be floating<br />

in the air. After talking to the artists, however, I realized<br />

that they in fact wanted walls. Rieko Hidaka said she<br />

wanted a sturdy wall, while Hiroshi Sugimoto wanted<br />

a tunnel-like space, narrow and long. This was totally<br />

unexpected.<br />

When going back through history, flat or two-dimensional<br />

art which was born from murals that were part of buildings,<br />

can be seen to be later liberated from the constraints<br />

of the building by becoming a single tableaux, and should,<br />

by rights, have been further liberated from the constraints<br />

of the frame. Two-dimensional work appears, however,<br />

to continue to recall its origins, still seeking a wall that will<br />

embrace it, a place where it can feel safe and secure –<br />

an almost maternal presence.<br />

The biggest condition imposed on architecture is the<br />

land. The architect cannot choose the site, nor can the<br />

building avoid the issue of land or gravity.(By the way,<br />

amongst Archigram’s famous projects is a work entitled<br />

Walking City. The walking city or the moving structure is<br />

the embodiment of our desire to get away from land, the<br />

strongest constraint in the history of architecture.)


Archigram. Die laufende Stadt oder die sich bewegende Struktur<br />

ist die Verkörperung unseres Wunsches, der Bodenhaftung<br />

zu entfliehen, der stärksten Einschränkung in der Geschichte<br />

der Architektur.)<br />

Architektur, den überwältigenden Kräften des Bodens verhaftet,<br />

versucht in die Höhe zu springen, um dann in der Luft zu<br />

schweben, ohne dass sie nach unten gezogen wird, während<br />

die Kunst ohne Einschränkung ihrer Vorstellungskraft freien<br />

Lauf lässt, nur um sich auf der Suche nach ihrer Grundlage<br />

auf der Wand niederzulassen. Die Ähnlichkeiten und die Unterschiede<br />

dieser beiden Bereiche sind sicherlich interessant.<br />

Für den Architekten sind die „Wünsche“ der Künstler wie die<br />

„Gestaltungsbedingungen“, denen ein Gebäude unterliegt.<br />

(Wieder tausche ich die Rolle – dieses Mal bin ich nicht der<br />

Benutzer, sondern einer, der den Forderungen des Benutzers<br />

Folge leistet.)<br />

In Übereinstimmung mit den Wünschen der Künstler habe<br />

ich mich deshalb entschlossen, Wände einzubauen. Nun wollte<br />

jeder Künstler aber eine andere Art Wand. Einige wünschten<br />

dicke, andere kleine, einige wollten weiche Wände, andere eine<br />

dunkle Wand haben. Wenn ich den verschiedenen Wünschen<br />

aller Künstler nachgeben würde, hätte jeder Künstler schluss-<br />

endlich nur noch einen kleinen Raum zur Verfügung. Da sich<br />

die Wünsche der Künstler auf einen „Innenraum“ bezogen,<br />

müsste sich das Äußere demzufolge aus diesem Innenraum<br />

ergeben.<br />

Auch in dieser Stadt war das Äußere einfach das „Ergebnis“<br />

des Innenraums, und die „Architektur“ als solche wurde nie<br />

„geplant“. Anders als herkömmliche Städte ist diese Stadt aus<br />

dem Inneren heraus entstanden. Übrigens weisen die meisten<br />

japanischen Städte eine ähnliche Struktur auf. Im Gegensatz<br />

zu vielen großen Städten des Westens sind japanische Städte<br />

nicht das Ergebnis groß angelegter Planung. Wohl gibt es Ausnahmen<br />

wie Kyoto, aber im Allgemeinen gibt es nichts, was<br />

mit den großen Boulevards, die strahlenförmig vom Arc de<br />

Triomphe in Paris ausgehen, mit der Wiener Ringstraße und<br />

ihren öffentlichen Bauten oder mit den Innenhöfen und dem<br />

rechtwinkligen Netz des Eixamples Viertels in Barcelona vergleichbar<br />

wäre.<br />

Natürlich gibt es auch in Japan Stadtplanung, und einzelne<br />

Gesetze und Bestimmungen sind extrem strikt. Aber diese<br />

Makoto Sei Watanabe 44 45<br />

Architecture – bound by the overwhelming ties of “the<br />

land” seeks to leap up and then float in the air and without<br />

getting its legs caught below, while art opens up its<br />

imagination in a free world only to ground itself by seeking<br />

the foundation that is “the wall”. The similarity and the<br />

disparity between the two are certainly interesting.<br />

To the architect, the “wishes” of the artist are no different<br />

from the “design conditions” imposed upon a building.<br />

(Once again I am changing roles – this time I am not the<br />

User but the one who responds to the User’s demands.)<br />

In accordance with the wishes of the artists, therefore,<br />

I decided to build walls. The wall sought by each artist<br />

was different. Some wanted a thick wall, some wanted<br />

a small wall, some wanted a soft wall, others a dark wall.<br />

If I were to listen to each artist’s requests, the result<br />

would be a small room for each artist. As each artist’s<br />

request concerned “the interior of the room”, the exterior<br />

is therefore “a result” of the interior.<br />

In this town, the exterior was simply a “result” of the<br />

interior and the “architecture” was never “designed” as<br />

such. Unlike conventional towns, this is a town that was<br />

created from the inside.By the way, this is similar to the<br />

structure of most Japanese cities. In contrast to many<br />

of the large cities in the West, Japan’s cities are not the<br />

result of any grand design. There are exceptions such<br />

as Kyoto, but in general they have nothing like the boulevards<br />

radiating from the Arc de Triomphe in Paris, or<br />

Vienna‘s Ringstrassen and the public architecture along<br />

it, or the interior patios and grid pattern of the Eixample<br />

of Barcelona.<br />

Naturally, urban planning does exist in Japan as well,<br />

and individual laws and regulations are extremely strict.<br />

However, these regulations are primarily provisions<br />

related to the safety and size of buildings and very few<br />

apply to the urban landscape or the design of the overall<br />

city (acknowledgement of these shortcomings finally<br />

resulting in the enactment of a new law on landscape<br />

in 2005). Because of this, therefore, Japan’s cities have<br />

grown through solutions that predominantly addressed<br />

individual situations and issues, instead of addressing the<br />

needs of the city as a whole. The overall form of the city<br />

is consequently governed by parameters mainly designed


Bestimmungen beziehen sich vor allem auf die Sicherheit und<br />

die Größe der Gebäude und es gibt nur sehr wenige Vorschriften<br />

in Bezug auf die urbane Landschaft oder das Stadtbild.<br />

(Das Erkennen dieser Vernachlässigung führte schließlich zur<br />

Einführung eines neuen Landschaftsgesetzes im Jahr 2005.)<br />

Die japanischen Städte sind vor allem aus Lösungen von individuellen<br />

Problemen und Antworten auf isolierte Situationen<br />

gewachsen und man hat sich nicht mit den Bedürfnissen der<br />

Stadt als Ganzes auseinander gesetzt. So ist die gesamte Form<br />

denn auch von Parametern bestimmt, die nur Teilbereiche<br />

abdecken. Das Erstaunliche dabei ist allerdings, dass dieses<br />

System nicht zusammenbricht oder kollabiert. Tatsächlich<br />

funktioniert das Ganze recht gut. Und eindeutig trägt es eher<br />

die Züge eines Ökosystems denn einer Stadt.<br />

Wenn dem so ist, dann birgt die Funktionsweise japanischer<br />

Städte ein wahrlich herausragendes und zeitgenössisches<br />

Potenzial. Die Probleme, die hier gelöst werden, sind nicht auf<br />

japanische Städte beschränkt. Mit einer bewussten Nutzung<br />

dieses Mechanismus könnten so vielleicht auch Lösungsansätze<br />

für Probleme anderer Städte auf der ganzen Welt gefunden<br />

werden.<br />

Die wie eine japanische Stadt gestaltete untere Ausstellungsebene<br />

ist mit Camera Austria verbunden, die sich in einem<br />

anderen Flügel befindet. Basierend auf einer Idee von Toshiharu<br />

Ito – und wie eine Straße konzipiert –, mit den Arbeiten von<br />

Taro Okamoto im Fokus, stehen sich die Werke von Takuma<br />

Nakahira und Daido Moriyama gegenüber. Da Camera Austria<br />

selbst eine einzelne Schachtel darstellt, kann sie als ein großes<br />

Haus in der Häusergruppe, die den unteren Bereich säumt,<br />

angesehen werden.<br />

Fotografien von Tadashi Kawamata säumen die Wand der<br />

Brücke, die Camera Austria mit Kunsthaus Graz verbindet. Wenn<br />

ein Künstler Fotografien seiner eigenen Arbeiten zeigt, sind sie<br />

dann Fotos oder Kunst? In dieser Präsentation werden Arbeiten,<br />

die sich an der Grenze zwischen Kunst und Fotografie befinden,<br />

auch auf der Grenzlinie zwischen der Fotogalerie und dem<br />

Kunsthaus gezeigt. Tadashi Kawamata wird zusätzlich eine<br />

Außenskulptur bauen, die den barrackenartigen Unterkünften<br />

für Obdachlose ähnelt – ein weiteres Teilstück der zu einer<br />

„Stadt angeordneten Gruppe von Häusern“ in der unteren Ausstellungsebene.<br />

Nun verlässt die so entstandene „Stadt“ das<br />

Kunsthaus und dehnt sich in den Straßen von Graz selbst aus.<br />

Walking City beginnt zu laufen.<br />

to cover individual parts. Perhaps surprisingly, this does<br />

not result in breakdown or collapse. In fact, it functions<br />

quite well. It is arguably more representative of the workings<br />

of an ecosystem than of a city.<br />

If so, the mechanism of Japanese cities has the potential<br />

of being truly contemporary and outstanding. The problems<br />

it resolves are not just unique to Japanese cities, so<br />

if this mechanism can be utilized intentionally, it may even<br />

provide a solution for issues faced by cities the world over.<br />

The lower level, which is like a Japanese town, is connected<br />

to the Camera Austria, housed in another wing.<br />

This is based on a concept by Ito Toshiharu and has been<br />

laid out – as a street – with a focus on Taro Okamoto’s<br />

works with Takuma Nakahira and Daido Moriyama’s<br />

works facing each other. As Camera Austria itself is a<br />

single box, it can also be seen as one large house within<br />

the “group of houses” that lines the lower level.<br />

Photographs by Tadashi Kawamata line the wall of the<br />

bridge connecting Camera Austria and Kunsthaus Graz.<br />

If an artist shows photographs of his own work, is that<br />

art or photography? The result of this layout is that works<br />

lying on the boundary of art and photography are being<br />

exhibited on the boundary that lies between the photographic<br />

gallery and the Kunsthaus. Tadashi Kawamata<br />

will also be building an external work that resembles<br />

barrack-style housing for the homeless. This is arguably<br />

also part of the “group of houses = town” on the lower<br />

level. In this way, therefore, the “town” that has been<br />

created on the lower level expands beyond the Kunsthaus<br />

and into the streets of Graz itself. Walking City begins<br />

to walk.<br />

Knowing + Sensing/Upper + Lower:<br />

a code system for form and meaning<br />

The Japanese word “chikaku”, often translated as “perception”,<br />

is a compound of two words – “chi” or “knowing”<br />

and “kaku” or “sensing”. “Chi” – used in words such as<br />

“chishiki” (knowledge), “chie” (wisdom) and “chinou”<br />

(intelligence) – signifies rational thought. In contrast,<br />

“kaku” signifies awareness via the five senses as used<br />

in the words “kankaku” (sensibility), “mikaku” (taste)<br />

and “genkaku” (hallucination). General dictionaries list<br />

two meanings for “chikaku”:


Wissen + Fühlen/oben + unten:<br />

ein Codesystem für Form und Bedeutung<br />

Das japanische Wort „chikaku“, oft mit Wahrnehmung übersetzt,<br />

ist aus zwei Wörtern zusammengesetzt: aus „chi“, was<br />

soviel bedeutet wie „wissen“, und „kaku“, „fühlen“. „Chi“ ist in<br />

Wörtern wie „chishiki“ (Wissen), „chie“ (Weisheit) und „chinou“<br />

(Intelligenz) enthalten und bezeichnet das rationale Denken.<br />

Im Gegensatz dazu bedeutet „kaku“ das Spüren mit den fünf<br />

Sinnen wie in „kankaku“ (Sensibilität), „mikaku“ (Geschmack)<br />

und „genkaku“ (Halluzination). In gängigen Wörterbüchern<br />

findet man für „chikaku“ zwei Bedeutungen:<br />

1 Wissen und Verstehen erlangen durch den Intellekt<br />

2 Dinge und Ereignisse der Außenwelt als etwas Integrales<br />

und Bedeutungsvolles zu begreifen durch die Stimulanzhandlung<br />

der Sinnesorgane (aus: Daijirin)<br />

Um es einfach zu sagen, „chi“ deutet ein logisches Verständnis<br />

der Außenwelt an, während „kaku“ auf deren sinnliches<br />

Erkennen verweist. In „chikaku“ finden „Verstehen“ und „Fühlen“<br />

gleichzeitig statt. Die Wolken am Himmel betrachten und ihre<br />

Schönheit empfinden, um im nächsten Moment sich zu fragen,<br />

wie es möglich ist, dass diese Wolken überhaupt am Himmel<br />

schweben, während man weiter träumt und die Wolken ihre<br />

Gestalt ändern. Dieses unmittelbare Hin und Her zwischen<br />

„chi“ und „kaku“ stellt den endlosen Wechselprozess dar – wie<br />

der flimmernde Bildschirm eines Monitors –, der die Gesamtheit<br />

dessen, was wir als „Erkennen“ bezeichnen, hervorbringt.<br />

Der Umgang mit dem Dreidimensionalen und dem Zweidimensionalen<br />

durch die Trennung von oberer und unterer Ausstellungsebene<br />

stellt ohne Zweifel eine Trennung der beiden Aspekte<br />

dieser einen gleichzeitig stattfindenden Handlung dar, die<br />

sich dann wieder überlagern. (Unnötig zu erwähnen, dass die<br />

Elemente des einen jeweils im anderen enthalten sind.)<br />

Wie es das aus „chi“ und „kaku“ zusammengesetzte japanische<br />

Wort ausdrückt, stellt die Gestaltung der Ausstellung mit den<br />

beiden Elementen „oben“ und „unten“ ein Moment von „chikaku“<br />

dar. So sind auch die japanischen Schriftzeichen immer angeordnet<br />

worden: nicht horizontal, sondern vertikal, eines über<br />

dem andern.<br />

Die geschriebene japanische Sprache ist eine Kombination<br />

von ideografischen „kanji“- und phonografischen „kana“-Zeichen.<br />

Makoto Sei Watanabe 46 47<br />

1 To achieve knowledge and understanding through the<br />

intellect<br />

2 To grasp events and things in the external world as<br />

something integrated and meaningful through the stimulant<br />

action generated by the sensory organs (from Daijirin)<br />

To put it simply, “chi” strongly infers a logical understanding<br />

of the external world while “kaku” infers a sensory<br />

recognition of the external world. In “chikaku”, “reading”<br />

and “sensing” take place simultaneously. Looking up at<br />

the clouds in the sky and thinking how beautiful they<br />

are and then in the next moment wondering how these<br />

clouds manage to float in the sky, meanwhile continuing<br />

to revel in the clouds which continue to change shape and<br />

form. The instantaneous moving back and forth between<br />

“chi” and “kaku” represents a never-ending switching<br />

process – like the flickering screen of a monitor – that<br />

creates the overall image that is “recognition”.<br />

The addressing of the three-dimensional and the twodimensional<br />

by separating them into the upper and lower<br />

levels in this exhibition arguably represents a separation<br />

of the two aspects of the single action that take place<br />

simultaneously and then, once again, superimposing one<br />

onto the other. (Needless to say, the components of both<br />

are included in both.)<br />

As expressed by the Japanese word formed by the characters<br />

for “chi” and “kaku”, the exhibition design also<br />

forms an instance of “chikaku” through the two elements<br />

of “upper” and “lower”. That‘s how these Japanese script<br />

characters have always been arranged — not horizontally,<br />

but vertically one above the other.<br />

The Japanese written language is a combination of the<br />

ideographic writing “kanji” and the phonographic writing<br />

“kana”. As each of the “kanji” characters – imported<br />

from China around 1600 years ago – has its own meaning,<br />

the form and meaning of “kanji” is perceived as<br />

something that is inextricably linked. Meanwhile, “kana”<br />

characters which were developed in Japan around 1100<br />

years ago simply express sound and therefore have no<br />

relationship to form or meaning.<br />

For example, when looking at the “kanji” for “water”<br />

the character conveys the image and concept of water


Da jedes dieser „kanji“- Zeichen – die vor etwa 1600 Jahren<br />

aus China nach Japan gekommen sind – seine eigene Bedeu-<br />

tung hat, werden Gestalt und Bedeutung von „kanji“ als etwas<br />

untrennbar miteinander Verflochtenes wahrgenommen. Demgegenüber<br />

drücken die vor etwa 1100 Jahren in Japan entwickelten<br />

„kana“-Zeichen lediglich einen Klang aus, und deshalb<br />

besteht hier keine Beziehung zwischen Form und Bedeutung.<br />

Wenn man beispielsweise das „kanji“ für Wasser betrachtet,<br />

dann vermittelt das Zeichen das Bild und die Idee von Wasser<br />

(durch das bloße Anschauen, nicht das Verstehen des Zeichens).<br />

Die Gestalt des Schriftzeichens für „Wasser“ erscheint als das<br />

Bild von „Wasser“, das heißt, das Zeichen ist das Objekt selbst.<br />

Wenn dasselbe Wort als „kana“ geschrieben wird, vermittelt die<br />

Form des Schriftzeichens für „Wasser“ kein Bild. Die westlichen<br />

Sprachen gleichen dem System von „kana“. Es ist die Anordnung<br />

der fünf Symbole, die das Wort „Wasser“ (water) bilden.<br />

Es ist also nicht die Form der Buchstaben, die das Bild von<br />

„Wasser“ übermittelt, das Schriftzeichen ist hier ein Symbol.<br />

(Genau genommen ist es aber nicht so, dass das „kana“-Zeichen<br />

kein Bild darstellt, aber das Bild wird durch die Aussprache<br />

und die „Gestaltung“ der einzelnen Buchstaben hervorgerufen.<br />

Sogar die Buchstaben des Alphabets können Bilder enthalten.<br />

Durch die Art und Weise der Buchstabenverteilung wird, ähnlich<br />

wie bei Seriennummern, die in Produktnamen verwendet werden<br />

(A oder X beispielsweise), auf das Ursprungsbild verwiesen.)<br />

In der japanischen Sprache werden diese beiden unterschiedlichen<br />

Systeme – ideografisches und phonografisches – gleichzeitig<br />

im selben Text verwendet. Der Erkenntnisprozess des<br />

Gehirns, der sich entwickelt, während wir uns beim Lesen und<br />

Schreiben mit den Schriftzeichen verbinden, lässt sich auch auf<br />

andere Bereiche übertragen. Es ist denkbar, dass dieses<br />

Schriftzeichen-Erkennungssystem nicht nur unsere schriftliche<br />

Welt beeinflusst, sondern auch unser visuelles Umfeld und das<br />

visuelle Erfassen der Landschaft und der Dinge um uns. Es<br />

besteht auch die Möglichkeit, dass die Beziehung Form/<br />

Bedeutung und Idee/Bild ebenfalls in einer Weise parallel verarbeitet<br />

wird, die der Spracherfassung in vielerlei Hinsicht<br />

ähnelt.<br />

Wenn verarbeiten beinhaltet, dass sich Bedeutung direkt aus<br />

der Form der Zeichen erschließt, wie beim „Lesen“ der „kanji“-<br />

Zeichen, dann bedeutet das womöglich, dass aus allen uns<br />

umgebenden sichtbaren Zeichen Bedeutung abgeleitet wird.<br />

Die Spracherfassung, die die Bedeutung nicht aus der Form der<br />

(simply by looking at, not reading, the character). The<br />

shape of the character for “water” appears as the image<br />

for “water”, that is, the character as object. When the<br />

same word is written in “kana”, however, the “shape”<br />

of the character for water does not convey an image.<br />

Western languages are also similar to “kana”. It is the<br />

arrangement of the five symbols forming the word<br />

“water” that signifies water. It is not the “shape” of the<br />

characters that conveys the image of water, that is, the<br />

character as symbol. (Strictly speaking, it is not as though<br />

a “kana” character does not represent an image. In the<br />

case of “kana”, however, the image is generated by the<br />

pronunciation and the “design” of each letter. Even letters<br />

of the alphabet can contain images. For example, the<br />

source of the image can be ascertained by the partiality<br />

in the way model numbers used in product names are<br />

distributed (A or X, for example).<br />

In the Japanese language, these two different approaches<br />

to writing systems — ideographic and phonographic<br />

— are simultaneously distributed within the same text.<br />

The brain’s recognition processing system that develops<br />

during the process in which we, too, develop as we read<br />

and write these characters and live together with them,<br />

does not only function within the realm of characters.<br />

There is clearly a possibility that this character information<br />

processing system is influencing not only our written<br />

world but our visual environment and the visual processing<br />

of the landscape and the things we see around us.<br />

There is a possibility that the relationship between “form/<br />

meaning” and “concept/image” is being parallel-processed<br />

through many ways similar to the way language is processed.<br />

When processing involves meaning being directly derived<br />

from the shape of the characters – as is done when<br />

“kanji” characters are “read” – this perhaps results in an<br />

attempt to derive meaning from all the different shapes<br />

that we find around us.<br />

The eventual outcome of language processing that does<br />

not involve meaning being derived from the shape of<br />

the characters – as in “kana” – is perhaps a belief amongst<br />

people that deriving meaning from the natural environment<br />

is impossible. If both of these are being carried out<br />

on an ongoing basis, what kind of processing is taking


Ribbon, 2005<br />

Ausstellungsarchitektur<br />

Chikaku, Renderings<br />

Ribbon, 2005<br />

Architecture of exhibition<br />

Chikaku, Renderings<br />

Makoto Sei Watanabe 48 49


Makoto Sei Watanabe<br />

Fiber Wave I – G, 2005<br />

Simulation<br />

Zeichen ableitet, wie das „kana“-System, kommt wahrscheinlich<br />

aus einem Glauben der Menschen, dass es unmöglich sei, aus<br />

der natürlichen Umgebung Bedeutung abzuleiten. Wenn<br />

diese beiden Systeme ständig gleichzeitig angewandt werden,<br />

welcher Art sind dann die Prozesse zur Erfassung von Welt,<br />

die in unserem Gehirn ablaufen?<br />

Dies ist eine vorläufige Theorie, aber vielleicht kann uns die<br />

Betrachtung der ausgestellten Arbeiten einen Hinweis zu ihrer<br />

Verifizierung geben. Durch die Botschaft der Gestalt, aus einer<br />

Welt, die von Bedeutung umgeben ist...<br />

Sind die Arbeiten, die ihre Wirkung in diesem Raum entfalten,<br />

„Ideogramme“ oder „Phonogramme“?<br />

Die Wirkung des Objekts:<br />

der Mechanismus von Spüren, Erinnerung und Natur<br />

Die Arbeiten in der oberen Ebene strahlen die Kraft des<br />

Objekts aus. Yayoi Kusamas „sich selbst nachbildende“ Kunst<br />

aktiviert zuerst die physiologischen Sinneseindrücke und<br />

bewirkt dann, dass die gemeinsame Grunderfahrung, die die<br />

Basis unserer Erinnerungen bildet, aktiviert wird. Diese Erfahrung<br />

ist mit einer Erinnerung verbunden, die wir nicht genau<br />

identifizieren können, noch können wir sagen, wo und wann wir<br />

ihr begegnet sind, aber wir wissen, dass sie stattgefunden hat.<br />

Kusamas Arbeit benötigt keine Beschreibung. Sie zeigt die Kraft<br />

des Objektes, das keinen erklärenden Text benötigt. (Umso<br />

mehr bin ich von der Kraft des Textes in Kusamas Büchern<br />

überrascht.)<br />

Die Stärke dieser Arbeit liegt darin, dass sie einen überzeugenden<br />

Schaltkreis besitzt, der auf dem Hervorholen von<br />

Erinnerung basiert. Hier funktioniert die physiologische Empfindung<br />

als Teller, auf dem man ein Gericht aus Erinnerungen<br />

anordnen kann, als Glas, in das der Wein des Gedächtnisses<br />

eingeschenkt wird.<br />

„Geschmack“ stimuliert bei allen Menschen die gleichen physiologischen<br />

Empfindungen. Wenn man eine Zitrone ansieht,<br />

dann löst dies den vertrauten sauren Geschmack im Mund aus<br />

(selbst wenn man nur ein einziges Mal in eine Zitrone gebissen<br />

hat). Der starke Sinneseindruck, der durch dieses einmalige<br />

Kosten ausgelöst wurde, verschwindet nicht so schnell. Der<br />

saure Geschmack bleibt für einige Zeit im Mund. Diese Art von<br />

Kunst entfaltet ihre Wirkung dadurch, dass Bedeutung in die<br />

place inside the brain when we look at the world through<br />

such eyes?<br />

This is a tentative theory, but perhaps observing the works<br />

featured in this exhibition will provide clues to help us<br />

verify it. Through the message of form, from a world surrounded<br />

by meaning...<br />

Are the works unfolding in this space “ideograms” or are<br />

they “phonograms”?<br />

The effect of the object: the mechanism surrounding<br />

sensing, memory and nature<br />

The power of the object is emanated by the works on<br />

the upper level. Yayoi Kusama’s “self-replicating” art first<br />

activates the physiological sensations and then has the<br />

effect of making the common experience that lies at the<br />

base of our memories to levitate. This is a memory that<br />

we are unable to clearly identify, nor can we say where<br />

and when the encounter took place but is one in which<br />

we can say for sure that we knew it happened. There is<br />

no need for a description of Kusama’s work. Her work<br />

represents the power of the object that requires no<br />

explanatory text (nonetheless, I find myself surprised by<br />

the power of the text spun by Kusama in her books).<br />

The strength of this work is the fact that it possesses<br />

a persuasive circuitry based on such a memory recall.<br />

Here, physiological sensation functions as a plate on<br />

which to place the meal of memories, a glass into which<br />

is poured the wine of recollections.<br />

“Taste” stimulates the same physiological sensation in<br />

everyone. If one looks at a lemon, that familiar sourness<br />

wells up inside our mouths (if one has tasted a lemon<br />

even once). The throb of the sensation that has been<br />

stimulated, even just the one time, does not cease so<br />

easily. The sourness of lemons remains in our mouths<br />

for some time. In the mechanism behind this type of<br />

work, meaning slides into the work as long as that<br />

taste – that sourness – remains. However, throbbing<br />

emotions alone do not make art. If the only aim were to<br />

create a throb or resonance, then a roller coaster would<br />

have a more powerful effect. On the other hand, if the<br />

aim were simply to describe “meaning”, then writing<br />

a paper expounding the theory would be more effective.


Arbeit „hineinschlüpft“, solange der saure Geschmack anhält.<br />

Aber ein starker Sinnesreiz allein macht eine Arbeit noch nicht<br />

zu Kunst. Wenn wir nur darauf abzielen, eine Erregung oder<br />

eine Resonanz hervorzurufen, dann wäre eine Achterbahn sicher<br />

von größerer Wirkung. Andererseits wäre es auch effizienter,<br />

eine Theorie in einer schriftlichen Arbeit abzuhandeln, wenn es<br />

um eine Beschreibung von „Sinn“ geht.<br />

Empfindungen dienen dazu, an die verschlossene Tür unserer<br />

Seele zu klopfen und, sobald die Tür geöffnet wird, den „Brief“<br />

mit dem „Inhalt“ zu überbringen. (Und wenn dieser „Brief“ in<br />

der geheimnisvollen „kanji + kana“-Schrift geschrieben wäre...)<br />

Wenn wir einen kleinen Stein auf der Straße liegen sehen,<br />

schmecken wir normalerweise nichts und verspüren auch keinen<br />

Schmerz noch sonst eine tief greifende Empfindung. Obwohl<br />

physikalisch zwischen der Zitrone und dem Stein kein großer<br />

Unterschied besteht, stimuliert der Anblick des einen Objektes<br />

die Sinne, während das andere keinerlei sensorischen Effekt<br />

hat. Obwohl die Arbeit von Tadashi Kawamata die Sinne nur<br />

zu einem gewissen Grad anspricht, weckt seine Arbeit Erinnerungen.<br />

Erinnerungen an eine Stadt, die wir irgendwo mal<br />

gesehen haben und die wir doch unmöglich gesehen haben<br />

können. Wir ertappen uns dabei, wie wir die Szenerie suchen,<br />

ohne unsere „Sinne“ zu durchforsten. Stattdessen durchsuchen<br />

wir die in unserem Hirn angelegte „Datenbank“, indem wir<br />

die „Anordnung“ in einen anderen Kontext setzen.<br />

In Watanabes Arbeit Fiber Wave I, die auf der Dachterrasse<br />

des Kunsthauses ausgebreitet ist, kommt ein anderes Verfahren<br />

zur Anwendung.<br />

Die Bewegung in der Arbeit stellt die Visualisierung von Wind<br />

dar, der normalerweise unsichtbar ist, und der Betrachter<br />

wird beim Anblick dieser Arbeit von einem Gefühl des Wohlbefindens<br />

erfasst. Aber diese Arbeit ruft weder Geschmack noch<br />

Schmerz noch sonst ein spezifisches Gefühl hervor (obwohl dies<br />

alles mögliche Empfindungen sind). In dieser Hinsicht gleicht<br />

Watanabes Arbeit der von Kawamata, aber der Unterschied<br />

besteht darin, dass Watanabes Arbeit keine „Datenbank“ benutzt.<br />

Erinnerungen sind unnötig. In dieser Arbeit wird stattdessen<br />

die „Natur“ benutzt.<br />

Die Rhythmen der Natur lösen bei vielen Menschen Wohlbefinden<br />

aus. Man denke an eine Brise, an das Rauschen eines<br />

Wasserfalls, an die sich verändernden Formen der Wolken oder<br />

Makoto Sei Watanabe 50 51<br />

“Sensation” is used to knock on the door of the closed<br />

soul and once the door is open the “letter” of “meaning”<br />

is posted. (And if that letter were written in the mysterious<br />

“kanji + kana” script...)<br />

If we were to see a small stone lying on the road, we<br />

normally would not taste anything nor feel pain or any<br />

particularly deep emotion. Although there is no great<br />

difference physically between the two objects of a lemon<br />

and a small stone, one stimulates the senses while<br />

the other has no sensory effect whatsoever. Although<br />

Tadashi Kawamata’s work only affects the senses to a<br />

small degree, his work does, however, awaken memories.<br />

Memories of a town that we have seen somewhere and<br />

yet could not possibly have seen. We find ourselves<br />

searching for the scene without sifting through our<br />

“senses” but instead searching through the memory<br />

bank that has been built up inside our brain by using a<br />

method in which the context of “arrangement” is altered.<br />

Watanabe’s Fiber Wave I that unfolds on the Kunsthaus’<br />

roof terrace adopts another method.<br />

The movement of the work represents a visualization<br />

of wind, which normally cannot be seen, and the viewer,<br />

seeing this, experiences a sense of well-being. This work,<br />

however, does not evoke a specific emotion nor does<br />

it generate taste, feeling or pain (although these are all<br />

possible). From this aspect, Watanabe’s work is similar<br />

to Kawamata’s but the difference lies in the fact that<br />

Watanabe’s work does not use a memory bank. Memories<br />

are unnecessary. What is used in this work is “nature”.<br />

The rhythms of the natural world produce a feeling of<br />

well-being in many people. Think of a breeze, the sound<br />

of a waterfall, the changing shapes of clouds or the colors<br />

of the sunset (although there are always exceptions).<br />

One can explain this by citing reasons such as the rhythms<br />

of change in such natural phenomena represent 1/f<br />

fluctuation or fractal-based patterns. On the other hand,<br />

however, an evolutionary biologist would probably say<br />

that, over the several hundred thousand years (or more)<br />

that we have lived with the wind, only those with brains<br />

that recognize the blowing wind or breeze as representing<br />

a sense of well-being have survived.


die Farben des Sonnenuntergangs (obwohl es immer Ausnahmen<br />

gibt).<br />

Man kann zur Erklärung verschiedene Gründe anführen, wie<br />

dass der Wechselrhythmus solcher natürlichen Phänomene<br />

der Fluktuation 1/f oder der auf Fraktalen beruhenden Muster<br />

entspricht. Ein Evolutionsbiologe auf der anderen Seite würde<br />

möglicherweise sagen, dass über den Zeitraum unserer<br />

Koexistenz mit dem Wind von mehreren hunderttausend Jahren<br />

(oder mehr) diejenigen überlebt haben, deren Gehirn fähig war,<br />

den Wind oder die Brise als gleichbedeutend mit Wohlbefinden<br />

zu erkennen.<br />

Das ist der Grund, warum Fiber Wave eine universelle Qualität<br />

besitzt, die über individuelle Erfahrung hinausgeht – das<br />

Gefühl des Wohlbefindens stellt sich bei allen Menschen ein.<br />

Die Anzahl derjenigen, die beim Anblick einer Zitrone einen<br />

sauren Geschmack im Mund verspüren, ist auf die Menschen<br />

beschränkt, die schon einmal in eine Zitrone gebissen haben.<br />

Das positive Gefühl beim Anblick der Äste, die sich im Wind<br />

hin und her bewegen, benötigt keine experimentellen Studien,<br />

keine Erfahrung. Hier kommt ein „allgemein gültiges Programm“<br />

zur Anwendung, das unserer DNA eingeschrieben ist. (Leider<br />

gibt es in Graz nicht viel Wind, und so ist es möglich, dass<br />

man diese Bewegung nicht sehen kann. Aber durch Fiber<br />

Wave II, die Version für den Innenraum, bläst immerhin ein<br />

virtueller Wind.).<br />

Das Gefühl des Wohlbefindens repräsentiert den ursprünglichen<br />

Antrieb dieser Arbeit: ein sanftes Klopfen an der Tür. Dem folgt<br />

die „Bedeutung“, die durch die Tür schlüpft, zusammen mit der<br />

heftigen Empfindung. Die „Bedeutung“ von Wind sehen, den<br />

man normalerweise nicht sehen kann – dies bezeichnet den<br />

Anfang der „Wahrnehmung“ der Umrisse von etwas, das zwar<br />

existiert, dessen wir uns aber nicht gewahr sind.<br />

Es ist den Arbeiten im oberen Bereich gemein, dass sie alle –<br />

einige mehr als andere – unsere Sinne stimulieren. Dies sind<br />

die sensorischen Objekte, die ihre sinnliche Wirkung noch<br />

nicht verloren haben. Ribbon wirkt hier wie ein Verband oder<br />

ein Babywickeltuch, das die verletzlichen Objekte nährt und<br />

heilt, da es sie zusammenhält, flatternd und flackernd als<br />

ständige, nicht enden wollende Einladung.<br />

That is why the movement of Fiber Wave has a universal<br />

quality that transcends individual experience – everyone<br />

experiences a feeling of well-being. Although those who<br />

experience a sour taste in their mouths when they see<br />

a lemon are restricted only to those who have eaten a<br />

lemon, the positive feeling we experience at the swaying<br />

of branches in the wind does not require experiential<br />

studies. What is being used here is a “general program”<br />

that has been written into our DNA. (Unfortunately there<br />

is not much wind in Graz and so there is a possibility<br />

that this movement might not be able to be seen.<br />

A virtual wind, however, blows in Fiber Wave II, the<br />

interior version.).<br />

A feeling of well-being represents the initial motion of<br />

this work – a quiet knock on the door. This is followed<br />

by “meaning” which slides in together with the throb of<br />

sensation. The “meaning” of seeing wind that normally<br />

cannot be seen – this marks the beginning of “perceiving”<br />

the outline of something which is there and yet which<br />

we are unaware of.<br />

The common feature of the works on exhibit on the upper<br />

level is that they all – some more than others – stimulate<br />

our senses. These are sensory objects that are yet to be<br />

bleached or decolorized. Ribbon acts here like a bandage<br />

or a wrap for a baby, nurturing and healing the vulnerable<br />

objects as it holds and binds them, fluttering and<br />

wavering in constant and never-ending invitation.


Makoto Sei Watanabe 52 53


Ryuta Imafuku<br />

Ein vierdimensionales Japan:<br />

Von der „Magie“ zu „Infra-ordinary“<br />

Four-dimensional Japan:<br />

From “Magic” to “Infra-ordinary”


1 Im Juli 1927 kam ein junger japanischer Archäologe über die<br />

transsibirische Eisenbahn nach Paris, um dort zu studieren; Jiujiro<br />

Nakaya (1902–1936) hatte an der Naturwissenschaftlichen Fakultät<br />

der Kaiserlichen Universität Tokio Anthropologie studiert und gerade<br />

mit seiner Arbeit Klassifizierung und geographisches Vorkommen<br />

irdener Schnabelgefäße (1927) in den Kreisen der bisherigen vorgeschichtlichen<br />

und archäologischen Methodologie für Aufsehen gesorgt.<br />

Er hatte die Ideen der Typologie auf wissenschaftliche Weise eingebracht,<br />

indem er die Verbreitung der zahlreichen Muster und Formen<br />

der in der Jomon-Zeit Ostjapans vorkommenden tönernen Schnabelgefäße<br />

erforschte und anhand der Häufigkeit ihres Auftretens mehrere<br />

Kulturkreise bestimmte, deren zentrale Punkte er durch die Annahme<br />

von Verbreitungsrouten berechnete. Diese bemerkenswerte und<br />

überaus originelle Methode, die der quantitativen Seite große Bedeutung<br />

beimaß, sah sich allerdings der scharfen Kritik der damaligen<br />

Hauptströmung der Jomon-Forschung, die sich nach einer präzisen,<br />

festgetretenen Chronologie richtete, ausgesetzt, die Nakayas Vorgehensweise<br />

als töricht und sinnlos anprangerte.<br />

Nakayas Fahrt nach Europa war von dem enthusiastischen Gedan-<br />

ken motiviert, sich im damals im Bereich der Prähistorik führenden<br />

Frankreich neue Theorien und Methoden anzueignen, die ihm dabei<br />

helfen sollten, sich gegen die konservativen Kreise der damaligen<br />

japanischen akademischen Welt durchzusetzen. In Paris wartete<br />

bereits sein Bruder Ukichiro (1900–1962), der Experimentalphysiker<br />

war, im japanischen Konsulat auf ihn. Ukichiro, der später durch die<br />

erstmalige Erzeugung künstlicher Schneekristalle als Eis- und Schneephysiker<br />

Weltruhm erlangen sollte, war zu jener Zeit als Forscher<br />

im Ausland für das japanische Kultusministerium tätig und studierte<br />

eigentlich gerade in London, war aber offenbar nach Paris gekommen,<br />

um seinen jüngeren Bruder in Empfang zu nehmen. Interessanterweise<br />

existierte damals in einem Teil der Gelehrtenwelt Japans eine<br />

ernsthafte Bewegung, deren Träger – wie sie von den aus völlig<br />

unterschiedlichen Fachgebieten (Physik und Archäologie) kommen-<br />

den Brüdern Nakaya anschaulich illustriert werden – in Europa<br />

neue Impulse der modernen Wissenschaften zu finden erhofften.<br />

Jiujiro Nakayas Aufenthalt in Paris dauerte nicht länger als drei Jahre;<br />

in Bezug auf Kontakte, die sich während dieser Zeit ergaben, ist<br />

zunächst Nakayas Besuch der Vorlesungen von Marcel Mauss (1872–<br />

1950), der am Collège de France Soziologie und Ethnologie lehrte,<br />

besonders erwähnenswert. Während Nakaya mit Mauss’ grandiosen<br />

Ideen in Berührung kam, fing er an, von einer Synthese von Archäologie,<br />

Ethnologie und Volkskunde zu träumen. Nach Ukichiro Nakayas<br />

Erinnerung war es eben dieser Mauss, durch dessen Vermittlung Jiujiro<br />

Zugang zur Französischen Gesellschaft für Archäologie bekommen<br />

Ryuta Imafuku 54 55<br />

1 In July 1927, a young Japanese archaeologist<br />

took the Trans-Siberian Railway to Paris to study.<br />

Having completed his diploma in anthropology at<br />

the Tokyo Imperial University Faculty of Science<br />

and thrown his stone at outdated methodologies<br />

in paleo-archaeology with his thesis Classification<br />

and Geographic Distribution of Spouted Pottery<br />

(1927), this Jiujiro Nakaya (1902–1936) introduced<br />

typological thinking into Japanese science by his<br />

investigations into Kanto area Jomon period earthenware.<br />

Nakaya established the existence of several<br />

different cultural spheres by means of charting<br />

the range and frequency of excavations yielding<br />

various shapes and patterns of spouted pots, then<br />

hypothesized routes of propagation so as to determine<br />

a centre point. All very original, but his unique<br />

emphasis upon quantification went against the<br />

then-prevailing mainstream in Jomon studies that<br />

insisted on strict chronologies, and he found himself<br />

severely criticised for “flouting common sense”.<br />

Nakaya impulsively set out for Europe in hopes of<br />

learning new theories and methods in France, the<br />

leading country in paleology, in order to challenge<br />

the conservative ranks of Japanese academia. There<br />

to greet him at the Imperial Japanese Embassy<br />

in Paris was his own elder brother, experimental<br />

physicist Ukichiro Nakaya (1900–1962), who later<br />

succeeded in making the world‘s first artificial snow<br />

crystals and became a leading light in glaciophysics.<br />

At the time, however, Ukichiro was studying in<br />

London as a Japanese Ministry of Education-sponsored<br />

overseas researcher and had fared over to<br />

Paris just to meet his younger brother. Although<br />

their respective disciplines, physics and archaeology,<br />

were different, the fact that both Nakaya brothers<br />

came to Europe in earnest search of new directions<br />

in modern science tells us something about the<br />

aspirations of the Japanese scientific community<br />

in that era.<br />

Jiujiro Nakaya stayed in Paris a little under three<br />

short but fruitful years. Particularly noteworthy<br />

among the acquaintances he made during this<br />

sojourn was one Marcel Mauss (1872–1950), lecturer<br />

in social anthropology at the Collège de France.


Fig. 1 Tonfiguren der Jomon-Zeit<br />

Fig. 1 Jomon clay figurines<br />

konnte. Mauss zollte der morphologischen Jomon-Forschung, die<br />

Nakaya bereits in Japan unter Mühen aufgebaut hatte, Anerkennung<br />

und nahm den im Feuer intellektueller Begeisterung entbrannten<br />

Fremden aus dem fernen Japan freundlich unter seine Fittiche. Am<br />

deutlichsten zeigt sich die Fruchtbarkeit dieses Austausches in Jiujiro<br />

Nakayas auf Französisch geschriebenem Essay Die Tonfiguren des<br />

japanischen Neolithikums, der 1930 in der Zeitschrift Documents<br />

(Band 2, Nr. 1, S. 25–32) erschien.1 Obwohl nur recht kurz, werden<br />

in der Abhandlung die Tonfiguren der Jomon-Zeit in sechs Kategorien<br />

eingeteilt und deren typologische Entwicklung und regionale Besonderheiten<br />

beschrieben.<br />

Mit Nakayas Abhandlung, in der er unter anderem eine Verbindung<br />

zwischen der ungewöhnlichen Form und dem eigentümlichen spiralenförmigen<br />

Muster der Tonfiguren mit der Verehrung einer Muttergottheit,<br />

die die Fruchtbarkeit der Erde verkörperte, andeutet, wurden auch<br />

fünf Abbildungen jomonzeitlicher Keramiken abgedruckt, die jeweils<br />

eine ganze der großformatigen Seiten der Zeitschrift einnahmen;<br />

man kann davon ausgehen, dass diese ernsthafte Vorstellung jomonzeitlicher<br />

Keramik den Beginn der Auseinandersetzung mit diesem<br />

Thema in europäischen wissenschaftlichen Zeitschriften darstellte.<br />

Die Zeitschrift Documents, in der Nakayas Essay erschien, war eine<br />

Bastion des „ethnographischen Surrealismus“, der den absoluten<br />

Machtanspruch der Realität, auf dem die modernen westlichen Wissenschaften<br />

und Künste basierten, seiner Oberherrschaft beraubte und<br />

ihn mit der Integration der Realität als Teil des Ganzen konfrontierte,<br />

wie sie in außereuropäischen Denktraditionen zu finden war. 2<br />

Georges Bataille (1897–1962) stand im Zentrum der Redaktion von<br />

Documents, um die sich Georges-Henri Rivière (1897–1985), Marcel<br />

Griaule (1898–1956), Michel Leiris (1901–1990), André Scheffner (1895–<br />

1980), Robert Desnos (1900–1945) und schließlich Marcel Mauss als<br />

Verfasser sammelten. Wie der Untertitel der Zeitschrift (Archäologie,<br />

Kunst, Ethnologie und Vermischtes) zeigt, war sie ein überaus radikaler<br />

Schauplatz des „primitivisme“, der die unterdrückte Imagination,<br />

welche die zeitgenössische westliche Kunst auszeichnete, mit der Vorstellungskraft<br />

der „wilden“ Kulturen, mit der sich Archäologie und Ethnologie<br />

beschäftigten, konfrontierte.<br />

Das Erscheinen von Nakayas Essay in so einer Zeitschrift war mit<br />

Sicherheit von größerem Einfluss, als es Nakayas eigentliche Absicht<br />

gewesen war; in die bis dahin übliche Betrachtungsweise von jomonzeitlichen<br />

Keramiken als archäologisches oder naturkundliches<br />

„Material“ wurde das Element des künstlerischen Ausdrucks hinzugefügt<br />

und sie wurden erstmals über einen streng akademischen<br />

Kontext hinaus auch als künstlerische Inspirationsquelle dargestellt.<br />

Nakaya attended his lectures, and was soon captivated<br />

by the grand sweep of Mauss’ summative<br />

command of archaeology, anthropology and folklore<br />

(ethnology) – and if we read Ukichiro Nakaya’s<br />

memoirs, it was though Mauss‘ introduction that<br />

Jiujiro gained entry into French archaeological<br />

circles. Fully recognizing the import of the typological<br />

surveys of Jomon pottery Nakaya had conducted<br />

back home, Mauss warmly welcomed this<br />

étranger come burning with intellectual passion all<br />

the way from Japan. Perhaps the most emblematic<br />

result of this rapport was Nakaya‘s paper Figurines<br />

néolithiques du Japon published in Documents<br />

(vol. 2, no. 1, 1930) 1. Although brief, the treatise<br />

distinguished six types of Jomon clay figures,describing<br />

their morphological development and regional<br />

characteristics, and suggesting that their grotesque<br />

features and spiral patterns might relate to<br />

a mother goddess harvest-fertility cult; in addition,<br />

one whole page of the journal was given over to<br />

five illustrations of Jomon figurines. This is thought<br />

to have been the first real introduction to Jomon<br />

pottery ever to appear in a Western academic<br />

journal.<br />

The pages of Documents sounded a challenge to<br />

the Eurocentric reality assumed by modern Western<br />

science and art, its very consciously “ethnographic<br />

surrealist” focus heralding a new school of thought<br />

and the theoretics of other realities blossoming in<br />

non-Western cultures.2 With its editorship centred<br />

on writer Georges Bataille (1897–1962), and such<br />

contributors as ethnologists Georges-Henri Rivière<br />

(1897–1985) and Marcel Griaule (1898–1956),<br />

anthropologist Michel Leiris (1901–1990), ethnomusicologist<br />

André Shaeffner (1895–1980), poet<br />

Robert Desnos (1900–1945) and Marcel Mauss,<br />

the journal‘s masthead proclaimed “Archéologie,<br />

Beaux-Arts, Ethnographie, Variétés” clearly stating<br />

its archaeo-anthropological approach to the imaginative<br />

vision of “uncivilised” societies, a “primitivist”<br />

assault on the closed imagination of Western<br />

modern art.<br />

For Nakaya to have his Jomon figurine paper appear<br />

in that forum, apart from whatever intentions


In Documents erschienen in dieser Zeit neben zahlreichen archäologisch-<br />

und ethnologisch-ikonographischen Studien, deren Bogen sich<br />

über viele Stadien der Menschheitsgeschichte hinweg spannte (wie<br />

etwa Karl Einsteins (1885–1940) Forschungen über afrikanische<br />

Stammesskulpturen, Batailles’ Auseinandersetzung mit der keltischen<br />

Pferdeform, die auf vorchristlichen gallischen Münzen zu finden war,<br />

oder Leo Frobenius’ (1873–1938) Betrachtungen Rhodesischer Höhlenmalereien),<br />

auch Essays, die sich mit Künstlern wie Dalí, Miro, Picasso,<br />

Leger oder Masson beschäftigten. Gerade der neue Gedanke, dass<br />

erst durch diese Gegenüberstellung zeitgenössischer und „primitiver“<br />

Kunst die „Erstaunlichkeit der Realität“ in die moderne Kunst aufgenommen<br />

werden kann, war etwas, das die um Documents versammelten<br />

„ethnologischen Surrealisten“ gemeinsam hatten. Unter diesem<br />

Gesichtspunkt betrachtet, kann man sagen, dass Nakayas Essay<br />

über jomonzeitliche Keramik über den Inhalt der archäologischen<br />

Abhandlung hinweg vor allem durch die visuelle und ikonographische<br />

Novität der zahlreichen großformatigen Abbildungen von Gefäßen<br />

und Skulpturen eine über den akademischen Kontext hinausreichende<br />

Bedeutung erlangte.<br />

Die Keramik der Jomon-Zeit überschritt hier sozusagen sogar den<br />

regionalen Kontext „Japan“, um die Seiten von Documents als Sinnbild<br />

starker Formen, als eine der ästhetischen Inspirationsquellen<br />

der Menschheit, zu schmücken.<br />

2 Bis diese „ästhetische Qualität“ jomonzeitlicher Keramik – zumindest<br />

auf dem Gebiet der japanischen Kunst – aufgegriffen wurde,<br />

sollten allerdings noch über 20 Jahre nach dem Erscheinen von<br />

Nakayas Essay in Documents vergehen, bis der Maler Taro Okamoto<br />

die Jomon-Tonplastiken „wiederentdeckte“, die still in der Ecke eines<br />

Museums, wohin sie kommentarlos gestellt worden waren, vor sich hin<br />

verstaubten. Okamoto rühmte den ästhetischen Wert der ungestümen<br />

Energie jomonzeitlicher Kunst erstmalig in seinem 1952 erschienenen<br />

Essay Dialog mit der Vierten Dimension – Von der Keramik der Jomon-<br />

Zeit, was bis dahin in der traditionellen japanischen Ästhetik, die in der<br />

geradlinigen Anmut von „wabi sabi“ [elegante Einfachheit] schwelgte,<br />

beispiellos war und in Kunst- und Kritikerkreisen größtes Aufsehen<br />

erregte. Okamotos 1952 in der Februarausgabe der Kunstzeitschrift<br />

Mizue erschienene Abhandlung, in der sich seine Begeisterung zeigt,<br />

fängt mit folgenden Worten an: „Beim unvermittelten Anblick der<br />

ungestümen, ja disharmonischen Formen und Muster jomonzeitlicher<br />

Tongegenstände wird jeder zunächst zurückschrecken [...] [Bei]<br />

diesen ins Auge springenden Linienmustern, die da ineinander fließen,<br />

vorspringen und wieder absinken und im Kreis herum führen – dieses<br />

Gefühl der Spannung, wenn man trotzdem daran bleibt, und diese<br />

intensive Stimulation der Nerven[...] Es bringt einen Schock mit sich,<br />

Ryuta Imafuku 56 57<br />

Nakaya himself may have had, proved extremely<br />

provocative. Up until then, Jomon pottery and figurines<br />

had been mere “reference materials” for<br />

scientific study; for these “curiosities” to now transcend<br />

such staid academic contexts and be seen<br />

in the company of artworks as sources of creative<br />

inspiration was something new indeed. Around this<br />

same time Documents also published research by<br />

Carl Einstein (1885–1940) on African sculpture,<br />

Bataille‘s analyses of Celtic horse figures depicted<br />

on prehistoric Gallic coins and writings by Leo<br />

Frobenius (1873–1938) on cave murals. These<br />

ethno-pictographic studies on various stages of<br />

human history appeared alongside regular essays<br />

about painters like Dalí, Miro, Picasso, Leger and<br />

Masson. Obviously, the many “ethnographic surrealists”<br />

who contributed jointly to Documents all<br />

shared in the idea that only by such counterpoint<br />

of contemporary art and “uncivilised” art might<br />

these “startling realities” arrest the art consciousness<br />

of the day. In that sense, even more than the<br />

actual contents of Nakaya‘s archaeological argumentation,<br />

the sheer visual, pictorial strangeness<br />

of the full-page images of Jomon figurines had far<br />

greater impact than its scholarly import.<br />

By gracing the pages of Documents, Jomon figurines<br />

reached beyond the regional contexts of<br />

Japan toward a broader horizon as primal archetypes<br />

of human aesthetic imagination.<br />

2 Be that as it may, Jomon pottery did not attain<br />

“aesthetic appreciation”, at least not within Japanese<br />

art circles, until more than twenty years after<br />

Nakaya‘s paper appeared in Documents. Jomon<br />

shards still slept silently in museums, purely<br />

archaeological specimens awaiting “rediscovery”,<br />

utterly overlooked by the formalised aesthetic<br />

traditions of wabi “understatement”, sabi “patina”<br />

or miyabi “splendour”, until well after World War II<br />

when the painter Taro Okamoto first appreciated<br />

their bold energy in artistic terms in his controversial<br />

essay Jomon Pottery: Conversation with the Fourth<br />

Dimension (1952) published in the February 1952<br />

issue of the art magazine Mizue:


Fig. 2 Taro Okamoto,<br />

Schale aus der Jomon-Periode, 1974<br />

Fig. 2 Taro Okamoto,<br />

Bowl of Jomon Period, 1974<br />

der selbst mich, der ich ständig auf das Unfassbare, Übernatürliche<br />

als Substanz der Kunst hinweise, einen Schrei ausstoßen wollen lässt.“3<br />

Wie auch Toshiko Okamoto betont hat, hatte Taro Okamoto selbst<br />

den Begriff „Jomon“ [wörtlich: „Schnurmuster“] nicht gekannt, bis<br />

er zufällig bei der im November 1951 veranstalteten Ausstellung<br />

Die Vormoderne Japanische Kultur im Staatlichen Museum Tokio mit<br />

jomonzeitlichen Tonskulpturen in Berührung kam 4; der Begriff „Jomon“<br />

an sich, der heute ganz selbstverständlich verwendet wird, war<br />

damals ein nur vom kleinen Kreis der Archäologen benutzter Fachbegriff.<br />

Dementsprechend drang der Begriff „Jomon“ wie eine Flamme<br />

aus der Vergangenheit und, wie er selbst schreibt, „unvermittelt“<br />

und plötzlich in Okamotos Bewusstsein, und sein Verständnis der<br />

japanischen Geschichte wurde durch den schönen Anblick dieser<br />

erstaunlich disharmonischen Formen nachhaltig verändert. Dieser<br />

Augenblick von Okamotos Staunen und Begeisterung wird in seinem<br />

Essay Dialog mit der Vierten Dimension – Von der Keramik der<br />

Jomon-Zeit detailliert beschrieben. Wenn man daran denkt, dass der<br />

Begriff „Jomon“ im Allgemeinbewusstsein de facto nicht existierte,<br />

versteht es sich von selbst, dass man gefühlsmäßig überhaupt nicht<br />

darauf vorbereitet war, die Formen und Gestalten der Jomon-Keramik<br />

auf visueller und taktiler Ebene zu akzeptieren. Der Impakt, den<br />

Okamotos Essay hatte, bestand vor allem darin, dass er mit der aus<br />

dem Nichts der Unwissenheit der Japaner heraus erschienenen<br />

energetischen Schwertspitze dieser ungewöhnlichen Formen die<br />

selbstzufriedene Gegenwart der auf dem Berg der Tradition ruhenden<br />

„japanischen Kunst“ unsanft anstieß.<br />

Okamoto würdigte bei der Betrachtung dieser aus den Abgründen<br />

des Vergessens emporgestiegenen erstaunlichen Formen zunächst<br />

die Erforschung historischer Quellen oder Chronologien, wie es bei<br />

Archäologen üblich war, keines Blickes, sondern wollte sich durch die<br />

eigenen Augen und Hände, als in der modernen Gegenwart lebender<br />

Mensch, direkt mit den Tonplastiken auseinander setzen. Diese Vorgehensweise<br />

war von Okamotos Philosophie aus betrachtet, die das<br />

Konzept der Tradition vom Schema einer kontinuierlich verfolgten,<br />

festgelegten Norm der Vergangenheit zu befreien und im eigenen<br />

Selbst, im Jetzt Tradition neu zu erschaffen suchte, vollkommen selbstverständlich.<br />

Während Okamoto einerseits als Künstler von den<br />

Details dieser Tongefäße und -skulpturen angezogen wurde, zeichnete<br />

sich seine Betrachtungsweise auch durch seinen Versuch aus, sich in<br />

der Art des Anthropologen ein eigenes Bild vom Leben und vom<br />

spirituellen Gefüge der Menschen, die diese Gegenstände erschaffen<br />

hatten, zu machen. Er schrieb: „Die auffallenden Linien, die das augenscheinlichste<br />

Merkmal [der Keramiken] darstellen, breiten sich lebhaft<br />

und ungehemmt, ebenso wild wie träge, in alle Richtungen aus. Wenn<br />

man diese Linien verfolgt, so verwirren sie sich und lösen sich wieder;<br />

“To come upon them unprepared, the brute, inharmonious<br />

forms and patterns of Jomon pots would<br />

shock anyone[...] Vehemently overlapping, now<br />

rising, now falling, those swirling ridges. Again and<br />

again, their tension impresses so relentlessly. And<br />

moreover, the penetratingly pure sharpness of focus.<br />

Even I, who‘ve always held the eternal essence of<br />

art to consist in supernatural exhuberance, cannot<br />

help but cry out at their power.”3<br />

Until the November 1951 Ancient Japanese Culture<br />

Exhibition at the Tokyo National Museum where<br />

Taro Okamoto happened across some actual figurines,<br />

swears Toshiko Okamoto, Director of the<br />

Taro Okamoto Memorial Museum, the artist knew<br />

nothing at all about any “Jomon”;4 the very concept<br />

of jomon “rope patterns” now known to every schoolchild<br />

was at the time a technical term with narrow<br />

academic currency. According to his own words,<br />

Okamoto was truly “unprepared” for these flaming<br />

shapes that burst upon him from the distant past ,<br />

their amazing imbalanced beauty utterly shaking<br />

his notions of history. Okamoto‘s essay is an un-<br />

abashed testimony to the shock and excitement<br />

he felt that moment; therein he admits that he<br />

had neither the knowledge nor the visual or tactile<br />

sensibilities to absorb the shapes and forms of<br />

the Jomon pots there before him. The impact of<br />

Okamoto‘s essay, moreover, came as a sword thrust<br />

from out of a blank in the awareness of most Japanese,<br />

a stab of resilient “immediacy” through the<br />

illusory conventions of “Japanese aesthetics” that<br />

rested solely on tradition.<br />

Faced with these startling forms revived from the<br />

abyss of oblivion, Okamoto did not even bother<br />

to examine the attributed datings or chronologies<br />

established by the archaeologists; all eyes, he went<br />

right to the pieces themselves. Physically liberated<br />

from the idea of tradition as a fixed straight line<br />

schematic continuing from the past, it was perfectly<br />

natural that Okamoto now saw himself via<br />

his own distinctive subjectivity as creating tradition<br />

in the present. Okamoto‘s artistic perceptions were<br />

drawn to details of the pottery shapes, just as his<br />

ethnographic impulse was to imagine the behav-


sie scheinen in einem Chaos zu versinken, nur um dann unvermittelt<br />

wieder aufzutauchen: Sie gehen durch alle Verstrickungen hindurch<br />

immer weiter, kehren endlos in sich selbst zurück, um wieder zu<br />

entfliehen. Während die Muster Yayoi-zeitlicher Tongegenstände von<br />

sanfter Harmonie sprechen, erzählen die der Jomon-Epoche eindeutig<br />

von den Abenteuern eines ständig umherziehenden Volkes. Darüber<br />

hinaus ist das, was einen auf seltsame Weise aus der Fassung bringt,<br />

diese kaum zu glaubende Asymmetrie der ganzen Form, die eine<br />

Disharmonie, aber auch eine Dynamik in sich birgt; einen Ausdruck,<br />

der oftmals Grenzen durchbricht: Der geneigte Betrachter, der eine<br />

asymmetrische Seite als Ausgangspunkt bestimmt, wird sich zweifellos<br />

bald vom Bedürfnis getrieben sehen, um die ganze Skulptur herumzuwandern,<br />

während er den Linien nachgeht. Überhaupt, was für ein<br />

ungeheures Bild mag sich durch so eine Änderung der Betrachtungsposition<br />

ergeben?<br />

Da gibt es erhabene Wölbungen. Wenn man den trägen, dicken Linien<br />

des Musters mit den Augen folgt, tanzen sie in die Höhe und wirbeln<br />

umher, stürzen plötzlich wieder hinunter, schlängeln sich nach links<br />

und nach rechts, bevor sie kopfüber in die Tiefe stürzen. Dann beschreiben<br />

sie einen geradezu unmöglichen Bogen nach oben und kriechen,<br />

seltsame Bögen schlagend, wieder hinauf; sie schneiden hoch oben<br />

asymmetrisch in die Oberfläche, nur um dann seelenruhig wieder auf<br />

ihren ursprünglichen Kurs zurückzukehren.<br />

Man fragt sich, ob eine solch unfassbare, sinnlose und unästhetische<br />

Ästhetik, die noch dazu das Bewusstsein ihres Betrachters von unten<br />

nach oben kehrt und umkippen lässt, jemals in der Kunstgeschichte<br />

dieser Welt gesehen worden ist.“5<br />

Es gibt wohl niemanden sonst, dem es so gut gelungen ist, in Worte<br />

zu fassen, wie die Jomon-Keramik ihren Betrachter zum Sehen mit<br />

den Augen und dem ganzen Körper auffordert: Wo Okamoto, die<br />

eigenen Augen von der pulsierenden Dynamik der Bewegung dieser<br />

Linienmuster angezogen, im wortwörtlichen Sinn um die Tonplastiken<br />

herumwandert, kann inmitten dieser Bewegung die Substanz der<br />

Kultur, die diese Gegenstände hervorgebracht hat, erahnt werden.<br />

Okamoto fing nach dem Moment seiner Wiederentdeckung der Jomon-<br />

Zeit an, wie besessen Fotos von den Tongefäßen und -skulpturen<br />

dieser Epoche zu machen. Unzufrieden mit der bisherigen ikonographischen<br />

Darstellungsweise bei der Fotografie von Fundstücken der<br />

Jomon-Zeit, bei der das Objekt gleichmäßig ausgeleuchtet wurde und<br />

die Fotografien entsprechend monoton wirkten, blendete er das Licht<br />

von einer Seite ab und erreichte so einen besseren Kontrast, ohne<br />

sich darum zu sorgen, dass dadurch die feinen Muster in manchen<br />

Ryuta Imafuku 58 59<br />

iour patterns and mental makeup of the flesh-andblood<br />

persons behind the objects. Okamoto writes:<br />

„The ridge patterns that so singularly characterise<br />

Jomon pottery race and dance over the surfaces,<br />

now pointed, now blunt, vertical to horizontal.<br />

Following these lines, we see them unravel, sink into<br />

confusion, boldly surface, knit past every possible<br />

accident, then slip away to infinity. Unlike the quiet,<br />

contained balance of Yayoi pottery patterns, here<br />

then are the adventures of a people on the move.<br />

Moreover, the most shocking thing of all is the<br />

incredible asymmetry of overall form. The dissonance,<br />

the dynamism, as if to break all barriers of<br />

expression. Starting from any one asymmetric<br />

face, the viewer feels an uncontrollable urge to circle<br />

the pot, only to discover by moving around that<br />

the unfolding imagery exceeds all imagining.<br />

A mound wells up. The eye rides along a thick ridge<br />

only to pull short into a spiral. Suddenly descending,<br />

it dodges left and right, squirms two times, three<br />

times, then falls straight down. Whereupon it<br />

decides to shoot up at an impossible angle, tracing<br />

a strange arc as it climbs. Until it gouges in high<br />

relief through the imbalanced face, then placidly<br />

resumes its course.<br />

Indeed, in the whole history of world art could there<br />

possibly be any vision of beauty so senseless or<br />

anti-aesthetic, yet capable of wresting up the viewer‘s<br />

awareness by the very roots?”5<br />

There could hardly be a more movingly apt description<br />

of how the forms and dynamic of Jomon pottery<br />

invite active viewer perusal. For as Okamoto saw<br />

himself drawn into the dizzying dynamic of the<br />

raised line patterns and how they incited him to<br />

literally circle around these pots, he intuitively “read”<br />

in it the migratory ethos of the Jomon culture that<br />

created them.<br />

From the moment of this initial discovery, Okamoto<br />

began taking photographs of Jomon pots and figuines<br />

as if possessed. Bored with the usual flat<br />

floodlit “photographic evidence” taken by scientists<br />

to illustrate their reconstructive analyses of Jomon<br />

pottery, he instead spotlighted them from a single


Fig. 3 Taro Okamoto,<br />

Krug aus der Jomon Period, 1956<br />

Fig. 3 Taro Okamoto,<br />

Jar of Jomon Period, 1956<br />

Teilen der Gegenstände im Schatten verschwanden; vielmehr stellen<br />

Okamotos Jomon-Fotografien, in denen er danach strebte, die bewegte<br />

und lebhafte Komponente der Handarbeit durchkommen zu lassen,<br />

eine hervorragende plastische und schöpferische Auseinandersetzung<br />

mit der Jomon-Keramik dar, mit dem Ziel, die neue Dimension, die<br />

diese Tongegenstände in sich bargen, sichtbar zu machen.<br />

Nach Okamotos dichter, sechs Seiten langer Abhandlung in Mizue,<br />

kamen noch acht Seiten mit mitreißenden, ganzseitigen Fotos von<br />

Jomon-Keramiken. Für diese Fotos bediente sich Okamoto offenbar<br />

eines professionellen Fotografen, der nach der Vorlage der von<br />

Okamoto selbst gemachten Bilder dieselben Gegenstände in derselben<br />

Komposition noch einmal ablichtete.6 Damit die Bilder nicht so platt<br />

wie herkömmliche Fotos von Fundstücken wurden, sondern die von<br />

ihm entdeckte „unmögliche“, unheimliche Energie auf den Film gebannt<br />

würde, ließ Okamoto den Fotografen immer und immer wieder neue<br />

Bilder machen. Als ein Ergebnis dieser Bemühungen waren die in<br />

Mizue abgedruckten Fotos, in denen die charakteristischen Schnurmuster<br />

auf geradezu groteske Weise aus dem schwarzen Schatten<br />

aufzutauchen schienen, völlig anders als etwa Abbildungen jomonzeitlicher<br />

Gefäße und Skulpturen in Bilderlexika oder wissenschaftlichen<br />

Abhandlungen. Obwohl die zuvor in Documents erschienenen Abbildungen<br />

als visuelle Stimulanzen großen Anklang fanden, kann man<br />

nicht sagen dass die Bilder das Gebiet der bisherigen Fotografie von<br />

Fundstücken hinter sich gelassen hatten, und insofern gibt es hier<br />

einen großen Unterschied zu Okamotos Essay und Fotos, durch welche<br />

die Jomon-Keramik wohl erstmals eine neue Formendimension der<br />

Körperlichkeit in bildlichem Ausdruck vor die Menschen bringen konnte.<br />

Allerdings war Okamoto selbst mit seinen in Mizue erschienenen<br />

Fotos nicht zufrieden; wie besessen, hörte er nicht auf, Fundstellen,<br />

Museen und Universitäten zu besuchen, um seine Schnurmuster-<br />

Fotografie weiterzuführen. Man übersieht dabei leicht, dass beispielsweise<br />

gerade von den von Okamoto so hoch geschätzten Flammen-<br />

keramiken der mittleren Jomon-Zeit kaum vollständig erhaltene oder<br />

restaurierte Exemplare existierten; ein Großteil von Okamotos fotografischen<br />

Aktivitäten beschränkte sich also auf die Aufnahme von<br />

den im ganzen Land verstreuten Bruchstücken. Nichtsdestotrotz<br />

verfolgte er die Muster und Bewegtheit der Bruchstücke mit dem ihm<br />

eigenen Blick und konnte durch sein erstaunliches Gespür für Form<br />

ein stimmiges Gesamtbild jomontypischer Formen zeichnen: Okamotos<br />

Fotografien erzählen von einem Abenteuer des Formensinns, bei dem<br />

die heutigen Menschen, deren Vorstellungskraft durch eine sich durch<br />

Asymmetrie und Disharmonie in einer inneren Balance befindlichen<br />

Gesamtform überfordert ist, eine andere Art von Fantasie mobilisieren,<br />

um den Abgrund der Imagination, welche die jomonzeitliche Ästhetik<br />

darstellt, zu überbrücken.<br />

light source in chiaroscuro fashion, not minding<br />

that portions of the pattern details were cast in<br />

shadow, but rather hoping to bring out hidden<br />

traces of human “handcrafting”. As such, Okamoto‘s<br />

wonderfully textural Jomon photographs were<br />

works of art in themselves, rendering visible a new<br />

flowing formative dimension to the pottery.<br />

In that same issue of Mizue, after his compressed<br />

six-page text, the magazine featured eight pages of<br />

full-page images of Jomon pots and figurines, along<br />

with Okamoto‘s apologia that he‘d sought a professional<br />

photographer to re-shoot the compositions<br />

from his photos.6 Okamoto said he repeatedly told<br />

the photographer that he wanted the images accompanying<br />

his article to show their “nasty” intense<br />

energy; in the end Mizue ran Okamoto‘s moody<br />

monochromes, the modelled clay patterns highlighted<br />

grotesquely against a dark background, a<br />

far cry from the typical encyclopaedia or scientific<br />

thesis illustrations. Likewise, compared to the “old<br />

school” ethnographic photographs in Documents,<br />

here were Jomon pieces revealed as sculptural<br />

forms for the very first time.<br />

Even so, Okamoto himself was not satisfied; he<br />

kept frequenting archaeological sites, museums<br />

and universities around the country taking his own<br />

photos of Jomon pottery. Today, we are likely to<br />

overlook the fact that at the time virtually no single<br />

example of Okamoto‘s much-praised mid-Jomon<br />

period low-fire earthenware existed in fully reconstructed<br />

form. Accordingly the majority of<br />

Okamoto‘s photographic subjects were mere shards<br />

from scattered localities. Nonetheless, Okamoto‘s<br />

genius allowed him to see through such fragmentary<br />

patterns to correctly grasp the swirling Jomon<br />

shapes in their entirety. Okamoto‘s photographs<br />

of Jomon pottery speak to us of different powers<br />

of imagination to our own, filling the blank of<br />

Jomon aesthetics with an overall picture of startling<br />

balance in asymmetry and dissonance, a<br />

veritable adventure in formative sensibilities.<br />

Okamoto called this new dimension in formative<br />

sensibilities the “fourth dimension”, a term he uses<br />

interchangeably with “magic”.


Diese neue Dimension des Formensinns wird von Okamoto als „vierte<br />

Dimension“ bezeichnet, wobei er sich mitunter auch des Ausdrucks<br />

„Magie“ bedient.<br />

3 Bevor wir uns näher mit diesem aufrüttelnden Begriff der „vierten<br />

Dimension“ auseinander setzen, mag es von Wert sein, sich zuerst<br />

mit dem Grundgedanken von Okamotos Betrachtungsweise der<br />

„Entdeckung“ der Schnurmuster zu beschäftigen. Um dies zu tun,<br />

müssen wir zunächst auf die zehn Jahre zurückblicken, die Okamoto<br />

vom Alter von 19 bis 29 Jahren in Paris verbracht hat.<br />

Genau in jenem Jahr, als Jiujiro Nakayas Essay über die Jomon-<br />

Keramik in der vom Kreis um Bataille herausgegebenen Zeitschrift<br />

Documents erschien (Anfang 1930), kam Okamoto über Marseille<br />

nach Paris und eröffnete ein grafisches Atelier in Montparnasse. Bald<br />

begann sich ein intensiver freundschaftlichen Kontakt zu den Malern<br />

und Dichtern um Surrealisten wie Picasso, Arp, Ernst, Breton oder<br />

Aragon zu entwickeln.<br />

Okamotos Werk Kukan (Raum), das 1932 im Rahmen einer Vernissage<br />

des Salón Surindependant ausgestellt wurde, erhielt als ambitionierte,<br />

surrealistische Konstruktion aus Tuch und Stangen Anerkennung;<br />

sein in die erste internationale Surrealismus-Ausstellung in Paris 1938<br />

aufgenommenes Werk Beklagenswerte Arme erhielt mit seiner kühnen<br />

Gegenständlichkeit größten Beifall als Abschied von einer auf reine<br />

Form beschränkten abstrakten Kunst. Während Okamoto sich allerdings<br />

intensiv in solch avantgardistische Kunst vertiefte, suchte er<br />

gleichzeitig die Beschränktheit der „Kunst um der Kunst willen“ hinter<br />

sich zu lassen und begann, sich an der Universität von Paris intensiv<br />

mit Philosophie und Ethnologie zu beschäftigen. Besonders erwähnenswert<br />

ist hier sein Besuch des Forschungskurses für Ethnologie (1938–<br />

1939) an der Sorbonne und von Marcel Mauss’ Vorlesungen wie auch<br />

des Collège de Sociologie, dessen Vorsitzender Georges Bataille war.<br />

Durch Mauss’ Vorlesungen erweiterte sich Okamotos ethnologischer<br />

Horizont, und nichts spornte ihn so sehr an wie das Musée de<br />

l‘Homme, das 1937 auf dem Grund der Weltausstellung von Paris<br />

eröffnet wurde. In diesem völkerkundlichen Museum waren Fundstücke<br />

und Gegenstände aus zahlreichen Gebieten der Erde, wie Asien, Afrika,<br />

Ozeanien oder dem nördlichen Polarkreis, anzutreffen, die sich dort,<br />

wie Okamoto es beschrieb, „strahlend aneinanderdrängten“7. Ethnologie,<br />

wie Okamoto sie verstand, musste bei diesen Zeugnissen einer<br />

unverwüstlichen materiellen Kultur dieser Stammesgesellschaften<br />

ansetzen; sie erlangten erst durch die lebendige, fühlbare Gegenständlichkeit<br />

der von ihnen geformten Dinge Realität. Okamoto versenkte<br />

sich tief in die häufig im Musée de l‘Homme abgehaltenen Vorträge<br />

Ryuta Imafuku 60 61<br />

3 Before entering into discussion of Okamoto‘s<br />

provocative concept of a “fourth dimension”, we<br />

should perhaps consider the underlying foundations<br />

building up to his “discovery” of Jomon culture.<br />

To do this we must backtrack to the ten years Taro<br />

Okamoto spent studying in Paris between the ages<br />

of 19 and 29. Disembarking in Marseilles in early<br />

1930, the very same year that Jiujiro Nakaya‘s<br />

paper on Jomon pottery appeared in Bataille‘s<br />

Documents, the young painter made straight for<br />

Paris and an atelier in Montparnasse; soon he‘d<br />

entered the Surrealist milieu, befriending artists<br />

and poets like Picasso, Arp, Ernst, Breton and<br />

Aragon.<br />

Okamoto‘s entry in the 1932 Salón Surindependant,<br />

an ambitious abstraction in cloth and rods entitled<br />

Kukan (Space), was well-received; and again in<br />

the 1938 Exposition internationale du Surréalisme<br />

in Paris, his much-acclaimed Itamashiki Ude<br />

(Wounded Arm) bid a boldly representational farewell<br />

to formalist abstract art. Yet even as Okamoto<br />

immersed himself in Parisian avant-garde circles,<br />

he also pursued real university studies in philosophy<br />

and ethnology at the Sorbonne in an effort to break<br />

out of the closed world of “art for art‘s sake”. Two<br />

noteworthy consequences of his academic specialisation<br />

in ethnology from 1938 to 1939 were that<br />

he attended lectures by Marcel Mauss and also participated<br />

in the Collège de Sociologie led by Georges<br />

Bataille.<br />

Awakened to ethnology by Mauss‘ lectures held at<br />

the Musée de l‘Homme newly established in 1937<br />

on the site of the Exposition Universelle et Internationale<br />

de Paris 1900, Okamoto could not fail<br />

to be excited by the Museum‘s massive collections<br />

of “vibrant, shimmering”7 (Okamoto) ethnological<br />

materials from Asia, Africa, the South Pacific, the<br />

Arctic, all reaches of the globe. To Okamoto, the<br />

very idea of ethnology was given palpable reality<br />

by the vivid shapes and forms of these objects<br />

rooted in the solid material cultural traditions of<br />

tribal societies. Likewise, he was impressed by<br />

Mauss‘ thesis put forth in his Esquisse d‘une théorie<br />

générale de la magie (A General Theory of Magic,


Fig. 4 Taro Okamoto untersucht<br />

„guso“, Freiluftgräber auf der Insel<br />

Kudaka, Okinawa<br />

Fig. 4 Taro Okamoto, investigating<br />

“guso”, open-air burials in Kudaka<br />

Island, Okinawa<br />

von Mauss; durch Werke wie Esquisse d‘une théorie générale de la<br />

magie (Beschreibung einer allgemeinen Theorie zur Magie; 1904) 8<br />

oder Essai sur le don (Abhandlung über das Schenken; 1925) 9<br />

versuchte Mauss, der „kollektiven Kraft“, die in menschlichen Gesellschaften<br />

wirkt, über die Betrachtung magischer Symbole und Vorstellungen<br />

nachzugehen; durch die Analyse des in den Bräuchen von<br />

Stammesgesellschaften bewahrten „ganzheitlichen Systems“ der<br />

menschlichen Gesellschaft und der Mechanismen seiner Integration,<br />

suchte er nach den universellen Möglichkeiten der menschlichen<br />

Existenz, die durch Betrachtung eines einzelnen Fragments des Lebens<br />

der Menschen niemals verstanden werden können. So gesehen war die<br />

Ethnologie, die durch Mauss erstmals nachhaltig in die akademische<br />

Welt eingebracht wurde, mit ihrer Entwicklung einer Lehre der separaten<br />

Erforschung von Stammeskulturen bereits zukunftsweisend;<br />

sie barg die Möglichkeiten einer Synergie, indem sie Anthropologie<br />

mit Philosophie gleichsetzte; diese Zielsetzung von Mauss’ Ethnologie<br />

war es auch, die Okamoto als Künstler überaus berührte:<br />

Er fand in Mauss’ ethnologischer Vorgehensweise, Subjektivität und<br />

persönliche Gefühle zu eliminieren, um sich einem konkreten Objekt<br />

ohne Umschweife zu nähern, dieser Entschlossenheit, auf möglichst<br />

funktionale Weise die Bedeutung von Taten und Gedanken der<br />

Menschen zu durchblicken, das Gegenteil zu seiner bisherigen Vorgangsweise<br />

künstlerischer Schöpfung. Gleichzeitig, je mehr er über<br />

die unterschiedlichen dynamischen Aspekte der „ganzheitlichen<br />

gesellschaftlichen Realität“ (Mauss), mit der die Ethnologie sich beschäftigte,<br />

lernte, war Okamoto fest davon überzeugt, dass hier eine<br />

Verbindung zum Konzept des mystisch-zeremoniellen Wesens der<br />

Schöpfung von Kunst existierte, das ihm vorschwebte, wobei er diese<br />

innere Überzeugung von Mauss’ Schlüsselbegriff der „Magie“, der<br />

für Okamoto große Bedeutung erlangen sollte, bestätigt fühlte. Im<br />

„Magie“ genannten Mechanismus fand Okamoto die Urfunktion der<br />

künstlerischen Tätigkeit darin, die Natur des Übernatürlichen auf die<br />

Widersprüche und das Chaos der Menschen wirken zu lassen und<br />

inmitten der Gesamtheit des Kosmos zu vermitteln und zu vereinen.<br />

Hinter Okamotos eigentlich zufälliger Entdeckung der Jomon-Gefäße<br />

im Museum steht die Nachwirkung des Einflusses der „ethnologischen“<br />

Welt auf die Denktradition, mit der Okamoto in Berührung zu kommen<br />

suchte, als er in Paris das Musée de l’Homme häufig besuchte; seine<br />

Anschauung kann man wohl als ethnologische Sichtweise, die sich<br />

der „Magie“ als Vermittler bedient, bezeichnen. Auf die Wirkungsweise<br />

der von Mauss’ Ethnologie aufgezeigten „magischen“ Mentalität reagierte<br />

Georges Bataille noch weitaus stärker als Okamoto, mit dem<br />

ihm ein intensiver Gedankenaustausch verband. Wenn man sich vor<br />

Augen hält, dass die vom Kreis um Bataille herausgegebene Zeit-<br />

1904) 8 and Essai sur le don (The Gift: The Form<br />

and Reason for Exchange in Archaic Society, 1925) 9<br />

that by investigating magical emblems and symbols<br />

we might better understand the “collective forces”<br />

at work in human society, that by analysing the<br />

cohesive “total system” social mechanisms still kept<br />

alive in the customs of tribal societies, we might<br />

elucidate greater possibilities not readily apparent<br />

to anyone focusing only on fragmented individual<br />

aspects of life. In this sense, having introduced<br />

new norms to French academia, Mauss‘ “ethnology”<br />

transcended prevailing currents of scholarship<br />

dedicated to researching tribal societies one by<br />

one, toward a more holistic philosophical approach<br />

imbued with cumulative interdisciplinary possibilities.<br />

It was this direction that catalysed such a keen<br />

reaction in Okamoto the artist.<br />

Braced by the rigorous purity of ethnology’s mission<br />

to elucidate human thought and behaviour in strictly<br />

functional terms by rejecting all subjective feelings<br />

and focusing of concrete realities, Okamoto found<br />

principles of thought the diametric opposite of the<br />

act of artistic creation. Yet at the same time, the<br />

more Okamoto appreciated the dynamics of the fait<br />

social total (“total social fact”, Mauss) which ethnology<br />

claimed as its realm of study, the more firmly<br />

convinced he became that he was in touch with a<br />

secret inner essence to which the “artistic act”<br />

aspired. Moreover, Mauss’ key concept of “magic”<br />

proved the ideal notion to back up Okamoto’s<br />

intuitive convictions, for within those mechanisms<br />

called “magic” he saw the same core quest to<br />

unify and mediate a cosmic totality via art as the<br />

urge to prevail upon human contradiction and chaos<br />

by psycho-supernatural means.<br />

Thus, behind his seemingly accidental 1952 “discovery”<br />

of Jomon pottery in a Japanese museum,<br />

Okamoto was still recoiling from all he had seen<br />

at the Musée de l’Homme. It necessarily coloured<br />

his thinking to the point that he assumed what<br />

we might call a “magical” ethnologic vision, which<br />

he brought to bear most keenly upon his profound<br />

exchange with Georges Bataille. Moreover, considering<br />

it was Bataille’s Documents that staged the


schrift Documents den erstmaligen Schauplatz des radikalen Versuches<br />

darstellte, die Ästhetik der zeitgenössischen Kunst mit der Welt<br />

der Ethnologie in Berührung zu bringen, gab es im Zusammenhang<br />

mit Jomon-Keramiken interessante Übereinstimmungen: So barg<br />

Jiujiro Nakayas Essay über Jomon-Plastiken in Documents und die<br />

Auswirkung der späteren „Entdeckung“ der Jomon-Gefäße durch Taro<br />

Okamoto kontinuierlich genau jene Unbewusstheit des Selbst, jenen<br />

Sinn für Magie, an der die zeitgenössische Kunst Interesse hatte. Die<br />

Bestätigung, dass das hinter der Jomon-Entdeckung von Okamoto<br />

stehende Gedankenprinzip, das von Mauss und Bataille als „Magie“<br />

aufgegriffen worden war, in intensivem Zusammenhang mit Okamotos<br />

kultureller und ästhetischer Klassifizierung der Jomon-Keramik steht,<br />

bietet uns eine Gelegenheit, dieses Prinzip losgelöst vom Kontext des<br />

„Japanischen“ zu betrachten.<br />

4 Gehen wir noch einmal zu Okamotos Betrachtung der Jomon-<br />

Keramik zurück und verfolgen wir seine Gedanken weiter. Er schreibt:<br />

„Ich habe die Räumlichkeit [dieser Keramiken] betont. Wenn man<br />

sie allerdings nur als dreidimensionale Körper, vom ikonographischen<br />

und ästhetischen Standpunkt her bewundert, ist dies eigentlich wiederum<br />

eine recht naive, moderne Anschauungsweise. Vielmehr kann<br />

man ein präzises Verständnis dieser Kultur nur erlangen, indem man<br />

das seltsam geformte Mysterium, das diese Keramiken darstellen,<br />

konfrontiert, und ihre Vierdimensionalität, die über eine oberflächliche<br />

Betrachtung des Greifbaren hinausreicht, kontempliert. Denn es ist<br />

genau dort, dass die wahre Gestalt dieser Keramiken sich auf lebendige<br />

Weise offenbart.“10<br />

Während Okamoto so argumentiert, weist er – auf die von Mauss<br />

und Emile Durkheim (1857–1917) aufgezeigte religiöse (was hier mit<br />

magisch gleichzusetzen ist) Natur primitiver Gesellschaften aufbauend<br />

– auf die magischen Praktiken der Jomon-Kultur zur Beschwörung<br />

diverser Tier- und Pflanzengeister hin, die im Zentrum der spirituellen<br />

Weltsicht dieser auf Jagd basierten Gesellschaft standen. „Das materielle<br />

wie auch das spirituelle Leben stützte sich voll und ganz auf die<br />

Urreligion; gerade so, wie die schöne Form heutzutage gänzlich vom<br />

kapitalistischen Produktionsstil diktiert wird, war in früheren Zeiten<br />

die Religion von ähnlich bestimmender Bedeutung.<br />

Man muss sich vor Augen halten, dass nicht nur Tonskulpturen oder<br />

-tafeln, sondern auch Alltagsgegenstände wie Gefäße, bis hin zum<br />

Muster, einer strengen Ideologie unterliegen. Dass das Hauptaugenmerk<br />

dabei nicht nur auf dem praktischen Gebrauch der Gegenstände<br />

gelegen hat, wird beim Anblick der Formen deutlich. Es ist aber ebenso<br />

klar, dass diese komplizierten und überaus mysteriösen Schnurmuster<br />

Ryuta Imafuku 62 63<br />

first and most radical meeting of modern art aesthetics<br />

and ethnology, a mysterious aura hovered<br />

about Jomon pottery; that is to say, Taro Okamoto’s<br />

“discovery” of Jomon pottery coming almost too<br />

coincidentally after Jiujiro Nakaya’s paper on Jomon<br />

figurines in Documents subsequently served to<br />

intensify modern art interests in the magical sensibilities<br />

of the unconscious. And as if to acknowledge<br />

the Mauss-Bataille “magic” connection underlying<br />

Okamoto’s thesis, his placing of Jomon pottery in<br />

the cultural-aesthetic sphere gave us a major deviation<br />

from accepted contexts and notions of “things<br />

Japanese”.<br />

4 Returning once again to the essay Jomon<br />

Pottery: Conversation with the Fourth Dimension,<br />

Okamoto presents the central thrust of his argument<br />

as follows: “I have emphasized their [Jomon<br />

pottery’s] spatiality. To be sure, if we feel compelled<br />

to appreciate them via sculptural aesthetics<br />

simply as three-dimensional forms, that is plainly<br />

a modern-day idea. Rather we should notice the<br />

weird mystic spirituality to these pots, for unless<br />

we consider their fourth-dimensional character<br />

transcending superficial reality, we will never understand<br />

this culture. Indeed, herein shines the true<br />

greatness of Jomon pottery.”10<br />

Okamoto’s argument rests on the logic of a primitive<br />

religious-magical mentality as posited by Emile<br />

Durkheim (1857–1917) and Marcel Mauss; on that<br />

basis he asserts that the spiritual life of the primarily<br />

hunter-gatherer Jomon culture must have largely<br />

consisted in magically summoning the spiritual<br />

powers of various plants and animals: “Their entire<br />

material and spiritual life was supported by primitive<br />

religion. In just the same way that all today’s<br />

modes of capitalist production are governed by<br />

standards of beauty, here everything had religious<br />

meanings. The clay figurines and plaques, of<br />

course, but even everyday utilitarian wares show<br />

forms and patterns that must be considered embodiments<br />

of deep, determined ideologies. It should<br />

be immediately apparent from the shapes that they<br />

were not principally concerned with practical use.


Fig. 5 Taro Okamoto,<br />

„Guso“, Insel Kudaka,<br />

Okinawa, 1966<br />

Fig. 5 Taro Okamoto,<br />

“Guso“, Kudaka Island,<br />

Okinawa, 1966<br />

nicht einfach nur – wie es heutzutage üblich ist – Kunst um der Kunst<br />

willen gewesen sein kann und nur aus ästhetischem Antrieb heraus<br />

geschaffen wurden. Sie sind in höchstem Maße religiös, sie haben<br />

eine magische Bedeutung; anders gesagt, streben sie in Richtung<br />

Vierdimensionalität.“11<br />

Wie auch aus dieser Aussage deutlich hervorgeht, ist die „Vierdimensionalität“,<br />

die Okamoto hier anspricht, ganz klar mit „Magie“ gleichzusetzen.<br />

Warum er diesen Ausdruck verwendete, liegt eindeutig darin<br />

begründet, dass er seine Sichtweise, die im Gegensatz zu der in der<br />

Kunst üblichen Betrachtungsweise eines Objektes, die auf der Wahrnehmung<br />

seiner Dreidimensionalität beruhte, diese systematische<br />

Betrachtungsweise durch eine zusätzliche spirituelle Dimension (das,<br />

was Okamoto „strenge Ideologie“ nennt) zu überschreiten suchte,<br />

zum Ausdruck brachte. Durch die Verwendung der „vierten Dimension“<br />

als begrifflich gemachte Transzendenz der körperlichen dritten Dimension,<br />

konnte sich Okamoto der magischen Dimension, die den Dingen<br />

eigen ist, annähern.<br />

Okamoto, der auf diese Weise die erstaunliche Mystik, welche die<br />

Formen jomonzeitlicher Keramik in sich birgt, unter Berufung auf eine<br />

ethnologische Ästhetik zu lösen versucht, verweist wiederum auf den<br />

französischen Soziologen Lucien Lévy-Bruhl (1857–1939), der den<br />

Begriff der „Teilhabe“ in den Diskurs über die Mentalität der Primitiven<br />

einbrachte: „Diese Mystik ist ganz gewiss nicht die Art von Mystik,<br />

die wir heute unter diesem Begriff verstehen. In primitiven Gesellschaften<br />

ist die Welt des Sichtbaren mit der Welt des Unsichtbaren<br />

eng und ohne Unterbrechung verbunden; was Lévy-Bruhl als ‚Gesetz<br />

der Teilhabe’ bezeichnet, also der Glaube, dass ein Mensch gleichzeitig<br />

beispielsweise ein Känguru ist, birgt keinen Widerspruch, sondern ist<br />

als primitive Denkweise in sich völlig logisch. Ein Bär, also ein Beutetier,<br />

mag auch ein Stein, eine Skulptur oder ein Mensch sein (oder<br />

sogar ein abstraktes Ding). Für den Primitiven gibt es daran keinerlei<br />

Zweifel. Dementsprechend kann er, um den Bären zu fangen, diesen<br />

Stein oder jene Skulptur mit einem Zauber belegen. In unserem<br />

Denken muss, damit beispielsweise ein Bär auch ein Stein sein kann,<br />

eine vermittelnde mystische Instanz herhalten. Für den Primitiven<br />

allerdings handelt es sich nicht um so eine Form von Mystik: Kurz<br />

gesagt handelt es sich um eine direkte Verbindung, die keine vermittelnde<br />

Instanz benötigt. Wenn man diese Weltanschauung erweitert,<br />

so scheint es gewiss, dass die Muster der Jomon-Zeit in weitaus<br />

konkreterer und realitätsbezogener Weise mit bestimmten Dingen in<br />

Verbindung stehen [...] Man kann das geistige Motiv, das am Grunde<br />

dieses wilden, zähen, mystischen Schönheitsempfindens liegt, klar<br />

und deutlich erfassen: die der Lebensweise als Jäger an sich eigene,<br />

tragische vielfacettierte Spiritualität und Ambivalenz.“12<br />

Nor are those strange and complicated Jomon<br />

rope patterns the product of mere aesthetic awareness<br />

as with today’s art for art’s sake creations,<br />

certainly not. Therein lie intense religious and magical<br />

meanings, or rather a view toward the fourth<br />

dimension.”11<br />

As should be clear from these remarks, Okamoto’s<br />

“fourth dimension” ultimately comes down to<br />

“magic”. He adopts this turn of phrase in order to<br />

strike a contrast to the realm of art where threedimensional<br />

objets d’art are to be viewed as complete<br />

in themselves; rather, Okamoto wants to say,<br />

the very same moulded objects carry intimations<br />

within their material substance suggestions of<br />

embodying a spirituality (Okamoto’s “determined<br />

ideologies”) that transcend the dimensions of<br />

conventional viewing space. Applying the concept<br />

of a “fourth dimension” beyond the object’s three<br />

dimensions, Okamoto was trying to get at an added<br />

magical dimension of materiality.<br />

Thus reading a mystique into the surprising forms of<br />

Jomon pottery by invoking ethnological aesthetics,<br />

Okamoto draws upon the concept of “participation”<br />

from the mentalité primitive discourse of French<br />

socio-anthropologist Lucien Lévy-Bruhl (1857–1939):<br />

“This mystique, however, may not necessarily be<br />

the form of mystique we commonly think of today.<br />

In primitive societies, the visible and invisible worlds<br />

were quite openly connected without any mystical<br />

divide through what Lévy-Bruhl termed the ’law of<br />

participation’, that is, a person might without any<br />

contradiction believe himself to also simultaneously<br />

be a kangaroo via a kind of pre-logical reverie. Likewise<br />

a prey bear might be a rock or a figurine or<br />

another person (or even some abstract entity).<br />

Primitive people had no doubts whatsoever: in order<br />

to catch a bear they had only to work magic upon<br />

the stone or figurine. To our way of thinking, some<br />

magical intervention must precipitate the identification<br />

of bear with stone, but for them there was<br />

nothing mystical about it at all. That is, things were<br />

directly connected without intervention. Extrapolating<br />

from this worldview, the patterns on Jomon<br />

pottery and so on surely related to other things in


Wenn Okamoto schreibt, dass die Keramik der Jomon-Periode Ausdruck<br />

von Menschen ist, die sich, um zu überleben, mit zähem<br />

Willen in der Natur behaupten mussten, beziehungsweise von deren<br />

tragischer und vielfacettierter Spiritualität spricht, so ist es ein Irrtum,<br />

beim Wort „tragisch“ eine allzu romantische oder humanistische<br />

Implikation anzunehmen. Was Okamoto vorschwebt, während er<br />

Lévy-Bruhls Diskurs über die Gedankenwelt des Primitiven verfolgt, hat<br />

nichts mit den Konflikten heutiger Zeit zu tun; es ist vielmehr der in<br />

Übereinstimmung mit den materiellen Dingen und dem täglichen<br />

Leben an sich durchgeführte dynamische Prozess der Unterredung<br />

zwischen dem Menschen und der Welt des Übernatürlichen und der<br />

sich darin entfaltende grundlegende Drang, nach dem eigenen Selbst<br />

zu suchen, denn genau dies ist Okamotos Dialog mit der Vierten<br />

Dimension. In diesem Punkt zeigt folgende Aussage von Marcel Mauss,<br />

die auf Lévy-Bruhls Konzept der „Teilhabe“ basiert, deutliche Parallelen<br />

zu Okamotos Argumentation: „‚Teilhabe’ (participation) ist nicht einfach<br />

gleich Vermengung. Es setzt das Streben nach Vermengung<br />

voraus, ebenso wie das Bestreben, einander zu ähnlich zu werden.<br />

Vor allem anderen aber muss der Wille zur Verbindung da sein.“13<br />

Mauss’ Sichtweise von „Teilhabe“, was oftmals als Vermengung oder<br />

Durcheinander missverstanden wird, als grundsätzliches Streben der<br />

Menschen nach Vereinigung und Verbindung, fand ihre Bestätigung<br />

in Okamotos die Ethnologie im engeren Sinne übersteigenden Drang<br />

des Verstandes, nach der tieferen Wahrheit zu suchen, die hinter<br />

der menschlichen Gesellschaft steht: Etwas Unterschiedliches in sich<br />

aufzunehmen und durch diesen Unterschied eine Verbindung zu<br />

erlangen; dieser extreme Dialog mit der Vierdimensionalität ... Dass<br />

Okamoto als vielseitiger Künstler Mauss’ geistiges Vermächtnis weiterführte,<br />

ist anhand obiger Stelle deutlich sichtbar. Die Jomon-Keramik<br />

stieß durch seine Fähigkeit zum Dialog mit der „Magie“ als „vierter<br />

Dimension“, die als Ästhetikbewusstsein des modernen Menschen<br />

vorstellbar ist, zum ersten Mal in die Sphäre der Ästhetik vor. Was<br />

Okamotos Fotografien aufzeichnen, ist nichts anderes als das Zeugnis<br />

des hingebungsvollen Dialoges eines Menschen der Gegenwart<br />

mit der Vierdimensionalität.<br />

5 Okamotos Abhandlung über Fotografien von jomonzeitlicher<br />

Keramik war eine radikale, überaus gefährliche Bombe, die in die Welt<br />

der japanischen Kunst, die an die Realität und Kontinuität einer<br />

„traditionellen Ästhetik“ glaubte und die unter einem illusorischen<br />

Idealismus vergraben war, geworfen worden war. Trotzdem kann man<br />

nicht sagen, dass das Projekt der „japanischen Nachkriegskunst“<br />

durch diese entschlossene Äußerung Okamotos, in die er sein ganzes<br />

Herz als Künstler legte, ins Schwanken geraten wäre. Vielmehr tat<br />

Ryuta Imafuku 64 65<br />

ways far more concrete and real than anything<br />

we can imagine [...] We may definitely grasp the mental<br />

factors at the root of those strikingly tough mystic<br />

aesthetics: the tragically complex mental ambivalence<br />

innate to hunter-gatherer period living.”12<br />

Jomon pottery. Okamoto tells us, expresses the<br />

tragic mental complexes of human groups exposed<br />

to the elements in their stubborn will to survive,<br />

though the mention of “tragedy” wrongly suggests<br />

an excessively romantic or humanist tenor. What<br />

Okamoto imagines in invoking Lévi-Bruhl’s mentalité<br />

primitive is wholly unrelated to modern day conflicts,<br />

but rather consists in the very immediate<br />

daily exigencies of actively negotiating human life<br />

by entreating the supernatural world, a harsh<br />

self-searching fundamental drive to exist. Therein<br />

lies Okamoto’s Conversation with the Fourth<br />

Dimension.<br />

In this regard, Marcel Mauss’ comments on Lévy-<br />

Bruhl’s concept of “participation” have a profound<br />

resonance with Okamoto’s thesis: “‘Participation<br />

is no mere confabulation. It is premised in an effort<br />

to merge, to mutually liken. For from the very outset,<br />

there exists a will to unite.”13<br />

Mauss’ reading of a fundamental will to “unite” or<br />

“unify” into the easily misinterpreted concept of<br />

“participation” overstepped the confines of ethnology<br />

to lend credence to human society’s knowledgedriven<br />

quest for profound truths. The notion of<br />

embracing disparates in their common disparity, a<br />

fervent fourth-dimensional conversation ... Okamoto<br />

the total artist unquestioningly accepted this aspect<br />

of Mauss’ theoretic legacy in calling Jomon pottery<br />

into the arena of aesthetics by merit of their<br />

eloquence, a power to engage contemporary sensibilities<br />

in “magical” fourth-dimension conversation.<br />

Okamoto’s photographs of Jomon pottery document<br />

modern humanity’s vital dialogue with fourthdimensionality.<br />

5 Okamoto’s thinking and photographs of Jomon<br />

pottery came hurling like a bomb into the midst<br />

of a Japanese art world foresworn to the illusory


man in den konservativen und autoritären japanischen Kunstkreisen<br />

so, als hätte man ihn nicht bemerkt; die wesentlichen Punkte der<br />

von Okamoto aufgeworfenen Fragen sollten nicht publik werden, und<br />

so wurde seine „Bombe“ wie ein Blindgänger leise und heimlich im<br />

Ödland der japanischen Kunst begraben.<br />

Okamotos eigene Suche nach der „vierten Dimension Japans“ allerdings,<br />

die mit seiner Jomon-Entdeckung begonnen hatte, kam nun<br />

ihrem Ziel deutlich näher. Nach der Veröffentlichung seines Werkes<br />

Nippon no Dento, (Die Tradition Japans, 1956), das seine Abhandlung<br />

über die Jomon-Keramiken beinhaltete, publizierte er in Folge Nippon<br />

no Saihakken: Geijutsu Fudoki (Die Wiederentdeckung Japans, 1958),<br />

Wasurerareta Nippon: Okinawa Bunkaron (Das vergessene Japan:<br />

Über die Kultur Okinawas, 1961) und Shinpi Nippon (Mystisches Japan,<br />

1961), wobei jedes dieser Werke in seinem Titel „Japan“ enthielt.<br />

Diese Werke nagten alle kontinuierlich am Stamm der in illusorischem<br />

Ästhetikbewusstsein zur Oberflächlichkeit verkommenen „Tradition<br />

Japans“ und zeugten vom intensiven Bestreben, jene andere Art von<br />

spiritueller Ästhetik zu entdecken, von der es auf dieser Inselkette<br />

geradezu wimmelte.<br />

In diesem unablässigen Suchen hatten besonders zwei Gegenden<br />

Okamotos Dialog mit der „vierten Dimension“ angeregt: Es waren dies<br />

Tohoku und Okinawa. Kulturtheoretisch betrachtet, birgt Tohoku eine<br />

von der nördlichen Tradition der Ainu beeinflusste ethnologische<br />

Eigentümlichkeit, und Okinawa als südliche Inselkette bietet ein Bindeglied<br />

zur ursprünglichen ozeanischen Kultur; beide zeichneten sich<br />

durch eine ganz eigene Ästhetik und Mentalität aus, die in der „japanischen“<br />

Kultur bislang nicht sichtbar gewesen war. Was Okamoto<br />

allerdings beabsichtigte, war nicht, diese anderen japanischen Kulturen<br />

ans Licht zu bringen. In diesem Punkt hatte Okamoto kaum<br />

daran Interesse, nach dem Wesen und der Wiege der japanischen<br />

Kultur mit im engeren Sinn ethnologischer Wissbegierde zu suchen;<br />

vielmehr muss man sagen, dass es eine schöpferische Tätigkeit zur<br />

Entdeckung des reinen, unverfälschten Selbst war, dass die in<br />

Okamotos Innerem brodelnde „Magie“ im Jetzt wiederzuerlangen<br />

suchte. So gesehen waren sowohl Jomon als auch Tohoku und<br />

Okinawa für Taro Okamoto letztlich Schauplatz seiner Suche nach<br />

dem Selbst, respektive seiner Selbstfindung.<br />

Okamoto, der, nachdem er in Paris intensiv an der Avantgarde der<br />

westlichen Kunst teilgehabt hatte, wegen des Krieges nach Japan<br />

zurückkehrte, musste sich, während er sich in Japan befand, mit<br />

anderen Worten von dem durch die traditionelle Ästhetik verunreinigten<br />

„Japan“ entfernen, um zu dem zu kommen, was „nicht Japan“<br />

war, denn nur dadurch konnte seine Selbstfindung Erfolg haben.<br />

truism of an unbroken continuum of rarefied Japanese<br />

“traditional aesthetics”. Radical and dangerous<br />

though his determination as an artist may<br />

have been, it did not much shake the project of<br />

post-war “Japanese art”. If anything, the staid<br />

authoritarian art world chose to ignore him, and<br />

the essential issues he raised went unaddressed;<br />

the bomb failed to explode, a provocation soon<br />

buried beneath the wastelands of conventional art.<br />

Yet even so, spurred by his Jomon “discovery”,<br />

Okamoto pursued further investigations into the<br />

heart of the “Japanese fourth dimension”. After<br />

publishing Nippon no Dento (Japan’s Traditions,<br />

1956) including his “Jomon Pottery”, he followed<br />

with Nippon no Saihakken: Geijutsu Fudoki<br />

(Japan Rediscovered: Native Art Marginalia, 1958),<br />

Wasurerareta Nippon: Okinawa Bunkaron (Forgotten<br />

Japan: Okinawan Culture, 1961) and Shinpi<br />

Nippon (Mystic Japan, 1964) all bearing “Japan”<br />

in the title, all steadily eating away at the longcherished<br />

spectre of “Japanese tradition” so as to<br />

shock another aesthetic psyche awake.<br />

In his voyage of discovery, Okamoto’s travels into<br />

the fourth dimension next took him to the Tohoku<br />

region in the far north of Honshu and to Okinawa,<br />

looking for hidden energies stirring beneath these<br />

islands. At the time, both Tohoku with its ancient<br />

vein of pre-Yamato, Japanese indigenous Ainu<br />

culture and Okinawa with its proud southern island<br />

Ryukyuan culture constituted “blind spots” largely<br />

marginalized and invisible to mainstream Japanese<br />

culture, yet each was characterised by its own<br />

distinct aesthetics and spirituality. Okamoto intentionally<br />

went about exploring these disparate<br />

cultural lineages, not out of any narrow ethnological<br />

interest in the prototypal origins or ancestry of the<br />

Japanese people, but rather in order to coax<br />

forth some deep-seated inner “magic” out into the<br />

contemporary world, a creative act of pure selfdiscovery.<br />

In that sense, Okamoto most passionately<br />

chose Jomon, Tohoku and Okinawa as loci for selfinvestigation.<br />

Or to put it another way, having breathed in deep<br />

draughts of Western avant-garde art in Paris only


Ohne die Entdeckung der Kraft, die in dem Kontrast zwischen dem,<br />

„was Japan ausmacht“ im Gegensatz zu dem, „was nicht Japan ist“,<br />

steckt, hätte die Gesamtheit der Kultur, an die Okamoto glaubte,<br />

nicht erreicht werden können; wenn für ihn ein Japan, das eine solche<br />

Widersprüchlichkeit in sich trägt, als übergeordnete Einheit möglich<br />

ist, dann weil genau das die Grundlage von Okamotos künstlerischer<br />

Selbstverwirklichung war. In diesem Zusammenhang ist Okamotos<br />

Aufenthalt in Okinawa, das zum intensivsten Schauplatz seiner<br />

unverwandten, ungetrübten Schau in das eigene Innere, der Suche<br />

nach dem Selbst wurde, die Okamoto den „Dialog mit der vierten<br />

Dimension“ nannte, höchst interessant.<br />

Im November 1959 kam Okamoto, Reisepass und Einreiseformulare<br />

in der Hand, in das unter amerikanischer Besatzungsherrschaft<br />

stehende Okinawa, um gerade einmal zehn Tage dort zu verbringen.<br />

Sein Werk Das vergessene Japan: Über die Kultur Okinawas, in dem<br />

er seine während dieses Aufenthaltes gemachten Erfahrungen in<br />

einem Atemzug niederschrieb und in dem die von ihm dort gemachten<br />

Fotografien ebenfalls veröffentlicht wurden, wird meist für eine der<br />

zahlreichen Beschreibungen Okinawas gehalten; viel eher als eine<br />

Beschreibung des „fremden Landes“ Okinawa, ist der Kern seines<br />

Buches allerdings Zeugnis der Kämpfe, die der Mensch Taro Okamoto<br />

auf der ihm alles bedeutenden Suche nach seinem Selbst ausfocht.<br />

Er wurde um Okinawa und die Sakishima-Inseln herumgeführt und<br />

war angesichts der dünnen Substanz berühmter Kulturdenkmäler<br />

der Shuri-Dynastie wie der Steinmetzkünste, Tsuboya-Keramik oder<br />

bingata“ enttäuscht.<br />

Auf der Insel Yaeyama, wo er zur Darbietung von traditionellen japanischen<br />

Volksliedern eingeladen wurde, langweilte er sich angesichts<br />

des einschmeichelnden, ornamentalen Klanges der dreisaitigen<br />

Sanshin, die der reinen Gesangsstimme beständig folgte, und erstaunte<br />

die Einheimischen mit seiner Bitte, doch den Gesang ohne Begleitung<br />

der Sansen hören zu dürfen. Als ein intellektueller Einheimischer sein<br />

Mitgefühl durch die Betonung der historischen Tragik der Kopfsteuer<br />

zu wecken versuchte, brüskierte Okamoto seinen Gesprächspartner,<br />

indem er ihm ins Gesicht sagt: „Kopfsteuer ist nichts, worauf Okinawa<br />

ein Monopol hätte. Jeder Mensch muss auf seine Weise seine eigene<br />

Kopfsteuer tragen.“<br />

Diese erstaunlich ablehnende Haltung gegenüber den als typisch für<br />

Okinawa angesehenen und gepriesenen, ja oft nostalgisch verehrten<br />

Dingen war jedoch keine Äußerung von Kritik. Vielmehr ist hierin das<br />

Streben Okamotos nach einer Einswerdung mit Okinawa als Äußerung<br />

seines ernsthaft suchenden Geistes zu sehen. Man könnte sogar sagen,<br />

dass diese Worte vom Prozess einer erschütternden Selbstfindung<br />

Ryuta Imafuku 66 67<br />

to be recalled to Japan by the prospect of war,<br />

Okamoto could only move forward by breaking<br />

free of tradition-tained preconceptions toward<br />

a “non-Japan” where he might discover a new self.<br />

For it was by tapping into the energised polarity<br />

of non-Japanese versus would-be-Japanese that<br />

Okamoto’s vision of culture attained an integrity<br />

and totality replete with contradiction; only such<br />

a heightened, multidimensional Japan in all its<br />

living, breathing vitality could provide Okamoto<br />

with a basis for his own artistic self-realisation. In<br />

this sense, it is particularly interesting to see how<br />

Okinawa provided Okamoto with the supreme<br />

platform for his burning self-gaze, his soul-searching<br />

“Conversation with the Fourth Dimension”.<br />

In November 1959, Okamoto went to the then-<br />

US Army occupied territory of Okinawa for a brief<br />

ten days, requisite immigration papers in hand,<br />

then quickly set down his experiences together<br />

with photographs in Forgotten Japan: Okinawan<br />

Culture, a work often relegated to the ranks of<br />

Okinawan studies, though in essence the book is<br />

really a record of Okamoto’s struggles to come to<br />

terms with himself as a whole human being. We<br />

see Okamoto being guided around Okinawa, visiting<br />

various different islands, his disappointment at the<br />

waning of important cultural properties — Shuri<br />

dynasty stone carving, Tsuboya ceramics, bingata<br />

stencil dyeing.<br />

Okamoto invited to a folk song fest at Yaeyama,<br />

where he is astounded by the liltingly embellished<br />

accompaniments on the sanshin three-stringed lute,<br />

and the sheer power of the solo voices. Okamoto<br />

unabashedly sympathising with the islanders and<br />

their tragic history of head taxation — “Head tax<br />

is not the island’s exclusive monopoly. All humans<br />

whosoever bear the brunt of head tax in some form<br />

or another” — which might on the surface seem a<br />

surprisingly harsh pronouncement on those “things<br />

Okinawan” he otherwise adulates with such nostalgia.<br />

Yet far from being critical, it reveals a soulstruck<br />

Taro Okamoto at one with Okinawa, fervent<br />

proof of how he discovered a seed of island culture<br />

within himself. Adding gentle commentary by way


zeugen, im Laufe derer er auf eine fest in der Tiefe der Inseln verwurzelte<br />

Lebensstruktur stößt. Indem er sich in Okinawa vertieft, findet<br />

er dort am Ende seiner Suche nach seinem Selbst eine gedankliche<br />

und sinnliche Kraft, die diese bestimmte, klare und reine Landschaft<br />

und die Welt ihrer Menschen formt; genau jene beispiellose Kraft<br />

ist Okamotos „vierte Dimension“, die eine ungezwungene, mächtige<br />

Energie in sich trägt.<br />

Während Okamoto mit der Spiritualität und dem Landschaftscha-<br />

rakter, die fest in das Gefüge des täglichen Lebens integriert sind, in<br />

Berührung kommt, erzählt er vom „Schwindel angesichts der Leere“,<br />

die er schließlich gefunden hat. Er schreibt: „Was mich am meisten<br />

berührt hat, sind die ‚utaki’ (heilige Orte), die eigentlich keinerlei<br />

konkrete Substanz haben. ‚Utaki’ – heilige Orte, an denen die Geister<br />

zur Erde hinabsteigen. An diesen heiligen Stätten steht kein Schrein;<br />

man wird hier weder Götterbilder noch Statuen finden: Ein unauffälliges,<br />

unbedecktes Stück Land inmitten eines Waldes. Alles, was<br />

es dort gibt, ist eine unauffällige, schlichte Steinplatte, die man leicht<br />

übersieht. Ich war zutiefst berührt von dieser herrlichen Leere.“14<br />

„Diese Leere, sie trifft mich in ihrer Feierlichkeit wie ein Schlag [...]<br />

Denn hier liegt eine stille, tiefe Freude. Diese Aufrichtigkeit, diese<br />

Reinheit! Keine Gottesbilder, keine Statuen, keinerlei ikonographisches<br />

Zierwerk. Solch eine Reinheit, die in all ihrer Stille nichts Totes in<br />

sich trägt [...] Zuerst ist es auf unverdorbene Weise schlicht: ein in<br />

würdevoller Stille versunkener Wald. Die heilige Stätte, die durch<br />

Orakelspruch bestimmt wird, ist das Zentrum des Clanlebens. An<br />

diesem geheimen Ort sammeln sich übernatürliche Energien. Für die<br />

Menschen, die mit dem Ort verbunden sind, hängt ihre Lebenskraft<br />

vom Empfang dieser Energien ab.“15<br />

Für Okamoto war dieser Moment der Offenbarung inmitten der Stille<br />

und Leere, welche die ursprünglichste Verbindung zwischen Mensch<br />

und Gott darstellt, zweifellos auch der Moment seiner Wiederentdeckung<br />

der „vierten Dimension“ Japans in Okinawa.<br />

Andererseits war es gewiss auch der Moment seiner eigenen, unwissentlichen<br />

Selbstfindung, durch die eine Erfahrung zustande kam,<br />

welche die geografische und kulturelle Substanz Japans und Okinawas<br />

überstieg. Es war sozusagen eine Art überraschendes Entdecken<br />

seines Inneren, der in seinem Geist bisher versteckten Winkel.<br />

In weiterer Folge besuchte er die Insel Kukoto; als er bei der dortigen,<br />

„guso“ genannten Stätte der Freilandbestattung, die unter den Klippen<br />

am Meeresufer liegt, herumliegende Schädel entdeckte, war er angesichts<br />

dieser Szenerie so bestürzt, dass er wie verrückt immer wieder<br />

den Auslöser seiner Kamera drückte; auch wenn er damit in der Sicht<br />

of probing self-reflection, he finds a clear and<br />

resolute power to land and its people, a creative<br />

force of thought and sensibility, of such rare<br />

and great energy as to invite “Conversation with the<br />

Fourth Dimension”.<br />

Coming into contact with the magic-laden daily life<br />

of the islands, Okamoto talks about its “dizzying<br />

emptiness”: “What moved me most, unexpectedly,<br />

was the total absence of any physical form to this<br />

utaki — or so it appeared. A hallowed spot where<br />

the gods descend, this utaki sanctuary had neither<br />

a constructed worship shrine nor divine object or<br />

idol. Just a simple clearing in the forest. And in it,<br />

only an easily overlooked small, crudely hewn<br />

square rock. I was startled by the wonderful lack<br />

of anything there.”14<br />

“This nothing there, conversely keeps striking me<br />

with its strident reality ... a quiet, broad-ranging joy.<br />

Such immaculate purity, with neither divine object<br />

nor idol, no iconography at all. A cleanliness without<br />

the least whiff of death [...] At first it seems all<br />

so pristine and simple. The beautiful forest stillness.<br />

The divinely-ordained sacred precinct as the centre<br />

of clan life. Into that secret place a supernatural<br />

energy stealthily descends. They cannot conceive<br />

of any driving force to their lives apart from that.”15<br />

Struck by the sheer quietude and emptiness of<br />

this most primitive circuit connecting the divine and<br />

human realms, Okamoto’s Okinawan epiphany can<br />

be seen as the moment he rediscovered a fourth<br />

dimension to Japan, and also at the same time<br />

a moment for rediscovering an unknown self —<br />

an experience transcending the geographic and<br />

cultural actualities of Okinawa and Japan. It was<br />

as if he found his own blood vessels plumbing<br />

unknown depths, hidden folds of his own brain<br />

within the landscape. Later, he went to Kudaka<br />

Island, where he came upon a sea cliff cave littered<br />

with skulls from traditional “guso afterlife” open-<br />

air burials, and felt compelled to photograph the<br />

startling scene, no matter how taboo from the<br />

Okinawan point of view; invasion of a hallowed<br />

sanctum or not, he found himself in touch with


der Einwohner ein Tabu verletzt hatte, war er mit einer transzendentalen<br />

„Mystik“ in Berührung gekommen, die jenseits des Urteilsvermögen<br />

der „einheimischen“ Logik lag. Wenn die bleiche Reinheit der<br />

verwitterten Schädel jener Stätte für Okamoto den blitzlichtartigen<br />

Moment, in dem er zum ersten Mal objektiv in seinen eigenen Schädel<br />

blicken konnte, bedeutete, so war die Unerbittlichkeit dieser Selbstfindung<br />

etwas, das den mystischen Traditionen der Insel Kukoto ebenbürtig<br />

war; ein Moment des Heiligen, in dem er sich seinem Selbst<br />

stellt. In diesem Sinn führte es dazu, dass der Dialog mit der „vierten<br />

Dimension Japans“ die Beschränkung des auf dem materiellen Begriff<br />

der einheimischen ethnischen Traditionen beruhenden „Japan“<br />

hinter sich lassen konnte.<br />

6 Es gab niemanden, der Okamotos Bemühungen, sich dem, „was<br />

nicht Japan ist“, über die Dinge auf den japanischen Inseln anzunähern,<br />

die den Dialog mit der „vierten Dimension“ ermöglichen, später<br />

direkt fortsetzte, aber man kann mit Sicherheit sagen, dass zeitweilige<br />

Bewegungen aus einer völlig anderen Richtung existierten, die Japan<br />

anhand dessen, „was nicht Japan ist“, neu zu entdecken und neu zu<br />

erschaffen suchten. Diese Bewegungen sind vom europäischen<br />

kolonialistischen Blick gefärbte Unterfangen, welche bei der Genealogie<br />

der Illusion von der Exotik des „Ostens“ und „Japans“ eine Grenze<br />

ziehen und die besonders auf schöpferischem Kulturbewusstsein<br />

beruhend sich unaufhörlich bemühen, die Starrheit der „japanischen<br />

Tradition“ zu konfrontieren.<br />

So kann man gewiss in Roland Barthes’ (1915–1980) folgenden<br />

Sätzen das Gefühl des „Nichts“ entdecken, das sich der von Okamoto<br />

beschriebenen, schwindelerregenden „Leere“ vergleichen lässt: „Was<br />

hier vorgestellt wird, gehört nicht (zumindest wünsche ich das) zur<br />

japanischen Kunst, zum japanischen Städtebau oder zur japanischen<br />

Küche. Der Autor hat nie und in keinem Sinne Japan photographiert.<br />

Eher gilt das Gegenteil: Japan hat ihn mit vielfachen Blitzen erleuchtet:<br />

oder besser noch: Japan hat ihn in die Situation der Schrift versetzt.<br />

Diese Situation ist aber jene, in der eine gewisse Zerrüttung der<br />

Person eintritt, eine Umwälzung der alten Lektüren, eine Erschüttung<br />

des Sinns, der zerrissen und bis zur unersetzlichen Leere erschöpft<br />

wird, ohne dass freilich das Objekt jemals aufhörte, bedeutsam und<br />

begehrenswert zu sein. Insgesamt ist die Schrift auf ihre Weise ein<br />

Satori: der Satori (das Zen-Erlebnis) ist ein mehr oder weniger starkes<br />

(durchaus nicht erhabenes) Erdbeben, das die Erkenntnis, das Subjekt<br />

ins Wanken bringt: er bewirkt eine Leere in der Sprache.“16 Auf diese<br />

Worte Barthes’ folgt eine große Abbildung in Form einer Kalligraphie<br />

des sinojapanischen Schriftzeichens „mu“ (Leere).<br />

Der französische Philosoph und Semiotiker Roland Barthes kam<br />

Ryuta Imafuku 68 69<br />

a wholly other sacred order beyond criticism of the<br />

“indigenous” mind. The bleached white bones in<br />

those open urns brought a flash of revelation — like<br />

objectively seeing his own skull — another sacred<br />

moment of self-recognition, a head-on challenge<br />

so intense as to rival the transmitted mysteries of<br />

Kudaka itself. Which raised this conversation with<br />

“fourth-dimension Japan” above any Japanese-ness<br />

based in actual concepts of ethnicity or cultural<br />

identity.<br />

6 Okamoto’s “non-Japanese” approach to his<br />

fourth-dimension behind mainstream Japan had<br />

no direct successor, though there continued to be<br />

certain fascinating isolated efforts to recall or<br />

recreate a “non-Japanese” Japan. Some of these<br />

projects, distinguished by a superior cultural awareness,<br />

proposed to trace the lineage of Western<br />

colonialist-coloured exoticism toward the “Orient”<br />

and “Japan” relative to established traditions of<br />

“Japanese-ness”.<br />

For instance, can we not find echoes of that sense<br />

of Okinawan “emptiness” that Okamoto found so<br />

dizzyingly brilliant in the writings of Roland Barthes<br />

(1915–1980): “What is presented here does not<br />

appertain to art, to Japanese urbanism, to Japanese<br />

cooking. The author has never, in any sense, photographed<br />

Japan. Rather, he has done the opposite:<br />

Japan has started him with any number of ‘flashes’;<br />

or better still, Japan has afforded him a situation<br />

of writing. This situation is the very one in which a<br />

certain disturbance of the person occurs, a subversion<br />

of earlier readings, a shock of meaning lacerated,<br />

extenuated to the point of its irreplaceable<br />

void, without the object‘s ever ceasing to be significant,<br />

desirable ... [Satori] creates an emptiness<br />

of language. And it is also an emptiness of language<br />

which constitutes writing.”16 (Immediately<br />

after this passage, Barthes’ book includes a large<br />

brush-written calligraph mu for “emptiness” or<br />

“non-being.”)<br />

French semiotic thinker Roland Barthes first visited<br />

Japan in 1966 for a one-month lectureship at the


Fig. 6 Trinh T. Minh-ha,<br />

The Fourth Dimension, 2001<br />

Fig. 6 Trinh T. Minh-ha,<br />

The Fourth Dimension, 2001<br />

erstmals 1966 nach Japan; während seines etwa einmonatigen Aufenthaltes<br />

hielt er Vorträge und bereiste Tokio, Kyoto und viele andere<br />

Gegenden Japans. Er setzte sich intensiv mit der Welt der Symbolik<br />

und Zeichen auseinander, die in den Details der alltäglichen Förmlichkeit<br />

liegen, und schrieb aufgrund seiner so gemachten Erfahrungen<br />

das Buch L’Empire des signes (Das Reich der Zeichen), das 1970 in<br />

Paris veröffentlicht wurde. Wie Barthes auch in der Einleitung zu<br />

diesem Buch schreibt, ist das Bild von Japan, das er in seinem Werk<br />

zeichnet, keines, das dem realen Land „Japan“ direkt entspricht; so<br />

wurde auch das imaginäre Japan, wie es als Objekt des Orientalismus<br />

bereits verbreitet war, außen vor gelassen und ein Japan beschrieben,<br />

das sich als von Zeichen umrissenes Sinnbild in Barthes’ Worten<br />

offenbarte. Ähnlich wie Taro Okamoto auf Okinawa, wurde Barthes<br />

ins Kabuki-Theater und zum Kaiserpalast geführt; ihm wurden die<br />

Tempel Kyotos und japanische Kochkunst präsentiert und er übernachtete<br />

in den feinsten japanischen Gästehäusern; ihm wurde von<br />

seinen japanischen Gastgebern das ohnedies bereits verinnerlichte,<br />

europäisch-verklärte Bild Asiens geradezu aufgedrängt.<br />

Dieser Ironie begegnete er mit der ihm eigenen Gelassenheit, während<br />

er in die Welt der Zeichen vorstieß, die aus der Nichtigkeit der Bedeutungen<br />

hervortrat, die sich in einem Spalt seiner Erkenntnis ausbreitete.<br />

Es mag so aussehen, als würden sich so überaus „typisch japanische“<br />

Ideen wie Haiku oder Zen an der Oberfläche dessen befinden, was<br />

Barthes als „das, was nicht Japan ist“, zu fassen versuchte; dementsprechend<br />

wird Barthes’ Empire des signes auch in den letzen Jahren<br />

oft scharf als Reproduktion hohler Stereotype aus dem beherrschenden<br />

Blickwinkel des europäischen, philosophisch überlegenen<br />

Außenstehenden kritisiert.17 Aber, wie Barthes schreibt, ist „Haiku<br />

der Blitz beim Fotografieren (wie es die Japaner tun); allerdings ist<br />

in dieser Kamera kein Film.“18. Hier banalisiert Barthes durch die<br />

Verwendung des überaus japanischen Begriffes „Haiku“ eben jenes<br />

Japan, während das solcherart von seinen Fesseln befreite Feld der<br />

„Bedeutung“ als „so etwas“19 der Trägheit der Alltagsvernunft gegenübergestellt<br />

und als emporragender Riss dargestellt wird. Während<br />

Taro Okamotos unverwandter Blick auf die Keramiken der Jomon-<br />

Zeit oder die „utaki“ Okinawas den blinden Fleck der im täglichen<br />

Leben träge gewordenen Wahrnehmung durchstieß und er von der<br />

Vierdimensionalität der Dinge angezogen wurde, kann man in Barthes<br />

„écriture“ den gleichen Grundgedanken erkennen.<br />

Mit diesem Gedanken an Barthes’ Auseinandersetzung mit „Japan“,<br />

die eigentlich keine ist, können wir weiterverfolgen, wie die Suche<br />

nach dem vierdimensionalen Japan in der vietnamesisch-stämmigen<br />

Filmemacherin Trinh T. Minh-ha, die 1997 ein halbes Jahr in Japan<br />

verbrachte, um dort ihr Video The Fourth Dimension, 2001 20, zu<br />

University of Tokyo, as well as travelling to Kyoto<br />

and other places around Japan. Immersing himself<br />

in the signes immanent in various ceremonial<br />

aspects of Japanese daily life, he returned to Paris<br />

to publish L’Empire des signes (Empire of Signs,<br />

1970) in which he depicts a Japan that, as the<br />

author himself acknowledges from the outset, bears<br />

no direct relation to the real Japan, nor by the same<br />

token stands connects to Western orientalist imaginings<br />

of “Japan”, but instead merely floats as a<br />

semiotically rendered system of superficial<br />

écritures. Not unlike Taro Okamoto in Okinawa,<br />

Barthes was guided around to Kabuki theatre, the<br />

Imperial Palace, temples in Kyoto, top restaurants<br />

and Japanese inns, unilaterally treated to Western<br />

“Oriental” fantasies already internalised by his<br />

hosts, as well as their total disinterest in those<br />

things, a comic awareness-gap that prompted him<br />

to enter a world signified by emptiness.<br />

Such “non-Japanese” elements, Barthes notes, do<br />

indeed seem like superficial taches of extremely<br />

classic Haiku-Zen “Japanese-ness”, hence L’Empire<br />

des Signes has become the subject of more and<br />

more critical discussion in recent years for its<br />

authoritative gaze upon reproduced archetypal<br />

“Oriental” fantasies.17 Nonetheless, when Barthes<br />

writes that “Haiku are Japanese snapshot flashes<br />

with no film in the camera”18, all too casually<br />

likening Japan itself to Haiku, so as to stake out<br />

an empty territory free from the spell of meanings,<br />

he can only confront the rifts in our everyday logical<br />

conventions by indicating “thus”19. Do we not<br />

find here something similar to Taro Okamoto’s<br />

gaze toward Jomon pottery and Okinawan “utaki”,<br />

a mechanism drawn to “fourth-dimensionality”<br />

at work in Barthes’ écritures even as he stabs at<br />

inertial blindspots in everyday perception?<br />

These same issues likewise come to the fore in<br />

Vietnamese-born filmmaker Trinh T. Minh-ha’s<br />

The Fourth Dimension, 2001 20, a title that lets us<br />

know that investigations into fourth-dimensional<br />

Japan have not ceased. Visiting Japan in 1997 on<br />

a half-year residency fellowship, she took on<br />

Barthes’ Japan discourse from an opposite direc-


drehen, eine weitere Fortführung erfährt. Trinh T. Minh-has Definition<br />

der „vierten Dimension“ wird am Ende ihres Filmes in ruhigen, poetischen<br />

Worten erklärt:<br />

Die vierte Dimension<br />

Was sich behutsam im Inneren des<br />

täglichen Normalzustandes befindet<br />

Das Eindringen der Ewigkeit...21<br />

Nach ihrem ersten Film, einem dokumentarischem Video namens<br />

Reassemblage (1982), das die Autorität des ethnologischen Blickpunktes<br />

auf Afrika scharf kritisierte, beschäftigte sich Trinh T. Minh-ha<br />

mit dem komplexen Zusammenhang zwischen „gewöhnlich“ („ordinary“)<br />

und „ungewöhnlich“ („extra-ordinary“) und stieß schließlich<br />

auf den Begriff „infra-ordinary“ (sich innerhalb des Gewöhnlichen<br />

befindend). In ihrem oben erwähnten Werk wird die oberflächliche<br />

Schicht der Zeit, die sich chronologisch und messbar in Richtung<br />

Geschichte fortsetzt, durchschnitten und das zarte Schwanken und<br />

das Ausmaß der „vierten Dimension“ treffend aufgezeigt.<br />

Trinh T. Minh-ha, die 30 Jahre nach Barthes Japan, das dieser einen<br />

„Speicher der Zeichen“ genannt hatte, betrat, beschäftigt sich<br />

besonders mit der vielgestalten Förmlichkeit, welche das tägliche<br />

(Er-)Leben der zeitgenössischen japanischen Gesellschaft bestimmt:<br />

Junge Leute, die sich in den Vergnügungsvierteln der Großstädte<br />

sammeln; das Innere eines Zugabteils, die Fenster eines Shinkansen-<br />

Zuges, ein ländliches Volksfest, Taiko-Trommeln, die Musikbegleitung<br />

bei einer Theaterdarbietung, Menschenschlangen, ein Bauernhaus,<br />

eine Teestube, Tempel und Schreine im Tempelbezirk, der Rhythmus<br />

vielfältiger Bewegung und vielfältiger Taiko-Trommeln... Während<br />

vier beschäftigter Monate in Japan reiste sie, die in Akihabara neu<br />

erstandene digitale Filmkamera in der Hand, quer durch das Land,<br />

während sie mit viel Feingefühl die unbewusste Choreographie des<br />

alltäglichen Raumes und der alltäglichen Handlungen der Japaner<br />

dokumentierte; das Zugfenster (während einer Reise in Japan gewöhnt<br />

man sich schnell an das Zugfahren) als Grundton einer zusätzlichen<br />

visuellen Einrahmung. Sie macht sich auf eine Reise, bei der sie sich<br />

von der irdischen Zeit entfernt; in der Außergewöhnlichkeit ihrer Reise<br />

dringt sie bis ins Innere der die alltägliche Gesellschaft bestimmenden<br />

Zeit vor, um mit ihrem Video, als einem weiteren Werkzeug der Förmlichkeit,<br />

zu einer neuen Zeitlichkeit und Räumlichkeit vorzustoßen...<br />

Während sie in die komplexen, zahlreichen Phasen der Zeit, die den<br />

Alltag durchdringen wie „japanische Zeit“, „Zeit im Zug“, „weibliche<br />

Zeit“ und „Video-Zeit“ eintaucht, gelingt es Trinh T. Minh-ha mit ihrem<br />

beispiellosen Blick auf die Dinge und der ihr eigenen zurückhaltenden<br />

tion, quietly intoning her definition of this “fourth<br />

dimension” in a poetic voice-over at the end of the<br />

piece:<br />

The fourth dimension:<br />

to be attentive to the infra-ordinary<br />

an intrusion of eternity...21<br />

Ryuta Imafuku 70 71<br />

Ever since her debut film Ressamblage (1982), a<br />

documentary that incisively criticised accepted<br />

ethnological visions of Africa, she has examined<br />

gaps in the complex continuum of “ordinary” to<br />

“extra-ordinary”, arriving at the concept of “infraordinary”.<br />

Stripping away the surface of measurable<br />

chronological time, this present work probes the<br />

delicate play and modalities of fourth-dimensional<br />

Japan with remarkable skill.<br />

Coming to Japan and Barthes’ “depot of signs”<br />

thirty years later, Trinh T. Minh-ha focuses on various<br />

ritual aspects of everyday spaces in contemporary<br />

Japanese society: urban streets where kids<br />

hang out, crowded commuter train interiors,<br />

Shinkansen “bullet train” windows, local summer<br />

festivals with singing, dancing and parades,<br />

homes, tearooms and temples, the many rhythms<br />

of movement all set to different “taiko” drumbeats...<br />

In only four short months during her stay,<br />

she travelled around Japan with her newly acquired<br />

digital handicam gathering images of the unconscious<br />

choreography of the Japanese in their everyday<br />

activities and everyday spaces, with the moving<br />

train window as an added keynote framing device<br />

(the trip being also a voyage of acclimation to train<br />

speeds). Escaping from mundane time into the<br />

extra-ordinary circumstances of travel, she gets<br />

under the skin of everyday time that governs<br />

society using video as a ritual implement to infiltrate<br />

a new time and space...<br />

With highly attuned eyes and ears, she bathes in<br />

complex temporal relate latent in the everyday –<br />

“Japan time” “train time” “video time” — and with<br />

a more sensitive touch than most other foreigners<br />

travelling in Japan, she brings out spontaneous<br />

rituals “inside the commonplace”. Or again, raising


Art, die Muster der sich im Inneren des Gewöhnlichen (also „infra-<br />

ordinary“) zufällig ergebenden Formalität so detailliert wie kein anderer<br />

Nichtjapaner zuvor zu extrahieren: Sie lüftete den Schleier, der über<br />

dem Alltäglichen liegt, und versucht die Töne und Bilder sich zufällig<br />

ergebender Szenen wahrzunehmen. Sie schrieb einmal „Das Auge<br />

sieht und das Ohr hört“22; ihre Augen und Ohren, welche auf dem<br />

Weg zur Realität der „vierten Dimension“ die Einschränkung der physikalischen<br />

Sinneswahrnehmung längst hinter sich gelassen haben,<br />

fungieren als uneingeschränkt wahrnehmende, hochempfindliche<br />

Sensoren ihres Bewusstseins.<br />

Jene Vierdimensionalität, die von Taro Okamoto als „Magie“ ausgelegt<br />

worden war, definiert Trinh T. Minh-ha als unerforschtes Gebiet der<br />

Wahrnehmung, das sich im „infra-ordinary“ erstreckt, während sie<br />

versucht, die Geschichte dieser eng mit Japan verbundenen neuen<br />

Sinnesempfindung zu erschließen. Zu welcher ästhetischen Erkenntnis<br />

der zeitweilig unterbrochene Fluss der Suche nach dem, was hier<br />

vorerst als vierdimensionales Japan bezeichnet wurde, noch führt,<br />

lässt sich nicht voraussagen. Mit Sicherheit kann man aber sagen,<br />

dass das Erbe dieses Strebens nach einem anderen Japan, während<br />

es in der heutigen Zeit der kritischen Auseinandersetzung mit dem<br />

Orientalismus zusätzlich an Aktualität gewonnen hat, neue Möglichkeiten<br />

der Wahrnehmung „Japans“ anbietet.<br />

Anmerkungen<br />

1 Jiujiro Nakaya: Figurines néolithiques du Japon. In: Documents (1930), Bd. 2, Nr. 1,<br />

S. 25–32.<br />

2 Zur Bedeutung von Documents für den französischen ethnographischen Surrealismus<br />

siehe Ryuta Imafuku: Das Phantasma Tehuantepec. Wilde Technologie (Yasei no Tekunorojii).<br />

Tokio: Iwanami Shoten 1995.<br />

3 Taro Okamoto: Dialog mit der Vierten Dimension – Von der Keramik der Jomon-Zeit<br />

(Yojigen to no taiwa-jomon doki-ron). In: Mizue (1952), Nr. 558, S. 3–18.<br />

4 Toshiko Okamoto: 50 gemeinsame Jahre mit dem ‚Streitbaren Taro’ (Faitingu Taro to<br />

doko 50 nen). Geijutsu Shincho. Sonderausgabe vom Mai 1996 anlässlich des Todes von<br />

Taro Okamoto, S. 76 ff.<br />

5 Taro Okamoto, Dialog mit der Vierten Dimension, S. 7.<br />

6 Toshiko Okamoto, 50 gemeinsame Jahre mit dem ‚Streitbaren Taro’, S. 76;<br />

Gespräch mit Toshiko Okamoto am 05.04.2005.<br />

7 Taro Okamoto: Autobiographie. Das Okamoto Taro-Buch 1: Geburt der Magie<br />

(Okamoto Taro no hon 1 – Jujutsu no tanjo) Tokio: Misuzu 1998.<br />

8 Marcel Mauss: Esquisse d‘une théorie générale de la magie. Ursprünglich erschienen<br />

in Année sociologique (1902–1903), gemeinsam mit H. Humbert.<br />

the screen over the ordinary, she listens in on the<br />

unseen tumult of sound and image within the incidental.<br />

As she herself has written, “The eye hears<br />

and the ear sees”22, even as her eyes and ears<br />

penetrate fourth-dimension realities beyond the<br />

bounds of physical sensation.<br />

Re-reading the “magic” in Taro Okamoto’s “fourth<br />

dimension”, Trinh T. Minh-ha defines an expansive,<br />

untrodden territory of perception while exploring<br />

a new history of “Japan”-attuned sensibilities.<br />

Whether this intermittent current of exploration<br />

we have tentatively called “fourth-dimension Japan”<br />

will unfold into some further aesthetic remains to<br />

be seen. The only certainty is that this line of inquiry<br />

divorced from the local actualities of “Japan” will<br />

surely continue to provide a critical counterpoint<br />

to Orientalism, while hinting at new possibilities<br />

for perceiving yet another “Japan”.<br />

Notes<br />

1 Jiujiro Nakaya: Figurines néolithiques du Japon. In: Documents<br />

(1930), vol. 2, no.1, pp. 25–32.<br />

2 Ref. the author‘s discussion of the ethnolographic surrealism<br />

of Documents in Tehuantepec no Genei (Illusions of Tehuantepec)<br />

included in Ryuta Imafuku: Yasei no Technology (Technology of<br />

the Wild). Tokyo: Iwanami Shoten 1995.<br />

3 Taro Okamoto: Yojigen to no Taiwa: Jomon Dokiron (Jomon<br />

Pottery: Conversation with the Fourth Dimension). In: Mizue<br />

(1952), no. 558, pp. 3–18.<br />

4 Toshiko Okamoto: Faitingu Taro to Doko 50 jen (Fifty Years with<br />

Fighting Taro), Geijutsu Shincho: Goodbye Okamoto Taro special<br />

issue, Tokyo 1996, p. 76.<br />

5 Taro Okamoto, Jomon Pottery, p. 7.<br />

6 Toshiko Okamoto, Jomon Pottery, p. 76. As well as a private<br />

conversation with her (5 April 2005).<br />

7 Taro Okamoto: Jidensho (Memoirs), Okamoto Taro no Hon 1:<br />

Jujutsu Tanjo (Okamoto Taro Book 1: The Birth of Magic), Tokyo:<br />

Misuzu Shobo 1998, p. 224.


9 Marcel Mauss: Essai sur le don. In: Année sociologique (1/1925), S. 30–186.<br />

10 Taro Okamoto, Dialog mit der Vierten Dimension, S. 8.<br />

11 Ebda, S. 9.<br />

12 Ebda.<br />

13 Marcel Mauss: Oeuvres 2: Représentations collectives et diversités des civilizations.<br />

Paris: Minuit 1969, S. 130.<br />

14 Taro Okamoto: Über Okinawas Kultur – Das vergessene Japan (Okinawa bunkaron –<br />

wasurerareta Nippon). Tokio: Chuko Bunko 1996, S. 40 f.<br />

15 Taro Okamoto, Über Okinawas Kultur, S. 168–170.<br />

16 Roland Barthes: Das Reich der Zeichen. Aus dem Franz. von Michael Bischoff.<br />

Frankfurt/Main: Suhrkamp 1981, S. 14 f.<br />

17 Ein Vertreter hierfür ist z. B. Gayatri C. Spivaks A Critique of Postcolonial Reason,<br />

besonders auf den Seiten 492–497. Gegenüber einer solchen schematischen Darlegungsweise<br />

äußert sich allerdings Nibuya Takashi in seinem interessanten Essay über Barthes<br />

Eine indifferente Liebe (Mukanshin no ai) (erschienen im Zusatz über Roland Barthes zur<br />

Dezemberausgabe 2003 von Gendai Shiso, S. 124–134) überaus kritisch.<br />

18 Barthes, Das Reich der Zeichen, S. 16.<br />

19 „So“ ist eine Übersetzung des französischen „ainsi“; einer von Barthes’ fragmentarischen<br />

Sätzen in Das Reich der Zeichen über Haiku besteht aus diesem Wort. In<br />

Richard Howards <strong>englisch</strong>er Übersetzung wird es nicht mit „so“, sondern „that!“ wiedergegeben.<br />

20 Trinh T. Minh-ha: The Fourth Dimension (Japan-USA, 2001) Digitalfilm, 86:40 min.<br />

Regie: Trinh T. Minh-ha. Poduziert von Jean-Paul Bourdier und Trinh T. Minh-ha. Japan-<br />

Premiere bei Kyoto Biennale, Oktober 2003.<br />

21 Das ist eine eigene Übersetzung des <strong>englisch</strong>en Originalskripts, das mir von Trinh<br />

T. Minh-ha zugeschickt wurde.<br />

22 Trinh T. Minh-ha: Holes in the Sound Wall. When the Moon Waxes Red. New York:<br />

Routledge 1991, S. 302 ff. Im selben Buch ist auch ein herausfordernder Essay über<br />

Barthes zu finden: Eine vieldeutige Leere: Barthes und Asien, in dem im Hinblick auf<br />

Trinhs Vierdimensionalität jede Menge Hinweise auf Barthes Beschäftigung mit demselben<br />

Grundgedanken gegeben werden.<br />

Ryuta Imafuku 72 73<br />

8 Marcel Mauss and H. Hubert: Esquisse d‘une théorie générale<br />

de la magie, originally published in Année sociologique (1902–03).<br />

9 Marcel Mauss: Essai sur le don. In: Année sociologique (1925),<br />

no. 1, pp. 30–186.<br />

10 Taro Okamoto, Jomon Pottery, p. 8.<br />

11 Ibid, p. 9.<br />

12 Ibid.<br />

13 Marcel Mauss: Oeuvres 2: Représentations collectives et<br />

diversités des civilizations. Paris: Minuit 1969, p. 130.<br />

14 Taro Okamoto: Okinawa Bunkaron. Wasurerareta Nihon<br />

(Okinawan Culture: Forgotten Japan). Tokyo: Chuo Koronsha<br />

1961; Chuko Bunko paperback edition 1996, pp. 40–41.<br />

15 Taro Okamoto, Okinawa Bunkaron, paperback edition<br />

pp. 168–70.<br />

16 Roland Barthes: L‘Empire des signes. Geneve 1970. Quoted<br />

from English translation by Richard Howard (The Empire of Signs.<br />

New York: Hill and Wang 1983, p. 4.).<br />

17 Perhaps foremost among these is Gayatori C. Spivak:<br />

A Critique of Postcolonial Reason. Nibuya Takashi’s stimulating<br />

Mukanshin no Koi (Disinterested Love) in Gendai Shiso: Roland<br />

Barthes special issue (Dec. 2003), pp. 124–134 sharply criticized<br />

these kinds of “postcolonialist” critique of Orientalism.<br />

18 Roland Barthes, L‘Empire des signes.<br />

19 “Ainsi”, translated as “thus”. In Okinawa, Taro Okamoto frequently<br />

uses expressions like “that‘s it” or “just there” when faced<br />

with the immediacy of new experiences.<br />

20 Trinh T. Minh-ha: The Fourth Dimension (Japan-USA, 2001)<br />

digital video. 86:40 mins. Directed by Trinh T. Minh-ha. Produced<br />

by Jean-Paul Bourdier and Trinh T. Minh-ha. Japan premiere at<br />

Kyoto Biennale, October 2003.<br />

21 From Trinh T. Minh-ha‘s script for The Fourth Dimension.<br />

22 Trinh T. Minh-ha: Holes in the Sound Wall. When the Moon<br />

Waxes Red. New York: Routledge 1991, p. 302. Also included in<br />

this book is a stimulating refutation of Barthes from Trinh‘s<br />

“fourth dimension” perspectives entitled The Plural Void: Barthes<br />

and Asia.


Krystyna Wilkoszewska<br />

Auf der Reise mit Künstlern durch Zeit und Raum<br />

A Journey with Artists Through Time and Space


1 Versucht man für die drei Begriffe Perzeption, Zeit und<br />

Erinnerung, die der Ausstellung ihre Struktur vorgeben, einen<br />

gemeinsamen Nenner zu finden, kommt einem die Reise vielleicht<br />

in den Sinn. Reisen verlaufen durch Zeit und Raum;<br />

beschreitet man neues, unbekanntes Terrain, schärft sich die<br />

Wahrnehmung; selbst entdeckte Orte und Erlebnisse prägen<br />

sich dem Gedächtnis ungewöhnlich tief ein und formen unsere<br />

Persönlichkeit. Wir reisen zu Fuß, zu Pferd, auf dem Wasserweg,<br />

mit Zug und Auto, reisen durch die Lüfte und das All.<br />

Deshalb ist das Auf-Reise-Sein, der „homo viator“, seit Anbeginn<br />

der Menschheit ein wichtiges Merkmal der Conditio humana.<br />

Eine Sonderstellung unter den Reisenden nehmen die Künstler<br />

ein. Sie reisen nicht um ihrer selbst willen, sondern für ihre<br />

Kunst. Häufig beschreiten sie gerade aufgrund ihrer Reisen künstlerisches<br />

Neuland, weil die Spannung, die durch die Erfahrung<br />

bisher unbekannter zeitlicher und räumlicher Dimensionen<br />

erzeugt wird, Energien freisetzt, die am besten im wirklich kreativen<br />

Prozess der Konfrontation mit der künstlerischen Materie<br />

zum Ausdruck kommen.<br />

Japanische Künstler reisen seit langem. Der berühmte Poet<br />

Ki-no Tsurayuki aus dem 10. Jahrhundert, Autor der ersten<br />

Theorie der japanischen Poesie, schrieb nach seiner Rückkehr<br />

von einer Schiffsreise Tosa nikki (Das Tagebuch aus Tosa), in<br />

dem sich der Dichter hinter einem weiblichen Erzähler versteckte.<br />

Er begründet damit das literarische Genre des „nikki“, einer Art<br />

Reisetagebuch oder -erinnerungen, in denen abwechselnd von<br />

Ereignissen berichtet, Gedichte zitiert und Überlegungen zur<br />

Poetik angestellt werden. Im 17. Jahrhundert knüpfte der berühmte<br />

Dichter Matsuo Basho, der für seine Verdienste um das<br />

17-silbige Haiku-Gedicht, das als Quintessenz der japanischen<br />

Ästhetik gilt, den Beinamen „der Unsterbliche“ verliehen bekam,<br />

ganz bewusst an die Tradition des Wanderdichters an und<br />

unternahm einige Reisen, die auch in Tagebuchform festgehalten<br />

wurden. Sie dienten allein dem Zweck, das Wesen der Reise<br />

kennen zu lernen. „Basho merkte, dass die Zeit gekommen<br />

war, einen neuen Stil zu entwickeln, und er wusste, dass er sich<br />

am besten darauf vorbereitete, indem er Edo verließ und auf<br />

der Suche nach Inspiration die Provinz bereiste.“1<br />

Bashos Reisetagebücher enthalten Naturbeschreibungen, Berichte<br />

von Begegnungen und Gesprächen, aber auch Gedichte,<br />

in denen die originelle Beschreibung der Welt auf die Intensität<br />

der Empfindungen in der neuen Umgebung schließen lässt.<br />

Ein Beispiel:<br />

Krystyna Wilkoszewska 74 75<br />

1 In search of a single term that links the three concepts –<br />

perception, time and memory – on which this exhibition<br />

is based, the notion of a journey may come to mind.<br />

Journeys traverse space and time, while entering new,<br />

unknown territory sharpens our sense of perception;<br />

places that we discover or events that we experience<br />

root themselves more strongly in our memory, and<br />

become integral to our personalities. We travel on foot,<br />

by horse, over water, by train and car, voyage by air and<br />

into space. That is why being-on-the-way, “homo viator”,<br />

has been such an important characteristic of the human<br />

condition from the very beginning of humanity itself.<br />

Artists play an exceptional role among travellers. They<br />

do not travel for their own sake, but for their art. Indeed,<br />

it is because of their journeys that they frequently attain<br />

new paths of creation, for the tension generated by the<br />

experience of hitherto uncharted dimensions of space and<br />

time releases energy which is best expressed in the truly<br />

creative process of the struggle with artistic material.<br />

Japanese artists have been travelling for a long time.<br />

On his return from a sea voyage, the founder of the first<br />

Japanese poetic theory, the renowned tenth-century<br />

poet Ki-no Tsurayuki, wrote Tosa nikki (The Tosa Diary),<br />

hiding behind the figure of a female narrator. With this<br />

he founded the literary genre of the “nikki”, a travel<br />

diary or travel reminiscences in which descriptions of<br />

events are interwoven with quotations from poems and<br />

reflections on the principles of writing and evaluations<br />

of poetry. The outstanding seventeenth-century poet<br />

Matsuo Basho, awarded the epithet “immortal” for his<br />

achievements in the development of the 17-syllable<br />

haiku poem, which is regarded as the quintessence of<br />

the Japanese aesthetic, consciously adopted the role<br />

of the wandering bard and undertook several journeys<br />

that were then also recorded in the form of a diary.<br />

They had no other aim than a desire to understand the<br />

very essence of the journey. “Basho felt that the time<br />

had come to create a new style and that the most effective<br />

preparation was to leave Edo and travel through<br />

the countryside for inspiration.”1 Basho’s travel diaries<br />

contain descriptions of nature, meetings and conversations,<br />

but also poems in which the world is depicted with<br />

a freshness that indicates the intensity of his impressions<br />

in the new environment. Here is one example:


Nozarashi wo Knochen liegen auf dem Feld –<br />

Kokoro ni kaze no Beim Gedanken beißt<br />

Shimu mi kana mir der Wind ins Fleisch!<br />

Zu jenen Zeiten war die Dichtung eine der ersten Künste;<br />

in den Tagebüchern wurde sie mit Prosa verbunden. Sie wurde<br />

aber auch mit Bildern verknüpft, denn sowohl die alte chinesische<br />

wie auch die japanische Tradition betrachten Wort und<br />

Bild als komplementäre Ausdrucksformen. Haiga ist ein Haiku,<br />

das durch eine gezeichnete Skizze ergänzt wird. Aber selbst<br />

ohne Zeichnung ist das Haiku an sich eher ein Bild denn Literatur.<br />

So wie das in Europa wohl bekannteste Haiku:<br />

Der alte Teich.<br />

Ein Frosch springt hinein –<br />

Das Geräusch des Wassers.<br />

Verlangt das vom Poeten festgehaltene und aus dem Kontext<br />

herausgelöste Ereignis in der Natur nicht nach einem Bild? Ist<br />

das Platschen des Wassers, das die Stille durchbricht, nicht mit<br />

dem Aufleuchten eines Blitzlichts im Halbdunkel des alten Teichs<br />

identisch?<br />

Mit dem Beginn der Postmoderne geht das Zeitalter des Wortes<br />

seinem Ende entgegen, und Schlüssel zur Wirklichkeit sind<br />

technische und elektronische Geräte. Das Bild als Vermittler<br />

zwischen dem Menschen und der Welt ist konkreter als das<br />

Wort und verlangt eine Intensivierung der Sinneswahrnehmung.<br />

2 Der zeitgenössische Künstler reist ebenso wie seine Vorgänger<br />

vor Jahrhunderten, doch statt der Feder für das Tagebuch<br />

nimmt er weit häufiger einen Fotoapparat mit. Er ist nicht mehr<br />

Dichter, sondern eher ein vielseitiger Künstler, und die Reisen<br />

führen ihn in verschiedene Regionen der Zeit und des Raums.<br />

Gelegentlich dringt ein japanischer Künstler, gleich einem Nomaden<br />

des ausgehenden 20. Jahrhunderts, in die tiefste Vergangenheit<br />

der frühjapanischen Kultur vor, wendet sich einer<br />

Epoche zu, die manchmal sogar mehr als 10.000 Jahre zurückliegt,<br />

in der Hoffnung, dass er im Rückgriff auf eine Zeit, in der<br />

die Kultur noch in ihren Kinderschuhen steckte, in der Rückbesinnung<br />

auf die ersten Gebilde der Schönheit und künstlerischen<br />

Phantasie, den Schlüssel zum Geheimnis der Schönheit<br />

findet. Die Schnurmuster-Keramiken (Jomon) – Gefäße und<br />

kleine Figuren aus dem 7. Jahrhundert v. Chr. – verblüffen durch<br />

ihren Formenreichtum und ihre Ausdruckskraft. Sie wurden aus<br />

Nozarashi wo Bones exposed in a field –<br />

Kokoro ni kaze no At the thought, how the wind<br />

Shimu mi kana Bites into my flesh!<br />

In those bygone days, poetry was one of the foremost<br />

art forms, while in the diaries it was combined with prose.<br />

It was also combined with pictures, since the old tradition<br />

in both Chinese and Japanese culture considered word<br />

and image to be complementary forms of expression.<br />

A haiga is a haiku that is supplemented by a sketch. But<br />

even without the drawing, the haiku alone is more like<br />

an image than a piece of literature. Like this one, the bestknown<br />

haiku in Europe:<br />

The old pond<br />

A frog jumps in –<br />

The sound of water.<br />

Doesn’t this natural event, captured and singled out by<br />

the poet, demand a picture? Isn’t the splash of the<br />

water – piercing the silence – identical to the flash of a<br />

camera in the semi-darkness of the old pond?<br />

The age of postmodernism signifies the end of the epoch<br />

of the word, and technical and electronic appliances<br />

have become the key to reality. The image, as a means<br />

of mediation between human beings and the world, is<br />

more concrete than the word and demands a more<br />

intense sensory perception.<br />

2 Just like his predecessor, the contemporary artist still<br />

travels, but instead of a quill for writing his diary, he more<br />

often carries a camera. He is no longer a poet but rather<br />

a multifaceted artist, and he is headed for various regions<br />

of space-time. Sometimes, a Japanese artist, like a nomad<br />

at the end of the twentieth century, plunges into the most<br />

distant epoch of pre-Japanese culture, turns his attention<br />

to an era that might lie more than 10,000 year s in the<br />

past, in the hope that reaching back to an age in which<br />

the culture was still in its infancy, to the first works of<br />

beauty and the creative imagination, will give him the key<br />

to understanding the mysteries of the beauty contained<br />

within it. The rope pattern ceramics (jomon) that have<br />

been excavated and include vessels and figures dating<br />

from 7 B.C., are astounding in the richness of their form<br />

and their expressiveness. They were formed from dark


Fig. 1 Taro Okamoto,<br />

Jomon-Keramik (Detail),<br />

Ausgrabung in Toyama.<br />

University of Tokyo,<br />

Anthropologie Abt., 1956<br />

Fig. 1 Taro Okamoto,<br />

Jomon period jar,<br />

excavated in Toyama.<br />

University of Tokyo,<br />

Anthropology Dept, 1956<br />

dunkelgrauem Lehm mit der Hand geformt und waren mit<br />

Verzierungen bedeckt, die man mit einer Schnur oder einem<br />

Stock, um den eine Schnur gewickelt war, eingedrückt hatte.<br />

Dabei entstand eine unregelmäßige Zeichnung von abwechselnd<br />

nach außen und innen gewölbten Formen, außerordentlich<br />

dynamische Formen, die Elemente einer naturverbundenen<br />

Symbolik waren. Obwohl wir die Bedeutungen der Symbole nicht<br />

kennen, kann es keinen Zweifel geben, dass Jägervölker die<br />

Schnurmuster-Keramiken im Gefühl der Einheit mit der Natur<br />

schufen, die als wohlgesonnene, von Geistern bevölkerte<br />

Sphäre wahrgenommen wurde.<br />

Taro Okamoto bezeichnet die Jomon-Frühkultur als „vierte<br />

Dimension”. Und obwohl heutzutage die Zeit als vierte Dimension<br />

gilt, geht es Okamoto eher um eine zeitlose Realität – um die<br />

von Geistern bevölkerte übernatürliche Sphäre. Der Verlust des<br />

religiösen Volksglaubens durch den modernen Menschen und<br />

damit auch die Fähigkeit, „mit der vierten Dimension zu kommunizieren”,<br />

hat zur Folge, dass der Künstler, den dieser Zustand<br />

beunruhigt, mit einer Kamera ausgerüstet seine Reisen dokumentiert<br />

und auf diese Weise eine moderne Form des „nikki“ oder<br />

„emaki“, d. h. eine illustrierte Geschichte, schafft, in der wie früher<br />

Wörter und Bilder sich vermischen, nur dass Letztere jetzt Fotografien<br />

sind.<br />

Kann die Fotografie aber die vierte Dimension zeigen? Kann<br />

sie das Unsichtbare sichtbar machen? Seit Menschengedenken<br />

versucht die Kunst, die geistige Wirklichkeit zu erreichen und<br />

das zu zeigen, was der Perzeption unzugänglich ist. Dieses<br />

uralte Problem der Kunst – auch der christlichen Kunst – wurde<br />

allgemein durch die Idee des Symbols gelöst, bei dem das sinnlich<br />

erfahrbare künstlerische Gebilde zu einem Zeichen wird,<br />

das sich selbst transzendiert, auf eine Wirklichkeit verweist, die<br />

den Sinnen unzugänglich ist.<br />

Die Literatur, in der das Wort stets auf eine Bedeutung verweist,<br />

eignet sich wesentlich besser, das mitzuteilen, was unsichtbar<br />

ist. Vielleicht stützt sich Okamoto deshalb auf das Wort. Ähnlich<br />

wie Takuma Nakahira, ein anderer durch Okinawa reisender<br />

Künstler, der die Beschränktheit des Fotoapparats (die Grenzen<br />

seiner Möglichkeiten) kennen gelernt hat, der nicht in der Lage<br />

ist, die hinter den Erscheinungen verborgene vierte Dimension<br />

festzuhalten – die man doch fühlen kann. In Europa sprechen<br />

wir vom Streben nach dem absoluten Sein. Im Osten bezeichnet<br />

man diese Dimension gewöhnlich als Leere.<br />

Heute wie früher scheint die Dynamik der japanischen Kunst<br />

das Ergebnis der steten Spannung zwischen der erfahrbaren<br />

Welt zeitlicher Erscheinungen und der „sich ausbreitenden“, nicht<br />

artikulierten, doch vergegenwärtigten Leere zu sein.<br />

Fig. 2 Taro Okamoto,<br />

Jomon-Tonfigur, 1956<br />

Fig. 2 Taro Okamoto,<br />

Jomon period clay<br />

figurine, 1956<br />

Krystyna Wilkoszewska 76 77<br />

green clay by hand, and decorated with the help of a<br />

cord or a stick with a cord wound around it. This gave<br />

rise to irregular patterns of protrusions and indentations,<br />

an exceptionally dynamic form laden with naturalistic<br />

symbolism. Although the meaning of the symbols remains<br />

unknown to us, there is no doubt that the rope pattern<br />

ceramics came into being as a result of the hunter peoples’<br />

sense of unity with nature, perceived as a benign realm<br />

overflowing with spirits.<br />

Taro Okamoto uses the term “fourth dimension” to<br />

describe the jomon culture. And although nowadays it<br />

is “time” that is understood to be the fourth dimension,<br />

Okamoto is probably thinking more of a timeless reality –<br />

the supernatural sphere that is peopled by spirits. An<br />

artist alarmed by contemporary man‘s loss of religious<br />

belief and his resulting inability to “enter into conversation<br />

with the fourth dimension” equips himself with a camera,<br />

documents his journeys and creates a modern form of<br />

the “nikki”, or “emaki”, i.e. an illustrated story, so that just<br />

as before, the words are interspersed with pictures, only<br />

now these are in the form of photographs.<br />

But can a photograph reveal the fourth dimension? Can<br />

it render the invisible visible? From time immemorial, art<br />

has wished to capture spiritual reality and manifest that<br />

which is inaccessible to the senses. This, the eternal<br />

problem of art, including Christian art, was universally<br />

solved by the concept of the symbol, which turns a sensorily<br />

accessible artistic creation into a sign that refers<br />

outside itself, to a reality inaccessible to the senses.<br />

Literature, where the word always refers to a meaning,<br />

is more suited to communicating the invisible. Perhaps<br />

that is why Okamoto utilises the word, as did Takuma<br />

Nakahira, another artist who travelled in the Okinawa<br />

region and came face to face with the powerlessness of<br />

the camera (the limit of its possibilities), unable as it is to<br />

capture the presence of the fourth dimension – although<br />

it can be felt – concealed behind phenomena. In Europe,<br />

we speak of striving for the absolute. In the East, this<br />

dimension is commonly described as emptiness.<br />

The dynamism of Japanese art, both past and present,<br />

appears to result from a permanent tension between the<br />

experienceable world of phenomena bound in time and<br />

the “spread” of an unarticulated but nonetheless manifested<br />

emptiness.<br />

We return once more to the haiku. An everyday occurrence,<br />

such as a frog hopping into the water, reveals the


Kehren wir noch einmal zum Haiku zurück. Ein bestimmtes<br />

gewöhnliches Ereignis wie z. B. der ins Wasser hüpfende Frosch<br />

offenbart in einem plötzlichen Aufblitzen (das Platschen des<br />

Wassers) die zeitlose Dimension der Natur. Zur Beschreibung<br />

der beiden aufeinander folgenden Momente führte Basho die<br />

Begriffe „fueki“ und „ryuko“ ein, die sich gegenseitig bedingen,<br />

wobei der erste die metaphysische Grundlage des zweiten und<br />

zugleich dessen Ausdruck ist. Der berühmte japanische Denker<br />

Toshihiko Izutsu schrieb: „Die gesamte Struktur des Haiku ist<br />

jedoch so angelegt: Je stärker das Moment der phänomenalen<br />

Inkonsistenz (ryuko) zum Ausdruck kommt, desto erhabener<br />

und intensiver ist das versteckte Potenzial der nicht-phänomenalen<br />

Konstanz (fueki).”2<br />

Die Vergegenwärtigung einer nicht-zeitlichen „nicht-phänomenalen<br />

Konstanz“ in einer zeitlichen Kunst wie der Poesie ist beim<br />

Haiku aufgrund seiner ungewöhnlich kurzen, auf 17 Silben<br />

begrenzten Form möglich. Dank dieser Kürze wird die Linearität<br />

der Sprache verneint und an ihrer Stelle breitet sich ein Feld von<br />

Bedeutungsassoziationen aus. Beim Haiku wird das Bemühen<br />

sichtbar, den temporalen Charakter des Mediums (Wortfolge)<br />

zu verlassen, um eine räumliche Dimension zu gewinnen (semantisches<br />

Assoziationsfeld). Um „fueki“ auszudrücken, eignet sich<br />

die Raummetapher viel besser als die Zeitmetapher, die zum<br />

„ryuko“ gehört, d. h. zur Sphäre der vergänglichen Erscheinungen.<br />

Der metaphysische Hintergrund der japanischen Ästhetik<br />

erstreckt sich, nach Ansicht von Izutsu, von der Zeitlichkeit,<br />

Zerbrechlichkeit und Vergänglichkeit der Welt der Erscheinungen<br />

bis zur ausgedehnten Unendlichkeit der außerphänomenalen<br />

Welt des Nichts. Letzten Endes bergen fast alle Künste (Poesie,<br />

Theater, Teekunst, aber auch andere), ähnlich wie die grundlegenden<br />

ästhetischen Kategorien (z.B. „yugen“), das Bestreben<br />

in sich, zu jener Wirklichkeit vorzudringen, die außerhalb der<br />

menschlichen Existenz und der Welt der Dinge liegt. Dieses<br />

Streben kann dann realisiert werden, wenn die Vergänglichkeit<br />

der Erscheinungen in ihrer sinnlichsten Form sich mit der<br />

Dimension vermischt, die als unveränderlich, dauerhaft und<br />

zeitlos charakterisiert wird.<br />

3 Die hier vorgestellte, religiös inspirierte Weltanschauung, die<br />

die japanische Ästhetik kennzeichnet, beschreibt zugleich ihr<br />

spezifisches Verhältnis zur Natur. Recht häufig wird gesagt, dass<br />

der Japaner ein inniges Verhältnis und eine große Nähe zur Natur<br />

habe, und dieses harmonische Miteinander scheint die Quintessenz<br />

des Japanischen zu sein. Masaharu Anesaki schreibt:<br />

„Sowohl der Buddhismus als auch der Shintoismus lehrt, dass<br />

timeless dimension of nature in a sudden burst (the splash<br />

of the water). To describe both the moments that followed,<br />

Basho introduced the terms “fueki” and “ryuko”, which<br />

qualify each other, with the first becoming the metaphysical<br />

basis of the second as its expression. The outstanding<br />

Japanese philosopher Toshihiko Izutsu wrote:<br />

“The whole structure of haiku is, however, so made that<br />

the stronger the momentum of phenomenal transiency<br />

(ryuko) expressed, the more elevated and intensified is the<br />

hidden potential of non-phenomenal constancy (fueki).”2<br />

The revealing of a timeless “non-phenomenal constancy”<br />

in the temporal art of poetry is made possible by the<br />

unusually short form of the haiku, limited as it is to 17<br />

syllables. This brevity negates the linear essence of<br />

language, and in its place fields of associative meanings<br />

spread out. With the haiku, we see the efforts made to<br />

leave the temporal character of the medium (sequence<br />

of words) with the aim of attaining a spatial dimension<br />

(associative semantic fields). Metaphors of space are far<br />

better suited to the expression of “fueki” than metaphors<br />

of time, which belong to “ryuko”, i.e. the sphere of transient<br />

phenomena.<br />

According to Izutsu, the metaphysical background of<br />

Japanese aesthetics stretches between the temporality,<br />

frailty and transience of the world of phenomena and<br />

the prolonged eternity of the non-phenomenal world<br />

of nihility. Almost all the arts (poetry, theatre, the art of<br />

teand others), just like the basic aesthetic categories<br />

such as “yugen”, ultimately aspire to attain a reality that<br />

lies outside human existence and the world of things.<br />

This aspiration will become realisable when the transience<br />

of phenomena in their most sensory form mingle with<br />

the dimension characterised as constant, permanent,<br />

and timeless.<br />

3 The religiously inspired “weltanschauung” that<br />

characterises the Japanese aesthetics presented here<br />

simultaneously determines its specific relation to nature.<br />

It is frequently said that the Japanese have an intimate<br />

relationship with nature and that this harmony of co<br />

existence forms the quintessence of “Japanese-ness”. As<br />

Masaharu Anesaki writes: “Both Buddhism and Shintoism<br />

teach that the things of nature are not essentially unlike


die Dinge der Natur sich nicht wesentlich von der Menschheit<br />

unterscheiden und dass sie mit einem Geist beseelt sind, der<br />

dem des Menschen ähnlich ist.”3<br />

Die essentielle Ähnlichkeit von Mensch und Natur manifestiert<br />

sich sowohl im emotionalen Bereich wie auch auf der existentiellen<br />

Ebene. Beide Sphären sind stark von der Ästhetik geprägt<br />

und stellen Motive dar, die in der Kunst stets präsent sind. Bei<br />

Ersterer tritt die ästhetische Kategorie „mono-no-aware“ in<br />

den Vordergrund, die ihre Entsprechung in unserem Begriff<br />

„lacrimae rerum“ („Die Dinge haben ihre Tränen”) hat, womit<br />

eine spezifische Empfindlichkeit der Gegenstände gemeint ist.<br />

Dabei werden Dinge oder Situationen, die von einer besonderen<br />

Gefühlsstimmung umgeben sind, durch das Mitfühlen erfahren,<br />

das dank der Ähnlichkeit der menschlichen Gefühle und der<br />

emotionalen Aura der Natur möglich ist. Da „mono-no-aware“<br />

eng verknüpft ist mit dem Nachdenken über die Unbeständigkeit<br />

und Flüchtigkeit sowohl der Erscheinungen der Natur als auch<br />

der menschlichen Existenz, ist es meistens, wenn auch nicht<br />

immer, gleichbedeutend mit einer wehmütigen und melancholischen<br />

Stimmung. Die Stimmung, dass alles vergänglich ist, die<br />

durch den Buddhismus gefestigt wurde, durchdringt die japanische<br />

Kunst und Ästhetik und bewirkt, dass die Erscheinungen<br />

nicht zur Zeit ihrer Fülle und Blütezeit, sondern während ihres<br />

Entstehens und Schwindens stark aufgewertet werden. Der<br />

Mönch Kenko, der im Mittelalter lebte, fragte in Tsurezuregusa<br />

(Essays über den Müßiggang): „Sollen wir die Kirschblüten nur<br />

betrachten, wenn sie in voller Blüte stehen, den Mond nur dann,<br />

wenn es wolkenlos ist?” Und er antwortete: „Zweige, die am<br />

Erblühen sind, oder Gärten, in denen verwelkte Blüten verstreut<br />

sind, verdienen eher unsere Bewunderung.“4<br />

Im gleichen Sinne äußert sich der zeitgenössische Maler<br />

Higashiyama Kaii: „Die Blumen schauen zum Mond hinauf. Der<br />

Mond schaut auf die Blumen... Das nennt man wohl eine Begegnung.<br />

Blumen stehen nur eine kurze Zeit in ihrer vollen<br />

Blüte und es ist sehr schwierig für sie, dem Mond zu begegnen.<br />

Zudem ist Vollmond nur diese eine Nacht. Falls es wolkig ist<br />

oder regnet, sehen wir ihn nicht. Außerdem muss ich da sein, um<br />

es zu beobachten... Wenn Blumen die ganze Zeit in voller Blüte<br />

ständen und wir für immer existierten, wären wir von dieser<br />

Begegnung nicht gerührt. Blüten stellen ihre Lebensglut zur<br />

Schau, indem sie zu Boden fallen.”5<br />

Was will uns Yoshihiro Suda mit seiner künstlichen Rose sagen,<br />

deren Blütenblätter „zu Boden fallen“? Dass von der Vergänglichkeit<br />

lebende wie tote Dinge betroffen sind? Vielleicht wollte<br />

er aber – wie das japanische Künstler seit Jahrhunderten,<br />

Krystyna Wilkoszewska 78 79<br />

mankind, and that they are endowed with spirits similar<br />

to those of men.”3<br />

The fundamental similarity between humans and nature<br />

manifests itself both in the emotional sphere and at the<br />

existential level. Both are strongly marked by the aesthetic<br />

and form motifs that are always present in art. In the case<br />

of the former, the aesthetic category “mono-no-aware”<br />

comes to the fore, corresponding to our concept of<br />

“lacrimae rerum” (“tears of things”), i.e. the singular sensitivity<br />

of objects. This concerns a special emotional mood<br />

that surrounds things or situations whose experience is<br />

based on empathy, made possible by the similarity of<br />

human emotion to the emotional aura of nature. For the<br />

most part, although not always, “mono-no-aware” denotes<br />

a mood of sadness and melancholy that results from<br />

rumination on the transience both of the phenomena of<br />

nature and of human existence. The idea of everything’s<br />

transience that is established in Buddhism permeates<br />

Japanese art and aesthetics, and gives rise to a higher<br />

estimation of phenomena during their rise and fall than<br />

at the time of their full bloom. Kenko, a monk in the<br />

Middle Ages, asked in Tsurezuregusa (Essays in Idleness):<br />

“Are we to look at cherry blossoms only in full bloom,<br />

the moon only when it is cloudless?” And answered:<br />

“Branches about to blossom or gardens strewn with faded<br />

flowers are worthier of our admiration.”4<br />

The painter Higashiyama Kaii, a contemporary, said in<br />

the same spirit: “Flowers look up at the moon. The moon<br />

looks at the flowers... This must be what is called an<br />

encounter. Flowers stay in their fullest bloom only for a<br />

short period of time and it is very difficult for them to<br />

encounter the moon. Moreover, the full moon is only for<br />

this one night. If cloudy or rainy, this view cannot be seen.<br />

Furthermore, I must be there to watch it...<br />

If flowers are in full bloom all the time and if we exist<br />

forever, we won’t be moved by this encounter. Flowers<br />

exhibit their glow of life by falling to the ground.”5<br />

What does Yoshihiro Suda want to tell us with his artificial<br />

rose, whose petals “fall on the ground”? That transience<br />

affects both things that are alive and lifeless? Or perhaps<br />

he wanted – as Japanese artists have done for centuries,<br />

starting with the tenth-century Murasaki Shikibu who<br />

wrote Genji monogatari, or Sei Shonagon, the author of<br />

Makura no soshi – to evoke in us the singular mood of<br />

sadness and melancholy “mono-no-aware”, in which the


Fig. 3 Yoshihiro Suda,<br />

Weeds, 2004<br />

bemaltes Holz<br />

Fig. 3 Yoshihiro Suda,<br />

Weeds, 2004<br />

painted wood<br />

angefangen von Murasaki Shikibu, der Autorin von Genji monogatari,<br />

und Sei Shonagon, der Autorin von Makura no soshi, die<br />

beide im 10. Jahrhundert lebten, zu tun pflegen – in uns diese<br />

eigentümlich wehmütige und melancholische Stimmung „monono-aware“<br />

hervorrufen, bei der die Gegenstände der uns umgebenden<br />

Welt den Menschen in einen kontemplativen Zustand<br />

versetzen, in dem die Vergangenheit (Erinnerung) vergegenwärtigt<br />

und in der Psyche die Bindung zum zyklischen Zeitverlauf,<br />

zu den Jahreszeiten und den damit verbundenen<br />

Ritualen unterbrochen wird, und bei dem „mujokan“ – die<br />

Unbeständigkeit an sich als fundamentale Qualität des Seins –<br />

zum Gegenstand der Kontemplation wird.<br />

An dieser Stelle zwei Zitate von Sei Shonagon: „Ich mag es, wenn<br />

die Sonne am Frühlingshimmel klar und ruhig scheint. Das ist<br />

die Zeit, wenn die Pfirsichbäume erblühen, welch ein Anblick!<br />

Auch die Weiden sind zu dieser Jahreszeit so bezaubernd wie nie,<br />

mit Knospen, die noch eingeschlossen sind wie Seidenraupen<br />

in ihren Kokons. Nachdem die Bäume Blätter ausgetrieben<br />

haben, finde ich sie nicht mehr anziehend, im Grunde verlieren<br />

alle Bäume ihren Reiz, sobald die Blüten angefangen haben<br />

sich zu verstreuen”.6<br />

„Ich mag den Klang der Flöte: er ist wunderschön, wenn man<br />

ihn langsam aus der Ferne näher kommen hört, gleichfalls, wenn<br />

sie in der Nähe gespielt wird und der Klang sich dann entfernt,<br />

bis er kaum noch zu vernehmen ist”.7<br />

Die Schönheit der Welt offenbart sich im Prozess des Entstehens<br />

und Entschwindens und nicht im Kulminationspunkt, wie es die<br />

traditionelle europäische Ästhetik möchte. Dem westlichen Grundsatz<br />

der ästhetischen Ökonomie, der Einheit in der Vielheit, wo<br />

nichts hinzugefügt oder weggenommen werden kann, ohne dass<br />

die ästhetische Vollkommenheit gestört wird, setzt Japan eine<br />

Ästhetik der Suggestion, der Andeutung und der Unabgeschlossenheit<br />

entgegen, die dem Rezipienten Platz lässt, etwas hinzuzufügen.<br />

Begünstigt wird eine solche Ästhetik in der Literatur<br />

allein schon durch die Sprache, die auf der Satzebene weder<br />

über eine klare Subjektkategorie verfügt noch zwischen Einzahl<br />

und Mehrzahl unterscheidet; in der Architektur durch das Verwerfen<br />

der Symmetrie, was ein ständiges Anbauen bzw., im<br />

System beweglicher Wände, ein beliebiges Verfügen über den<br />

Raum ermöglicht; in der Malerei dadurch, dass man auf dem Bild<br />

einen leeren Fleck lässt. Und obwohl die Japaner viel aus China<br />

übernommen haben, ist die hier beschriebene Qualität der<br />

Ästhetik ihr eigener Beitrag.<br />

Fig. 4 Yoshihiro Suda,<br />

Magnolia Flower, 2000<br />

bemaltes Holz<br />

Fig. 4 Yoshihiro Suda,<br />

Magnolia Flower, 2000<br />

painted wood<br />

objects of the world around us bring humans into a state<br />

of contemplation in which the past (memory) is revealed<br />

and in which the ties to the cyclical passing of time, to the<br />

seasons and to the rituals that accompany these seasons<br />

in the psyche are severed and in which the “mujokan” –<br />

transience itself as the basic quality of being – becomes<br />

the object of contemplation.<br />

Here are two quotes from Sei Shonagon: “I like to see<br />

the sun shining bright and calm in the spring sky. Now is<br />

the time when the peach trees come into bloom, and<br />

what a sight it is! The willows too are most charming at<br />

this season, with the buds still enclosed like silkworms<br />

in their cocoons. After the leaves have spread out, I find<br />

them unattractive; in fact all trees lose their charm once<br />

the blossoms have begun to scatter.”6<br />

“I like the sound of the flute: it is beautiful when one<br />

hears it gradually approaching from the distance, and<br />

also when it is played near by and then moves further<br />

away until it becomes very faint.”7<br />

The world’s beauty reveals itself in the process of rise and<br />

fall and not, as the traditional European aesthetic would<br />

have it, at the point of culmination. Japanese culture<br />

counters the Western principle of aesthetic economy, unity<br />

in multitude, which admits additions or diminutions only<br />

at the risk of disturbing aesthetic perfection, with one of<br />

allusion, obliqueness and incompleteness, always leaving<br />

room for the recipient to add something. In literature, this<br />

aesthetic is aided by a language that neither possesses<br />

a clear subject category in each sentence nor differentiates<br />

between singular and plural; in architecture, it is<br />

aided by the rejection of symmetry, which allows constant<br />

additions to the building as well as free use of space via<br />

a system of moveable walls; and in painting, by the<br />

inclusion of empty space. And although the Japanese<br />

have adopted much from the Chinese, the quality of the<br />

aesthetic outlined here is their own contribution.<br />

4 A perfect example of the use of process to articulate<br />

the desire to reach awareness of emptiness is the art of<br />

tea. “The tea ceremony developed as an art concealing<br />

art”8, wrote Donald Keene. The art of tea is rooted in<br />

everyday life – we are dealing here with the elevation of


4 Das Bestreben, die Leere durch die Artikulation eines Prozesses<br />

zu vergegenwärtigen, wird in der Teekunst vorbildlich<br />

verwirklicht. „Die Tee-Zeremonie entwickelte sich zu einer Kunst,<br />

die die Kunst verbirgt“8, schreibt Donald Keene. Die Teekunst<br />

entstammt dem Alltagsleben, wir haben es hier mit einer gewöhnlichen<br />

und praktischen Tätigkeit zu tun, die in den Rang einer<br />

Kunst mit einer ungewöhnlich raffinierten Ästhetik erhoben<br />

wurde. Nach ihrem Begründer Sen Rikyu stützt sich die Teekunst<br />

auf vier Grundsätze: Harmonie, Achtung, Reinheit und<br />

innere Ruhe. Es ist nicht leicht, sie zu verstehen, man kann sie<br />

sich nur in Form von sieben Regeln aneignen, indem man über<br />

Jahre hinweg die Teezeremonie zelebriert. Man sagt deshalb,<br />

dass Tee und Zen den gleichen Geschmack haben.<br />

Einst fragte ein Schüler den Meister Rikyu: Worauf beruht das<br />

Anrichten und Reichen des Tees? Sen Rikyu antwortete: „Mache<br />

eine köstliche Tasse Tee; schichte die Kohlen so, dass sie das<br />

Wasser erhitzen; arrangiere die Blumen wie auf dem Felde; im<br />

Sommer erwecke den Eindruck von Kühle, im Winter von Wärme;<br />

tue alles im Voraus; bereite dich auf Regen vor; und stelle dich<br />

auf deine Gäste ganz ein.“9<br />

Der Schüler, der so viel von den Geheimnissen der Zeremonie<br />

gehört hatte, quittierte die Antwort des Meisters enttäuscht mit<br />

einem „so viel weiß ich auch“. Daraufhin antwortete Sen Rikyu:<br />

„Deshalb bleibe ich dein Schüler.“<br />

Die Teekunst beruht darauf, dass man eine Schlichtheit und<br />

Natürlichkeit gerade dann erreicht, wenn man die Regeln strengstens<br />

befolgt. Spontaneität bedeutet nicht, dass man die Regeln<br />

verwirft, sondern ist die Meisterschaft ihrer Anwendung. Was bedeutet<br />

z. B. die Regel „arrangiere die Blumen wie auf dem Felde“?<br />

Erstens, nur manche Blumen eignen sich für das Teehaus,<br />

ungeeignet sind Blumen mit leuchtenden Farben und solche, die<br />

stark duften. Der Ausdruck „wie auf dem Felde“ ist keine Lizenz<br />

zur Unordnung, sondern meint eher die Notwendigkeit, mit<br />

einem Blümchen den ganzen Reichtum einer blühenden Wiese<br />

auszudrücken, die besondere Schönheit ans Licht zu bringen,<br />

die allen Blumen eigen ist, die Schönheit der Vergänglichkeit,<br />

denn die Zeit des Blühens ist so kurz. Deshalb schätzte Rikyu<br />

die Kamelie am meisten, die sofort nach ihrem Erblühen verwelkt.<br />

„Chabana“ ist nach den schriftlich überlieferten Kompositionsregeln<br />

der klassischen Teekunst eine einzelne Chrysantheme<br />

in einem breiten Gefäß, ein weißer Pfirsichstrauß in einem Blumenkorb,<br />

eine Schwertlilie in einem Bambusgefäß. Die Blumen<br />

wie auf dem Felde arrangieren heißt nicht, die Natur einfach<br />

nachzuahmen, sondern die Regeln anzuwenden und anschlie-<br />

Krystyna Wilkoszewska 80 81<br />

an ordinary and practical activity to an art form with an<br />

unusually refined aesthetic. According to its creator, Sen<br />

Rikyu, the art of tea is based on four principles: harmony,<br />

respect, purity and tranquillity. It is not easy to understand<br />

them; one can only acquire them in the form of<br />

seven rules, by celebrating the tea ceremony for a number<br />

of years. It is for this reason that people say tea and zen<br />

have the same taste.<br />

A pupil once asked Master Rikyu: How should tea be prepared<br />

and poured? Sen Rikyu answered: “Make a delicious<br />

bowl of tea; lay the charcoal so that it heats the water;<br />

arrange the flowers as they are in the field; in summer<br />

suggest coolness, in winter, warmth; do everything ahead<br />

of time; prepare for rain; and give those with whom you<br />

find yourself every consideration.”9<br />

The pupil, who had heard this much about the secrets<br />

of the ceremony, disappointedly replied to the master’s<br />

answer thus: “I already knew that much...”. To which<br />

Sen Rikyu answered: “That is why I remain your pupil.”<br />

The art of tea consists in attaining simplicity and naturalness<br />

precisely through strict adherence to rules. Spontaneity<br />

does not denote a rejection of the rules, but rather<br />

their skilled application. What, for example, does the rule<br />

“arrange the flowers as they are in the field” mean?<br />

First of all, only some flowers are suitable for the tea<br />

house, and those which are of too intense a colour or<br />

scent are excluded. The expression “as they are in the<br />

field” does not sanction disorder but rather signifies the<br />

need to express the richness of an entire field in bloom<br />

through one small flower, the extraction of the unique<br />

beauty that all flowers possess, a transient beauty, since<br />

the blossom lasts for such a short time. It was for this<br />

reason that Rikyu so highly valued the camellia flower<br />

that wilts immediately after blooming. “Chabana”, accord-<br />

Ing to the written principles of composition in the classics<br />

of tea, is composed as follows: a single chrysanthemum<br />

in a wide vessel, a white peach bouquet in a flower<br />

basket, and one iris in a bamboo receptacle.<br />

The ability to arrange the flowers as they are in the field<br />

does not imply a mere imitation of nature, but rather that<br />

one knows how to apply the rules and then, by bringing<br />

one’s own spirit and emotion into play, to overstep them.<br />

The concept of “kokoro ire” is important here, where the


Fig. 5 Miwa Yanagi,<br />

Untitled 1, 2004<br />

Gelatine-Silber-Print<br />

140 × 100 cm<br />

Fig. 5 Miwa Yanagi,<br />

Untitled 1, 2004<br />

Gelatine silver print<br />

140 × 100 cm<br />

ßend, indem man seinen Geist und seine Gefühle einfließen<br />

lässt, sie zu übertreten. Wichtig ist hier der Begriff „kokoro ire“ –<br />

das erste Ideogramm bedeutet „Herz-Geist-Verstand“, das<br />

zweite „hineinlegen, hingeben“. Dieser Begriff bezieht sich auf<br />

sämtliche Regeln der Teezeremonie, der sich der Gastgeber<br />

ganz hingibt.<br />

Die Teezeremonie ist wie jedes Kunstwerk einmalig, ist jene eine,<br />

außergewöhnliche Begegnung. Sie verläuft in einem sorgfältig<br />

ausgearbeiteten ästhetischen Rahmen. Dazu gehört sowohl der<br />

Garten als auch der Pfad zum Teepavillon, die Architektur des<br />

Pavillons selbst sowie dessen Inneres, aber auch die Gefäße, in<br />

denen der Tee gereicht wird.<br />

Das Zerbrechliche und Vergängliche offenbart sich in der Teekunst<br />

bereits in der Einrichtung des Teepavillons. Aus kurzlebigen<br />

Materialien erbaut, macht er, bei gedämpftem Licht besehen,<br />

das durch die Leinwände der papierenen Fenster einfällt, einen<br />

ätherischen Eindruck. Das Häuschen, in dem der Teeraum untergebracht<br />

ist, wird „so-an“ genannt (eine strohgedeckte Hütte).<br />

In seiner ursprünglichen Bedeutung bezeichnet „so-an“ einen<br />

Unterschlupf für Reisende, die durch die wilde Natur wandern.<br />

Unmittelbar vor Einbruch der Nacht nahm er ein üppiges Büschel<br />

Schilf in die Hand, zog es zu sich und band es am oberen Ende<br />

zusammen. Auf diese Weise entstand ein Zelt, ein Unterschlupf<br />

aus Gras für eine Nacht, denn morgens, nachdem der Knoten<br />

gelöst worden war, kehrte das Schilf, ohne in der unberührten<br />

Natur eine Spur zu hinterlassen, wieder in seinen ursprünglichen<br />

Zustand zurück.<br />

Betrachten wir die Menschen-Zelte von Miwa Yanagi, kommt<br />

einem das Nachtquartier des Wanderers, das „so-an“ in den<br />

Sinn, wo wir es mit der Einheit des Menschen mit seiner Unterkunft<br />

zu tun haben, mit der Reduzierung des Wohnraumes auf<br />

das menschliche Körpermaß.<br />

Zur Ästhetik der Schlichtheit und Kargheit scheinen auch die<br />

Arbeiten von Tadashi Kawamata zu gehören, ein unvollendetes<br />

Projekt, das kurzlebige Materialien bevorzugt, die eine Vorläufigkeit<br />

und Vergänglichkeit „zulassen“. In vielen Metropolen der<br />

Welt, sowohl in New York wie auch in Tokio, trifft man, neben<br />

den großen Wolkenkratzern aus Stahlbeton mit ihren geometrischen<br />

Formen und ihrer leuchtenden Oberfläche, in den Unterführungen,<br />

Nebenstraßen, Grünanlagen und an den Flüssen<br />

auf die provisorischen, aus Kartons und Gerümpel gebauten<br />

Behausungen der Obdachlosen, die kurzlebig und der „Erde<br />

wohlgesinnt“ sind, ökologisch nichts anderes als ein Zelt aus<br />

Gras, „so-an“.<br />

Fig. 6 Miwa Yanagi,<br />

Untitled 2, 2004<br />

Gelatine-Silber-Print<br />

140 × 100 cm<br />

Fig. 6 Miwa Yanagi,<br />

Untitled 2, 2004<br />

Gelatine silver print<br />

140 × 100 cm<br />

first ideogram signifies “heart-spirit-mind” and the second<br />

“to put in, give away”. This concept pertains to all the<br />

rules of the tea ceremony in which the host shares all<br />

he has without reserve.<br />

The tea ceremony, like any other work of art, is a unique<br />

encounter. It takes place in a carefully prepared aesthetic<br />

setting. This includes the garden and the path to the tea<br />

pavilion, the architecture of the pavilion itself and the interior,<br />

as well as the receptacles in which the tea is served.<br />

The fragility and transience of the art of tea are already<br />

apparent in the design of the tea pavilion itself. Built<br />

of impermanent materials, perceived through the muted<br />

light that filters in through the screens of the paper<br />

windowpanes, it creates an impression of ethereality. The<br />

little building in which the tea house is situated is called<br />

“so-an” (a thatched roof hut). But the original meaning of<br />

the word “so-an” was a temporary refuge for the traveller<br />

wandering through the wilds of nature. Just before nightfall,<br />

he would grasp a handful of reeds, draw them towards<br />

him and bundle their tops into a knot. This formed a tent,<br />

a refuge for one night, for when the knot was untied the<br />

next morning, the reeds returned to their original state,<br />

leaving nature pure and unmarked.<br />

Observing Miwa Yanagi’s people-tents, one thinks of the<br />

wanderer’s lodging in the “so-an”, where we see the unity<br />

of man with his accommodation, where living space is<br />

contracted to the dimensions of the human body.<br />

The work of Tadashi Kawamata would also seem to incorporate<br />

the aesthetic of simplicity and sparseness, intentionally<br />

incomplete, favouring impermanent materials<br />

that “permit” temporariness and transience. In many of<br />

the world’s metropolises, in New York and Tokyo alike,<br />

the skyscrapers of reinforced concrete with their<br />

geometric forms and gleaming surfaces exist alongside<br />

the makeshift cardboard and junk shelters of the homeless<br />

in the subways, side streets, squares and along the<br />

rivers. Such shelters are impermanent and “friendly to the<br />

earth”, in an ecological sense nothing more than the tent<br />

of grass, the “so-an”.<br />

The aesthetic of transience, simplicity and sparseness<br />

that is inseparable from the art of tea is articulated with<br />

the assistance of the following concepts from Japanese<br />

aesthetics:


Die Ästhetik der Vergänglichkeit, Schlichtheit und Kargheit,<br />

die untrennbar mit der Teekunst verbunden ist, wird mit Hilfe<br />

einiger japanischer ästhetischer Begriffe beschrieben:<br />

„furyu“ – die Ideogramme des Wortes bedeuten nacheinander:<br />

Wind und fließen. Diese ästhetische Kategorie enthält eine<br />

spezifische Philosophie, die besagt, dass der menschliche Geist<br />

durch das Leben wie der Wind durch die Natur fließen soll. Dies<br />

wird dann erreicht, wenn wir uns auf das unbedingt Notwendige<br />

konzentrieren. Gleichzeitig verwirft „furyu“ die Idee der Vollkommenheit.<br />

„wabi“ und „sabi“ sind ästhetische und metaphysische Kategorien;<br />

der hoch geschätzte Zustand der Unvollkommenheit und<br />

Unabgeschlossenheit führt zu einer außerordentlichen Aufwertung<br />

der Kargheit und des Mangels.<br />

Im Essay Der Weg des Tees schrieb Toshihiko Izutsu: „wabi<br />

übte durch Gegenstände wie einem verwitterten Felsen, ein<br />

wettergegerbtes und gefasertes Stück Holz, ein Stück bunter<br />

Brokat, dessen Farben verblichen und verwaschen sind, eine<br />

solche Anziehungskraft auf den empfindsamen menschlichen<br />

Geist aus.“10<br />

Nach Izutsu beruht die Metaphysik von „wabi“ auf der steten<br />

Spannung zwischen Dasein und Nichtsein, zwischen dem<br />

Prozess des Tee-Servierens und -Trinkens und dem sich ausbreitenden<br />

Nichts. Deshalb hält Izutsu die Teekunst für „eine<br />

dynamische visuelle Kunst, die als Sonderform der räumlichen<br />

Kunst betrachtet werden könnte.”<br />

Wenn die Erscheinungen der Welt empirisch als aufeinander<br />

folgend erfahren werden, d. h. als sich in der Zeit entfaltend,<br />

dann erhalten wir ein bewusstes Bild von der Wirklichkeit als<br />

einer Vielzahl linearer und kausaler Beziehungen. Wenn wir<br />

jedoch an diese phänomenale Welt eine andersartige, z.B.<br />

räumliche Schablone anlegen, erhalten wir eine völlig andere<br />

Konfiguration der Wirklichkeit.<br />

„Es gibt zwei Hauptaspekte, die bei einem räumlichen, nichtzeitlichen<br />

Bild von der Wirklichkeit beachtet werden sollten.<br />

Erstens, anders als in der Wirklichkeit, die als empirisches Feld<br />

einer Kausalkette dargestellt wird, sollte es zwischen den Dingen<br />

und Ereignissen, die darin auftreten, kein Vorher und Nachher<br />

geben. Noch sollten dort Angelpunkte auftauchen, um die die<br />

Dinge und Ereignisse sich kristallisieren und drehen und durch<br />

die das Beziehungskontinuum der Koexistenz beendet wird.”11<br />

Beide Aspekte, eine fehlende zeitliche Ordnung, d. h. das Fehlen<br />

von Anfang und Ende sowie die fehlenden Kategorien von Zentrum<br />

und Peripherie, gehören zu den fundamentalen Theoremen<br />

Krystyna Wilkoszewska 82 83<br />

“furyu” – the ideograms of this word denote in turn wind<br />

and flow. There is a specific philosophy contained in this<br />

aesthetic category that postulates human souls should<br />

flow through life just like the wind flows through nature.<br />

We achieve this when we concentrate only on the indispensable.<br />

“Furyu” also rejects the idea of perfection.<br />

“wabi” and “sabi” – these are aesthetic-metaphysical<br />

categories, in which the states of imperfection and incompleteness<br />

are highly regarded, with the result that poverty<br />

and lack are viewed in an exceptionally positive light.<br />

In his essay The Way of Tea, Toshihiko Izutsu wrote:<br />

“such an alluring fascination was exercised upon the<br />

sensitive mind of the men of wabi by things like a weathered<br />

rock, a weatherworn and grainy piece of wood, a<br />

piece of old multi-coloured brocade with its colours now<br />

faded and subdued, etc.”10<br />

According to Izutsu, the metaphysics of the “wabi” are<br />

based on the constant tension between being and nonbeing,<br />

between the continuous event of serving and<br />

drinking tea and the approaching pervasion of nothingness.<br />

Izutsu therefore regards the art of tea as “a dynamic<br />

visual art which might be considered a particular genre<br />

of spatial art.”<br />

If all material phenomena are experienced empirically<br />

in turn, i.e. as unfolding in time, we receive a conscious<br />

image of reality as a series of linear and causal relations.<br />

If, on the other hand, we use another point of reference –<br />

for example, a spatial matrix – for the phenomenal<br />

world, we gain an entirely different configuration of reality.<br />

“There are two essential points to be observed in relation<br />

to this spatial, non-temporal image of reality. The first is<br />

that, unlike in the reality imaged as the empirical field of<br />

empirical causal sequence, there is not supposed to be<br />

any priority-posteriority relationship between the things<br />

and events which arise therein. Nor should there be any<br />

pivotal centres seen around which the things and events<br />

would coagulate and turn and at which the relational<br />

continuum of co-existence would terminate.”11<br />

Both the above-mentioned aspects, a lack of temporal<br />

order, i.e. the absence of beginning and end, as well as<br />

the absence of the concepts of centre and periphery,<br />

are among the basic postulates of postmodernism. We


des Postmodernismus. Wir kommen hier zu einem Punkt, der für<br />

die heutige globale Weltkultur, in der das Japanische mit der in<br />

Europa entstandenen postmodernistischen Philosophie und<br />

Ästhetik harmoniert, wichtig ist. Langsam verstehen wir, zumindest<br />

partiell, die Begeisterung für alles Japanische heutzutage.<br />

5 Die Spannung zwischen der Zeitlichkeit und der Räumlichkeit<br />

manifestiert sich auch in der Kunst der Fotografie, die gelegentlich<br />

auch als „eingefrorene Zeit“ bezeichnet wird. Künstler bevorzugen<br />

eher Schwarz-Weiß-Fotografien, und dies sowohl<br />

dann, wenn aus ihren Arbeiten Kunstwerke entstehen sollen,<br />

als auch dann, wenn es nur darum geht, den Stand der Dinge<br />

festzuhalten. Die japanischen Künstler haben nicht nur ähnliche<br />

Vorlieben, sondern können sich auch auf die gesamte östliche<br />

Tradition der Kalligraphie und Tuschemalerei („sumi-e“) berufen.<br />

Shozo Sato, ein Kenner der monochromatischen Tuschemalerei,<br />

behauptet: „Sumi-e diente seit Urzeiten als unterirdischer<br />

Fluss, der die östliche Kunst speiste.“ „Sumi-e hat immer eine<br />

spirituelle Rolle in der Welt der Kunst gespielt“ und auch heutzutage<br />

„wird die asiatische zeitgenössische Kunst von sumi-e<br />

genährt.“12<br />

Dem Kalligraphen oder Tuschemaler stehen sämtliche Grauschattierungen<br />

zur Verfügung, vom Schwarz bis zum glänzenden<br />

Weiß des Hintergrunds, um den Farbenreichtum der Welt wiederzugeben.<br />

Deshalb lernt der Künstler sein Fühlen und Sehen,<br />

seine Wahrnehmung, an die Bedürfnisse des Mediums Kunst<br />

anzupassen. Gibt es zwischen dem Pinselstrich und dem Blitz<br />

des Fotoapparats eine Ähnlichkeit? Verwirklichen „sumi-e“ und<br />

die Fotografie die gleiche Schwarz-Weiß-Ästhetik?<br />

„In Japan wurde sumi-e über die Jahrhunderte der Anpassung<br />

und Verfeinerung zum Inbegriff der japanischen Ästhetik: eine<br />

Neigung zu Schlichtheit und Raffinesse, zu verhaltenem Reichtum<br />

und Andeutungen. Gute Sumi-e-Künstler werden im Allgemeinen<br />

nur etwa 60 % ihres Gegenstands darstellen und<br />

überlassen es dem Betrachter, das Ungesagte zu erahnen, das<br />

Gemälde für sich selbst zu erschaffen und zu vervollständigen.<br />

Nicht zuviel zu sagen und zu wissen, was ungesagt bleiben<br />

kann, ist in sumi-e genauso wichtig wie das, was tatsächlich<br />

gemalt wird.”13<br />

Die Spannung zwischen Schwarz und Weiß, zwischen Tusche<br />

und Papier verläuft parallel zur metaphysischen Spannung<br />

zwischen Fülle und Leere, zwischen dem, was ausgedrückt wird,<br />

und der nicht-artikulierten Gesamtheit. Zweifelsohne durchdringt<br />

gerade dieses Motiv beständig die japanische Kunst – auch wenn<br />

die künstlerischen Ausdrucksmittel wechseln.<br />

touch here upon an issue important for today’s globalised<br />

world culture, in which Japanese culture is in harmony<br />

with Europe’s postmodern philosophy and aesthetic; we<br />

begin to understand, at least in part, the fascination that<br />

has been observed with all things Japanese.<br />

5 The tension between temporality and spatiality is<br />

also manifested in the art of photography, which is also<br />

occasionally termed “frozen time”. Artists tend to prefer<br />

black-and-white photography, whether they intend to turn<br />

their pictures into works of art or are simply registering<br />

a state-of-being. Japanese artists not only have similar<br />

preferences, but also have recourse to the entire Eastern<br />

tradition of calligraphy and ink painting (“sumi-e”). Shozo<br />

Sato, an expert on the art of monochrome ink painting,<br />

says that “Sumi-e has, since ancient times, served as an<br />

underground river nurturing Eastern art,” that “sumi-e<br />

has always played a spiritual role in the world of art,”<br />

and also that today “contemporary Asian arts continue<br />

to draw that same sustenance from sumi-e.”12<br />

Artists who use calligraphy or ink have every possible<br />

shade of grey at their disposal, from black to the glossy<br />

white of the ground, to reflect the colourful abundance<br />

of the world. That is why the artist learns to see, feel<br />

and perceive in a manner adapted to the needs of the<br />

art medium. Is there a similarity between the stroke of<br />

a brush and the flash of a camera? Do “sumi-e” and<br />

photography realise the same black-and-white aesthetic?<br />

“In Japan, through centuries of adaptation and refinement,<br />

sumi-e has come to embody the Japanese aesthetics:<br />

a liking for simplicity and subtlety, for subdued richness<br />

and things just hinted at. Good sumi-e artists will generally<br />

portray only 60% or so of their subject, leaving the<br />

viewer to sense what remains unsaid, to create and<br />

complete the painting for himself. Not saying too much<br />

and knowing what to leave unsaid are as important in<br />

sumi-e as what is actually painted.”13<br />

The tension between black and white and between ink<br />

and paper run parallel to the metaphysical tension<br />

between fullness and emptiness, between that which<br />

is expressed and the unarticulated whole. There is no<br />

doubt that this motif pervades Japanese art, irrespective<br />

of historical changes in the means of artistic expression.


Der Kunstfotograf Hiroshi Sugimoto scheint manchmal, indem<br />

er mit den beiden für die japanische Ästhetik wichtigen Momenten<br />

„fueki“ und „ryuko“ auf eine ganz eigene Weise spielt, die<br />

von Izutsu angedeutete Abhängigkeit umzukehren – dann wenn<br />

er auf einem weißen Bildschirm die erscheinungslose Leere<br />

bzw. eine sehr abgetönte Phänomenalität, da sie auf das<br />

Spiel von Lichtreflexen auf einem weißen Bildschirm reduziert<br />

ist, sichtbar macht.<br />

6 Die Motive der Fülle und Leere, der Phänomenalität und des<br />

Nichts beschäftigen auch die Künstler, die in die Zukunft reisen.<br />

An die Stelle des Fotoapparats treten neue elektronische Medien,<br />

und die von ihnen generierten Bilder-Phänomene tauchen aus<br />

der digitalen Leere auf und schaffen eine neue Art von Spannung<br />

zwischen „ryuko“ und „fueki“. Viele Künstler versuchen heutzutage,<br />

den neuen Medien noch nicht entdeckte Möglichkeiten<br />

abzuringen. Eins ist gewiss – die Medien erfordern eine radikale<br />

Umwandlung der über Jahrhunderte gefestigten Perzeptionsgewohnheiten.<br />

Deshalb wird die Ästhetik der Medienkünstler<br />

zur „aisthetics“, die, entsprechend der vergessenen Etymologie<br />

des Wortes, an das Wissen von den Sinnesempfindungen anknüpft.<br />

Im Bereich der Medien werden die Sinnesempfindungen<br />

zu synästhetischen Wahrnehmungen, das Sehen – wovon beispielsweise<br />

die Arbeiten von Takashi Ito zeugen – absorbiert die<br />

Empfindungen anderer Sinne, darunter auch den Tastsinn.<br />

Dass das Schwinden der Materie, die durch die unterschiedlichsten<br />

immateriellen Daseinsformen verdrängt wird, von<br />

einem Anstieg der sinnlichen Empfindungen begleitet wird, ist<br />

zweifelsohne ein erstaunliches Paradox.<br />

Von den Künstlern aufgeworfen wird die Frage nach der Transformation<br />

der menschlichen Perzeptionsweisen, zu der es beim<br />

Übergang von Materie zu Nicht-Materie, wenn die Stofflichkeit<br />

der Objekte schwächer wird, kommt... Im Cyberspace verändern<br />

sich alle Faktoren, die die Ontologie der „alten Welt“ definierten –<br />

Zeit, Raum, Realität, Subjekt, Objekt, aber auch die Beziehungen<br />

zwischen diesen Größen. Um sie in der Kunst festzuhalten,<br />

machten die Künstler das Licht zu ihrem Medium. Die Lichtansammlungen<br />

und -installationen von Hiroyuki Moriwaki geben<br />

zugleich das Fließende und Kontinuierliche der Welt wieder.<br />

Für Trinh T. Minh-ha, die mit Digitalvideos experimentiert, wird<br />

das Licht, verstanden als Zeit an sich, also als Zeit, die losgelöst<br />

ist vom Bezug zu den Objekten, zur Bewegung, zur „vierten<br />

Dimension“. Eine solche Zeit ist nicht mehr linear, was in bisher<br />

nicht gekanntem Ausmaß zu einer veränderten Wahrnehmung<br />

der Welt führt.<br />

Krystyna Wilkoszewska 84 85<br />

The artist-photographer Hiroshi Sugimoto sometimes<br />

appears to turn the dependence pointed out by Izutsu on<br />

its head by playing his own singular game with “fueki”<br />

and “ryuko”, so important to the Japanese aesthetic. For<br />

example when he projects an emptiness devoid of phenomenality<br />

on a white screen, or an extremely subdued<br />

phenomenality, as it is reduced to the play of reflected<br />

light on the white screen.<br />

6 Artists travelling into the future are also preoccupied<br />

with motifs of fullness and emptiness, of phenomenality<br />

and nihility. New electronic media are taking the place<br />

of the camera, and the picture-phenomena they have<br />

generated emerge from the digital void, thus creating<br />

a new kind of tension between “ryuko” and “fueki”. Many<br />

of today’s artists struggle with the still undiscovered<br />

potential of the new media. Be that as it may, these media<br />

are certainly demanding a radical transformation of perceptions<br />

that have been shaped over the ages. This is<br />

why the aesthetics of new media artists is turning into an<br />

“aisthetics”, a term that refers to the science of sensory<br />

experiences in accordance with the now forgotten etmology<br />

of the word. In the new media, sensory experiences<br />

become synaesthetic, while vision – as in the works of<br />

Takashi Ito – absorbs the experience of the remaining<br />

senses, including touch. That the disappearance of matter,<br />

which is displaced by various immaterial forms of being,<br />

is also accompanied by an increase in sensual perceptivity,<br />

is undoubtedly an astonishing paradox.<br />

Artists pose questions about the transformation of human<br />

perception, which takes place as the material turns into<br />

the immaterial, when the material nature of objects<br />

begins to fade... In cyberspace, the factors defining the<br />

ontology of the “old world” such as time, space, reality,<br />

object, subject – all change, as do the relationships<br />

between them. In an attempt to capture these, artists<br />

begin to use light as their medium. Hiroyuki Moriwaki’s<br />

light assemblages and installations render the fluid<br />

nature and continuum of light. For Trinh T. Minh-ha, who<br />

employs digital video techniques, light becomes the<br />

“fourth dimension”, understood as time of itself – time<br />

without any reference to objects, to movement. Time seen<br />

thus is no longer linear, resulting in an unprecedented<br />

shift in our view of the world.


Paul Virilio ist der Philosoph der Zeit und des Lichts. Seiner<br />

Ansicht nach offenbart sich der Bereich des Sichtbaren dank<br />

des Phänomens der Beschleunigung und Verlangsamung der<br />

Lichtspannungen. Wir leben in Zeiten, in denen die Geräte,<br />

die über immer größere Beschleunigungen verfügen, zugleich<br />

Lichtquellen sind, was zur Folge hat, dass sich die Dimension<br />

des Raums und der Zeit sowie die Dinge selbst, die plötzlich im<br />

Aufblitzen des Lichts in Erscheinung treten, verändern. An die<br />

Stelle chronologischer Systeme, bei denen die Zeit als eine<br />

lineare Abfolge von Augenblicken verstanden wird, tritt nun ein<br />

chronophotographisches System. An die Stelle von Stunden,<br />

Monaten oder Jahren, die Wechsel von Tages- und Nachtzeit<br />

treten jetzt Beleuchtungs- und Verdunklungsprozesse, die von<br />

zukünftigen Technologien vorgegeben werden. Nach Ansicht<br />

von Virilio vollzieht sich die Revolution im Übergang von der<br />

Kinematographie, die das fertige Aussehen der Gegenstände<br />

wiedergibt; zur elektromagnetischen Videographie, die die Bilder<br />

allein durch die Veränderung der Lichtspannungen schafft. Das<br />

Video ist eine Art „sofortige“ Raumzeit, die von den herkömmlichen<br />

geographischen und geometrischen Parametern abweicht.<br />

In diesem Raum vollzieht sich ein Umschwung sowohl in der<br />

„Natur des Objekts wie auch des Subjekts“. Als Begründer der<br />

Dromologie, einer spezifischen Wissenschaft der Geschwindigkeit,<br />

gibt uns Virilio einen Vorgeschmack auf das neue Universum,<br />

das Universum der Geschwindigkeit, des Lichts und des Entschwindens<br />

mit ihren veränderten Zeit- und Raumparametern<br />

und ihren neuen Messgeräten. Die Geschwindigkeit verändert<br />

alles – die Gestalt der Welt und unsere Wahrnehmung; die<br />

Geschwindigkeit wandelt unsere Physik und Metaphysik um.<br />

Die Künstler wissen dies nur zu gut und furchtlos beschreiten<br />

sie auf ihren Reisen ständig unbekannte Bereiche dieses Universums.<br />

7 Mit den Künstlern auf Reise in Zeit und Raum gelangten wir<br />

an Orte in der fernen Vergangenheit und besuchten Welten, die<br />

an eine Science-Fiction-Utopie erinnern. Dabei fanden wir die<br />

Spuren der japanischen Kultur und Ästhetik sowohl in der alten<br />

als auch in der neuen Kunst vor, sowohl in der Poesie und Malerei<br />

wie auch in der Fotografie und der Kunst der elektronischen<br />

Medien.<br />

Jedoch muss ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass die<br />

zeitgenössischen Künstler kaum noch als Künstler dieser oder<br />

jener Nation, dieser oder jener Kultur klassifiziert werden können,<br />

da sie ihre Erfahrungen in verschiedenen Ländern und Kulturen<br />

gemacht haben. Die heutigen Künstler sind von ihrem geistigen<br />

Paul Virilio is a philospher of time and light. He believes<br />

that the visible can only be seen because of the quickening<br />

and slackening in tensions of light. Our era is one in<br />

which pieces of equipment that are becoming ever<br />

quicker are also our sources of light, which means that<br />

the dimensions of space and time and even objects<br />

themselves, appearing in a sudden flash of light, are<br />

subject to change. Chronological systems, where time is<br />

seen as a linear succession of individual moments, are<br />

being replaced by a chronophotographic system.<br />

Processes of darkening and light determined by successive<br />

technologies replace hours, months or years and<br />

changes in the time of day and night. A revolution,<br />

according to Virilio, is taking place in the shift from cinematography,<br />

which presents the complete appearance<br />

of objects, to electromagnetic videography, which creates<br />

images solely through a change in the tensions of<br />

light. Video creates a kind of “immediate” space in time<br />

which differs from more accustomed parameters, both<br />

geographical and geometrical. A revolution is also taking<br />

place in the spatial dimension, in the “nature of the<br />

object as well as the subject”. As the creator of the<br />

science of speed, known as dromology, Virilio gives us<br />

a foretaste of the new universe, one of speed, light and<br />

disappearance, in which the parameters of time and<br />

space have changed, and have new standards of measurement.<br />

Speed changes everything – the shape of the<br />

world and our perception of it; speed transforms our<br />

physical and metaphysical consciousness. The artists<br />

who journey boldly through these as yet uncharted areas<br />

of this universe are well aware of this fact.<br />

7 Our voyage together with these artists through time<br />

and space has taken us into distant history, to worlds<br />

which remind us of the utopias of science fiction.<br />

We have discovered traces of the Japanese culture and<br />

aesthetics that can be found in both ancient and new<br />

art, in poetry and painting, in photography and the art<br />

of the electronic media.<br />

Nevertheless, it should be emphasised that it is difficult<br />

to classify contemporary artists as coming from this or<br />

that nation, that or another culture, as their experiences<br />

embrace many other countries and cultures. The artists<br />

of today are transcultural in spirit and the means by


Background her transkulturell, und auch die Ausdrucksmittel,<br />

derer sie sich bedienen, haben interkulturellen Charakter.<br />

Die an dieser Ausstellung teilnehmenden Künstler stammen zum<br />

überwiegenden Teil aus Japan und haben in anderen Ländern<br />

und Kontinenten Erfahrungen gesammelt: in Asien, Nordamerika,<br />

insbesondere in den USA, und in Afrika. Ihr Japanischsein ist das<br />

Maß ihrer Transkulturalität und umgekehrt – ihre Transkulturalität<br />

ergänzt die Dimension ihrer Nationalität. Erst aus dieser<br />

Perspektive gewinnt die Ausstellung an Bedeutung – wenn<br />

die heutzutage verbreiteten Probleme der Perzeption, der Zeit<br />

und der Erinnerung, in Verbindung mit den heftigen Veränderungen<br />

qualitativen und radikalen Charakters, die in der Kultur<br />

des gesamten Globus stattfinden, bei dem völligen Sich-Öffnen<br />

für andere Kulturen deutlich kulturspezifische Wesenszüge<br />

annehmen.<br />

Anmerkungen<br />

1 Donald Keene: Appreciations of Japanese Culture. Tokio, New York: Kodansha<br />

1971, S. 94.<br />

2 Toshihiko Izutsu: The Theory of Beauty in the Classical Aesthetics of Japan.<br />

Den Haag, Boston, London: Nijhoff 1981, S. 72.<br />

3 Masaharu Anesaki: Art, Life and Nature in Japan. Tokio 1973, Kapitel I.<br />

4 Essays in Idleness (The Tsurezuragusa of Kenko). Übers. von D. Keene.<br />

Tokio, New York: Columbia University Press 1967, S. 115.<br />

5 In Search of Japanese Beauty. Tokio 1977, S. 26–27.<br />

6 The Pillow Book of Sei Shonagon. Oxford 1967, S. 24.<br />

7 Ebda, S. 195.<br />

8 Keene, Appreciations of Japanese Culture, S. 22.<br />

9 Soshitsu Sen XV: Tea Life, Tea Mind. Tokio, New York, S. 30.<br />

10 Izutsu, The Theory of Beauty in the Classical Aesthetics of Japan, S. 52.<br />

11 Ebda, S. 56.<br />

12 Shozo Sato: The Art of Sumi-e. Appreciation, Techniques and Application.<br />

Tokio 1984, S. ix.<br />

13 Ebda.<br />

Krystyna Wilkoszewska 86 87<br />

which they express themselves are also intercultural in<br />

character.<br />

The majority of artists taking part in this exhibition are<br />

from Japan, but are familiar with other countries and<br />

continents: Asia, North America – in particular the USA<br />

and Africa. Their Japanese nature is a measure of the<br />

transculturalism and conversely their transcultural experience<br />

complements their national background. The<br />

present exhibition acquires a special significance when<br />

viewed from this perspective, for the widespread difficulties<br />

with perception, time and memory that are to be<br />

found today, in connection with the violent qualitative and<br />

radical changes that are taking place in cultures around<br />

the globe, take on clearly culturally specific characteristics<br />

when faced with a complete openness with regard<br />

to another culture.<br />

Notes<br />

1 Donald Keene: Appreciations of Japanese Culture. Tokyo, New York:<br />

Kodansha 1971, p. 94.<br />

2 Toshihiko Izutsu: The Theory of Beauty in the Classical Aesthetics<br />

of Japan. The Hague, Boston, London: Nijhoff 1981, p. 72.<br />

3 Masaharu Anesaki: Art, Life and Nature in Japan. Tokyo 1973, Chapter I.<br />

4 Essays in Idleness (The Tsurezuragusa of Kenko). Transl. by D. Keene.<br />

Tokyo, New York: Columbia University Press 1967, p. 115.<br />

5 In Search of Japanese Beauty. Tokyo 1977, p. 26–27.<br />

6 The Pillow Book of Sei Shonagon. Oxford 1967, p. 24.<br />

7 Ibid., p. 195.<br />

8 Keene, Appreciations of Japanese Culture, p. 22.<br />

9 Soshitsu Sen XV: Tea Life, Tea Mind. Tokyo, New York, p. 30.<br />

10 Izutsu, The Theory of Beauty in the Classical Aesthetics of<br />

Japan, p. 52.<br />

11 Ibid., p. 56.<br />

12 Shozo Sato: The Art of Sumi-e. Appreciation, Techniques and<br />

Application. Tokyo 1984, p. ix.<br />

13 Ibid.


Yoko Tawada<br />

Mit den Wörtern knipsen<br />

Snapshots with Words


Kurz anhalten und ohne sich viel Gedanken zu machen einfach<br />

knipsen: Für die Bilder, die durch diese unkomplizierte Art der<br />

Fotografie entstehen, gibt es das Wort „Schnappschuss“. Man<br />

schnappt spontan, gierig, dennoch beiläufig.<br />

Die Organe, die ein Lebewesen zum Schnappen verwendet, sind<br />

der Mund, das Maul oder der Schnabel, je nachdem, was es<br />

hat. Das sind die Körperteile, die auch Töne produzieren können.<br />

Man kann nicht gleichzeitig schnappen und reden. Das Knipsen<br />

bringt mich zum Schweigen.<br />

Schnappt man das Objekt oder schießt man darauf? Schießen ist<br />

eine weniger harmlose Tätigkeit. Wenn man schießt, muss man<br />

damit rechnen, dass das Objekt verletzt wird.<br />

Das Wort „Klick-Klack-Fotos“ ist auch nicht schlecht. Mich erinnert<br />

es an die Oper Hoffmanns Erzählungen.<br />

Im Japanischen benutzt man den onomatopoetischen Ausdruck<br />

„pachipachi“, wenn jemand schnell hintereinander mehrere Fotos<br />

macht. („Shashin wo pachipachi toru.“) Derselbe Ausdruck wird<br />

auch für das Blinzeln benutzt. („Me wo pachipachi saseru.“) In<br />

einem Kinderbuch las ich, dass die Kängurus schnell hintereinander<br />

blinzeln, wenn sie etwas Gefährliches – zum Beispiel Jäger –<br />

sehen. Im schnellen Blinzeln hoffen sie, dass das gefährliche<br />

Objekt aus der Sicht gelöscht und dadurch zur Nichtexistenz<br />

erklärt wird. Blinzeln als Knipsen ohne Aufnahme. Der Jäger<br />

dagegen hat eine ganz andere Absicht. Sein Schuss würde das<br />

Tier in ein Stück Fleisch verwandeln.<br />

Ich stand auf dem Flughafen JFK in New York. „Schauen Sie in<br />

die Kamera!“, sagte mir der Passkontrolleur. Wenn ich vorher<br />

nicht gelesen hätte, dass man bei der Einreise fotografiert wird,<br />

hätte ich die Kugel nicht als Kamera erkannt. Am liebsten hätte<br />

ich gegen das kugelförmige Gerät, das den Einreisenden ihre<br />

Gesichter raubt, meine eigene Kamera als Schutzschild gehalten.<br />

Ein Schnappschuss gegen den bösen Blick. Aber ein Schild<br />

machte mich darauf aufmerksam, dass man im Zollgebiet keine<br />

Fotos machen darf. Diesen Spruch hatten die Amerikaner aus der<br />

Sowjetunion importiert.<br />

Der Kontrolleur vergleicht mein Gesicht mit dem Foto in meinem<br />

Pass, den ich vor ihn hingelegt hatte. Es ist in manchen Fällen<br />

unwahrscheinlich, dass der Passkontrolleur eine Ähnlichkeit zwischen<br />

der einreisenden Person und ihrem Passfoto feststellen<br />

kann. Ich war oft überrascht, wie unähnlich das Passfoto dem<br />

Passbesitzer ist, besonders, wenn ich den abgebildeten Menschen<br />

gut kannte. Mit ängstlich starrenden Augen, herausragenden<br />

Yoko Tawada 88 89<br />

You stop for a moment and simply take a photo without<br />

much thought. The word to describe the pictures you get<br />

from this uncomplicated type of photography is “snapshot”.<br />

You snap away spontaneously, greedily but nonetheless<br />

casually.<br />

The organs that living creatures use to snap in the physical<br />

sense are mouths, muzzles or beaks, depending on<br />

which they have. Those are the parts of the body that<br />

can also produce sounds. You can’t snap and talk at the<br />

same time. Taking snapshots shuts me up. Do you snap<br />

at the object, or shoot at it? Shooting is not such a harmless<br />

activity. If one shoots, it is likely that the object will<br />

be injured.<br />

The phrase “click-clack photos” is also not bad. It reminds<br />

me of the opera Tales of Hoffmann.<br />

In Japanese there’s an onomatopoeic expression “pachipachi”<br />

to describe someone taking several photos one<br />

after another. (“Shashin wo pachipachi toru.”) The same<br />

expression can also mean “blink”. (“Me wo pachipachi<br />

saseru.”) I read in a children’s book that kangaroos blink<br />

quickly several times in succession when they see something<br />

dangerous, e.g. a hunter. By blinking, they apparently<br />

hope to banish the dangerous object from sight,<br />

abolishing its existence, as it were. Blinking is snapping<br />

at the truth, hoping it will go away. The hunter’s intentions<br />

are quite different – his gun would turn the animal<br />

into a piece of meat.<br />

I was once at JFK airport in New York. “Look at the camera!”<br />

said the passport official. If I hadn’t previously read<br />

that people are photographed on arrival, I wouldn’t have<br />

recognised the spherical object as a camera. I would<br />

much have preferred to wield my own camera as a protective<br />

shield against something that robs arriving passengers<br />

of their faces. A snapshot against the evil eye.<br />

But there was a sign saying no photography permitted<br />

in the customs hall. That was something the Americans<br />

imported from the Soviets.<br />

The official compares my face with the photo in my passport,<br />

which I’d put down in front of him. In many cases,<br />

it is quite unlikely that the official is able to establish a<br />

similarity between the incoming person and his/her passport<br />

photo. I’ve often been surprised how unlike the


Ohren und blasser Haut sehen die meisten Menschen aus wie<br />

ein ausgestopftes Tier.<br />

Das Spiel mit dem Passfoto ist ein Ritual wie die Abnahme des<br />

Fingerabdrucks. Im Zeitalter der Gentechnologie kann eine Kamera<br />

nicht mehr das Gerät sein, mit dem man ein Individuum identifiziert,<br />

aber sie wird weiterhin von den Behörden gerne benutzt.<br />

Ihr Blick hat eine moralische Wirkung wie der einer Aufseherin,<br />

die nachts die Eingangstür eines katholischen Internats bewacht.<br />

Vor drei Jahren sah ich auf dem Logan Airport in Boston an der<br />

Wand bei der Passkontrolle ein eingerahmtes Foto vom Präsidenten,<br />

der die Nationalflagge festhielt und wie auf einem Familienfoto<br />

lächelte.<br />

Während des Zweiten Weltkrieges gab es auf jedem Schulhof<br />

in Japan ein Häuschen, in dem ein Foto vom Kaiser aufbewahrt<br />

wurde. Es galt als Heldentat, im Fall eines militärischen Angriffs –<br />

anstatt sofort zu flüchten – zu diesem Häuschen zu rennen, um<br />

das Foto zu retten.<br />

Aus dem Bus, der mich vom JFK zum Grand Central bringt,<br />

fotografiere ich pausenlos durch die trübe Fensterscheibe. Alte<br />

Hochhäuser aus Backsteinen mit verrosteten Außentreppen.<br />

Ladenschilder, auf denen trostlos vertraute Namen der Imbissketten<br />

und Banken geschrieben stehen. Kegelförmige Hüter der<br />

Wassertanks auf den Dächern.<br />

Eine Fahne flattert im Wind. Das ist nicht eine Fahne, sondern<br />

die Fahne der Nation. Sie winkt jedem Menschen zu, der bei<br />

ihr vorbeigeht, und ihre Geste erweckt den Eindruck, als hätte<br />

sie eine eindeutige Botschaft zu vermitteln. Man kann sie nicht<br />

fassen, aber sie ist da.<br />

Eine Nation ist nicht bewohnbar. Dagegen ist ein Stadtteil, in<br />

dem man eine Katze namentlich kennt, bewohnbar. Die weiße<br />

Katze kommt mir entgegen. Ich erkenne sie wieder. Sie heißt<br />

Elisabeth und ist eine der Königinnen im Stadtteil Queens.<br />

Ich gehe die Straßen entlang und fotografiere die Ladenschilder.<br />

Die Gesichter der Buchstaben sehen griechisch, koreanisch,<br />

<strong>englisch</strong> oder japanisch aus, aber mein Eindruck kann manchmal<br />

täuschen. Nokia sieht japanischer aus als Sony. Ich sehe<br />

eine griechische Fahne flattern, neben ihr eine amerikanische.<br />

Ein musterhaftes Bild, friedlich und anständig. „Machen Sie es<br />

auch so, genauso!“, sagen die Fahnen zu mir. Ich bin skeptisch,<br />

aber ich kann nicht so schnell den Grund benennen.<br />

passport-holder passport photos are, especially when I<br />

knew the people involved. With staring eyes, protruding<br />

ears and pale skin, most people look rather like stuffed<br />

animals.<br />

The game with the passport photo is a ritual, like taking<br />

fingerprints. In an age of genetic technology, cameras<br />

surely can’t be the best device for identifying individuals<br />

any more, but the authorities still like using them. The<br />

eye of the camera has a moral effect like that of the<br />

night porter at the door of a Catholic boarding school.<br />

Three years ago, at Logan Airport in Boston, I saw a<br />

framed photo of the US president on the wall in passport<br />

control. He was holding the Stars and Stripes and<br />

smiling, as in a family photo.<br />

During World War II, every school yard had a little house<br />

where a photo of the Emperor was kept. It was considered<br />

an act of heroism in the event of a military attack<br />

to dash to this little house and save the photo rather<br />

than run away.<br />

On the bus taking me from JFK to Grand Central, I snap<br />

away non-stop through the grubby window pane. Old<br />

brick-built, high-rise buildings with rusty flights of stairs.<br />

Shop signs with the drearily familiar names of fast-food<br />

chains and banks written on them. Conical covers of<br />

water tanks on the roofs.<br />

A flag flutters in the wind. It’s not a flag, it’s the Stars<br />

and Stripes. It waves at everyone who goes past, a<br />

gesture that creates the impression of having a clear<br />

message to communicate. You don’t know what it is, but<br />

it’s there somewhere.<br />

You can’t live in a nation. On the other hand, you can<br />

live in a district where you know a cat by name. The<br />

white cat comes towards me. I recognise it. It’s called<br />

Elizabeth, and is one of the queens in Queens.<br />

I walk along the streets and photograph the shop signs.<br />

The faces of the letters look Greek, Korean, English or<br />

Japanese, but my impression might sometimes be wrong.<br />

Nokia looks more Japanese than Sony. I see a Greek<br />

flag fluttering, with the Stars and Stripes beside it. A<br />

model image, peaceful and decent. “You do the same,


Ich fotografiere, anstatt Nein zu sagen. Der Film in meiner Kamera<br />

ist meine Schutzfolie. Wenn ich nicht fotografiere, werden sie<br />

mich ins Bild setzen als einen Teil des Landes. Ich bin aber noch<br />

nicht angekommen. Ich möchte von keiner Nation als Minderheit<br />

akzeptiert werden. Vielmehr gehöre ich zu der Mehrheit der<br />

Menschen heute, die stets unterwegs sind.<br />

Es ist kalt. Der Schnee legt ein unbeschriebenes Blatt auf den<br />

Garten, und er erinnert mich sofort an einen Essay, den ich<br />

schreiben wollte, aber noch nicht geschrieben hatte. Für noch<br />

nicht gemachte Fotos kann man nicht den Ausdruck „ein weißes<br />

Blatt“ verwenden. Wie sehen die Fotos aus, die noch nicht gemacht<br />

sind? Auf dem Schnee sehe ich schwarze Punkte. Das<br />

sind die Fußspuren der Katze. Durch eine Spalte des Fensters<br />

fließt kalte Luft herein. Ich sage „es zieht“ und flüchte nach<br />

hinten ins Badezimmer, steige ins heiße Wasser. Die Kamera<br />

bleibt draußen, damit sie nicht nass wird.<br />

Ich kann sehr gut belanglose Schnappschüsse machen. Aber<br />

in dem Moment, in dem ich die Absicht habe, von einer Person<br />

eine Portraitaufnahme zu machen, komme ich in Verlegenheit.<br />

Quetsche ich die Person in ein Bild, kommt sie mir viel zu klein<br />

vor. Nimmt man nur ein Detail, sieht es aus wie eine medizinische<br />

Aufnahme. Ich mag nicht die Aufnahmen, die von einem Hautarzt<br />

gemacht werden. Die Aufnahmen der Knochen sind dagegen<br />

schön. Das schönste Portrait von mir ist ohne Zweifel die Computertomographie<br />

meines Rückgrates, die im Kantonsspital Basel<br />

gemacht wurde.<br />

Auf den Schnappschüssen sind die Knochen meistens rücksichtslos<br />

von einer dicken Haut bedeckt. Deshalb sehen die Menschen<br />

auf Urlaubsfotos lebendiger aus, als sie sind. Erst wenn die Papierfotos<br />

alt werden, vermitteln sie etwas Knochiges.<br />

Manchmal schimmert sogar der Schädel durch das Gesicht, das<br />

in einem sepiafarbigen Raum vergessen worden ist.<br />

Ich werde die Fotos, die ich jetzt in New York mache, später in<br />

Hamburg, wo ich wohne, zur Entwicklung bringen. Ich werde<br />

dann die Bilder abholen, einen kurzen Blick auf sie werfen und<br />

sie in leere Schuhkartons hineintun. Während die neuen Schuhe<br />

immer wieder neue Spuren hinterlassen, bleiben die Fotos in<br />

den Schuhkartons.<br />

Ich knipse nicht, um eine fotografische Fußspur zu produzieren.<br />

Ich knipse, um in der Gegenwart zu sein. Stück für Stück möchte<br />

ich das schon gewordene Bild von mir abschälen und weglegen.<br />

Das sind die Schuppen einer Schlange, beschriftete Blätter, also<br />

Yoko Tawada 90 91<br />

just the same!” the flags tell me. I’m sceptical, but can’t<br />

put my finger on the reason immediately. I take photos<br />

instead of saying no. The film in my camera is my shrinkwrapping.<br />

If I don’t take photos, they‘ll put me in the<br />

picture as part of the country. But I haven’t arrived yet.<br />

I don’t want to be accepted by any nation as a minority.<br />

In fact, these days I belong to the majority of people who<br />

are always on the move.<br />

It’s cold. The snow lays a virgin sheet on the garden, and<br />

it reminds me at once of an essay I wanted to write but<br />

haven’t written yet. You can’t call photos you haven’t<br />

taken blank pages. What do photos I haven’t taken yet<br />

look like? I see black dots on the snow. Those are the<br />

footprints of the cat. A cold draught flows in through a<br />

crack in the window. I say, “It’s draughty,” and escape<br />

back into the bathroom and get into the hot water. The<br />

camera remains outside so it doesn’t get wet.<br />

I’m very good at taking inconsequential snapshots. But<br />

the moment I get the idea of taking someone’s portrait,<br />

I get embarrassed. If I squash him or her into a picture,<br />

it looks much too small to me. If one only takes a detail<br />

shot, it looks like a medical photo. I don’t like photos<br />

taken by dermatologists, but pictures of bones are fine.<br />

The best portrait of me is undoubtedly the computer<br />

tomography of my spine taken in the cantonal hospital<br />

in Basle.<br />

In snapshots, generally the bones are inconsiderately<br />

covered by thick skin. That’s why people in holiday photos<br />

look more alive that they really are. Only when paper<br />

photos get old do they suggest something osseous. Some<br />

times the skull even shimmers through the face that has<br />

been left behind in a sepia-coloured room.<br />

Later in Hamburg, where I live, I shall develop the photos<br />

I’m now taking in New York. Then I shall go and get the<br />

pictures, have a quick look at them and dump them in<br />

empty shoeboxes. Whereas new shoes keep leaving new<br />

footprints, the photos stay in the shoeboxes.<br />

I don’t take photos to produce a photographic footprint.<br />

I take them so as to be here in the present time. Bit by<br />

bit, I want to peel off the pictures of me already taken<br />

and put them away. They are the skins of a snake,<br />

inscribed sheets, i.e. unbound books. Sometimes they


ungebundene Bücher. Sie sind manchmal etwas rötlich gefärbt.<br />

Sie bluten, weil ich eine Hautschicht ungeduldig vom Leib abreiße,<br />

bevor sie vollkommen abgestorben ist. Sie leben noch, sie sind<br />

feucht und warm.<br />

Die meisten meiner Fotos haben einen Fleck, der die Form einer<br />

Flamme hat. Meistens hat er eine orangene Farbe, in einem<br />

bestimmten Lichtverhältnis ist der Fleck blutrot. Es liegt daran,<br />

weil bei meiner Kamera eine Ecke abgebrochen ist.<br />

Als ich von Tokyo nach Hamburg umzog, nahm ich kein einziges<br />

Foto mit. Stattdessen hatte ich eine kleine Kamera in der Hosentasche,<br />

mit der ich sofort auf der Straße Gegenstände aufnahm:<br />

einen grünen Müllcontainer, einen gelben Briefkasten, einen<br />

Parkometer, ein Haltestellenschild, einen Gully, ein blaues Straßenschild<br />

mit Straßennamen, eine Leuchtreklame und viele andere<br />

Objekte. In meiner winzigen Wohnung fotografierte ich nie. Ich<br />

besaß so wenig Dinge, dass ich beim Umzug nur einen einzigen<br />

Koffer brauchte. Wenn jemand mir anbot, mich vor einem historischen<br />

Gebäude zu fotografieren, lehnte ich es immer ab. Ich<br />

richtete meine Straßen als meinen Wohnraum ein, indem ich dort<br />

die einzelnen Dinge, die mir neu waren, aufnahm. Wer ein Haus<br />

besitzt, wird lieber seine Möbel oder den Garten fotografieren<br />

als eine Straßenlaterne. Wer ein Kind hat, würde das Kind fotografieren<br />

anstatt eine Katze auf der Straße.<br />

Als Kind träumte ich manchmal davon, mit einer Streichholzschachtel<br />

zu fotografieren: Ein winziges Loch in die Schachtel<br />

bohren und einen ganz schmalen Filmstreifen hineinlegen. Warum<br />

sollte es nicht funktionieren? Der Innenraum der Schachtel ist<br />

klein, er schien mir aber dunkel genug zu sein, um die Schatten<br />

der Dinge einzufangen. In dieser Dunkelheit meditieren die<br />

Streichhölzer tagelang, bis sie genug Kraft gesammelt haben, um<br />

ein Feuer zu produzieren. Ich bewahrte drei Schuhkartons voller<br />

Streichholzschachteln auf. Ich bin keine Sammlerin, aber da ich<br />

zufällig einige Streichholzschachteln aus Nepal besaß, dachte<br />

eine Freundin von mir, ich würde so etwas sammeln. Dabei ging<br />

es mir um den Elefanten, der auf der Schachtel abgebildet war,<br />

und nicht um die Schachtel selbst. Aber die Freundin achtete<br />

nicht auf das Tier und erzählte anderen Freunden, dass ich<br />

heimlich ausländische Streichholzschachteln sammeln würde.<br />

Seitdem bekam ich immer wieder von verschiedenen Leuten<br />

ausgefallene Streichholzschachteln zum Geburtstag. Bis jetzt<br />

habe ich aber keine Schachtel bekommen, mit der ich fotografieren<br />

kann. Mit einem Streichholz kann man Fotos anzünden,<br />

aber nicht aufnehmen.<br />

have a reddish tinge. They bleed because I impatiently<br />

tear off layers of skin from my body before they are<br />

completely dead. They are still vital, moist and warm.<br />

Most of my photos have a splotch on them in the shape<br />

of a flame. Generally it’s orange, but in certain lighting<br />

conditions the splotch is blood-red. The reason is, one of<br />

the corners of my camera has broken off.<br />

When I moved from Tokyo to Hamburg, I didn’t take a<br />

single photo with me. Instead, I had a small camera in<br />

my trouser pocket with which I immediately took pictures<br />

of things in the street: a green trash container, a yellow<br />

letter box, a parking meter, a stop sign, a drain, a blue<br />

street sign with street names, an illuminated advert and<br />

a lot of other things. I never took photos of my tiny flat.<br />

I owned so few things when I moved that I only needed<br />

one suitcase. If someone offered to photograph me in<br />

front of a historic building, I always said no. I furnished<br />

my streets as my living room, where I only photographed<br />

things that were new to me. Anyone with a house is<br />

more likely to photograph his furniture or the garden than<br />

a street lamp. Anyone who has a child would photograph<br />

the child rather than a cat on the street.<br />

As a child, I sometimes dreamt of taking photos with<br />

a matchbox – I’d bore a tiny hole in the box and insert<br />

a very narrow filmstrip inside. Why shouldn’t it work?<br />

The inside of the box is small, but it seemed to me dark<br />

enough to capture the shadows of things. The matches<br />

meditate in this darkness for days until they have enough<br />

strength to produce a light. I used to keep three shoeboxes<br />

full of matchboxes. I’m not a collector, but as I<br />

happened to own some matchboxes from Nepal, a friend<br />

of mine thought I collected things like that. What interested<br />

me was the picture of the elephant on the box,<br />

not the box itself. But my friend paid no attention to the<br />

animal and told other friends that I was secretly collecting<br />

foreign matchboxes. To this day, I keep getting unusual<br />

matchboxes for my birthday from various people. But so<br />

far I haven’t yet had a matchbox I can take photos with.<br />

You can set fire to photos with a match, but you can’t<br />

take them.<br />

When I flew from Hamburg to New York, I didn’t take any<br />

family photos from my childhood with me. The American


Als ich von Hamburg nach New York flog, hatte ich auch kein<br />

Familienfoto aus der Kindheit mit. Daran müsste eigentlich der<br />

amerikanische Passkontrolleur gemerkt haben, dass ich keine<br />

Absicht hatte zu immigrieren. Wieso fragte er mich so streng<br />

aus? Ich hatte doch nur eine Einwegkamera mit wie eine einfache<br />

Touristin, und kein einziges Familienfoto. Vielleicht war das Wort<br />

„Einweg“ in diesem Fall ungünstig.<br />

Ich fotografiere jeden Tag, und so ist meine Kamera mir in die<br />

Finger hineingewachsen. Während ich fotografiere, höre ich eine<br />

Stimme, die mir sagt: Was kann die Sprache? Knipsen ist eine<br />

Provokation gegen das Schreiben.<br />

Eine Frau zieht gerade einen weißen Rollkragenpulli an. Ich<br />

schreibe: Sie zieht ihren weißen Pullover an. Dabei fällt mir das<br />

Wort „ziehen“ auf. „Es zieht im Zimmer“, sagt sie und zieht den<br />

Pullover an. Sie zieht mich an. Mein Blick wird angezogen.<br />

Nach dem Baden zieht man sich an, wenn es im Zimmer kalt ist.<br />

Es zieht noch ein wenig, aber der kleine Luftzug stört mich nicht<br />

mehr. In dem Wort „anziehen“ höre ich das Wort „ausziehen“ mit.<br />

Das Wort „ausziehen“ gefällt mir weniger, weil es versucht, mir die<br />

nackte Wahrheit zu verkaufen. Ich kann mir keine nackte Wahrheit<br />

vorstellen. Sie ist immer angezogen. Ihr Pullover besteht aus<br />

dem Blick der Betrachter.<br />

Der „Pullover“ ist ein Fremdwort. An der Stelle „ov“ flimmert etwas<br />

Fremdsprachliches. Mir fällt zumindest kein <strong>deutsch</strong>es Wort ein,<br />

in dem die beiden Buchstaben o und v hintereinander vorkommen.<br />

Oder doch? „Provokation“. Ich habe gerade eben geschrieben,<br />

dass das Knipsen eine Provokation sein könne. Mein Blick ist<br />

weiter fixiert auf die Mitte des Wortes „Pullover“ und entdeckt<br />

„lover“ im Wort „Pullover“.<br />

Durch das Fenster sieht man eine schneebedeckte Straße. Der<br />

Pullover ist weiß wie ein Schneekaninchen. Ich schreibe in mein<br />

Notizbuch: „Sie zieht sich an.“ Auf einem Foto wird das Wort<br />

„anziehen“ nicht zu finden sein. Es ist weder auf einem Gesicht<br />

noch in der Luft geschrieben. Ich lese die Wörter rückwärts:<br />

„An sich zieht sie.“<br />

Die Frau streckt ihren linken Arm hoch, die rechte Hand ist noch<br />

nicht aus dem Ärmel herausgekommen. Die rechte Hand hält<br />

den Pullover an der Brust fest, und das Gesicht ist noch halb<br />

bedeckt vom Kragen. Das ist die sprachliche Übersetzung des<br />

Fotos, das gemacht werden könnte.<br />

„In Gregor Samsas Zimmer hängt auch ein Foto“, sagt sie. Ich<br />

erinnere mich dunkel an die Wand des Zimmers, in dem er schläft.<br />

Yoko Tawada 92 93<br />

passport official should actually have known from this<br />

fact that I had no intention of immigrating. Why did he<br />

question me so sternly? After all, I only had a disposable<br />

camera with me, like a simple tourist, and not a single<br />

family photo. Perhaps the word “disposable” was the<br />

trouble in this case.<br />

I take photos every day, so my camera has grown into<br />

my fingers. When I take photos, I hear a voice saying:<br />

What about language? Taking snapshots is a provocation<br />

against writing.<br />

A woman is just putting on a white polo-neck pullover.<br />

I write: She puts on (“sie zieht an”) a white pullover.<br />

The word “ziehen” strikes me. “Es zieht im Zimmer<br />

(it’s draughty),” she says, and puts the pullover on. She<br />

attracts me (“zieht mich an”, association of “sieht mich<br />

an”/looks at me). My attention is drawn (“angezogen”).<br />

After having a bath, one gets dressed (“man zieht sich<br />

an”) if it’s cold in the room. It’s still draughty (“es zieht”),<br />

but a minor draught doesn’t bother me much. Whenever<br />

I hear the word “anziehen” (to dress), I immediately hear<br />

an overtone of “ausziehen” (to undress). “Ausziehen” is<br />

not so nice because it tries to sell me the naked truth.<br />

I can’t imagine the truth naked. To me, truth is always<br />

dressed. Its pullover is the viewer’s gaze.<br />

In German “Pullover” is a foreign word. There’s something<br />

foreign about “ov”. Or at least, I can’t think of a<br />

German word in which these two letters occur together.<br />

Or can I? What about “Provokation”? I’ve just written<br />

that snapshots can be a provocation.<br />

My eyes latch on to the middle of the word “pullover” and<br />

discover “lover” in it.<br />

Through the window a snow-covered street is visible.<br />

The pullover is the same colour as a snow rabbit. I write<br />

in my notebook: “Sie zieht sich an (she gets dressed).”<br />

You wouldn’t find the word “anziehen” on a photo. It<br />

doesn’t appear on faces or in the air. I read the words<br />

backwards: “An sich zieht sie (In itself, it pulls).”<br />

The woman raises her left arm, the right hand hasn’t<br />

come out of the sleeve yet. Her right hand holds the<br />

pullover to her chest, and her face is still half-buried in<br />

the collar. That’s the linguistic rendering of the photo<br />

that could be taken.


Aber in meiner Erinnerung ist nicht zu erkennen, was im Bild<br />

abgebildet ist.<br />

An der Wand ihres Wohnzimmers hängt ein alter Weltatlas<br />

genau wie auf Vermeers Gemälde.<br />

Im Schlafzimmer hängt kein Foto. Nur ein Traumfänger. Die<br />

Traumbilder, die er letzte Nacht gefangen hat, sind nicht zu<br />

sehen. An der Wand der Küche hängt ein Foto von drei Frauen,<br />

die der Gemeinschaft der Mennoniten angehören. Ein Strand,<br />

den man nur in einem Traum zu sehen bekommt, und ein Himmel,<br />

der in keinem Familienfoto vorkommt. Ich weiß nicht, ob<br />

sich die Mennoniten gerne fotografieren lassen oder nicht. Einmal<br />

war ich zusammen mit einer japanischen Akademikerin und einer<br />

Pensionsbesitzerin zum Mittagessen bei den Amish People eingeladen.<br />

Ich hatte eine Kamera in der Hand, weil es meine Gewohnheit<br />

ist. In Wirklichkeit wollte ich einen Kassettenrecorder dabei<br />

haben, denn mich interessierte ausschließlich, wie die <strong>deutsch</strong>e<br />

Sprache bei den Amish People klingt. Die Pensionsbesitzerin<br />

sah meine Kamera und sagte mir, die Amish People ließen sich<br />

normalerweise nicht fotografieren, aber die Familie, die wir jetzt<br />

besuchen würden, hätte nichts gegen eine Kamera. Es wäre<br />

dennoch besser, vorher noch einmal um Erlaubnis zu bitten, fügte<br />

sie hinzu. Die Gastgeberfamilie bestand aus Zwillingsschwestern,<br />

ihren Ehemännern und acht Kindern. Als die Pensionsbesitzerin<br />

die Zwillingsschwestern fragte, ob man sie fotografieren dürfe,<br />

antwortete eine der beiden, sie hätte nichts dagegen, sie möchte<br />

nur nicht, dass man die Fotos später verkaufe.<br />

Jemand nimmt ein Bild von mir und verkauft es: Eine unangenehme<br />

Vorstellung, die man aber im Zeitalter des Internets nicht<br />

mehr verhindern kann. Ich weiß, dass auch mein Gesicht im<br />

Netz angeboten wird. Warum ist es aber unangenehm? Ein Foto<br />

von mir hat nicht viel mit mir zu tun. Habe ich Angst, dass jemand<br />

zu Hause das Foto von meinem Gesicht heimlich anzündet?<br />

Wenn ich eines Tages aufwache und ein verbranntes Gesicht<br />

habe, weiß ich, dass mein verkauftes Foto missbraucht ist.<br />

Der Verkauf des eigenen Fotos: Das erinnert einen sofort an<br />

Peter Schlemihl. Scheinbar verbindet man ein Foto mit der Seele,<br />

und die Seele einer Person könnte mit dem Foto zusammen<br />

geraubt werden. Man sagt, dass diese Vorstellung bei den<br />

Indianern stark vertreten sei. Vor langer Zeit, als sibirische Völker<br />

nach Osten wanderten, trennten sich die Wege am östlichen<br />

Ende des Euroasiatischen Kontinents. Diejenigen, die bei jeder<br />

Gelegenheit gerne fotografiert werden wollten, zogen nach<br />

Süden und landeten auf dem Gebiet, das heute Japan genannt<br />

“There’s a photo in Gregor Samsa’s room, too,” she says.<br />

I remember vaguely the wall of the room he sleeps in.<br />

But in my memory I can’t make out what’s in the picture.<br />

On the wall of her living room there’s an old map just<br />

like in Vermeer’s painting.<br />

There’s no photo on the wall in the bedroom. Only a<br />

dream-catcher. The visions he caught last night are<br />

nowhere to be seen. On the kitchen wall is a photo of<br />

three women who could be from the Mennonite community.<br />

A beach such as you only see in dreams and<br />

a sky you’d never see in a family photo. I don’t know<br />

if Mennonites like being photographed or not. I was<br />

once invited to lunch in an Amish household along with<br />

two other women, a Japanese academic and a guesthouse<br />

owner. I had a camera in my hand because I<br />

normally do. In reality I wanted a cassette recorder with<br />

me, because all I was interested in was what German<br />

sounds like among the Amish. The guesthouse owner<br />

saw my camera and told me the Amish normally don’t<br />

let themselves be photographed, but the family we were<br />

now visiting had nothing against cameras. Even so, it<br />

would be better to ask again in advance if they minded,<br />

she added. The host family consisted of twin sisters,<br />

their husbands and eight children. When the guesthouse<br />

owner asked if I could photograph them, one of them<br />

replied she didn’t mind, she just didn’t want the photos<br />

to be sold later.<br />

Someone takes a picture of me and sells it – an unpleasant<br />

notion, but something you can’t stop in the Internet<br />

age. I know my face is for sale on the web, too. But why<br />

is that unpleasant? A photo of me doesn’t have much<br />

to do with me. Am I afraid of someone secretly burning<br />

the photo of my face at home? If I wake up one day and<br />

have a burnt face, I’ll know my sold photo has been<br />

misused.<br />

Selling your own picture – I’m immediately reminded of<br />

Peter Schlemihl. Apparently photos are associated with<br />

the soul, and the soul might get stolen along with the<br />

photo. They say the idea is very common among North<br />

American Indians. A long time ago, when Siberian peoples<br />

were migrating eastwards, they went separate ways at<br />

the eastern end of the Eurasian continent. Those who<br />

wanted to be photographed at every possible opportunity


wird. Die anderen, die nicht fotografiert werden wollten, wanderten<br />

weiter nach Nordamerika.<br />

In Japan stellt man ein Foto des Verstorbenen in den Hausaltar.<br />

Ältere Menschen beten vor dem Foto für die Toten. Meine Großmutter<br />

hat oft das Foto ihres verstorbenen Mannes angesprochen<br />

und mit ihm geredet. Dabei verkörpert das Foto selbst nicht die<br />

Seele des Toten, sondern das Foto ist ein Sprachrohr, durch das<br />

man mit den Toten sprechen kann.<br />

Ich hatte früher geglaubt, dass sich die Wurzeln für die Vorliebe<br />

der Japaner für den Schnappschuss schon in der älteren Kultur<br />

finden ließen. Matsuo Bashos Haiku-Dichtung könnte zum Beispiel<br />

ein Vorbild für fotografische Momentaufnahmen der Reisenden<br />

sein. Aber neulich bei einer genaueren Lektüre musste ich<br />

feststellen, dass man sich seine Dichtung nicht als Fotografie vorstellen<br />

kann.<br />

Samidare no Vom großen Regen<br />

furinokoshite ya bleibt sie nun doch wohl verschont,<br />

hikaridoo die Goldglanz-Halle!?<br />

Es geht hier in erster Linie nicht um den Glanz der goldenen<br />

Halle, sondern um den Regen, der nicht auf die Halle fiel. Wenn<br />

es in der Grammatik der Fotografie einen Konjunktiv II gäbe,<br />

würde man so etwas aufnehmen können.<br />

Oder:<br />

Nomi shirami Nichts als Flöhe und Läuse!<br />

uma no shito suru Und nah an meinem Kopfkissen<br />

makura-moto pisst auch noch ein Pferd!<br />

Die Insekten im Dunkeln sind schwer zu fotografieren, und der<br />

Piss ist wahrscheinlich in dem Fall nur akustisch wahrnehmbar.<br />

Man könnte sicher die Atmosphäre der Scheune, in der der<br />

Reisende übernachtet, fotografieren. Es geht mir nicht darum<br />

zu beweisen, was man alles nicht fotografisch darstellen kann.<br />

Vielmehr geht es mir darum zu zeigen, dass die Intensität im<br />

Gedicht von der Sprache selbst kommt. „Nomi“ und „Shirami“<br />

enden beide auf „mi“. Auf einem Bild werden der Fuß eines Flohs<br />

und der einer Laus unterschiedliche Formen haben, so dass es<br />

keinen Versfuß mehr gibt.<br />

Bei der Haiku-Dichtung hege ich die Hoffnung, sich von den<br />

Metaphern befreien zu können. Das ist auch der Grund, warum<br />

Yoko Tawada 94 95<br />

turned south and finished up in what is now Japan.<br />

The rest, who did not want to be photographed, went<br />

on towards North America.<br />

In Japan, a photo of the deceased is placed on the<br />

house altar. Older people pray for the dead in front of<br />

the photo. My grandmother often spoke to the photo<br />

of her late husband and talked to him. In this case, the<br />

photo itself doesn’t contain the soul of the deceased.<br />

It’s a voice trumpet for speaking to the dead.<br />

Once I used to believe that the Japanese love of snapshots<br />

was rooted in older culture. For example, Matsuo<br />

Basho’s haiku poetry could be a model for a traveller’s<br />

photographic snapshot. But when I recently looked more<br />

closely, I had to accept that you couldn’t imagine his<br />

poem as photography.<br />

Samidare no The great cloud of rain<br />

furinokoshite ya moves on, and quite passes by<br />

hikaridoo the bright golden hall!?<br />

The first line here is not about the gleaming gold of the<br />

hall but the rain that did not fall on it. If the grammar of<br />

photography had a second subjunctive, you could take<br />

a picture of something like that.<br />

Or again:<br />

Nomi shirami All flea-y, lousy!<br />

uma no shito suru And right beside my pillow<br />

makura-moto packhorses pissing!<br />

Insects are difficult to photograph, and piss is probably<br />

only acoustically perceptible in this case. I’m sure<br />

you could photograph the atmosphere of the barn the<br />

traveller is spending the night in. I’m not out to prove<br />

what you can and can’t photograph, only to show that<br />

the intensity in the poem comes from language itself.<br />

“Nomi” and “Shirami” both end in “-mi”. In a picture,<br />

a flea foot and a louse foot would look different, so that<br />

the metrical foot wouldn’t scan.<br />

In haiku poetry I cherish the hope of shaking off metaphor.<br />

That’s also the reason why I love snapshots. If you<br />

want to represent a flower meaningfully, you ask what


ich Schnappschüsse liebe. Würde ich eine Blume bedeutungsvoll<br />

darstellen, fragt man sich, wofür dieses Bild stehen sollte. Aber<br />

ein Schnappschuss könnte eine Blume so beiläufig zeigen, dass<br />

sie nicht einmal für Schönheit stehen muss, selbst wenn sie<br />

tatsächlich schön aussieht.<br />

Wenn ich einen Vogel durch die Kameralinse betrachte, kommt<br />

mir manchmal ein Haiku-Gedicht von Sora in den Sinn, das er<br />

in Matsushima schrieb. Er war der Reisebegleiter von Basho und<br />

selbst Dichter.<br />

Matsushima ya „Bucht der Kieferninsel“:<br />

tsuru ni mi wo kae Leih dir die Gestalt des Kranichs,<br />

hototogisu du Bergkuckuck!<br />

Ein freches Gedicht. Spätestens nach der Begegnung mit diesem<br />

Gedicht muss man zugeben, dass die Haiku-Dichtung nicht<br />

nach dem Einklang mit der Natur sucht. Der Dichter sagt hier,<br />

dass sich der Bergkuckuck die Gestalt eines Kranichs „ausleihen“<br />

soll. Denn der Kranich und nicht der Bergkuckuck sei der Vogel,<br />

der in diese Landschaft passe. Ich bin neugierig, was für ein<br />

Foto Sora gemacht hätte, wenn es im siebzehnten Jahrhundert<br />

schon Fotoapparate gegeben hätte. Der abwesende Vogel,<br />

der Kranich, kann nur als Wort im Bild existieren. In dem Gedicht<br />

wird nicht beschrieben, wie eine Landschaft oder ein Vogel<br />

aussieht. Stattdessen stehen die Vogelnamen im Zentrum. Die<br />

Reduzierung auf diese führt die Sprache zu dem Akt der Benennung.<br />

Indem der Dichter den Namen eines nicht anwesenden<br />

Vogels ausspricht, wird die Landschaft verändert.<br />

Die Sprache kann die Landschaft entweder durch Umbenennung<br />

oder durch Umdeutung verändern: Das ist es, was ich an der<br />

Sprache schätze. Gleichzeitig kann es ein Schwachpunkt der<br />

Sprache werden. Ohne die Konfrontation mit dem falschen Bergkuckuck,<br />

der auf jedem Schnappschuss auftaucht, wird die Kunst<br />

erblassen. Wenn Sora die ideale Landschaft dargestellt hätte,<br />

nämlich die Kieferninsel mit einem Kranich, hätte das Gedicht<br />

wie die Wandmalerei eines geschmacklosen Restaurants gewirkt.<br />

Es ist mutig, dass er absichtlich den Namen des „falschen“ Vogels<br />

nennt und ihn sogar in die letzte Zeile setzt. Das Wort „Hototogisu“<br />

klingt viel kräftiger und körperlicher als das Wort „Tsuru“.<br />

Wenn ich in Tokyo belebte Gassen fotografiere, sind die Bilder<br />

voller falscher Bergkuckucks, was einen gar nicht mehr stört.<br />

Es ist nicht möglich, sie durch einen Kranich zu ersetzen, weil<br />

die ganze Stadt ein Bergkuckuck ist. Das ist das Phänomen, das<br />

the picture should stand for. But a snapshot could show<br />

a flower just in passing so that it doesn’t even have to<br />

stand for beauty, however beautiful it might really be.<br />

When I look at a bird through the viewfinder, I sometimes<br />

think of a haiku that Sora wrote in Matsushima.<br />

Sora was Basho’s travelling companion and himself<br />

a poet.<br />

Matsushima ya “Bay of pinewood isles”:<br />

tsuru ni mi wo kae go and hire a grey crane’s coat,<br />

hototogisu you mountain cuckoo!<br />

A cheeky poem. Once you’ve read this poem, you have<br />

to accept that haikus are not about looking for harmony<br />

in nature. The poet says here that the mountain cuckoo<br />

should “borrow” the look of a crane because cranes, not<br />

mountain cuckoos, are the birds to go with this landscape.<br />

I’d love to know what kind of photos Sora would<br />

have taken if there had been cameras in the 17th century.<br />

The bird which isn’t there, the crane, can only enter the<br />

picture as a word. The poem doesn’t describe how the<br />

landscape or bird looks. Instead, the focus is on bird<br />

names. Reducing it to this involves the linguistic act of<br />

naming. When the poet utters the name of a bird not<br />

present, the landscape changes.<br />

Language can change landscape either by renaming it<br />

or re-interpreting it. That’s what I like about language.<br />

At the same time, that can be a weakness of language.<br />

Without the confrontation with the incorrect mountain<br />

cuckoo that appears in every snapshot, art would be-<br />

come insipid. If Sora had depicted an ideal landscape,<br />

i.e. islands of pine woods with a crane, the effect of the<br />

poem would have been like a kitschy mural in a restaurant.<br />

It was a bold move to deliberately include the<br />

name of the “wrong” bird and even put it in the last line.<br />

But the word “Hototogisu” is much stronger and more<br />

physical than the word “Tsuru”.<br />

When I photograph my favourite back streets in Tokyo,<br />

the pictures are full of “incorrect” mountain cuckoos,<br />

which doesn’t worry me in the least. It isn’t possible to<br />

replace them with a crane because the whole city is<br />

a mountain cuckoo. That’s a phenomenon many people<br />

describe as post-modern. An Italian acquaintance of


manche als postmodern bezeichnen. Ein italienischer Bekannter<br />

von mir sagte einmal zu mir, es sei schwer, in Japan eine richtig<br />

schöne Landschaft zu finden. Deshalb habe er kaum fotografiert.<br />

Auch an einem ziemlich schönen Ort gab es immer etwas Hässliches.<br />

Dagegen gibt es in Italien unzählige schöne Orte, die wie<br />

gemalt aussehen.<br />

Eine Tante von mir besuchte Matsushima. Ich sah grüne Farbe<br />

auf den Fotos, die sie dort gemacht hatte. Sie wusste nicht<br />

mehr, wo genau sie die einzelnen Bilder aufgenommen hatte.<br />

„Das ist alles Matsushima“, sagte sie, und das genügte, denn es<br />

war klar, dass damit der Ort der Dichtung von Sora gemeint<br />

war. Es störte sie nicht, dass auf einigen ihrer Fotos eine riesige<br />

Reklame für Waschmaschinen und ein Getränkeautomat zu<br />

sehen waren.<br />

Einmal fuhr ich mit einem Musiker aus Kalifornien zusammen<br />

mit dem Zug von Hamburg nach Freiburg. Er schaute aus dem<br />

Fenster und sagte, diese Landschaft störe ihn, weil man nicht<br />

sehen könne, ob man im neunzehnten Jahrhundert sei oder im<br />

einundzwanzigsten. Aber auch in Europa, wo man die ungestörte<br />

Schönheit aus der Vergangenheit leidenschaftlich inszeniert,<br />

gibt es genug Orte, an dem ein Bergkuckuck zu sehen ist. Einmal<br />

zeigte mir ein japanischer Verleger die Schnappschüsse, die er<br />

in der Schweiz aufgenommen hatte. Einer von ihnen zeigte einen<br />

Fahrkartenautomaten in Zürich. „Schweizer haben die schönsten<br />

Fahrkartenautomaten der Welt“, sagte er. Genauso schön fand<br />

er das Matterhorn, das er von Zermatt aus fotografierte. Das<br />

Bild sah aus, als hätte er es aus einer illustrierten Zeitschrift<br />

ausgeschnitten. Er zeigte mir auch Bilder, die er während einer<br />

Zugfahrt auf der Jungfrau aufgenommen hatte. Das erste Foto<br />

zeigte sein Gesicht, das sich im Zugfenster spiegelte. „Es war<br />

dunkel“, erläuterte er das Bild. Das zweite Bild zeigte etwas<br />

Weißes, Formloses. „Wenn das Wetter gut gewesen wäre, hätte<br />

man vom Ankunftsort aus eine wunderbare Landschaft gesehen.“<br />

Es gibt doch die Fotografie im Konjunktiv II. Er zeigte diese<br />

Schnappschüsse nur den Menschen, die schon einmal am Jungfraujoch<br />

gewesen waren. Er nimmt ein Foto in die Hand, als<br />

wäre es ein Stichwort, und fängt an zu erzählen. Durch das<br />

Erzählen entsteht erst das Bild, das nicht abgebildet ist. Das<br />

dritte Bild zeigte den Verleger selbst in einer blauen Regenjacke<br />

vor einem belanglosen Bahnhofsgebäude. Seine Kamera hing<br />

vor seinem Bauch. Es gebe keinen Bahnhof in der Welt, der höher<br />

liege als dieser. Er habe tatsächlich persönlich dort gestanden,<br />

obwohl er das heute nicht mehr glauben könne. Dieser Ort käme<br />

ihm heute unerreichbar weit entfernt vor.<br />

Yoko Tawada 96 97<br />

mine once told me it’s difficult to find a really beautiful<br />

landscape in Japan, which is why he rarely took photos.<br />

Even in a quite beautiful place there was always something<br />

ugly. In Italy, on the other hand, there are countless<br />

beautiful places that look like paintings.<br />

An aunt of mine visited Matsushima. I saw green on the<br />

photos she took there. She couldn’t remember any more<br />

where exactly she had taken each picture. “They’re all<br />

Matsushima,” she said, and that was enough, because<br />

it was clear that the location of Sora’s poem was meant.<br />

It didn’t worry her that in some of her pictures you could<br />

see huge adverts for washing machines and a drinks<br />

automat.<br />

Once I travelled with a musician from California by train<br />

from Hamburg to Freiburg. He looked out of the window<br />

and said the landscape worried him because you couldn’t<br />

see whether it was the 19th century or the 21st century.<br />

But even in Europe, where there’s a passion for reestablishing<br />

the beauty of the past, there are lots of places<br />

where you can see mountain cuckoos. A Japanese publisher<br />

once showed me snapshots he had taken in<br />

Switzerland. One of them showed a ticket machine in<br />

Zurich. “The Swiss have the most beautiful ticket<br />

machines in the world,” he said. He found the Matterhorn,<br />

which he had photographed from Zermatt, just as<br />

beautiful. The picture looked just as if he had cut it out<br />

of an illustrated magazine. He also showed me pictures<br />

he had taken during a train ride up the Jungfrau. The<br />

first photo showed his face reflected in the train window.<br />

“It was dark,” was how he explained the picture. The<br />

second picture showed something white and shapeless.<br />

“If the weather had been good, we’d have seen a wonderful<br />

landscape from the top station.” There’s photography<br />

in the second subjunctive after all. He only showed<br />

these snapshots to people who had already been to the<br />

Jungfraujoch. He picks up a photo as if it were speech<br />

notes and begins to talk. It’s only when he talks that the<br />

picture you can’t see takes shape. The third picture<br />

shows the publisher himself in a blue raincoat outside<br />

a station building of some sort, with his camera dangling<br />

over his stomach. There is, he says, no higher station<br />

anywhere in the world. He’s personally been there, even<br />

though he can scarcely believe it any more. The place<br />

now seems to him inaccessibly remote.


Man kann versuchen, etwas näher heranzuholen, was wegen<br />

der geographischen oder zeitlichen Entfernung nicht mehr real<br />

vorkommt. Es könnte aber auch passieren, dass eine Landschaft<br />

oder eine Person in die Ferne rückt, weil man diese auf<br />

einem Foto sieht. Hier und jetzt knipsen und niemals ein Foto<br />

besitzen: Das wäre eine weniger nostalgische Haltung gegenüber<br />

einer Entfernung.<br />

Um sich in einem langweiligen Büroalltag selbst zu motivieren,<br />

stellt man sich in der Ferne einen schönen Lebensraum vor:<br />

Dieser Raum sollte den Gegensatz zu dem Berufsalltag verkörpern.<br />

Auf dem Schreibtisch von Büroangestellten sah ich oft<br />

Fotos von ihren Kindern oder von einem Urlaub.<br />

Die Fotos, die sie im Wohnzimmer haben, stellen dagegen ihre<br />

genealogischen Wurzeln dar: Auf einer alten Kommode bei einer<br />

Bekannten von mir stehen drei eingerahmte Familienfotos. An<br />

der Wand hängt ein Foto von den Großeltern. Das sind keine<br />

Schnappschüsse, sondern professionelle Aufnahmen, die in<br />

einem Fotostudio gemacht worden sind.<br />

Was für ein Bild hängt in dem Zimmer eines Menschen, der<br />

pausenlos unterwegs ist? In Gregor Samsas Zimmer hängt ein<br />

Bild, das er aus einer illustrierten Zeitschrift ausgeschnitten<br />

hat. Es stellt eine Dame dar, die – „mit einem Pelzhut und einer<br />

Pelzboa versehen“ – aufrecht dasitzt. Sie hebt einen schweren<br />

Pelzmuff, in dem ihr Unterarm verschwunden ist. Sie ist gerade<br />

dabei, sich in ein pelziges Tier zu verwandeln.<br />

Während das Ungeziefer von Kafka dieses Bild an der Wand<br />

hat, hängen an meiner Wand Fotografien von Ungeziefer.<br />

Vielleicht sollte man die Seidenraupen nicht als Ungeziefer<br />

bezeichnen, denn sie haben durch die Produktion von Seide<br />

bei der Industrialisierung Ostasiens eine wichtige Rolle gespielt.<br />

Die drei Schwarz-Weiß-Aufnahmen hängen senkrecht in einer<br />

Reihe zwischen zwei Fenstern. Auf den ersten zwei Fotos<br />

kriechen die Raupen, während auf dem letzten eine im Kokon<br />

schläft und sich auf die große Verwandlung vorbereitet.<br />

(Deutsche Übersetzung der Haikus von G.S. Dombrady)<br />

You can try to bring something nearer that no longer<br />

seems real because it’s so far way away in time or<br />

distance. But it could also happen that a landscape or<br />

people are distanced because you see them in photos.<br />

Taking snapshots here and now and never owning<br />

a photo would be a less nostalgic attitude towards<br />

remoteness.<br />

To motivate themselves amid the tedium of everyday<br />

office life, people imagine a lovely place to live, somewhere<br />

far away. The place is supposed to be everything<br />

office life isn’t. I’ve often noticed photos of children or<br />

holiday snapshots on office workers’ desks.<br />

The photos they have in their living rooms on the other<br />

hand represent their genealogical roots. One of my<br />

acquaintances has three framed family photos at home,<br />

on top of an old chest of drawers, while on the wall is<br />

a photo of the grandparents. They are not snapshots<br />

but professional photos taken in a studio.<br />

What kind of picture hangs in the room of someone<br />

who is always on the move? Gregor Samsa has in his<br />

room a picture he cut out of a magazine. It shows a<br />

lady sitting upright “in a fur hat and wearing a fur boa”.<br />

She is holding a heavy fur muff into which her forearm<br />

has vanished. She is on the point of turning herself into<br />

a furry creature.<br />

Whereas Kafka’s monster bug had that picture on<br />

the wall, on my wall there are pictures of ordinary bugs.<br />

Perhaps one shouldn’t call silkworms bugs, because<br />

they played an important part in industrialising East<br />

Asia by producing silk. The three black and white photos<br />

hang vertically in a row between two windows. On the<br />

first two photos the silkworms are crawling, while in the<br />

third, one of them is asleep in a cocoon, preparing for<br />

the great “Verwandlung” (metamorphsis).


Yoko Tawada 98 99


Index<br />

Masaki Fujihata<br />

geboren 1956 in Tokio/JPN<br />

lebt in Tokio/JPN<br />

Ausstellungen (Auswahl):<br />

Field-Work@Alsace, Lisboa<br />

Photo2005, Lissabon 2005; Field-<br />

Work@Alsace, Microwave Festival,<br />

Low Block, Hong Kong City Hall,<br />

Hong Kong 2004; Mersea Circle,<br />

firstsite gallery, Colchester 2003;<br />

Beyond Pages - Im Buchstabenfeld.<br />

Die Zukunft der Literatur, Neue<br />

Galerie Graz am Landesmuseum<br />

Joanneum/steirischer herbst, Graz<br />

2001; Field-Work@Hayama, Ars<br />

Electronica Festival, Linz 2001;<br />

Impressing Velocity, net conditions,<br />

ZKM, Karlsruhe 1999; Global Interior<br />

Project, Kunst- und Ausstellungshalle<br />

der Bundesrepublik Deutschland,<br />

Bonn 1997; Global Interior Project<br />

and Beyond Pages, Ars Electronica<br />

Festival, Linz 1996.<br />

Field-Work@Alsace, 2003<br />

Multimedia installation, Projektor, PC;<br />

Größe variabel<br />

Im Besitz des Künstlers;<br />

co-produziert von ZKM, Karlsruhe<br />

siehe S. 104, 105<br />

Rieko Hidaka<br />

geboren 1958 in Tokio/JPN<br />

lebt in Tokio/JPN<br />

Ausstellungen (Auswahl):<br />

Rieko Hidaka – Trees, Northland<br />

Museum of Art, Hokkaido 2004;<br />

Rieko Hidaka, Galerie 16, Kyoto 2004;<br />

Rieko Hidaka, Art Kite Museum,<br />

Detmold 2003; Masterpieces in CAMK<br />

selection – Today’s Japanese Traditional<br />

Painting, Contemporary Art<br />

Museum, Kumamoto 2003; Komorebi,<br />

Contemporary Art Gallery, Art<br />

Tower Mito, Ibaraki 2003; Painting<br />

in our time, The Niigata Bandaijima<br />

Art Museum, Niigata 2003; Rieko<br />

Hidaka – From the Space of Trees,<br />

Tomio Koyama Gallery, Tokio 2002,<br />

Galerie 16, Kyoto 2002; Here is the<br />

Museum, the scape collaborated with<br />

our collection, artists and you – The<br />

Encounter of our Collection and 4<br />

Artists, Shizuoka Prefectural Museum<br />

of Art, Shizuoka 2002; Rieko Hidaka,<br />

Karyn Lovegrove Gallery, Los Angeles<br />

2001; ikiro – be alive. Contemporary<br />

art from Japan 1980 until now,<br />

Kröller-Müller Museum, Otterlo 2001.<br />

Distance from the Sky I, 2002<br />

Pigment auf Papier; 240 × 240 cm<br />

Sammlung Hiroshima City Museum<br />

of Contemporary Art<br />

siehe S. 107<br />

Distance from the Sky II, 2002<br />

Pigment auf Papier; 240 × 240 cm<br />

Sammlung The Niigata Prefectural<br />

Museum of Modern Art/The Niigata<br />

Bandaijima Art Museum<br />

siehe S. 109<br />

Takashi Ito<br />

geboren 1956 in Fukuoka/JPN<br />

lebt in Kyoto/JPN<br />

Filme und Festivals (Auswahl):<br />

Monochrome Head, 10:00 min, 16-mm,<br />

1997; Apparatus M, 6:00 min, 16-mm,<br />

1997 (gezeigt in der Ausstellung<br />

Morimura – The Sickness unto Beauty,<br />

Yokohama Museum of Art, Yokuhama<br />

1996); Zone, 13:00 min, 16-mm, 1995;<br />

New York Film Festival 1995;<br />

Oberhausen International Film Festival<br />

1996; Brisbane International Film<br />

Festival 1996; Vancouver International<br />

Film Festival 1996; Tampere International<br />

Short Film Festival 1996;<br />

New Zealand Film Festival 1996;<br />

The Moon, 7:00 min, 16-mm, 1994;<br />

Rotterdam International Film Festival<br />

1995; Vancouver International Film<br />

Festival 1995; Kerala International<br />

Film Festival 1995; New Zealand Film<br />

Festival 1996; Hide-and-Seek in<br />

December, 7:30 min, Video, 1993;<br />

Venus, 4:00 min, 16-mm, 1990; The<br />

Dream of Mummy, 5:00 min, 16-mm,<br />

1989.<br />

Spacy, 1981<br />

Film, 10:00 min<br />

Courtesy of Image Forum<br />

siehe S. 111


Emiko Kasahara<br />

geboren 1963 in Tokio/JPN<br />

lebt in New York/USA<br />

Ausstellungen (Auswahl):<br />

On Reason and Emotion, The 14th<br />

Biennale of Sydney, Sydney 2004;<br />

Public/Private, The 2nd Auckland<br />

Triennial, Auckland, 2004;<br />

Formed to Function, John Michael<br />

Kohler Arts Center, Sheboygan,<br />

2003; Chat@MIMOCA, Marugame<br />

Genichiro-Inokuma Museum of<br />

Contemporary Art, Kagawa 2002;<br />

A Cabinet of Curiosities, The New<br />

York Public Library, New York 2002;<br />

Oral Fixation, Center for Cultural<br />

Studies Museum at Bard College,<br />

Annandale-on-Hudson, USA, 2002;<br />

Pink, White Box, New York 2001;<br />

Immaculate Fabrication, Deitch<br />

Projects, New York 1997; Emiko<br />

Kasahara, Gallery Kobayashi, Tokio<br />

1992.<br />

La Charme, 2001<br />

Synthetisches Haar, Sperrholz,<br />

Klettverschluss, DVD, Monitor;<br />

Größe variabel<br />

Courtesy of Emiko Kasahara<br />

und Yoshiko Isshiki Office, Tokio<br />

Installationsansicht<br />

Yokohama Triennale, 2001<br />

siehe S. 112/113<br />

La Charme #3, 2004<br />

Installation und Performance bei<br />

der Biennale of Sydney, 2004<br />

siehe S. 113<br />

Tadashi Kawamata<br />

geboren 1953 in Hokkaido/JPN<br />

lebt in Tokio/JPN<br />

Ausstellungen (Auswahl):<br />

Kawamata Coal Mine Project, Tagawa,<br />

2004, Project Reconsideration,<br />

Tagawa 2004; Work in Progress<br />

Project in Toyota City, Toyota 2004;<br />

Memory in Progress, Saint Thelo,<br />

2004; Wooden Terrace Beach, Basel<br />

2004; Echigo-Tsumari Art Triennial,<br />

Tsumari 2003; Biennal de Valencia,<br />

Valencia 2003; Bridge and Archives,<br />

Moyland/Bedburg-Hau 2003;<br />

Demeter: Tokachi International<br />

Contemporary Art Exhibition, Tokachi<br />

2002; Shanghai Biennale, Shanghai<br />

2002; Temporary Existence,<br />

Ex-Teresa Arte Actual, Mexico City<br />

2002; Daily News, Art Tower Mito,<br />

Mito 2001.<br />

Field Work in Tokio, 1989<br />

Verschiedene Materialien;<br />

Größe variable<br />

Courtesy of Tadashi Kawamata<br />

plus on the table, Tokio<br />

siehe S. 115<br />

Field Work in Graz, 2005<br />

Verschiedene Materialien;<br />

Größe variabel<br />

Courtesy of Tadashi Kawamata<br />

plus on the table, Tokio<br />

siehe S. 116 –117<br />

Yayoi Kusama<br />

geboren 1929 in Matsumoto/JPN<br />

lebt in Tokio/JPN<br />

Ausstellungen (Auswahl):<br />

Yayoi Kusama: The Place for My Soul,<br />

Matsumoto City Museum of Art,<br />

Matsumoto 2005; Yayoi Kusama:<br />

Sailing the Sea of Infinity, Contemporary<br />

Art Museum, Kumamoto 2005;<br />

Yayoi Kusama: Eight Places for<br />

Burning Soul, Hiroshima City Museum<br />

of Contemporary Art, Hiroshima 2005;<br />

Yayoi Kusama: Eternity-Modernity,<br />

The National Museum of Modern Art,<br />

Tokio und Kyoto 2004 – 2005; Eijanaika!<br />

Yes, Future! Post 20th Century<br />

Japan, Collection Lambert, Avignon<br />

2004; Water Level of Image – Transformation<br />

and Reflection of Narcissus,<br />

Toyota Municipal Museum of Art,<br />

Toyota 2004; Mediarena: Contemporary<br />

Art from Japan, The Govett-<br />

Brewster Art Gallery, Plymouth 2004;<br />

Kusamatrix, Mori Art Museum, Tokio<br />

2004.<br />

Rose Garden, 1998<br />

Verschiedene Materialien;<br />

135 × 125 × 65 cm<br />

Courtesy of Yayoi Kusama, Fabian &<br />

Claude Walter Galerie, Basel-Zürich<br />

und Robert Miller Gallery, New York<br />

siehe S. 121<br />

Walking on the Sea of Death, 1981<br />

Gefüllter und genähter Stoff,<br />

Holzboot, Farbe; 58 × 256 × 158 cm<br />

Sammlung des Museum of<br />

Contemporary Art, Tokio<br />

siehe S. 123<br />

Trinh T. Minh-ha 218 219<br />

geboren 1952 Hanoi/VN<br />

lebt in Berkeley/USA<br />

Filme, Screenings, Ausstellungen<br />

und Festivals (Auswahl):<br />

Shanghai Biennale 2004 – Techniques<br />

of the Visible, Shanghai Biennale,<br />

Shanghai 2004; Busan Art Biennale<br />

2004, Busan 2004; MACBA (Museum<br />

of Contemporary Art) Barcelona 2003;<br />

documenta 11: Naked Spaces –<br />

Living is Round, 16-mm-Film, 1985;<br />

Poesie des Wohnens und Experimente<br />

mit gesteigerter akustischer Wahrnehmung,<br />

Musik, Umgebungsgeräuschen<br />

und Momenten der Stille, Kassel<br />

2002; Screening, Wiener Secession,<br />

Wien 2001; Screening, Haus der<br />

Kulturen der Welt, Berlin 1999;<br />

Screening, Brooklyn Museum of Art,<br />

New York, The Museum of Modern<br />

Art, New York, und The Art Institute<br />

of Chicago, 1997; Feminale Women’s<br />

Film Festival, Köln 1996 (Special<br />

Tribute); Screening, Shedhalle, Zürich<br />

und Kunstverein München 1995.<br />

The Fourth Dimension, 2001<br />

Digitalfilm/VHS, Farbe; 87:00 min<br />

Produziert von Jean-Paul Bourdier<br />

und Trinh T. Minh-ha, Regie,<br />

Fotografie, Buch, erzählt und herausgegeben<br />

von Trinh T. Minh-ha, Musik<br />

von The Construction of Ruins, mit<br />

Greg Goodman und von Shoko Hikage<br />

siehe S. 125 – 127


Hiroyuki Moriwaki<br />

geboren 1964 in Wakayama/JPN<br />

lebt in Tokio/JPN<br />

Ausstellungen (Auswahl):<br />

Visualize – The history and futurescape<br />

of visual media, Tokyo Metropolitan<br />

Museum of Photography, Tokio<br />

2005; My Sweet Home, Spiral<br />

Garden/Wacoal Art Center, Tokio<br />

2003; Re-Imagination-image/media/<br />

museum, Tokyo Metropolitan Museum<br />

of Photography, Tokio 2002;<br />

Moriwakit EXPO 2001, Sagamihara<br />

City Museum, Kanagawa 2001;<br />

Space Odyssey, Art Tower Imaraki,<br />

Mito 2001, Resolution, 20th Wharf,<br />

Port of Nagoya, Nagoya 2000;<br />

Debris of Heaven (Live Performance),<br />

Hara Museum of Contemporary Art,<br />

Tokio 1999; Media Select, 20th<br />

Wharf, Port of Nagoya, Nagoya 1999;<br />

Garden of Memory by Minato and<br />

Moriwaki, NTT Inter Communication<br />

Center, Tokio 1998; AKARI Message,<br />

AXIS Gallery, Tokio 1998; Nagoya<br />

International Biennale ARTEC’97,<br />

Nagoya City Art Museum, Nagoya<br />

1997.<br />

Lake Awareness, 2005<br />

LED, Leiterplatine, Aluminium;<br />

500 × 500 × 175 cm<br />

Sammlung des Künstlers<br />

siehe S. 129<br />

Daido Moriyama<br />

geboren 1938 in Osaka/JPN<br />

lebt in Tokio/JPN<br />

Einzelausstellungen (Auswahl):<br />

Buenos Aires, Taha Ishii Gallery, Tokio<br />

2005; Moriyama : Shinjuku : Araki,<br />

Tokyo Opera City Gallery, Tokio<br />

2005; Moriyama Daido 1965 – 2003,<br />

Shimane Art Museum, Shimane<br />

2003; Shinjuku, Taka Ishii Gallery,<br />

Tokio 2002; inside the white cube:<br />

Antipodes, White Cube, London 2002;<br />

Platform, Light and Shadow, Daiwa<br />

Radiator Factory, Hiroshima 2002;<br />

Daido Moriyama: Stray Dog,<br />

San Francisco MOMA, San Francisco<br />

1999; Fragments, Parco Gallery,<br />

Tokio 1998; Osaka, Taka Ishii Gallery,<br />

Tokio 1997; Moriyama Daido,<br />

Laurence Miller Gallery, New York<br />

1993; Moriyama Daido, Zeit Photo<br />

Salon, Tokio 1990; Light and Shadow,<br />

Nagase Photo Salon 1981; Das<br />

ist Japan, Camera Austria, Forum<br />

Stadtpark 1980.<br />

KIROKU no. 2 (Records no. 2), o.J.<br />

Gelatine-Silber-Print; 16 × 23,8 cm<br />

Sammlung der Shadai Gallery, Tokio<br />

siehe S. 131<br />

Ohne Titel, o.J.<br />

Doppelseite aus dem Buch<br />

SHASHINYO SAYOUNARA (A Farewell<br />

to Photography), 1972; 36,2 × 23 cm<br />

Sammlung Toshiharu Ito, Tokio<br />

siehe S. 132/133<br />

Scandalous: Wild Party, 1970<br />

Seite aus dem Buch SHASHINYO<br />

SAYOUNARA (A Farewell to<br />

Photography), 1972; 18 × 23 cm<br />

Sammlung Toshiharu Ito, Tokio<br />

siehe S. 135<br />

Light and Shadow 2: On the Road,<br />

Chair, 1981–1982<br />

Gelatine-Silber-Print; 24 × 29 cm<br />

Sammlung Tatsumi Sato<br />

Courtesy of Taka Ishii Gallery, Tokio<br />

siehe S. 136/137<br />

Light and Shadow 4, Hat, 1981–1982<br />

Gelatine-Silber-Print; 35 × 41,9 cm<br />

Sammlung Tatsumi Sato<br />

Courtesy of Taka Ishii Gallery, Tokio<br />

siehe S. 138/139<br />

Shinjuku, 2001–2002<br />

Gelatine-Silber-Print; 83,7 × 55,5 cm<br />

Courtesy of Taka Ishii Gallery, Tokio<br />

siehe S. 140<br />

Takuma Nakahira<br />

geboren 1938 in Tokio/JPN<br />

lebt in Yokahama/JPN<br />

Einzelausstellungen (Auswahl):<br />

Why an illustrated human-animal<br />

dictionary? Shugoarts, Tokio 2004;<br />

Takuma Nakahira: Degree Zero,<br />

Naha Civic Gallery, Naha, Okinawa,<br />

2004; Takuma Nakahira: Degree<br />

Zero – Yokohama, Yokohama Museum<br />

of Art, Yokohama, 2003;<br />

Everyday Life: Nakahira Takuma Now,<br />

C-square, Art Gallery of the Chukyo<br />

University, Nagoya, 1997; Adieu à X,<br />

Photo Daido, Tokio 1989.<br />

Ohne Titel, 1978 –1989<br />

Gelatine-Silber-Print; 21,2 × 29,1 cm<br />

Sammlung des Künstlers<br />

siehe S. 143<br />

Degree Zero – Yokohama, 2002<br />

C-Print; 90 × 60 cm<br />

Courtesy of Shugoarts, Tokio<br />

siehe S. 145<br />

Degree Zero – Yokohama, 2002<br />

C-Print; 90 × 60 cm<br />

Courtesy of Shugoarts, Tokio<br />

siehe S. 147<br />

La nuit 3, ca. 1969<br />

Photogravure auf Papier;<br />

57,2 × 84,5 cm<br />

Sammlung Catherine und<br />

Jacques Pineau<br />

siehe S. 148/149<br />

La nuit 5, ca. 1969<br />

Photogravure auf Papier<br />

58,2 × 83,4 cm<br />

Sammlung Catherine und<br />

Jacques Pineau<br />

siehe S. 150/151<br />

Amami Oshima, 1975<br />

C-Print; 38,7 × 58 cm<br />

Courtesy of Shugoarts, Tokio<br />

siehe S. 152/153<br />

Tetsuya Nakamura<br />

geboren 1969 in Chiba/JPN<br />

lebt in Tokio/JPN<br />

Ausstellungen (Auswahl):<br />

Young Artists from Korea, China and<br />

Japan, The National Museum of<br />

Cotemporary Art, Korea, Seoul 2004;<br />

Passage to the Future: Young<br />

Japanese Artists, from the Japan<br />

Foundation Collection 2004;<br />

Roppongi Crossing: New Visions<br />

of Japanese Art 2004, Mori Art Museum,<br />

Tokio 2004; Living together is<br />

easy, Contemporary Art Center, Art<br />

Tower Mito, Ibaraki 2004, National<br />

Gallery of Victoria, Victoria 2004;<br />

Home Sweet Home, Spiral Garden/<br />

Wacoal Art Center, Tokio 2003;<br />

A_MUSE_LAND 2003 Asoventurers<br />

World, Hokkaido Museum of Modern<br />

Art, Sapporo 2002; Chiba Art Now ’02<br />

Retracing the Paths, Sakura City<br />

Museum of Art, Chiba 2002;<br />

Emotional Site, Saga-cho Shokuryo<br />

Bild., Tokio 2002; Un monde reve de<br />

la main, Maison Hermes, Tokio 2002;<br />

Speed King, Rice Gallery by G2,<br />

Tokio 2001; Replica Custom, Gallery<br />

Koyanagi, Tokio 1999.<br />

Premium Unit Bath, 2003<br />

Farbe auf FRP; 90 × 200 × 130 cm<br />

Sammlung des Künstlers<br />

siehe S. 155<br />

Premium Unit Pillar, 2003<br />

Farbe auf FRP; 120 × 110 × 80 cm<br />

Sammlung des Künstlers<br />

siehe S. 156<br />

Premium Unit Step, 2003<br />

Farbe auf FRP; 180 × 110 × 60 cm<br />

Sammlung des Künstlers<br />

siehe S. 156


Motohiko Odani<br />

geboren 1972 in Kyoto/JPN<br />

lebt Tokio/JPN<br />

Ausstellungen (Auswahl):<br />

Erectro, Yamamoto Gendai, Tokio<br />

2004; Heterotopias: Japanese<br />

Pavillion, Dream and Conflict: 50.<br />

Biennale die Venezia, Venedig 2003;<br />

Strategies of Desire, Kunsthaus<br />

Baselland, Basel 2004; En Melody,<br />

Fine Art Rafael Vorstell, Berlin 2001;<br />

Translated Acts, Haus der Kulturen<br />

der Welt, Berlin und Queens Museum<br />

of Art, New York 2001; Marella Arte<br />

Contemporanea, Mailand 2001;<br />

5th biennale de lyon, art contemporain,<br />

Halle Tony Garnier, Lyon 2000;<br />

Guarene Arte 99, Fondazione<br />

Sandretto Re Rebaudengo, Turin<br />

1999; Transfiguration, Röntgen<br />

Kunstraum, Tokio 1998; Phantom<br />

Limb, P-House Tokyo, Tokio 1997.<br />

Berenice, 2003<br />

FRP, Stahl etc.; Größe variabel<br />

(Durchmesser der Kugel ca. 300 cm)<br />

TAKAHASHI Collection<br />

siehe S. 158/159<br />

Skeleton, 2003<br />

FRP; 45 × 400 cm<br />

Courtesy of Yamamoto Gendai, Tokio<br />

siehe S. 161<br />

Taro Okamoto<br />

geboren 1911 in Kawasaki/JPN<br />

gestorben 1996 in Tokio/JPN<br />

Ausstellungen (Auswahl):<br />

Taro Okamoto – La solitude absolue,<br />

Contemporary Art Museum,<br />

Kumamoto 2003; Photographer<br />

Taro Okamoto, Sendai Mediatheque<br />

2003; Message from the Tower of<br />

the Sun: Taro Okamoto and EXPO’70,<br />

Taro Okamoto Museum of Art,<br />

Kawasaki 2000; TARO, a truly<br />

multifaceted individual, Taro Okamoto<br />

Museum of Art, Kawasaki 1999;<br />

Taro Okamoto, Hiroshima City Museum<br />

of Contemporary Art, 1995; Taro<br />

Kaleidoscope, Kawasaki City Museum,<br />

1993; Taro Okamoto – Outstanding<br />

Talent from Kawasaki, Kawasaki City<br />

Museum, Kawasaki 1991; Avantgarde<br />

art in Japan 1945–1965, Oxford<br />

Museum of Modern Art, Oxford 1985;<br />

Taro Okamoto, Yamanashi Prefectural<br />

Museum of Art, Kofu 1981.<br />

Gefäß der Jomon-Periode, Detail,<br />

Nagano (Ausgrabungsort),<br />

Tokyo National Museum, 1956<br />

Gelatine-Silber-Print; 37,9 × 25 cm<br />

Sammlung des Taro Okamoto<br />

Museum of Art, Kawasaki<br />

siehe S. 163<br />

IZAIHO-Zeremonie, Kudakajima,<br />

Okinawa, 1966<br />

Gelatine-Silber-Print; 27,4 × 37,8 cm<br />

Sammlung des Taro Okamoto<br />

Museum of Art, Kawasaki<br />

siehe S. 164/165<br />

O-UTAKI-Heiligtum, Kudakajima,<br />

Okinawa, 1959<br />

Gelatine-Silber-Print; 39 × 59 cm<br />

Sammlung des Taro Okamoto<br />

Museum of Art, Kawasaki<br />

siehe S. 166/167<br />

SHISHI-ODORI (Hirschtanz),<br />

Hanamaki-Heißwasserquellen,<br />

Iwate, 1957<br />

Gelatine-Silber-Print; 40,4 × 27 cm<br />

Sammlung des Taro Okamoto<br />

Museum of Art, Kawasaki<br />

siehe S. 169<br />

Löwentanz in Kabira, Ishigakijima,<br />

Okinawa, 1959<br />

Gelatine-Silber-Print; 26,7 × 40,2 cm<br />

Sammlung des Taro Okamoto<br />

Museum of Art, Kawasaki<br />

siehe S. 170/171<br />

Braten einer Ziege, Ishigakijima,<br />

Okinawa, 1959<br />

Gelatine-Silber-Print; 37,9 × 24,8 cm<br />

Sammlung des Taro Okamoto<br />

Museum of Art, Kawasaki<br />

siehe S. 172<br />

Yoko Ono<br />

geboren 1933 in Tokio/JPN<br />

lebt in New York/USA<br />

Ausstellungen (Auswahl):<br />

Horizontal MemorieS. Performances,<br />

installations, films, music, sculptures<br />

and photography, Astrup Fearnley<br />

Museum of Modern Art, Oslo 2005;<br />

Do You Believe in Reality?, 2004<br />

Taipei Biennial, Taipei Fine Arts<br />

Museum – Taipei Biennial, Taipei<br />

2005; Editions, Ephemera and<br />

Printed Works. Yoko Ono, Printed<br />

Matter Inc., New York 2004; Yoko<br />

Ono, Kulturhuset, Stockholm 2004;<br />

Yes Yoko Ono, Museum of Contemporary<br />

Art Tokyo, Hiroshima City<br />

Museum of Contemporary Art, Art<br />

Tower Mito, Tokio, Hiroshima, Ibarakiken<br />

2004; Tri(o)ptique – Akerman/<br />

Ono/Moral. Chantal Akerman, Yoko<br />

Ono, Sukran Moral, Luxflux Museo<br />

Laboratorio di Arte Contemporanea,<br />

Rom 2003.<br />

Pointedness, 1964/1966<br />

Kristallkugel auf Plexiglas-Sockel;<br />

Kugel: Durchmesser 6,6 cm,<br />

Sockel: 147,6 × 26,6 × 25,4 cm<br />

Sammlung der Künstlerin<br />

siehe S. 175<br />

Apple, 1996<br />

Apfel, Plexiglas-Sockel mit<br />

Kupferplankette; 91,5 × 25,4 × 25,4 cm<br />

Sammlung der Künstlerin<br />

siehe S. 177<br />

Forget it, 1966<br />

Nadel aus rostfreiem Stahl auf<br />

Plexiglas-Sockel; Nadel: 8,2 cm,<br />

Sockel: 147,6 × 26,6 × 25,4 cm<br />

Sammlung der Künstlerin<br />

siehe S. 179<br />

Yutaka Sone<br />

220 221<br />

geboren 1965 in Shizuoka/JPN<br />

lebt in California/USA<br />

Ausstellungen (Auswahl):<br />

Universal Experience: Art, Life & the<br />

Tourists Eye, MCA Chicago, Chicago<br />

2005; Yutaka Sone, Gallery Side 2,<br />

Tokio 2004; Brainstorming: Topographie<br />

de la morale, Centre National<br />

d‘art et du Paysage de Vassivière,<br />

île de Vassivière 2004; 100 Artists<br />

See God, Independent Curators International,<br />

New York 2004; Happy<br />

Trail, Shiseido Gallery, Tokio 2003;<br />

White Cave, Akiyoshidai International<br />

Art Village, Mine-gun 2003; Yutaka<br />

Sone: Jungle Island, MOCA at the<br />

Geffen Contemporary, Los Angeles<br />

2003; The Gift: Generous offerings,<br />

insidious hospitality, Block Museum<br />

of Art at Northwestern University,<br />

Chicago 2003; Travel to Double River<br />

Island, Toyota Municipal Museum<br />

of Art, Toyota 2002; Beautiful Artist<br />

(curated by Yutaka Sone), YICA,<br />

Yamaguchi 2002; I Love NY –<br />

A Benefit, David Zwirner Gallery,<br />

New York 2001; Techno-Landscape:<br />

Toward Newer World Textures, NTT<br />

Inter Communication Center, Tokio<br />

2001; Double Six, ArtPace, San<br />

Antonio 2000.<br />

Hello Bat, 1999<br />

DVD; 4:00 min<br />

Sammlung Hauser und Wirth,<br />

Schweiz<br />

siehe S. 180<br />

Bat, 1999<br />

Wachsmalfarben, Bleistift<br />

auf Papier; 43,2 × 58 cm<br />

Sammlung Hauser und Wirth,<br />

Schweiz<br />

siehe S. 181<br />

Green Jungle, 1999<br />

Getrocknetes Seegras, Schwamm,<br />

getrocknete Blumen,<br />

Gewebe, Kleber, Baum;<br />

92 × 132 × 200 cm<br />

Sammlung Hauser und Wirth,<br />

Schweiz<br />

siehe S. 182/183<br />

Highway Junction 110–10, 2002<br />

Behauener Marmor;<br />

24,1 × 133,4 × 130,1 cm<br />

Daros Collection, Schweiz<br />

siehe S. 184, 185<br />

Highway Junction 14–5, 2002<br />

Behauener Marmor;<br />

34 × 113 × 123,5 cm<br />

Daros Collection, Schweiz<br />

siehe S. 186, 187


Yoshihiro Suda<br />

geboren 1969 in Yamanashi/JPN<br />

lebt in Tokio/JPN<br />

Ausstellungen (Auswahl):<br />

VOLTAshow 01, Basel 2005; Blumenstück<br />

– Künstlers Glück, Museum<br />

Morsbroich, Leverkusen 2005;<br />

Skulptur. Prekärer Realismus<br />

zwischen Melancholie und Komik,<br />

Kunsthalle Wien, Wien 2005; Yoshihiro<br />

Suda and Takehito Koganezawa:<br />

‚Ma‘, Douglas Hyde Gallery, Dublin<br />

2004; Petites natures? – Installations<br />

de Koichi Kurita et Yoshihiro Suda,<br />

Maison de la culture du Japon, Paris,<br />

2004; Yoshihiro Suda, Palais de<br />

Tokyo, Paris 2004; Yoshihiro Suda –<br />

New Sculptures, D´Amelio Terras<br />

Gallery, New York 2004;<br />

flower power, Blumen in der Kunst,<br />

Lille 2004 – Kulturhauptstadt Europas<br />

2004; Yoshihiro Suda, Galerie Wohnmaschine,<br />

Berlin 2003; La Biennale<br />

de Montréal 2000, Biennale Montreal,<br />

Montreal 2000.<br />

Rose, 2003<br />

Bemaltes Holz<br />

Courtesy of Gallery Koyanagi<br />

Installationsansicht Location of the<br />

Spirit – Contemporary Japanese Art,<br />

Budapest 2003<br />

siehe S. 189<br />

Hiroshi Sugimoto<br />

geboren 1948 in Tokio/JPN<br />

lebt in New York/USA<br />

Ausstellungen (Auswahl):<br />

Conceptual Forms, Gagosian Gallery<br />

Britannia, London 2005; Conceptual<br />

Forms, Sonnabend Gallery, New York<br />

2005; Sophie Calle + Hiroshi Sugimoto,<br />

Gallery Koyanagi, Tokio 2005;<br />

Photographs by Hiroshi Sugimoto:<br />

The Sylvan Barret and William Burto<br />

Collection, Museum of Fine Arts,<br />

Boston 2005; Hiroshi Sugimoto, Étant<br />

donné: Le Grand Verre, Fondation<br />

Cartier pour l’art contemporain,<br />

Paris 2004 – 2005; Hiroshi Sugimoto,<br />

Galería Javier López, Madrid 2004;<br />

Singular Forms (Sometimes Repeated):<br />

Art from 1951 to the Present,<br />

Solomon R. Guggenheim Museum,<br />

New York 2004; Five Billion Years,<br />

Swiss Institute, New York 2004;<br />

Hiroshi Sugimoto: Sea of Buddha,<br />

David and Alfred Smart Museum of<br />

Art, Chicago 2003 – 2004; Supernova:<br />

Art of the 1990s from the Logan<br />

Collection, San Francisco Museum<br />

of Modern Art, San Francisco<br />

2003 – 2004.<br />

Sea of Buddha, 1995<br />

Gelatine-Silber-Prints<br />

(48 Stück); je 42 × 54,5 cm<br />

Sammlung Hara Museum<br />

of Contemporary Art<br />

(vormaliger Titel: Hall of<br />

Thirty-three Bays)<br />

siehe S. 191–193<br />

Mathematical Forms:<br />

Surface 0009, Conic Surface<br />

of Revolution with Constant<br />

Negative Curvature, 2004<br />

Gelatine-Silber-Prints<br />

Edition 4/5; 149,2 × 119,4 cm<br />

Privatsammlung Chicago<br />

siehe S. 194<br />

Mathematical Forms:<br />

Curves 0014, Two Hyperbola<br />

Tangent to one Another, 2004<br />

Gelatine-Silber-Prints<br />

Edition 4/5; 149,2 × 119,4 cm<br />

Courtesy of Gagosian Gallery<br />

siehe S. 195<br />

Mechanical Forms 0029,<br />

Quick Return Motion<br />

Used in Metal Cutting, 2004<br />

Gelatine-Silber-Prints<br />

Edition 4/5; 149,2 × 119,4 cm<br />

Courtesy of Gagosian Gallery<br />

siehe S. 195<br />

Makoto Sei Watanabe<br />

geboren 1952 in Yokohama/JPN<br />

lebt in Tokio/JPN<br />

Ausstellungen und Projekte<br />

(Auswahl):<br />

Shin Minamata MON, Minamatacity,<br />

2005; Fiber Wave II, III, ICC Tokyo,<br />

Biennale di Venezia, Venedig<br />

1999 – 2000; Fiber Wave: environmental<br />

art, Gifu and Tokyo, Chicago,<br />

1995, 1996, 1998; Subway station/<br />

Iidabashi & Web frame, Tokio 2000;<br />

K-Museum, Tokio 1996; Aoymama<br />

technical college, Tokio 1990.<br />

Fiber Wave I, K-Museum, 1996<br />

Karbonfiber, LED, Solarbatterie usw.;<br />

Höhe: 4 m, Fläche variabel<br />

Sammlung des Künstlers<br />

siehe S. 196<br />

Fiber Wave II, 1999<br />

Plastik, Ventilator, Computerprogramm<br />

etc.;<br />

Höhe: 4 m, Fläche variabel<br />

Sammlung des Künstlers<br />

Installationsansicht<br />

Biennale di Venezia, 2000<br />

siehe S. 197<br />

Masaaki Yamada<br />

geboren 1930 in Tokio/JPN<br />

lebt in Tokio/JPN<br />

Ausstellungen (Auswahl):<br />

Why Not Live For Art?, Tokyo Opera<br />

City Art Gallery, Tokio 2004;<br />

Remaking Modernism in Japan 1900 –<br />

2000, Sezon Museum of Modern Art,<br />

Nagano 2004, Museum of Contemporary<br />

Art, Tokyo & The University Art<br />

Museum – Tokio National University<br />

of Fine Arts and Music, Tokio 2004;<br />

Masaaki Yamada, M Art, Tokio 2003;<br />

Hirano Museum Modern Art Exhibition,<br />

Hirano Museum of Art, Shizuoka<br />

2003; Contemporary Japanese<br />

Watercolor – Wet in wet, Gradated<br />

Wash, Overpainting, Line, The Shoto<br />

Museum of Art, Tokio 2002; Masaaki<br />

Yamada, Gallery Kasahara, Tokio<br />

2002; The unfinished century: legacies<br />

of 20th century art, National Museum<br />

of Modern Art, Tokio 2002; Invitation of<br />

Contemporary Art, Tottori Prefectural<br />

Museum, Tottori 2001.<br />

Work D–87, 1972<br />

Öl auf Leinwand; 227 × 162 cm<br />

Sammlung The National Museum<br />

of Art, Osaka<br />

siehe S. 199<br />

Work C–400, 1969<br />

Öl auf Leinwand; 162 × 112 cm<br />

Sammlung Metropolitan Museum<br />

of Contemporary Art, Tokio<br />

siehe S. 201


Miwa Yanagi<br />

geboren 1967 in Kobe/JPN<br />

lebt in Kyoto/JPN<br />

Ausstellungen (Auswahl):<br />

Miwa Yanagi, Hara Museum of<br />

Contemporary Art, Tokio 2005;<br />

Self-Portrait Landscape, Woo Je Gil<br />

Museum, Gwangyu 2004; Fairy Tale,<br />

Galeria Leyendecker, Canarie Islands<br />

2004; Art Downtown: Connecting<br />

Collections, Wall Street Rising, New<br />

York 2004; Darkness of Girlhood &<br />

Lightness of Aging, Marugame<br />

Genichiro-Inokuma Museum of<br />

Contemporary Art, Kagawa 2004;<br />

Miwa Yanagi, Sammlung Deutsche<br />

Bank, Deutsche Guggenheim, Berlin<br />

2004; Takarazuka: The Land of<br />

Dreams, Suntory Museum, Osaka;<br />

Tokyo Opera City Art Gallery, Tokio<br />

2004; Sogo Museum, Yokohama<br />

2004; Mediarena: Contemporary<br />

Art from Japan, Govette-Brewster<br />

Art Gallery, New York, 2004.<br />

Girls in her Sand, 2004<br />

Videoinstallation, Zelt,<br />

2 Fotografien;<br />

Zelt: 300 × 300 × 400 cm<br />

Courtesy of Yoshiko Isshiki Office<br />

siehe S. 202 – 205<br />

Untitled 1, 2004<br />

Gelatine-Silber-Print; 140 × 100 cm<br />

Courtesy of Yoshiko Isshiki Office<br />

siehe S. 207<br />

Untitled 2, 2004<br />

Gelatine-Silber-Print; 140 × 100 cm<br />

Courtesy of Yoshiko Isshiki Office<br />

siehe S. 208<br />

BIX Media Competition<br />

Kentaro Taki<br />

geboren 1973 in Osaka/JPN<br />

Medienkünstler, Direktor der Non<br />

Profit Organization, VIDEOART<br />

CENTER Tokio<br />

Tentakle, 2005<br />

QuickTime Film, produziert für die<br />

BIX Fassade des Kunsthaus Graz<br />

siehe S. 211<br />

Shinsuke Kajitaka<br />

Geboren 1981 in Hiroshima/JPN<br />

Medienkünstler<br />

Waterfall, 2005<br />

QuickTime Film, produziert für die<br />

BIX Fassade des Kunsthaus Graz<br />

siehe S. 213<br />

222 223


Index<br />

Masaki Fujihata<br />

born 1956 in Tokyo/JPN<br />

lives in Tokyo/JPN<br />

Exhibitions (selection)<br />

Field-Work@Alsace, Lisboa<br />

Photo2005, Lisbon 2005; Field-<br />

Work@Alsace, Microwave Festival,<br />

Low Block, Hong Kong City Hall,<br />

Hong Kong 2004; Mersea Circle,<br />

firstsite gallery, Colchester 2003;<br />

Beyond Pages – Im Buchstabenfeld.<br />

Die Zukunft der Literatur, Neue<br />

Galerie Graz am Landesmuseum<br />

Joanneum/steirischer herbst, Graz<br />

2001; Field-Work@Hayama, Ars<br />

Electronica Festival, Linz 2001;<br />

Impressing Velocity, net conditions,<br />

ZKM, Karlsruhe 1999; Global Interior<br />

Project, Kunst- und Ausstellungshalle<br />

der Bundesrepublik Deutschland,<br />

Bonn 1997; Global Interior Project<br />

and Beyond Pages, Ars Electronica<br />

Festival, Linz 1996.<br />

Field-Work@Alsace, 2003<br />

Multimedia installation, projector, PC;<br />

dimensions variable<br />

Property of the artist; co-produced<br />

by ZKM, Karlsruhe<br />

see p. 104, 105<br />

Rieko Hidaka<br />

born 1958 in Tokyo/JPN<br />

lives in Tokyo/JPN<br />

Exhibitions (selection):<br />

Rieko Hidaka – Trees, Northland<br />

Museum of Art, Hokkaido 2004;<br />

Rieko Hidaka, Galerie 16, Kyoto 2004;<br />

Rieko Hidaka, Art Kite Museum,<br />

Detmold 2003; Masterpieces in CAMK<br />

selection – Today’s Japanese Traditional<br />

Painting, Contemporary Art<br />

Museum, Kumamoto 2003; Komorebi,<br />

Contemporary Art Gallery, Art<br />

Tower Mito, Ibaraki 2003; Painting<br />

in our time, The Niigata Bandaijima<br />

Art Museum, Niigata 2003; Rieko<br />

Hidaka – From the Space of Trees,<br />

Tomio Koyama Gallery, Tokyo 2002,<br />

Galerie 16, Kyoto 2002; Here is the<br />

Museum, the scape collaborated with<br />

our collection, artists and you – The<br />

Encounter of our Collection and 4<br />

Artists, Shizuoka Prefectural Museum<br />

of Art, Shizuoka 2002; Rieko Hidaka,<br />

Karyn Lovegrove Gallery, Los Angeles<br />

2001; ikiro – be alive. Contemporary<br />

art from Japan 1980 until now,<br />

Kröller-Müller Museum, Otterlo 2001.<br />

Distance from the Sky I, 2002<br />

Pigment on paper; 240 × 240 cm<br />

Collection of Hiroshima City Museum<br />

of Contemporary Art<br />

see p. 107<br />

Distance from the Sky II, 2002<br />

Pigment on paper; 240 × 240 cm<br />

Collection of The Niigata Prefectural<br />

Museum of Modern Art/The Niigata<br />

Bandaijima Art Museum<br />

see p. 109<br />

Takashi Ito<br />

born 1956 in Fukuoka/JPN<br />

lives in Kyoto/JPN<br />

Films and Festivals (selection):<br />

Monochrome Head, 10:00 min, 16mm,<br />

1997; Apparatus M, 6:00 min,<br />

16-mm, 1997 (shown in the exhibition<br />

Yasumasa Morimura – The<br />

Sickness unto Beauty, Yokohama<br />

Museum of Art, Yokuhama 1996);<br />

Zone, 13:00 min, 16-mm, 1995; New<br />

York Film Festival 1995; Oberhausen<br />

International Film Festival 1996;<br />

Brisbane International Film Festival<br />

1996; Vancouver International Film<br />

Festival 1996; Tampere International<br />

Short Film Festival 1996;<br />

New Zealand Film Festival 1996;<br />

The Moon, 7:00 min, 16-mm, 1994;<br />

Rotterdam International Film Festival<br />

1995; Vancouver International Film<br />

Festival 1995; Kerala International<br />

Film Festival 1995; New Zealand Film<br />

Festival 1996; Hide-and-Seek in<br />

December, 7:30 min, video, 1993;<br />

Venus, 4:00 min, 16-mm, 1990; The<br />

Dream of Mummy, 5:00 min, 16-mm,<br />

1989.<br />

Spacy, 1981<br />

Film, 10:00 min<br />

Courtesy of Image Forum<br />

see p. 111


Emiko Kasahara<br />

born 1963 in Tokyo/JPN<br />

lives in New York/USA<br />

Exhibitions (selection):<br />

On Reason and Emotion, The 14th<br />

Biennale of Sydney, Sydney, 2004;<br />

Public/Private, The 2nd Auckland<br />

Triennial, Auckland, 2004;<br />

Formed to Function, John Michael<br />

Kohler Arts Center, Sheboygan<br />

2003; Chat@MIMOCA, Marugame<br />

Genichiro-Inokuma Museum of<br />

Contemporary Art, Kagawa 2002;<br />

A Cabinet of Curiosities, The New<br />

York Public Library, New York 2002;<br />

Oral Fixation, Center for Cultural<br />

Studies Museum at Bard College,<br />

Annandale-on-Hudson, USA. 2002;<br />

Pink, White Box, New York 2001;<br />

Immaculate Fabrication, Deitch<br />

Projects, New York 1997; Emiko<br />

Kasahara, Gallery Kobayashi, Tokyo<br />

1992.<br />

La Charme, 2001<br />

Synthetic hair, plywood, Velcro, DVD,<br />

monitor; dimensions variable<br />

Courtesy of the artist and Yoshiko<br />

Isshiki Office, Tokyo<br />

Installation view of<br />

Yokohama Triennale, 2001<br />

see p. 112/113<br />

La Charme #3, 2004<br />

Installation and Performance<br />

of Biennale of Sydney, 2004<br />

see p. 113<br />

Tadashi Kawamata<br />

born 1953 in Hokkaido/JPN<br />

lives in Tokyo/JPN<br />

Exhibitions (selection):<br />

Kawamata Coal Mine Project,<br />

Tagawa, 2004, Project Reconsideration,<br />

Tagawa 2004; Work in Progress<br />

Project in Toyota City, Toyota 2004;<br />

Memory in Progress Saint Thelo,<br />

2004; Wooden Terrace Beach, Basel<br />

2004; Echigo-Tsumari Art Triennial,<br />

Tsumari 2003; Biennal de Valencia,<br />

Valencia 2003; Bridge and Archives,<br />

Moyland, Bedburg-Hau 2003;<br />

Demeter: Tokachi International<br />

Contemporary Art Exhibition, Tokachi<br />

2002; Shanghai Biennale, Shanghai<br />

2002; Temporary Existence,<br />

Ex-Teresa Arte Actual, Mexico City<br />

2002; Daily News, Art Tower Mito,<br />

Mito 2001.<br />

Field Work in Tokyo, 1989<br />

Mixed media; dimensions variable<br />

Courtesy of the artist and<br />

on the table, Tokyo<br />

see p. 115<br />

Field Work in Graz, 2005<br />

Mixed media; dimensions variable<br />

Courtesy of the artist and<br />

on the table, Tokyo<br />

see p. 116 –117<br />

Yayoi Kusama<br />

born 1929 in Matsumoto/JPN<br />

lives in Tokyo/JPN<br />

Exhibitions (selection):<br />

Yayoi Kusama: The Place for My Soul,<br />

Matsumoto City Museum of Art,<br />

Matsumoto 2005; Yayoi Kusama:<br />

Sailing the Sea of Infinity, Contemporary<br />

Art Museum, Kumamoto 2005;<br />

Yayoi Kusama: Eight Places for<br />

Burning Soul, Hiroshima City Museum<br />

of Contemporary Art, Hiroshima 2005;<br />

Yayoi Kusama: Eternity-Modernity,<br />

The National Museum of Modern Art,<br />

Tokyo and Kyoto 2004 – 2005;<br />

Eijanaika! Yes, Future! Post 20th<br />

Century Japan, Collection Lambert,<br />

Avignon 2004; Water Level of Image –<br />

Transformation and Reflection of<br />

Narcissus, Toyota Municipal Museum<br />

of Art, Toyota 2004; Mediarena<br />

Contemporary Art from Japan,<br />

The Govett-Brewster Art Gallery,<br />

Plymouth, 2004; Kusamatrix,<br />

Mori Art Museum, Tokyo 2004.<br />

Rose Garden, 1998<br />

Mixed media; 135 × 125 × 65 cm<br />

Courtesy of the artist,<br />

Fabian & Claude Walter Galerie,<br />

Basel-Zürich, and Robert Miller<br />

Gallery, New York<br />

see p. 121<br />

Walking on the Sea of Death, 1981<br />

Sewn stuffed fabric, wooden boat,<br />

paint; 58 × 256 × 158 cm<br />

Collection of Museum of<br />

Contemporary Art, Tokyo<br />

see p. 123<br />

Trinh T. Minh-ha 224 225<br />

born 1952 Hanoi/VN<br />

lives in Berkeley/USA<br />

Films, screenings, exhibitions<br />

and festivals (selection):<br />

Shanghai Biennale 2004 – Techniques<br />

of the Visible, Shanghai Biennale,<br />

Shanghai 2004; Busan Art Biennale<br />

2004, Busan 2004; MACBA (Museum<br />

of Contemporary Art) Barcelona 2003;<br />

documenta 11: Naked Spaces –<br />

Living is Round, 16-mm film, 1985;<br />

Poesie des Wohnens und Experimente<br />

mit gesteigerter akustischer Wahrnehmung,<br />

Musik, Umgebungsgeräuschen<br />

und Momenten der Stille, Kassel<br />

2002; Screening, Wiener Secession,<br />

Vienna 2001; Screening, Haus der<br />

Kulturen der Welt, Berlin 1999;<br />

Screening, Brooklyn Museum of Art,<br />

New York, The Museum of Modern<br />

Art, New York, und The Art Institute<br />

of Chicago, 1997; Feminale Women’s<br />

Film Festival, Cologne 1996 (Special<br />

Tribute); Screening: Shedhalle, Zurich<br />

and Kunstverein München 1995.<br />

The Fourth Dimension, 2001<br />

Digital video/VHS, color; 87:00 min<br />

Produced by Jean-Paul Bourdier<br />

and Trinh T. Minh-ha; Directed,<br />

photographed, written, narrated<br />

and edited by Trinh T. Minh-ha;<br />

Music by The Construction of Ruins,<br />

with Greg Goodman and by Shoko<br />

Hikage<br />

see p. 125 – 127


Hiroyuki Moriwaki<br />

born 1964 in Wakayama/JPN<br />

lives in Tokyo/JPN<br />

Exhibitions (selection):<br />

Visualize – The history and futurescape<br />

of visual media, Tokyo Metropolitan<br />

Museum of Photography,<br />

Tokyo 2005; My Sweet Home, Spiral<br />

Garden/Wacoal Art Center, Tokyo<br />

2003; Re-Imagination-image/media/<br />

museum, Tokyo Metropolitan Museum<br />

of Photography, Tokyo 2002;<br />

Moriwakit EXPO 2001, Sagamihara<br />

City Museum, Kanagawa 2001;<br />

Space Odyssey, Art Tower Imaraki,<br />

Ibaraki 2001, Resolution, 20th Wharf,<br />

Port of Nagoya, Nagoya 2000;<br />

Debris of Heaven (Live Performance),<br />

Hara Museum of Contemporary Art,<br />

Tokxo 1999; Media Select, 20th<br />

Wharf, Port of Nagoya, Aichi 1999;<br />

“Garden of Memory” by Minato and<br />

Moriwaki, NTT Inter Communication<br />

Center, Tokyo 1998; AKARI Message,<br />

AXIS Gallery, Tokyo 1998; Nagoya<br />

International Biennale ARTEC’97,<br />

Nagoya city art museum, Nagoya,<br />

1997.<br />

Lake Awareness, 2005<br />

LED, printed board, aluminium;<br />

500 × 500 × 175cm<br />

Collection of the artist<br />

see p. 129<br />

Daido Moriyama<br />

born 1938 in Osaka/JPN<br />

lives in Tokyo/JPN<br />

Solo exhibitions (selection):<br />

Buenos Aires, Taka Ishii Gallery, Tokyo<br />

2005; Moriyama : Shinjuku : Araki,<br />

Tokyo Opera City Gallery, Tokyo<br />

2005; Moriyama Daido 1965 – 2003,<br />

Shimane Art Museum, Shimane<br />

2003; Shinjuku, Taka Ishii Gallery,<br />

Tokyo 2002; inside the white cube:<br />

Antipodes, White Cube, London 2002;<br />

Platform, Light and Shadow, Daiwa<br />

Radiator Factory, Hiroshima 2002;<br />

Daido Moriyama: Stray Dog,<br />

San Francisco MOMA, San Francisco<br />

1999; Fragments, Parco Gallery,<br />

Tokyo 1998; Osaka, Taka Ishii Gallery,<br />

Tokyo 1997; Moriyama Daido,<br />

Laurence Miller Gallery, New York<br />

1993; Moriyama Daido, Zeit Photo<br />

Salon, Tokyo 1990; Light and Shadow,<br />

Nagase Photo Salon 1981; Das<br />

ist Japan, Camera Austria, Forum<br />

Stadtpark 1980.<br />

KIROKU no. 2 (Records no. 2), n.d.<br />

Gelatin silver print; 16 × 23,8 cm<br />

Collection of Shadai Gallery, Tokyo<br />

see p. 131<br />

Untitled, n.d.<br />

Spread from the book SHASHINYO<br />

SAYOUNARA (A Farewell to<br />

Photography), 1972<br />

36,2 × 23 cm<br />

Collections of Toshiharu Ito, Tokyo<br />

see p. 132/133<br />

Scandalous: Wild Party, 1970<br />

Page from the book SHASHINYO<br />

SAYOUNARA (A Farewell to<br />

Photography), 1972<br />

18 × 23 cm<br />

Collection of Toshiharu Ito, Tokyo<br />

see p. 135<br />

Light and Shadow 2: On the Road,<br />

Chair, 1981–1982<br />

Gelatin silver print; 24 × 29 cm<br />

Collection Tatsumi Sato<br />

Courtesy of Taka Ishii Gallery, Tokyo<br />

see p. 136/137<br />

Light and Shadow 4, Hat, 1981–1982<br />

Gelatin silver print; 35 × 41,9 cm<br />

Collection Tatsumi Sato<br />

Courtesy of Taka Ishii Gallery, Tokyo<br />

see p. 138/139<br />

Shinjuku, 2001 – 2002<br />

Gelatin silver print; 83,7 × 55,5 cm<br />

Courtesy of Taka Ishii Gallery, Tokyo<br />

see p. 140<br />

Takuma Nakahira<br />

born 1938 in Tokyo/JPN<br />

lives in Tokyo/JPN<br />

Solo Exhibitions (selection):<br />

Why an illustrated human-animal<br />

dictionary?, Shugoarts, Tokyo, 2004;<br />

Takuma Nakahira: Degree Zero,<br />

Naha Civic Gallery, Naha, Okinawa,<br />

2004; Takuma Nakahira: Degree<br />

Zero – Yokohama, Yokohama<br />

Museum of Art, Yokohama, 2003;<br />

Everyday Life: Nakahira Takuma Now,<br />

C-square, Art Gallery of the Chukyo<br />

University, Nagoya, 1997; Adieu à X,<br />

Photo Daido, Tokyo 1989.<br />

Untitled, 1978 –1989<br />

Gelatin silver print; 21,2 × 29,1 cm<br />

Collection of the artist<br />

see p. 143<br />

Degree Zero – Yokohama, 2002<br />

Type C print; 90 × 60 cm<br />

Courtesy of Shugoarts, Tokyo<br />

see p. 145<br />

Degree Zero – Yokohama, 2002<br />

Type C print; 90 × 60 cm<br />

Courtesy of Shugoarts, Tokyo<br />

see p. 147<br />

La nuit 3, ca. 1969<br />

Photogravure on paper; 57,2 × 84,5 cm<br />

Collection of Catherine and Jacques<br />

Pineau<br />

see p. 148/149<br />

La nuit 5, ca. 1969<br />

Photogravure on paper; 58,2 × 83,4 cm<br />

Collection of Catherine and Jacques<br />

Pineau<br />

see p. 150/151<br />

Amami Oshima, 1975<br />

Type C print; 38,7 × 58 cm<br />

Courtesy of Shugoarts, Tokyo<br />

see p. 152/153<br />

Tetsuya Nakamura<br />

born 1969 in Chiba/JPN<br />

lives in Tokyo/JPN<br />

Exhibitions (selection):<br />

Young Artists from Korea, China and<br />

Japan, The National Museum of<br />

Cotemporary Art, Korea, Seoul 2004;<br />

Passage to the Future: Young<br />

Japanese Artists, from the Japan<br />

Foundation Collection 2004;<br />

Roppongi Crossing: New Visions of<br />

Japanese Art 2004, Mori Art Museum,<br />

Tokio 2004; Living together is easy,<br />

Contemporary Art Center, Art Tower<br />

Mito, Ibaraki 2004, National Gallery<br />

of Victoria, Victoria 2004;<br />

Home Sweet Home, Spiral Garden/<br />

Wacoal Art Center, Tokyo 2003;<br />

A_MUSE_LAND 2003 Asoventurers<br />

World, Hokkaido Museum of Modern<br />

Art, Sapporo 2002; Chiba Art Now<br />

’02 Retracing the Paths, Sakura City<br />

Museum of Art, Chiba 2002;<br />

Emotional Site, Saga-cho Shokuryo<br />

Bild., Tokio 2002; Un monde reve de<br />

la main, Maison Hermes, Tokio 2002;<br />

Speed King, Rice Gallery by G2,<br />

Tokio 2001; Replica Custom, Gallery<br />

Koyanagi, Tokio 1999.<br />

Premium Unit Bath, 2003<br />

Paint on FRP; 90 × 200 × 130 cm<br />

Collection of the artist<br />

see p. 155<br />

Premium Unit Pillar, 2003<br />

Paint on FRP; 120 × 110 × 80 cm<br />

Collection of the artist<br />

see p. 156<br />

Premium Unit Step, 2003<br />

Paint on FRP; 180 × 110 × 60cm<br />

Collection of the artist<br />

see p. 156


Motohiko Odani<br />

born 1972 in Kyoto/JPN<br />

lives in Tokyo/JPN<br />

Exhibitions (selection):<br />

Erectro, Yamamoto Gendai, Tokio,<br />

2004; Heterotopias: Japanese<br />

Pavillion, Dream and Conflict: 50.<br />

Biennale die Venezia, Venedig 2003;<br />

Strategies of Desire, Kunsthaus<br />

Baselland, Basle 2004; En Melody,<br />

Fine Art Rafael Vorstell, Berlin 2001;<br />

Translated Acts, Haus der Kulturen<br />

der Welt, Berlin and Queens Museum<br />

of Art, New York 2001; Marella Arte<br />

Contemporanea, Milan 2001;<br />

5th biennale de lyon, art contemporain,<br />

Halle Tony Garnier, Lyon 2000;<br />

Guarene Arte 99, Fondazione<br />

Sandretto Re Rebaudengo, Turin<br />

1999; Transfiguration, Röntgen<br />

Kunstraum, Tokyo 1998; Phantom<br />

Limb, P-House Tokyo, Tokyo 1997.<br />

Berenice, 2003<br />

FRP, steel etc.; dimensions variable<br />

(diameter of sphere ap. 300 cm)<br />

TAKAHASHI Collection<br />

see p. 158/159<br />

Skeleton, 2003<br />

FRP; 45 × 400 cm<br />

Courtesy of Yamamoto Gendai,<br />

Tokyo<br />

see p. 161<br />

Taro Okamoto<br />

born 1911 in Kawasaki/JPN<br />

died 1996 in Tokyo/JPN<br />

Exhibitions (selection):<br />

Taro Okamoto – La solitude absolue,<br />

Contemporary Art Museum,<br />

Kumamoto 2003; Photographer Taro<br />

Okamoto, Sendai Mediatheque 2003;<br />

Message from the Tower of the Sun:<br />

Taro Okamoto and EXPO’70, Taro<br />

Okamoto Museum of Art, Kawasaki<br />

2000; TARO, a truly multifaceted<br />

individual, Taro Okamoto Museum of<br />

Art, Kawasaki 1999; Taro Okamoto,<br />

Hiroshima City Museum of Contemporary<br />

Art, 1995; Taro Kaleidoscope,<br />

Kawasaki City Museum, 1993;<br />

Taro Okamoto – Outstanding Talent<br />

from Kawasaki, Kawasaki City<br />

Museum, Kawasaki 1991; Avantgarde<br />

art in Japan 1945–1965, Oxford<br />

Museum of Modern Art, Oxford 1985;<br />

Taro Okamoto, Yamanashi Prefectural<br />

Museum of Art, Kofu 1981.<br />

Jomon period jar, detail, Nagano<br />

(diggings), Tokyo National Museum,<br />

1956<br />

Gelatin silver print; 37,9 × 25 cm<br />

Collection Taro Okamoto Museum<br />

of Art, Kawasaki<br />

see p. 163<br />

IZAIHO ceremony, Kudakajima,<br />

Okinawa, 1966<br />

Gelatin silver print; 27,4 × 37,8 cm<br />

Collection Taro Okamoto Museum<br />

of Art, Kawasaki<br />

see p. 164/165<br />

O-UTAKI sanctuary, Kudakajima,<br />

Okinawa, 1959<br />

Gelatin silver print; 39 × 59 cm<br />

Collection Taro Okamoto Museum<br />

of Art, Kawasaki<br />

see p. 166/167<br />

SHISHI-ODORI (deer dance),<br />

Hanamaki hot springs, Iwate, 1957<br />

Gelatin silver print; 40,4 × 27 cm<br />

Collection Taro Okamoto Museum<br />

of Art, Kawasaki<br />

see p. 169<br />

Lion dance in Kabira, Ishigakijima,<br />

Okinawa, 1959<br />

Gelatin silver print; 35,5 × 43,4 cm<br />

Collection Taro Okamoto Museum<br />

of Art, Kawasaki<br />

see p. 170/171<br />

Roasting a goat, Ishigakijima,<br />

Okinawa, 1959<br />

Gelatin silver print; 37,9 × 24,8 cm<br />

Collection Taro Okamoto Museum<br />

of Art, Kawasaki<br />

see p. 172<br />

Yoko Ono<br />

born in 1933 in Tokio/JPN<br />

lives in New York/USA<br />

Exhibtions (selection):<br />

Horizontal Memories. Performances,<br />

installations, films, music, sculptures<br />

and photography, Astrup Fearnley<br />

Museum of Modern Art, Oslo 2005;<br />

Do You Believe in Reality? 2004<br />

Taipei Biennial, Taipei Fine Arts<br />

Museum – Taipei Biennial, Taipei<br />

2005; Editions, Ephemera and<br />

Printed Works. Yoko Ono, Printed<br />

Matter Inc., New York 2004; Yoko<br />

Ono, Kulturhuset, Stockholm 2004;<br />

Yes Yoko Ono, Museum of Contemporary<br />

Art Tokyo, Hiroshima City<br />

Museum of Contemporary Art, Art<br />

Tower Mito, Tokyo, Hiroshima, Ibarakiken<br />

2004; Tri(o)ptique – Akerman/<br />

Ono/Moral. Chantal Akerman, Yoko<br />

Ono, Sukran Moral, Luxflux Museo<br />

Laboratorio di Arte Contemporanea,<br />

Rome 2003.<br />

Pointedness, 1964/1966<br />

Crystal sphere on Plexiglas pedestal;<br />

sphere: diameter 6,6 cm,<br />

pedestal: 147,6 × 26,6 × 25,4 cm<br />

Collection of the artist<br />

see p. 175<br />

Apple, 1996<br />

Apple, Plexiglas pedestal with brass<br />

plaque; 91,5 × 25,4 × 25,4 cm<br />

Collection of the artist<br />

see p. 177<br />

Forget it, 1966<br />

Needle of stainless<br />

steel on Plexiglas pedestal;<br />

needle: 8,2 cm, pedestal:<br />

147,6 × 26,6 × 25,4 cm<br />

Collection of the artist<br />

see p. 179<br />

Yutaka Sone<br />

226 227<br />

born 1965 in Shizuoka/JPN<br />

lives in California/USA<br />

Exhibitions (selection):<br />

Universal Experience: Art, Life & the<br />

Tourists Eye, MCA Chicago, Chicago<br />

2005; Yutaka Sone, Gallery Side 2,<br />

Tokyo 2004; Brainstorming: Topographie<br />

de la morale, Centre National<br />

d’art et du Paysage de Vassivière,<br />

île de Vassivière 2004; 100 Artists<br />

See God, Independent Curators<br />

International, New York 2004; Happy<br />

Trail, Shiseido Gallery, Tokyo 2003;<br />

White Cave, Akiyoshidai International<br />

Art Village, Mine-gun 2003; Yutaka<br />

Sone: Jungle Island, MOCA at the<br />

Geffen Contemporary, Los Angeles<br />

2003; The Gift: Generous offerings,<br />

insidious hospitality, Block Museum<br />

of Art at Northwestern University,<br />

Chicago 2003; Travel to Double River<br />

Island, Toyota Municipal Museum<br />

of Art, Toyota 2002; Beautiful Artist<br />

(curated by Yutaka Sone), YICA,<br />

Yamaguchi 2002; I Love NY –<br />

A Benefit, David Zwirner Gallery,<br />

New York 2001; Techno-Landscape:<br />

Toward Newer World Textures, NTT<br />

Inter Communication Center, Tokyo<br />

2001; Double Six, ArtPace, San<br />

Antonio 2000.<br />

Hello Bat, 1999<br />

DVD; 4:00 min<br />

Collection Hauser und Wirth,<br />

Schweiz<br />

see p. 180<br />

Bat, 1999<br />

wax crayon, pencil on paper;<br />

43,2 × 58 cm<br />

Collection Hauser und Wirth,<br />

Schweiz<br />

see p. 181<br />

Green Jungle, 1999<br />

Dried seaweed, sponge, dried<br />

flowers, fabric, glue, tree;<br />

92 × 132 × 200 cm<br />

Hauser und Wirth Collection,<br />

Switzerland<br />

see p. 182/183<br />

Highway Junction 110–10, 2002<br />

Carved marble; 24,1 × 133,4 × 130,1 cm<br />

Daros Collection, Switzerland<br />

see p. 184, 185<br />

Highway Junction 14–5, 2002<br />

Carved marble; 34 × 113 × 123,5 cm<br />

Daros Collection, Switzerland<br />

see p. 186, 187


Yoshihiro Suda<br />

born 1969 in Yamanashi/JPN<br />

lives in Tokyo/JPN<br />

Exhibitions (selection):<br />

VOLTAshow 01, Basle 2005; Blumenstück<br />

– Künstlers Glück, Museum<br />

Morsbroich, Leverkusen 2005;<br />

Skulptur. Prekariouse Realism<br />

between the Melancholy and Comical,<br />

Kunsthalle Wien, Vienna 2005;<br />

Yoshihiro Suda and Takehito<br />

Koganezawa: ‚Ma‘, Douglas Hyde<br />

Gallery, Dublin 2004; Petites<br />

natures? – Installations de Koichi<br />

Kurita et Yoshihiro Suda, Maison<br />

de la culture du Japon, Paris, 2004;<br />

Yoshihiro Suda, Palais de Tokyo,<br />

Paris 2004; Yoshihiro Suda – New<br />

Sculptures, D´Amelio Terras Gallery,<br />

New York 2004; flower power, Lille<br />

2004 – Cultural Capital of Europa<br />

2004; Yoshihiro Suda, Galerie Wohnmaschine,<br />

Berlin 2003; La Biennale<br />

de Montréal 2000, Montreal 2000.<br />

Rose, 2003<br />

Painted wood<br />

Courtesy of Gallery Koyanagi<br />

Photo: Installationview Location of the<br />

Spirit – Contemporary Japanese Art,<br />

Budapest 2003<br />

see p. 189<br />

Hiroshi Sugimoto<br />

born 1948 in Tokyo/JPN<br />

lives in New York/USA<br />

Exhibitions (selection):<br />

Conceptual Forms, Gagosian Gallery<br />

Britannia, London 2005; Conceptual<br />

Forms, Sonnabend Gallery, New York<br />

2005; Sophie Calle + Hiroshi Sugimoto,<br />

Gallery Koyanagi, Tokyo 2005;<br />

Photographs by Hiroshi Sugimoto:<br />

The Sylvan Barret and William Burto<br />

Collection, Museum of Fine Arts,<br />

Boston 2005; Hiroshi Sugimoto, Étant<br />

donné: Le Grand Verre, Fondation<br />

Cartier pour l’art contemporain,<br />

Paris 2004 – 2005; Hiroshi Sugimoto,<br />

Galería Javier López, Madrid 2004;<br />

Singular Forms (Sometimes<br />

Repeated): Art from 1951 to the<br />

Present, Solomon R. Guggenheim<br />

Museum, New York 2004; Five Billion<br />

Years, Swiss Institute, New York<br />

2004; Hiroshi Sugimoto: Sea of<br />

Buddha, David and Alfred Smart<br />

Museum of Art, Chicago 2003 – 2004;<br />

Supernova: Art of the 1990s from<br />

the Logan Collection, San Francisco<br />

Museum of Modern Art, San<br />

Francisco 2003 – 2004.<br />

Sea of Buddha, 1995<br />

Gelatine silver prints (48 pieces);<br />

42 × 54,5 cm each<br />

Collection of Hara Museum<br />

of Contemporary Art<br />

(formerly titled: Hall of Thirty-three<br />

Bays)<br />

see p. 191 – 193<br />

Mathematical Forms:<br />

Surface 0009, Conic Surface<br />

of revolution with constant<br />

negative curvature, 2004<br />

Gelatin silver print, Edition 4/5;<br />

149,2 × 119,4 cm<br />

Private Collection Chicago<br />

see p. 194<br />

Mathematical Forms:<br />

Curves 0014, Two Hyperbola<br />

Tangent to one Another, 2004<br />

Gelatin silver print,<br />

Edition 4/5; 149,2 × 119,4 cm<br />

Courtesy of Gagosian Gallery<br />

see p. 195<br />

Mechanical Forms 0029,<br />

Quick Return Motion Used in<br />

Metal Cutting, 2004<br />

Gelatin silver print, Edition 4/5;<br />

149,2 × 119,4 cm<br />

Courtesy of Gagosian Gallery<br />

see p. 195<br />

Makoto Sei Watanabe<br />

born 1952 in Yokohama/JPN<br />

lives in Tokyo/JPN<br />

Exhibitions and projects (selection):<br />

Shin Minamata MON, Minamatacity,<br />

2005; Fiber Wave II, III, ICC<br />

Tokyo, Biennale di Venezia, Venice<br />

1999 – 2000; Fiber Wave: environmental<br />

art, Gifu and Tokyo, Chicago,<br />

1995, 1996, 1998; Subway station/<br />

Iidabashi & Web frame, Tokyo 2000;<br />

K-Museum, Tokyo 1996; Aoymama<br />

technical college, Tokyo 1990.<br />

Fiber Wave I, K-Museum, 1996<br />

Carbon fiber, LED, solar battery etc.;<br />

Height: 4 m, width variabel<br />

Collection of the artist<br />

see p. 196<br />

Fiber Wave II, 1999<br />

Plastics, fan, computer program etc.<br />

Height: 4m, width variable<br />

Collection of the artist<br />

Installation view<br />

Biennale di Venezia, 2000<br />

see p. 197<br />

Masaaki Yamada<br />

born 1930 in Tokyo/JPN<br />

lives in Tokyo/JPN<br />

Exhibitions (selection):<br />

Why Not Live For Art?, Tokyo Opera<br />

City Art Gallery, Tokyo 2004;<br />

Remaking Modernism in Japan 1900 –<br />

2000, Sezon Museum of Modern Art,<br />

Nagano 2004, Museum of Contemporary<br />

Art, Tokyo & The University<br />

Art Museum – Tokyo National University<br />

of Fine Arts and Music, Tokyo<br />

2004; Masaaki Yamada, M Art, Tokyo<br />

2003; Hirano Museum Modern Art<br />

Exhibition, Hirano Museum of Art,<br />

Shizuoka 2003; Contemporary<br />

Japanese Watercolor – Wet in wet,<br />

Gradated Wash, Overpainting, Line,<br />

The Shoto Museum of Art, Tokyo<br />

2002; Masaaki Yamada, Gallery<br />

Kasahara, Tokyo 2002; The unfinished<br />

century: legacies of 20th century art,<br />

National Museum of Modern Art,<br />

Tokyo 2002; Invitation of Contemporary<br />

Art, Tottori Prefectural Museum,<br />

Tottori 2001.<br />

Work D–87, 1972<br />

Oil on canvas; 227 × 162 cm<br />

Collection of The National Museum<br />

of Art, Osaka<br />

see p. 199<br />

Work C–400, 1969<br />

Oil on canvas; 162 × 112 cm<br />

Collection of Metropolitan Museum<br />

of Contemporary Art, Tokyo<br />

see p. 201


Miwa Yanagi<br />

born 1967 in Kobe/JPN<br />

lives in Kyoto/JPN<br />

Exhibitions (selection):<br />

Miwa Yanagi, Hara Museum of<br />

Contemporary Art, Tokyo 2005;<br />

Self-Portrait Landscape, Woo Je Gil<br />

Museum, Gwangyu 2004; Fairy Tale,<br />

Galeria Leyendecker, Canarie Islands<br />

2004; Art Downtown: Connecting<br />

Collections, Wall Street Rising, New<br />

York 2004; Darkness of Girlhood &<br />

Lightness of Aging, Marugame<br />

Genichiro-Inokuma Museum of<br />

Contemporary Art, Kagawa 2004;<br />

Miwa Yanagi, Sammlung Deutsche<br />

Bank, Deutsche Guggenheim,<br />

Berlin 2004; Takarazuka: The Land<br />

of Dreams, Suntory Museum, Osaka;<br />

Tokyo Opera City Art Gallery, Tokyo<br />

2004; Sogo Museum, Yokohama<br />

2004; Mediarena: Contemporary<br />

Art from Japan, Govette-Brewster<br />

Art Gallery, New York, 2004.<br />

Girls in her Sand, 2004<br />

Video installation, tent, 2 photographs;<br />

tent: 300 × 300 × 400 cm<br />

Courtesy of the artist and<br />

Yoshiko Isshiki Office<br />

see p. 202 – 205<br />

Untitled 1, 2004<br />

Gelatine silver print; 140 × 100 cm<br />

Courtesy of the artist and<br />

Yoshiko Isshiki Office<br />

see p. 207<br />

Untitled 2, 2004<br />

Gelatine silver print; 140 × 100 cm<br />

Courtesy of the artist and<br />

Yoshiko Isshiki Office<br />

see p. 208<br />

BIX Media Competition<br />

Kentaro Taki<br />

Born 1973 in Osaka/JPN<br />

Media artist, Director of Non Profit<br />

Organization VIDEOART CENTER,<br />

Tokyo<br />

Tentakle, 2005<br />

QuickTime Movie, produced for<br />

the BIX facade of Kunsthaus Graz<br />

see p. 211<br />

Shinsuke Kajitaka<br />

Born 1981 in Hiroshima/JPN<br />

media artist<br />

Waterfall, 2005<br />

QuickTime Movie, produced for<br />

the BIX façade of Kunsthaus Graz<br />

see p. 213<br />

228 229


Autoren<br />

Authors<br />

Toshiharu Ito, geboren 1953<br />

in Tokio/JPN, Kunsthistoriker, Kunstund<br />

Medientheoretiker, Kurator<br />

1990–2001 Professor an der Tama<br />

Art Universität, Tokio; seit 2001<br />

Professor an der Tokio National<br />

University of Fine art and Music,<br />

Tokio; seit 1995 künstlerischer Leiter<br />

des Intermedia Institute, Osaka;<br />

1992 –1998 Beauftragter des Inter<br />

Communication Center, Tokio;<br />

2000 – 2003 künstlerischer Leiter<br />

des Tokyo AAD studio, Tokio.<br />

Publikationen (Auswahl):<br />

History of 20th Century Photography,<br />

Tokio, Chikuma Shobo Pub., 1988;<br />

Machine Art, Tokio, Iwanami Pub.,<br />

1991; Electronic Art, Tokio, NTT<br />

Press, 1999.<br />

Makoto Sei Watanabe arbeitet<br />

als Architekt und Künstler in Tokio.<br />

Dozent an der Tokyo Denki University<br />

(Tokio), Housei University (Tokio),<br />

Professor an der Tamkang University<br />

(Taipei).<br />

Architektonische Arbeiten (Auswahl):<br />

Aoyama Technical College 1989<br />

(Tokio), K-Museum 1996 (Tokio),<br />

Subway Station Iidabashi 2000<br />

(Tokio), Kyushu Shinkansen, Shin<br />

Minamata station (Minamata, Japan)<br />

2004, Shanghai House (Shanghai,<br />

China) 2004.<br />

Preise (Auswahl): ASLA Professional<br />

Awards (American Society of Landscape<br />

Architects) 1997, The JIA Prize<br />

of the year 2001, Gold Prize of Good<br />

Design Award 2001, The Prize of AIJ<br />

2002.<br />

Publikationen (Auswahl): Makoto<br />

Sei Watanabe (l’Arcaedizioni, Italien)<br />

1998, Kentiku wa yawarakai kagaku<br />

ni tikazuku (Kentiku-shiryo-kenkyusha,<br />

Japan) 2002, Induction Design<br />

(Birkhauser, Schweiz) 2002, Induction<br />

Design (Testo and Imagine, Italien)<br />

2004.<br />

Ryuta Imafuku, 1955 in Tokio/JPN<br />

geboren, gilt aufgrund ausgedehnter<br />

Forschungsreisen quer durch<br />

Lateinamerika als Anthropologe und<br />

Kulturkritiker, dessen einzigartiges<br />

Schreiben sowie seine unverwechselbare<br />

Stimme zu den Themen zeitgenössische<br />

Kultur, Kunst, Geschichte<br />

und Politik weithin anerkannt sind.<br />

Er ist in seinem Land als eine der<br />

Pioniergestalten bekannt, die eine<br />

kreolische Kulturvision zum Ausdruck<br />

gebracht haben. Zu seinen Aktivitäten<br />

in jüngerer Zeit zählen das Projekt<br />

der „Archipel-Universität“ auf den<br />

Amami- und Ryukyu-Inseln sowie<br />

gemeinsame Bücher und Ausstellungen<br />

mit den Fotografen Shomei<br />

Tomatsu und Sebastião Salgado, mit<br />

dem Dichter Gozo Yoshimasu, der<br />

Filmemacherin Trinh T. Minh-ha und<br />

anderen. Er ist u. a. der Verfasser von<br />

The Heterology of Culture, Technology<br />

of the Wild, Sensory Angels, und<br />

Elsewhere: Toward the Corridor of<br />

Images und lehrt Lateinamerika-<br />

Studien und Medienwissenschaft an<br />

der Universität von Sapporo. Darüber<br />

hinaus ist er unbefristet Gastdozent<br />

für Kommunikation und Semiotik an<br />

der Katholischen Universität von São<br />

Paulo, Brasilien.<br />

Krystyna Wilkoszewska lehrt als<br />

Professorin der Philosophie und<br />

Ästhetik an der Jagiellonian Universität<br />

in Krakau, Polen. Sie ist Autorin<br />

mehrerer Bücher über zeitgenössische<br />

Kunst, Postmoderne und interkulturelle<br />

Ästhetik. Als Herausgeberin<br />

der Reihe Aesthetics in the World<br />

publizierte sie das Buch Japanese<br />

Aesthetics Anthology (2003), in dem<br />

die Themen Haiku, No-Theater, Teekunst,<br />

Architektur und Urbanisation<br />

behandelt wurden.<br />

Yoko Tawada wurde 1960 in<br />

Tokio/JPN geboren, seit 1982 lebt sie<br />

in Hamburg. Sie schreibt auf Deutsch<br />

und auf Japanisch. 1993 Literaturpreis<br />

Akutagawa-Shô, 1996 Adelbertvon-Chamisso-Preis,<br />

2003 Tanizaki-<br />

Preis.<br />

Publikationen (Auswahl): Opium<br />

für Ovid. Ein Kopfkissenbuch von<br />

22 Frauen, Prosa (2000), Überseezungen,<br />

Prosa (2002), CD diagonal<br />

zusammen mit Aki Takase (2002),<br />

Kyuukeijikan, Shinchosha (2002),<br />

Erzählung, Yougisha no Yakooressha,<br />

Seidosha (2002), Erzählungen,<br />

Exophony, Iwanami (2003), Essays.<br />

Zahlreiche Veröffentlichungen auch<br />

in Zeitschriften u.a. in manuskripte,<br />

NZZ-Folio, Neue Rundschau,<br />

Schreibheft, Sinn und Form, Rowohlt<br />

Literaturmagazin und Akzente.<br />

Zuletzt erschien Das nackte Auge<br />

(Tübingen, 2004).


Toshiharu Ito, born 1953 in<br />

Tokyo/JPN, art historian, art and<br />

media theorist, curator<br />

1990 – 2001 Professor at Tama Art<br />

University, Tokyo; since 2001 Professor<br />

at Tokyo National University<br />

of Fine Arts and Music, Tokyo; since<br />

1995 Artistic Director of Intermedia<br />

Institute, Osaka; 1992 –1998<br />

Commissioner of Inter Communication<br />

Center, Tokyo; 2000 – 2003<br />

Artistic Director of Tokyo AAD studio,<br />

Tokyo.<br />

Publications (selection):<br />

History of 20th Century Photography,<br />

Tokyo, Chikuma Shobo Pub., 1988;<br />

Machine Art, Tokyo, Iwanami Pub.,<br />

1991; Electronic Art, Tokyo, NTT<br />

Press, 1999.<br />

Makoto Sei Watanabe works as<br />

architect and artist in Tokyo. Lecturer<br />

at Tokyo Denki University (Tokyo)<br />

and at Housei University (Tokyo),<br />

Professor at Tamkang University<br />

(Taipei).<br />

Architectural works (selection):<br />

Aoyama Technical College 1989<br />

(Tokyo), K-Museum 1996 (Tokyo),<br />

Subway Station Iidabashi 2000<br />

(Tokyo), Kyushu Shinkansen, Shin<br />

Minamata station (Minamata, Japan)<br />

2004, Shanghai House (Shanghai,<br />

China) 2004.<br />

Awards (selection): ASLA<br />

Professional Awards (American<br />

Society of Landscape Architects)<br />

1997, The JIA Prize of the year 2001,<br />

Gold Prize of Good Design Award<br />

2001, The Prize of AIJ 2002.<br />

Publications (selection): Makoto Sei<br />

Watanabe (l‘Arcaedizioni, Italy) 1998,<br />

Kentiku wa yawarakai kagaku ni<br />

tikazuku (Kentiku-shiryo-kenkyu-sha,<br />

Japan) 2002, Induction Design<br />

(Birkhauser, Switzerland) 2002,<br />

Induction Design (Testo and Imagine,<br />

Italy) 2004.<br />

Ryuta Imafuku, born 1955 in<br />

Tokyo/JPN, and having traveled and<br />

researched extensively in Latin<br />

America, Imafuku Ryuta (1955) is<br />

an anthropologist and cultural critic<br />

whose unique writings and voice<br />

on contemporary culture, art, history<br />

and politics are widely recognized.<br />

He is known as one of the pioneering<br />

figures in his country to demonstrate<br />

a creolized vision of culture. His<br />

recent activities include the “archipelago<br />

university” project in the Amami/<br />

Ryukyus Islands, and collaborations<br />

on books and exhibitions with<br />

photographers Shomei Tomatsu<br />

and Sebastião Salgado, the poet<br />

Gozo Yoshimasu, and the film-maker<br />

Trinh T. Minh-ha to name a few.<br />

He is the author of The Heterology<br />

of Culture, Technology of the Wild,<br />

Sensory Angels, Elsewhere: Toward<br />

the Corridor of Images, among others.<br />

He teaches Latin American Studies<br />

and Media Studies at Sapporo<br />

University, and is a permanent visiting<br />

professor of Communication and<br />

Semiotics at the Catholic University<br />

of São Paulo, Brazil.<br />

Krystyna Wilkoszewska is professor<br />

of philosophy and aesthetics at<br />

Jagiellonian University in Krakow,<br />

Poland. She is the author of several<br />

books about contemporary art,<br />

postmodernism and cross-cultural<br />

aesthetics. As editor of the series<br />

Aesthetics in the World she published<br />

the book Japanese Aesthetics<br />

Anthology (2003), that deals with<br />

the issues of haiku, No theatre, tea<br />

art, architecture and urbanisation.<br />

Yoko Tawada was born in 1960 in<br />

Tokyo/JPN, since 1982 she lives in<br />

Hamburg. Writings in German and<br />

Japanese language. 1993 literature<br />

prize Akutagawa-Shô, 1996 Adelbertvon-Chamisso<br />

prize, 2003 Tanizaki<br />

prize.<br />

Publications (selection): Opium für<br />

Ovid. Ein Kopfkissenbuch von 22<br />

Frauen, Prose (2000), Überseezungen,<br />

Prose (2002), CD diagonal together<br />

with Aki Takase (2002), Kyuukeijikan<br />

Shinchosha (2002), story, Yougisha<br />

no Yakooressha Seidosha (2002),<br />

stories, Exophony Iwanami (2003),<br />

essays.<br />

In addition numerous publications<br />

in magazines including manuskripte,<br />

NZZ-Folio, Neue Rundschau,<br />

Schreibheft, Sinn und Form, Rowohlt<br />

Literaturmagazin and Akzente. Most<br />

recent publication Das nackte Auge<br />

(Tübingen, 2004).<br />

230 231


Quellenverzeichnis<br />

und Übersetzungen<br />

Christine Frisinghelli,<br />

Peter Pakesch<br />

Vorwort<br />

The Japan Foundation<br />

Über Chikaku: Zeit und Erinnerung<br />

in Japan<br />

(übersetzt von Otmar<br />

Lichtenwörther)<br />

Toshiharu Ito<br />

Die Vierte Dimension der<br />

Wahrnehmung: Neue Koordinaten<br />

für japanische zeitgenössische Kunst<br />

(übersetzt von Mine Scheid)<br />

Makoto Sei Watanabe<br />

Ein Band, das „Wissen“ und<br />

„Spüren“ verbindet<br />

(übersetzt von Hendrikje Kühne)<br />

Ryuta Imafuku<br />

Ein vierdimensionales Japan:<br />

Von der „Magie“ zu „Infra-ordinary“<br />

(übersetzt von Bernhard Seidl)<br />

Krystyna Wilkoszewska<br />

Auf der Reise mit Künstlern<br />

durch Zeit und Raum<br />

(übersetzt von Andreas Volk)<br />

Yoko Tawada<br />

Mit den Wörtern knipsen<br />

First Publications<br />

and Translations<br />

Christine Frisinghelli,<br />

Peter Pakesch<br />

Foreword<br />

(translated by Paul Aston)<br />

The Japan Foundation<br />

About Chikaku: Time and Memory<br />

in Japan<br />

(translated by Fontaine Limited)<br />

Toshiharu Ito<br />

The Fourth Dimension of<br />

Perception: New Coordinates for<br />

Japanese Contemporary Art<br />

(translated by Alfred Birnbaum)<br />

Makoto Sei Watanabe<br />

A Ribbon that Joins “Knowing”<br />

and “Sensing”<br />

(translated by Fontaine Limited)<br />

Ryuta Imafuku<br />

Four-dimensional Japan:<br />

From “Magic” to “Infra-ordinary”<br />

(translated by Alfred Birnbaum)<br />

Krystyna Wilkoszewska<br />

A Journey with Artists<br />

Through Time and Space<br />

(translated by Katya Andrusz)<br />

Yoko Tawada<br />

Snapshots with Words<br />

(translated by Paul Aston)


Bildnachweise<br />

© 2005 Verlag der Buchhandlung<br />

Walther König, Köln und Kunsthaus<br />

Graz und Camera Austria<br />

© für sämtliche abgebildeten Werke<br />

bei den Künstlerinnen und Künstlern<br />

bzw. deren RechtsnachfolgerInnen<br />

© für die Fotografien bei den<br />

FotografInnen bzw. deren RechtsnachfolgerInnen<br />

Wir haben uns bemüht, sämtliche<br />

RechtsinhaberInnen ausfindig zu<br />

machen. Sollte es uns in Einzelfällen<br />

nicht gelungen sein, so bitten wir<br />

diese, sich beim Verlag zu melden.<br />

S. 8: Nicolas Lackner, LMJ<br />

S. 18: Commemorative Association for<br />

the Japan World Exposition ’70 (1970)<br />

S. 21: Taka Ishii Gallery, Tokio<br />

S. 22: OSIRIS, Tokio<br />

S. 25: Makoto Sei Watanabe<br />

S. 26: Gallery Koyanagi<br />

S. 27: Tadashi Kawamata plus<br />

on the table, Tokio<br />

S. 28: Tatsuo Hayashi / Toyota<br />

Municipal Museum of Art, Toyota City<br />

S. 30: Ota Fine Arts, Tokio<br />

S. 31: Gallery Koyanagi<br />

S. 70: Moongift films<br />

S. 82: Image Yoshiko Isshiki Office,<br />

Tokio<br />

S. 107, 109: Yoshitaka Uchida<br />

S. 111: Image Forum<br />

S. 112/113: Mineo Sakata/Yoshiko<br />

Isshiki Office, Tokio<br />

S. 113: Jenni Carter/Biennale of<br />

Sydney<br />

S. 115–119: Tadashi Kawamata plus<br />

on the table, Tokio<br />

S. 121: Robert Miller Gallery<br />

S. 123: Museum of Contemporary Art,<br />

Tokio<br />

S. 125–127: Moongift films<br />

S. 131: Shadai Gallery, Tokio<br />

S. 132–140: Taka Ishii Gallery<br />

S. 143–153: OSIRIS, Tokio<br />

S. 155, 156: Katsuhiro Ichikawa/<br />

Spiral/Wacoal Art Center<br />

S. 158–161: Keizo Kioku/The Japan<br />

Foundation<br />

S. 163–172: Taro Okamoto Museum<br />

of Art, Kawasaki<br />

S. 180–187: David Zwirner Gallery,<br />

New York<br />

S. 189: Gallery Koyanagi<br />

S. 191–193: Gallery Koyanagi<br />

S. 194, 195: Gagosian Gallery, London<br />

S. 196, 197: Makoto Sei Watanabe<br />

S. 199: The National Museum of Art,<br />

Osaka<br />

S. 201: Metropolitan Museum of<br />

Contemporary Art, Tokio<br />

S. 202–208: Yoshiko Isshiki Office,<br />

Tokio<br />

S. 211, 213: Nicolas Lackner, LMJ<br />

Photo Credits<br />

© 2005 Verlag der Buchhandlung<br />

Walther König, Cologne and<br />

Kunsthaus Graz and Camera Austria<br />

© for the reproduced works by the<br />

artists or their estates<br />

© for the reproduced photographs<br />

by the photographers or their estates<br />

We have made every effort to find<br />

all the copyright-holders. However,<br />

if we have omitted to do so in any<br />

individual case, we should be most<br />

grateful if these copyright holders<br />

would inform the editor forthwith.<br />

p. 8: Nicolas Lackner, LMJ<br />

p. 18: Commemorative Association for<br />

the Japan World Exposition ’70 (1970)<br />

p. 21: Taka Ishii Gallery, Tokyo<br />

p. 22: OSIRIS, Tokyo<br />

p. 25: Makoto Sei Watanabe<br />

p. 26: Gallery Koyanagi<br />

p. 27: Tadashi Kawamata plus on<br />

the table, Tokyo,<br />

p. 28: Tatsuo Hayashi /Toyota<br />

Municipal Museum of Art, Toyota City<br />

p. 30: Ota Fine Arts, Tokyo<br />

p. 31: Gallery Koyanagi<br />

232 233<br />

p. 70: Moongift films<br />

p. 82: Image Yoshiko Isshiki Office,<br />

Tokyo<br />

p. 107, 109: Yoshitaka Uchida<br />

p. 111: Image Forum<br />

p. 112/113: Mineo Sakat/Yoshiko<br />

Isshiki Office, Tokyo<br />

p. 113: Jenni Carter/Biennale of<br />

Sydney<br />

p. 115–119: Tadashi Kawamata plus<br />

on the table, Tokyo<br />

p. 121: Robert Miller Gallery<br />

p. 123: Museum of Contemporary Art,<br />

Tokyo<br />

p. 125–127: Moongift films<br />

p. 131: Shadai Gallery, Tokyo<br />

p. 132–140: Taka Ishii Gallery<br />

p. 143–153: OSIRIS, Tokyo<br />

p. 155, 156: Katsuhiro Ichikawa /<br />

Spiral/Wacoal Art Center<br />

p. 158–161: Keizo Kioku/The Japan<br />

Foundation<br />

p. 163–172: Taro Okamoto Museum<br />

of Art, Kawasaki<br />

p. 180–187: David Zwirner Gallery,<br />

New York<br />

p. 189: Gallery Koyanagi<br />

p. 191–193: Gallery Koyanagi<br />

p. 194, 195: Gagosian Gallery, London<br />

p. 196, 197: Makoto Sei Watanabe<br />

p. 199: The National Museum of Art,<br />

Osaka<br />

p. 201: Metropolitan Museum of<br />

Contemporary Art, Tokyo<br />

p. 202–208: Yoshiko Isshiki Office,<br />

Tokyo<br />

p. 211, 213: Nicolas Lackner, LMJ


Diese Publikation erscheint<br />

anlässlich der Ausstellung<br />

Chikaku<br />

Zeit und Erinnerung in Japan<br />

Kunsthaus Graz<br />

Camera Austria<br />

04.06.–11.09.2005<br />

Museo de Arte<br />

Contemporanea de Vigo<br />

07.10.2005–22.01.2006<br />

Ausstellungsarchitekt<br />

Makoto Sei Watanabe<br />

Co-Architekt<br />

Niels Jonkhans<br />

This catalogue is published<br />

on the occasion of the exhibition<br />

Chikaku<br />

Time and Memory in Japan<br />

Kunsthaus Graz<br />

Camera Austria<br />

June 04–Sep 11, 2005<br />

Museo de Arte<br />

Contemporanea de Vigo<br />

Oct 07, 2005–Jan 22, 2006<br />

Exhibition architect<br />

Makoto Sei Watanabe<br />

Co-architect<br />

Niels Jonkhans<br />

Veranstaltet mit<br />

Co-organized by<br />

Mit Unterstützung von:<br />

Supported by:<br />

Stadt Graz, Land Steiermark,<br />

A1, Zumtobel Staff,<br />

JAL, Toho Tenax<br />

Dank an<br />

Thanks to<br />

Katya Andrusz; Masahiro Aoki; Masabumi<br />

Araki; Architectural Institute of Japan;<br />

Paul Aston; Austrian Embassy in Tokyo;<br />

Alfred Birnbaum; Commemorative<br />

Association For The Japan World<br />

Exposition ’70; Daguerreo Press, Inc.;<br />

Daros Collection, Zürich; David Zwirner<br />

Gallery, NY; Fabian & Claude Walter<br />

Galerie, Zürich; Fontaine Limited; Fuchu<br />

Art Museum; Tomoko Fujibayashi; Aki<br />

Fujii; Chie Fukasawa; Gagosian Gallery,<br />

London; Gallery Kasahara; Gallery<br />

Koyanagi; Hara Museum of Contemporary<br />

Art; Kaori Hashiguchi; Jun<br />

Hatakeyama; Yukihiro Hirayoshi; Kaori<br />

Hoya; Hideaki Ibuki; Kotaro Iizawa,<br />

Hiroshima City Museum of Contemporary<br />

Art; Ryuta Imafuku; Takayuki Ishii;<br />

Masato Ishizuka; Toshiharu Ito; Museum<br />

of Contemporary Art, Tokyo; Yoshiko<br />

Isshiki; Japan Design Net; Japan Graphic<br />

DesignersAssociation Inc.; The Japan<br />

Institute of Architects; Japanese Embassy<br />

in Vienna; Niels Jonkhans; Masana<br />

Kamijo; Ryoko Kamiyama; Mariko<br />

Karlhuber-Yoshida, Wien; Ryunosuke<br />

Kasahara; Kaori Kataoka; Tadashi<br />

Kawamata plus on the table; Kazuya<br />

Kimura; Akiko Kobayashi; Mika Koike;<br />

Michi Komazaki; Tamao Konishi;<br />

Koubo-Guide sha CORP.; Atsuko Koyanagi;<br />

Hendrikje Kühne; Shino Kuraishi;<br />

Aki Kusumoto; Takeshi Matsuoka; Karla<br />

Merrifield, Studio One, NY; Moriwakit<br />

Japan; Mitsue Nakamura; National<br />

Museum of Art, Osaka; The Niigata<br />

Prefectual Museum of Modern Art; The<br />

Niigata Bandaijima Art Museum; Masao<br />

Mizukoshi; Yasuhiro Nakano; Yoko Nose;<br />

Arnold Obermayr; Natsuko Odate;<br />

Shusaku Okada; Yukari Okada; Toshiko<br />

Okamoto; OSIRIS Co., Ltd.,; Ota Fine<br />

Arts; Catherine & Jacques Pineau,<br />

Amélie-les-Bains; Robert Miller Gallery,<br />

NY; Saito Media Lab Co., Ltd.; Sammlung<br />

Hauser und Wirth, Henau; Shugo Satani;<br />

Tatsumi Sato; Yoko Sawada; Mine<br />

Scheid; Stefan Schwar; Bernhard Seidl;<br />

Shadai Gallery; Shugoarts; Eisuke Tabata;<br />

TAKAHASHI collection; Taka Ishii Gallery;<br />

Taro Okamoto Museum of Art, Kawasaki;<br />

Hiroshi Tamaoki; Yoko Tawada; Shinzo<br />

Terui; Shinsuke Toda; Toyota Municipal<br />

Museum of Art; Kumiko Uchimura;<br />

Katsuko & Kuniaki Ueda (Sanbi-Shosha);<br />

Elisa Uematsu; Andreas Volk; Makoto<br />

Sei Watanabe/Architects’ Office, Krystyna<br />

Wilkoszewska; Ealan Wingate, Gagosian<br />

Gallery, NY; Yamamoto Gendai; Yuko<br />

Yamamoto; Ryujiro Yano; Atsuo Yasuda;<br />

Yokohama Museum of Art, Yokohama;<br />

Yoshiko Isshiki Office; Takeshi Yoshimura,<br />

Tadashi Yuzawa; den MitarbeiterInnen<br />

von Kunsthaus Graz, Camera Austria<br />

und The Japan Foundation sowie allen<br />

Leihgeberinnen und Leihgebern.<br />

Besonderer Dank geht an<br />

die Künstlerinnen und Künstler<br />

der Ausstellung.<br />

We owe special thanks to<br />

the artists of the exhibition.


Das Werk ist urheberrechtlich<br />

geschützt. Die dadurch begründeten<br />

Rechte, insbesondere die der<br />

Übersetzung, des Nachdruckes, der<br />

Entnahme von Abbildungen, der<br />

Rundfunksendung, der Wiedergabe<br />

auf photomechanischem oder<br />

ähnlichem Weg und der Speicherung<br />

in Datenverarbeitungsanlagen,<br />

bleiben, auch bei nur auszugsweiser<br />

Verwertung, vorbehalten.<br />

© 2005 KünstlerInnen, AutorInnen,<br />

Kunsthaus Graz, Camera Austria und<br />

Verlag der Buchhandlung Walther<br />

König, Köln<br />

Die Deutsche Bibliothek –<br />

CIP-Einheitsaufnahme<br />

Ein Titelsatz für diese Publikation ist<br />

bei der Deutschen Bibliothek erhältlich.<br />

Vertrieb außerhalb Europas<br />

D.A.P./Distributed Art Publishers, Inc.,<br />

155 Sixth Avenue<br />

New York, NY 10013<br />

Tel +1 212-627-1999<br />

Fax +1 212-627-9484<br />

Erschienen im<br />

Verlag der Buchhandlung<br />

Walther König, Köln<br />

ISBN 3-88375-966-X<br />

Gedruckt in Österreich<br />

The work is subject to copyright.<br />

All rights reserved, whether the whole<br />

or parts of the material is concerned,<br />

specially those of translation,<br />

reprinting, re-use of illustrations, broadcasting,<br />

reproduction by photocopying<br />

machines or similar means, and storage<br />

in data banks.<br />

© 2005 Artists, Authors, Kunsthaus<br />

Graz, Camera Austria and Verlag der<br />

Buchhandlung Walther König, Cologne<br />

CIP data applied for<br />

Distribution outside Europe<br />

D.A.P./Distributed Art Publishers, Inc.,<br />

155 Sixth Avenue<br />

New York, NY 10013<br />

Tel +1 212-627-1999<br />

Fax +1 212-627-9484<br />

Published by<br />

Verlag der Buchhandlung<br />

Walther König, Cologne<br />

ISBN 3-88375-966-X<br />

Printed in Austria<br />

Herausgeber<br />

Peter Pakesch,<br />

Christine Frisinghelli<br />

Kurator<br />

Toshiharu Ito<br />

(Tokyo National University<br />

of Fine Arts and Music, Tokio)<br />

In Zusammenarbeit mit<br />

Adam Budak (Kunsthaus Graz),<br />

Seiichi Furuya (Camera Austria),<br />

Miki Okabe (The Japan Foundation)<br />

Kuratorische Assistenz<br />

Masashi Kohara,<br />

Kasumi Yamaki<br />

Redaktion<br />

Katia Schurl (Kunsthaus Graz),<br />

Miki Okabe (The Japan Foundation)<br />

Kasumi Yamaki<br />

(The Japan Foundation)<br />

Masashi Kohara<br />

(The Japan Foundation)<br />

Übersetzungen<br />

Katya Andrusz,<br />

Paul Aston,<br />

Alfred Birnbaum,<br />

Fontaine Limited,<br />

Hendrikje Kühne,<br />

Otmar Lichtenwörther,<br />

Mine Scheid,<br />

Bernhard Seidl,<br />

Andreas Volk<br />

Lektorat<br />

Martha Konrad,<br />

Stefan Schwar<br />

Editors<br />

Peter Pakesch,<br />

Christine Frisinghelli<br />

Curator<br />

Toshiharu Ito (Tokyo<br />

National University of Fine<br />

Arts and Music, Tokyo)<br />

In collaboration with<br />

Adam Budak (Kunsthaus Graz),<br />

Seiichi Furuya (Camera Austria),<br />

Miki Okabe (The Japan Foundation)<br />

Curatorial assistants<br />

Masashi Kohara,<br />

Kasumi Yamaki<br />

Assistant Editor<br />

Katia Schurl (Kunsthaus Graz),<br />

Miki Okabe (The Japan Foundation)<br />

Kasumi Yamaki<br />

(The Japan Foundation)<br />

Masashi Kohara<br />

(The Japan Foundation)<br />

Translation<br />

Katya Andrusz,<br />

Paul Aston,<br />

Alfred Birnbaum,<br />

Fontaine Limited,<br />

Hendrikje Kühne,<br />

Otmar Lichtenwörther,<br />

Mine Scheid,<br />

Bernhard Seidl,<br />

Andreas Volk<br />

Lectorship<br />

Martha Konrad,<br />

Stefan Schwar<br />

Grafische Konzeption<br />

und Gestaltung<br />

Lichtwitz – Büro für<br />

visuelle Kommunikation:<br />

Kriso Leinfellner,<br />

Stefanie Lichtwitz,<br />

Harald Niessner,<br />

Kristina Pusch<br />

Drucküberwachung<br />

Michael Neubacher<br />

Druck<br />

Medienfabrik Graz<br />

(FM-Raster, 5c plus<br />

Dispersionslack)<br />

Schutzumschlag<br />

Austriaplastics, Wels<br />

Papier<br />

Ikonosilk 170g,<br />

Biotop 3 100g,<br />

Invercote 300g<br />

Schrift<br />

KunsthausGraz<br />

Art Direction and Design<br />

Lichtwitz – Büro für<br />

visuelle Kommunikation:<br />

Kriso Leinfellner,<br />

Stefanie Lichtwitz,<br />

Harald Niessner,<br />

Kristina Pusch<br />

Print supervision<br />

Michael Neubacher<br />

Print<br />

Medienfabrik Graz<br />

(FM-Raster, 5c plus<br />

dispersion varnish)<br />

Cover<br />

Austriaplastics, Wels<br />

Paper<br />

Ikonosilk 170g,<br />

Biotop 3 100g,<br />

Invercote 300g<br />

Font<br />

KunsthausGraz<br />

234 235


Kunsthaus Graz<br />

Peter Pakesch, Intendant<br />

Landesmuseum Joanneum<br />

Gabriele Hofbauer,<br />

Assistentin Intendanz<br />

Katrin Bucher, Kuratorin<br />

Adam Budak, Kurator<br />

Katia Schurl,<br />

Kuratorische Assistenz<br />

Elisabeth Haas, Registrarin<br />

Werner Urdl, Registratur<br />

Assistenz<br />

Margot Maas-Goettsberger,<br />

Leitung Kunstvermittlung<br />

Astrid Bernhard,<br />

Assistentin Kunstvermittlung<br />

Eva Ofner,<br />

Sigrid Rachoinig,<br />

Personalkoordination<br />

Aufsicht/Kunstvermittlung<br />

Doris Lind, Presse<br />

Anna Schleiffer, Presse<br />

Sabine Bergmann,<br />

Office Management<br />

Elisabeth Weixler, Marketing<br />

Bärbel Hradecky,<br />

Marketing Assistenz<br />

Andreas Schnitzler, Sponsoring<br />

Gabriele Filzwieser,<br />

Veranstaltungsmanagement<br />

Doris Psenicnik, Assistenz<br />

Veranstaltungsmanagement<br />

Tanja Gurke, Leitung Shop<br />

Sabine Suppan, Leitung EDV<br />

Andreas Graf, Assistenz EDV<br />

Erik Ernst, Technischer Leiter<br />

Irmgard Knechtl,<br />

Leitung Reinigung<br />

Robert Bodlos, Leiter Werkstatt<br />

Aellinger, Markus Ettinger,<br />

Bernd Klinger, Christian<br />

Reinprecht, Klaus Riegler,<br />

Peter Rumpf, Michael Saupper,<br />

Peter Semlitsch, Andreas<br />

Zerawa, Technisches Team<br />

Kunsthaus Graz<br />

Peter Pakesch, Director<br />

Landesmuseum Joanneum<br />

Gabriele Hofbauer,<br />

Director’s Assistant<br />

Katrin Bucher, Curator<br />

Adam Budak, Curator<br />

Katia Schurl, Assistent Curator<br />

Elisabeth Haas, Registrar<br />

Werner Urdl, Registrar Assistant<br />

Regina Novak,<br />

Head of Educational Team<br />

Astrid Bernhard,<br />

Educational Assistant<br />

Eva Ofner, Sigrid Rachoinig,<br />

Supervision education and<br />

staff corrdination<br />

Doris Lind, Press<br />

Anna Schleiffer, Press<br />

Sabine Bergmann,<br />

Office Management<br />

Elisabeth Weixler, Marketing<br />

Bärbel Hradecky,<br />

Marketing Assistant<br />

Andreas Schnitzler, Sponsoring<br />

Gabriele Filzwieser,<br />

Event Management<br />

Doris Psenicnik,<br />

Event Management Assistant<br />

Tanja Gurke, Shop Management<br />

Sabine Suppan,<br />

System Administrator<br />

Andreas Graf,<br />

Assistance System Administrator<br />

Erik Ernst, Head of Technical Team<br />

Irmgard Knechtl,<br />

Head of Cleaning Team<br />

Robert Bodlos,<br />

Head of Construction Team<br />

Erich Aellinger, Markus Ettinger,<br />

Bernd Klinger, Christian<br />

Reinprecht, Klaus Riegler,<br />

Peter Rumpf, Michael Saupper,<br />

Peter Semlitsch, Andreas<br />

Zerawa, Technical Team<br />

Camera Austria<br />

Christine Frisinghelli, Redaktionsleitung,<br />

Geschäftsführung<br />

Manfred Willmann, Herausgeber,<br />

Künstler, Kurator<br />

Reinhard Braun, Kurator,<br />

Redakteur<br />

Seiichi Furuya, Künstler, Kurator<br />

Maren Lübbke, Redakteurin<br />

Manisha Jothady, Redakteurin<br />

Margit Neuhold,<br />

Kuratorische Assistenz<br />

Eva Leopold, Vertrieb<br />

Marlene Egger, Rechnungswesen<br />

Gabriela Semlitsch,<br />

Studienbibliothek<br />

Barbara Stöcker, Anzeigenleitung<br />

The Japan Foundation<br />

Kazuo Ogoura, Präsident<br />

Toru Kodaki,<br />

stellvertretender Generaldirektor<br />

Tomoyuki Sakurai,<br />

Geschäftsführer, Kunst<br />

Department<br />

Tokiko Kiyota, Direktor,<br />

Abteilung Bildende Kunst<br />

Miki Okabe, stellvertretende<br />

Direktorin, Abteilung Bildende<br />

Kunst<br />

Camera Austria<br />

Christine Frisinghelli, Editor,<br />

Managing Director<br />

Manfred Willmann, Publisher,<br />

Artist, Curator<br />

Reinhard Braun, Curator, Editor<br />

Seiichi Furuya, Artist, Curator<br />

Maren Lübbke, Editor<br />

Manisha Jothady, Editor<br />

Margit Neuhold,<br />

Assistant Curator<br />

Eva Leopold, Distribution<br />

Marlene Egger, Accountancy<br />

Gabriela Semlitsch,<br />

Study Library<br />

Barbara Stöcker,<br />

Advertising Manager<br />

The Japan Foundation<br />

Kazuo Ogoura, President<br />

Toru Kodaki, Executive President<br />

Tomoyuki Sakurai, Managing<br />

Director, Arts Department<br />

Tokiko Kiyota, Director,<br />

Visual Arts Division<br />

Miki Okabe, Assistant Director,<br />

Visual Arts Division


Teilnehmende KünstlerInnen<br />

Participating artists<br />

Masaki Fujihata<br />

Rieko Hidaka<br />

Takashi Ito<br />

Emiko Kasahara<br />

Tadashi Kawamata<br />

Yayoi Kusama<br />

Trinh T. Minh-ha<br />

Hiroyuki Moriwaki<br />

Daido Moriyama<br />

Takuma Nakahira<br />

Tetsuya Nakamura<br />

Motohiko Odani<br />

Taro Okamoto<br />

Yoko Ono<br />

Yutaka Sone<br />

Yoshihiro Suda<br />

Hiroshi Sugimoto<br />

Makoto Sei Watanabe<br />

Masaaki Yamada<br />

Miwa Yanagi<br />

Verlag der Buchhandlung<br />

Walther König, Köln<br />

ISBN 3-88375-966-X

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