Katalog/Catalogue - deutsch/englisch
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Chikaku<br />
Zeit und Erinnerung in Japan<br />
Der vorliegende <strong>Katalog</strong> erscheint anlässlich der<br />
von Kunsthaus Graz, Camera Austria und The Japan<br />
Foundation gemeinsam ausgerichteten Ausstellung<br />
Chikaku – Zeit und Erinnerung in Japan. Wahrnehmung,<br />
Zeit und Erinnerung sind die zentralen Themen, die in<br />
einem breiten Spektrum künstlerischer Ausdrucksformen<br />
– von bildender Kunst über Film und Fotografie<br />
bis hin zu Medienkunst und Architektur – präsentiert<br />
werden. Der komplexe konzeptuelle Ansatz verweist<br />
auf die vielfältigen Schattierungen japanischen Kunstschaffens<br />
und versucht eine Neubestimmung von<br />
bislang kaum gemeinsam gezeigten, aber höchst<br />
charakteristischen aktuellen Positionen innerhalb der<br />
japanischen Kunst.<br />
Der <strong>Katalog</strong> umfasst neben theoretischen Beiträgen<br />
von Ryuta Imafuku, Toshiharu Ito, Makoto Sei<br />
Watanabe und Krystyna Wilkoszewska einen literarischen<br />
Text von Yoko Tawada sowie ein Vorwort der<br />
Japan Foundation und eine Einleitung von Christine<br />
Frisinghelli und Peter Pakesch.<br />
Chikaku<br />
Time and Memory in Japan<br />
The present catalogue is published on the occasion<br />
of the Chikaku – Time and Memory in Japan exhibition<br />
organised jointly by Kunsthaus Graz, Camera Austria<br />
and The Japan Foundation. The key topics are perception,<br />
time and memory, and they are explored in a<br />
wide spectrum of artistic forms ranging from fine art<br />
via film and photography to media art and architecture.<br />
The complex conceptional approach reflects the subtle<br />
diversity of Japanese artistic output and endeavours<br />
to redefine current positions within Japanese art that<br />
hardly ever been shown together but nonetheless are<br />
highly characteristic.<br />
The catalogue includes theoretical articles by Ryuta<br />
Imafuku, Toshiharu Ito, Makoto Sei Watanabe and<br />
Krystyna Wilkoszewska plus a literary essay by Yoko<br />
Tawada. The Japan Foundation has provided a fore-<br />
word, and the introduction is by Christine Frisinghelli<br />
and Peter Pakesch.
Diese Publikation<br />
erscheint anlässlich der<br />
Ausstellung<br />
This catalogue is<br />
published on the occasion<br />
of the exhibition<br />
Chikaku<br />
Zeit und Erinnerung<br />
in Japan<br />
Chikaku<br />
Time and Memory<br />
in Japan
Kunsthaus Graz am<br />
Landesmuseum Joanneum<br />
Camera Austria<br />
04.06.–11.09.2005<br />
Kunsthaus Graz am<br />
Landesmuseum Joanneum<br />
Camera Austria<br />
June 04–September 11, 2005<br />
Veranstaltet mit<br />
The Japan Foundation<br />
Co-organized by<br />
The Japan Foundation
Kurator: Toshiharu Ito<br />
In Zusammenarbeit mit:<br />
Adam Budak, Seiichi Furuya,<br />
Miki Okabe<br />
Curator: Toshiharu Ito<br />
In collaboration with:<br />
Adam Budak, Seiichi Furuya,<br />
Miki Okabe<br />
HerausgeberInnen:<br />
Christine Frisinghelli,<br />
Peter Pakesch<br />
Editors:<br />
Christine Frisinghelli,<br />
Peter Pakesch<br />
Erschienen im Verlag<br />
der Buchhandlung<br />
Walther König, Köln<br />
Published by<br />
Verlag der Buchhandlung<br />
Walther König, Cologne
6<br />
Christine Frisinghelli,<br />
Peter Pakesch<br />
Vorwort<br />
Christine Frisinghelli,<br />
Peter Pakesch<br />
Foreword<br />
12<br />
The Japan Foundation<br />
Über Chikaku: Zeit<br />
und Erinnerung in Japan<br />
The Japan Foundation<br />
About Chikaku: Time<br />
and Memory in Japan<br />
16<br />
Toshiharu Ito<br />
Die Vierte Dimension der<br />
Wahrnehmung: Neue<br />
Koordinaten für japanische<br />
zeitgenössische Kunst<br />
Toshiharu Ito<br />
The Fourth Dimension of<br />
Perception: New<br />
Coordinates for Japanese<br />
Contemporary Art<br />
36<br />
Makoto Sei Watanabe<br />
Ein Band, das „Wissen“<br />
und „Spüren“ verbindet<br />
Makoto Sei Watanabe<br />
A Ribbon that Joins<br />
“Knowing” and “Sensing”<br />
hikaku<br />
eit und Erin<br />
n Japan<br />
ime and M<br />
n Japan
54<br />
Ryuta Imafuku<br />
Ein vierdimensionales<br />
Japan: Von der „Magie“<br />
zu „Infra-ordinary“<br />
Ryuta Imafuku<br />
Four-dimensional<br />
Japan: From “Magic”<br />
to “Infra-ordinary”<br />
74<br />
Krystyna Wilkoszewska<br />
Auf der Reise mit Künstlern<br />
durch Zeit und Raum<br />
Krystyna Wilkoszewska<br />
A Journey with Artists<br />
Through Time and Space<br />
88<br />
Yoko Tawada<br />
Mit den Wörtern knipsen<br />
Yoko Tawada<br />
Snapshots with Words<br />
nerung<br />
emory<br />
101<br />
Abbildungsteil<br />
Illustrations<br />
218<br />
Anhang<br />
Appendix
Christine Frisinghelli,<br />
Peter Pakesch<br />
Vorwort<br />
Foreword
Kunst und Kunsthandwerk aus Asien faszinieren in Europa schon<br />
sehr früh auf Grund ihrer Fremdartigkeit. Asiatische Luxuswaren<br />
(etwa chinesisches Porzellan, japanische Lackarbeiten usw.)<br />
hielten allerdings vor allem in den bizarren Wunderkammern<br />
des Adels Einzug. Auch in Graz erwarb vermutlich Fürst Johann<br />
Anton oder sein Vater Johann Seyfried zwischen 1670 und<br />
1700 einen kostbaren japanischen Paravent. Dieses Kunstwerk,<br />
wahrscheinlich eines der ersten seiner Art in Europa, wurde<br />
einige Jahrzehnte später zerlegt und in Form von Wandpaneelen<br />
als Dekoration für ein „chinesisches“ Zimmer im Schloss Eggenberg<br />
in Graz verwendet, wo es sich noch heute befindet. Die<br />
Erforschung des Stellschirmes, der in den vergangenen Jahren<br />
restauriert wurde, ist noch nicht abgeschlossen. Bei seinen<br />
vielfigürlichen Genreszenen handelt es sich wohl um eine seltene<br />
Darstellung der Stadt Osaka und des Sumiyoshi-Schreins von<br />
besonders hoher Qualität. Die original japanischen Motive und<br />
die üppigen Golddekorationen erweckten für die Zeitgenossen<br />
dabei den Eindruck einer kostbaren, exotischen Zauberwelt.<br />
Heute wissen wir besser um den großen künstlerischen Wert<br />
dieser Darstellung und können diesen auch besser lesen. Japanische<br />
Kunst ist im heutigen Europa durch verschiedene Wellen<br />
der Rezeption bekannter, in ihrer „Exotik“ verständlicher und<br />
damit zunehmend zu einem wichtigen Teil unserer Wahrnehmung<br />
globaler Bildkultur geworden.<br />
Mit der Ausstellung Positionen japanischer Fotografie hat Camera<br />
Austria 2003 seinen neuen Ausstellungsraum im Kunsthaus<br />
Graz eröffnet: Mit diesem Projekt wurde der Versuch gemacht,<br />
die Arbeit einer jüngeren Generation japanischer Fotokünstlerinnen<br />
und Fotokünstler in einen Kontext der Analyse politischer<br />
und sozialer Entwicklungen zu stellen, die ihrerseits die Vorstellung<br />
dessen, was „Japan“ sein und bedeuten könnte, ständig<br />
revidieren und neu beleuchten. Dieses Projekt verwies aber<br />
auch auf die kontinuierliche Zusammenarbeit zwischen Camera<br />
Austria und japanischen FotografInnen und Institutionen, die,<br />
nicht zuletzt durch die Vermittlung Seiichi Furuyas, bis in die<br />
1970er Jahre zurückreicht. Neben der von Otto Breicha 1976 im<br />
Kulturhaus der Stadt Graz präsentierten Ausstellung Neue<br />
Fotografie aus Japan hat die Arbeit von Camera Austria – 1975<br />
bis 1995 in Ausstellungen und bei Symposien des Fotoreferates<br />
des Forum Stadtpark, seit 1980 auch im Rahmen von Veröffentlichungen<br />
in Buchform sowie in der Zeitschrift – wichtige Impulse<br />
gesetzt und zahlreiche japanische FotografInnen, oft erstmals<br />
außerhalb Japans, dem europäischen Publikum vorgestellt. 1980<br />
wurde mit der Ausstellung Das ist Japan das einflussreiche Werk<br />
von Daido Moriyama gezeigt und in Camera Austria Nr. 2/1980<br />
Christine Frisinghelli, Peter Pakesch 6 7<br />
Asian art and handicrafts have long fascinated Europe<br />
in their exoticism, though Asiatic luxury goods (for<br />
example, Chinese porcelain, Japanese lacquer work,<br />
etc.) were principally candidates for private aristocratic<br />
collections of bizarre exotica (“Wunderkammer”). In Graz,<br />
for example, Prince Johann Anton or his father Johann<br />
Seyfried acquired a valuable Japanese screen between<br />
1670 and 1700. Probably one of the first of its kind in<br />
Europe, this work of art was dismantled some decades<br />
later and used as wall panelling to decorate a “Chinese”<br />
room in Schloss Eggenberg in Graz, where it still is<br />
today. The history of the screen, which has recently<br />
been restored, is still being researched. It contains genre<br />
scenes with numerous figures, and is probably a rare,<br />
particularly high-quality depiction of the city of Osaka<br />
and the sumiyoshi shrine. The original Japanese motifs<br />
and the opulent gold decoration seemed to convey to<br />
contemporaries the impression of a precious, exotic<br />
magical world. These days we are more informed as to<br />
the great artistic value of the scenes and are in a better<br />
position to interpret them. In modern Europe, Japanese<br />
art has become increasingly known following several<br />
waves of fashionable interest, so that its “exoticism” is<br />
also better understood and therefore more and more an<br />
important part of our perception of global visual culture.<br />
In 2003, Camera Austria opened its new exhibition room<br />
at the Kunsthaus Graz with an exhibition on Japanese<br />
photographers entitled Positions in Japanese Photography.<br />
In this project, an attempt was made to place the work<br />
of a younger generation of Japanese photographic artists<br />
in a context analysing political and social developments,<br />
with the idea that it would contribute to an ongoing<br />
updating and illumination of what “Japan” is and could<br />
mean to us. The project also drew attention to the<br />
continuous collaboration between Camera Austria and<br />
Japanese photographers and institutions that dates back<br />
to the 1970s, not least thanks to the efforts of Seiichi<br />
Furuya. Following the exhibition of recent Japanese<br />
photography (New Photography from Japan) put on by<br />
Otto Breicha at the city of Graz’s Kulturhaus in 1976,<br />
the work of Camera Austria has shown the way. From<br />
1975 to 1995 this involved exhibitions and symposia in<br />
the Forum Stadtpark photographic department, and<br />
since 1980 publishing has been equally important, with<br />
books and periodicals likewise doing their bit to introduce
Japanischer Paravent aus<br />
dem 17. Jahrhundert (Detail)<br />
Japanese screen from the<br />
17th century (detail)<br />
publiziert, 1984 folgte eine erste europäische Retrospektive auf<br />
das die japanische Nachkriegszeit exemplarisch thematisierende<br />
Werk des Dokumentaristen Shomei Tomatsu, und 1992 wurde<br />
mit der Ausstellung Akt-Tokyo, 1971–1991 erstmals außerhalb<br />
Japans eine Einzelausstellung von Nobuyoshi Araki organisiert,<br />
die in der Folge die internationale Bekanntheit Arakis mit<br />
begründen sollte.<br />
Insbesondere Toshiharu Ito hat sich als Kulturtheoretiker und<br />
Autor immer wieder als Vermittler betätigt und seine Netzwerke<br />
zur Verfügung gestellt. Zahlreiche Veröffentlichungen und Ausstellungsprojekte<br />
japanischer KünstlerInnen hat er unterstützt<br />
und als Autor zeitgenössische japanische Positionen dem westlichen<br />
Publikum zugänglich gemacht und die Frage reflektiert,<br />
unter welchen kulturellen Vorzeichen die aktuellen künstlerischen<br />
Produktionen angesichts eines hoch entwickelten und damit<br />
schon wieder brüchig gewordenen kapitalistischen Systems<br />
stehen, welche Spannungen und Brüche sich mit dem Aufrechterhalten<br />
einer Tradition, wie sie die japanische Moderne hervorgebracht<br />
hat einerseits und den aktuellen sozialen Problemen<br />
und dem kulturellem Verfall insbesondere in den Großstädten<br />
andererseits, auftun.<br />
So ist auch das Projekt Chikaku – Zeit und Erinnerung in Japan<br />
von Toshiharu Ito für eine europäische Präsentation entwickelt<br />
worden: 2002 haben die ersten Gespräche für die Realisierung<br />
dieses ehrgeizigen Vorhabens stattgefunden, die 2003, anlässlich<br />
der Eröffnung des Kunsthaus Graz, in ein konkretes Arbeitsvorhaben<br />
mündeten und schließlich auch zur Zusammenarbeit mit<br />
The Japan Foundation geführt haben.<br />
Japan hat nicht dieselben Phasen der Moderne durchschritten<br />
wie der Westen. Tatsächlich ist erst in den 70er Jahren des<br />
19. Jahrhunderts, der Meiji-Periode, in Japan mit der europäischamerikanischen<br />
Kultur auch eine Vorstellung von „Kunst“ im<br />
westlichen Sinn eingeführt worden. Die davor herrschenden<br />
ästhetischen Konzepte bezogen sich stets auf Stimmungen<br />
und Eindrücke; es gab keine Wertvorstellungen, die sich auf die<br />
Logik westlicher Konzepte wie Ethik, Rationalität, Harmonie oder<br />
Erhabenheit stützten; Künstler war, wer die Fähigkeit besaß,<br />
das Schöne auszudrücken. Es gab keinen Gegensatz zwischen<br />
der Natur und dem, was der Mensch künstlich hervorbrachte<br />
oder ausdrückte. Gerade im Blick auf die Kunst der letzten 50<br />
Jahre, deren Diskussion sich die Ausstellung Chikaku widmet,<br />
ist es interessant danach zu fragen, inwieweit japanische<br />
KünstlerInnen Themen aufgreifen, die in der japanischen bzw.<br />
numerous Japanese photographers to a European public,<br />
often for the first time. In 1980, an exhibition called This is<br />
Japan exhibited the influential work of Daido Moriyama,<br />
which was written up in Camera Austria no. 2/1980,<br />
while in 1984 came the first European retrospective of<br />
documentary photographer Shomei Tomatsu, which<br />
focused on aspects of post-war Japan. In 1992 it was<br />
the turn of Nobuyoshi Araki, who had a solo show called<br />
Akt-Tokyo, 1971–1991 (Tokyo Nude) his first exhibition<br />
outside Japan and the beginning of an international<br />
career.<br />
Art critic and culture writer Toshiharu Ito has been particularly<br />
active in establishing links and making his network<br />
of contacts available. He has supported numerous publications<br />
and exhibition projects dealing with Japanese<br />
artists, and his writings have done much to make contemporary<br />
Japanese work known to the western public,<br />
particularly with regard to the issues of how current<br />
artistic output copes with a highly developed capitalist<br />
system that has gone awry in places. In addition he<br />
explores the tensions and fault lines that have to be<br />
managed to sustain a tradition created by Japanese modernism,<br />
and on the other hand, the rise of topical social<br />
problems and cultural decline, particularly in major cities.<br />
The present project by Toshiharu Ito, Chikaku – Time and<br />
Memory in Japan, was likewise organised for a European<br />
exhibition. The first discussions for implementing this<br />
ambitious scheme took place in 2002, and in 2003 this<br />
culminated in a specific work proposal and finally collaboration<br />
with The Japan Foundation.<br />
Japan did not go through the same stages of modernism<br />
as the West. The actual concept of “art” in the western<br />
sense was not introduced until the 1870s, during the Meiji<br />
period, when European and American cultures made their<br />
first inroads into Japan. The aesthetic concepts prevailing<br />
before that always related to moods and impressions.<br />
There were no moral concepts based on western notions<br />
such as ethics, rationalism, harmony and the sublime.<br />
An artist was someone who could give shape to beauty.<br />
There was no contrast between nature and what man<br />
produces and expresses artificially. It is an interesting<br />
subject, particularly with regard to the art of the last 50<br />
years (which is the subject of Chikaku) to look at what<br />
Japanese artists have or haven’t done with subject matter
asiatischen Kultur begründet sind und – wenn ja – in welcher<br />
Weise diese von westlichen Rezeptionszusammenhängen beeinflusst<br />
sind. Gerade angesichts des „Japanbooms“ der letzten<br />
Jahre in Europa ist aber auch die Frage interessant, welche<br />
Interpretationen dieses Ausstellungsprojekt, das ja auch die<br />
Diskussion dieser Fragestellungen und die konkrete Zusammenarbeit<br />
zwischen japanischen und europäischen Kuratoren<br />
thematisiert, ermöglichen würde.<br />
Europas Auseinandersetzung mit dem „Fernen Osten“ hat eine<br />
lange Tradition: Das Faszinosum Japan in all seiner Widersprüchlichkeit<br />
und Ambivalenz erreichte im letzten Jahrhundert immer<br />
wieder beinahe mythische Dimensionen. Während einerseits<br />
viel von wirtschaftlichen Erfolgen und allgemeinen kulturellen<br />
Differenzen gesprochen wurde und wird, so ist andererseits<br />
unser Wissen in kulturellen Bereichen eher bruchstückhaft,<br />
fragmentarisch und oft auch von Klischees beeinflusst geblieben.<br />
Wenngleich der japanische Film immer wieder besondere Aufmerksamkeit<br />
genießt, die zeitgenössische Literatur in bestimmten<br />
Maßen rezipiert wird und die Populärkultur in unterschiedlichen<br />
Formen zwischen Manga und Tamagotchi vor allem bei<br />
der Jugend durchaus präsent ist, so gibt es doch kaum einen<br />
konzisen Überblick über die aktuelle Kunst des Landes. Konzeptuelle<br />
Kunst und Fotografie sowie eine Kunst, die sich aus<br />
dem Populären ableitet, tauchen bei diversen Großausstellungen<br />
immer wieder auf. Es ist eine überaus heterogene Szene, die<br />
sich in den letzten beiden Jahrzehnten mit großer Geschwindigkeit<br />
und Geschmeidigkeit in das globale Kunstsystem eingefügt<br />
hat. Was im <strong>englisch</strong>sprachigen Raum als „Japaneseness“<br />
bezeichnet wird, wird mehr und mehr zum globalen Begriff, der<br />
das gesteigerte Interesse an der Wahrnehmung japanischer<br />
Kunst außerhalb Japans ausdrückt.<br />
Ein derart komplexes und vielschichtiges Ausstellungsprojekt<br />
wie Chikaku wirft eine ganze Reihe von Fragestellungen und<br />
Problemen auf, die angesichts der heute zunehmend „global“<br />
zu verstehenden Kunstpraxis in einem besonderen Licht gesehen<br />
werden müssen. Warum widmen wir uns ausgerechnet einem<br />
Land und seiner Kunst? Warum lassen wir eine nationale<br />
Betrachtungsweise zu? Haben sich solche Ausstellungsmodelle<br />
nicht überlebt, vor allem angesichts einer zunehmenden Dynamik<br />
der künstlerischen Entwicklungen in Ostasien? – Gerade hier<br />
lohnt es sich jedoch, den Blick zu schärfen und das Interesse auf<br />
ein Land und Aspekte seiner Kunst zu fokussieren. Und gerade<br />
auf diese Weise ist es vielleicht möglich, mehr von der Gesamtheit<br />
der reichen kulturellen und künstlerischen Besonderheiten<br />
Christine Frisinghelli, Peter Pakesch 8 9<br />
rooted in Japanese or Asiatic culture and how their<br />
approach might have been influenced by incoming<br />
western influences. Conversely, in view of the European<br />
interest in all things Japanese in recent years, it proved<br />
fascinating to see what interpretations this exhibition<br />
project, which also looks at the debate on these issues<br />
and the specific collaboration between Japanese and<br />
European curators, would come up with.<br />
Europe’s fascination with the Far East has a long tradition.<br />
The obsession with Japan in all its contrariness and<br />
ambivalence attained almost mythical proportions time<br />
and again during the last century. There was and is much<br />
talk of economic achievements and general cultural differences,<br />
but it is also true that our knowledge of cultural<br />
matters tends to be rather fragmentary and patchy, and<br />
often stuck in a forest of clichés. Although the Japanese<br />
cinema has been a steady draw, contemporary literature<br />
has gone down quite well from time to time and popular<br />
culture in sundry forms ranging from Manga to Tamagotchi<br />
has been a hit especially with the young, art has<br />
done less well. Indeed it would be difficult to give a<br />
concise overview of current developments in Japanese<br />
art. Conceptual art and photography (an art derived<br />
from popular culture) crop up over and again in various<br />
major exhibitions. Overall, it is a thoroughly heterogeneous<br />
picture that has been absorbed into the global<br />
art system at great speed and with great flexibility in the<br />
last two decades. What might be called “Japaneseness”<br />
in the English-speaking world is becoming more and<br />
more of a global concept, an expression of the enhanced<br />
interest in the perception of Japanese art outside Japan.<br />
A complex and multi-layered exhibition project such<br />
as Chikaku throws up a whole series of questions and<br />
problems that, in view of the increasingly global art trade,<br />
have to be seen in a particular light.. What is it that<br />
prompts us to look specifically at a country and its art?<br />
Why do we admit a national way of looking at things?<br />
Are exhibition concepts of this kind not a thing of the past,<br />
particularly in view of the increasing dynamism of artistic<br />
developments in East Asia? – But this is just where we<br />
need to narrow our gaze and focus our attention on a<br />
particular country and aspects of its art. And this is also<br />
the way to glean a better understanding of the totality<br />
of its rich cultural and artistic characteristics.
zu verstehen. Das führt uns zur Frage, die für das Projekt zum<br />
Schlüssel wird: Wie kann das Spezifische einer geografisch<br />
definierten kulturellen Gesamtheit auf differenzierte Weise<br />
repräsentiert werden? Spielen unterschiedliche Geschichten<br />
und Traditionen heute noch eine Rolle?<br />
Wahrnehmung, Zeit und Erinnerung wählte Toshiharu Ito als<br />
zentrale Begriffe für diese Ausstellung, die eine Annäherung an<br />
die sehr unterschiedlichen künstlerischen Positionen dieser Ausstellung<br />
ermöglichen sollen. Der Zeitraum des Entstehens dieser<br />
Arbeiten seit den 1950er Jahren bis in die Gegenwart allein<br />
ergibt bereits ein breit gefächertes Spektrum, zudem werden<br />
international sehr präsente Positionen wie Hiroshi Sugimoto,<br />
Yayoi Kusama oder Yoko Ono mit Werken konfrontiert, die es<br />
für den Westen erst zu entdecken gilt, wie z. B. die frühen<br />
ethnologischen Studien des Bildhauers Taro Okamoto oder die<br />
erst in den letzten Jahren wieder präsenten fotografischen<br />
Arbeiten von Takuma Nakahira.<br />
Die höchst divergierenden medialen und konzeptuellen Ausrichtungen<br />
der gezeigten Künstlerinnen und Künstler spiegeln sich<br />
auch in der speziellen, von Makoto Sei Watanabe entwickelten<br />
Ausstellungsarchitektur wider, die sich auf völlig neue Art und<br />
Weise in die spektakuläre Architektur des Kunsthaus Graz einfügt.<br />
Chikaku bietet den Besucherinnen und Besuchern keine eindeutigen<br />
Antworten – es sind im besten Sinn des Wortes Annäherungen:<br />
Annäherungen an ein faszinierendes Land mit einer<br />
besonders reichen Tradition und einer ungemein vitalen und<br />
dynamischen künstlerischen Szene. Diese Vielgestaltigkeit einem<br />
breiten Publikum zu präsentieren, ist das Ziel der Ausstellung.<br />
This in turn leads on to the question that is at the heart<br />
of the project: how can the specific features of a geographically<br />
defined cultural totality be represented in a<br />
differentiated way? Do different histories and traditions<br />
still have any part to play these days?<br />
Toshiharu Ito selected perception, time and memory<br />
as core concepts for the exhibition in order to embrace<br />
the widely different artistic positions that this exhibition<br />
comprises. The works on show range from 1950s pieces<br />
to present-day work. That is in itself a broad enough<br />
spectrum, but in addition there are the internationally<br />
well established positions of artists such as Hiroshi<br />
Sugimoto, Yayoi Kusama or Yoko Ono to be contrasted<br />
with works that the West still has to discover such as<br />
the early ethnological studies of sculptor Taro Okamoto<br />
or the photographic works of Takuma Nakahira, which<br />
have become familiar only in recent years.<br />
The very divergent media and conceptual orientation of<br />
the artists involved in the exhibition are reflected in the<br />
exhibition architecture specially developed by Makoto Sei<br />
Watanabe, which dovetails with the spectacular architecture<br />
of the Kunsthaus Graz in a completely new way.<br />
Chikaku offers visitors no simple answers. What it provides<br />
are ways of having a closer look at a fascinating<br />
country with a particularly rich tradition and an uncommonly<br />
vital and dynamic artistic scene. Presenting this<br />
diversity to a broad public is the aim of this exhibition.
Christine Frisinghelli, Peter Pakesch 10 11
Japan Foundation<br />
Über Chikaku:<br />
Zeit und Erinnerung in Japan<br />
About Chikaku:<br />
Time and Memory in Japan
Die Japan Foundation ist sehr erfreut darüber, die Ausstellung<br />
Chikaku – Zeit und Erinnerung in Japan in Graz, der zweitgrößten<br />
Stadt Österreichs, und in Vigo, Spanien, organisiert haben zu<br />
können. Die Ausstellung, die zeitgenössisches japanisches Kunstschaffen<br />
seit den 1950er Jahren präsentiert, ist einer der Programmpunkte<br />
im Rahmen des „Japan-EU-Jahres der Begegnung 2005“.<br />
Kuratiert von Toshiharu Ito laufen die Vorbereitungen für Chikaku –<br />
Zeit und Erinnerung in Japan seit Dezember 2003. Worauf Ito im<br />
Zuge der Zusammenstellung dieser Ausstellung zeitgenössischer<br />
japanischer Kunst besonderes Augenmerk gelegt hat, war der<br />
äußerst abstrakte Begriff „chikaku“ (oft vage als „Wahrnehmung“<br />
übersetzt). Zunächst einmal hat eben dieser Begriff „chikaku“<br />
eine weit gefasste Bedeutung: Beginnend mit der Psychologie,<br />
wo er den Akt beschreibt, ein Ding als Ding zu erkennen, bis hin<br />
zu seinem kulturellen Zusammenhang, einem Ding Bedeutung<br />
zuzuschreiben, kann dieser Begriff in viele Richtungen gedeutet<br />
werden. Innerhalb dieses weit gefassten Begriffsfelds von „chikaku“<br />
konzentriert sich die Ausstellung auf die Begriffe „Zeit“ und<br />
„Erinnerung“ in Japan, einem Land, das beginnend mit den 1970er<br />
Jahren ein rasantes Wirtschaftswachstum auf höchstem Niveau<br />
erlebt hat. Die Ausstellung unternimmt den Versuch, „Zeit“, so<br />
wie sie in den verschiedensten Formen, wie Fotografien, Skulpturen,<br />
Gemälden und Installationen, dargestellt wird, näher zu<br />
untersuchen.<br />
Ausgehend von der „vierten Dimension“ – jener magischen Form<br />
der Wahrnehmung, die Taro Okamoto 1952 im wilden, archaischen<br />
Formgefühl entdeckt hat, das so charakteristisch für die<br />
prähistorischen Tongefäße aus der Jomon-Zeit ist – gehen zeitgenössische<br />
japanische Kunstwerke seit den 1970er Jahren der<br />
Frage nach, wie die Wahrnehmung als „vierte Dimension“, als<br />
leidenschaftlicher Dialog zwischen der Wirklichkeit und Mächten<br />
jenseits der Wirklichkeit, auf einer Ebene, die man als Japans<br />
„kollektives Unbewusstes“ bezeichnen könnte, überliefert worden<br />
ist. Wir hoffen, dass der Besuch dieser Ausstellung Ihnen gewissermaßen<br />
ein Gefühl für japanische „Wahrnehmung“ geben wird.<br />
Diese Ausstellung im Kunsthaus Graz legt auch eine neue Methode<br />
nahe, einen Ausstellungsraum zu nutzen, die sich vom zeitgenössischen<br />
Konzept der Galerie als „White Cube“ gänzlich unterscheidet.<br />
Wir möchten, dass Sie die vom Architekten Makoto<br />
Sei Watanabe gestaltete Rahmung des Raumes als dynamischen<br />
Ort erfahren, der den verschiedenen Kunstwerken als Ort der<br />
Begegnung dient.<br />
Die Globalisierung sorgt schon seit langem für heftige Proteste,<br />
und wenn wir von der Annahme ausgehen, die noch nie da<br />
Vorwort 12 13<br />
The Japan Foundation is delighted to have been able<br />
to organize Chikaku – Time and Memory in Japan in<br />
Graz, Austria’s second largest city and in Vigo, Spain.<br />
This exhibition, which presents contemporary art produced<br />
in Japan since the 1950s, is one of the events in<br />
the “Japan-EU Year of People-to-People Exchange 2005.”<br />
Chikaku – Time and Memory in Japan has been in<br />
preparation since December 2003, under the curatorship<br />
of Toshiharu Ito. What drew Ito‘s attention as<br />
he was putting together this presentation of Japanese<br />
contemporary art was the extremely abstract concept<br />
of “chikaku” (often loosely translated as “perception”).<br />
To begin with, the very concept of “chikaku” has a<br />
broad meaning: it can be interpreted as everything<br />
from its psychological sense as the act of recognizing<br />
a thing as a thing, to its cultural context of attaching<br />
meaning to a thing. Within the broad concept of<br />
“chikaku”, the exhibition focuses on the notions of “time”<br />
and “memory” in Japan, a nation that achieved a high<br />
level of rapid economic growth beginning in the 1970s.<br />
The exhibition is an attempt to examine “time” as<br />
represented in various forms, including photographs,<br />
video, paintings, and installations.<br />
Taking off from the “fourth dimension” – the magical<br />
type of perception that Taro Okamoto discovered in 1952<br />
in the wild, primitive sense of form that characterizes<br />
prehistoric Jomon-era earthenware vessels – Japanese<br />
contemporary art works since the 1970s have been<br />
investigating the question of how perception of “the<br />
fourth dimension”, the fierce dialogue between reality<br />
and forces beyond reality, has been handed down in<br />
what we might call Japan’s “collective unconscious”. We<br />
hope that viewing this exhibition will in some measure<br />
give you a sense of Japanese “perception”.<br />
This exhibition at Kunsthaus Graz also suggests a<br />
new method for using an exhibition space that differs<br />
entirely from today’s concept of the gallery as a “White<br />
Cube”. We want you to experience the way that architect<br />
Makoto Sei Watanabe takes full advantage of the<br />
Kunsthaus, framing the space as a dynamic venue<br />
that serves as meeting place for the various artworks.<br />
People have been clamoring about globalization for<br />
a long time, and if we assume that the unprecedented
gewesene rasante Entwicklung des Verkehrs und der Informationsübermittlung<br />
habe die Welt in immer größere Gleichförmigkeit<br />
und Gleichartigkeit getrieben, dann müssen wir uns fragen, ob<br />
Japan als Nation noch irgendeine Bedeutung hat. Und was<br />
versteht man nun unter dem Begriff „japanische Kultur“? Chikaku –<br />
Zeit und Erinnerung in Japan wurde als Versuch konzipiert, diese<br />
Fragen einer neuerlichen Überprüfung zu unterziehen. Selbst<br />
wenn der Rahmen von Japan als Nation verschwindet – es<br />
entsteht etwas daraus, dass man dieselbe Sprache spricht oder<br />
Erfahrungen und Emotionen teilt, die sich wiederum daraus<br />
ergeben, dass man dieselbe Sprache spricht. Die Reflexion über<br />
„Richtungen“ und „Tendenzen“ innerhalb des kulturellen Klimas,<br />
das Sprache, Land und Wetter einschließt, kann eine äußerst<br />
zeitgemäße Form darstellen, wie man inmitten einer Welt, die sich<br />
im Prozess der Globalisierung befindet, Besorgnis ausdrückt.<br />
Seit ihrer Gründung 1972, mit dem Ziel, die japanische Kultur im<br />
Ausland vorzustellen, hat Japan Foundation mit zahlreichen<br />
Museen rund um den Erdball zusammengearbeitet und eine<br />
Vielzahl an Ausstellungen organisiert, die verschiedensten Schwerpunkten<br />
gewidmet waren – von traditionellem japanischem<br />
Kunsthandwerk über zeitgenössische Kunst und Architektur bis<br />
hin zu zeitgenössischem Design. Dass wir heuer die Gelegenheit<br />
haben, eine groß angelegte Ausstellung zu organisieren, die Japan<br />
in der Weltkulturstadt Graz und in Vigo in der spanischen Region<br />
Galizien präsentiert, war schließlich eine der Früchte dieser Programme.<br />
Ermöglicht wurde dies durch den unermüdlichen Einsatz<br />
der ausgestellten Künstlerinnen und Künstler, der Museen, der<br />
Eigentümer der Werke, der Galerien und aller anderen, die an<br />
diesem Projekt beteiligt sind. Wir möchten allen Beteiligten<br />
unseren tief empfundenen Dank bekunden. Japan Airlines und<br />
Toho Tenax Co., Ltd. verdienen eine besondere Erwähnung für ihre<br />
Unterstützung dieses Projekts, und wir möchten auch ihnen an<br />
dieser Stelle ganz besonders danken.<br />
rapid development of transportation and information<br />
transmission has pushed the world toward greater conformity<br />
and homogeneity, we have to wonder whether<br />
the nation of Japan still has any meaning. And what<br />
does the term “Japanese culture” mean? Chikaku –Time<br />
and Memory in Japan was created as an attempt to<br />
reexamine these questions. Even if the framework<br />
of the nation of Japan disappears, something arises<br />
from sharing the same language or from possessing<br />
common experiences and emotions that arise from<br />
using the same language. Thinking about the “directions”<br />
and “tendencies” that exist in the cultural climate that<br />
comprises language, land, and weather, can be an<br />
extremely timely way of expressing concern in the midst<br />
of a world that is being globalized.<br />
Ever since it was founded in 1972 for the purpose<br />
of introducing Japanese culture overseas, The Japan<br />
Foundation has cooperated with many museums<br />
around the world to organize a variety of exhibitions<br />
concerning everything from traditional arts and crafts<br />
to contemporary art, architecture, and design. One<br />
of the fruits of these programs has been this year‘s<br />
opportunity to organize a large-scale exhibition to<br />
present Japan to the World Heritage City of Graz and<br />
to Vigo, in the Galicia region of Spain. This has been<br />
made possible through the tireless efforts of the exhibited<br />
artists, the museums, the owners of the works, the<br />
galleries, and everyone else involved in this project.<br />
We would like to express our heartfelt thanks to everyone<br />
concerned. Japan Airlines and Toho Tenax Co., Ltd.<br />
deserve particular mention for their cooperation in<br />
this venture, and we would like to take this opportunity<br />
to express our gratitude.
Vorwort 14 15
Toshiharu Ito<br />
Die Vierte Dimension der Wahrnehmung:<br />
Neue Koordinaten für japanische zeitgenössische Kunst<br />
The Fourth Dimension of Perception:<br />
New Coordinates for Japanese Contemporary Art
Japan war bereits seit der Meiji-Restauration im Jahre 1868 jenes<br />
asiatische Land, das sich am schnellsten modernisierte, doch nach<br />
dem Zweiten Weltkrieg brachten neuerliche Veränderungen eine<br />
nie da gewesene, von Geschwindigkeit berauschte Welt der Rekorde<br />
mit sich. Dennoch haben sich die Japaner, ihrer Gesellschaft der<br />
Geschwindigkeit und des Wandels zum Trotz, ein unwandelbares<br />
Körpergefühl und eine Bodenständigkeit erhalten. Während die Geschwindigkeit<br />
den Kern der Wahrnehmung bildet, ruft die Zeit gleich<br />
einer Mauer eine starke körperliche Reaktion hervor. Dieses Körpergefühl<br />
macht sich eher als Trägheit bemerkbar. Die Aufmerksamkeit<br />
richtet sich erstmals auf die inneren Vorgänge beim Verstreichen<br />
der Zeit, wobei die Trägheit besondere Beachtung erfährt. Die Verzögerung,<br />
welche der Geschwindigkeit entkommen ist, scheint mit dem<br />
Wesen der japanischen Wahrnehmung oder dem kollektiven Unbewussten<br />
Japans eng verbunden zu sein. Wird aber die Verzögerung<br />
Schritt für Schritt weiter ausgedehnt, stößt sie schlussendlich in<br />
den Bereich der Zeitlosigkeit vor. Geschwindigkeit und Verzögerung –<br />
Japan lebt diese beiden Extreme zur gleichen Zeit und verkörpert<br />
ihren Dualismus in vielfältigen Verhaltensweisen.<br />
Auch die japanische Kunst hat sich von der Mitte des 20. bis ins<br />
21. Jahrhundert dem „Geschwindigkeits-Raum“ des rasanten<br />
Wandels gestellt und dabei diesem Dualismus Ausdruck verschafft.<br />
In gewissem Sinne könnte es sogar sein, dass das Sich-Hindurchwinden<br />
durch die doppelte Struktur der Wahrnehmung zu einem entscheidenden<br />
Faktor geworden ist, der der japanischen Kunst ihren<br />
besonderen Charakter verleiht.<br />
Verschmelzungen von heftig bewegten Dingen und unbeweglichen<br />
Dingen, vielfältige Verdrehungen des Realitätssinns, anti-perspektivische<br />
Deformationen und Krümmungen, Materialisierungen eines<br />
besonderen Gedächtnisses, der geschärfte Sinn gegenüber dem<br />
leeren Raum, Blickpunkte, die Vergangenheit und Gegenwart gleichzeitig<br />
erfassen, Wechselspiele von Realität und Illusion, usw., usw. –<br />
vielleicht sind es diese Gesten, aus denen die Charakteristika der<br />
japanischen Kunst entstanden sind und die der japanischen Kunst<br />
ihre besondere Identität verleihen. Die Ausstellung Chikaku – Zeit<br />
und Erinnerung in Japan stellt sich in den Strom der japanischen<br />
Gegenwartskunst aus einem halben Jahrhundert und versucht, aus<br />
vielfältigen Blickpunkten die heutige Bedeutung der genannten<br />
Charakteristika der japanischen Kunst zu ergründen.<br />
Zunächst möchte ich mich einem der Ausgangspunkte der japanischen<br />
Gegenwartskunst zuwenden. Beginnen wir mit einer bestimmten<br />
Fotografie von Taro Okamoto (1911–1996), der, obwohl in der<br />
westlichen Kunstwelt weitgehend unbekannt, in Japan mittlerweile zu<br />
den Begründern der zeitgenössischen Kunst gezählt wird. Es handelt<br />
Toshiharu Ito 16 17<br />
Starting from the 1868 Meiji Restoration, Japan<br />
modernised earliest and most rapidly among the<br />
nations of Asia; especially since World War II, Japan<br />
has undergone unparalleled transformations and<br />
brought forth new economic realities with record<br />
speed. Yet despite these rapid changes, the Japanese<br />
still preserve their own physically and culturally<br />
grounded way of life. Speed is in perception, even<br />
as our bodies run up against the time barrier and<br />
recoil sharply, giving us a physical sense rather of<br />
slowness, of duration. Within such experiential time,<br />
we tend to stress those things first internalised, and<br />
therein the significance of duration is most keenly<br />
noticed. The escape from speed into extensive time<br />
bears deeply upon quintessential Japanese perceptions<br />
and collective unconsciousness, slowing ever<br />
further asymptotically toward timelessness. Speed<br />
and perpetuity: two coexistent poles of the Japanese<br />
psyche, a duality embodied in diverse gestures and<br />
behaviours.<br />
Japanese art has also confronted the rapid changes<br />
of late twentieth to twenty-first century speed-space,<br />
and brought forth many expressions of this duality.<br />
Indeed, the view through such dyadic perceptual<br />
structures would seem to constitute a major distinguishing<br />
factor in Japanese art.<br />
The fusion of vibrant flux with the immutable into a<br />
vertiginous sense of multi-layered being, the counterperspective<br />
transformations and distortions, the<br />
material register of memory, the keen focus upon<br />
voids and negative space, the simultaneous pastpresent<br />
vision, the interplay of reality and fantasy –<br />
these special characteristics, the very identity of<br />
Japanese art may well derive from the multi-mode<br />
manner in which the Japanese live. This exhibition<br />
examines from various viewpoints these special<br />
characteristics of Japanese art over the last fifty<br />
years in order to discover their renewed meaning<br />
today.<br />
Hereupon, I would first like to trace one of the origins<br />
of Japanese contemporary art. Let us begin with<br />
one photographer: although largely unknown abroad,<br />
surely one of Japan’s most important contemporary<br />
artists was Taro Okamoto (1911–1996), who in 1956
Fig. 1 Taro Okamoto<br />
Tower of the Sun,<br />
Osaka Expo, 1970<br />
(Außenansicht)<br />
Fig. 1 Taro Okamoto<br />
Tower of the Sun,<br />
Osaka Expo, 1970<br />
(Exterior)<br />
Fig. 2 Taro Okamoto<br />
Tower of the Sun,<br />
Osaka Expo, 1970<br />
(Innenansicht)<br />
Fig. 2 Taro Okamoto<br />
Tower of the Sun,<br />
Osaka Expo, 1970<br />
(Interior)<br />
sich um die Ablichtung eines merkwürdigen Tongefäßes, das Okamoto<br />
1956 fotografierte. Es ist weder ein „Kunstfoto“ noch eine Aufnahme<br />
von Okamotos eigenen Skulpturen oder Gemälden, sondern die<br />
Fotografie eines mehrere tausend Jahre alten Gefäßes aus der japanischen<br />
Jomon- („Schnurkeramik“) Kultur: ein dynamisch gewundener<br />
Haufen von rohen, hervorquellenden Kurvenlinien. Okamoto<br />
war in der Zwischenkriegszeit zu Studienzwecken nach Paris gegangen,<br />
hatte dort unter Marcel Mauss, dem Pionier der französischen<br />
Ethnologie, studiert und stand mit Georges Bataille und Michel Leiris<br />
in freundschaftlichem Kontakt. Bevor er kriegsbedingt nach Japan<br />
zurückkehrte, hatte er bereits zahlreiche Werke ausgestellt. Bald nach<br />
Kriegsende, ab den 1950er Jahren, machte er sich daran, Japan<br />
neu zu entdecken, und bereiste mit seiner Kamera das ganze Land.<br />
Am Ende der Reise gelangte er zu einer bestimmten Vorstellung<br />
vom Fundament der japanischen Seelenlandschaft: Es war nicht die<br />
Ansicht eines einheitlichen, ordentlichen, förmlichen Japan, sondern<br />
der Blick auf ein Japan voll ungeahnter Vitalität und Lebhaftigkeit.<br />
Oder vielmehr etwas, das über den Begriff Japan hinausging, etwas,<br />
das von jener Geschichte und Tradition, die vom so genannten Altertum<br />
bis in die Gegenwart reichen, verschieden war und aus einem<br />
noch tiefer liegenden Fluss schöpfte. Was dieses Japanbild Okamotos<br />
klar zum Ausdruck brachte, war die Jomon-Keramik, die die ehemaligen<br />
Grenzen des bewohnten Japan, nämlich die Tohoku-Region<br />
im äußersten Norden der Hauptinsel Honshu und die Inseln von<br />
Okinawa im äußersten Süden auf einer tiefen Ebene miteinander<br />
verband. Okamoto war erfüllt von der Idee des Ursprungs der japanischen<br />
Kunst. Wo nahm die Kunst Japans ihren Anfang? Was ist<br />
die japanische Kunst? Und so eröffneten sich Okamoto auf seiner<br />
Forschungsreise nach den Quellen der japanischen Kunst schließlich<br />
die Gefäße der Jomon-Kultur.<br />
1877 führte der amerikanische Zoologe Edward S. Morse (1838–1925)<br />
Untersuchungen an den Muschelhaufen von Omori in der Bucht<br />
von Tokio durch und förderte dabei eine große Anzahl merkwürdig<br />
geformter Tongefäße zu Tage, die er als Schnurkeramik („jomon“)<br />
bezeichnete. Okamoto unternahm den Versuch, aus diesen rohen,<br />
unharmonischen Gefäßen, die von der japanischen Kunstgeschichte<br />
mit ihrer Beschränkung auf die verfeinerte Wabi-Sabi-Ästhetik lange<br />
ignoriert worden waren, eine mystische Form der Wahrnehmung,<br />
mit der die Japaner vor tausenden Jahren die Welt sahen, herauszulesen.<br />
In dem Aufsatz Dialog mit der Vierten Dimension – Von der<br />
Keramik der Jomon-Zeit (Yojigen no taiwa – jomondoki-ron), der<br />
1952 in der Zeitschrift Mizue erschien und großes Echo hervorrief,<br />
interpretierte Okamoto die schlichten archäologischen Artefakte als<br />
ursprünglichste Form der japanischen Kultur und als primitive Kunst.<br />
Die japanische Jomon-Zeit war eine Kultur der Jäger und Sammler,<br />
photographed a curious earthenware vessel. Not an<br />
“art photograph” per se, nor was it how he, how<br />
Okamoto would have photographed his own sculptures<br />
or paintings. No, Okamoto photographed a<br />
several-thousand-year-old proto-Japanese Jomon<br />
period pot, its dynamically kneaded rough clay form<br />
surging with curves. Having studied abroad in Paris<br />
entre les guerres under the pioneering French anthropologist<br />
Marcel Mauss, he was also well befriended<br />
with writers Georges Bataille and Michel Leiris and<br />
exhibited many artworks before returning home at<br />
the outbreak of World War II. Immediately after the<br />
war Okamoto set about to “rediscover Japan”, travelling<br />
the length of the country with camera in hand<br />
in search of the “indigenous Japanese spirit”. For it<br />
was here, on Japanese soil, that he found his true<br />
vision. No unified scheme of formalised Japanese<br />
socio-aesthetics, his was a bold new gaze on Japan,<br />
impossibly charged with life. Or rather, he transcended<br />
existing notions of Japan to channel a deeper<br />
course “outside” the accepted lineage of Japanese<br />
tradition and history from ancient times to the<br />
present. Okamoto‘s vision of Japan found clear underlying<br />
evidence in rope patterns conjoining the thenmarginal<br />
Tohoku region in the far north of Honshu<br />
with Okinawa located in the extreme south of the<br />
Japanese archipelago. Okamoto‘s probing ques-<br />
tions – where had Japanese art come from? what<br />
was Japanese art? – indeed his very quest for the<br />
wellsprings of Japanese art eventually led him to<br />
rediscover Jomon period pottery.<br />
In 1877, American naturalist and University of Tokyo<br />
professor Edward S. Morse (1838–1925) excavated<br />
the Omori Shell Mounds near Tokyo Bay, and encountered<br />
a great many pieces of strangely shaped<br />
pottery, which he named “jomon” or “rope pattern”<br />
wares. From these brutish shards and inharmonious<br />
pots long disregarded by the “wabi”-refined bird-andflower<br />
schools of Japanese art history, Okamoto<br />
sought to read the mystic perceptions of the proto-<br />
Japanese thousands of years ago. In his controversial<br />
1952 treatise Jomon Pottery: Conversation with<br />
the Fourth Dimension published in the art magazine<br />
Mizue, Okamoto reassessed what had been<br />
considered mere archaeological relics as the most
in der die hauptsächlichen Aktivitäten der Menschen im Kampf und<br />
im Aufspüren von Beutetieren bestanden. Es gab keine andere<br />
Möglichkeit als den Tieren zu folgen, um zu überleben. Die Weltsicht<br />
wurde von der Isoliertheit und Unvorhersehbarkeit bestimmt, und<br />
somit nahmen auch die Tongefäße, die diese Sicht reflektieren, nach<br />
allen Richtungen vorspringende, asymmetrische, unharmonische<br />
Formen an. Es ist unmöglich, diese Formen alle von einem Punkt aus<br />
wahrzunehmen, sondern sie verketten sich erst aus der Sicht einer<br />
umkreisenden Bewegung, in der sich die Wülste und Strudel nach<br />
und nach miteinander verketten und ein jede Vorstellungskraft übersteigendes<br />
dynamisches Bild entfalten. Es ist anzunehmen, dass<br />
die Jäger eine ausgeprägte räumliche Vorstellungskraft entwickelten,<br />
um das Verhalten und die Position der Beutetiere zu orten. Eine<br />
starke dreidimensionale Wahrnehmung war notwendig. Um die Tiere<br />
zu fangen, waren außerdem eine gleichsam den Raum anspringende<br />
geistige Anspannung und Konzentrationsfähigkeit unabdingbar. Diese<br />
Lebensbedingungen bildeten das Fundament jener Wahrnehmung,<br />
die die Jomon-Keramik hervorbrachte. Anders ausgedrückt war laut<br />
Okamoto eine dreidimensionale Wahrnehmung nicht genug, um die<br />
Jomon-Keramik wirklich zu verstehen. Man müsse ihr eher einen<br />
vierdimensionalen Charakter zuschreiben, der über die äußerliche<br />
Realität hinausgeht. Vielleicht sollte man auch besser von einem<br />
magischen statt von einem vierdimensionalen Charakter sprechen.<br />
In der Jomon-Zeit war der gesamte Lebensbereich in Japan durch<br />
eine urtümliche Religion bestimmt. Überall gab es Geister und diese<br />
Geister beherrschten die Welt. Um jene unsichtbaren, die Welt<br />
beherrschenden Mächte zu manipulieren, bediente man sich der<br />
Magie. Die Jomon-Keramik war mit starker magischer Bedeutung<br />
aufgeladen, die mit einer die Realität übersteigenden Dimension aufs<br />
Engste verbunden war. Ihre Formen zeigen nicht bloß die sichtbare<br />
Welt, sondern weisen auf die Verbindungen zwischen der unsichtbaren<br />
und der realen Welt hin. Daher wurde der eindrucksvolle Formen-<br />
reichtum der Jomon-Keramik aus der konkreten Begegnung mit der<br />
Welt des Übernatürlichen geboren. Diese Begegnung war es, die<br />
Okamoto mit dem Begriff „Dialog mit der Vierten Dimension“ auszudrücken<br />
versuchte.<br />
Es hat den Anschein, als ob uns heutigen Menschen diese Konfrontation<br />
mit der vierten Dimension abhanden gekommen wäre. Okamoto<br />
jedoch behauptete, dass auch für uns die dringlichsten Fragen zwar<br />
unsichtbar, aber doch höchst real sind, ähnlich wie für die Jomon-<br />
Menschen ihre übernatürliche Welt.<br />
„Das hat nicht bloß mit Ästhetik zu tun. Die Atombombe explodiert,<br />
die Welt teilt sich in zwei Hälften, es kommt zu mysteriösen<br />
Wirtschaftskrisen. All das hat, wie die Geister der Urgesellschaften,<br />
Toshiharu Ito 18 19<br />
original Japanese cultural forms, declaring them<br />
to be primitive art.<br />
During the Jomon period, the islands of Japan<br />
were populated by hunter-gatherers, whose basic<br />
modes of activity and productivity were fighting<br />
and tracking. In this age of nomadic movement, the<br />
race would have died out if they had not stalked<br />
and followed game: reason enough for the lonely<br />
and arbitrary worldview reflected in the asymmetrical<br />
and disquiet markings they traced upon clay.<br />
These designs were not to be seen from one fixed<br />
vantage point, but demanded an all-round viewing,<br />
the swelling ridges and spirals linking one to the<br />
next to unfurl hyper-imaginative dynamic imagery.<br />
Hunter-gatherer period sensibilities were obviously<br />
attuned to signs of animal movement, combined<br />
with three-dimensional spatial acumen to precisely<br />
grasp the position of their prey. Moreover, in order<br />
to hunt it, they would have needed intense rigour<br />
and presence of mind. Such were the living conditions<br />
that shaped the perceptions behind these<br />
Jomon pots. Furthermore, Okamoto argued, Jomon<br />
pottery could not truly be understood in threedimensional<br />
terms alone; we must also consider<br />
fourth-dimension characteristics that go beyond<br />
its superficial reality, though perhaps “magical<br />
characteristics” might have been a better description.<br />
Life during the Jomon period depended on primitive<br />
religious beliefs and practices. There were spirits<br />
everywhere, in everything; these unseen powers<br />
ruled the world, answering only to acts of magic.<br />
Jomon pottery fairly brimmed with such magical<br />
meanings, emblematised connections to that other<br />
dimension. The shapes and patterns were thus<br />
not just visible renderings of the unseen world, but<br />
pathways between this reality and the spiritual<br />
world beyond. The robust ornamentation of Jomon<br />
wares was born of a powerful communion with<br />
the supernatural, an irrepressible outpouring that<br />
Okamoto called “conversation with the fourth<br />
dimension”.<br />
Today it seems that we have lost the ability to<br />
converse with that fourth dimension. Even though,<br />
Okamoto asserted, we still face invisible but vividly<br />
real and crucial questions much the same as
äußerst reale Folgen für unser Leben, ob zum Guten oder zum<br />
Schlechten. Wenn man die Kunst als davon völlig unabhängig ansieht,<br />
ergibt sich jene sinnlose Kunst um der Kunst willen der heutigen<br />
Zeit.“ (aus: Dialog mit der Vierten Dimension – Von der Keramik der<br />
Jomon-Zeit). Okamoto war überzeugt, dass die Kunst verschwinden<br />
würde, wenn sie nicht auf der Konfrontation mit den dringenden<br />
Problemen der Realität gründete. Er versuchte zu beweisen, dass<br />
der Weg, den die Kunst einschlagen müsste, in der Konfrontation<br />
mit zwar unsichtbaren und doch höchst realen Dingen liege und<br />
dass sie die Realität überwinden müsse ohne in Mystizismus zu verfallen.<br />
Dies offenbarte sich Okamoto unter anderem anhand der<br />
Jomon-Keramik. Indem er ihre Kunst hervorstrich, die in so markantem<br />
Gegensatz zu den ästhetischen Traditionen der folgenden<br />
Epochen stand, forderte er den Ausbruch einer lange verborgenen<br />
Geisteshaltung in der Gegenwart. Er kritisierte damit sowohl den<br />
westlichen Modernismus, der die japanische Kunst und Ästhetik im<br />
Hintergrund dominierte, als auch die formalistische japanische<br />
Ästhetik. Auch sollte man nicht unerwähnt lassen, dass Claude Lévi-<br />
Strauss in der Jomon-Keramik das Geheimnis der japanischen Kunst<br />
erblickte: „Es ist, als ob jedes Gefäß seine endgültige Form bereits<br />
in dem Moment erhält, in dem die kreative Energie erstmals hervorbricht.“<br />
(Vorwort zum <strong>Katalog</strong> der Ausstellung Jomon: l’art du Japon<br />
des origines. Paris: Maison de la Culture du Japon 1998)<br />
In den 1950er und 1960er Jahren unternahm Okamoto mehrfache<br />
Reisen durch ganz Japan, um die Tiefenschichten des japanischen<br />
Gedächtnisses zu erkunden, und dokumentierte die einzelnen<br />
Regionen in Text und Fotografie. Seine Feldforschungen, in denen<br />
er das kulturelle Gedächtnis freilegen wollte, mündeten in Werke wie<br />
Die Wiederentdeckung Japans (Nihon Saihakken), Mystisches Japan<br />
(Shinpi Nihon), Vergessenes Japan (Wasurerareta Nihon), mit denen<br />
er seine ganz persönliche Japan-Theorie kreierte. Über diese gedankliche<br />
Auseinandersetzung gelangte er schließlich nach Okinawa.<br />
Okamoto besuchte Okinawa zum ersten Mal im Jahr 1959. Was ihn<br />
dort am meisten beeindruckte, waren die so genannten „utaki“,<br />
heilige Orte, die durch keinerlei materielle Substanz gekennzeichnet<br />
sind. An diesen „utaki“, wo die Götter vom Himmel herabsteigen,<br />
gibt es weder eine Kultstätte noch einen sakralen Gegenstand noch<br />
eine Statue. Es sind lediglich freie, menschenleere Flächen im Wald,<br />
als ob jemand beiläufig eine Lichtung geschlagen hätte. Unter der<br />
unendlichen Weite des Himmels befanden sich dort lediglich schlichte<br />
Steinquader – ein Anblick, der Okamoto beinahe die Sinne schwinden<br />
ließ. Er verspürte erstmals eine atavistische Erinnerung, die tief<br />
verborgen in seinem Inneren geschlummert hatte.<br />
Seine bloße Anwesenheit konfrontierte ihn mit einer vitalen Zeit,<br />
genügte, um von einer rätselhaften Kraft, die tief mit diesem Ort<br />
those confronted by the Jomon people in their supernatural<br />
world.<br />
“This relates not simply to aesthetics. The atomic<br />
bomb explodes, setting two worlds in opposition<br />
and causing monstrous economic upheaval. All with<br />
very real consequences for our lives, just as spirits<br />
acted for good and evil in primitive society. The futility<br />
of today‘s art for art‘s sake lies in our dismissing<br />
these things as unrelated to art.” (Jomon Pottery:<br />
Conversation with the Fourth Dimension)<br />
Okamoto firmly believed that art was a lost cause<br />
unless it was grounded in coming to terms with this<br />
most ineluctable reality. Confronting this unseen<br />
yet all-too-real dimension without mystifying, but<br />
rather overcoming it was the way forward for art<br />
according to Okamoto.<br />
Jomon pottery was a revelation in that direction.<br />
By highlighting Jomon pottery which is so antithetical<br />
to traditional Japanese aesthetic forms from the<br />
later Yayoi period on, he was calling for the contemporary<br />
eruption of a long-overshadowed spirit. By<br />
doing so, Okamoto sought to criticise both Western<br />
modernism and formalistic Japanese tastes whose<br />
values had virtually dominated Japanese art and<br />
aesthetics. We should also note that no less than<br />
anthropologist Claude Lévi-Strauss praised the mysteries<br />
of Jomon pottery: “Each pot seems to have<br />
been shaped in the very instant its creative energies<br />
burst forth.” (Preface to the 1998 exhibition catalogue<br />
Jomon: l‘art du Japon des origines. Paris: Maison<br />
de la Culture du Japon 1998)<br />
From the 1950s into the 1960s, Okamoto travelled<br />
up and down the length of Japan in search of the<br />
underlying strata of Japan’s memories, recording<br />
his findings in photographs and writings. The results<br />
of this fieldwork, his photos and books Japan Rediscovered:<br />
(Nihon Saihakken), Mystic Japan (Shinpi<br />
Nihon), and Forgotten Japan (Wasurerareta Nihon)<br />
heralded a unique critique of Japan, an attempt to<br />
retrieve long-lost proto-Japanese memories. Eventually,<br />
these ideas led Okamoto to Okinawa.<br />
In 1955, on Okamoto’s first trip to Okinawa, he was<br />
thrilled to discover that the most sacred places<br />
to the Okinawans – spiritual sanctuaries known as
Fig. 3 Daido Moriyama<br />
aus dem Buch<br />
SHASHINYO SAYOUNARA<br />
(A Farewell to Photography),<br />
1972<br />
Fig. 3 Daido Moriyama<br />
from the book<br />
SHASHINYO SAYOUNARA<br />
(A Farewell to Photography),<br />
1972<br />
verwurzelt war, angezogen zu werden. Ein Teil der „utaki“ diente<br />
früher als Ort der Luftbestattung, wo sich die sterblichen Überreste<br />
von unzähligen Toten, die den Elementen überantwortet worden<br />
waren, anhäuften. Eine Welt in reinstes Sonnenlicht des umhüllenden<br />
Firmaments getaucht, in der sich da und dort Löcher in tiefe<br />
Abgründe auftun.<br />
Andere „utaki“ waren Orte, an denen Shamaninnen, die „noro“, ihre<br />
religiösen Zeremonien abhielten. Von den „noro“ herbeigerufen<br />
stiegen die Götter auf den leeren Platz herab und begegneten den<br />
Menschen im durchsichtigen Äther. Die „noro“ waren Medien, die<br />
Menschen und Götter miteinander verbanden, oder auch Personifikationen<br />
des menschlichen Willens. Dank der „noro“ erscheinen die<br />
Götter an einem realen Ort, und wenn sie ihre Zeremonien beginnen,<br />
wird der leere Ort mit einer gewaltigen Kraft aufgeladen.<br />
Okamoto erkannte, dass das, was er bei den „utaki“ am eigenen<br />
Leib verspürte, in Wirklichkeit etwas war, das sich in unglaublichen<br />
zeitlichen Dimensionen unendlich lange fortsetzte. Eine übernatürliche<br />
Kraft kommt auf einen leeren Platz herunter. Für die Inselbewohner<br />
ist es unmöglich, ein Leben zu führen, ohne mit ihr in Berührung zu<br />
kommen. Sie legen Steine auf die „utaki“, die dazu dienen, die unsichtbaren<br />
Kräfte herbeizurufen. Sobald sich der Ort mit der unsichtbaren<br />
Kraft füllt, rufen die Menschen sie mit all ihrer Energie an. Diese<br />
permanent wiederholten Gesten und Gebärden akkumulierten<br />
sich Schicht um Schicht an diesem Ort. Hier kam Okamoto unmittelbar<br />
mit einer Kraftquelle in Berührung, die seine eigene Existenz<br />
erschütterte.<br />
In den 1960er und 1970er Jahren erreichte die wirtschaftliche Hochkonjunktur<br />
Japans ihren Höhepunkt. Auf politischer Ebene spitzte<br />
sich zu dieser Zeit eine Bewegung zu, die im Zusammenhang mit<br />
den amerikanisch-japanischen Sicherheitsverträgen nach gesellschaftlichen<br />
Umwälzungen verlangte. Davon inspiriert wandten sich Fotografen<br />
wie Daido Moriyama und Takuma Nakahira den fundamentalen<br />
Fragen der Wahrnehmung zu und entwickelten hinsichtlich der Schnittstelle<br />
von Bild und Wirklichkeit oder der Aktivität der Wahrnehmung<br />
einen ganz eigenen fotografischen Ausdruck. In ihren außergewöhnlichen<br />
Fotografien setzten sie sich beständig mit den Veränderungen<br />
einer gewalttätigen Zeit auseinander. Damals schrieb der Kritiker<br />
Maurice Pinguet anlässlich seines Besuches in Tokio in den 1960er<br />
Jahren: „Tokio ist zwar keine Stadt ohne Vergangenheit, aber es<br />
scheint keinerlei Gedächtnis oder Erinnerung zu geben, als hätte man<br />
sich mit den rasanten geschichtlichen Veränderungen und fundamentalen<br />
Zerstörungen abgefunden.“<br />
In dieser Zeit großer Umwälzungen veröffentlichten die beiden Fotografen<br />
ein umfangreiches Werk, mit dem sie durch gezielte Unschärfe<br />
Toshiharu Ito 20 21<br />
“utaki” – had no physical substance at all; there<br />
were no objects of worship, no sacred figures or idols<br />
erected there where the gods were said to appear<br />
from the heavens, only deserted tracts of virgin<br />
forest. There under pristine blue skies, a rough square<br />
block of stone on the ground and nothing else was<br />
enough to set Okamoto’s head reeling and awaken<br />
memories long dormant deep within himself.<br />
For indeed, by just being there he encountered time<br />
that was vibrantly alive; by being there he was connected<br />
with powerful forces latent deep within the<br />
earth. In ages past, the dead were left outside<br />
exposed to the elements at some “utaki”, making<br />
them open air burial sites: a realm of brilliant sunlight<br />
dotted with deep dark pits.<br />
Other “utaki” sanctuaries were also where female<br />
shamans called “noro” repeatedly held religious<br />
ceremonies. Summoned by these “noro”, the gods<br />
would descend into thin air at that vacant place,<br />
and come face-to-face with people. As mediums –<br />
or rather as deity-communicating media – “noro”<br />
served as transformations of human will; “noro”<br />
made the gods appear in that location and ceremonially<br />
charge that place with divine power.<br />
Okamoto was physically moved by the sense that<br />
here in the “utaki” was something that had been<br />
passed down since time immemorial, a supernatural<br />
presence that descended upon an empty plot of<br />
land and without which the islanders could not<br />
conduct their lives. People left rocks at the “utaki”,<br />
tokens for beseeching unseen powers, and when<br />
those unseen powers permeated the place, people<br />
became wholly and physically enthused with the<br />
spirit, calling forth the gods. Over countless repetitions,<br />
these gestures and energies had built up<br />
there layer upon layer, a continuity that shook<br />
Okamoto to the very roots of his intuitve being.<br />
From the 1960s into the 1970s, during Japan’s<br />
“era of rapid economic growth”, a time of political<br />
unrest that climaxed in calls for social reform and<br />
protests against the US-Japan Security Pact, photographers<br />
Daido Moriyama and Takuma Nakahira<br />
responded by questioning the fundaments of vision;<br />
by pursuing their own idiosyncratic mode of photo-
Fig. 4 Takuma Nakahira<br />
La nuit 4, ca. 1969<br />
Fig. 4 Takuma Nakahira<br />
La nuit 4, ca. 1969<br />
(„bure-boke“), Nachbelichtungen („halation“), seltsame Perspektiven<br />
und einen eigenen Lichtton den Zustand ihrer Wahrnehmung, die<br />
sich im Raum der Geschwindigkeit abrupt verändert, ausdrücken<br />
wollten. Diese Bilder erregten große Aufmerksamkeit, da sie das<br />
Wesen einer japanischen Wahrnehmung enthüllten, die über den<br />
Rahmen westlicher Darstellungsmedien hinausging.<br />
Daido Moriyama machte erstmals Mitte der 1960er Jahre auf sich<br />
aufmerksam, als er – noch unter dem Einfluss älterer Fotografen<br />
wie Shomei Tomatsu und Eiko Hosoe – Nihon Gekijo (Japan: A Photo<br />
Theater) herausbrachte. Es handelt sich dabei um eine Kollektion<br />
grobkörnig kontrastreicher Bilder aus dem Alltag von japanischen<br />
Schaustellern, die aus den Tiefenschichten des japanischen Gedächtnisses<br />
stammen. Moriyamas „bure-boke“-Fotografie – die groben<br />
Bildpunkte, die sich wie im Tanz über die Bildfläche verteilen, die<br />
verschwommenen, unruhigen Einstellungen, die aufgeblähten<br />
Verzerrungen – ist gleichsam eine unmittelbare Reflexion seiner<br />
gelebten Erfahrungen. Noch vor jeder gedanklichen Reflexion nimmt<br />
er über die Kamera die mit dem eigenen Leben verbundene Realität<br />
wahr. Der Riss zwischen dieser Realität und sich selbst wird zum<br />
Foto. Das Foto entsteht aus einer unmittelbaren, die Realität einfangenden<br />
Aktion, die aus dem eigenen Fleisch und Blut herausgeschnitten<br />
zu sein scheint. Moriyamas „bure-boke“ ist nicht bloß eine<br />
Technik oder ein Stilmittel, sondern resultiert direkt aus seiner Haltung<br />
dem Leben und der Welt gegenüber.<br />
Aus seiner fotografischen Aktivität entwickelte Moriyama außerdem<br />
eine eigene Auffassung des Gedächtnisses. Gedächtnis wäre demnach<br />
keine Wiedergabe der Vergangenheit, sondern etwas Ewiges,<br />
bei dem das Vergangene aus der Sicht der Gegenwart imaginiert<br />
und mittels verschiedener Medien neu zusammengesetzt wird, um<br />
es weiter in die Zukunft zu projizieren. „Für mich geht Gedächtnis<br />
über seinen bloßen Wortsinn hinaus, denn ich glaube, dass es sich<br />
um etwas Größeres, Tieferes handelt. Besser gesagt, ich glaube<br />
nicht, dass es der Vergangenheit angehört, sondern es ist eindeutig<br />
etwas Gegenwärtiges.“ (Daido Moriyama: Erinnerungen eines<br />
Hundes [Inu no Kioku], 1982)<br />
Takuma Nakahira war als Zeitschriftenherausgeber auch für die Fotoseiten<br />
einer Illustrierten verantwortlich, kam dadurch mit Shomei<br />
Tomatsu in Kontakt und begann schließlich selbst zu fotografieren.<br />
Gleichzeitig entwickelte er als Film- und Fotokritiker einen besonderen<br />
Stil und schuf mit seinen Schriften Richtung und Maßstab für die<br />
eigene fotografische Arbeit. Für Nakahira waren Wort und Fotografie<br />
untrennbar miteinander verbunden. 1968 gab er mit Moriyama und<br />
anderen die avantgardistische Zeitschrift Provoke heraus, die unter<br />
der Devise „provokantes Material für das Denken“ stand. Sie widmete<br />
graphic investigations into the active role of seeing<br />
at the juncture of reality and image, and so confronting<br />
the twisted realities of harsh times. When<br />
French academic and critic Maurice Pinguet first<br />
visited Tokyo in the 1960s, he wrote: “Tokyo is not<br />
without a past, yet does not expose those memories;<br />
rather it now assumes the role of speeding up<br />
and utterly annihilating history.”<br />
During this era of tumultuous change, the two photographers<br />
created a huge output of images using<br />
unusual effects – blurring (“bure-boke”), backlit<br />
halos (“halation”), odd perspectives, special light<br />
tones – all in an effort to capture the intensified<br />
look of rapidly distorting speed-space. Their “new<br />
regard”, which offended Western visual media norms,<br />
caused quite a stir with its essentially Japanese<br />
perceptual sensibilities.<br />
Daido Moriyama was influenced by such older<br />
generation photographers as Shomei Tomatsu and<br />
Eiko Hosoe, and garnered acclaim in the mid 1960s<br />
for his Nihon Gekijo (Japan: A Photo Theatre, 1968),<br />
a collection of grainy, high-contrast real life images<br />
of burlesque entertainers from the dark underground<br />
of Japanese memory. The picture plane dancing<br />
with specks, the disquieting hand-held blurs, the<br />
skewed blow-ups – Moriyama’s rough-shot “bureboke”<br />
visions were direct physical reflections of<br />
his way of life, through-the-camera perceptions of<br />
his own innate being and assumed reality prior to<br />
any meaning. Photos cleaved from a sphere between<br />
that reality and his own self, photos cut from his own<br />
flesh and blood in the act of grappling with reality.<br />
The blurs and flares were thus no mere gimmick<br />
or style; they were handholds toward Moriyama’s<br />
stance on life and the world.<br />
Moreover, that act of photographing led him to<br />
a unique idea of memory: to Moriyama, memories<br />
were not flashbacks from times past, but rather<br />
were imagined as watershed moments of the present<br />
bordering on the past, recomposed via different<br />
media so as to project into the future. Were there<br />
not, he wondered, immediate eternities? “For me,<br />
memory goes beyond the simple meaning of the
sich grundlegenden Fragen der Wahrnehmung, brachte bis in die<br />
1970er Jahre nie da gewesene radikale Ausdrucksmittel und Bildbearbeitungstechniken<br />
hervor und spielte eine bedeutende Rolle für die<br />
Neuorientierung der japanischen Fotografie.<br />
Nachdem Nakahira sich in den Jahren der extremen politischen und<br />
gesellschaftlichen Unruhen auf radikale Weise mit der Wahrnehmung<br />
selbst auseinander gesetzt hatte, besuchte er 1973 zum ersten Mal<br />
Okinawa. Hier betrat er einen Ort, der von der eigentümlichen Hektik<br />
der japanischen Hochkonjunktur vollkommen unberührt geblieben<br />
war. Wie Nakahira selbst eingestand, erschütterte diese Erfahrung<br />
„die Grundfesten meiner eigenen Existenz.“ Was ihm dort begegnete,<br />
lässt sich nur als eine unsichtbare, spirituelle Präsenz bezeichnen.<br />
Er erfuhr einen Ort, der – wie Taro Okamoto es ausdrückte – angefüllt<br />
war mit unsichtbaren Wesen, die sich über den leeren Raum<br />
heranbahnen. Nakahira stellte sich dieser unsichtbaren Realität,<br />
obwohl auf seinen Fotos zu seinem Ärger nichts zu sehen war, ob er<br />
sie nun unscharf oder verwackelt ablichtete. Er war sich sicher, dass<br />
das Unsichtbare existierte, er fühlte es selbst ganz deutlich. In der<br />
Folge verwarf er sein bisheriges fotografisches Werk und begann mit<br />
Amami, Nami to Haka to Hana, soshite Taiyo (Amami: Wellen, Gräber<br />
und Blumen – und die Sonne, 1975) oder Kokkyo, Tokara Retto,<br />
Mujinka suru Shimajima (Die Grenzregion der Tokara-Inseln – entvölkerte<br />
Inseln, 1976) Fotografien der südlichsten Inseln des japanischen<br />
Archipels zu veröffentlichen.<br />
„Ich sah dort Wellen und Blumen und die Sonne. Und die Gräber<br />
der Inselbewohner, viele Gräber aus verschiedenen Zeiten und Stilen:<br />
Luftbestattung, Erdbestattung und in allerjüngster Zeit Feuerbestattung<br />
– es gab in der Tat viele Einflüsse, die zum Teil aus der Ryukyu-<br />
Kultur, zum Teil aus der Kultur des japanischen „Mutterlandes“<br />
entstanden sind. Aber sie alle sind mit der Natur verschmolzen. Von<br />
schönen Blumen überwachsene Gräber, Grabhügel im gleißenden<br />
Sonnenlicht, keine Spur vom Tod, der in der Finsternis lauert. Vielleicht<br />
bedeutet der Tod für die Leute hier bloß die Rückkehr zur Natur.“<br />
Bald nachdem er sich wie Okamoto den unsichtbaren Schichten des<br />
japanischen Gedächtnisses zugewandt hatte und nach einer neuen,<br />
direkten Sicht auf das Land und die Zeit zu suchen begann, zog sich<br />
Nakahira im Jahr 1977 eine so schwere Alkoholvergiftung zu, dass<br />
er dem Tod nur mit knapper Not entkam. Obwohl er sich körperlich<br />
erholte, litt er unter fortschreitendem Gedächtnisschwund und Sprachverlust.<br />
Der Sprache beraubt, unfähig sich mit anderen Menschen<br />
zu unterhalten, begab sich Nakahira kurz nach seiner Entlassung<br />
aus dem Krankenhaus wieder nach Okinawa, um Fotos zu machen,<br />
und veröffentlichte 1978 den Band Okinawa: Shashin Genten 1<br />
(Okinawa, der Ausgangspunkt der Fotografie 1). Nakahira begründete<br />
diese Eile folgendermaßen: „Mein einzig verlässlicher Ausgangspunkt<br />
Toshiharu Ito 22 23<br />
word; memories are bigger, go deeper than that.<br />
Or rather, they’re not something from the past,<br />
I think they’re very much present.” (Daido<br />
Moriyama: Memories of a Dog [Inu no Kioku], 1982)<br />
Former magazine editor Takuma Nakahira also<br />
knew Shomei Tomatsu from having edited his<br />
gravure pages before eventually taking up a camera<br />
himself. While continuing to critique photography<br />
and cinema as he had since the mid-1960s, writing<br />
gave direction and measure to his own photographic<br />
production. For Nakahira, words and images were<br />
inextricably connected.<br />
In 1968, together with Moriyama and others, he<br />
launched the avant-garde photographic magazine<br />
Provoke, a journal of “inflammatory material for<br />
thought” aimed at raising fundamental issues about<br />
vision, which then went on into the 1970s to champion<br />
unprecedented radical means of expression<br />
and image manipulation, forging a major turning<br />
point in Japanese photography.<br />
After relentlessly attacking the norms of seeing<br />
throughout these years of extreme political and<br />
social upheaval, Nakahira went for the first time<br />
to Okinawa in 1973. There he set foot in a place<br />
wholly untouched by the hyper-speed histrionics of<br />
Japan’s era of rapid economic growth. As Nakahira<br />
himself confesses, “It shook my existential foundations<br />
by their very roots.” In Okinawa, Nakahira<br />
encountered some invisible ethereal presence,<br />
a keen physical sense of place crowded in on all<br />
sides by transparent emptiness very much as Taro<br />
Okamoto had experienced. Yet shake or blur the<br />
camera image as he might, nothing showed. Faced<br />
with unseen entities, he felt utterly frustrated: there<br />
existed things that could not be seen; he could<br />
feel them, he knew they were there, though unphotographable.<br />
Thereafter, Nakahira rejected all his<br />
previous work, and began to photograph the<br />
southernmost islands of the Japanese archipelago,<br />
publishing such books as Amami: Nami to Haka<br />
to Hana, soshite Taiyo (Amami: Waves and Graves<br />
and Flowers – and the Sun, 1975) and Kokyo, Tokara<br />
Retto, Mujinka suru Shimajima (The Tokaras, Border<br />
Islands Soon to Be Deserted, 1976).<br />
“There I saw waves and flowers and sun, as well
war der konkrete Akt des Fotografierens an sich. Es blieb mir nichts<br />
anderes übrig, nachdem ich alles andere vergessen hatte.“<br />
Menschen bemühen sich immer um eine kohärente Wahrnehmung<br />
der Welt. Sie unterscheiden zwischen Landkarte und Land, lesen<br />
Verbindungen und Beziehungen zwischen den Dingen heraus und<br />
schöpfen dann aus den dergestalt arrangierten Einzelheiten eine<br />
Bedeutung. Die Wahrnehmung von Menschen ist von vornherein auf<br />
die Erlangung von Bedeutung konditioniert. Allerdings lässt sich eine<br />
solche Suche nach Bedeutung ohne Erinnerungen nicht durchführen.<br />
Wenn daher das Gedächtnis beschädigt ist, kann Bedeutung keine<br />
Form annehmen. Nakahiras Ambitionen richteten sich stets auf die<br />
Welt, bevor sie eine Bedeutung zugesprochen bekommen hatte,<br />
doch erst seine Krankheit ermöglichte ihm diese Erfahrung. Getrennt<br />
von Zeit und Gesellschaft, bewegte er sich während der vieldeutig<br />
unsicheren Zeitspanne, in der er sein Ich und sein Gedächtnis verloren<br />
hatte, auf einer horizontalen Linie, wo kein Begriff von einer vergehenden<br />
Zeit und einem unmittelbaren Zeitpunkt entstehen konnte,<br />
indem er von einer Zeitinsel zur nächsten sprang. Noch dazu waren<br />
diese Inseln leer und entvölkert. Doch diese leeren Inseln waren voll<br />
von lärmenden Dingen. Während er also von einer entvölkerten Insel<br />
zur nächsten sprang, gewann er durch das Fotografieren von Moment<br />
zu Moment ein neues Gedächtnis zurück.<br />
Sein jüngstes Werk Genten Fukki: Yokohama (Rückkehr zum Ausgangspunkt:<br />
Yokohama, 2003) ist eine Sammlung solcher Bemühungen.<br />
Zahlreiche Bruchstücke, Persönlichkeiten und „Ichs“ sind<br />
hier kompliziert miteinander verwoben. Zahlreiche Erinnerungen sind<br />
im Aufruhr. Das Auge, das versucht, diese Bewegungen mit aller Kraft<br />
zu erfassen. Das Auge, das auf einen bestimmten Lichteinfall reagiert.<br />
Das Auge, das schließlich selbst zur Kamera wird. Nakahiras heutige<br />
Fotos sind von einem solchen Auge festgehalten worden.<br />
Yoko Ono übersiedelte im Jahr 1953, ein Jahr, nachdem Okamoto<br />
seinen Aufsatz Dialog mit der Vierten Dimension – Von der Keramik<br />
der Jomon-Zeit veröffentlicht hatte, mit ihrer Familie nach Amerika.<br />
Sie studierte an der Sarah Lawrence Universität Poesie und Komposition,<br />
stieß ab 1959 in New York zur Kunstrichtung „Fluxus“ und<br />
entfaltete ab 1960 avantgardistische Aktivitäten auf mehreren künstlerischen<br />
Gebieten. Besonders bekannt wurde ihr Werk Grapefruits,<br />
1964, eine Anthologie aus kurzen, epigrammatischen Texten, die als<br />
Vorläufer der conceptual art besondere Wertschätzung erfuhr. 1969,<br />
am Höhepunkt des Vietnamkriegs und kurz nach ihrer Heirat mit<br />
John Lennon, veranstalteten sie in Amsterdam den Event Bed-in for<br />
Peace. Die beiden luden zu einer Pressekonferenz in ihrem Schlafzimmer,<br />
wo sie nur mit Pyjamas bekleidet gewaltlosen Widerstand<br />
gegen das Establishment zum Ausdruck brachten. Ihre direkten<br />
Forderungen nach Frieden setzt Ono bis heute fort, wenn sie etwa<br />
as islanders’ graves, which varied considerably<br />
according to the age: open-air graves, burials and<br />
very recently cremation, truly a mix of many different<br />
styles. A confluence different from either Ryukyu<br />
culture or ‘mainland’ Japanese culture, yet wholly<br />
dissolved into nature. Grave sites covered in beautiful<br />
flowers, earthen dumplings offered out in the sunlight,<br />
not a trace of darkness in death. People here<br />
probably see death as a return to nature.”<br />
Turning his attention like Okamoto toward these<br />
transparent strata of Japan’s memory, trying<br />
to re-direct a more intuitive view of time and land,<br />
Nakahira unfortunately succumbed to acute alcoholism<br />
in 1977, and was given only a one-in-nine<br />
chance of surviving. Although he physically recovered,<br />
mentally he suffered retrogressive [degenerative]<br />
amnesia and verbal aphasia. Yet even<br />
robbed of speech and unable to talk, Nakahira was<br />
soon out of hospital and back photographing in<br />
Okinawa. Seemingly driven by the acuteness of his<br />
condition, in 1978 Nakahira published Okinawa:<br />
Shashin Genten 1 (Okinawa: Photography Degree<br />
Zero 1). As he himself put it, “The most reliable<br />
place for me to start was the very concrete act of<br />
photographing. I’d forgotten all else. It was the only<br />
thing for me to do.” People always try to perceive<br />
a coherent world view. They distinguish map from<br />
territory; they try to find connections and relations<br />
between things, and thereby read meanings into<br />
them. Human perceptions are pre-conditioned to<br />
yield meanings, though the pursuit of meanings<br />
proves impossible without memory. For if memory<br />
functions are impaired, meanings cannot take shape.<br />
Nakahira aspired to a world prior to meanings when<br />
his illness gave him that very experience. Cut off<br />
from current events and society to drift in an uncertain<br />
eternal present without self or memory, a<br />
horizon where sequential linear time does not arise,<br />
he forced himself to jump from one floating moment<br />
to the next, each deserted island of time teaming<br />
with countless hidden things, meanwhile using the<br />
practical technique of photographing to acquire new<br />
memories with each leap.<br />
These efforts all come together in his recent Genten<br />
Fukki: Yokohama (Degree Zero: Yokohama, 2003),
Fig. 5 Makoto Sei Watanabe<br />
Details des Aoyama Technical<br />
College, 1990<br />
Fig. 5 Makoto Sei Watanabe<br />
Details of Aoyama Technical<br />
College, 1990<br />
kurz nach dem 11. September 2001 ein ganzseitiges Inserat mit<br />
einer Strophe aus John Lennons Imagine als Botschaft an die Welt<br />
veröffentlichen ließ.<br />
Ihr Interesse ist stets auf das Hier und Jetzt gerichtet. Was wir im<br />
Alltag oft vergessen, wogegen wir unempfindlich geworden sind –<br />
dieses Hier und Jetzt ist ihr Kriegsschauplatz. Die Worte Peace und<br />
Love verhallen bedeutungslos in der Welt, sie aber behält das Hier<br />
und Jetzt im Auge und teilt weiter allen mit, was wichtig ist. Der Alltag<br />
zieht sich träge dahin, während daneben das Fernsehen pausenlos<br />
von Kriegen, Terror, Tragödien und Morden berichtet. Sie aber<br />
sagt weiter Peace und Love und nimmt dabei den ganzen Schmerz,<br />
die Verzweiflung und die Trauer des Hier und Jetzt auf sich.<br />
Die Skulptur Pointedness, 1964/66, entstand anlässlich des Events<br />
Evening till Dawn, der 1964 von Yoko Ono in einem Tempel in Kyoto<br />
abgehalten wurde. Sie selbst schildert den Moment, als der Event<br />
bei Vollmond zu Ende ging, folgendermaßen: „Die Mönche boten uns<br />
zu essen an. Eine schlichte Mahlzeit aus Reis, eingelegtem Gemüse<br />
und Miso Suppe. Unter dem Licht des Vollmonds, das den Garten<br />
taghell beleuchtete, traf mich plötzlich etwas Scharfes in meiner Brust.<br />
Als ob wir Millionen Meilen vom Licht des Mondes entfernt wären.“<br />
Diese Erfahrung wurde der Ausgangspunkt für Pointedness, das<br />
1966 fertig gestellt wurde und zur Meditation über den Zustand der<br />
Materie anregt: „Die tatsächlich existierende Marmorkugel wird in<br />
deinem Herz langsam zu einem spitzen Gegenstand und weitet sich<br />
dann im ganzen Raum aus.“<br />
Die Erfahrung im Tempelgarten unter dem Licht des Vollmondes ist<br />
nicht nur Teil der traditionellen Zen-Meditation, sondern hängt auch<br />
mit der Wahrnehmung einer großen Entfernung oder einer dramatischen<br />
Veränderung des Maßstabs zusammen. Der Mond scheint<br />
von der Erde aus lediglich als kleine, unbewegliche Kugel. In Pointedness<br />
will Ono dem Betrachter die Möglichkeit bieten, die im Alltag<br />
nicht wahrnehmbare Entfernung, die Kraft, das Geheimnis des<br />
Mondes wieder zu erlangen. Dies mag auch ein Versuch sein, die<br />
Unmittelbarkeit der japanischen Wahrnehmung des Hier und Jetzt<br />
wiederzugewinnen.<br />
Bei der Weltausstellung in Osaka 1970, einem globalen Event, den<br />
man auch als Höhepunkt des japanischen Wirtschaftsaufschwungs<br />
ansehen kann, war es Taro Okamoto, der die Produktionsaufsicht<br />
des Themenparks übernahm. Angeregt von der Dynamik der jomonzeitlichen<br />
Tongefäße schuf er den gigantischen, 70 Meter hohen<br />
„Sonnenturm“, in dem alle Widersprüche der japanischen Nachkriegszeit<br />
aufeinander prallten. Er sah in ihm das Symbol einer Lebenskraft,<br />
die von Urzeiten herrührte und sich in die Zukunft erstreckte,<br />
eine Vision, die den Rahmen der Kunst sprengte und auf eine<br />
wesentliche, innere Form ausgerichtet war. Im Inneren des Sonnen-<br />
Toshiharu Ito 24 25<br />
a complex tangle of diverse entities and personae<br />
and self, crisscrossing in countless undulating<br />
memories. Nakahira’s current photographs evince<br />
a camera-turned-eye attempting to bodily and spiritually<br />
apprehend all unseen motions, to respond to<br />
all light with his whole being.<br />
In 1953, the year after Taro Okamoto published<br />
his Jomon Pottery: Conversation with the Fourth<br />
Dimension, Yoko Ono and her family immigrated to<br />
America where she studied poetry and music composition<br />
at Sarah Lawrence College, moving to<br />
New York in 1959 as a base for her involvement<br />
with the Fluxus movement, which led to diverse<br />
avant-garde expressions from the 1960s on. Among<br />
her most well known works, the aphoristic Grapefruit,<br />
1964 has been cited as a forerunner of conceptual<br />
art. Likewise, her Bed-In for Peace, 1969 in Amsterdam<br />
at the height of the Vietnam War, where she<br />
and her newly wed husband John Lennon received<br />
reporters in their pyjamas, gave novel expression<br />
to anti-establishment pacificism. Her active commitment<br />
to peace came to the fore again in recent<br />
years soon after the 9.11 attack with her full-page<br />
newspaper message borrowing lyrics from Lennon‘s<br />
song Imagine.<br />
Constant throughout her career has been her focus<br />
on the “here and now”, the most commonplace<br />
things we tend to forget. In a world where the words<br />
“peace” and “love” have an empty ring, her sure<br />
gaze on the “here and now” continues to provide an<br />
unwavering message about what‘s most important<br />
in life, a gentle but vital beacon of everyday perseverance<br />
in the face of an endless barrage of war,<br />
terrorism, violence and murder appearing all day long<br />
on the news. Her “here and now” subsumes all<br />
suffering and disillusion into an on-going mantra of<br />
peace and love.<br />
Pointedness, 1964/1966 was inspired by her happening<br />
Evening till Dawn, 1964 held at a Kyoto temple<br />
on a full-moon night, at the end of which she recalls:<br />
“The monks served us breakfast, consisting of<br />
barley-rice, pickles and miso soup. The moonlight,<br />
which had lit the garden as if it was daylight, now
turms befand sich der so genannte „Lebensbaum“, ein 50 Meter<br />
hohes baumartiges Gebilde. Daran waren 300 Objekte befestigt, die<br />
verschiedene Lebensformen vom Beginn des Lebens bis zur Geburt<br />
des Menschen darstellten und sich im Einklang mit Licht und Ton<br />
bewegten. Vier Rolltreppen brachten die Besucher im Inneren des<br />
Turmes nach oben, während sie den Evolutionsprozess betrachten<br />
konnten.<br />
Der Architekt Arata Isozaki entwarf den „Festivals-Platz“, auf dem<br />
der „Sonnenturm“ stand, und schuf auch die riesigen Roboter, die<br />
sich dort umherbewegten. Makoto Sei Watanabe arbeitete zeitweilig<br />
unter Isozaki, bevor er in den 1980er Jahren unter dem Einfluss der<br />
Postmoderne Gebäude wie das Technische College Aoyama schuf,<br />
das an den populären Anime-Roboter „Gundam“ erinnert. Seit den<br />
späten 1990er Jahren interessierte sich Watanabe vermehrt für die<br />
wissenschaftlichen Herausforderungen des künstlichen Lebens und<br />
der Chaostheorie, was ihn dazu veranlasste, Fragen des Lebens und<br />
der Wahrnehmung in Architektur und Stadtplanung einfließen zu<br />
lassen. Ein Beispiel ist das Werk Fiber Wave, das aus etwa hundert<br />
vier bis fünf Meter hohen Kohlefaserstäben besteht, die mit Leuchtdioden<br />
ausgestattet sind. Sie schwanken wie Schilf hin und her,<br />
geben bei jeder Berührung ein angenehmes Geräusch von sich, und<br />
leuchten im Finstern wie Glühwürmchen. Ausgehend von einer sehr<br />
japanischen Sichtweise des Lebens und der Natur sucht Watanabe<br />
nach eigenen Orten und Zeiten, in denen sich Leben und Umwelt<br />
spiralförmig überlagern, sodass daraus eine radiale Zeit zu entstehen<br />
scheint.<br />
Auch von Hiroyuki Moriwaki lässt sich behaupten, dass er seine<br />
Objekte in einer solchen, spezifisch japanischen Sicht des Lebens<br />
und der Natur ansiedelt. Es sind leuchtende Vorrichtungen, die langsam<br />
verglimmen oder aufleuchten, wenn man sich ihnen nähert, als<br />
ob sie ein eigenes Leben besäßen. Bei Lake Awareness, 2005, sind<br />
3300 elektronische Scheiben netzartig zu einem konischen Gebilde<br />
verbunden. Die Scheiben kommunizieren über Signalkabel miteinander<br />
und reagieren auf ihre Umwelt gleichsam wie Neuronen. Wenn<br />
der Betrachter, der im Zentrum des Objekts steht, mit den Händen<br />
winkt, beginnt eine der blauen Leuchtdioden zu pulsieren und überträgt<br />
ihre Veränderung auf ihre Umgebung. Wie wenn man die<br />
Hand ins Wasser taucht, breiten sich Lichtwellen aus und verebben<br />
wieder. Diese Reaktion wird gespeichert. Je nachdem, ob es zu<br />
häufigen Reaktionen kommt oder ob das Objekt sich in einem Schlafzustand<br />
befindet, reagiert es unterschiedlich auf den Betrachter. Die<br />
einzelnen Scheiben werden nicht zentral kontrolliert, sondern agieren<br />
autonom und rufen die Leuchtsignale wechselseitig hervor. Dieses<br />
Lichtobjekt, das einem aus Nervenzellen zusammengesetzten Lebe-<br />
Fig. 6 Hiroshi Sugimoto<br />
Baltic Sea, Rugen, 1996<br />
Fig. 6 Hiroshi Sugimoto<br />
Baltic Sea, Rugen, 1996<br />
Fig. 7 Hiroshi Sugimoto<br />
Sea of Japan, Rebun Island, 1996<br />
Fig. 7 Hiroshi Sugimoto<br />
Sea of Japan, Rebun Island, 1996<br />
became a pointedness in my heart. It seemed that<br />
we were a billion miles away from the moonlight.”<br />
Based on this experience, Pointedness leads the<br />
viewer into meditation upon the wave-states of<br />
matter: “A marble sphere (actually existing) which,<br />
in your head, gradually becomes a sharp cone by<br />
the time it is extended to the far end of the room.”<br />
The experience in the temple garden in the moonlight<br />
is not traditional Zen meditation, but relates<br />
more to dramatic shifts in perception and scale over<br />
a vast distance from the body. The moon seen from<br />
the earth appears to be a small immobile ball, but<br />
Ono‘s Pointedness takes the viewer out of everyday<br />
experience so as to reawaken a sense of distance,<br />
of power, of mystery. This aim overlaps with the<br />
recovery of Japanese perception fully in the “here<br />
and now”.<br />
Taro Okamoto served as supervisory planner for the<br />
main theme pavilion at the Osaka Expo 70, a worldclass<br />
event that capped off Japan’s “era of rapid<br />
economic growth”. Taking a hint from the dynamism<br />
of Jomon pottery, he created a 70-metre “Tower of<br />
the Sun”. As if to unify the contradictions of Japan’s<br />
postwar years, Okamoto’s gigantic Tower rose from<br />
primeval depths toward the future bristling with<br />
vitality, a vision outstripping the dictates of art<br />
toward a more essential ingrown form. Inside the<br />
Tower was a 50 metre-high branching structure<br />
called the “Tree of Life”, encrusted with some 300<br />
diverse biological forms evolutionarily spanning the<br />
origins of life up to the birth of humankind, each<br />
moving to light and sound, and equipped with four<br />
lifts to conduct viewers up through the evolutionary<br />
process.<br />
Architect Arata Isozaki designed the Festival Plaza<br />
where the “Tower of the Sun” stood, as well as twin<br />
giant robots that roamed the area. Makoto Sei<br />
Watanabe, who once worked under Isozaki, went<br />
on to parallel 1980s Postmodernism with his “anime”<br />
robot-like Aoyama Technical College (1990) and<br />
other fantastic architectural projects. From the late<br />
1990s, his interest turned to the scientific frontiers<br />
of artificial life and chaos theory, prompting him to
Fig. 8 Tadashi Kawamata<br />
Lodging Tokyo, 2001<br />
Fig. 8 Tadashi Kawamata<br />
Lodging Tokyo, 2001<br />
wesen ähnelt, evoziert durch sein Aufleben und wieder Vergehen<br />
eine ewige, kosmische Zeit. Moriwaki versteht unter Gedächtnis eine<br />
erinnerte Zeit, die von einer objektiven Aufzeichnung verschieden ist,<br />
Bilder, die in vielen Schichten auf die bisherige Erfahrung gemalt<br />
werden. Die Mechanismen dieses mysteriösen Gedächtnisses sind<br />
auch in seinen Lichtobjekten verborgen.<br />
Auch Hiroshi Sugimoto, der seit den späten 1970er Jahren in New<br />
York tätig ist, offenbart in seinen Fotografien die Suche nach einer<br />
eigenen Zeit und Erinnerung. Seine Serie Diorama, in der er urzeitliche<br />
Diorama-Darstellungen aus naturhistorischen Museen fotografierte,<br />
scheint die Anfänge der Zeit einzufangen und bringt ein<br />
merkwürdiges Zeitgefühl hervor, in dem Bewegung und Stillstand<br />
sich überlagern. In seiner Serie Theaters (begonnen 1978) fotografierte<br />
er die Innenräume von Kinos während eines ganzen Films,<br />
wobei die Belichtungszeit einer einzigen Aufnahme mit der Filmlänge<br />
übereinstimmte. Dadurch erscheint die Leinwand als schlohweiße<br />
leere Fläche, die wie eine Traumszene im Bild steht. Man könnte<br />
daraus ablesen, dass man sich immer mehr dem Nichts annähert,<br />
je mehr Bewegungen man verdichtet und je mehr Zeiten man akkumuliert.<br />
In der 1980 begonnenen Serie Seascapes sind nur das<br />
Meer und der Himmel im Bildausschnitt zu sehen, wobei die Horizontlinie<br />
in der Mitte das Bild in zwei Hälften teilt. Variationen ergeben<br />
sich lediglich aus dem jeweiligen Wetter und aus der jeweiligen<br />
Tageszeit der Aufnahme. Aus den natürlichen Bedingungen wie der<br />
Dichte der Luft, der Bewegung der Wasseroberfläche oder den<br />
Reflexionen des Lichts ergeben sich subtile Unterschiede, doch wer<br />
diese flüchtigen Momente der Leere erblickt, verliert sein Herz an sie.<br />
Das Schaukeln des Meeres und des Himmels und die Erinnerung<br />
an die ständigen Veränderungen der Luft und der Wellen sind in der<br />
Vorstellung vielfältig miteinander verwoben. Statt eines eindeutigen<br />
Blickpunkts des Fotografen erscheint etwas, das sich unausgesetzt<br />
ausbreitet und wie eine Wellenbewegung mit dem Raum verschmilzt.<br />
In der jüngeren Serie Sea of Buddha, 1995, in der er die berühmten<br />
1.000 Buddha-Statuen des Tempels Sanjusangen-do in Kyoto fotografierte,<br />
setzt Sugimoto seine Suche nach einer besonderen Zeitlichkeit<br />
und einem offenen Gedächtnis weiter fort. In der Gesamtheit<br />
seiner Schwarz-Weiß-Bilder scheinen sich die ältesten Schichten<br />
der japanischen Wahrnehmung abzuzeichnen.<br />
Sein neuestes Werk Étant Donnée: Le Grand Verre ist eine Hommage<br />
an Marcel Duchamps „Großes Glas“, das die vierte Dimension zum<br />
Thema hat. In dieser Serie fotografierte er Objekte aus Gips im Besitz<br />
der Universität Tokio, die mathematische Gleichungen modellhaft<br />
darstellen. Die Balance von Licht und Schatten in diesen spiralförmig<br />
aufsteigenden merkwürdigen Formen wirkt wie eine Abstraktion<br />
Toshiharu Ito 26 27<br />
introduce perspectives on life and perception into<br />
architecture and urban planning. In his Fiber Wave,<br />
for instance, some hundred 4–5 metre carbon fibre<br />
rods with twinkling LEDs sway like fronds of pampas<br />
grass, rustling pleasantly as they brush together<br />
now and again, glimmering like fireflies in the dark.<br />
Here we may consider his unique investigations into<br />
time and place as emanating from a very Japanese<br />
love of nature, a spiralling congruence of life and<br />
environment that seems to grow into radiant time.<br />
Hiroyuki Moriwaki creates “living” light objects that<br />
dim or shine as people approach, interactive<br />
behaviour shaped by a Japanese view of natural<br />
life. One such device, Lake Awareness, 2005, is a<br />
bowl form composed of some 3300 networked<br />
circuit boards that interact with their surroundings<br />
like electronic neurons. When viewers standing in<br />
the centre of the bowl wave their hands, blue LEDs<br />
pulse with intense activity that ripples out in all<br />
directions, then calms again – almost as if dipping<br />
hands into water – only here the reaction is remembered<br />
and repeated incessantly, or else becomes<br />
long dormant before flashing back again at random.<br />
The circuit boards are not centrally controlled, but<br />
rather behave autonomically, each acting independently<br />
upon another to generate expressions in light.<br />
Like an organism with a nervous system, this light<br />
object repeatedly generates and dissipates in cycles<br />
that somehow recall eternal cosmic time. Moriwaki’s<br />
light objects seem endowed with some mysterious<br />
mechanism found in human memory, not of objective<br />
recorded events but of reminiscence, calling up<br />
relative images built up layer upon layer from personal<br />
experiences.<br />
Basing himself in New York since the mid-1970s,<br />
Hiroshi Sugimoto has pursued highly personal investigations<br />
of time and memory to create a unique<br />
body of photographic work. His Diorama series shot<br />
from museum dioramas of primeval scenes evokes<br />
a strange double sense of time frozen in motion. Likewise,<br />
his Theaters (begun in 1978) compress all the<br />
light and motion of feature-length films into dreamlike<br />
still frames where the cinema screen shows empty<br />
white, a store of time approaching nothingness.
Fig. 9 Yutaka Sone<br />
Installationsansicht Travel<br />
to Double River Island, 2002<br />
Fig. 9 Yutaka Sone<br />
Installation view of Travel<br />
to Double River Island, 2002<br />
oder Radikalisierung der dynamischen Spiralen der Jomon-Keramik.<br />
Anfang der 1970er Jahre, im Anschluss an die Weltausstellung in<br />
Osaka, begannen die Künstler der „Monoha“ („Schule der Dinge“)<br />
wie Nobuo Sekine, Kishio Suga und Jiro Takamatsu ihre Aktivitäten<br />
zu entfalten. Der Beginn der „Monoha“ hat auch für die Betrachtung<br />
der japanischen Wahrnehmung in ihren Veränderungen und Traditionen<br />
eine tiefe Bedeutung. Die Künstler der „Monoha“ einte nicht<br />
die Suche nach den visuellen Qualitäten eines Mediums, sie wollten<br />
vielmehr über das taktile Erleben und die Materie selbst den Zustand<br />
der menschlichen Wahrnehmung enthüllen. Unter Schlagworten wie<br />
„Vom Objekt zur Beziehung“ oder „Vom Materiellen zum Immateriellen“<br />
wollten sie über bestimmte, festgelegte Handlungen oder Alltagsgegenstände<br />
den Zustand der Welt darlegen und über die Beziehung<br />
von Materie und Geist die erfahrbare Realität hinterfragen. Es war die<br />
Gruppe der „Monoha“, die damals die unbewussten Voraussetzungen<br />
unserer Wahrnehmung einer Überprüfung unterzog und aufzeigte,<br />
dass sich auch die Schnittstellen des Empfindens mit dem Fluss der<br />
Zeit verändern.<br />
Tadashi Kawamata hat seit Ende der 1970er Jahre durch Projekte,<br />
in denen er unter Beteiligung zahlreicher Helfer Wohnanlagen, Kirchen<br />
oder Krankenhäuser mit Bauholz und Brettern umgab, international<br />
auf sich aufmerksam gemacht. In letzter Zeit begann er, sich vermehrt<br />
mit gesellschaftlichen Randgruppen auseinander zu setzen und sich<br />
in Form von Kunstprojekten und Selbsthilfegruppen direkt für Probleme<br />
wie Krankheit, Diskriminierung und Verfolgung zu engagieren.<br />
In seinen Work-in-progress-Projekten werden aber auch Fragen nach<br />
Zeit und Gedächtnis in Japan immanent angesprochen. Kawamata<br />
erachtet den gesamten Prozess der Herstellung als ein Projekt.<br />
Er ordnet seine Werke keiner bestimmten Kategorie zu, sondern<br />
sieht sie als variable, bewegliche Gegenstände, deren provisorischer<br />
Charakter ihm besonders wichtig ist. Diese Auffassung mag mit<br />
der japanischen Sichtweise der menschlichen Existenz zu tun haben,<br />
die das Leben als „vorläufige Wohnstätte“ („kari no yado“) ansieht.<br />
Seine Bretterbauten, die er im Dialog mit der ortsansässigen Bevölkerung<br />
errichtet, bringen jene Zeit zurück, die im „Raum der Geschwindigkeit“<br />
verloren geht, und lagern sich schichtweise zwischen die<br />
Gedanken. Kawamata behauptet, dass gerade jene Probleme, die<br />
tief mit einer bestimmten Region verbunden sind, auch einen internationalen<br />
Aspekt beinhalten können. Diese „inter-localisation“ (ein<br />
Kompositum aus „international“ und „local“) weist auf eine auch für<br />
die künftigen Beziehungen zwischen Japan und der Welt bedeutende<br />
Sichtweise hin.<br />
Im Gegensatz zu Kawamata sind die Plätze und Regionen von Yutaka<br />
Sone Orte, die es nirgendwo gibt. Nach seinem Architekturstudium<br />
On into the 1980s, his Seascapes (begun in 1980)<br />
framed almost featureless expanses of nothing but<br />
sea and sky divided in the middle by the horizon<br />
line, the only variation between images coming from<br />
the hour and weather on the day of the shoot. The<br />
subtle differences created by such natural factors<br />
as air density, sea conditions and light diffusion<br />
grab the imagination with their fleeting ethereality:<br />
the ineffable vacillations of the sea and sky, momentary<br />
atmospheric changes and wave patterns all<br />
woven into the image, memory upon memory. There<br />
no longer exists any clear focus or photographic<br />
point of view, but rather only a vast expanse of<br />
waves melting into air. In his more recent Sea of<br />
Buddha, 1995, a photographic frieze of the famous<br />
1.000 bodhisattva statues of Sanjusangen-do in<br />
Kyoto, Sugimoto continues his pursuit of specific<br />
time and more far-ranging memory, tracing as in<br />
all his black-and-white oeuvre the underlying ancient<br />
strata of Japanese perception.<br />
Or again, his recent series Étant Donnée: Le Grand<br />
Verre is an homage to Marcel Duchamp‘s musings<br />
on the fourth dimension, photographed from the<br />
University of Tokyo‘s collection of antique plaster<br />
models of mathematical formulae, the dynamic highlights<br />
and shadows of their strange twisted forms<br />
like heightened abstractions of the spirals of Jomon<br />
pottery.<br />
Soon after the Osaka Expo 70 in the early 1970s,<br />
“Monoha” artists Nobuo Sekine, Kishio Suga, Jiro<br />
Takamatsu and others began creating works that<br />
shed considerable light on the shifting contexts of<br />
Japanese perception. These “Monoha” artists found<br />
their medium not in visual qualities, but in actual<br />
physical sensations and materiality itself – their<br />
common thematic element in transcending material<br />
things to create conditions that might lay bare human<br />
perception. Under the banner of such aphorisms<br />
as “From material object to relationship” and “From<br />
material to immaterial”, they sought by means of<br />
set acts and items of daily use to expose the world<br />
in its essential being, to question anew the reality<br />
of experience at the phenomenological intersection<br />
of matter and mind. This was thus the era for the<br />
“Monoha” to rethink the tacit bases that premise
ereiste er asiatische Länder wie China und Indien und begann<br />
Anfang der 1990er Jahre in konzeptionellen Arbeiten Skulptur und<br />
Video zu kombinieren. Seine neuesten Arbeiten sind zumeist als<br />
Work-in-progress angelegt – utopische Orte, in denen sich vielfältige<br />
Zeiten und Räume, Empfindungen und Erinnerungen mischen. Sone<br />
besuchte beispielsweise 1998 einen Dschungel in Malaysia, der immer<br />
wieder als Ausgangsmaterial in seinen Werken auftaucht. Er sog<br />
dort die Empfindungen von Dingen in sich auf, die nicht enden und<br />
nicht erfahrbar sind. In seinen Werken arbeitet er mit Fledermäusen,<br />
denen er dort in großen Scharen begegnete. Auf diese Weise baut<br />
er Orte aus verschiedenen Situationen zusammen, lagert ihre jeweiligen<br />
Erinnerungen übereinander, kehrt sie nach außen und wirft<br />
dem Betrachter eine neue Wahrnehmung entgegen. Er führt tropische<br />
und polare Regionen zusammen, benachbart Regionen aus<br />
verschiedenen Zeitaltern und verschmilzt verschiedene Zeiten und<br />
Orte zu mysteriösen Topoi. Sind dies die Orte, in die Japans Geschwindigkeit<br />
mündet? Sind es Naturzustände vor dem Auftauchen<br />
des Menschen? Oder die unberührten Plätze nach seinem Aussterben?<br />
Mit derartigen Fragen sieht man sich konfrontiert, wenn<br />
man Sones utopische Szenen betrachtet.<br />
In den 1980er und 1990er Jahren kam es in Japan zu einer bemerkenswerten<br />
Entwicklung der Informationstechnologie, die einen<br />
großen Einfluss auf die Gesellschaft als Ganzes ausübte. Die Umwelt<br />
wurde zu einem fragmentarischen Teil der Information, die Menschen<br />
richteten ihre Aufmerksamkeit mehr auf die Schaltstellen der Nachrichten<br />
als auf die Dinge selbst. Unter den besonderen Bedingungen<br />
eines Inselstaats machte sich in Japan mit der Entwicklung dieser<br />
Technologie eine perverse Geisteshaltung breit, die die zweidimensionale<br />
Welt der Information realer erscheinen ließ als die Wirklichkeit.<br />
Information hüllte uns ein, drang in unser Innerstes und führte zu<br />
einem Zustand, in dem die Unterschiede zwischen Ich und Anderem,<br />
Innen und Außen, Realität und Fiktion verschwammen und die Zeitachsen<br />
durcheinander gerieten. Je nach Art und Medium der Berichterstattung<br />
unterscheidet sich unsere Rezeption eines Ereignisses in<br />
hohem Maße. Unser Realitätssinn verändert sich je nach Interaktion<br />
mit unserer Umwelt und wird vom Charakter der Medien beeinflusst.<br />
Die Menschen glauben, in einer einzigen Realität zu leben. Dies entspricht<br />
wahrscheinlich der Genese unseres Realitätssinns, die durch<br />
die physiologischen Einschränkungen unseres leiblichen Körpers<br />
bedingt ist. Doch durch den Fortschritt der Medien-Technologie wird<br />
unser Gedächtnis nach außen verlagert, über die Netzwerke sind wir<br />
mit Orten verbunden, die wir physisch nicht erreichen können, wodurch<br />
wir mit einem vielfältigen Realitätssinn in Berührung kommen,<br />
der unsere individuelle Wirklichkeit übersteigt. Es zeigt sich also<br />
deutlich, dass es schwierig ist, die Realität aus einer Zeit und aus<br />
Toshiharu Ito 28 29<br />
our perceptions, and to show how our sensory interfaces<br />
were in a state of flux with the times.<br />
Moving on to the late 1970s, Tadashi Kawamata<br />
began orchestrating many internationally acclaimed<br />
collaborative “building” projects, enveloping entire<br />
housing blocks, churches and hospitals in lumber<br />
scaffolding. More recently, he has turned his<br />
attention to marginalised people, and has become<br />
actively involved in issues of illness, discrimination<br />
and persecution via experimental art and self-education<br />
programmes. Taking a “works-in-progress”<br />
approach to raise issues inherent to Japanese time<br />
and memory, Kawamata views the entire production<br />
process as the work; his pieces do not easily conform<br />
to fixed genres or categories, but rather remain<br />
intentionally variable, open-ended and tentative, a<br />
position that probably relates to Japan’s traditional<br />
“karisome” (transience) – a poetic Buddhistic appreciation<br />
of life as but a “temporary shelter” (“kari no<br />
yado”). Moreover, his on-going involvement with<br />
local residents may be seen as a form of dialogue<br />
with place, his wood-planked sites an attempt to<br />
regain that sense of body-time long lost to the speedspace<br />
of “progress”. Kawamata insists that issues<br />
inherent in any one locale can and do offer up international<br />
viewpoints, and that such “inter-local”<br />
engagement may provide important perspectives<br />
on future relations between Japan and the world<br />
at large.<br />
On the other hand, Yutaka Sone, quite the opposite<br />
of Kawamata, invents places that do not even exist.<br />
Drawing upon his post-university travels in China,<br />
India and other parts of Asia, he began in the 1990s<br />
to create conceptual installations combining sculpture<br />
and video. His recent pieces are mostly “worksin-progress”,<br />
interweaving diverse sensations and<br />
memories in time and space to generate impossible<br />
nowheres. In 1998, for instance, Sone visited the<br />
jungles of Malaysia where, inspired by the unfathomable<br />
foreignness of the surroundings, he entered<br />
into an imaginative “collaboration” with flocks of<br />
bats. Collaging together disparate memories from<br />
far removed circumstances, estranging them<br />
so as to confront the viewer with new perceptual
Fig. 10 Yayoi Kusama<br />
Dots Obsession, 2000<br />
Installationsansicht,<br />
Studio Guenzani, Mailand<br />
Fig. 10 Yayoi Kusama<br />
Dots Obsession, 2000<br />
Installation view at<br />
Studio Guenzani, Milan<br />
einer Perspektive wahrzunehmen, während wir durch die Technik der<br />
Parallelschaltung von digitalen Bildern und Tönen in der Lage sind,<br />
neue, parallele Wirklichkeiten entstehen zu lassen.<br />
Masaki Fujihata beschäftigt sich seit den 1980er Jahren mit Animationen<br />
und Computergrafik und sucht seit den 1990er Jahren mithilfe<br />
seiner eigenen Deskriptionsmethode von Raum und Zeit nach<br />
den neuen Realitäten des digitalen Zeitalters. In seiner neueren<br />
Serie Fieldworks führt er Experimente mit öffentlicher Beteiligung<br />
durch, in denen er digitale Videotechnik mit dem Satellitennavigationssystem<br />
GPS verbindet, um über verschiedene Kommunikationsformen<br />
ein mehrdimensionales Realitätsgefühl entstehen zu lassen.<br />
So führte er ein Experiment durch, bei dem ihm der Shinji-See bei<br />
Matsue, der in Japan selbst als Inbegriff einer japanischen Landschaft<br />
gilt, als gigantische Leinwand diente, auf die er virtuelle Bilder<br />
produzierte. Zugleich versuchte er damit, über die Beziehungen der<br />
Region und der Menschen eine neue kollektive Erinnerung im Cyberspace<br />
zu schaffen.<br />
Auch Miwa Yanagi benutzt digitale Techniken, um in neue Dimensionen<br />
von Zeit und Gedächtnis vorzudringen. Mitte der 1990er Jahre,<br />
machte sie sich eine digitale Technik zu Eigen, die ihr vollkommene<br />
Kontrolle über ihre Bilder ermöglicht, und veröffentlichte die eigenwillige<br />
Serie Elevator Girls, 1995–1999. In einer späteren Serie, Fairy<br />
Tale, interpretiert sie Märchen wie Rotkäppchen oder Erendira auf<br />
ganz eigene Weise, indem sie die Rollen des jungen Mädchens und<br />
der alten Frau vertauscht, sodass ein merkwürdiger, grotesk-erotischer<br />
Effekt entsteht. Yanagi interessiert sich überhaupt ganz<br />
besonders für das Alter. In ihrem jüngsten Werk My Grandmothers,<br />
2000, bat sie junge Frauen, die als Model arbeiten, sich vorzustellen,<br />
wie sie in 50 Jahren aussehen würden, und stellte mithilfe von<br />
speziellen Schmink- und Bildbearbeitungstechniken deren ideales<br />
Altersbild her. Dabei zeigte sich eine unbekümmerte Vitalität, die<br />
den gängigen negativen Altersklischees diametral entgegengesetzt<br />
ist. Für ihre Videoarbeit Granddaughters aus dem Jahr 2004 interviewte<br />
Yanagi ältere Frauen aus verschiedenen Ländern und bat sie,<br />
sich an ihre Großmütter und an ihre Kindheit zu erinnern. Dann ließ<br />
sie die Erzählung in der jeweiligen Landessprache des Ausstellungsortes<br />
von jungen Mädchen synchronisieren. In Fairy Tale zeigt Yanagi<br />
eine Greisin und ein Mädchen, die gleichzeitig in einer Figur existieren,<br />
und demonstriert dabei ihre besondere Zeitlichkeit, in der sie<br />
ungehindert zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft hin<br />
und her pendelt.<br />
Wahrnehmung entsteht aus den wechselseitigen Einwirkungen von<br />
Mensch und Umwelt. Die japanische Wahrnehmung steht auch<br />
worlds, he creates tropical arctic climes, diverse<br />
historical periods existing side by side, mysterious<br />
topo-fictions that push time and place to the chaotic<br />
vanishing point of an accelerating Japan. Do these<br />
scenes depict some alternative nature antedating<br />
human existence, or a paradisiacal pure land after<br />
our demise? These puzzling vistas give us glimpses<br />
of an uncanny utopia.<br />
The 1980s and 1990s saw startling developments<br />
in the realm of information technologies, and the<br />
subsequent advances in media networking brought<br />
sweeping changes across the whole of Japanese<br />
society, as people’s attention turned away from<br />
physical things towards virtual reports via digital<br />
communication terminals. A near-delusionary media<br />
fixation permeated the close quarters of the island<br />
Japan. Information deluged us, entered our pores,<br />
rendered ambiguous all distinctions – self-other,<br />
internal-external, real-unreal – and scrambled our<br />
very time axes. Likewise, different ways and means<br />
by which events are recorded significantly altered<br />
our perceptions; our sense of reality changed as a<br />
co-function of shifts in the specific media supporting<br />
our living environment. Nor is it any longer the<br />
singular reality we are predisposed to believe from<br />
the physical limits of our flesh-and-blood body. For<br />
the more media technologies come to externalise<br />
memory and ever more interconnected networks<br />
span far beyond our physical self, the more difficult<br />
it becomes to apprehend reality in terms of any one<br />
time or viewpoint. Now simultaneous sound and<br />
image feeds inform new parallel realities in digital<br />
expression.<br />
Masaki Fujihata has worked in computer graphics<br />
and animation since the 1980s, then in the 1990s<br />
began searching for an artistic means to come to<br />
terms with the new realities of the digital age, eventually<br />
finding his own unique notational methods for<br />
describing time and space. In his recent Fieldworks<br />
series, he links up digital video to global positioning<br />
system (GPS) technologies to perform public participatory<br />
experiments in interpersonally multi-imaging<br />
the world around us. In one version, he uses the<br />
scenic Lake Shinji on the north coast of Japan as
Fig. 11 Tetsuya Nakamura<br />
Monaco Star, Installationsansicht<br />
von Monaco Rendez-vous, 2004<br />
Fig. 11 Tetsuya Nakamura<br />
Monaco Star, Installation view<br />
of Monaco Rendez-vous, 2004<br />
insofern mit den besonderen gesellschaftlichen und naturgegebenen<br />
Bedingungen dieses Landes in Beziehung, als sie unmittelbar fühlt,<br />
dass Mensch und Umwelt hier zu einem System verschmolzen sind.<br />
Das ist wohl der Grund dafür, dass die japanische Wahrnehmung<br />
dazu tendiert, die Welt als ein einziges Kontinuum oder Fluidum anzusehen.<br />
Die japanische Wahrnehmung zieht nicht wie die westliche<br />
eine Trennlinie zwischen Mensch und Welt und unterscheidet nicht<br />
klar zwischen einzelnen Objekten, sondern versucht die Welt intuitiv<br />
zu „verkörperlichen“. Das Ich existiert hier genau in der Mitte der<br />
Resonanzen von Umwelt und Körper. Es wird nicht, wie in der westlichen<br />
Wahrnehmung, als Mikrokosmos angesehen, in dem sich<br />
verschiedene Phänomene intensivieren, sondern als ein kommunizierendes<br />
Gefäß, das an die Welt angeschlossen ist. Deshalb ist auch<br />
die Trennung von Ich und Anderem undeutlich, deshalb werden<br />
Grenzen als Teil eines verschmolzenen Systems wahrgenommen.<br />
All das führt zu einer rätselhaften Struktur, in der Wirklichkeit und<br />
Vision wie in einem Scheckenmuster miteinander vermengt sind.<br />
Takashi Ito machte bereits in den späten 1970er Jahren durch<br />
Schwindel erregende Bilder und experimentelle Filme, die durch ihr<br />
Flackern unendliche Labyrinthe auf der Netzhaut des Betrachters<br />
entstehen lassen, auf sich aufmerksam. Auch seine Werke lassen<br />
die Charakteristika der japanischen Wahrnehmung deutlich erkennen.<br />
In Spacy, 1981, hat er 700 Fotografien von einem leeren Turnsaal<br />
zu Videosequenzen zusammengefügt. Darin erkennt man deutlich,<br />
dass man beim Sehen einer Aufnahme nicht den abgebildeten<br />
Gegenstand selbst erfasst, sondern sich der Aufnahme ausliefert.<br />
Sehen wird nicht vom Wahrnehmungsorgan Auge geleistet, sondern<br />
bedeutet, sich mit dem ganzen Körper mit den Aufnahmen mitzubewegen,<br />
wobei der Unterschied zwischen Subjekt und Objekt<br />
verschwindet und Unsichtbares als Oszillation wahrgenommen wird.<br />
Yayoi Kusama trat erstmals ins Rampenlicht, als sie 1957 nach<br />
Amerika ging und mit ihren net paintings begann. Seit ihrer Kindheit<br />
hatte sie unter Halluzinationen zu leiden, in denen sich ihr Gesichtsfeld<br />
mit Tropfenmustern bedeckte. Ausgehend von diesen Wahnvorstellungen<br />
hat sie ein umfangreiches Werk geschaffen, an dem die<br />
Erinnerungen an die japanische Nachkriegszeit zu kleben scheinen.<br />
Auf beunruhigend faszinierende Weise wiederholt sie ihre monotonen<br />
Punktmuster und dehnt sie in den dreidimensionalen Raum aus,<br />
etwa wenn sie in ihrer Serie Accumulation Sessel oder Boote mit<br />
phallusförmigen Kissen überzieht. Abgesehen von der sexuellen<br />
Gewalt vermitteln ihre Werke die Intensität der japanischen Wahrnehmung<br />
in einer extremen Situation. Unter Beibehaltung ihrer<br />
Subjektivität überwindet sie ihre Halluzinationen und sublimiert sie<br />
zu einem künstlerischen Ausdruck, indem sie ihre inneren Bilder<br />
Toshiharu Ito 30 31<br />
a gigantic “canvas” on which to draw virtual pictures,<br />
an interfacing of people and place to approximate<br />
a geography of collective memory in cyberspace.<br />
Miwa Yanagi also uses digital technologies to<br />
explore new dimensions of time and memory. From<br />
the late 1990s, she mastered digital techniques that<br />
enabled her total control to create imaginative<br />
photo-based scenes such as her acclaimed debut<br />
series Elevator Girls, 1995–1999. More recently, her<br />
Fairy Tale series brings very personal interpretations<br />
to bear upon such stories as Little Red Riding Hood<br />
and Erendira, the young girl and old woman characters<br />
changing places to create strangely grotesque<br />
and erotic dramatic effects. Yanagi takes<br />
particular interest in the subject of aging: in her<br />
previous series My Grandmothers, 2000 she had<br />
her young female models imagine themselves fifty<br />
years later, then used prosthetic makeup and computer-manipulated<br />
imaging to “age” them into the<br />
role, creating bright vivid images - the diametric<br />
opposite of prevailing views of older women. Likewise,<br />
for her video Granddaughters, 2004 Yanagi interviewed<br />
elderly women from many different countries,<br />
asking them to reminisce about their grandmothers<br />
and girlhood; these narratives were then dubbed in<br />
girls’ voices speaking the local language of each<br />
exhibition venue. While in the installation versions<br />
of Fairy Tale, both old women and young girls exist<br />
in the same past-present-future moment, a further<br />
expression of Yanagi’s special vision of time.<br />
Perception arises as mutual function of persons and<br />
environment. In Japan, specific social and natural<br />
conditions are particularly closely interrelated, so<br />
much so that the intuitive tendency has been to view<br />
the world of humanity and nature as one continuum<br />
or flux with no clear-cut dividing line or symmetries<br />
as in Western dualist perceptions. Therein, the self<br />
is not the concentrated microcosm of isolable<br />
phenomena as it is in the West, but rather exists as<br />
a reverberation between body and environment, a<br />
connective node of exchange with the world. Hence<br />
divisions between self and other are hazy, and<br />
demarcations are perceptually subsumed within<br />
a greater totality, a vision dappled with wondrous<br />
patterns.
nach außen kehrt. Dieser Gestus scheint mit der Zeit immer mehr<br />
an Symbolkraft zu gewinnen.<br />
Emiko Kasahara begab sich ebenfalls Anfang der 1990er Jahre nach<br />
New York, wo sie laufend Werke zum Thema Körper und Gender<br />
produziert. In ihrer Serie La Charme #3, 2004, bedient sie sich des<br />
Haares, das auch als Symbol der Weiblichkeit angesehen werden<br />
kann. Das Werk besteht aus runden, teppichartigen Skulpturen<br />
(Objekt), und Aktionen von Personen (Subjekt), die sich eine Zeit<br />
lang auf den Skulpturen aufhalten. Diese Aktionen werden per Video<br />
aufgezeichnet und sind auf Monitoren zu sehen, die vor den Skulpturen<br />
stehen. Es gibt sieben solcher Skulpturen, die aus künstlichem<br />
Haar hergestellt sind und jeweils die gleiche Form und Größe, aber<br />
unterschiedliche Farben haben. Auf den ersten Blick wirken sie<br />
metallisch hart, doch tatsächlich fühlen sie sich fein und weich an.<br />
Auf den Videos sind sieben Frauen zu sehen, die ihre Haare in der<br />
entsprechenden Farbe gefärbt haben und verschiedene Posen und<br />
Bewegungen ausführen. Diese Performance hantiert mit einer Zeit,<br />
in der Objekt und Subjekt symbiotisch verbunden sind: Neben der<br />
Koexistenz von Mensch als Subjekt und Skulptur als Objekt kommt<br />
es zu einer Objektivierung des Menschen und zu einer Subjektivierung<br />
der Skulptur. Das Hin- und Herschwanken zwischen Subjekt<br />
und Objekt ist zugleich ein Charakteristikum des Haars. Das Haar<br />
ist zwar ein Teil des Menschen, doch sobald es abgeschnitten wird,<br />
verwandelt es sich in etwas Dingliches. Die Haarskulptur, die sich<br />
jeglicher Definition entzieht, wandelt sich in verschiedene Bilder und<br />
beschwört unterschiedliche Erinnerungen und Energien herauf.<br />
In ihrer Auseinandersetzung mit der unbegreiflichen Qualität des<br />
Haares, das seine Grenzen abstreift und nicht durch Zeichen oder<br />
Mitteilungen zu bannen ist, richtet Kasahara ihren Blick auf die<br />
komplexen Emotionen und Perversionen, die auch in ihr selbst verborgen<br />
sind.<br />
In den späten 1980er Jahren begann Rieko Hidaka mit ihrer Bilderserie<br />
Looking Up The Trees, die präzise Bleistiftzeichnungen mit der<br />
Technik der „Nihonga“-Malerei verbindet. Der Blick aus dem Wald in<br />
den Himmel stellt dabei das durchgängige Motiv dar. Hidaka geht<br />
es dabei darum, das Gefühl der körperlichen Umschlossenheit herauszuarbeiten,<br />
das entsteht, wenn man im Wald nach oben blickt<br />
und das Licht des Himmels von Zweigen und Blättern abgehalten<br />
wird. Nicht der Wald ist Gegenstand der Abbildung, sondern die<br />
Wahrnehmung selbst. Nicht nur Stamm und Äste, jedes einzelne<br />
Blatt, das herabfallende Licht, ja sogar die Distanz zum Himmel,<br />
der zwischen den Blättern hindurchscheint, werden festgehalten.<br />
Zugleich betont sie die Besonderheit des Papiers und der Pigmente<br />
der „Nihonga“ -Malerei und wählt Leinwände von einer Größe, dass<br />
Since the late 1970s, Takashi Ito has created a<br />
body of experimental film and video whose flicker<br />
effects and dizzying imagery draw the viewer into<br />
retinal labyrinths. Of particular significance for our<br />
consideration of Japanese perception, his video<br />
work Spacy, 1981 animated from seven hundred<br />
photographs of a deserted gymnasium demonstrates<br />
that in looking at moving images we do not take<br />
in the photographic subject so much as we respond<br />
to the medium itself; seeing is not the doing of the<br />
sensory organ of the eye, but a whole body reaction<br />
in which distinctions between subject and object<br />
disappear and unseen realms become visible as<br />
vibrations.<br />
Yayoi Kusama moved to New York in 1957 and<br />
became famous for her net paintings obsessively<br />
covered in dots. From childhood, Kusama was<br />
traumatised by hallucinatory spots that swarmed<br />
across her field of vision, a memory of the postwar<br />
years in Japan that has underscored her lengthy<br />
productive career ever since. Painting disturbing<br />
repetitive dot patterns that overflow pictorial space,<br />
propagating soft phallic protrusions over chairs and<br />
other common objects as in her Accumulation<br />
series, she creates fetishes charged with violent<br />
sexual energies, suggesting the furthest extremes<br />
of Japanese perception. Wielding her subjectivity to<br />
vanquish her own demons, her inversion of illusion<br />
into external form has taken on ever more emblematic<br />
power over the years.<br />
Based in New York since the early 1990s, Emiko<br />
Kasahara examines the body and gender through<br />
her art. Her video-performance piece La Charme #3,<br />
2004 looks at hair, often hailed as symbol of femininity,<br />
via five identically round sculptures made<br />
of blond coloured artificial hair, whose near-metallic<br />
lustre belies their delicate softness. A video monitor<br />
placed out in front shows seven women with correspondingly<br />
tinted hair gesturing to the coiffure<br />
sculptures, the subject-object relations moving back<br />
and forth between them just like swaying hair. Both<br />
a trait of the person and something apart, hair<br />
defies description yet evokes emotions and memories,<br />
a powerfully charged signifier with its own
sie sich selbst damit einhüllen könnte. Was für Hidaka aber viel-<br />
leicht das Wichtigste ist, ist der „Raum des Himmels“ jenseits der<br />
Bäume. Der sich unendlich weitende Himmel hinter den Bäumen<br />
hat von ihrem Herzen Besitz ergriffen. Während sie Äste und Blätter<br />
zeichnet, erzählt sie stets von einer darüber hinausgehenden Dimension.<br />
Wenn man einen einzelnen Ast ins Auge fasst, so scheint<br />
er nahe zu kommen und sich wieder zu entfernen. Hidaka zeichnet<br />
nicht die tatsächliche Entfernung, sondern den „lebendigen Abstand“,<br />
der sich im eigenen Herzen einmal verringert, einmal vergrößert.<br />
Je genauer man hinsieht, umso mehr nimmt man wahr, wie der<br />
unermessliche „Raum des Himmels“ jenseits der Blätter in Erscheinung<br />
tritt. Dieser „Raum des Himmels“ unterhält auch irgendwo<br />
eine Verbindung zu den leeren „utaki“-Kultstätten von Taro Okamoto.<br />
Mit den Techniken der traditionellen japanischen Holzschnitzerei<br />
reproduziert Yoshihiro Suda präzise verschiedene Pflanzen, angefangen<br />
von Rosen oder Kamelien bis zu Unkraut, in Originalgröße<br />
und -farbe und installiert sie im Raum. Beim Ausstellen seiner<br />
geschnitzten Pflanzen bezieht er die Schwingungen des gesamten<br />
Raums mit ein und nimmt vor allem auf Licht und Schatten Rücksicht,<br />
sodass eine Zeit des besonderen Feingefühls entsteht. An<br />
einem bestimmten Ort erscheint eine Pflanze und ihre Zeit, die hier<br />
eigentlich nicht sein dürften. Man spürt eine Blume aus einer anderen<br />
Dimension in der Wirklichkeit erblühen.<br />
Tetsuya Nakamura trat in die Welt der modernen Kunst ein, nachdem<br />
er an der Universität das traditionelle Kunsthandwerk der Lackkunst<br />
erlernt hatte. Seine Werke Replica oder Speed King orientieren<br />
sich an der Ästhetik von Rennwagen oder Düsenflugzeugen. Es sind<br />
zahlreiche Objekte, die ihrer Fortbewegungsfunktionen beraubt sind<br />
und deren Oberflächen und taktile Eigenschaften an glänzenden<br />
Lack erinnern. Auch in seiner Serie Premium Unit, 2003, nimmt er<br />
Badewannen oder Waschbecken aus ihrem funktionalen Kontext,<br />
überzieht sie mittels raffinierter Techniken mit floralen Mustern und<br />
verwandelt sie dadurch in rätselhafte organische Wesen. Getrennt von<br />
Verwendungszweck und Funktion, zerrissen zwischen den Extremen<br />
Geschwindigkeit und Körper, können wir in Nakamuras Objekten<br />
eine wunderbare Deformation unserer alltäglichen Wahrnehmung<br />
erblicken.<br />
Auch die Werke von Motohiko Odani sind von einer dichten Intensität<br />
durchdrungen, als ob die sich in Höchstgeschwindigkeit verändernde<br />
körperliche Wahrnehmung in ihnen von einem Moment zum nächsten<br />
eingefroren worden wäre. Sein kürzlich entstandenes Werk Berenice,<br />
2003, ist ein weißes kugelförmiges Gebilde von zwei Metern Durchmesser,<br />
das die Trostlosigkeit einer vergessenen Kernwaffe ausstrahlt.<br />
Toshiharu Ito 32 33<br />
irreducible material qualities that Kasahara deftly<br />
uses to plumb the wellsprings of plurality, alienation<br />
and madness in ourselves.<br />
Rieko Hidaka creates monochrome images that wed<br />
precision pencil drawing to the “Nihonga” Japanese<br />
painting tradition. Her series Looking Up The Trees<br />
begun in the late 1980s is like an on-going walk<br />
through the woods gazing at the sky through the<br />
enfolding branches of the forest canopy, and evinces<br />
a consistent focus on the act of perceiving. Her<br />
consummate technique details not only tree trunks<br />
and branches, but individual leaves, the fall of light<br />
and distance to the sky beyond. With dutiful attention<br />
to the special qualities of Nihonga papers and<br />
pigments, she paints picture planes exactly sized to<br />
embrace us. Hidaka’s real focus seems to be the<br />
rapturous “space of the sky”, her rendering of twigs<br />
an ecstatic dialogue with another further dimension.<br />
If one stares at each branch silhouetted against<br />
negative space, it seems to come forward or recede,<br />
not toward any vanishing point, but by some inner<br />
“living perspective”. The longer one looks, the deeper<br />
one’s perception registers the “space of the sky” –<br />
a revelation not unlike Taro Okamoto’s experience<br />
of “utaki” emptiness.<br />
Yoshihiro Suda, a master in the Japanese woodcarving<br />
tradition, meticulously reproduces life-size<br />
garden flora – roses, camellias, even wildflowers –<br />
which he arranges with loving attention to light,<br />
shadow and colour to create spatial installations<br />
that fairly breathe with their own ineffable life outside<br />
time.<br />
Tetsuya Nakamura initially studied traditional Japanese<br />
lacquer-making in university before entering<br />
the world of contemporary art. In works like his<br />
Replica series, and Speed King, he extracts the vehicular<br />
essence of Formula One race cars and jet<br />
planes to sculpt multiples whose lustrous lacquerlike<br />
surfaces suggest speed itself. Similar technical<br />
refinements are showcased in his Premium Unit<br />
series, 2003, streamlined non-functional sinks, tubs<br />
and other bathroom fixtures deformed into wildly<br />
organic objects decorated with flowing peony
Doch der Kern der Bombe ist entfernt, ihr Inneres ist ausgehöhlt.<br />
Diese unheimliche Hohlheit scheint den Zustand des heutigen Japan<br />
widerzuspiegeln. Auch Skeleton, 2003, ist ein Werk, das Geschwindigkeit<br />
und Sinnlichkeit thematisiert. Die Jahre lasten auf dem Körper,<br />
unter dem Druck der Schwerkraft löst sich das Fleisch und die<br />
Knochen werden sichtbar. Die Zeit nimmt flüssige Gestalt an und<br />
tropft wie ein Wasserfall von der Skulptur herab. Odanis Werke, die<br />
die scharfkantigen Formen des prall mit Sinnlichkeit und Geschwindigkeit<br />
gefüllten Japan des 21. Jahrhunderts ausdrücken, saugen<br />
einerseits die Erinnerungen der japanischen Subkultur und der Medien<br />
in sich auf und scheinen andererseits vertikal von der Grenzlinie<br />
zwischen Leben und Tod emporzuragen. Sie zeigen überwältigende<br />
Kräfte, die in unserer Welt nicht sichtbar sind und den Betrachter<br />
verführen.<br />
Die bekannte Filmemacherin und Schriftstellerin Trinh T. Minh-ha<br />
wurde in Vietnam geboren, bereiste Europa und Afrika und lebt derzeit<br />
in Amerika. 2002 vollendete sie während eines längeren Japanaufenthaltes<br />
ihren ersten digitalen Videofilm The Fourth Dimension,<br />
in dem sie die fortgeschrittensten Filmbearbeitungstechniken<br />
anwendet. Sie interessiert sich hier für den japanischen Alltag außerhalb<br />
der üblichen Japan-Klischees und untersucht die zeitliche<br />
Wahrnehmung, an Erinnerungen gebundene Gesten oder zur Gewohnheit<br />
gewordene Rituale, die den Japanern selbst kaum bewusst sind.<br />
Sie bringt dabei Dinge ans Licht, die im Zuge der rasanten Modernisierung<br />
Japans außer Acht gelassen wurden. In Japan, das noch<br />
stärker von Geschwindigkeit besessen ist als die westlichen Gesellschaften,<br />
gibt es dennoch eine davon unberührte, tief eingeprägte<br />
Form der Körperlichkeit. Obwohl dieses Land die Errungenschaften<br />
der westlichen Zivilisation aufsog, effektiv umsetzte und sich schließlich<br />
der Aufgabe verschrieb, das Original noch zu übertreffen, gibt<br />
es eine Art Bodenständigkeit, die es von Grund auf durchsetzt. Wenn<br />
das zum Problem wird, so rührt dies laut Trinh T. Minh-ha daher,<br />
dass man es immer nur innerhalb des Rahmens der geschwindigkeitstrunkenen<br />
Gesellschaft betrachtet. In The Fourth Dimension<br />
analysiert sie Zeit, Riten, Sprache, Mobilität und Wahrnehmung des<br />
21. Jahrhunderts aus dieser Sicht. In Japan durchdringt die digitale<br />
Technologie den Alltag überall, die Gesellschaft wird von Effizienz<br />
und Zweckmäßigkeit angetrieben, die Technologie wiegt die Menschen<br />
in flüchtigen Illusionen, doch den Japanern selbst gelingt es kaum,<br />
auf dieser Welle zu reiten. Sie werden zwischen den Extremen zerrissen.<br />
Es entsteht ein merkwürdiges Schwindelgefühl, als würde<br />
man in einem Hochgeschwindigkeitszug fahren und dabei den Körper<br />
zurücklassen. Durch ihren Blick von außen gelingt es Trinh, den<br />
aktuellen Stand der japanischen Wahrnehmung auf ganz spezielle<br />
Weise herauszuarbeiten. Wahrscheinlich teilen auch alle japanischen<br />
patterns, as if to suggest that our tame everyday<br />
lives are accelerating beautifully out of control.<br />
Motohiko Odani, on the other hand, presents us<br />
with physicality frozen in extremely dense moments<br />
of accelerated “modification”. In his recent Berenice,<br />
2003, a two-metre white sphere-device trails masses<br />
of cables like an abandoned nuclear weapon ready<br />
to detonate, its grim, foreboding presence belying<br />
the empty “nucleus” inside – a symbol of the hollowness<br />
of contemporary Japan? Or again, in Skeleton,<br />
2003, Odani satirises the supercharged speedy<br />
sensuality of twenty-first century Japan in the form<br />
of a towering “biological clock” that sags and drips<br />
with the gravity of ageing, even as the sharpness<br />
of sculptural elements seems to stand right at the<br />
boundary of life and death steeped in memories of<br />
Japanese subculture and media.<br />
Renowned Vietnamese-born writer-filmmaker Trinh<br />
T. Minh-ha who has worked in Europe and Africa,<br />
and currently lives in the United States, finished<br />
her first digital video feature The Fourth Dimension<br />
using high-end postproduction facilities during an<br />
extended residency in Japan in 2002. In this work,<br />
Trinh probes deep into Japanese daily life from<br />
perspectives far removed from any stereotypical<br />
view of Japan, examining unconscious gestures,<br />
memory-laden practices and rituals deeply ingrained<br />
among the Japanese, so as to reveal underlying<br />
attitudes toward time and retrieve elements long<br />
overlooked in Japan’s rush toward modernisation.<br />
For perhaps more than the fast-paced modern<br />
Western society, Japan remains largely unaware<br />
of how its flirtation with even faster speeds has<br />
become a national obsession and, Trinh observes,<br />
has left indelible marks on the Japanese people<br />
themselves. In The Fourth Dimension, Trinh shows<br />
us a society pursuing digitisation, efficiency and<br />
convenience in every aspect of life, chasing after<br />
hyper-real dreams scarcely glimpsed between one<br />
technological advancement and the next, ripping<br />
apart in the physical act of trying to outstrip the very<br />
thresholds of time. These physically stressful aspects<br />
of Japanese perception today may be especially<br />
pronounced to her outside eye – though this vision
Künstler, die wir bisher erwähnt haben, diese Wahrnehmung. In<br />
The Fourth Dimension beschreibt Trinh T. Minh-ha die vierte Dimension<br />
als ein Licht, das psychische Auswirkungen hat. Man kann sie<br />
im Alltag nicht erkennen, sie ist wie die Zeit im Film. Sie verläuft<br />
weder linear, noch gehorcht sie einer Bewegung, noch kehrt sie<br />
zyklisch wieder. Sie ist weder objektivierbar noch akzidentiell noch<br />
real. Sie ist Zeit an sich. Durch die Wahrnehmung dieser zeitlichen<br />
Dimension kommt es zu einer neuen Subjektivierung. Es ist diese<br />
zeitliche Dimension, mit der sich die japanische Gegenwartskunst<br />
auseinander setzt. Wenn der Film die Erfahrung von Zeit und Licht<br />
ist, so führt uns die Ausbreitung der digitalen Technik in den Bereich<br />
einer „intensivierten Zeit“. In gewissem Sinn hat sich die japanische<br />
Gegenwartskunst viel früher als die Kunst anderer Länder auf diesen<br />
Zustand eingelassen. Diese veränderte Zeitwahrnehmung kann als<br />
Charakteristikum des japanischen Übergangs von der Moderne zur<br />
Postmoderne angesehen werden.<br />
Die dynamische Entwicklung der japanischen Kunst vom 20. zum<br />
21. Jahrhundert bringt die Besonderheiten von Wahrnehmung, Zeit<br />
und Gedächtnis in Japan zum Vorschein. Im letzten halben Jahrhundert<br />
war in der japanischen Kunst eine Art Schwerkraft wirksam,<br />
mit der sich die Künstler konfrontierten und die ihren Schatten auf<br />
sämtliche Ausdrucksmittel und -formen warf.<br />
Im Zuge einer rasanten Modernisierung und Technisierung hat die<br />
japanische Kunst, hin- und hergerissen zwischen den Extremen<br />
Geschwindigkeit und Körper, einen komplizierten Weg beschrieben,<br />
der jedoch die wesentlichen Fragen nach Mensch und Umwelt<br />
beinhaltet. Trotz aller Extreme und Windungen sind es diese besonderen<br />
Umstände der japanischen Kunst, mit denen sich im Zeichen<br />
der Globalisierung nunmehr auch die Welt als Ganzes konfrontiert<br />
sieht. Es ist das Ziel dieser Ausstellung, diese wesentlichen Fragen<br />
aus den Entwicklungen der japanischen Kunst zu extrahieren und<br />
zugleich eine darüber hinausgehende neue künstlerische Kraft und<br />
einen Anhaltspunkt für die Suche nach einer zeitgemäßen, neuen<br />
Dimension zu entdecken. Dabei sollen nicht nur die westlichen<br />
Wertmaßstäbe der Kunst hinterfragt und die Bedeutung der Kunst<br />
im 21. Jahrhundert neu überdacht werden, es sollen auch neue Möglichkeiten<br />
für die japanische Kunst aufgezeigt werden, die aus den<br />
dramatischen Änderungen der Medienwelt und den komplexen<br />
Strukturen ihrer in den Alltag vordringenden Technologien entstehen.<br />
Toshiharu Ito 34 35<br />
is to some extent surely shared by the Japanese<br />
artists who have grown up in this society.<br />
Trinh says the “fourth dimension” here refers to the<br />
mental affects of light: unregarded in itself in everyday<br />
reality, light constitutes a dimension akin to<br />
time in the realm of film, albeit neither linear nor<br />
cyclically recursive nor again subordinated to motion.<br />
Non-objectifiable, not event and not existence, it is<br />
time itself; to perceive this time dimension is to<br />
engender a new subjectivity. Contemporary art in<br />
Japan comes face to face with this dimension. Film<br />
is the experience of time and light, now pushed into<br />
the realm of “intensified time” via advanced digital<br />
technologies. In this regard, Japanese art began<br />
struggling to come to terms with these conditions,<br />
perhaps sooner than any other country; thus the<br />
perception of such time has been more readily<br />
apparent in the currents of Japanese modernity<br />
to postmodernism.<br />
These last fifty years Japanese art has laboured<br />
under a special kind of gravitation, a force that<br />
constantly confronts artists and informs the structure,<br />
qualities and formats of their expression.<br />
The dynamic developments seen in Japanese art<br />
in the late twentieth to twenty-first century all bear<br />
uniquely upon questions of perception, time and<br />
memory.<br />
Torn between body and speed amidst unprecedented<br />
rapid modernisation and industrialisation, Japanese<br />
art has probed complex pathways into issues<br />
of our humanity and environment. And now that<br />
these once-special circumstances appear ever more<br />
global in scope, it is time to extract the essential<br />
problematics of this history and find clues toward a<br />
new power of expression, new dimensions in crea-<br />
tivity. This, then, is the aim of our exhibition: we must<br />
reassess the values of Western art and reconsider<br />
its meaning for the twenty-first century, so as to<br />
point the way to new possibilities in Japanese art<br />
at the juncture of dramatic changes in media and<br />
communications and the personalisation of technology<br />
in daily life.
Makoto Sei Watanabe<br />
Ein Band, das „Wissen“ und „Spüren“ verbindet<br />
A Ribbon that Joins “Knowing” and “Sensing”
Bedingung: Design als Lösung<br />
Ausstellungsgestaltung und Architekturdesign streben gleichermaßen<br />
nach der Erfüllung der ihnen auferlegten Bedingungen.<br />
Dies kann auf mehr als eine Art geschehen. Eine Möglichkeit,<br />
Design zu beurteilen, besteht darin, die angewandten Methoden<br />
der Problemlösung zu betrachten. Wenn die Aufgabe beispielsweise<br />
darin besteht, etwas aus einem kleinen Raum zu machen,<br />
dann ist die Vergrößerung des Raumes die naheliegendste<br />
Lösung. Eine andere Möglichkeit aber ist es, den Raum noch<br />
mehr zu verkleinern und ihn derart aufzuteilen, dass er nur<br />
anmutige Bewegungen erlaubt. Dies ist die den Häusern oder<br />
Räumen der traditionellen Teezeremonie – „chashitsu“ – zugrunde<br />
liegende Idee. Diese „Umkehr“-Lösung ist in der Tat die elegantere.<br />
Es gibt also mehr als nur eine Möglichkeit, den kleinen<br />
Raum zu vergrößern. Der Umkehransatz, einen kleinen Raum<br />
noch zusätzlich zu verkleinern, ist ein Paradoxon – es ist weniger<br />
Raum vorhanden, aber er ist angenehm (dieses Umkehrverfahren<br />
kann allerdings nicht auf alle Problemstellungen<br />
angewandt werden).<br />
So findet ein Sprung im Denkprozess statt, und das Lernen aus<br />
diesem Prozess bringt das Vermögen hervor, das die Designer<br />
bei der Lösung anderer herausfordernder Probleme inspiriert.<br />
Das ist nur ein Beispiel, aber es ist unbestritten, dass herausragendes<br />
Design das Resultat ungewöhnlicher Lösungsansätze<br />
ist. (Ob diese Lösungen dann im Einzelnen aufregend sind,<br />
unterliegt anderen Beurteilungskriterien.)<br />
Was waren nun die Bedingungen bei der Gestaltung dieser<br />
Ausstellung? Während meiner Studienzeit waren Peter Cook –<br />
einer der Designer des Kunsthaus Graz – und die Mitglieder<br />
von Archigram die angesagtesten Architekten ihrer Zeit. Damals<br />
glaubte ich noch, es sei die Aufgabe eines Architekten, tatsächliche<br />
Gebäude zu entwerfen. Die Mitglieder von Archigram<br />
hingegen waren weltweit die ersten „Medienarchitekten“, die<br />
zeigten, dass es nicht unbedingt nötig ist, etwas materiell<br />
Vorhandenes zu schaffen, und die betonten, dass es wichtiger<br />
war, die Welt zu „bewegen“ als sie zu bauen. Seither sind über<br />
30 Jahre vergangen und ich möchte Peter von ganzem Herzen<br />
zur Fertigstellung seines allerersten Bauwerkes gratulieren.<br />
Als Architekt sehe ich mich normalerweise den verschiedensten<br />
Gestaltungsansprüchen meiner Auftraggeber gegenüber.<br />
Egal wie bekannt ein Architekt ist, es ist ganz natürlich, dass<br />
der Auftraggeber bei der tatsächlichen Nutzung eine gewisse<br />
Enttäuschung erlebt. Einer der Gründe dafür ist die Tatsache,<br />
Condition: Design as a Solution<br />
Makoto Sei Watanabe 36 37<br />
The goal of providing a solution for a given set of conditions<br />
applies equally to exhibition design and architectural<br />
design. There is more than one way of doing this. One<br />
aspect of evaluating a design is to determine the method<br />
selected and how the given conditions have been addressed.<br />
For example, if there was a need to “do something<br />
with the small space”, then anybody could come up<br />
with the solution “make the space larger”. Another possible<br />
solution is , since the space is small, to make the actual<br />
space even smaller and instead design the space in a way<br />
that enables the movements of the people in that space<br />
to appear beautiful. This space refers specifically to the<br />
“chashitsu” or tea ceremony room or house. It is this<br />
reverse solution that is, in fact, the more elegant solution.<br />
There is more than just the one solution – “small space<br />
> larger space”. The reverse solution of “small space ><br />
an even smaller space” is a paradoxical solution – there<br />
is less space and yet it is comfortable (although this is<br />
not a technique that can necessarily always be applied).<br />
This represents a leap in the thought process and it is<br />
learning from this that generates the power to inspire<br />
designers to come up with solutions to other issues or<br />
challenges as well. This is only one example, but arguably,<br />
outstanding design is the result of coming up with<br />
solutions in the most unexpected of ways. (Whether that<br />
solution makes your heart flutter is another standard<br />
of evaluation.)<br />
So what were the conditions that were posed in the<br />
design of this exhibition? When I was a student, Peter<br />
Cook — one of the designers of the Kunsthaus — and<br />
the members of Archigram were considered the coolest<br />
architects. Back in those days when I believed that an<br />
architect’s role was to design an actual building, these<br />
individuals were the very first “media architects” in the<br />
world who proved that it was not necessary to create<br />
something real and who emphasized that it was more<br />
important to be able to “move” the world than simply to<br />
build. This was over thirty years ago, and I would like to<br />
congratulate Peter from the bottom of my heart on the<br />
completion of his very first work.<br />
As I am an architect, I usually find myself being given<br />
various directions by my clients when it comes to design.
dass diejenigen, mit denen die ursprünglichen Diskussionen<br />
über die Gestaltungsideen geführt wurden, häufig nicht die-<br />
selben Personen oder Organisationen sind, die das Bauwerk<br />
nach seiner Fertigstellung tatsächlich nutzen. Wenn man den<br />
Mitarbeitern des Unternehmens sagt, sie sollen die Einrichtung<br />
einfach nur benutzen und sie aber keinerlei Vorstellung von<br />
den Ansprüchen haben, die während der Entwurfsphase an das<br />
Gebäude gestellt wurden, oder von der Art des Prozesses, der<br />
dem Endresultat zugrunde liegt, dann ist es nur natürlich, dass<br />
das Personal vielerlei Aspekte des Ergebnisses in Frage stellt.<br />
Sogar wenn der Architekt sich bemüht, die Anforderungen des<br />
Auftraggebers schon während der Entwurfsphase zu erfüllen,<br />
werden die Personen, die dann das Endprodukt nutzen, enttäuscht<br />
sein. Dies ist in einem gewissen Sinn das Schicksal des<br />
Architekten. (Es gibt aber auch geglückte Beispiele dafür, dass<br />
dies nicht immer der Fall sein muss. Dann nämlich, wenn der<br />
Auftraggeber das gestalterische Ziel erfasst und es versteht, dies<br />
dem künftigen Personal so zu übermitteln, dass das Gebäude<br />
auch weiterhin liebevoll in Ehren gehalten wird. Die Liebe<br />
überwindet praktisch alle Probleme. Für mich ist das Aoyama<br />
Technical College so ein Beispiel. Obwohl es bereits 1990 fertig<br />
gestellt wurde, sieht es immer noch frisch und neu aus dank<br />
der Liebe, die dieser Architektur von seinen Besitzern entgegengebracht<br />
wird.)<br />
In diesem Essay versetze ich mich in die ungewöhnliche Rolle<br />
des „Benutzers“ oder des Auftraggebers. Manchmal ist es gar<br />
keine so schlechte Idee, die Rollen zu tauschen.<br />
Und wie sieht es nun mit dem Kunsthaus aus, wenn man es<br />
vom Standpunkt des Nutzers aus untersucht? Zuerst möchte<br />
ich der Stadt Graz meinen Respekt für diese mutige Wahl –<br />
der ein Wettbewerb vorausging – aussprechen. Das Resultat<br />
ist als „Friendly Alien“ aus dem Weltall beschrieben worden,<br />
das in einer schönen Stadt gelandet ist. Obwohl die Architektur<br />
ein Fremdkörper in dieser Umgebung ist – mit der Gestalt und<br />
Textur des weichen Körpers eines Wesens, das zwischen den<br />
schroffen Spitzen der anderen Bauten durchfließt und sich ausbreitet<br />
–, steht sie nicht im Gegensatz zur Umgebung, sondern<br />
integriert sich völlig (obwohl dem einige zweifellos widersprechen<br />
würden). Der klare Verzicht auf Kompromisse wirkt wie eine<br />
frische Brise. Die Erhaltung der Altstädte ist ohne Zweifel eine<br />
wichtige Aufgabe, aber die Bedeutung dieses Werkes liegt<br />
darin uns zu zeigen, dass es nie nur eine Möglichkeit bei der<br />
Bewahrung des Alten gibt.<br />
Regardless of how well known the architect is, it is only<br />
normal for the client to discover certain problems when<br />
the work eventually goes into use. One of the reasons<br />
for this is that the person with whom the initial designrelated<br />
discussions were held is often not the same as the<br />
person/s or organization that will be actually using the<br />
building after its completion. If the organization is simply<br />
told to use the facility when it has no idea what kind of<br />
demands and requests were made during the design<br />
process or of the nature of the process that resulted in<br />
the building they are using, then it is only natural that the<br />
people in the organization would question many aspects<br />
of the final result. Even if the architect endeavors to satisfy<br />
the demands of the client during the design stage, the<br />
persons using the end-product are dissatisfied. This is,<br />
in one sense, the fate of the architect. (However, there<br />
are happy instances when this is not always the case.<br />
This is when the client understands the aim of the<br />
design and the facts are conveyed to the successive<br />
maintainers and custodians so that the work continues<br />
to be cherished. “Love” always conquers any problems.<br />
For me personally, Aoyama Technical College is one<br />
such example. Completed in 1990, it always looks fresh<br />
and newly completed thanks to the “love” shown for the<br />
architecture by its owners.)<br />
In this essay, I shall place myself in the unusual position<br />
of “the user” or the client. It is not a bad thing to switch<br />
one’s role from time to time.<br />
And what is the Kunsthaus like when examined from the<br />
point of view of the user?I would first like to express my<br />
respect to the city of Graz for making the courageous<br />
decision of choosing – through a competition – this design.<br />
The resultant work has been described as a friendly<br />
alien from outer space that has landed in a beautiful<br />
ancient city. Although the architecture is completely foreign<br />
to the surrounding streetscape, its form and texture<br />
is like that of a soft-bodied creature that flows between<br />
and spreads out from the rugged peaked buildings and<br />
yet it is not in conflict with its surroundings and if anything,<br />
is quite integrated (although some would no doubt<br />
disagree). The clear lack of compromise is like a breath of<br />
fresh air. Obviously, the preservation of the streetscapes<br />
of ancient cities is important, but the significance of this<br />
work lies in the fact that it proves there is never only one<br />
way of preserving the old.
Ribbon, 2005<br />
Ausstellungsarchitektur<br />
Chikaku, Rendering<br />
Ribbon, 2005<br />
Architecture of exhibition<br />
Chikaku, Rendering<br />
Makoto Sei Watanabe 38 39
Die Hauptausstellungsräume sind auf zwei Ebenen verteilt.<br />
Die obere hat eine hohe, hervorstehende Decke, die mit der<br />
Außenform des Daches übereinstimmt, während die Decke der<br />
unteren Ebene flach ist. In der Decke der oberen Ausstellungsebene<br />
sind Oberlichter und ringförmige Lampen verteilt, die<br />
die Aufmerksamkeit der Besucher anziehen, auch wenn die<br />
Lichter aus sind. Es gibt eine bewegliche Rampe (eine weitere<br />
kühne Wahl), die den Ausstellungsraum in der Mitte durchläuft.<br />
Die Hängung und Positionierung der Arbeiten erfordert so<br />
bestimmte Überlegungen, damit der Zusammenhalt des Ausstellungsraumes<br />
als Einheit erhalten bleibt. Anstelle der glatten<br />
Acryl-Oberfläche der Außenhülle wurde für die Innenräume<br />
graue Farbe verwendet, was die Oberlichtsituation und die<br />
Lampenanordnung an der Decke noch betont.<br />
Eine Möglichkeit, mit dem Innenraum umzugehen, wäre die<br />
Auskleidung mit Trennwänden, aber damit würde man den<br />
Möglichkeiten des Innenraums und der Form des Gebäudes<br />
nicht genügend Rechnung tragen. Es ist keine einfache Aufgabe,<br />
die Merkmale eines Gebäudes optimal zu nutzen und gleichzeitig<br />
einen Weg zu finden, alle Arten von Problemstellungen<br />
und Herausforderungen anzugehen.<br />
Ich wurde von Toshiharu Ito, dem Chefkurator dieser Ausstellung,<br />
von Peter Pakesch, dem Direktor des Kunsthaus Graz,<br />
und von Adam Budak, Kurator am Kunsthaus, gebeten, eine<br />
neue Ausstellungsgestaltung zu entwickeln, die das Wesen<br />
der Architektur hervorhebt<br />
Etwas, das geschlossen scheint und doch offen ist:<br />
ein Band, das sich im Wind bewegt/aufgesprungene DNA<br />
Eine weitere Vorbedingung ergibt sich aus den Exponaten selbst.<br />
In dieser Ausstellung sollen Fotografie, Kunst und Medien gleich<br />
behandelt werden. Die Nachbearbeitung digitaler Fotografien<br />
ist ein der Malerei verwandter Prozess, während die Fotografie<br />
häufig in der Kunst eingesetzt wird. Heute sind die Grenzen<br />
zwischen Medienkunst und „einfach nur Kunst“, die ohne Vorsilben<br />
auskommt, unscharf geworden.<br />
Dennoch wird der Fotograf, wenn er nach seiner Tätigkeit gefragt<br />
wird, antworten, dass er fotografiere, während der Künstler<br />
sagen wird, er mache Kunst. Sie scheinen gleich und sind es<br />
doch nicht. Welche Art der Ordnung und der Anordnung wäre<br />
dieser Ausstellung, in der die verschiedenen Medien gleich<br />
behandelt werden, angemessen?<br />
The main exhibition rooms are on two levels. The upper<br />
level has a high, protruding ceiling that conforms with the<br />
external roofline, while the lower level is flat. The ceiling<br />
of the upper level is dotted with skylights and large multiringed<br />
light fittings that draw the attention of visitors<br />
even when the lights are out. There is a moving ramp<br />
(another bold choice) that runs through the middle of the<br />
exhibition room and the positioning of the works would<br />
require some consideration in order to achieve a sense<br />
of cohesiveness of the exhibition space as a whole. Rather<br />
than the smooth acrylic material used on the exterior,<br />
grey paint has been used in the internal space, which<br />
further enhances the skylights and the large light fittings<br />
on the ceiling.<br />
One way of addressing these issues would be to wrap<br />
the interior with screens, but this would not be making<br />
the most of the building’s internal space and form. To<br />
make the most of the features of a building and at the<br />
same time to find a way to address any issues or challenges<br />
is not an easy task.<br />
I was asked by Toshiharu Ito, the supervising curator<br />
of this exhibition, as well as by Peter Pakesch, Kunsthaus<br />
Graz director and Adam Budak, the Kunsthaus’ curator<br />
of this exhibition, to come up with a new exhibition design<br />
that would enhance the features of this architecture.<br />
Something that appears closed and is yet open:<br />
a ribbon flowing in the wind/sprung-open DNA<br />
Another condition is posed by the exhibits themselves.<br />
One of the aims of this exhibition is for photography,<br />
art and media to be handled in the same way. Postprocessing<br />
of digitized photographs is in fact quite similar<br />
to painting while photography is commonly used in art,<br />
and today, the boundaries between media art and “just<br />
art”, without a prefix, are no longer clear.<br />
However, when asking what they do, a photographer<br />
will answer “photographer” while an artist answers “artist”.<br />
They seem the same and yet they are not. Therefore,<br />
what type of ordering and layout would be appropriate<br />
for this exhibition in which the various media are all<br />
treated as one?
Ich unterteilte daher die Arbeiten entsprechend ihres „Formats“.<br />
Das führte dazu, dass die Objekte oder dreidimensionalen<br />
Arbeiten im großen Raum der oberen Ebene platziert wurden<br />
und die zweidimensionalen Werke mit flacher Oberfläche im<br />
unteren Bereich mit seiner niedrigen Decke. „Dreidimensionale<br />
Arbeiten mit ausgestalteter Außenform“ wurden als „Objekte“<br />
betrachtet, während zweidimensionale Arbeiten mit ebener<br />
Oberfläche als „flach“ galten. In der Folge werden bewegte<br />
Bilder, Fotografien und Gemälde in der unteren Etage ausgestellt,<br />
da sie alle dasselbe Format haben, also flach sind.<br />
Zwar hat die Einteilung von Kunst nach ihrer Form keine besondere<br />
Relevanz, aber andererseits gibt es auch keinen definitiven<br />
Standard für die Kategorisierung von Kunst. In diesem Fall<br />
wurde das „Format“ – die Hardware der Arbeit – als Kriterium<br />
gewählt, um dem „Format“ der Hardware des Ausstellungsraums<br />
gerecht zu werden. Dieses Konzept der Unterteilung war<br />
die gemeinsame Entscheidung von acht Leuten – Toshiharu Ito,<br />
Peter Pakesch, mir, Miki Okabe, Adam Budak, Christine<br />
Frisinghelli, Seiichi Furuya und Niels Jonkhans.<br />
Häufig werden Wände zur Unterteilung eines Ausstellungsraums<br />
benutzt, meist um eine gegenseitige Beeinflussung der<br />
Künstler zu vermeiden. Das bezieht sich logischerweise nicht<br />
auf Einzelausstellungen, sondern auf Gruppenausstellungen, in<br />
denen die Arbeiten mehrerer Künstler zu sehen sind. Aber wenn<br />
man einen Ausstellungsraum dieser Größe in kleinere Räume<br />
unterteilte, würde man den Charakter der räumlichen Ausdehnung,<br />
ein Hauptmerkmal des Kunsthaus Graz, verlieren. (Auch<br />
hier war es meine Absicht, die Intentionen des „Designers“ zu<br />
respektieren.)<br />
Würde man die Arbeiten ohne Konzept in einem einzigen Raum<br />
ausstellen, bestünde die Gefahr, den Eindruck von Regalen in<br />
einem Supermarkt zu erwecken (obwohl auch das interessant<br />
sein könnte). Daher entschloss ich mich für eine Lösung, die<br />
weder aus einem geschlossenen Raum noch einem völlig<br />
offenen bestand noch in einer Auswahl von beiden bestehen<br />
würde.<br />
Und so verbanden sich die „Bedingungen des Raumes“ mit den<br />
„Bedingungen der Arbeiten“. Die Lösung für die obere Etage, die<br />
eine Integration all dieser Elemente darstellt, war die Schaffung<br />
eines Raumes, der aus einer einzigen fortlaufenden Trennwand<br />
besteht. An einigen Stellen erhebt sich diese Leinwand vom<br />
Boden, um das „Territorium“ eines Künstlers zu bezeichnen,<br />
Makoto Sei Watanabe 40 41<br />
I therefore categorized the work based on the “format”<br />
of each work. The result was to place the “objects” or<br />
three-dimensional works on the upper level with its larger<br />
space and the two-dimensional works on the lower level<br />
with its flat ceiling. “Objects” were defined as “threedimensional,<br />
externally shaped works”, while “flat” works<br />
were defined as “two-dimensional, flat screened” works.<br />
As a result, moving images, photographs and paintings<br />
are all exhibited on the lower level as they all have the<br />
same format, that is, they are all flat.<br />
Although there is no particular significance in categorizing<br />
art by its form, neither is there any definitive standard<br />
for categorizing art. In this case, the “format” – the hardware<br />
of the work – was chosen in order to fit into the<br />
hardware “format” of the exhibition space. This concept<br />
of dividing the upper and the lower levels developed as<br />
a result of group consensus between the eight members<br />
of the planning team — Toshiharu Ito, Peter Pakesch,<br />
myself, Miki Okabe, Adam Budak, Christine Frisinghelli,<br />
Seiichi Furuya and Niels Jonkhans.<br />
Walls are often used to divide an exhibition space, partly<br />
to avoid interference amongst artists. This applies obviously<br />
not to solo exhibitions but to exhibitions like this<br />
one in which the works of many artists are on exhibit.<br />
However, if rooms are created from an exhibition area<br />
of this size, the manner in which the building expands<br />
– a feature of the Kunsthaus Graz – would be lost. (Here,<br />
too, I wanted to respect the intention of the “designer”.)<br />
And yet, if the works were simply exhibited indiscriminately<br />
within a single space, there would be the danger<br />
that it would end up looking like display shelves in a<br />
supermarket (although this could also be interesting).<br />
For this exhibition, therefore, I tried to come up with an<br />
exhibition space that was not closed nor totally open nor<br />
a choice between the two.<br />
This is how the “conditions of the space” and “the conditions<br />
of the works” came together. The solution for the<br />
upper level, which represents an integration of all of<br />
these, was the creation of a space that featured a single,<br />
continuous screen. In some places this screen rises up<br />
from the floor to indicate the artist’s “territory” while in<br />
other places it lifts up into the air to form a canopy that<br />
floats to indicate circulation routes.
Ribbon, 2005<br />
Ausstellungsarchitektur<br />
Chikaku, Rendering<br />
Ribbon, 2005<br />
Architecture of exhibition<br />
Chikaku, Rendering
während sie sich an anderen Stellen in die Höhe erhebt, um ein<br />
Dach zu bilden, das mit einer fließenden Bewegung die Wege<br />
durch die Ausstellung weist.<br />
Diese fließende Bewegung verstärkt den Charakter des Innenraumes.<br />
Sie hat eine Stärke, die die Präsenz des Oberlichts<br />
und der Lampen dämpft, und gleichzeitig ist sie zurückhaltend,<br />
um die Arbeiten nicht zu stören. Meine Lösung besteht aus<br />
einem umfassenden Raumkonzept mit dieser changierenden<br />
bandartigen Leinwand. Damit wurde der Architektur gleichzeitig<br />
eine andere Struktur eingebaut.<br />
Es besteht eine Verbindung zwischen diesem „flüssigen Raum,<br />
der eine Reihe von gewundenen Formen enthält“ und Web<br />
Frame, 2000, in der Station „lidabashi“ an der Oedo U-Bahn-Linie<br />
linie in Tokio. In Web Frame wandert eine Sekundärstruktur,<br />
die aus einem Netz von Stahlröhren besteht, durch den Untergrund<br />
und umfasst den Raum. Für diese Arbeit wurde ein<br />
Computerprogramm entwickelt, das sowohl den Anforderungen<br />
des Projektes als auch den Absichten des Designers genügte.<br />
Web Frame repräsentiert das (wahrscheinlich) erste Beispiel<br />
einer Architektur, die durch ein ganz auf die Anforderungen<br />
des Projektes zugeschnittenes Computerprogramm entstand.<br />
Obwohl für Graz kein entsprechendes Programm entwickelt<br />
wurde, gibt es bei der Problemlösung der beiden Projekte Überschneidungen.<br />
Die Art, wie das Band durch den Raum fließt, und seine Form<br />
wurden nicht willkürlich gewählt. Die (schöne) Form des Bandes<br />
entstand durch die Auseinandersetzung mit bestimmten<br />
Anforderungen und Bedingungen, die durch die Beschränkung<br />
der Länge und Breite des Bandes gegeben waren. Außerdem<br />
musste das Band die Abgrenzungen am Boden signalisieren<br />
und sich gleichzeitig erheben können, um die Durchgangswege<br />
zu bezeichnen.<br />
Für Web Frame wurde ein Computerprogramm benötigt, da<br />
die Anforderungen derart komplex waren, dass sie die Möglichkeiten<br />
des menschlichen Hirns schlichtweg überschritten.<br />
Ein Netz kann jede Form annehmen und ist höchst biegbar,<br />
aber gerade wegen dieser Flexibilität ist es so schwierig, auf<br />
bestimmte Problemstellungen abgestimmte Lösungen zu finden.<br />
In Graz handelt es sich um eine einzige fortlaufende Oberfläche,<br />
und diese ist nicht sehr flexibel. Daher kann das menschliche<br />
Hirn diese Anforderungen bewältigen. Das Resultat ist ein Band,<br />
Makoto Sei Watanabe 42 43<br />
This flowing movement reinforces the characteristics<br />
of the internal space. It has a strength that reduces the<br />
presence of the skylights and the light fittings on the<br />
ceiling and at the same time has a softness that does<br />
not obstruct the works. I presented, as a design solution,<br />
an overall space that featured this changing ribbon-like<br />
screen. This design also represents the incorporation of<br />
another structure into the architecture.<br />
There is a link between this “fluid space comprising<br />
a series of curved forms” and Web Frame, 2000, at the<br />
“Iidabashi” Station on the Oedo Subway Line. In Web<br />
Frame, a secondary structure created from rod meshing<br />
travels underground, embracing the space. A computer<br />
program to produce a design that would satisfy the<br />
requirements of the project and the intentions of the<br />
designer was developed for this work. Web Frame<br />
represents the realization of (probably) the first example<br />
worldwide of architecture that was created by utilizing<br />
a computer program that “satisfied the necessary conditions<br />
and requirements”. Although a similar program<br />
was not developed for the Graz exhibition, there are<br />
similarities between the two designs in the way issues<br />
were resolved.<br />
The way the ribbon flowed through the space and the<br />
shape that was selected was not something that was<br />
done spontaneously. The ribbon took shape (and beautifully<br />
so) by addressing certain requirements and conditions<br />
represented by the restrictions posed by the<br />
width and twists of the ribbon, by the need to situate the<br />
ribbon close to the ground around each work to indicate<br />
boundaries, and by the need to have it rise high up in<br />
the air to create passageways for circulation routes.<br />
Web Frame necessitated a computer program in its design<br />
as these requirements and conditions became entangled<br />
to such an extent that solving these was beyond the<br />
ability of the human brain. Mesh can be joined to form<br />
any shape and has a high degree of flexibility but because<br />
of these very features, it is equally difficult to come up<br />
with solutions to the conditions posed in the design. As<br />
the Graz version is a single continuous surface and there<br />
is little flexibility, the requirements and conditions can<br />
be solved by the human brain. The result is a ribbon that<br />
dances in the air, propelled by the wind. The space created
das in der Luft tanzt und dabei vom Wind bewegt wird. Durch<br />
das Band, das sich wie eine Wand aufrichtet, den Raum durchquert<br />
wie ein Dach und sich an bestimmten Stellen zusammen-<br />
zieht und an anderen breiter wird, entstehen Unterteilungen<br />
oder Zusammenhänge. Seine subtile und fließende Erscheinung<br />
erinnert an einen lebendigen Organismus.<br />
Wenn wir gerade von lebenden Organismen sprechen: Auch<br />
die Form des Kunsthauses mahnt an einen Einzeller wie das<br />
Paramecium. Wenn der Zellkern des Parameciums mit einem<br />
Skalpell aufgeschnitten wird, springt die im Zellkern zusammengefaltete<br />
Doppelspirale auf und füllt die Zelle aus. Vielleicht<br />
ist es der geöffnete Zustand dieser DNA, der die Grundlage<br />
für die Gestaltung dieser Ausstellung bildet.<br />
Eine Kleinstadt/Architektur, die sich bewegt:<br />
die Wand als mütterliches Element<br />
Die untere Ebene steht in scharfem Gegensatz zur oberen.<br />
In der unteren Etage sind fotografische Arbeiten ausgestellt,<br />
flache oder zweidimensionale Kunst und bewegte Bilder. Es<br />
wurde entschieden, dass eine „flache“ Art der Hängung für<br />
diese Werke gebraucht werden sollte. Ursprünglich war geplant,<br />
auf Wände ganz zu verzichten und stattdessen eine Art der<br />
Hängung zu gestalten, die die Arbeiten in der Luft zu schweben<br />
lassen scheint. Nachdem ich aber mit den Künstlern geredet<br />
hatte, erkannte ich, dass sie in der Tat Wände haben wollten.<br />
Rieko Hidaka sagte, sie wolle eine robuste Wand, während sich<br />
Hiroshi Sugimoto einen tunnelartigen, engen und langen Raum<br />
wünschte. Das kam völlig unerwartet.<br />
Wenn man die Kunstgeschichte anschaut, kann man sagen,<br />
dass die zweidimensionale Kunst, die von der Wandmalerei herstammt<br />
und somit Teil eines Gebäudes war, durch ihre Wand-<br />
lung zum Tafelbild von dieser Einengung befreit wurde. Eigentlich,<br />
so könnte man meinen, sollte sie noch weiter befreit und<br />
aus dem Rahmen gelöst worden sein. Aber die zweidimensionale<br />
Kunst scheint sich ihrer Ursprünge zu erinnern und sucht immer<br />
noch eine Wand, die sie annimmt, einen Ort, wo sie sich sicher<br />
und geborgen fühlt – ein fast mütterliches Wesen.<br />
Die größte Einschränkung, die der Architektur auferlegt ist,<br />
ist das Land. Der Architekt kann weder das Grundstück aussuchen,<br />
noch kann das Gebäude dem Problem des Bodens<br />
und der Schwerkraft entfliehen. (Übrigens ist eine Arbeit mit<br />
dem Titel Walking City eines der bekanntesten Projekte von<br />
by the ribbon that rises up like a wall and traverses<br />
the space above like a roof contracts in some sections,<br />
expands in others, is segmented or can be continuous.<br />
The appearance of this supple and fluid form resembles<br />
that of a living organism.<br />
Speaking of living organisms, the shape of the Kunsthaus<br />
is reminiscent of a single-cell creature such as a paramecium.<br />
When the nucleus of the paramecium is sliced<br />
open with a scalpel, the DNA’s doublehelix ribbon that<br />
is folded up inside springs open, filling the cell. Perhaps<br />
it is the opened-up state of this DNA that is the basis of<br />
the design for this exhibition.<br />
A small town/architecture that moves:<br />
the wall as maternal presence<br />
The lower level is in sharp contrast to the upper level.<br />
The lower level features photographic work, flat or twodimensional<br />
art and moving images. It was decided that<br />
a “flat” method of exhibiting the works should be used<br />
for flat or two-dimensional work. The initial plan was not<br />
to have any walls, and instead I came up with a way<br />
of exhibiting the works so that they appear to be floating<br />
in the air. After talking to the artists, however, I realized<br />
that they in fact wanted walls. Rieko Hidaka said she<br />
wanted a sturdy wall, while Hiroshi Sugimoto wanted<br />
a tunnel-like space, narrow and long. This was totally<br />
unexpected.<br />
When going back through history, flat or two-dimensional<br />
art which was born from murals that were part of buildings,<br />
can be seen to be later liberated from the constraints<br />
of the building by becoming a single tableaux, and should,<br />
by rights, have been further liberated from the constraints<br />
of the frame. Two-dimensional work appears, however,<br />
to continue to recall its origins, still seeking a wall that will<br />
embrace it, a place where it can feel safe and secure –<br />
an almost maternal presence.<br />
The biggest condition imposed on architecture is the<br />
land. The architect cannot choose the site, nor can the<br />
building avoid the issue of land or gravity.(By the way,<br />
amongst Archigram’s famous projects is a work entitled<br />
Walking City. The walking city or the moving structure is<br />
the embodiment of our desire to get away from land, the<br />
strongest constraint in the history of architecture.)
Archigram. Die laufende Stadt oder die sich bewegende Struktur<br />
ist die Verkörperung unseres Wunsches, der Bodenhaftung<br />
zu entfliehen, der stärksten Einschränkung in der Geschichte<br />
der Architektur.)<br />
Architektur, den überwältigenden Kräften des Bodens verhaftet,<br />
versucht in die Höhe zu springen, um dann in der Luft zu<br />
schweben, ohne dass sie nach unten gezogen wird, während<br />
die Kunst ohne Einschränkung ihrer Vorstellungskraft freien<br />
Lauf lässt, nur um sich auf der Suche nach ihrer Grundlage<br />
auf der Wand niederzulassen. Die Ähnlichkeiten und die Unterschiede<br />
dieser beiden Bereiche sind sicherlich interessant.<br />
Für den Architekten sind die „Wünsche“ der Künstler wie die<br />
„Gestaltungsbedingungen“, denen ein Gebäude unterliegt.<br />
(Wieder tausche ich die Rolle – dieses Mal bin ich nicht der<br />
Benutzer, sondern einer, der den Forderungen des Benutzers<br />
Folge leistet.)<br />
In Übereinstimmung mit den Wünschen der Künstler habe<br />
ich mich deshalb entschlossen, Wände einzubauen. Nun wollte<br />
jeder Künstler aber eine andere Art Wand. Einige wünschten<br />
dicke, andere kleine, einige wollten weiche Wände, andere eine<br />
dunkle Wand haben. Wenn ich den verschiedenen Wünschen<br />
aller Künstler nachgeben würde, hätte jeder Künstler schluss-<br />
endlich nur noch einen kleinen Raum zur Verfügung. Da sich<br />
die Wünsche der Künstler auf einen „Innenraum“ bezogen,<br />
müsste sich das Äußere demzufolge aus diesem Innenraum<br />
ergeben.<br />
Auch in dieser Stadt war das Äußere einfach das „Ergebnis“<br />
des Innenraums, und die „Architektur“ als solche wurde nie<br />
„geplant“. Anders als herkömmliche Städte ist diese Stadt aus<br />
dem Inneren heraus entstanden. Übrigens weisen die meisten<br />
japanischen Städte eine ähnliche Struktur auf. Im Gegensatz<br />
zu vielen großen Städten des Westens sind japanische Städte<br />
nicht das Ergebnis groß angelegter Planung. Wohl gibt es Ausnahmen<br />
wie Kyoto, aber im Allgemeinen gibt es nichts, was<br />
mit den großen Boulevards, die strahlenförmig vom Arc de<br />
Triomphe in Paris ausgehen, mit der Wiener Ringstraße und<br />
ihren öffentlichen Bauten oder mit den Innenhöfen und dem<br />
rechtwinkligen Netz des Eixamples Viertels in Barcelona vergleichbar<br />
wäre.<br />
Natürlich gibt es auch in Japan Stadtplanung, und einzelne<br />
Gesetze und Bestimmungen sind extrem strikt. Aber diese<br />
Makoto Sei Watanabe 44 45<br />
Architecture – bound by the overwhelming ties of “the<br />
land” seeks to leap up and then float in the air and without<br />
getting its legs caught below, while art opens up its<br />
imagination in a free world only to ground itself by seeking<br />
the foundation that is “the wall”. The similarity and the<br />
disparity between the two are certainly interesting.<br />
To the architect, the “wishes” of the artist are no different<br />
from the “design conditions” imposed upon a building.<br />
(Once again I am changing roles – this time I am not the<br />
User but the one who responds to the User’s demands.)<br />
In accordance with the wishes of the artists, therefore,<br />
I decided to build walls. The wall sought by each artist<br />
was different. Some wanted a thick wall, some wanted<br />
a small wall, some wanted a soft wall, others a dark wall.<br />
If I were to listen to each artist’s requests, the result<br />
would be a small room for each artist. As each artist’s<br />
request concerned “the interior of the room”, the exterior<br />
is therefore “a result” of the interior.<br />
In this town, the exterior was simply a “result” of the<br />
interior and the “architecture” was never “designed” as<br />
such. Unlike conventional towns, this is a town that was<br />
created from the inside.By the way, this is similar to the<br />
structure of most Japanese cities. In contrast to many<br />
of the large cities in the West, Japan’s cities are not the<br />
result of any grand design. There are exceptions such<br />
as Kyoto, but in general they have nothing like the boulevards<br />
radiating from the Arc de Triomphe in Paris, or<br />
Vienna‘s Ringstrassen and the public architecture along<br />
it, or the interior patios and grid pattern of the Eixample<br />
of Barcelona.<br />
Naturally, urban planning does exist in Japan as well,<br />
and individual laws and regulations are extremely strict.<br />
However, these regulations are primarily provisions<br />
related to the safety and size of buildings and very few<br />
apply to the urban landscape or the design of the overall<br />
city (acknowledgement of these shortcomings finally<br />
resulting in the enactment of a new law on landscape<br />
in 2005). Because of this, therefore, Japan’s cities have<br />
grown through solutions that predominantly addressed<br />
individual situations and issues, instead of addressing the<br />
needs of the city as a whole. The overall form of the city<br />
is consequently governed by parameters mainly designed
Bestimmungen beziehen sich vor allem auf die Sicherheit und<br />
die Größe der Gebäude und es gibt nur sehr wenige Vorschriften<br />
in Bezug auf die urbane Landschaft oder das Stadtbild.<br />
(Das Erkennen dieser Vernachlässigung führte schließlich zur<br />
Einführung eines neuen Landschaftsgesetzes im Jahr 2005.)<br />
Die japanischen Städte sind vor allem aus Lösungen von individuellen<br />
Problemen und Antworten auf isolierte Situationen<br />
gewachsen und man hat sich nicht mit den Bedürfnissen der<br />
Stadt als Ganzes auseinander gesetzt. So ist die gesamte Form<br />
denn auch von Parametern bestimmt, die nur Teilbereiche<br />
abdecken. Das Erstaunliche dabei ist allerdings, dass dieses<br />
System nicht zusammenbricht oder kollabiert. Tatsächlich<br />
funktioniert das Ganze recht gut. Und eindeutig trägt es eher<br />
die Züge eines Ökosystems denn einer Stadt.<br />
Wenn dem so ist, dann birgt die Funktionsweise japanischer<br />
Städte ein wahrlich herausragendes und zeitgenössisches<br />
Potenzial. Die Probleme, die hier gelöst werden, sind nicht auf<br />
japanische Städte beschränkt. Mit einer bewussten Nutzung<br />
dieses Mechanismus könnten so vielleicht auch Lösungsansätze<br />
für Probleme anderer Städte auf der ganzen Welt gefunden<br />
werden.<br />
Die wie eine japanische Stadt gestaltete untere Ausstellungsebene<br />
ist mit Camera Austria verbunden, die sich in einem<br />
anderen Flügel befindet. Basierend auf einer Idee von Toshiharu<br />
Ito – und wie eine Straße konzipiert –, mit den Arbeiten von<br />
Taro Okamoto im Fokus, stehen sich die Werke von Takuma<br />
Nakahira und Daido Moriyama gegenüber. Da Camera Austria<br />
selbst eine einzelne Schachtel darstellt, kann sie als ein großes<br />
Haus in der Häusergruppe, die den unteren Bereich säumt,<br />
angesehen werden.<br />
Fotografien von Tadashi Kawamata säumen die Wand der<br />
Brücke, die Camera Austria mit Kunsthaus Graz verbindet. Wenn<br />
ein Künstler Fotografien seiner eigenen Arbeiten zeigt, sind sie<br />
dann Fotos oder Kunst? In dieser Präsentation werden Arbeiten,<br />
die sich an der Grenze zwischen Kunst und Fotografie befinden,<br />
auch auf der Grenzlinie zwischen der Fotogalerie und dem<br />
Kunsthaus gezeigt. Tadashi Kawamata wird zusätzlich eine<br />
Außenskulptur bauen, die den barrackenartigen Unterkünften<br />
für Obdachlose ähnelt – ein weiteres Teilstück der zu einer<br />
„Stadt angeordneten Gruppe von Häusern“ in der unteren Ausstellungsebene.<br />
Nun verlässt die so entstandene „Stadt“ das<br />
Kunsthaus und dehnt sich in den Straßen von Graz selbst aus.<br />
Walking City beginnt zu laufen.<br />
to cover individual parts. Perhaps surprisingly, this does<br />
not result in breakdown or collapse. In fact, it functions<br />
quite well. It is arguably more representative of the workings<br />
of an ecosystem than of a city.<br />
If so, the mechanism of Japanese cities has the potential<br />
of being truly contemporary and outstanding. The problems<br />
it resolves are not just unique to Japanese cities, so<br />
if this mechanism can be utilized intentionally, it may even<br />
provide a solution for issues faced by cities the world over.<br />
The lower level, which is like a Japanese town, is connected<br />
to the Camera Austria, housed in another wing.<br />
This is based on a concept by Ito Toshiharu and has been<br />
laid out – as a street – with a focus on Taro Okamoto’s<br />
works with Takuma Nakahira and Daido Moriyama’s<br />
works facing each other. As Camera Austria itself is a<br />
single box, it can also be seen as one large house within<br />
the “group of houses” that lines the lower level.<br />
Photographs by Tadashi Kawamata line the wall of the<br />
bridge connecting Camera Austria and Kunsthaus Graz.<br />
If an artist shows photographs of his own work, is that<br />
art or photography? The result of this layout is that works<br />
lying on the boundary of art and photography are being<br />
exhibited on the boundary that lies between the photographic<br />
gallery and the Kunsthaus. Tadashi Kawamata<br />
will also be building an external work that resembles<br />
barrack-style housing for the homeless. This is arguably<br />
also part of the “group of houses = town” on the lower<br />
level. In this way, therefore, the “town” that has been<br />
created on the lower level expands beyond the Kunsthaus<br />
and into the streets of Graz itself. Walking City begins<br />
to walk.<br />
Knowing + Sensing/Upper + Lower:<br />
a code system for form and meaning<br />
The Japanese word “chikaku”, often translated as “perception”,<br />
is a compound of two words – “chi” or “knowing”<br />
and “kaku” or “sensing”. “Chi” – used in words such as<br />
“chishiki” (knowledge), “chie” (wisdom) and “chinou”<br />
(intelligence) – signifies rational thought. In contrast,<br />
“kaku” signifies awareness via the five senses as used<br />
in the words “kankaku” (sensibility), “mikaku” (taste)<br />
and “genkaku” (hallucination). General dictionaries list<br />
two meanings for “chikaku”:
Wissen + Fühlen/oben + unten:<br />
ein Codesystem für Form und Bedeutung<br />
Das japanische Wort „chikaku“, oft mit Wahrnehmung übersetzt,<br />
ist aus zwei Wörtern zusammengesetzt: aus „chi“, was<br />
soviel bedeutet wie „wissen“, und „kaku“, „fühlen“. „Chi“ ist in<br />
Wörtern wie „chishiki“ (Wissen), „chie“ (Weisheit) und „chinou“<br />
(Intelligenz) enthalten und bezeichnet das rationale Denken.<br />
Im Gegensatz dazu bedeutet „kaku“ das Spüren mit den fünf<br />
Sinnen wie in „kankaku“ (Sensibilität), „mikaku“ (Geschmack)<br />
und „genkaku“ (Halluzination). In gängigen Wörterbüchern<br />
findet man für „chikaku“ zwei Bedeutungen:<br />
1 Wissen und Verstehen erlangen durch den Intellekt<br />
2 Dinge und Ereignisse der Außenwelt als etwas Integrales<br />
und Bedeutungsvolles zu begreifen durch die Stimulanzhandlung<br />
der Sinnesorgane (aus: Daijirin)<br />
Um es einfach zu sagen, „chi“ deutet ein logisches Verständnis<br />
der Außenwelt an, während „kaku“ auf deren sinnliches<br />
Erkennen verweist. In „chikaku“ finden „Verstehen“ und „Fühlen“<br />
gleichzeitig statt. Die Wolken am Himmel betrachten und ihre<br />
Schönheit empfinden, um im nächsten Moment sich zu fragen,<br />
wie es möglich ist, dass diese Wolken überhaupt am Himmel<br />
schweben, während man weiter träumt und die Wolken ihre<br />
Gestalt ändern. Dieses unmittelbare Hin und Her zwischen<br />
„chi“ und „kaku“ stellt den endlosen Wechselprozess dar – wie<br />
der flimmernde Bildschirm eines Monitors –, der die Gesamtheit<br />
dessen, was wir als „Erkennen“ bezeichnen, hervorbringt.<br />
Der Umgang mit dem Dreidimensionalen und dem Zweidimensionalen<br />
durch die Trennung von oberer und unterer Ausstellungsebene<br />
stellt ohne Zweifel eine Trennung der beiden Aspekte<br />
dieser einen gleichzeitig stattfindenden Handlung dar, die<br />
sich dann wieder überlagern. (Unnötig zu erwähnen, dass die<br />
Elemente des einen jeweils im anderen enthalten sind.)<br />
Wie es das aus „chi“ und „kaku“ zusammengesetzte japanische<br />
Wort ausdrückt, stellt die Gestaltung der Ausstellung mit den<br />
beiden Elementen „oben“ und „unten“ ein Moment von „chikaku“<br />
dar. So sind auch die japanischen Schriftzeichen immer angeordnet<br />
worden: nicht horizontal, sondern vertikal, eines über<br />
dem andern.<br />
Die geschriebene japanische Sprache ist eine Kombination<br />
von ideografischen „kanji“- und phonografischen „kana“-Zeichen.<br />
Makoto Sei Watanabe 46 47<br />
1 To achieve knowledge and understanding through the<br />
intellect<br />
2 To grasp events and things in the external world as<br />
something integrated and meaningful through the stimulant<br />
action generated by the sensory organs (from Daijirin)<br />
To put it simply, “chi” strongly infers a logical understanding<br />
of the external world while “kaku” infers a sensory<br />
recognition of the external world. In “chikaku”, “reading”<br />
and “sensing” take place simultaneously. Looking up at<br />
the clouds in the sky and thinking how beautiful they<br />
are and then in the next moment wondering how these<br />
clouds manage to float in the sky, meanwhile continuing<br />
to revel in the clouds which continue to change shape and<br />
form. The instantaneous moving back and forth between<br />
“chi” and “kaku” represents a never-ending switching<br />
process – like the flickering screen of a monitor – that<br />
creates the overall image that is “recognition”.<br />
The addressing of the three-dimensional and the twodimensional<br />
by separating them into the upper and lower<br />
levels in this exhibition arguably represents a separation<br />
of the two aspects of the single action that take place<br />
simultaneously and then, once again, superimposing one<br />
onto the other. (Needless to say, the components of both<br />
are included in both.)<br />
As expressed by the Japanese word formed by the characters<br />
for “chi” and “kaku”, the exhibition design also<br />
forms an instance of “chikaku” through the two elements<br />
of “upper” and “lower”. That‘s how these Japanese script<br />
characters have always been arranged — not horizontally,<br />
but vertically one above the other.<br />
The Japanese written language is a combination of the<br />
ideographic writing “kanji” and the phonographic writing<br />
“kana”. As each of the “kanji” characters – imported<br />
from China around 1600 years ago – has its own meaning,<br />
the form and meaning of “kanji” is perceived as<br />
something that is inextricably linked. Meanwhile, “kana”<br />
characters which were developed in Japan around 1100<br />
years ago simply express sound and therefore have no<br />
relationship to form or meaning.<br />
For example, when looking at the “kanji” for “water”<br />
the character conveys the image and concept of water
Da jedes dieser „kanji“- Zeichen – die vor etwa 1600 Jahren<br />
aus China nach Japan gekommen sind – seine eigene Bedeu-<br />
tung hat, werden Gestalt und Bedeutung von „kanji“ als etwas<br />
untrennbar miteinander Verflochtenes wahrgenommen. Demgegenüber<br />
drücken die vor etwa 1100 Jahren in Japan entwickelten<br />
„kana“-Zeichen lediglich einen Klang aus, und deshalb<br />
besteht hier keine Beziehung zwischen Form und Bedeutung.<br />
Wenn man beispielsweise das „kanji“ für Wasser betrachtet,<br />
dann vermittelt das Zeichen das Bild und die Idee von Wasser<br />
(durch das bloße Anschauen, nicht das Verstehen des Zeichens).<br />
Die Gestalt des Schriftzeichens für „Wasser“ erscheint als das<br />
Bild von „Wasser“, das heißt, das Zeichen ist das Objekt selbst.<br />
Wenn dasselbe Wort als „kana“ geschrieben wird, vermittelt die<br />
Form des Schriftzeichens für „Wasser“ kein Bild. Die westlichen<br />
Sprachen gleichen dem System von „kana“. Es ist die Anordnung<br />
der fünf Symbole, die das Wort „Wasser“ (water) bilden.<br />
Es ist also nicht die Form der Buchstaben, die das Bild von<br />
„Wasser“ übermittelt, das Schriftzeichen ist hier ein Symbol.<br />
(Genau genommen ist es aber nicht so, dass das „kana“-Zeichen<br />
kein Bild darstellt, aber das Bild wird durch die Aussprache<br />
und die „Gestaltung“ der einzelnen Buchstaben hervorgerufen.<br />
Sogar die Buchstaben des Alphabets können Bilder enthalten.<br />
Durch die Art und Weise der Buchstabenverteilung wird, ähnlich<br />
wie bei Seriennummern, die in Produktnamen verwendet werden<br />
(A oder X beispielsweise), auf das Ursprungsbild verwiesen.)<br />
In der japanischen Sprache werden diese beiden unterschiedlichen<br />
Systeme – ideografisches und phonografisches – gleichzeitig<br />
im selben Text verwendet. Der Erkenntnisprozess des<br />
Gehirns, der sich entwickelt, während wir uns beim Lesen und<br />
Schreiben mit den Schriftzeichen verbinden, lässt sich auch auf<br />
andere Bereiche übertragen. Es ist denkbar, dass dieses<br />
Schriftzeichen-Erkennungssystem nicht nur unsere schriftliche<br />
Welt beeinflusst, sondern auch unser visuelles Umfeld und das<br />
visuelle Erfassen der Landschaft und der Dinge um uns. Es<br />
besteht auch die Möglichkeit, dass die Beziehung Form/<br />
Bedeutung und Idee/Bild ebenfalls in einer Weise parallel verarbeitet<br />
wird, die der Spracherfassung in vielerlei Hinsicht<br />
ähnelt.<br />
Wenn verarbeiten beinhaltet, dass sich Bedeutung direkt aus<br />
der Form der Zeichen erschließt, wie beim „Lesen“ der „kanji“-<br />
Zeichen, dann bedeutet das womöglich, dass aus allen uns<br />
umgebenden sichtbaren Zeichen Bedeutung abgeleitet wird.<br />
Die Spracherfassung, die die Bedeutung nicht aus der Form der<br />
(simply by looking at, not reading, the character). The<br />
shape of the character for “water” appears as the image<br />
for “water”, that is, the character as object. When the<br />
same word is written in “kana”, however, the “shape”<br />
of the character for water does not convey an image.<br />
Western languages are also similar to “kana”. It is the<br />
arrangement of the five symbols forming the word<br />
“water” that signifies water. It is not the “shape” of the<br />
characters that conveys the image of water, that is, the<br />
character as symbol. (Strictly speaking, it is not as though<br />
a “kana” character does not represent an image. In the<br />
case of “kana”, however, the image is generated by the<br />
pronunciation and the “design” of each letter. Even letters<br />
of the alphabet can contain images. For example, the<br />
source of the image can be ascertained by the partiality<br />
in the way model numbers used in product names are<br />
distributed (A or X, for example).<br />
In the Japanese language, these two different approaches<br />
to writing systems — ideographic and phonographic<br />
— are simultaneously distributed within the same text.<br />
The brain’s recognition processing system that develops<br />
during the process in which we, too, develop as we read<br />
and write these characters and live together with them,<br />
does not only function within the realm of characters.<br />
There is clearly a possibility that this character information<br />
processing system is influencing not only our written<br />
world but our visual environment and the visual processing<br />
of the landscape and the things we see around us.<br />
There is a possibility that the relationship between “form/<br />
meaning” and “concept/image” is being parallel-processed<br />
through many ways similar to the way language is processed.<br />
When processing involves meaning being directly derived<br />
from the shape of the characters – as is done when<br />
“kanji” characters are “read” – this perhaps results in an<br />
attempt to derive meaning from all the different shapes<br />
that we find around us.<br />
The eventual outcome of language processing that does<br />
not involve meaning being derived from the shape of<br />
the characters – as in “kana” – is perhaps a belief amongst<br />
people that deriving meaning from the natural environment<br />
is impossible. If both of these are being carried out<br />
on an ongoing basis, what kind of processing is taking
Ribbon, 2005<br />
Ausstellungsarchitektur<br />
Chikaku, Renderings<br />
Ribbon, 2005<br />
Architecture of exhibition<br />
Chikaku, Renderings<br />
Makoto Sei Watanabe 48 49
Makoto Sei Watanabe<br />
Fiber Wave I – G, 2005<br />
Simulation<br />
Zeichen ableitet, wie das „kana“-System, kommt wahrscheinlich<br />
aus einem Glauben der Menschen, dass es unmöglich sei, aus<br />
der natürlichen Umgebung Bedeutung abzuleiten. Wenn<br />
diese beiden Systeme ständig gleichzeitig angewandt werden,<br />
welcher Art sind dann die Prozesse zur Erfassung von Welt,<br />
die in unserem Gehirn ablaufen?<br />
Dies ist eine vorläufige Theorie, aber vielleicht kann uns die<br />
Betrachtung der ausgestellten Arbeiten einen Hinweis zu ihrer<br />
Verifizierung geben. Durch die Botschaft der Gestalt, aus einer<br />
Welt, die von Bedeutung umgeben ist...<br />
Sind die Arbeiten, die ihre Wirkung in diesem Raum entfalten,<br />
„Ideogramme“ oder „Phonogramme“?<br />
Die Wirkung des Objekts:<br />
der Mechanismus von Spüren, Erinnerung und Natur<br />
Die Arbeiten in der oberen Ebene strahlen die Kraft des<br />
Objekts aus. Yayoi Kusamas „sich selbst nachbildende“ Kunst<br />
aktiviert zuerst die physiologischen Sinneseindrücke und<br />
bewirkt dann, dass die gemeinsame Grunderfahrung, die die<br />
Basis unserer Erinnerungen bildet, aktiviert wird. Diese Erfahrung<br />
ist mit einer Erinnerung verbunden, die wir nicht genau<br />
identifizieren können, noch können wir sagen, wo und wann wir<br />
ihr begegnet sind, aber wir wissen, dass sie stattgefunden hat.<br />
Kusamas Arbeit benötigt keine Beschreibung. Sie zeigt die Kraft<br />
des Objektes, das keinen erklärenden Text benötigt. (Umso<br />
mehr bin ich von der Kraft des Textes in Kusamas Büchern<br />
überrascht.)<br />
Die Stärke dieser Arbeit liegt darin, dass sie einen überzeugenden<br />
Schaltkreis besitzt, der auf dem Hervorholen von<br />
Erinnerung basiert. Hier funktioniert die physiologische Empfindung<br />
als Teller, auf dem man ein Gericht aus Erinnerungen<br />
anordnen kann, als Glas, in das der Wein des Gedächtnisses<br />
eingeschenkt wird.<br />
„Geschmack“ stimuliert bei allen Menschen die gleichen physiologischen<br />
Empfindungen. Wenn man eine Zitrone ansieht,<br />
dann löst dies den vertrauten sauren Geschmack im Mund aus<br />
(selbst wenn man nur ein einziges Mal in eine Zitrone gebissen<br />
hat). Der starke Sinneseindruck, der durch dieses einmalige<br />
Kosten ausgelöst wurde, verschwindet nicht so schnell. Der<br />
saure Geschmack bleibt für einige Zeit im Mund. Diese Art von<br />
Kunst entfaltet ihre Wirkung dadurch, dass Bedeutung in die<br />
place inside the brain when we look at the world through<br />
such eyes?<br />
This is a tentative theory, but perhaps observing the works<br />
featured in this exhibition will provide clues to help us<br />
verify it. Through the message of form, from a world surrounded<br />
by meaning...<br />
Are the works unfolding in this space “ideograms” or are<br />
they “phonograms”?<br />
The effect of the object: the mechanism surrounding<br />
sensing, memory and nature<br />
The power of the object is emanated by the works on<br />
the upper level. Yayoi Kusama’s “self-replicating” art first<br />
activates the physiological sensations and then has the<br />
effect of making the common experience that lies at the<br />
base of our memories to levitate. This is a memory that<br />
we are unable to clearly identify, nor can we say where<br />
and when the encounter took place but is one in which<br />
we can say for sure that we knew it happened. There is<br />
no need for a description of Kusama’s work. Her work<br />
represents the power of the object that requires no<br />
explanatory text (nonetheless, I find myself surprised by<br />
the power of the text spun by Kusama in her books).<br />
The strength of this work is the fact that it possesses<br />
a persuasive circuitry based on such a memory recall.<br />
Here, physiological sensation functions as a plate on<br />
which to place the meal of memories, a glass into which<br />
is poured the wine of recollections.<br />
“Taste” stimulates the same physiological sensation in<br />
everyone. If one looks at a lemon, that familiar sourness<br />
wells up inside our mouths (if one has tasted a lemon<br />
even once). The throb of the sensation that has been<br />
stimulated, even just the one time, does not cease so<br />
easily. The sourness of lemons remains in our mouths<br />
for some time. In the mechanism behind this type of<br />
work, meaning slides into the work as long as that<br />
taste – that sourness – remains. However, throbbing<br />
emotions alone do not make art. If the only aim were to<br />
create a throb or resonance, then a roller coaster would<br />
have a more powerful effect. On the other hand, if the<br />
aim were simply to describe “meaning”, then writing<br />
a paper expounding the theory would be more effective.
Arbeit „hineinschlüpft“, solange der saure Geschmack anhält.<br />
Aber ein starker Sinnesreiz allein macht eine Arbeit noch nicht<br />
zu Kunst. Wenn wir nur darauf abzielen, eine Erregung oder<br />
eine Resonanz hervorzurufen, dann wäre eine Achterbahn sicher<br />
von größerer Wirkung. Andererseits wäre es auch effizienter,<br />
eine Theorie in einer schriftlichen Arbeit abzuhandeln, wenn es<br />
um eine Beschreibung von „Sinn“ geht.<br />
Empfindungen dienen dazu, an die verschlossene Tür unserer<br />
Seele zu klopfen und, sobald die Tür geöffnet wird, den „Brief“<br />
mit dem „Inhalt“ zu überbringen. (Und wenn dieser „Brief“ in<br />
der geheimnisvollen „kanji + kana“-Schrift geschrieben wäre...)<br />
Wenn wir einen kleinen Stein auf der Straße liegen sehen,<br />
schmecken wir normalerweise nichts und verspüren auch keinen<br />
Schmerz noch sonst eine tief greifende Empfindung. Obwohl<br />
physikalisch zwischen der Zitrone und dem Stein kein großer<br />
Unterschied besteht, stimuliert der Anblick des einen Objektes<br />
die Sinne, während das andere keinerlei sensorischen Effekt<br />
hat. Obwohl die Arbeit von Tadashi Kawamata die Sinne nur<br />
zu einem gewissen Grad anspricht, weckt seine Arbeit Erinnerungen.<br />
Erinnerungen an eine Stadt, die wir irgendwo mal<br />
gesehen haben und die wir doch unmöglich gesehen haben<br />
können. Wir ertappen uns dabei, wie wir die Szenerie suchen,<br />
ohne unsere „Sinne“ zu durchforsten. Stattdessen durchsuchen<br />
wir die in unserem Hirn angelegte „Datenbank“, indem wir<br />
die „Anordnung“ in einen anderen Kontext setzen.<br />
In Watanabes Arbeit Fiber Wave I, die auf der Dachterrasse<br />
des Kunsthauses ausgebreitet ist, kommt ein anderes Verfahren<br />
zur Anwendung.<br />
Die Bewegung in der Arbeit stellt die Visualisierung von Wind<br />
dar, der normalerweise unsichtbar ist, und der Betrachter<br />
wird beim Anblick dieser Arbeit von einem Gefühl des Wohlbefindens<br />
erfasst. Aber diese Arbeit ruft weder Geschmack noch<br />
Schmerz noch sonst ein spezifisches Gefühl hervor (obwohl dies<br />
alles mögliche Empfindungen sind). In dieser Hinsicht gleicht<br />
Watanabes Arbeit der von Kawamata, aber der Unterschied<br />
besteht darin, dass Watanabes Arbeit keine „Datenbank“ benutzt.<br />
Erinnerungen sind unnötig. In dieser Arbeit wird stattdessen<br />
die „Natur“ benutzt.<br />
Die Rhythmen der Natur lösen bei vielen Menschen Wohlbefinden<br />
aus. Man denke an eine Brise, an das Rauschen eines<br />
Wasserfalls, an die sich verändernden Formen der Wolken oder<br />
Makoto Sei Watanabe 50 51<br />
“Sensation” is used to knock on the door of the closed<br />
soul and once the door is open the “letter” of “meaning”<br />
is posted. (And if that letter were written in the mysterious<br />
“kanji + kana” script...)<br />
If we were to see a small stone lying on the road, we<br />
normally would not taste anything nor feel pain or any<br />
particularly deep emotion. Although there is no great<br />
difference physically between the two objects of a lemon<br />
and a small stone, one stimulates the senses while<br />
the other has no sensory effect whatsoever. Although<br />
Tadashi Kawamata’s work only affects the senses to a<br />
small degree, his work does, however, awaken memories.<br />
Memories of a town that we have seen somewhere and<br />
yet could not possibly have seen. We find ourselves<br />
searching for the scene without sifting through our<br />
“senses” but instead searching through the memory<br />
bank that has been built up inside our brain by using a<br />
method in which the context of “arrangement” is altered.<br />
Watanabe’s Fiber Wave I that unfolds on the Kunsthaus’<br />
roof terrace adopts another method.<br />
The movement of the work represents a visualization<br />
of wind, which normally cannot be seen, and the viewer,<br />
seeing this, experiences a sense of well-being. This work,<br />
however, does not evoke a specific emotion nor does<br />
it generate taste, feeling or pain (although these are all<br />
possible). From this aspect, Watanabe’s work is similar<br />
to Kawamata’s but the difference lies in the fact that<br />
Watanabe’s work does not use a memory bank. Memories<br />
are unnecessary. What is used in this work is “nature”.<br />
The rhythms of the natural world produce a feeling of<br />
well-being in many people. Think of a breeze, the sound<br />
of a waterfall, the changing shapes of clouds or the colors<br />
of the sunset (although there are always exceptions).<br />
One can explain this by citing reasons such as the rhythms<br />
of change in such natural phenomena represent 1/f<br />
fluctuation or fractal-based patterns. On the other hand,<br />
however, an evolutionary biologist would probably say<br />
that, over the several hundred thousand years (or more)<br />
that we have lived with the wind, only those with brains<br />
that recognize the blowing wind or breeze as representing<br />
a sense of well-being have survived.
die Farben des Sonnenuntergangs (obwohl es immer Ausnahmen<br />
gibt).<br />
Man kann zur Erklärung verschiedene Gründe anführen, wie<br />
dass der Wechselrhythmus solcher natürlichen Phänomene<br />
der Fluktuation 1/f oder der auf Fraktalen beruhenden Muster<br />
entspricht. Ein Evolutionsbiologe auf der anderen Seite würde<br />
möglicherweise sagen, dass über den Zeitraum unserer<br />
Koexistenz mit dem Wind von mehreren hunderttausend Jahren<br />
(oder mehr) diejenigen überlebt haben, deren Gehirn fähig war,<br />
den Wind oder die Brise als gleichbedeutend mit Wohlbefinden<br />
zu erkennen.<br />
Das ist der Grund, warum Fiber Wave eine universelle Qualität<br />
besitzt, die über individuelle Erfahrung hinausgeht – das<br />
Gefühl des Wohlbefindens stellt sich bei allen Menschen ein.<br />
Die Anzahl derjenigen, die beim Anblick einer Zitrone einen<br />
sauren Geschmack im Mund verspüren, ist auf die Menschen<br />
beschränkt, die schon einmal in eine Zitrone gebissen haben.<br />
Das positive Gefühl beim Anblick der Äste, die sich im Wind<br />
hin und her bewegen, benötigt keine experimentellen Studien,<br />
keine Erfahrung. Hier kommt ein „allgemein gültiges Programm“<br />
zur Anwendung, das unserer DNA eingeschrieben ist. (Leider<br />
gibt es in Graz nicht viel Wind, und so ist es möglich, dass<br />
man diese Bewegung nicht sehen kann. Aber durch Fiber<br />
Wave II, die Version für den Innenraum, bläst immerhin ein<br />
virtueller Wind.).<br />
Das Gefühl des Wohlbefindens repräsentiert den ursprünglichen<br />
Antrieb dieser Arbeit: ein sanftes Klopfen an der Tür. Dem folgt<br />
die „Bedeutung“, die durch die Tür schlüpft, zusammen mit der<br />
heftigen Empfindung. Die „Bedeutung“ von Wind sehen, den<br />
man normalerweise nicht sehen kann – dies bezeichnet den<br />
Anfang der „Wahrnehmung“ der Umrisse von etwas, das zwar<br />
existiert, dessen wir uns aber nicht gewahr sind.<br />
Es ist den Arbeiten im oberen Bereich gemein, dass sie alle –<br />
einige mehr als andere – unsere Sinne stimulieren. Dies sind<br />
die sensorischen Objekte, die ihre sinnliche Wirkung noch<br />
nicht verloren haben. Ribbon wirkt hier wie ein Verband oder<br />
ein Babywickeltuch, das die verletzlichen Objekte nährt und<br />
heilt, da es sie zusammenhält, flatternd und flackernd als<br />
ständige, nicht enden wollende Einladung.<br />
That is why the movement of Fiber Wave has a universal<br />
quality that transcends individual experience – everyone<br />
experiences a feeling of well-being. Although those who<br />
experience a sour taste in their mouths when they see<br />
a lemon are restricted only to those who have eaten a<br />
lemon, the positive feeling we experience at the swaying<br />
of branches in the wind does not require experiential<br />
studies. What is being used here is a “general program”<br />
that has been written into our DNA. (Unfortunately there<br />
is not much wind in Graz and so there is a possibility<br />
that this movement might not be able to be seen.<br />
A virtual wind, however, blows in Fiber Wave II, the<br />
interior version.).<br />
A feeling of well-being represents the initial motion of<br />
this work – a quiet knock on the door. This is followed<br />
by “meaning” which slides in together with the throb of<br />
sensation. The “meaning” of seeing wind that normally<br />
cannot be seen – this marks the beginning of “perceiving”<br />
the outline of something which is there and yet which<br />
we are unaware of.<br />
The common feature of the works on exhibit on the upper<br />
level is that they all – some more than others – stimulate<br />
our senses. These are sensory objects that are yet to be<br />
bleached or decolorized. Ribbon acts here like a bandage<br />
or a wrap for a baby, nurturing and healing the vulnerable<br />
objects as it holds and binds them, fluttering and<br />
wavering in constant and never-ending invitation.
Makoto Sei Watanabe 52 53
Ryuta Imafuku<br />
Ein vierdimensionales Japan:<br />
Von der „Magie“ zu „Infra-ordinary“<br />
Four-dimensional Japan:<br />
From “Magic” to “Infra-ordinary”
1 Im Juli 1927 kam ein junger japanischer Archäologe über die<br />
transsibirische Eisenbahn nach Paris, um dort zu studieren; Jiujiro<br />
Nakaya (1902–1936) hatte an der Naturwissenschaftlichen Fakultät<br />
der Kaiserlichen Universität Tokio Anthropologie studiert und gerade<br />
mit seiner Arbeit Klassifizierung und geographisches Vorkommen<br />
irdener Schnabelgefäße (1927) in den Kreisen der bisherigen vorgeschichtlichen<br />
und archäologischen Methodologie für Aufsehen gesorgt.<br />
Er hatte die Ideen der Typologie auf wissenschaftliche Weise eingebracht,<br />
indem er die Verbreitung der zahlreichen Muster und Formen<br />
der in der Jomon-Zeit Ostjapans vorkommenden tönernen Schnabelgefäße<br />
erforschte und anhand der Häufigkeit ihres Auftretens mehrere<br />
Kulturkreise bestimmte, deren zentrale Punkte er durch die Annahme<br />
von Verbreitungsrouten berechnete. Diese bemerkenswerte und<br />
überaus originelle Methode, die der quantitativen Seite große Bedeutung<br />
beimaß, sah sich allerdings der scharfen Kritik der damaligen<br />
Hauptströmung der Jomon-Forschung, die sich nach einer präzisen,<br />
festgetretenen Chronologie richtete, ausgesetzt, die Nakayas Vorgehensweise<br />
als töricht und sinnlos anprangerte.<br />
Nakayas Fahrt nach Europa war von dem enthusiastischen Gedan-<br />
ken motiviert, sich im damals im Bereich der Prähistorik führenden<br />
Frankreich neue Theorien und Methoden anzueignen, die ihm dabei<br />
helfen sollten, sich gegen die konservativen Kreise der damaligen<br />
japanischen akademischen Welt durchzusetzen. In Paris wartete<br />
bereits sein Bruder Ukichiro (1900–1962), der Experimentalphysiker<br />
war, im japanischen Konsulat auf ihn. Ukichiro, der später durch die<br />
erstmalige Erzeugung künstlicher Schneekristalle als Eis- und Schneephysiker<br />
Weltruhm erlangen sollte, war zu jener Zeit als Forscher<br />
im Ausland für das japanische Kultusministerium tätig und studierte<br />
eigentlich gerade in London, war aber offenbar nach Paris gekommen,<br />
um seinen jüngeren Bruder in Empfang zu nehmen. Interessanterweise<br />
existierte damals in einem Teil der Gelehrtenwelt Japans eine<br />
ernsthafte Bewegung, deren Träger – wie sie von den aus völlig<br />
unterschiedlichen Fachgebieten (Physik und Archäologie) kommen-<br />
den Brüdern Nakaya anschaulich illustriert werden – in Europa<br />
neue Impulse der modernen Wissenschaften zu finden erhofften.<br />
Jiujiro Nakayas Aufenthalt in Paris dauerte nicht länger als drei Jahre;<br />
in Bezug auf Kontakte, die sich während dieser Zeit ergaben, ist<br />
zunächst Nakayas Besuch der Vorlesungen von Marcel Mauss (1872–<br />
1950), der am Collège de France Soziologie und Ethnologie lehrte,<br />
besonders erwähnenswert. Während Nakaya mit Mauss’ grandiosen<br />
Ideen in Berührung kam, fing er an, von einer Synthese von Archäologie,<br />
Ethnologie und Volkskunde zu träumen. Nach Ukichiro Nakayas<br />
Erinnerung war es eben dieser Mauss, durch dessen Vermittlung Jiujiro<br />
Zugang zur Französischen Gesellschaft für Archäologie bekommen<br />
Ryuta Imafuku 54 55<br />
1 In July 1927, a young Japanese archaeologist<br />
took the Trans-Siberian Railway to Paris to study.<br />
Having completed his diploma in anthropology at<br />
the Tokyo Imperial University Faculty of Science<br />
and thrown his stone at outdated methodologies<br />
in paleo-archaeology with his thesis Classification<br />
and Geographic Distribution of Spouted Pottery<br />
(1927), this Jiujiro Nakaya (1902–1936) introduced<br />
typological thinking into Japanese science by his<br />
investigations into Kanto area Jomon period earthenware.<br />
Nakaya established the existence of several<br />
different cultural spheres by means of charting<br />
the range and frequency of excavations yielding<br />
various shapes and patterns of spouted pots, then<br />
hypothesized routes of propagation so as to determine<br />
a centre point. All very original, but his unique<br />
emphasis upon quantification went against the<br />
then-prevailing mainstream in Jomon studies that<br />
insisted on strict chronologies, and he found himself<br />
severely criticised for “flouting common sense”.<br />
Nakaya impulsively set out for Europe in hopes of<br />
learning new theories and methods in France, the<br />
leading country in paleology, in order to challenge<br />
the conservative ranks of Japanese academia. There<br />
to greet him at the Imperial Japanese Embassy<br />
in Paris was his own elder brother, experimental<br />
physicist Ukichiro Nakaya (1900–1962), who later<br />
succeeded in making the world‘s first artificial snow<br />
crystals and became a leading light in glaciophysics.<br />
At the time, however, Ukichiro was studying in<br />
London as a Japanese Ministry of Education-sponsored<br />
overseas researcher and had fared over to<br />
Paris just to meet his younger brother. Although<br />
their respective disciplines, physics and archaeology,<br />
were different, the fact that both Nakaya brothers<br />
came to Europe in earnest search of new directions<br />
in modern science tells us something about the<br />
aspirations of the Japanese scientific community<br />
in that era.<br />
Jiujiro Nakaya stayed in Paris a little under three<br />
short but fruitful years. Particularly noteworthy<br />
among the acquaintances he made during this<br />
sojourn was one Marcel Mauss (1872–1950), lecturer<br />
in social anthropology at the Collège de France.
Fig. 1 Tonfiguren der Jomon-Zeit<br />
Fig. 1 Jomon clay figurines<br />
konnte. Mauss zollte der morphologischen Jomon-Forschung, die<br />
Nakaya bereits in Japan unter Mühen aufgebaut hatte, Anerkennung<br />
und nahm den im Feuer intellektueller Begeisterung entbrannten<br />
Fremden aus dem fernen Japan freundlich unter seine Fittiche. Am<br />
deutlichsten zeigt sich die Fruchtbarkeit dieses Austausches in Jiujiro<br />
Nakayas auf Französisch geschriebenem Essay Die Tonfiguren des<br />
japanischen Neolithikums, der 1930 in der Zeitschrift Documents<br />
(Band 2, Nr. 1, S. 25–32) erschien.1 Obwohl nur recht kurz, werden<br />
in der Abhandlung die Tonfiguren der Jomon-Zeit in sechs Kategorien<br />
eingeteilt und deren typologische Entwicklung und regionale Besonderheiten<br />
beschrieben.<br />
Mit Nakayas Abhandlung, in der er unter anderem eine Verbindung<br />
zwischen der ungewöhnlichen Form und dem eigentümlichen spiralenförmigen<br />
Muster der Tonfiguren mit der Verehrung einer Muttergottheit,<br />
die die Fruchtbarkeit der Erde verkörperte, andeutet, wurden auch<br />
fünf Abbildungen jomonzeitlicher Keramiken abgedruckt, die jeweils<br />
eine ganze der großformatigen Seiten der Zeitschrift einnahmen;<br />
man kann davon ausgehen, dass diese ernsthafte Vorstellung jomonzeitlicher<br />
Keramik den Beginn der Auseinandersetzung mit diesem<br />
Thema in europäischen wissenschaftlichen Zeitschriften darstellte.<br />
Die Zeitschrift Documents, in der Nakayas Essay erschien, war eine<br />
Bastion des „ethnographischen Surrealismus“, der den absoluten<br />
Machtanspruch der Realität, auf dem die modernen westlichen Wissenschaften<br />
und Künste basierten, seiner Oberherrschaft beraubte und<br />
ihn mit der Integration der Realität als Teil des Ganzen konfrontierte,<br />
wie sie in außereuropäischen Denktraditionen zu finden war. 2<br />
Georges Bataille (1897–1962) stand im Zentrum der Redaktion von<br />
Documents, um die sich Georges-Henri Rivière (1897–1985), Marcel<br />
Griaule (1898–1956), Michel Leiris (1901–1990), André Scheffner (1895–<br />
1980), Robert Desnos (1900–1945) und schließlich Marcel Mauss als<br />
Verfasser sammelten. Wie der Untertitel der Zeitschrift (Archäologie,<br />
Kunst, Ethnologie und Vermischtes) zeigt, war sie ein überaus radikaler<br />
Schauplatz des „primitivisme“, der die unterdrückte Imagination,<br />
welche die zeitgenössische westliche Kunst auszeichnete, mit der Vorstellungskraft<br />
der „wilden“ Kulturen, mit der sich Archäologie und Ethnologie<br />
beschäftigten, konfrontierte.<br />
Das Erscheinen von Nakayas Essay in so einer Zeitschrift war mit<br />
Sicherheit von größerem Einfluss, als es Nakayas eigentliche Absicht<br />
gewesen war; in die bis dahin übliche Betrachtungsweise von jomonzeitlichen<br />
Keramiken als archäologisches oder naturkundliches<br />
„Material“ wurde das Element des künstlerischen Ausdrucks hinzugefügt<br />
und sie wurden erstmals über einen streng akademischen<br />
Kontext hinaus auch als künstlerische Inspirationsquelle dargestellt.<br />
Nakaya attended his lectures, and was soon captivated<br />
by the grand sweep of Mauss’ summative<br />
command of archaeology, anthropology and folklore<br />
(ethnology) – and if we read Ukichiro Nakaya’s<br />
memoirs, it was though Mauss‘ introduction that<br />
Jiujiro gained entry into French archaeological<br />
circles. Fully recognizing the import of the typological<br />
surveys of Jomon pottery Nakaya had conducted<br />
back home, Mauss warmly welcomed this<br />
étranger come burning with intellectual passion all<br />
the way from Japan. Perhaps the most emblematic<br />
result of this rapport was Nakaya‘s paper Figurines<br />
néolithiques du Japon published in Documents<br />
(vol. 2, no. 1, 1930) 1. Although brief, the treatise<br />
distinguished six types of Jomon clay figures,describing<br />
their morphological development and regional<br />
characteristics, and suggesting that their grotesque<br />
features and spiral patterns might relate to<br />
a mother goddess harvest-fertility cult; in addition,<br />
one whole page of the journal was given over to<br />
five illustrations of Jomon figurines. This is thought<br />
to have been the first real introduction to Jomon<br />
pottery ever to appear in a Western academic<br />
journal.<br />
The pages of Documents sounded a challenge to<br />
the Eurocentric reality assumed by modern Western<br />
science and art, its very consciously “ethnographic<br />
surrealist” focus heralding a new school of thought<br />
and the theoretics of other realities blossoming in<br />
non-Western cultures.2 With its editorship centred<br />
on writer Georges Bataille (1897–1962), and such<br />
contributors as ethnologists Georges-Henri Rivière<br />
(1897–1985) and Marcel Griaule (1898–1956),<br />
anthropologist Michel Leiris (1901–1990), ethnomusicologist<br />
André Shaeffner (1895–1980), poet<br />
Robert Desnos (1900–1945) and Marcel Mauss,<br />
the journal‘s masthead proclaimed “Archéologie,<br />
Beaux-Arts, Ethnographie, Variétés” clearly stating<br />
its archaeo-anthropological approach to the imaginative<br />
vision of “uncivilised” societies, a “primitivist”<br />
assault on the closed imagination of Western<br />
modern art.<br />
For Nakaya to have his Jomon figurine paper appear<br />
in that forum, apart from whatever intentions
In Documents erschienen in dieser Zeit neben zahlreichen archäologisch-<br />
und ethnologisch-ikonographischen Studien, deren Bogen sich<br />
über viele Stadien der Menschheitsgeschichte hinweg spannte (wie<br />
etwa Karl Einsteins (1885–1940) Forschungen über afrikanische<br />
Stammesskulpturen, Batailles’ Auseinandersetzung mit der keltischen<br />
Pferdeform, die auf vorchristlichen gallischen Münzen zu finden war,<br />
oder Leo Frobenius’ (1873–1938) Betrachtungen Rhodesischer Höhlenmalereien),<br />
auch Essays, die sich mit Künstlern wie Dalí, Miro, Picasso,<br />
Leger oder Masson beschäftigten. Gerade der neue Gedanke, dass<br />
erst durch diese Gegenüberstellung zeitgenössischer und „primitiver“<br />
Kunst die „Erstaunlichkeit der Realität“ in die moderne Kunst aufgenommen<br />
werden kann, war etwas, das die um Documents versammelten<br />
„ethnologischen Surrealisten“ gemeinsam hatten. Unter diesem<br />
Gesichtspunkt betrachtet, kann man sagen, dass Nakayas Essay<br />
über jomonzeitliche Keramik über den Inhalt der archäologischen<br />
Abhandlung hinweg vor allem durch die visuelle und ikonographische<br />
Novität der zahlreichen großformatigen Abbildungen von Gefäßen<br />
und Skulpturen eine über den akademischen Kontext hinausreichende<br />
Bedeutung erlangte.<br />
Die Keramik der Jomon-Zeit überschritt hier sozusagen sogar den<br />
regionalen Kontext „Japan“, um die Seiten von Documents als Sinnbild<br />
starker Formen, als eine der ästhetischen Inspirationsquellen<br />
der Menschheit, zu schmücken.<br />
2 Bis diese „ästhetische Qualität“ jomonzeitlicher Keramik – zumindest<br />
auf dem Gebiet der japanischen Kunst – aufgegriffen wurde,<br />
sollten allerdings noch über 20 Jahre nach dem Erscheinen von<br />
Nakayas Essay in Documents vergehen, bis der Maler Taro Okamoto<br />
die Jomon-Tonplastiken „wiederentdeckte“, die still in der Ecke eines<br />
Museums, wohin sie kommentarlos gestellt worden waren, vor sich hin<br />
verstaubten. Okamoto rühmte den ästhetischen Wert der ungestümen<br />
Energie jomonzeitlicher Kunst erstmalig in seinem 1952 erschienenen<br />
Essay Dialog mit der Vierten Dimension – Von der Keramik der Jomon-<br />
Zeit, was bis dahin in der traditionellen japanischen Ästhetik, die in der<br />
geradlinigen Anmut von „wabi sabi“ [elegante Einfachheit] schwelgte,<br />
beispiellos war und in Kunst- und Kritikerkreisen größtes Aufsehen<br />
erregte. Okamotos 1952 in der Februarausgabe der Kunstzeitschrift<br />
Mizue erschienene Abhandlung, in der sich seine Begeisterung zeigt,<br />
fängt mit folgenden Worten an: „Beim unvermittelten Anblick der<br />
ungestümen, ja disharmonischen Formen und Muster jomonzeitlicher<br />
Tongegenstände wird jeder zunächst zurückschrecken [...] [Bei]<br />
diesen ins Auge springenden Linienmustern, die da ineinander fließen,<br />
vorspringen und wieder absinken und im Kreis herum führen – dieses<br />
Gefühl der Spannung, wenn man trotzdem daran bleibt, und diese<br />
intensive Stimulation der Nerven[...] Es bringt einen Schock mit sich,<br />
Ryuta Imafuku 56 57<br />
Nakaya himself may have had, proved extremely<br />
provocative. Up until then, Jomon pottery and figurines<br />
had been mere “reference materials” for<br />
scientific study; for these “curiosities” to now transcend<br />
such staid academic contexts and be seen<br />
in the company of artworks as sources of creative<br />
inspiration was something new indeed. Around this<br />
same time Documents also published research by<br />
Carl Einstein (1885–1940) on African sculpture,<br />
Bataille‘s analyses of Celtic horse figures depicted<br />
on prehistoric Gallic coins and writings by Leo<br />
Frobenius (1873–1938) on cave murals. These<br />
ethno-pictographic studies on various stages of<br />
human history appeared alongside regular essays<br />
about painters like Dalí, Miro, Picasso, Leger and<br />
Masson. Obviously, the many “ethnographic surrealists”<br />
who contributed jointly to Documents all<br />
shared in the idea that only by such counterpoint<br />
of contemporary art and “uncivilised” art might<br />
these “startling realities” arrest the art consciousness<br />
of the day. In that sense, even more than the<br />
actual contents of Nakaya‘s archaeological argumentation,<br />
the sheer visual, pictorial strangeness<br />
of the full-page images of Jomon figurines had far<br />
greater impact than its scholarly import.<br />
By gracing the pages of Documents, Jomon figurines<br />
reached beyond the regional contexts of<br />
Japan toward a broader horizon as primal archetypes<br />
of human aesthetic imagination.<br />
2 Be that as it may, Jomon pottery did not attain<br />
“aesthetic appreciation”, at least not within Japanese<br />
art circles, until more than twenty years after<br />
Nakaya‘s paper appeared in Documents. Jomon<br />
shards still slept silently in museums, purely<br />
archaeological specimens awaiting “rediscovery”,<br />
utterly overlooked by the formalised aesthetic<br />
traditions of wabi “understatement”, sabi “patina”<br />
or miyabi “splendour”, until well after World War II<br />
when the painter Taro Okamoto first appreciated<br />
their bold energy in artistic terms in his controversial<br />
essay Jomon Pottery: Conversation with the Fourth<br />
Dimension (1952) published in the February 1952<br />
issue of the art magazine Mizue:
Fig. 2 Taro Okamoto,<br />
Schale aus der Jomon-Periode, 1974<br />
Fig. 2 Taro Okamoto,<br />
Bowl of Jomon Period, 1974<br />
der selbst mich, der ich ständig auf das Unfassbare, Übernatürliche<br />
als Substanz der Kunst hinweise, einen Schrei ausstoßen wollen lässt.“3<br />
Wie auch Toshiko Okamoto betont hat, hatte Taro Okamoto selbst<br />
den Begriff „Jomon“ [wörtlich: „Schnurmuster“] nicht gekannt, bis<br />
er zufällig bei der im November 1951 veranstalteten Ausstellung<br />
Die Vormoderne Japanische Kultur im Staatlichen Museum Tokio mit<br />
jomonzeitlichen Tonskulpturen in Berührung kam 4; der Begriff „Jomon“<br />
an sich, der heute ganz selbstverständlich verwendet wird, war<br />
damals ein nur vom kleinen Kreis der Archäologen benutzter Fachbegriff.<br />
Dementsprechend drang der Begriff „Jomon“ wie eine Flamme<br />
aus der Vergangenheit und, wie er selbst schreibt, „unvermittelt“<br />
und plötzlich in Okamotos Bewusstsein, und sein Verständnis der<br />
japanischen Geschichte wurde durch den schönen Anblick dieser<br />
erstaunlich disharmonischen Formen nachhaltig verändert. Dieser<br />
Augenblick von Okamotos Staunen und Begeisterung wird in seinem<br />
Essay Dialog mit der Vierten Dimension – Von der Keramik der<br />
Jomon-Zeit detailliert beschrieben. Wenn man daran denkt, dass der<br />
Begriff „Jomon“ im Allgemeinbewusstsein de facto nicht existierte,<br />
versteht es sich von selbst, dass man gefühlsmäßig überhaupt nicht<br />
darauf vorbereitet war, die Formen und Gestalten der Jomon-Keramik<br />
auf visueller und taktiler Ebene zu akzeptieren. Der Impakt, den<br />
Okamotos Essay hatte, bestand vor allem darin, dass er mit der aus<br />
dem Nichts der Unwissenheit der Japaner heraus erschienenen<br />
energetischen Schwertspitze dieser ungewöhnlichen Formen die<br />
selbstzufriedene Gegenwart der auf dem Berg der Tradition ruhenden<br />
„japanischen Kunst“ unsanft anstieß.<br />
Okamoto würdigte bei der Betrachtung dieser aus den Abgründen<br />
des Vergessens emporgestiegenen erstaunlichen Formen zunächst<br />
die Erforschung historischer Quellen oder Chronologien, wie es bei<br />
Archäologen üblich war, keines Blickes, sondern wollte sich durch die<br />
eigenen Augen und Hände, als in der modernen Gegenwart lebender<br />
Mensch, direkt mit den Tonplastiken auseinander setzen. Diese Vorgehensweise<br />
war von Okamotos Philosophie aus betrachtet, die das<br />
Konzept der Tradition vom Schema einer kontinuierlich verfolgten,<br />
festgelegten Norm der Vergangenheit zu befreien und im eigenen<br />
Selbst, im Jetzt Tradition neu zu erschaffen suchte, vollkommen selbstverständlich.<br />
Während Okamoto einerseits als Künstler von den<br />
Details dieser Tongefäße und -skulpturen angezogen wurde, zeichnete<br />
sich seine Betrachtungsweise auch durch seinen Versuch aus, sich in<br />
der Art des Anthropologen ein eigenes Bild vom Leben und vom<br />
spirituellen Gefüge der Menschen, die diese Gegenstände erschaffen<br />
hatten, zu machen. Er schrieb: „Die auffallenden Linien, die das augenscheinlichste<br />
Merkmal [der Keramiken] darstellen, breiten sich lebhaft<br />
und ungehemmt, ebenso wild wie träge, in alle Richtungen aus. Wenn<br />
man diese Linien verfolgt, so verwirren sie sich und lösen sich wieder;<br />
“To come upon them unprepared, the brute, inharmonious<br />
forms and patterns of Jomon pots would<br />
shock anyone[...] Vehemently overlapping, now<br />
rising, now falling, those swirling ridges. Again and<br />
again, their tension impresses so relentlessly. And<br />
moreover, the penetratingly pure sharpness of focus.<br />
Even I, who‘ve always held the eternal essence of<br />
art to consist in supernatural exhuberance, cannot<br />
help but cry out at their power.”3<br />
Until the November 1951 Ancient Japanese Culture<br />
Exhibition at the Tokyo National Museum where<br />
Taro Okamoto happened across some actual figurines,<br />
swears Toshiko Okamoto, Director of the<br />
Taro Okamoto Memorial Museum, the artist knew<br />
nothing at all about any “Jomon”;4 the very concept<br />
of jomon “rope patterns” now known to every schoolchild<br />
was at the time a technical term with narrow<br />
academic currency. According to his own words,<br />
Okamoto was truly “unprepared” for these flaming<br />
shapes that burst upon him from the distant past ,<br />
their amazing imbalanced beauty utterly shaking<br />
his notions of history. Okamoto‘s essay is an un-<br />
abashed testimony to the shock and excitement<br />
he felt that moment; therein he admits that he<br />
had neither the knowledge nor the visual or tactile<br />
sensibilities to absorb the shapes and forms of<br />
the Jomon pots there before him. The impact of<br />
Okamoto‘s essay, moreover, came as a sword thrust<br />
from out of a blank in the awareness of most Japanese,<br />
a stab of resilient “immediacy” through the<br />
illusory conventions of “Japanese aesthetics” that<br />
rested solely on tradition.<br />
Faced with these startling forms revived from the<br />
abyss of oblivion, Okamoto did not even bother<br />
to examine the attributed datings or chronologies<br />
established by the archaeologists; all eyes, he went<br />
right to the pieces themselves. Physically liberated<br />
from the idea of tradition as a fixed straight line<br />
schematic continuing from the past, it was perfectly<br />
natural that Okamoto now saw himself via<br />
his own distinctive subjectivity as creating tradition<br />
in the present. Okamoto‘s artistic perceptions were<br />
drawn to details of the pottery shapes, just as his<br />
ethnographic impulse was to imagine the behav-
sie scheinen in einem Chaos zu versinken, nur um dann unvermittelt<br />
wieder aufzutauchen: Sie gehen durch alle Verstrickungen hindurch<br />
immer weiter, kehren endlos in sich selbst zurück, um wieder zu<br />
entfliehen. Während die Muster Yayoi-zeitlicher Tongegenstände von<br />
sanfter Harmonie sprechen, erzählen die der Jomon-Epoche eindeutig<br />
von den Abenteuern eines ständig umherziehenden Volkes. Darüber<br />
hinaus ist das, was einen auf seltsame Weise aus der Fassung bringt,<br />
diese kaum zu glaubende Asymmetrie der ganzen Form, die eine<br />
Disharmonie, aber auch eine Dynamik in sich birgt; einen Ausdruck,<br />
der oftmals Grenzen durchbricht: Der geneigte Betrachter, der eine<br />
asymmetrische Seite als Ausgangspunkt bestimmt, wird sich zweifellos<br />
bald vom Bedürfnis getrieben sehen, um die ganze Skulptur herumzuwandern,<br />
während er den Linien nachgeht. Überhaupt, was für ein<br />
ungeheures Bild mag sich durch so eine Änderung der Betrachtungsposition<br />
ergeben?<br />
Da gibt es erhabene Wölbungen. Wenn man den trägen, dicken Linien<br />
des Musters mit den Augen folgt, tanzen sie in die Höhe und wirbeln<br />
umher, stürzen plötzlich wieder hinunter, schlängeln sich nach links<br />
und nach rechts, bevor sie kopfüber in die Tiefe stürzen. Dann beschreiben<br />
sie einen geradezu unmöglichen Bogen nach oben und kriechen,<br />
seltsame Bögen schlagend, wieder hinauf; sie schneiden hoch oben<br />
asymmetrisch in die Oberfläche, nur um dann seelenruhig wieder auf<br />
ihren ursprünglichen Kurs zurückzukehren.<br />
Man fragt sich, ob eine solch unfassbare, sinnlose und unästhetische<br />
Ästhetik, die noch dazu das Bewusstsein ihres Betrachters von unten<br />
nach oben kehrt und umkippen lässt, jemals in der Kunstgeschichte<br />
dieser Welt gesehen worden ist.“5<br />
Es gibt wohl niemanden sonst, dem es so gut gelungen ist, in Worte<br />
zu fassen, wie die Jomon-Keramik ihren Betrachter zum Sehen mit<br />
den Augen und dem ganzen Körper auffordert: Wo Okamoto, die<br />
eigenen Augen von der pulsierenden Dynamik der Bewegung dieser<br />
Linienmuster angezogen, im wortwörtlichen Sinn um die Tonplastiken<br />
herumwandert, kann inmitten dieser Bewegung die Substanz der<br />
Kultur, die diese Gegenstände hervorgebracht hat, erahnt werden.<br />
Okamoto fing nach dem Moment seiner Wiederentdeckung der Jomon-<br />
Zeit an, wie besessen Fotos von den Tongefäßen und -skulpturen<br />
dieser Epoche zu machen. Unzufrieden mit der bisherigen ikonographischen<br />
Darstellungsweise bei der Fotografie von Fundstücken der<br />
Jomon-Zeit, bei der das Objekt gleichmäßig ausgeleuchtet wurde und<br />
die Fotografien entsprechend monoton wirkten, blendete er das Licht<br />
von einer Seite ab und erreichte so einen besseren Kontrast, ohne<br />
sich darum zu sorgen, dass dadurch die feinen Muster in manchen<br />
Ryuta Imafuku 58 59<br />
iour patterns and mental makeup of the flesh-andblood<br />
persons behind the objects. Okamoto writes:<br />
„The ridge patterns that so singularly characterise<br />
Jomon pottery race and dance over the surfaces,<br />
now pointed, now blunt, vertical to horizontal.<br />
Following these lines, we see them unravel, sink into<br />
confusion, boldly surface, knit past every possible<br />
accident, then slip away to infinity. Unlike the quiet,<br />
contained balance of Yayoi pottery patterns, here<br />
then are the adventures of a people on the move.<br />
Moreover, the most shocking thing of all is the<br />
incredible asymmetry of overall form. The dissonance,<br />
the dynamism, as if to break all barriers of<br />
expression. Starting from any one asymmetric<br />
face, the viewer feels an uncontrollable urge to circle<br />
the pot, only to discover by moving around that<br />
the unfolding imagery exceeds all imagining.<br />
A mound wells up. The eye rides along a thick ridge<br />
only to pull short into a spiral. Suddenly descending,<br />
it dodges left and right, squirms two times, three<br />
times, then falls straight down. Whereupon it<br />
decides to shoot up at an impossible angle, tracing<br />
a strange arc as it climbs. Until it gouges in high<br />
relief through the imbalanced face, then placidly<br />
resumes its course.<br />
Indeed, in the whole history of world art could there<br />
possibly be any vision of beauty so senseless or<br />
anti-aesthetic, yet capable of wresting up the viewer‘s<br />
awareness by the very roots?”5<br />
There could hardly be a more movingly apt description<br />
of how the forms and dynamic of Jomon pottery<br />
invite active viewer perusal. For as Okamoto saw<br />
himself drawn into the dizzying dynamic of the<br />
raised line patterns and how they incited him to<br />
literally circle around these pots, he intuitively “read”<br />
in it the migratory ethos of the Jomon culture that<br />
created them.<br />
From the moment of this initial discovery, Okamoto<br />
began taking photographs of Jomon pots and figuines<br />
as if possessed. Bored with the usual flat<br />
floodlit “photographic evidence” taken by scientists<br />
to illustrate their reconstructive analyses of Jomon<br />
pottery, he instead spotlighted them from a single
Fig. 3 Taro Okamoto,<br />
Krug aus der Jomon Period, 1956<br />
Fig. 3 Taro Okamoto,<br />
Jar of Jomon Period, 1956<br />
Teilen der Gegenstände im Schatten verschwanden; vielmehr stellen<br />
Okamotos Jomon-Fotografien, in denen er danach strebte, die bewegte<br />
und lebhafte Komponente der Handarbeit durchkommen zu lassen,<br />
eine hervorragende plastische und schöpferische Auseinandersetzung<br />
mit der Jomon-Keramik dar, mit dem Ziel, die neue Dimension, die<br />
diese Tongegenstände in sich bargen, sichtbar zu machen.<br />
Nach Okamotos dichter, sechs Seiten langer Abhandlung in Mizue,<br />
kamen noch acht Seiten mit mitreißenden, ganzseitigen Fotos von<br />
Jomon-Keramiken. Für diese Fotos bediente sich Okamoto offenbar<br />
eines professionellen Fotografen, der nach der Vorlage der von<br />
Okamoto selbst gemachten Bilder dieselben Gegenstände in derselben<br />
Komposition noch einmal ablichtete.6 Damit die Bilder nicht so platt<br />
wie herkömmliche Fotos von Fundstücken wurden, sondern die von<br />
ihm entdeckte „unmögliche“, unheimliche Energie auf den Film gebannt<br />
würde, ließ Okamoto den Fotografen immer und immer wieder neue<br />
Bilder machen. Als ein Ergebnis dieser Bemühungen waren die in<br />
Mizue abgedruckten Fotos, in denen die charakteristischen Schnurmuster<br />
auf geradezu groteske Weise aus dem schwarzen Schatten<br />
aufzutauchen schienen, völlig anders als etwa Abbildungen jomonzeitlicher<br />
Gefäße und Skulpturen in Bilderlexika oder wissenschaftlichen<br />
Abhandlungen. Obwohl die zuvor in Documents erschienenen Abbildungen<br />
als visuelle Stimulanzen großen Anklang fanden, kann man<br />
nicht sagen dass die Bilder das Gebiet der bisherigen Fotografie von<br />
Fundstücken hinter sich gelassen hatten, und insofern gibt es hier<br />
einen großen Unterschied zu Okamotos Essay und Fotos, durch welche<br />
die Jomon-Keramik wohl erstmals eine neue Formendimension der<br />
Körperlichkeit in bildlichem Ausdruck vor die Menschen bringen konnte.<br />
Allerdings war Okamoto selbst mit seinen in Mizue erschienenen<br />
Fotos nicht zufrieden; wie besessen, hörte er nicht auf, Fundstellen,<br />
Museen und Universitäten zu besuchen, um seine Schnurmuster-<br />
Fotografie weiterzuführen. Man übersieht dabei leicht, dass beispielsweise<br />
gerade von den von Okamoto so hoch geschätzten Flammen-<br />
keramiken der mittleren Jomon-Zeit kaum vollständig erhaltene oder<br />
restaurierte Exemplare existierten; ein Großteil von Okamotos fotografischen<br />
Aktivitäten beschränkte sich also auf die Aufnahme von<br />
den im ganzen Land verstreuten Bruchstücken. Nichtsdestotrotz<br />
verfolgte er die Muster und Bewegtheit der Bruchstücke mit dem ihm<br />
eigenen Blick und konnte durch sein erstaunliches Gespür für Form<br />
ein stimmiges Gesamtbild jomontypischer Formen zeichnen: Okamotos<br />
Fotografien erzählen von einem Abenteuer des Formensinns, bei dem<br />
die heutigen Menschen, deren Vorstellungskraft durch eine sich durch<br />
Asymmetrie und Disharmonie in einer inneren Balance befindlichen<br />
Gesamtform überfordert ist, eine andere Art von Fantasie mobilisieren,<br />
um den Abgrund der Imagination, welche die jomonzeitliche Ästhetik<br />
darstellt, zu überbrücken.<br />
light source in chiaroscuro fashion, not minding<br />
that portions of the pattern details were cast in<br />
shadow, but rather hoping to bring out hidden<br />
traces of human “handcrafting”. As such, Okamoto‘s<br />
wonderfully textural Jomon photographs were<br />
works of art in themselves, rendering visible a new<br />
flowing formative dimension to the pottery.<br />
In that same issue of Mizue, after his compressed<br />
six-page text, the magazine featured eight pages of<br />
full-page images of Jomon pots and figurines, along<br />
with Okamoto‘s apologia that he‘d sought a professional<br />
photographer to re-shoot the compositions<br />
from his photos.6 Okamoto said he repeatedly told<br />
the photographer that he wanted the images accompanying<br />
his article to show their “nasty” intense<br />
energy; in the end Mizue ran Okamoto‘s moody<br />
monochromes, the modelled clay patterns highlighted<br />
grotesquely against a dark background, a<br />
far cry from the typical encyclopaedia or scientific<br />
thesis illustrations. Likewise, compared to the “old<br />
school” ethnographic photographs in Documents,<br />
here were Jomon pieces revealed as sculptural<br />
forms for the very first time.<br />
Even so, Okamoto himself was not satisfied; he<br />
kept frequenting archaeological sites, museums<br />
and universities around the country taking his own<br />
photos of Jomon pottery. Today, we are likely to<br />
overlook the fact that at the time virtually no single<br />
example of Okamoto‘s much-praised mid-Jomon<br />
period low-fire earthenware existed in fully reconstructed<br />
form. Accordingly the majority of<br />
Okamoto‘s photographic subjects were mere shards<br />
from scattered localities. Nonetheless, Okamoto‘s<br />
genius allowed him to see through such fragmentary<br />
patterns to correctly grasp the swirling Jomon<br />
shapes in their entirety. Okamoto‘s photographs<br />
of Jomon pottery speak to us of different powers<br />
of imagination to our own, filling the blank of<br />
Jomon aesthetics with an overall picture of startling<br />
balance in asymmetry and dissonance, a<br />
veritable adventure in formative sensibilities.<br />
Okamoto called this new dimension in formative<br />
sensibilities the “fourth dimension”, a term he uses<br />
interchangeably with “magic”.
Diese neue Dimension des Formensinns wird von Okamoto als „vierte<br />
Dimension“ bezeichnet, wobei er sich mitunter auch des Ausdrucks<br />
„Magie“ bedient.<br />
3 Bevor wir uns näher mit diesem aufrüttelnden Begriff der „vierten<br />
Dimension“ auseinander setzen, mag es von Wert sein, sich zuerst<br />
mit dem Grundgedanken von Okamotos Betrachtungsweise der<br />
„Entdeckung“ der Schnurmuster zu beschäftigen. Um dies zu tun,<br />
müssen wir zunächst auf die zehn Jahre zurückblicken, die Okamoto<br />
vom Alter von 19 bis 29 Jahren in Paris verbracht hat.<br />
Genau in jenem Jahr, als Jiujiro Nakayas Essay über die Jomon-<br />
Keramik in der vom Kreis um Bataille herausgegebenen Zeitschrift<br />
Documents erschien (Anfang 1930), kam Okamoto über Marseille<br />
nach Paris und eröffnete ein grafisches Atelier in Montparnasse. Bald<br />
begann sich ein intensiver freundschaftlichen Kontakt zu den Malern<br />
und Dichtern um Surrealisten wie Picasso, Arp, Ernst, Breton oder<br />
Aragon zu entwickeln.<br />
Okamotos Werk Kukan (Raum), das 1932 im Rahmen einer Vernissage<br />
des Salón Surindependant ausgestellt wurde, erhielt als ambitionierte,<br />
surrealistische Konstruktion aus Tuch und Stangen Anerkennung;<br />
sein in die erste internationale Surrealismus-Ausstellung in Paris 1938<br />
aufgenommenes Werk Beklagenswerte Arme erhielt mit seiner kühnen<br />
Gegenständlichkeit größten Beifall als Abschied von einer auf reine<br />
Form beschränkten abstrakten Kunst. Während Okamoto sich allerdings<br />
intensiv in solch avantgardistische Kunst vertiefte, suchte er<br />
gleichzeitig die Beschränktheit der „Kunst um der Kunst willen“ hinter<br />
sich zu lassen und begann, sich an der Universität von Paris intensiv<br />
mit Philosophie und Ethnologie zu beschäftigen. Besonders erwähnenswert<br />
ist hier sein Besuch des Forschungskurses für Ethnologie (1938–<br />
1939) an der Sorbonne und von Marcel Mauss’ Vorlesungen wie auch<br />
des Collège de Sociologie, dessen Vorsitzender Georges Bataille war.<br />
Durch Mauss’ Vorlesungen erweiterte sich Okamotos ethnologischer<br />
Horizont, und nichts spornte ihn so sehr an wie das Musée de<br />
l‘Homme, das 1937 auf dem Grund der Weltausstellung von Paris<br />
eröffnet wurde. In diesem völkerkundlichen Museum waren Fundstücke<br />
und Gegenstände aus zahlreichen Gebieten der Erde, wie Asien, Afrika,<br />
Ozeanien oder dem nördlichen Polarkreis, anzutreffen, die sich dort,<br />
wie Okamoto es beschrieb, „strahlend aneinanderdrängten“7. Ethnologie,<br />
wie Okamoto sie verstand, musste bei diesen Zeugnissen einer<br />
unverwüstlichen materiellen Kultur dieser Stammesgesellschaften<br />
ansetzen; sie erlangten erst durch die lebendige, fühlbare Gegenständlichkeit<br />
der von ihnen geformten Dinge Realität. Okamoto versenkte<br />
sich tief in die häufig im Musée de l‘Homme abgehaltenen Vorträge<br />
Ryuta Imafuku 60 61<br />
3 Before entering into discussion of Okamoto‘s<br />
provocative concept of a “fourth dimension”, we<br />
should perhaps consider the underlying foundations<br />
building up to his “discovery” of Jomon culture.<br />
To do this we must backtrack to the ten years Taro<br />
Okamoto spent studying in Paris between the ages<br />
of 19 and 29. Disembarking in Marseilles in early<br />
1930, the very same year that Jiujiro Nakaya‘s<br />
paper on Jomon pottery appeared in Bataille‘s<br />
Documents, the young painter made straight for<br />
Paris and an atelier in Montparnasse; soon he‘d<br />
entered the Surrealist milieu, befriending artists<br />
and poets like Picasso, Arp, Ernst, Breton and<br />
Aragon.<br />
Okamoto‘s entry in the 1932 Salón Surindependant,<br />
an ambitious abstraction in cloth and rods entitled<br />
Kukan (Space), was well-received; and again in<br />
the 1938 Exposition internationale du Surréalisme<br />
in Paris, his much-acclaimed Itamashiki Ude<br />
(Wounded Arm) bid a boldly representational farewell<br />
to formalist abstract art. Yet even as Okamoto<br />
immersed himself in Parisian avant-garde circles,<br />
he also pursued real university studies in philosophy<br />
and ethnology at the Sorbonne in an effort to break<br />
out of the closed world of “art for art‘s sake”. Two<br />
noteworthy consequences of his academic specialisation<br />
in ethnology from 1938 to 1939 were that<br />
he attended lectures by Marcel Mauss and also participated<br />
in the Collège de Sociologie led by Georges<br />
Bataille.<br />
Awakened to ethnology by Mauss‘ lectures held at<br />
the Musée de l‘Homme newly established in 1937<br />
on the site of the Exposition Universelle et Internationale<br />
de Paris 1900, Okamoto could not fail<br />
to be excited by the Museum‘s massive collections<br />
of “vibrant, shimmering”7 (Okamoto) ethnological<br />
materials from Asia, Africa, the South Pacific, the<br />
Arctic, all reaches of the globe. To Okamoto, the<br />
very idea of ethnology was given palpable reality<br />
by the vivid shapes and forms of these objects<br />
rooted in the solid material cultural traditions of<br />
tribal societies. Likewise, he was impressed by<br />
Mauss‘ thesis put forth in his Esquisse d‘une théorie<br />
générale de la magie (A General Theory of Magic,
Fig. 4 Taro Okamoto untersucht<br />
„guso“, Freiluftgräber auf der Insel<br />
Kudaka, Okinawa<br />
Fig. 4 Taro Okamoto, investigating<br />
“guso”, open-air burials in Kudaka<br />
Island, Okinawa<br />
von Mauss; durch Werke wie Esquisse d‘une théorie générale de la<br />
magie (Beschreibung einer allgemeinen Theorie zur Magie; 1904) 8<br />
oder Essai sur le don (Abhandlung über das Schenken; 1925) 9<br />
versuchte Mauss, der „kollektiven Kraft“, die in menschlichen Gesellschaften<br />
wirkt, über die Betrachtung magischer Symbole und Vorstellungen<br />
nachzugehen; durch die Analyse des in den Bräuchen von<br />
Stammesgesellschaften bewahrten „ganzheitlichen Systems“ der<br />
menschlichen Gesellschaft und der Mechanismen seiner Integration,<br />
suchte er nach den universellen Möglichkeiten der menschlichen<br />
Existenz, die durch Betrachtung eines einzelnen Fragments des Lebens<br />
der Menschen niemals verstanden werden können. So gesehen war die<br />
Ethnologie, die durch Mauss erstmals nachhaltig in die akademische<br />
Welt eingebracht wurde, mit ihrer Entwicklung einer Lehre der separaten<br />
Erforschung von Stammeskulturen bereits zukunftsweisend;<br />
sie barg die Möglichkeiten einer Synergie, indem sie Anthropologie<br />
mit Philosophie gleichsetzte; diese Zielsetzung von Mauss’ Ethnologie<br />
war es auch, die Okamoto als Künstler überaus berührte:<br />
Er fand in Mauss’ ethnologischer Vorgehensweise, Subjektivität und<br />
persönliche Gefühle zu eliminieren, um sich einem konkreten Objekt<br />
ohne Umschweife zu nähern, dieser Entschlossenheit, auf möglichst<br />
funktionale Weise die Bedeutung von Taten und Gedanken der<br />
Menschen zu durchblicken, das Gegenteil zu seiner bisherigen Vorgangsweise<br />
künstlerischer Schöpfung. Gleichzeitig, je mehr er über<br />
die unterschiedlichen dynamischen Aspekte der „ganzheitlichen<br />
gesellschaftlichen Realität“ (Mauss), mit der die Ethnologie sich beschäftigte,<br />
lernte, war Okamoto fest davon überzeugt, dass hier eine<br />
Verbindung zum Konzept des mystisch-zeremoniellen Wesens der<br />
Schöpfung von Kunst existierte, das ihm vorschwebte, wobei er diese<br />
innere Überzeugung von Mauss’ Schlüsselbegriff der „Magie“, der<br />
für Okamoto große Bedeutung erlangen sollte, bestätigt fühlte. Im<br />
„Magie“ genannten Mechanismus fand Okamoto die Urfunktion der<br />
künstlerischen Tätigkeit darin, die Natur des Übernatürlichen auf die<br />
Widersprüche und das Chaos der Menschen wirken zu lassen und<br />
inmitten der Gesamtheit des Kosmos zu vermitteln und zu vereinen.<br />
Hinter Okamotos eigentlich zufälliger Entdeckung der Jomon-Gefäße<br />
im Museum steht die Nachwirkung des Einflusses der „ethnologischen“<br />
Welt auf die Denktradition, mit der Okamoto in Berührung zu kommen<br />
suchte, als er in Paris das Musée de l’Homme häufig besuchte; seine<br />
Anschauung kann man wohl als ethnologische Sichtweise, die sich<br />
der „Magie“ als Vermittler bedient, bezeichnen. Auf die Wirkungsweise<br />
der von Mauss’ Ethnologie aufgezeigten „magischen“ Mentalität reagierte<br />
Georges Bataille noch weitaus stärker als Okamoto, mit dem<br />
ihm ein intensiver Gedankenaustausch verband. Wenn man sich vor<br />
Augen hält, dass die vom Kreis um Bataille herausgegebene Zeit-<br />
1904) 8 and Essai sur le don (The Gift: The Form<br />
and Reason for Exchange in Archaic Society, 1925) 9<br />
that by investigating magical emblems and symbols<br />
we might better understand the “collective forces”<br />
at work in human society, that by analysing the<br />
cohesive “total system” social mechanisms still kept<br />
alive in the customs of tribal societies, we might<br />
elucidate greater possibilities not readily apparent<br />
to anyone focusing only on fragmented individual<br />
aspects of life. In this sense, having introduced<br />
new norms to French academia, Mauss‘ “ethnology”<br />
transcended prevailing currents of scholarship<br />
dedicated to researching tribal societies one by<br />
one, toward a more holistic philosophical approach<br />
imbued with cumulative interdisciplinary possibilities.<br />
It was this direction that catalysed such a keen<br />
reaction in Okamoto the artist.<br />
Braced by the rigorous purity of ethnology’s mission<br />
to elucidate human thought and behaviour in strictly<br />
functional terms by rejecting all subjective feelings<br />
and focusing of concrete realities, Okamoto found<br />
principles of thought the diametric opposite of the<br />
act of artistic creation. Yet at the same time, the<br />
more Okamoto appreciated the dynamics of the fait<br />
social total (“total social fact”, Mauss) which ethnology<br />
claimed as its realm of study, the more firmly<br />
convinced he became that he was in touch with a<br />
secret inner essence to which the “artistic act”<br />
aspired. Moreover, Mauss’ key concept of “magic”<br />
proved the ideal notion to back up Okamoto’s<br />
intuitive convictions, for within those mechanisms<br />
called “magic” he saw the same core quest to<br />
unify and mediate a cosmic totality via art as the<br />
urge to prevail upon human contradiction and chaos<br />
by psycho-supernatural means.<br />
Thus, behind his seemingly accidental 1952 “discovery”<br />
of Jomon pottery in a Japanese museum,<br />
Okamoto was still recoiling from all he had seen<br />
at the Musée de l’Homme. It necessarily coloured<br />
his thinking to the point that he assumed what<br />
we might call a “magical” ethnologic vision, which<br />
he brought to bear most keenly upon his profound<br />
exchange with Georges Bataille. Moreover, considering<br />
it was Bataille’s Documents that staged the
schrift Documents den erstmaligen Schauplatz des radikalen Versuches<br />
darstellte, die Ästhetik der zeitgenössischen Kunst mit der Welt<br />
der Ethnologie in Berührung zu bringen, gab es im Zusammenhang<br />
mit Jomon-Keramiken interessante Übereinstimmungen: So barg<br />
Jiujiro Nakayas Essay über Jomon-Plastiken in Documents und die<br />
Auswirkung der späteren „Entdeckung“ der Jomon-Gefäße durch Taro<br />
Okamoto kontinuierlich genau jene Unbewusstheit des Selbst, jenen<br />
Sinn für Magie, an der die zeitgenössische Kunst Interesse hatte. Die<br />
Bestätigung, dass das hinter der Jomon-Entdeckung von Okamoto<br />
stehende Gedankenprinzip, das von Mauss und Bataille als „Magie“<br />
aufgegriffen worden war, in intensivem Zusammenhang mit Okamotos<br />
kultureller und ästhetischer Klassifizierung der Jomon-Keramik steht,<br />
bietet uns eine Gelegenheit, dieses Prinzip losgelöst vom Kontext des<br />
„Japanischen“ zu betrachten.<br />
4 Gehen wir noch einmal zu Okamotos Betrachtung der Jomon-<br />
Keramik zurück und verfolgen wir seine Gedanken weiter. Er schreibt:<br />
„Ich habe die Räumlichkeit [dieser Keramiken] betont. Wenn man<br />
sie allerdings nur als dreidimensionale Körper, vom ikonographischen<br />
und ästhetischen Standpunkt her bewundert, ist dies eigentlich wiederum<br />
eine recht naive, moderne Anschauungsweise. Vielmehr kann<br />
man ein präzises Verständnis dieser Kultur nur erlangen, indem man<br />
das seltsam geformte Mysterium, das diese Keramiken darstellen,<br />
konfrontiert, und ihre Vierdimensionalität, die über eine oberflächliche<br />
Betrachtung des Greifbaren hinausreicht, kontempliert. Denn es ist<br />
genau dort, dass die wahre Gestalt dieser Keramiken sich auf lebendige<br />
Weise offenbart.“10<br />
Während Okamoto so argumentiert, weist er – auf die von Mauss<br />
und Emile Durkheim (1857–1917) aufgezeigte religiöse (was hier mit<br />
magisch gleichzusetzen ist) Natur primitiver Gesellschaften aufbauend<br />
– auf die magischen Praktiken der Jomon-Kultur zur Beschwörung<br />
diverser Tier- und Pflanzengeister hin, die im Zentrum der spirituellen<br />
Weltsicht dieser auf Jagd basierten Gesellschaft standen. „Das materielle<br />
wie auch das spirituelle Leben stützte sich voll und ganz auf die<br />
Urreligion; gerade so, wie die schöne Form heutzutage gänzlich vom<br />
kapitalistischen Produktionsstil diktiert wird, war in früheren Zeiten<br />
die Religion von ähnlich bestimmender Bedeutung.<br />
Man muss sich vor Augen halten, dass nicht nur Tonskulpturen oder<br />
-tafeln, sondern auch Alltagsgegenstände wie Gefäße, bis hin zum<br />
Muster, einer strengen Ideologie unterliegen. Dass das Hauptaugenmerk<br />
dabei nicht nur auf dem praktischen Gebrauch der Gegenstände<br />
gelegen hat, wird beim Anblick der Formen deutlich. Es ist aber ebenso<br />
klar, dass diese komplizierten und überaus mysteriösen Schnurmuster<br />
Ryuta Imafuku 62 63<br />
first and most radical meeting of modern art aesthetics<br />
and ethnology, a mysterious aura hovered<br />
about Jomon pottery; that is to say, Taro Okamoto’s<br />
“discovery” of Jomon pottery coming almost too<br />
coincidentally after Jiujiro Nakaya’s paper on Jomon<br />
figurines in Documents subsequently served to<br />
intensify modern art interests in the magical sensibilities<br />
of the unconscious. And as if to acknowledge<br />
the Mauss-Bataille “magic” connection underlying<br />
Okamoto’s thesis, his placing of Jomon pottery in<br />
the cultural-aesthetic sphere gave us a major deviation<br />
from accepted contexts and notions of “things<br />
Japanese”.<br />
4 Returning once again to the essay Jomon<br />
Pottery: Conversation with the Fourth Dimension,<br />
Okamoto presents the central thrust of his argument<br />
as follows: “I have emphasized their [Jomon<br />
pottery’s] spatiality. To be sure, if we feel compelled<br />
to appreciate them via sculptural aesthetics<br />
simply as three-dimensional forms, that is plainly<br />
a modern-day idea. Rather we should notice the<br />
weird mystic spirituality to these pots, for unless<br />
we consider their fourth-dimensional character<br />
transcending superficial reality, we will never understand<br />
this culture. Indeed, herein shines the true<br />
greatness of Jomon pottery.”10<br />
Okamoto’s argument rests on the logic of a primitive<br />
religious-magical mentality as posited by Emile<br />
Durkheim (1857–1917) and Marcel Mauss; on that<br />
basis he asserts that the spiritual life of the primarily<br />
hunter-gatherer Jomon culture must have largely<br />
consisted in magically summoning the spiritual<br />
powers of various plants and animals: “Their entire<br />
material and spiritual life was supported by primitive<br />
religion. In just the same way that all today’s<br />
modes of capitalist production are governed by<br />
standards of beauty, here everything had religious<br />
meanings. The clay figurines and plaques, of<br />
course, but even everyday utilitarian wares show<br />
forms and patterns that must be considered embodiments<br />
of deep, determined ideologies. It should<br />
be immediately apparent from the shapes that they<br />
were not principally concerned with practical use.
Fig. 5 Taro Okamoto,<br />
„Guso“, Insel Kudaka,<br />
Okinawa, 1966<br />
Fig. 5 Taro Okamoto,<br />
“Guso“, Kudaka Island,<br />
Okinawa, 1966<br />
nicht einfach nur – wie es heutzutage üblich ist – Kunst um der Kunst<br />
willen gewesen sein kann und nur aus ästhetischem Antrieb heraus<br />
geschaffen wurden. Sie sind in höchstem Maße religiös, sie haben<br />
eine magische Bedeutung; anders gesagt, streben sie in Richtung<br />
Vierdimensionalität.“11<br />
Wie auch aus dieser Aussage deutlich hervorgeht, ist die „Vierdimensionalität“,<br />
die Okamoto hier anspricht, ganz klar mit „Magie“ gleichzusetzen.<br />
Warum er diesen Ausdruck verwendete, liegt eindeutig darin<br />
begründet, dass er seine Sichtweise, die im Gegensatz zu der in der<br />
Kunst üblichen Betrachtungsweise eines Objektes, die auf der Wahrnehmung<br />
seiner Dreidimensionalität beruhte, diese systematische<br />
Betrachtungsweise durch eine zusätzliche spirituelle Dimension (das,<br />
was Okamoto „strenge Ideologie“ nennt) zu überschreiten suchte,<br />
zum Ausdruck brachte. Durch die Verwendung der „vierten Dimension“<br />
als begrifflich gemachte Transzendenz der körperlichen dritten Dimension,<br />
konnte sich Okamoto der magischen Dimension, die den Dingen<br />
eigen ist, annähern.<br />
Okamoto, der auf diese Weise die erstaunliche Mystik, welche die<br />
Formen jomonzeitlicher Keramik in sich birgt, unter Berufung auf eine<br />
ethnologische Ästhetik zu lösen versucht, verweist wiederum auf den<br />
französischen Soziologen Lucien Lévy-Bruhl (1857–1939), der den<br />
Begriff der „Teilhabe“ in den Diskurs über die Mentalität der Primitiven<br />
einbrachte: „Diese Mystik ist ganz gewiss nicht die Art von Mystik,<br />
die wir heute unter diesem Begriff verstehen. In primitiven Gesellschaften<br />
ist die Welt des Sichtbaren mit der Welt des Unsichtbaren<br />
eng und ohne Unterbrechung verbunden; was Lévy-Bruhl als ‚Gesetz<br />
der Teilhabe’ bezeichnet, also der Glaube, dass ein Mensch gleichzeitig<br />
beispielsweise ein Känguru ist, birgt keinen Widerspruch, sondern ist<br />
als primitive Denkweise in sich völlig logisch. Ein Bär, also ein Beutetier,<br />
mag auch ein Stein, eine Skulptur oder ein Mensch sein (oder<br />
sogar ein abstraktes Ding). Für den Primitiven gibt es daran keinerlei<br />
Zweifel. Dementsprechend kann er, um den Bären zu fangen, diesen<br />
Stein oder jene Skulptur mit einem Zauber belegen. In unserem<br />
Denken muss, damit beispielsweise ein Bär auch ein Stein sein kann,<br />
eine vermittelnde mystische Instanz herhalten. Für den Primitiven<br />
allerdings handelt es sich nicht um so eine Form von Mystik: Kurz<br />
gesagt handelt es sich um eine direkte Verbindung, die keine vermittelnde<br />
Instanz benötigt. Wenn man diese Weltanschauung erweitert,<br />
so scheint es gewiss, dass die Muster der Jomon-Zeit in weitaus<br />
konkreterer und realitätsbezogener Weise mit bestimmten Dingen in<br />
Verbindung stehen [...] Man kann das geistige Motiv, das am Grunde<br />
dieses wilden, zähen, mystischen Schönheitsempfindens liegt, klar<br />
und deutlich erfassen: die der Lebensweise als Jäger an sich eigene,<br />
tragische vielfacettierte Spiritualität und Ambivalenz.“12<br />
Nor are those strange and complicated Jomon<br />
rope patterns the product of mere aesthetic awareness<br />
as with today’s art for art’s sake creations,<br />
certainly not. Therein lie intense religious and magical<br />
meanings, or rather a view toward the fourth<br />
dimension.”11<br />
As should be clear from these remarks, Okamoto’s<br />
“fourth dimension” ultimately comes down to<br />
“magic”. He adopts this turn of phrase in order to<br />
strike a contrast to the realm of art where threedimensional<br />
objets d’art are to be viewed as complete<br />
in themselves; rather, Okamoto wants to say,<br />
the very same moulded objects carry intimations<br />
within their material substance suggestions of<br />
embodying a spirituality (Okamoto’s “determined<br />
ideologies”) that transcend the dimensions of<br />
conventional viewing space. Applying the concept<br />
of a “fourth dimension” beyond the object’s three<br />
dimensions, Okamoto was trying to get at an added<br />
magical dimension of materiality.<br />
Thus reading a mystique into the surprising forms of<br />
Jomon pottery by invoking ethnological aesthetics,<br />
Okamoto draws upon the concept of “participation”<br />
from the mentalité primitive discourse of French<br />
socio-anthropologist Lucien Lévy-Bruhl (1857–1939):<br />
“This mystique, however, may not necessarily be<br />
the form of mystique we commonly think of today.<br />
In primitive societies, the visible and invisible worlds<br />
were quite openly connected without any mystical<br />
divide through what Lévy-Bruhl termed the ’law of<br />
participation’, that is, a person might without any<br />
contradiction believe himself to also simultaneously<br />
be a kangaroo via a kind of pre-logical reverie. Likewise<br />
a prey bear might be a rock or a figurine or<br />
another person (or even some abstract entity).<br />
Primitive people had no doubts whatsoever: in order<br />
to catch a bear they had only to work magic upon<br />
the stone or figurine. To our way of thinking, some<br />
magical intervention must precipitate the identification<br />
of bear with stone, but for them there was<br />
nothing mystical about it at all. That is, things were<br />
directly connected without intervention. Extrapolating<br />
from this worldview, the patterns on Jomon<br />
pottery and so on surely related to other things in
Wenn Okamoto schreibt, dass die Keramik der Jomon-Periode Ausdruck<br />
von Menschen ist, die sich, um zu überleben, mit zähem<br />
Willen in der Natur behaupten mussten, beziehungsweise von deren<br />
tragischer und vielfacettierter Spiritualität spricht, so ist es ein Irrtum,<br />
beim Wort „tragisch“ eine allzu romantische oder humanistische<br />
Implikation anzunehmen. Was Okamoto vorschwebt, während er<br />
Lévy-Bruhls Diskurs über die Gedankenwelt des Primitiven verfolgt, hat<br />
nichts mit den Konflikten heutiger Zeit zu tun; es ist vielmehr der in<br />
Übereinstimmung mit den materiellen Dingen und dem täglichen<br />
Leben an sich durchgeführte dynamische Prozess der Unterredung<br />
zwischen dem Menschen und der Welt des Übernatürlichen und der<br />
sich darin entfaltende grundlegende Drang, nach dem eigenen Selbst<br />
zu suchen, denn genau dies ist Okamotos Dialog mit der Vierten<br />
Dimension. In diesem Punkt zeigt folgende Aussage von Marcel Mauss,<br />
die auf Lévy-Bruhls Konzept der „Teilhabe“ basiert, deutliche Parallelen<br />
zu Okamotos Argumentation: „‚Teilhabe’ (participation) ist nicht einfach<br />
gleich Vermengung. Es setzt das Streben nach Vermengung<br />
voraus, ebenso wie das Bestreben, einander zu ähnlich zu werden.<br />
Vor allem anderen aber muss der Wille zur Verbindung da sein.“13<br />
Mauss’ Sichtweise von „Teilhabe“, was oftmals als Vermengung oder<br />
Durcheinander missverstanden wird, als grundsätzliches Streben der<br />
Menschen nach Vereinigung und Verbindung, fand ihre Bestätigung<br />
in Okamotos die Ethnologie im engeren Sinne übersteigenden Drang<br />
des Verstandes, nach der tieferen Wahrheit zu suchen, die hinter<br />
der menschlichen Gesellschaft steht: Etwas Unterschiedliches in sich<br />
aufzunehmen und durch diesen Unterschied eine Verbindung zu<br />
erlangen; dieser extreme Dialog mit der Vierdimensionalität ... Dass<br />
Okamoto als vielseitiger Künstler Mauss’ geistiges Vermächtnis weiterführte,<br />
ist anhand obiger Stelle deutlich sichtbar. Die Jomon-Keramik<br />
stieß durch seine Fähigkeit zum Dialog mit der „Magie“ als „vierter<br />
Dimension“, die als Ästhetikbewusstsein des modernen Menschen<br />
vorstellbar ist, zum ersten Mal in die Sphäre der Ästhetik vor. Was<br />
Okamotos Fotografien aufzeichnen, ist nichts anderes als das Zeugnis<br />
des hingebungsvollen Dialoges eines Menschen der Gegenwart<br />
mit der Vierdimensionalität.<br />
5 Okamotos Abhandlung über Fotografien von jomonzeitlicher<br />
Keramik war eine radikale, überaus gefährliche Bombe, die in die Welt<br />
der japanischen Kunst, die an die Realität und Kontinuität einer<br />
„traditionellen Ästhetik“ glaubte und die unter einem illusorischen<br />
Idealismus vergraben war, geworfen worden war. Trotzdem kann man<br />
nicht sagen, dass das Projekt der „japanischen Nachkriegskunst“<br />
durch diese entschlossene Äußerung Okamotos, in die er sein ganzes<br />
Herz als Künstler legte, ins Schwanken geraten wäre. Vielmehr tat<br />
Ryuta Imafuku 64 65<br />
ways far more concrete and real than anything<br />
we can imagine [...] We may definitely grasp the mental<br />
factors at the root of those strikingly tough mystic<br />
aesthetics: the tragically complex mental ambivalence<br />
innate to hunter-gatherer period living.”12<br />
Jomon pottery. Okamoto tells us, expresses the<br />
tragic mental complexes of human groups exposed<br />
to the elements in their stubborn will to survive,<br />
though the mention of “tragedy” wrongly suggests<br />
an excessively romantic or humanist tenor. What<br />
Okamoto imagines in invoking Lévi-Bruhl’s mentalité<br />
primitive is wholly unrelated to modern day conflicts,<br />
but rather consists in the very immediate<br />
daily exigencies of actively negotiating human life<br />
by entreating the supernatural world, a harsh<br />
self-searching fundamental drive to exist. Therein<br />
lies Okamoto’s Conversation with the Fourth<br />
Dimension.<br />
In this regard, Marcel Mauss’ comments on Lévy-<br />
Bruhl’s concept of “participation” have a profound<br />
resonance with Okamoto’s thesis: “‘Participation<br />
is no mere confabulation. It is premised in an effort<br />
to merge, to mutually liken. For from the very outset,<br />
there exists a will to unite.”13<br />
Mauss’ reading of a fundamental will to “unite” or<br />
“unify” into the easily misinterpreted concept of<br />
“participation” overstepped the confines of ethnology<br />
to lend credence to human society’s knowledgedriven<br />
quest for profound truths. The notion of<br />
embracing disparates in their common disparity, a<br />
fervent fourth-dimensional conversation ... Okamoto<br />
the total artist unquestioningly accepted this aspect<br />
of Mauss’ theoretic legacy in calling Jomon pottery<br />
into the arena of aesthetics by merit of their<br />
eloquence, a power to engage contemporary sensibilities<br />
in “magical” fourth-dimension conversation.<br />
Okamoto’s photographs of Jomon pottery document<br />
modern humanity’s vital dialogue with fourthdimensionality.<br />
5 Okamoto’s thinking and photographs of Jomon<br />
pottery came hurling like a bomb into the midst<br />
of a Japanese art world foresworn to the illusory
man in den konservativen und autoritären japanischen Kunstkreisen<br />
so, als hätte man ihn nicht bemerkt; die wesentlichen Punkte der<br />
von Okamoto aufgeworfenen Fragen sollten nicht publik werden, und<br />
so wurde seine „Bombe“ wie ein Blindgänger leise und heimlich im<br />
Ödland der japanischen Kunst begraben.<br />
Okamotos eigene Suche nach der „vierten Dimension Japans“ allerdings,<br />
die mit seiner Jomon-Entdeckung begonnen hatte, kam nun<br />
ihrem Ziel deutlich näher. Nach der Veröffentlichung seines Werkes<br />
Nippon no Dento, (Die Tradition Japans, 1956), das seine Abhandlung<br />
über die Jomon-Keramiken beinhaltete, publizierte er in Folge Nippon<br />
no Saihakken: Geijutsu Fudoki (Die Wiederentdeckung Japans, 1958),<br />
Wasurerareta Nippon: Okinawa Bunkaron (Das vergessene Japan:<br />
Über die Kultur Okinawas, 1961) und Shinpi Nippon (Mystisches Japan,<br />
1961), wobei jedes dieser Werke in seinem Titel „Japan“ enthielt.<br />
Diese Werke nagten alle kontinuierlich am Stamm der in illusorischem<br />
Ästhetikbewusstsein zur Oberflächlichkeit verkommenen „Tradition<br />
Japans“ und zeugten vom intensiven Bestreben, jene andere Art von<br />
spiritueller Ästhetik zu entdecken, von der es auf dieser Inselkette<br />
geradezu wimmelte.<br />
In diesem unablässigen Suchen hatten besonders zwei Gegenden<br />
Okamotos Dialog mit der „vierten Dimension“ angeregt: Es waren dies<br />
Tohoku und Okinawa. Kulturtheoretisch betrachtet, birgt Tohoku eine<br />
von der nördlichen Tradition der Ainu beeinflusste ethnologische<br />
Eigentümlichkeit, und Okinawa als südliche Inselkette bietet ein Bindeglied<br />
zur ursprünglichen ozeanischen Kultur; beide zeichneten sich<br />
durch eine ganz eigene Ästhetik und Mentalität aus, die in der „japanischen“<br />
Kultur bislang nicht sichtbar gewesen war. Was Okamoto<br />
allerdings beabsichtigte, war nicht, diese anderen japanischen Kulturen<br />
ans Licht zu bringen. In diesem Punkt hatte Okamoto kaum<br />
daran Interesse, nach dem Wesen und der Wiege der japanischen<br />
Kultur mit im engeren Sinn ethnologischer Wissbegierde zu suchen;<br />
vielmehr muss man sagen, dass es eine schöpferische Tätigkeit zur<br />
Entdeckung des reinen, unverfälschten Selbst war, dass die in<br />
Okamotos Innerem brodelnde „Magie“ im Jetzt wiederzuerlangen<br />
suchte. So gesehen waren sowohl Jomon als auch Tohoku und<br />
Okinawa für Taro Okamoto letztlich Schauplatz seiner Suche nach<br />
dem Selbst, respektive seiner Selbstfindung.<br />
Okamoto, der, nachdem er in Paris intensiv an der Avantgarde der<br />
westlichen Kunst teilgehabt hatte, wegen des Krieges nach Japan<br />
zurückkehrte, musste sich, während er sich in Japan befand, mit<br />
anderen Worten von dem durch die traditionelle Ästhetik verunreinigten<br />
„Japan“ entfernen, um zu dem zu kommen, was „nicht Japan“<br />
war, denn nur dadurch konnte seine Selbstfindung Erfolg haben.<br />
truism of an unbroken continuum of rarefied Japanese<br />
“traditional aesthetics”. Radical and dangerous<br />
though his determination as an artist may<br />
have been, it did not much shake the project of<br />
post-war “Japanese art”. If anything, the staid<br />
authoritarian art world chose to ignore him, and<br />
the essential issues he raised went unaddressed;<br />
the bomb failed to explode, a provocation soon<br />
buried beneath the wastelands of conventional art.<br />
Yet even so, spurred by his Jomon “discovery”,<br />
Okamoto pursued further investigations into the<br />
heart of the “Japanese fourth dimension”. After<br />
publishing Nippon no Dento (Japan’s Traditions,<br />
1956) including his “Jomon Pottery”, he followed<br />
with Nippon no Saihakken: Geijutsu Fudoki<br />
(Japan Rediscovered: Native Art Marginalia, 1958),<br />
Wasurerareta Nippon: Okinawa Bunkaron (Forgotten<br />
Japan: Okinawan Culture, 1961) and Shinpi<br />
Nippon (Mystic Japan, 1964) all bearing “Japan”<br />
in the title, all steadily eating away at the longcherished<br />
spectre of “Japanese tradition” so as to<br />
shock another aesthetic psyche awake.<br />
In his voyage of discovery, Okamoto’s travels into<br />
the fourth dimension next took him to the Tohoku<br />
region in the far north of Honshu and to Okinawa,<br />
looking for hidden energies stirring beneath these<br />
islands. At the time, both Tohoku with its ancient<br />
vein of pre-Yamato, Japanese indigenous Ainu<br />
culture and Okinawa with its proud southern island<br />
Ryukyuan culture constituted “blind spots” largely<br />
marginalized and invisible to mainstream Japanese<br />
culture, yet each was characterised by its own<br />
distinct aesthetics and spirituality. Okamoto intentionally<br />
went about exploring these disparate<br />
cultural lineages, not out of any narrow ethnological<br />
interest in the prototypal origins or ancestry of the<br />
Japanese people, but rather in order to coax<br />
forth some deep-seated inner “magic” out into the<br />
contemporary world, a creative act of pure selfdiscovery.<br />
In that sense, Okamoto most passionately<br />
chose Jomon, Tohoku and Okinawa as loci for selfinvestigation.<br />
Or to put it another way, having breathed in deep<br />
draughts of Western avant-garde art in Paris only
Ohne die Entdeckung der Kraft, die in dem Kontrast zwischen dem,<br />
„was Japan ausmacht“ im Gegensatz zu dem, „was nicht Japan ist“,<br />
steckt, hätte die Gesamtheit der Kultur, an die Okamoto glaubte,<br />
nicht erreicht werden können; wenn für ihn ein Japan, das eine solche<br />
Widersprüchlichkeit in sich trägt, als übergeordnete Einheit möglich<br />
ist, dann weil genau das die Grundlage von Okamotos künstlerischer<br />
Selbstverwirklichung war. In diesem Zusammenhang ist Okamotos<br />
Aufenthalt in Okinawa, das zum intensivsten Schauplatz seiner<br />
unverwandten, ungetrübten Schau in das eigene Innere, der Suche<br />
nach dem Selbst wurde, die Okamoto den „Dialog mit der vierten<br />
Dimension“ nannte, höchst interessant.<br />
Im November 1959 kam Okamoto, Reisepass und Einreiseformulare<br />
in der Hand, in das unter amerikanischer Besatzungsherrschaft<br />
stehende Okinawa, um gerade einmal zehn Tage dort zu verbringen.<br />
Sein Werk Das vergessene Japan: Über die Kultur Okinawas, in dem<br />
er seine während dieses Aufenthaltes gemachten Erfahrungen in<br />
einem Atemzug niederschrieb und in dem die von ihm dort gemachten<br />
Fotografien ebenfalls veröffentlicht wurden, wird meist für eine der<br />
zahlreichen Beschreibungen Okinawas gehalten; viel eher als eine<br />
Beschreibung des „fremden Landes“ Okinawa, ist der Kern seines<br />
Buches allerdings Zeugnis der Kämpfe, die der Mensch Taro Okamoto<br />
auf der ihm alles bedeutenden Suche nach seinem Selbst ausfocht.<br />
Er wurde um Okinawa und die Sakishima-Inseln herumgeführt und<br />
war angesichts der dünnen Substanz berühmter Kulturdenkmäler<br />
der Shuri-Dynastie wie der Steinmetzkünste, Tsuboya-Keramik oder<br />
bingata“ enttäuscht.<br />
Auf der Insel Yaeyama, wo er zur Darbietung von traditionellen japanischen<br />
Volksliedern eingeladen wurde, langweilte er sich angesichts<br />
des einschmeichelnden, ornamentalen Klanges der dreisaitigen<br />
Sanshin, die der reinen Gesangsstimme beständig folgte, und erstaunte<br />
die Einheimischen mit seiner Bitte, doch den Gesang ohne Begleitung<br />
der Sansen hören zu dürfen. Als ein intellektueller Einheimischer sein<br />
Mitgefühl durch die Betonung der historischen Tragik der Kopfsteuer<br />
zu wecken versuchte, brüskierte Okamoto seinen Gesprächspartner,<br />
indem er ihm ins Gesicht sagt: „Kopfsteuer ist nichts, worauf Okinawa<br />
ein Monopol hätte. Jeder Mensch muss auf seine Weise seine eigene<br />
Kopfsteuer tragen.“<br />
Diese erstaunlich ablehnende Haltung gegenüber den als typisch für<br />
Okinawa angesehenen und gepriesenen, ja oft nostalgisch verehrten<br />
Dingen war jedoch keine Äußerung von Kritik. Vielmehr ist hierin das<br />
Streben Okamotos nach einer Einswerdung mit Okinawa als Äußerung<br />
seines ernsthaft suchenden Geistes zu sehen. Man könnte sogar sagen,<br />
dass diese Worte vom Prozess einer erschütternden Selbstfindung<br />
Ryuta Imafuku 66 67<br />
to be recalled to Japan by the prospect of war,<br />
Okamoto could only move forward by breaking<br />
free of tradition-tained preconceptions toward<br />
a “non-Japan” where he might discover a new self.<br />
For it was by tapping into the energised polarity<br />
of non-Japanese versus would-be-Japanese that<br />
Okamoto’s vision of culture attained an integrity<br />
and totality replete with contradiction; only such<br />
a heightened, multidimensional Japan in all its<br />
living, breathing vitality could provide Okamoto<br />
with a basis for his own artistic self-realisation. In<br />
this sense, it is particularly interesting to see how<br />
Okinawa provided Okamoto with the supreme<br />
platform for his burning self-gaze, his soul-searching<br />
“Conversation with the Fourth Dimension”.<br />
In November 1959, Okamoto went to the then-<br />
US Army occupied territory of Okinawa for a brief<br />
ten days, requisite immigration papers in hand,<br />
then quickly set down his experiences together<br />
with photographs in Forgotten Japan: Okinawan<br />
Culture, a work often relegated to the ranks of<br />
Okinawan studies, though in essence the book is<br />
really a record of Okamoto’s struggles to come to<br />
terms with himself as a whole human being. We<br />
see Okamoto being guided around Okinawa, visiting<br />
various different islands, his disappointment at the<br />
waning of important cultural properties — Shuri<br />
dynasty stone carving, Tsuboya ceramics, bingata<br />
stencil dyeing.<br />
Okamoto invited to a folk song fest at Yaeyama,<br />
where he is astounded by the liltingly embellished<br />
accompaniments on the sanshin three-stringed lute,<br />
and the sheer power of the solo voices. Okamoto<br />
unabashedly sympathising with the islanders and<br />
their tragic history of head taxation — “Head tax<br />
is not the island’s exclusive monopoly. All humans<br />
whosoever bear the brunt of head tax in some form<br />
or another” — which might on the surface seem a<br />
surprisingly harsh pronouncement on those “things<br />
Okinawan” he otherwise adulates with such nostalgia.<br />
Yet far from being critical, it reveals a soulstruck<br />
Taro Okamoto at one with Okinawa, fervent<br />
proof of how he discovered a seed of island culture<br />
within himself. Adding gentle commentary by way
zeugen, im Laufe derer er auf eine fest in der Tiefe der Inseln verwurzelte<br />
Lebensstruktur stößt. Indem er sich in Okinawa vertieft, findet<br />
er dort am Ende seiner Suche nach seinem Selbst eine gedankliche<br />
und sinnliche Kraft, die diese bestimmte, klare und reine Landschaft<br />
und die Welt ihrer Menschen formt; genau jene beispiellose Kraft<br />
ist Okamotos „vierte Dimension“, die eine ungezwungene, mächtige<br />
Energie in sich trägt.<br />
Während Okamoto mit der Spiritualität und dem Landschaftscha-<br />
rakter, die fest in das Gefüge des täglichen Lebens integriert sind, in<br />
Berührung kommt, erzählt er vom „Schwindel angesichts der Leere“,<br />
die er schließlich gefunden hat. Er schreibt: „Was mich am meisten<br />
berührt hat, sind die ‚utaki’ (heilige Orte), die eigentlich keinerlei<br />
konkrete Substanz haben. ‚Utaki’ – heilige Orte, an denen die Geister<br />
zur Erde hinabsteigen. An diesen heiligen Stätten steht kein Schrein;<br />
man wird hier weder Götterbilder noch Statuen finden: Ein unauffälliges,<br />
unbedecktes Stück Land inmitten eines Waldes. Alles, was<br />
es dort gibt, ist eine unauffällige, schlichte Steinplatte, die man leicht<br />
übersieht. Ich war zutiefst berührt von dieser herrlichen Leere.“14<br />
„Diese Leere, sie trifft mich in ihrer Feierlichkeit wie ein Schlag [...]<br />
Denn hier liegt eine stille, tiefe Freude. Diese Aufrichtigkeit, diese<br />
Reinheit! Keine Gottesbilder, keine Statuen, keinerlei ikonographisches<br />
Zierwerk. Solch eine Reinheit, die in all ihrer Stille nichts Totes in<br />
sich trägt [...] Zuerst ist es auf unverdorbene Weise schlicht: ein in<br />
würdevoller Stille versunkener Wald. Die heilige Stätte, die durch<br />
Orakelspruch bestimmt wird, ist das Zentrum des Clanlebens. An<br />
diesem geheimen Ort sammeln sich übernatürliche Energien. Für die<br />
Menschen, die mit dem Ort verbunden sind, hängt ihre Lebenskraft<br />
vom Empfang dieser Energien ab.“15<br />
Für Okamoto war dieser Moment der Offenbarung inmitten der Stille<br />
und Leere, welche die ursprünglichste Verbindung zwischen Mensch<br />
und Gott darstellt, zweifellos auch der Moment seiner Wiederentdeckung<br />
der „vierten Dimension“ Japans in Okinawa.<br />
Andererseits war es gewiss auch der Moment seiner eigenen, unwissentlichen<br />
Selbstfindung, durch die eine Erfahrung zustande kam,<br />
welche die geografische und kulturelle Substanz Japans und Okinawas<br />
überstieg. Es war sozusagen eine Art überraschendes Entdecken<br />
seines Inneren, der in seinem Geist bisher versteckten Winkel.<br />
In weiterer Folge besuchte er die Insel Kukoto; als er bei der dortigen,<br />
„guso“ genannten Stätte der Freilandbestattung, die unter den Klippen<br />
am Meeresufer liegt, herumliegende Schädel entdeckte, war er angesichts<br />
dieser Szenerie so bestürzt, dass er wie verrückt immer wieder<br />
den Auslöser seiner Kamera drückte; auch wenn er damit in der Sicht<br />
of probing self-reflection, he finds a clear and<br />
resolute power to land and its people, a creative<br />
force of thought and sensibility, of such rare<br />
and great energy as to invite “Conversation with the<br />
Fourth Dimension”.<br />
Coming into contact with the magic-laden daily life<br />
of the islands, Okamoto talks about its “dizzying<br />
emptiness”: “What moved me most, unexpectedly,<br />
was the total absence of any physical form to this<br />
utaki — or so it appeared. A hallowed spot where<br />
the gods descend, this utaki sanctuary had neither<br />
a constructed worship shrine nor divine object or<br />
idol. Just a simple clearing in the forest. And in it,<br />
only an easily overlooked small, crudely hewn<br />
square rock. I was startled by the wonderful lack<br />
of anything there.”14<br />
“This nothing there, conversely keeps striking me<br />
with its strident reality ... a quiet, broad-ranging joy.<br />
Such immaculate purity, with neither divine object<br />
nor idol, no iconography at all. A cleanliness without<br />
the least whiff of death [...] At first it seems all<br />
so pristine and simple. The beautiful forest stillness.<br />
The divinely-ordained sacred precinct as the centre<br />
of clan life. Into that secret place a supernatural<br />
energy stealthily descends. They cannot conceive<br />
of any driving force to their lives apart from that.”15<br />
Struck by the sheer quietude and emptiness of<br />
this most primitive circuit connecting the divine and<br />
human realms, Okamoto’s Okinawan epiphany can<br />
be seen as the moment he rediscovered a fourth<br />
dimension to Japan, and also at the same time<br />
a moment for rediscovering an unknown self —<br />
an experience transcending the geographic and<br />
cultural actualities of Okinawa and Japan. It was<br />
as if he found his own blood vessels plumbing<br />
unknown depths, hidden folds of his own brain<br />
within the landscape. Later, he went to Kudaka<br />
Island, where he came upon a sea cliff cave littered<br />
with skulls from traditional “guso afterlife” open-<br />
air burials, and felt compelled to photograph the<br />
startling scene, no matter how taboo from the<br />
Okinawan point of view; invasion of a hallowed<br />
sanctum or not, he found himself in touch with
der Einwohner ein Tabu verletzt hatte, war er mit einer transzendentalen<br />
„Mystik“ in Berührung gekommen, die jenseits des Urteilsvermögen<br />
der „einheimischen“ Logik lag. Wenn die bleiche Reinheit der<br />
verwitterten Schädel jener Stätte für Okamoto den blitzlichtartigen<br />
Moment, in dem er zum ersten Mal objektiv in seinen eigenen Schädel<br />
blicken konnte, bedeutete, so war die Unerbittlichkeit dieser Selbstfindung<br />
etwas, das den mystischen Traditionen der Insel Kukoto ebenbürtig<br />
war; ein Moment des Heiligen, in dem er sich seinem Selbst<br />
stellt. In diesem Sinn führte es dazu, dass der Dialog mit der „vierten<br />
Dimension Japans“ die Beschränkung des auf dem materiellen Begriff<br />
der einheimischen ethnischen Traditionen beruhenden „Japan“<br />
hinter sich lassen konnte.<br />
6 Es gab niemanden, der Okamotos Bemühungen, sich dem, „was<br />
nicht Japan ist“, über die Dinge auf den japanischen Inseln anzunähern,<br />
die den Dialog mit der „vierten Dimension“ ermöglichen, später<br />
direkt fortsetzte, aber man kann mit Sicherheit sagen, dass zeitweilige<br />
Bewegungen aus einer völlig anderen Richtung existierten, die Japan<br />
anhand dessen, „was nicht Japan ist“, neu zu entdecken und neu zu<br />
erschaffen suchten. Diese Bewegungen sind vom europäischen<br />
kolonialistischen Blick gefärbte Unterfangen, welche bei der Genealogie<br />
der Illusion von der Exotik des „Ostens“ und „Japans“ eine Grenze<br />
ziehen und die besonders auf schöpferischem Kulturbewusstsein<br />
beruhend sich unaufhörlich bemühen, die Starrheit der „japanischen<br />
Tradition“ zu konfrontieren.<br />
So kann man gewiss in Roland Barthes’ (1915–1980) folgenden<br />
Sätzen das Gefühl des „Nichts“ entdecken, das sich der von Okamoto<br />
beschriebenen, schwindelerregenden „Leere“ vergleichen lässt: „Was<br />
hier vorgestellt wird, gehört nicht (zumindest wünsche ich das) zur<br />
japanischen Kunst, zum japanischen Städtebau oder zur japanischen<br />
Küche. Der Autor hat nie und in keinem Sinne Japan photographiert.<br />
Eher gilt das Gegenteil: Japan hat ihn mit vielfachen Blitzen erleuchtet:<br />
oder besser noch: Japan hat ihn in die Situation der Schrift versetzt.<br />
Diese Situation ist aber jene, in der eine gewisse Zerrüttung der<br />
Person eintritt, eine Umwälzung der alten Lektüren, eine Erschüttung<br />
des Sinns, der zerrissen und bis zur unersetzlichen Leere erschöpft<br />
wird, ohne dass freilich das Objekt jemals aufhörte, bedeutsam und<br />
begehrenswert zu sein. Insgesamt ist die Schrift auf ihre Weise ein<br />
Satori: der Satori (das Zen-Erlebnis) ist ein mehr oder weniger starkes<br />
(durchaus nicht erhabenes) Erdbeben, das die Erkenntnis, das Subjekt<br />
ins Wanken bringt: er bewirkt eine Leere in der Sprache.“16 Auf diese<br />
Worte Barthes’ folgt eine große Abbildung in Form einer Kalligraphie<br />
des sinojapanischen Schriftzeichens „mu“ (Leere).<br />
Der französische Philosoph und Semiotiker Roland Barthes kam<br />
Ryuta Imafuku 68 69<br />
a wholly other sacred order beyond criticism of the<br />
“indigenous” mind. The bleached white bones in<br />
those open urns brought a flash of revelation — like<br />
objectively seeing his own skull — another sacred<br />
moment of self-recognition, a head-on challenge<br />
so intense as to rival the transmitted mysteries of<br />
Kudaka itself. Which raised this conversation with<br />
“fourth-dimension Japan” above any Japanese-ness<br />
based in actual concepts of ethnicity or cultural<br />
identity.<br />
6 Okamoto’s “non-Japanese” approach to his<br />
fourth-dimension behind mainstream Japan had<br />
no direct successor, though there continued to be<br />
certain fascinating isolated efforts to recall or<br />
recreate a “non-Japanese” Japan. Some of these<br />
projects, distinguished by a superior cultural awareness,<br />
proposed to trace the lineage of Western<br />
colonialist-coloured exoticism toward the “Orient”<br />
and “Japan” relative to established traditions of<br />
“Japanese-ness”.<br />
For instance, can we not find echoes of that sense<br />
of Okinawan “emptiness” that Okamoto found so<br />
dizzyingly brilliant in the writings of Roland Barthes<br />
(1915–1980): “What is presented here does not<br />
appertain to art, to Japanese urbanism, to Japanese<br />
cooking. The author has never, in any sense, photographed<br />
Japan. Rather, he has done the opposite:<br />
Japan has started him with any number of ‘flashes’;<br />
or better still, Japan has afforded him a situation<br />
of writing. This situation is the very one in which a<br />
certain disturbance of the person occurs, a subversion<br />
of earlier readings, a shock of meaning lacerated,<br />
extenuated to the point of its irreplaceable<br />
void, without the object‘s ever ceasing to be significant,<br />
desirable ... [Satori] creates an emptiness<br />
of language. And it is also an emptiness of language<br />
which constitutes writing.”16 (Immediately<br />
after this passage, Barthes’ book includes a large<br />
brush-written calligraph mu for “emptiness” or<br />
“non-being.”)<br />
French semiotic thinker Roland Barthes first visited<br />
Japan in 1966 for a one-month lectureship at the
Fig. 6 Trinh T. Minh-ha,<br />
The Fourth Dimension, 2001<br />
Fig. 6 Trinh T. Minh-ha,<br />
The Fourth Dimension, 2001<br />
erstmals 1966 nach Japan; während seines etwa einmonatigen Aufenthaltes<br />
hielt er Vorträge und bereiste Tokio, Kyoto und viele andere<br />
Gegenden Japans. Er setzte sich intensiv mit der Welt der Symbolik<br />
und Zeichen auseinander, die in den Details der alltäglichen Förmlichkeit<br />
liegen, und schrieb aufgrund seiner so gemachten Erfahrungen<br />
das Buch L’Empire des signes (Das Reich der Zeichen), das 1970 in<br />
Paris veröffentlicht wurde. Wie Barthes auch in der Einleitung zu<br />
diesem Buch schreibt, ist das Bild von Japan, das er in seinem Werk<br />
zeichnet, keines, das dem realen Land „Japan“ direkt entspricht; so<br />
wurde auch das imaginäre Japan, wie es als Objekt des Orientalismus<br />
bereits verbreitet war, außen vor gelassen und ein Japan beschrieben,<br />
das sich als von Zeichen umrissenes Sinnbild in Barthes’ Worten<br />
offenbarte. Ähnlich wie Taro Okamoto auf Okinawa, wurde Barthes<br />
ins Kabuki-Theater und zum Kaiserpalast geführt; ihm wurden die<br />
Tempel Kyotos und japanische Kochkunst präsentiert und er übernachtete<br />
in den feinsten japanischen Gästehäusern; ihm wurde von<br />
seinen japanischen Gastgebern das ohnedies bereits verinnerlichte,<br />
europäisch-verklärte Bild Asiens geradezu aufgedrängt.<br />
Dieser Ironie begegnete er mit der ihm eigenen Gelassenheit, während<br />
er in die Welt der Zeichen vorstieß, die aus der Nichtigkeit der Bedeutungen<br />
hervortrat, die sich in einem Spalt seiner Erkenntnis ausbreitete.<br />
Es mag so aussehen, als würden sich so überaus „typisch japanische“<br />
Ideen wie Haiku oder Zen an der Oberfläche dessen befinden, was<br />
Barthes als „das, was nicht Japan ist“, zu fassen versuchte; dementsprechend<br />
wird Barthes’ Empire des signes auch in den letzen Jahren<br />
oft scharf als Reproduktion hohler Stereotype aus dem beherrschenden<br />
Blickwinkel des europäischen, philosophisch überlegenen<br />
Außenstehenden kritisiert.17 Aber, wie Barthes schreibt, ist „Haiku<br />
der Blitz beim Fotografieren (wie es die Japaner tun); allerdings ist<br />
in dieser Kamera kein Film.“18. Hier banalisiert Barthes durch die<br />
Verwendung des überaus japanischen Begriffes „Haiku“ eben jenes<br />
Japan, während das solcherart von seinen Fesseln befreite Feld der<br />
„Bedeutung“ als „so etwas“19 der Trägheit der Alltagsvernunft gegenübergestellt<br />
und als emporragender Riss dargestellt wird. Während<br />
Taro Okamotos unverwandter Blick auf die Keramiken der Jomon-<br />
Zeit oder die „utaki“ Okinawas den blinden Fleck der im täglichen<br />
Leben träge gewordenen Wahrnehmung durchstieß und er von der<br />
Vierdimensionalität der Dinge angezogen wurde, kann man in Barthes<br />
„écriture“ den gleichen Grundgedanken erkennen.<br />
Mit diesem Gedanken an Barthes’ Auseinandersetzung mit „Japan“,<br />
die eigentlich keine ist, können wir weiterverfolgen, wie die Suche<br />
nach dem vierdimensionalen Japan in der vietnamesisch-stämmigen<br />
Filmemacherin Trinh T. Minh-ha, die 1997 ein halbes Jahr in Japan<br />
verbrachte, um dort ihr Video The Fourth Dimension, 2001 20, zu<br />
University of Tokyo, as well as travelling to Kyoto<br />
and other places around Japan. Immersing himself<br />
in the signes immanent in various ceremonial<br />
aspects of Japanese daily life, he returned to Paris<br />
to publish L’Empire des signes (Empire of Signs,<br />
1970) in which he depicts a Japan that, as the<br />
author himself acknowledges from the outset, bears<br />
no direct relation to the real Japan, nor by the same<br />
token stands connects to Western orientalist imaginings<br />
of “Japan”, but instead merely floats as a<br />
semiotically rendered system of superficial<br />
écritures. Not unlike Taro Okamoto in Okinawa,<br />
Barthes was guided around to Kabuki theatre, the<br />
Imperial Palace, temples in Kyoto, top restaurants<br />
and Japanese inns, unilaterally treated to Western<br />
“Oriental” fantasies already internalised by his<br />
hosts, as well as their total disinterest in those<br />
things, a comic awareness-gap that prompted him<br />
to enter a world signified by emptiness.<br />
Such “non-Japanese” elements, Barthes notes, do<br />
indeed seem like superficial taches of extremely<br />
classic Haiku-Zen “Japanese-ness”, hence L’Empire<br />
des Signes has become the subject of more and<br />
more critical discussion in recent years for its<br />
authoritative gaze upon reproduced archetypal<br />
“Oriental” fantasies.17 Nonetheless, when Barthes<br />
writes that “Haiku are Japanese snapshot flashes<br />
with no film in the camera”18, all too casually<br />
likening Japan itself to Haiku, so as to stake out<br />
an empty territory free from the spell of meanings,<br />
he can only confront the rifts in our everyday logical<br />
conventions by indicating “thus”19. Do we not<br />
find here something similar to Taro Okamoto’s<br />
gaze toward Jomon pottery and Okinawan “utaki”,<br />
a mechanism drawn to “fourth-dimensionality”<br />
at work in Barthes’ écritures even as he stabs at<br />
inertial blindspots in everyday perception?<br />
These same issues likewise come to the fore in<br />
Vietnamese-born filmmaker Trinh T. Minh-ha’s<br />
The Fourth Dimension, 2001 20, a title that lets us<br />
know that investigations into fourth-dimensional<br />
Japan have not ceased. Visiting Japan in 1997 on<br />
a half-year residency fellowship, she took on<br />
Barthes’ Japan discourse from an opposite direc-
drehen, eine weitere Fortführung erfährt. Trinh T. Minh-has Definition<br />
der „vierten Dimension“ wird am Ende ihres Filmes in ruhigen, poetischen<br />
Worten erklärt:<br />
Die vierte Dimension<br />
Was sich behutsam im Inneren des<br />
täglichen Normalzustandes befindet<br />
Das Eindringen der Ewigkeit...21<br />
Nach ihrem ersten Film, einem dokumentarischem Video namens<br />
Reassemblage (1982), das die Autorität des ethnologischen Blickpunktes<br />
auf Afrika scharf kritisierte, beschäftigte sich Trinh T. Minh-ha<br />
mit dem komplexen Zusammenhang zwischen „gewöhnlich“ („ordinary“)<br />
und „ungewöhnlich“ („extra-ordinary“) und stieß schließlich<br />
auf den Begriff „infra-ordinary“ (sich innerhalb des Gewöhnlichen<br />
befindend). In ihrem oben erwähnten Werk wird die oberflächliche<br />
Schicht der Zeit, die sich chronologisch und messbar in Richtung<br />
Geschichte fortsetzt, durchschnitten und das zarte Schwanken und<br />
das Ausmaß der „vierten Dimension“ treffend aufgezeigt.<br />
Trinh T. Minh-ha, die 30 Jahre nach Barthes Japan, das dieser einen<br />
„Speicher der Zeichen“ genannt hatte, betrat, beschäftigt sich<br />
besonders mit der vielgestalten Förmlichkeit, welche das tägliche<br />
(Er-)Leben der zeitgenössischen japanischen Gesellschaft bestimmt:<br />
Junge Leute, die sich in den Vergnügungsvierteln der Großstädte<br />
sammeln; das Innere eines Zugabteils, die Fenster eines Shinkansen-<br />
Zuges, ein ländliches Volksfest, Taiko-Trommeln, die Musikbegleitung<br />
bei einer Theaterdarbietung, Menschenschlangen, ein Bauernhaus,<br />
eine Teestube, Tempel und Schreine im Tempelbezirk, der Rhythmus<br />
vielfältiger Bewegung und vielfältiger Taiko-Trommeln... Während<br />
vier beschäftigter Monate in Japan reiste sie, die in Akihabara neu<br />
erstandene digitale Filmkamera in der Hand, quer durch das Land,<br />
während sie mit viel Feingefühl die unbewusste Choreographie des<br />
alltäglichen Raumes und der alltäglichen Handlungen der Japaner<br />
dokumentierte; das Zugfenster (während einer Reise in Japan gewöhnt<br />
man sich schnell an das Zugfahren) als Grundton einer zusätzlichen<br />
visuellen Einrahmung. Sie macht sich auf eine Reise, bei der sie sich<br />
von der irdischen Zeit entfernt; in der Außergewöhnlichkeit ihrer Reise<br />
dringt sie bis ins Innere der die alltägliche Gesellschaft bestimmenden<br />
Zeit vor, um mit ihrem Video, als einem weiteren Werkzeug der Förmlichkeit,<br />
zu einer neuen Zeitlichkeit und Räumlichkeit vorzustoßen...<br />
Während sie in die komplexen, zahlreichen Phasen der Zeit, die den<br />
Alltag durchdringen wie „japanische Zeit“, „Zeit im Zug“, „weibliche<br />
Zeit“ und „Video-Zeit“ eintaucht, gelingt es Trinh T. Minh-ha mit ihrem<br />
beispiellosen Blick auf die Dinge und der ihr eigenen zurückhaltenden<br />
tion, quietly intoning her definition of this “fourth<br />
dimension” in a poetic voice-over at the end of the<br />
piece:<br />
The fourth dimension:<br />
to be attentive to the infra-ordinary<br />
an intrusion of eternity...21<br />
Ryuta Imafuku 70 71<br />
Ever since her debut film Ressamblage (1982), a<br />
documentary that incisively criticised accepted<br />
ethnological visions of Africa, she has examined<br />
gaps in the complex continuum of “ordinary” to<br />
“extra-ordinary”, arriving at the concept of “infraordinary”.<br />
Stripping away the surface of measurable<br />
chronological time, this present work probes the<br />
delicate play and modalities of fourth-dimensional<br />
Japan with remarkable skill.<br />
Coming to Japan and Barthes’ “depot of signs”<br />
thirty years later, Trinh T. Minh-ha focuses on various<br />
ritual aspects of everyday spaces in contemporary<br />
Japanese society: urban streets where kids<br />
hang out, crowded commuter train interiors,<br />
Shinkansen “bullet train” windows, local summer<br />
festivals with singing, dancing and parades,<br />
homes, tearooms and temples, the many rhythms<br />
of movement all set to different “taiko” drumbeats...<br />
In only four short months during her stay,<br />
she travelled around Japan with her newly acquired<br />
digital handicam gathering images of the unconscious<br />
choreography of the Japanese in their everyday<br />
activities and everyday spaces, with the moving<br />
train window as an added keynote framing device<br />
(the trip being also a voyage of acclimation to train<br />
speeds). Escaping from mundane time into the<br />
extra-ordinary circumstances of travel, she gets<br />
under the skin of everyday time that governs<br />
society using video as a ritual implement to infiltrate<br />
a new time and space...<br />
With highly attuned eyes and ears, she bathes in<br />
complex temporal relate latent in the everyday –<br />
“Japan time” “train time” “video time” — and with<br />
a more sensitive touch than most other foreigners<br />
travelling in Japan, she brings out spontaneous<br />
rituals “inside the commonplace”. Or again, raising
Art, die Muster der sich im Inneren des Gewöhnlichen (also „infra-<br />
ordinary“) zufällig ergebenden Formalität so detailliert wie kein anderer<br />
Nichtjapaner zuvor zu extrahieren: Sie lüftete den Schleier, der über<br />
dem Alltäglichen liegt, und versucht die Töne und Bilder sich zufällig<br />
ergebender Szenen wahrzunehmen. Sie schrieb einmal „Das Auge<br />
sieht und das Ohr hört“22; ihre Augen und Ohren, welche auf dem<br />
Weg zur Realität der „vierten Dimension“ die Einschränkung der physikalischen<br />
Sinneswahrnehmung längst hinter sich gelassen haben,<br />
fungieren als uneingeschränkt wahrnehmende, hochempfindliche<br />
Sensoren ihres Bewusstseins.<br />
Jene Vierdimensionalität, die von Taro Okamoto als „Magie“ ausgelegt<br />
worden war, definiert Trinh T. Minh-ha als unerforschtes Gebiet der<br />
Wahrnehmung, das sich im „infra-ordinary“ erstreckt, während sie<br />
versucht, die Geschichte dieser eng mit Japan verbundenen neuen<br />
Sinnesempfindung zu erschließen. Zu welcher ästhetischen Erkenntnis<br />
der zeitweilig unterbrochene Fluss der Suche nach dem, was hier<br />
vorerst als vierdimensionales Japan bezeichnet wurde, noch führt,<br />
lässt sich nicht voraussagen. Mit Sicherheit kann man aber sagen,<br />
dass das Erbe dieses Strebens nach einem anderen Japan, während<br />
es in der heutigen Zeit der kritischen Auseinandersetzung mit dem<br />
Orientalismus zusätzlich an Aktualität gewonnen hat, neue Möglichkeiten<br />
der Wahrnehmung „Japans“ anbietet.<br />
Anmerkungen<br />
1 Jiujiro Nakaya: Figurines néolithiques du Japon. In: Documents (1930), Bd. 2, Nr. 1,<br />
S. 25–32.<br />
2 Zur Bedeutung von Documents für den französischen ethnographischen Surrealismus<br />
siehe Ryuta Imafuku: Das Phantasma Tehuantepec. Wilde Technologie (Yasei no Tekunorojii).<br />
Tokio: Iwanami Shoten 1995.<br />
3 Taro Okamoto: Dialog mit der Vierten Dimension – Von der Keramik der Jomon-Zeit<br />
(Yojigen to no taiwa-jomon doki-ron). In: Mizue (1952), Nr. 558, S. 3–18.<br />
4 Toshiko Okamoto: 50 gemeinsame Jahre mit dem ‚Streitbaren Taro’ (Faitingu Taro to<br />
doko 50 nen). Geijutsu Shincho. Sonderausgabe vom Mai 1996 anlässlich des Todes von<br />
Taro Okamoto, S. 76 ff.<br />
5 Taro Okamoto, Dialog mit der Vierten Dimension, S. 7.<br />
6 Toshiko Okamoto, 50 gemeinsame Jahre mit dem ‚Streitbaren Taro’, S. 76;<br />
Gespräch mit Toshiko Okamoto am 05.04.2005.<br />
7 Taro Okamoto: Autobiographie. Das Okamoto Taro-Buch 1: Geburt der Magie<br />
(Okamoto Taro no hon 1 – Jujutsu no tanjo) Tokio: Misuzu 1998.<br />
8 Marcel Mauss: Esquisse d‘une théorie générale de la magie. Ursprünglich erschienen<br />
in Année sociologique (1902–1903), gemeinsam mit H. Humbert.<br />
the screen over the ordinary, she listens in on the<br />
unseen tumult of sound and image within the incidental.<br />
As she herself has written, “The eye hears<br />
and the ear sees”22, even as her eyes and ears<br />
penetrate fourth-dimension realities beyond the<br />
bounds of physical sensation.<br />
Re-reading the “magic” in Taro Okamoto’s “fourth<br />
dimension”, Trinh T. Minh-ha defines an expansive,<br />
untrodden territory of perception while exploring<br />
a new history of “Japan”-attuned sensibilities.<br />
Whether this intermittent current of exploration<br />
we have tentatively called “fourth-dimension Japan”<br />
will unfold into some further aesthetic remains to<br />
be seen. The only certainty is that this line of inquiry<br />
divorced from the local actualities of “Japan” will<br />
surely continue to provide a critical counterpoint<br />
to Orientalism, while hinting at new possibilities<br />
for perceiving yet another “Japan”.<br />
Notes<br />
1 Jiujiro Nakaya: Figurines néolithiques du Japon. In: Documents<br />
(1930), vol. 2, no.1, pp. 25–32.<br />
2 Ref. the author‘s discussion of the ethnolographic surrealism<br />
of Documents in Tehuantepec no Genei (Illusions of Tehuantepec)<br />
included in Ryuta Imafuku: Yasei no Technology (Technology of<br />
the Wild). Tokyo: Iwanami Shoten 1995.<br />
3 Taro Okamoto: Yojigen to no Taiwa: Jomon Dokiron (Jomon<br />
Pottery: Conversation with the Fourth Dimension). In: Mizue<br />
(1952), no. 558, pp. 3–18.<br />
4 Toshiko Okamoto: Faitingu Taro to Doko 50 jen (Fifty Years with<br />
Fighting Taro), Geijutsu Shincho: Goodbye Okamoto Taro special<br />
issue, Tokyo 1996, p. 76.<br />
5 Taro Okamoto, Jomon Pottery, p. 7.<br />
6 Toshiko Okamoto, Jomon Pottery, p. 76. As well as a private<br />
conversation with her (5 April 2005).<br />
7 Taro Okamoto: Jidensho (Memoirs), Okamoto Taro no Hon 1:<br />
Jujutsu Tanjo (Okamoto Taro Book 1: The Birth of Magic), Tokyo:<br />
Misuzu Shobo 1998, p. 224.
9 Marcel Mauss: Essai sur le don. In: Année sociologique (1/1925), S. 30–186.<br />
10 Taro Okamoto, Dialog mit der Vierten Dimension, S. 8.<br />
11 Ebda, S. 9.<br />
12 Ebda.<br />
13 Marcel Mauss: Oeuvres 2: Représentations collectives et diversités des civilizations.<br />
Paris: Minuit 1969, S. 130.<br />
14 Taro Okamoto: Über Okinawas Kultur – Das vergessene Japan (Okinawa bunkaron –<br />
wasurerareta Nippon). Tokio: Chuko Bunko 1996, S. 40 f.<br />
15 Taro Okamoto, Über Okinawas Kultur, S. 168–170.<br />
16 Roland Barthes: Das Reich der Zeichen. Aus dem Franz. von Michael Bischoff.<br />
Frankfurt/Main: Suhrkamp 1981, S. 14 f.<br />
17 Ein Vertreter hierfür ist z. B. Gayatri C. Spivaks A Critique of Postcolonial Reason,<br />
besonders auf den Seiten 492–497. Gegenüber einer solchen schematischen Darlegungsweise<br />
äußert sich allerdings Nibuya Takashi in seinem interessanten Essay über Barthes<br />
Eine indifferente Liebe (Mukanshin no ai) (erschienen im Zusatz über Roland Barthes zur<br />
Dezemberausgabe 2003 von Gendai Shiso, S. 124–134) überaus kritisch.<br />
18 Barthes, Das Reich der Zeichen, S. 16.<br />
19 „So“ ist eine Übersetzung des französischen „ainsi“; einer von Barthes’ fragmentarischen<br />
Sätzen in Das Reich der Zeichen über Haiku besteht aus diesem Wort. In<br />
Richard Howards <strong>englisch</strong>er Übersetzung wird es nicht mit „so“, sondern „that!“ wiedergegeben.<br />
20 Trinh T. Minh-ha: The Fourth Dimension (Japan-USA, 2001) Digitalfilm, 86:40 min.<br />
Regie: Trinh T. Minh-ha. Poduziert von Jean-Paul Bourdier und Trinh T. Minh-ha. Japan-<br />
Premiere bei Kyoto Biennale, Oktober 2003.<br />
21 Das ist eine eigene Übersetzung des <strong>englisch</strong>en Originalskripts, das mir von Trinh<br />
T. Minh-ha zugeschickt wurde.<br />
22 Trinh T. Minh-ha: Holes in the Sound Wall. When the Moon Waxes Red. New York:<br />
Routledge 1991, S. 302 ff. Im selben Buch ist auch ein herausfordernder Essay über<br />
Barthes zu finden: Eine vieldeutige Leere: Barthes und Asien, in dem im Hinblick auf<br />
Trinhs Vierdimensionalität jede Menge Hinweise auf Barthes Beschäftigung mit demselben<br />
Grundgedanken gegeben werden.<br />
Ryuta Imafuku 72 73<br />
8 Marcel Mauss and H. Hubert: Esquisse d‘une théorie générale<br />
de la magie, originally published in Année sociologique (1902–03).<br />
9 Marcel Mauss: Essai sur le don. In: Année sociologique (1925),<br />
no. 1, pp. 30–186.<br />
10 Taro Okamoto, Jomon Pottery, p. 8.<br />
11 Ibid, p. 9.<br />
12 Ibid.<br />
13 Marcel Mauss: Oeuvres 2: Représentations collectives et<br />
diversités des civilizations. Paris: Minuit 1969, p. 130.<br />
14 Taro Okamoto: Okinawa Bunkaron. Wasurerareta Nihon<br />
(Okinawan Culture: Forgotten Japan). Tokyo: Chuo Koronsha<br />
1961; Chuko Bunko paperback edition 1996, pp. 40–41.<br />
15 Taro Okamoto, Okinawa Bunkaron, paperback edition<br />
pp. 168–70.<br />
16 Roland Barthes: L‘Empire des signes. Geneve 1970. Quoted<br />
from English translation by Richard Howard (The Empire of Signs.<br />
New York: Hill and Wang 1983, p. 4.).<br />
17 Perhaps foremost among these is Gayatori C. Spivak:<br />
A Critique of Postcolonial Reason. Nibuya Takashi’s stimulating<br />
Mukanshin no Koi (Disinterested Love) in Gendai Shiso: Roland<br />
Barthes special issue (Dec. 2003), pp. 124–134 sharply criticized<br />
these kinds of “postcolonialist” critique of Orientalism.<br />
18 Roland Barthes, L‘Empire des signes.<br />
19 “Ainsi”, translated as “thus”. In Okinawa, Taro Okamoto frequently<br />
uses expressions like “that‘s it” or “just there” when faced<br />
with the immediacy of new experiences.<br />
20 Trinh T. Minh-ha: The Fourth Dimension (Japan-USA, 2001)<br />
digital video. 86:40 mins. Directed by Trinh T. Minh-ha. Produced<br />
by Jean-Paul Bourdier and Trinh T. Minh-ha. Japan premiere at<br />
Kyoto Biennale, October 2003.<br />
21 From Trinh T. Minh-ha‘s script for The Fourth Dimension.<br />
22 Trinh T. Minh-ha: Holes in the Sound Wall. When the Moon<br />
Waxes Red. New York: Routledge 1991, p. 302. Also included in<br />
this book is a stimulating refutation of Barthes from Trinh‘s<br />
“fourth dimension” perspectives entitled The Plural Void: Barthes<br />
and Asia.
Krystyna Wilkoszewska<br />
Auf der Reise mit Künstlern durch Zeit und Raum<br />
A Journey with Artists Through Time and Space
1 Versucht man für die drei Begriffe Perzeption, Zeit und<br />
Erinnerung, die der Ausstellung ihre Struktur vorgeben, einen<br />
gemeinsamen Nenner zu finden, kommt einem die Reise vielleicht<br />
in den Sinn. Reisen verlaufen durch Zeit und Raum;<br />
beschreitet man neues, unbekanntes Terrain, schärft sich die<br />
Wahrnehmung; selbst entdeckte Orte und Erlebnisse prägen<br />
sich dem Gedächtnis ungewöhnlich tief ein und formen unsere<br />
Persönlichkeit. Wir reisen zu Fuß, zu Pferd, auf dem Wasserweg,<br />
mit Zug und Auto, reisen durch die Lüfte und das All.<br />
Deshalb ist das Auf-Reise-Sein, der „homo viator“, seit Anbeginn<br />
der Menschheit ein wichtiges Merkmal der Conditio humana.<br />
Eine Sonderstellung unter den Reisenden nehmen die Künstler<br />
ein. Sie reisen nicht um ihrer selbst willen, sondern für ihre<br />
Kunst. Häufig beschreiten sie gerade aufgrund ihrer Reisen künstlerisches<br />
Neuland, weil die Spannung, die durch die Erfahrung<br />
bisher unbekannter zeitlicher und räumlicher Dimensionen<br />
erzeugt wird, Energien freisetzt, die am besten im wirklich kreativen<br />
Prozess der Konfrontation mit der künstlerischen Materie<br />
zum Ausdruck kommen.<br />
Japanische Künstler reisen seit langem. Der berühmte Poet<br />
Ki-no Tsurayuki aus dem 10. Jahrhundert, Autor der ersten<br />
Theorie der japanischen Poesie, schrieb nach seiner Rückkehr<br />
von einer Schiffsreise Tosa nikki (Das Tagebuch aus Tosa), in<br />
dem sich der Dichter hinter einem weiblichen Erzähler versteckte.<br />
Er begründet damit das literarische Genre des „nikki“, einer Art<br />
Reisetagebuch oder -erinnerungen, in denen abwechselnd von<br />
Ereignissen berichtet, Gedichte zitiert und Überlegungen zur<br />
Poetik angestellt werden. Im 17. Jahrhundert knüpfte der berühmte<br />
Dichter Matsuo Basho, der für seine Verdienste um das<br />
17-silbige Haiku-Gedicht, das als Quintessenz der japanischen<br />
Ästhetik gilt, den Beinamen „der Unsterbliche“ verliehen bekam,<br />
ganz bewusst an die Tradition des Wanderdichters an und<br />
unternahm einige Reisen, die auch in Tagebuchform festgehalten<br />
wurden. Sie dienten allein dem Zweck, das Wesen der Reise<br />
kennen zu lernen. „Basho merkte, dass die Zeit gekommen<br />
war, einen neuen Stil zu entwickeln, und er wusste, dass er sich<br />
am besten darauf vorbereitete, indem er Edo verließ und auf<br />
der Suche nach Inspiration die Provinz bereiste.“1<br />
Bashos Reisetagebücher enthalten Naturbeschreibungen, Berichte<br />
von Begegnungen und Gesprächen, aber auch Gedichte,<br />
in denen die originelle Beschreibung der Welt auf die Intensität<br />
der Empfindungen in der neuen Umgebung schließen lässt.<br />
Ein Beispiel:<br />
Krystyna Wilkoszewska 74 75<br />
1 In search of a single term that links the three concepts –<br />
perception, time and memory – on which this exhibition<br />
is based, the notion of a journey may come to mind.<br />
Journeys traverse space and time, while entering new,<br />
unknown territory sharpens our sense of perception;<br />
places that we discover or events that we experience<br />
root themselves more strongly in our memory, and<br />
become integral to our personalities. We travel on foot,<br />
by horse, over water, by train and car, voyage by air and<br />
into space. That is why being-on-the-way, “homo viator”,<br />
has been such an important characteristic of the human<br />
condition from the very beginning of humanity itself.<br />
Artists play an exceptional role among travellers. They<br />
do not travel for their own sake, but for their art. Indeed,<br />
it is because of their journeys that they frequently attain<br />
new paths of creation, for the tension generated by the<br />
experience of hitherto uncharted dimensions of space and<br />
time releases energy which is best expressed in the truly<br />
creative process of the struggle with artistic material.<br />
Japanese artists have been travelling for a long time.<br />
On his return from a sea voyage, the founder of the first<br />
Japanese poetic theory, the renowned tenth-century<br />
poet Ki-no Tsurayuki, wrote Tosa nikki (The Tosa Diary),<br />
hiding behind the figure of a female narrator. With this<br />
he founded the literary genre of the “nikki”, a travel<br />
diary or travel reminiscences in which descriptions of<br />
events are interwoven with quotations from poems and<br />
reflections on the principles of writing and evaluations<br />
of poetry. The outstanding seventeenth-century poet<br />
Matsuo Basho, awarded the epithet “immortal” for his<br />
achievements in the development of the 17-syllable<br />
haiku poem, which is regarded as the quintessence of<br />
the Japanese aesthetic, consciously adopted the role<br />
of the wandering bard and undertook several journeys<br />
that were then also recorded in the form of a diary.<br />
They had no other aim than a desire to understand the<br />
very essence of the journey. “Basho felt that the time<br />
had come to create a new style and that the most effective<br />
preparation was to leave Edo and travel through<br />
the countryside for inspiration.”1 Basho’s travel diaries<br />
contain descriptions of nature, meetings and conversations,<br />
but also poems in which the world is depicted with<br />
a freshness that indicates the intensity of his impressions<br />
in the new environment. Here is one example:
Nozarashi wo Knochen liegen auf dem Feld –<br />
Kokoro ni kaze no Beim Gedanken beißt<br />
Shimu mi kana mir der Wind ins Fleisch!<br />
Zu jenen Zeiten war die Dichtung eine der ersten Künste;<br />
in den Tagebüchern wurde sie mit Prosa verbunden. Sie wurde<br />
aber auch mit Bildern verknüpft, denn sowohl die alte chinesische<br />
wie auch die japanische Tradition betrachten Wort und<br />
Bild als komplementäre Ausdrucksformen. Haiga ist ein Haiku,<br />
das durch eine gezeichnete Skizze ergänzt wird. Aber selbst<br />
ohne Zeichnung ist das Haiku an sich eher ein Bild denn Literatur.<br />
So wie das in Europa wohl bekannteste Haiku:<br />
Der alte Teich.<br />
Ein Frosch springt hinein –<br />
Das Geräusch des Wassers.<br />
Verlangt das vom Poeten festgehaltene und aus dem Kontext<br />
herausgelöste Ereignis in der Natur nicht nach einem Bild? Ist<br />
das Platschen des Wassers, das die Stille durchbricht, nicht mit<br />
dem Aufleuchten eines Blitzlichts im Halbdunkel des alten Teichs<br />
identisch?<br />
Mit dem Beginn der Postmoderne geht das Zeitalter des Wortes<br />
seinem Ende entgegen, und Schlüssel zur Wirklichkeit sind<br />
technische und elektronische Geräte. Das Bild als Vermittler<br />
zwischen dem Menschen und der Welt ist konkreter als das<br />
Wort und verlangt eine Intensivierung der Sinneswahrnehmung.<br />
2 Der zeitgenössische Künstler reist ebenso wie seine Vorgänger<br />
vor Jahrhunderten, doch statt der Feder für das Tagebuch<br />
nimmt er weit häufiger einen Fotoapparat mit. Er ist nicht mehr<br />
Dichter, sondern eher ein vielseitiger Künstler, und die Reisen<br />
führen ihn in verschiedene Regionen der Zeit und des Raums.<br />
Gelegentlich dringt ein japanischer Künstler, gleich einem Nomaden<br />
des ausgehenden 20. Jahrhunderts, in die tiefste Vergangenheit<br />
der frühjapanischen Kultur vor, wendet sich einer<br />
Epoche zu, die manchmal sogar mehr als 10.000 Jahre zurückliegt,<br />
in der Hoffnung, dass er im Rückgriff auf eine Zeit, in der<br />
die Kultur noch in ihren Kinderschuhen steckte, in der Rückbesinnung<br />
auf die ersten Gebilde der Schönheit und künstlerischen<br />
Phantasie, den Schlüssel zum Geheimnis der Schönheit<br />
findet. Die Schnurmuster-Keramiken (Jomon) – Gefäße und<br />
kleine Figuren aus dem 7. Jahrhundert v. Chr. – verblüffen durch<br />
ihren Formenreichtum und ihre Ausdruckskraft. Sie wurden aus<br />
Nozarashi wo Bones exposed in a field –<br />
Kokoro ni kaze no At the thought, how the wind<br />
Shimu mi kana Bites into my flesh!<br />
In those bygone days, poetry was one of the foremost<br />
art forms, while in the diaries it was combined with prose.<br />
It was also combined with pictures, since the old tradition<br />
in both Chinese and Japanese culture considered word<br />
and image to be complementary forms of expression.<br />
A haiga is a haiku that is supplemented by a sketch. But<br />
even without the drawing, the haiku alone is more like<br />
an image than a piece of literature. Like this one, the bestknown<br />
haiku in Europe:<br />
The old pond<br />
A frog jumps in –<br />
The sound of water.<br />
Doesn’t this natural event, captured and singled out by<br />
the poet, demand a picture? Isn’t the splash of the<br />
water – piercing the silence – identical to the flash of a<br />
camera in the semi-darkness of the old pond?<br />
The age of postmodernism signifies the end of the epoch<br />
of the word, and technical and electronic appliances<br />
have become the key to reality. The image, as a means<br />
of mediation between human beings and the world, is<br />
more concrete than the word and demands a more<br />
intense sensory perception.<br />
2 Just like his predecessor, the contemporary artist still<br />
travels, but instead of a quill for writing his diary, he more<br />
often carries a camera. He is no longer a poet but rather<br />
a multifaceted artist, and he is headed for various regions<br />
of space-time. Sometimes, a Japanese artist, like a nomad<br />
at the end of the twentieth century, plunges into the most<br />
distant epoch of pre-Japanese culture, turns his attention<br />
to an era that might lie more than 10,000 year s in the<br />
past, in the hope that reaching back to an age in which<br />
the culture was still in its infancy, to the first works of<br />
beauty and the creative imagination, will give him the key<br />
to understanding the mysteries of the beauty contained<br />
within it. The rope pattern ceramics (jomon) that have<br />
been excavated and include vessels and figures dating<br />
from 7 B.C., are astounding in the richness of their form<br />
and their expressiveness. They were formed from dark
Fig. 1 Taro Okamoto,<br />
Jomon-Keramik (Detail),<br />
Ausgrabung in Toyama.<br />
University of Tokyo,<br />
Anthropologie Abt., 1956<br />
Fig. 1 Taro Okamoto,<br />
Jomon period jar,<br />
excavated in Toyama.<br />
University of Tokyo,<br />
Anthropology Dept, 1956<br />
dunkelgrauem Lehm mit der Hand geformt und waren mit<br />
Verzierungen bedeckt, die man mit einer Schnur oder einem<br />
Stock, um den eine Schnur gewickelt war, eingedrückt hatte.<br />
Dabei entstand eine unregelmäßige Zeichnung von abwechselnd<br />
nach außen und innen gewölbten Formen, außerordentlich<br />
dynamische Formen, die Elemente einer naturverbundenen<br />
Symbolik waren. Obwohl wir die Bedeutungen der Symbole nicht<br />
kennen, kann es keinen Zweifel geben, dass Jägervölker die<br />
Schnurmuster-Keramiken im Gefühl der Einheit mit der Natur<br />
schufen, die als wohlgesonnene, von Geistern bevölkerte<br />
Sphäre wahrgenommen wurde.<br />
Taro Okamoto bezeichnet die Jomon-Frühkultur als „vierte<br />
Dimension”. Und obwohl heutzutage die Zeit als vierte Dimension<br />
gilt, geht es Okamoto eher um eine zeitlose Realität – um die<br />
von Geistern bevölkerte übernatürliche Sphäre. Der Verlust des<br />
religiösen Volksglaubens durch den modernen Menschen und<br />
damit auch die Fähigkeit, „mit der vierten Dimension zu kommunizieren”,<br />
hat zur Folge, dass der Künstler, den dieser Zustand<br />
beunruhigt, mit einer Kamera ausgerüstet seine Reisen dokumentiert<br />
und auf diese Weise eine moderne Form des „nikki“ oder<br />
„emaki“, d. h. eine illustrierte Geschichte, schafft, in der wie früher<br />
Wörter und Bilder sich vermischen, nur dass Letztere jetzt Fotografien<br />
sind.<br />
Kann die Fotografie aber die vierte Dimension zeigen? Kann<br />
sie das Unsichtbare sichtbar machen? Seit Menschengedenken<br />
versucht die Kunst, die geistige Wirklichkeit zu erreichen und<br />
das zu zeigen, was der Perzeption unzugänglich ist. Dieses<br />
uralte Problem der Kunst – auch der christlichen Kunst – wurde<br />
allgemein durch die Idee des Symbols gelöst, bei dem das sinnlich<br />
erfahrbare künstlerische Gebilde zu einem Zeichen wird,<br />
das sich selbst transzendiert, auf eine Wirklichkeit verweist, die<br />
den Sinnen unzugänglich ist.<br />
Die Literatur, in der das Wort stets auf eine Bedeutung verweist,<br />
eignet sich wesentlich besser, das mitzuteilen, was unsichtbar<br />
ist. Vielleicht stützt sich Okamoto deshalb auf das Wort. Ähnlich<br />
wie Takuma Nakahira, ein anderer durch Okinawa reisender<br />
Künstler, der die Beschränktheit des Fotoapparats (die Grenzen<br />
seiner Möglichkeiten) kennen gelernt hat, der nicht in der Lage<br />
ist, die hinter den Erscheinungen verborgene vierte Dimension<br />
festzuhalten – die man doch fühlen kann. In Europa sprechen<br />
wir vom Streben nach dem absoluten Sein. Im Osten bezeichnet<br />
man diese Dimension gewöhnlich als Leere.<br />
Heute wie früher scheint die Dynamik der japanischen Kunst<br />
das Ergebnis der steten Spannung zwischen der erfahrbaren<br />
Welt zeitlicher Erscheinungen und der „sich ausbreitenden“, nicht<br />
artikulierten, doch vergegenwärtigten Leere zu sein.<br />
Fig. 2 Taro Okamoto,<br />
Jomon-Tonfigur, 1956<br />
Fig. 2 Taro Okamoto,<br />
Jomon period clay<br />
figurine, 1956<br />
Krystyna Wilkoszewska 76 77<br />
green clay by hand, and decorated with the help of a<br />
cord or a stick with a cord wound around it. This gave<br />
rise to irregular patterns of protrusions and indentations,<br />
an exceptionally dynamic form laden with naturalistic<br />
symbolism. Although the meaning of the symbols remains<br />
unknown to us, there is no doubt that the rope pattern<br />
ceramics came into being as a result of the hunter peoples’<br />
sense of unity with nature, perceived as a benign realm<br />
overflowing with spirits.<br />
Taro Okamoto uses the term “fourth dimension” to<br />
describe the jomon culture. And although nowadays it<br />
is “time” that is understood to be the fourth dimension,<br />
Okamoto is probably thinking more of a timeless reality –<br />
the supernatural sphere that is peopled by spirits. An<br />
artist alarmed by contemporary man‘s loss of religious<br />
belief and his resulting inability to “enter into conversation<br />
with the fourth dimension” equips himself with a camera,<br />
documents his journeys and creates a modern form of<br />
the “nikki”, or “emaki”, i.e. an illustrated story, so that just<br />
as before, the words are interspersed with pictures, only<br />
now these are in the form of photographs.<br />
But can a photograph reveal the fourth dimension? Can<br />
it render the invisible visible? From time immemorial, art<br />
has wished to capture spiritual reality and manifest that<br />
which is inaccessible to the senses. This, the eternal<br />
problem of art, including Christian art, was universally<br />
solved by the concept of the symbol, which turns a sensorily<br />
accessible artistic creation into a sign that refers<br />
outside itself, to a reality inaccessible to the senses.<br />
Literature, where the word always refers to a meaning,<br />
is more suited to communicating the invisible. Perhaps<br />
that is why Okamoto utilises the word, as did Takuma<br />
Nakahira, another artist who travelled in the Okinawa<br />
region and came face to face with the powerlessness of<br />
the camera (the limit of its possibilities), unable as it is to<br />
capture the presence of the fourth dimension – although<br />
it can be felt – concealed behind phenomena. In Europe,<br />
we speak of striving for the absolute. In the East, this<br />
dimension is commonly described as emptiness.<br />
The dynamism of Japanese art, both past and present,<br />
appears to result from a permanent tension between the<br />
experienceable world of phenomena bound in time and<br />
the “spread” of an unarticulated but nonetheless manifested<br />
emptiness.<br />
We return once more to the haiku. An everyday occurrence,<br />
such as a frog hopping into the water, reveals the
Kehren wir noch einmal zum Haiku zurück. Ein bestimmtes<br />
gewöhnliches Ereignis wie z. B. der ins Wasser hüpfende Frosch<br />
offenbart in einem plötzlichen Aufblitzen (das Platschen des<br />
Wassers) die zeitlose Dimension der Natur. Zur Beschreibung<br />
der beiden aufeinander folgenden Momente führte Basho die<br />
Begriffe „fueki“ und „ryuko“ ein, die sich gegenseitig bedingen,<br />
wobei der erste die metaphysische Grundlage des zweiten und<br />
zugleich dessen Ausdruck ist. Der berühmte japanische Denker<br />
Toshihiko Izutsu schrieb: „Die gesamte Struktur des Haiku ist<br />
jedoch so angelegt: Je stärker das Moment der phänomenalen<br />
Inkonsistenz (ryuko) zum Ausdruck kommt, desto erhabener<br />
und intensiver ist das versteckte Potenzial der nicht-phänomenalen<br />
Konstanz (fueki).”2<br />
Die Vergegenwärtigung einer nicht-zeitlichen „nicht-phänomenalen<br />
Konstanz“ in einer zeitlichen Kunst wie der Poesie ist beim<br />
Haiku aufgrund seiner ungewöhnlich kurzen, auf 17 Silben<br />
begrenzten Form möglich. Dank dieser Kürze wird die Linearität<br />
der Sprache verneint und an ihrer Stelle breitet sich ein Feld von<br />
Bedeutungsassoziationen aus. Beim Haiku wird das Bemühen<br />
sichtbar, den temporalen Charakter des Mediums (Wortfolge)<br />
zu verlassen, um eine räumliche Dimension zu gewinnen (semantisches<br />
Assoziationsfeld). Um „fueki“ auszudrücken, eignet sich<br />
die Raummetapher viel besser als die Zeitmetapher, die zum<br />
„ryuko“ gehört, d. h. zur Sphäre der vergänglichen Erscheinungen.<br />
Der metaphysische Hintergrund der japanischen Ästhetik<br />
erstreckt sich, nach Ansicht von Izutsu, von der Zeitlichkeit,<br />
Zerbrechlichkeit und Vergänglichkeit der Welt der Erscheinungen<br />
bis zur ausgedehnten Unendlichkeit der außerphänomenalen<br />
Welt des Nichts. Letzten Endes bergen fast alle Künste (Poesie,<br />
Theater, Teekunst, aber auch andere), ähnlich wie die grundlegenden<br />
ästhetischen Kategorien (z.B. „yugen“), das Bestreben<br />
in sich, zu jener Wirklichkeit vorzudringen, die außerhalb der<br />
menschlichen Existenz und der Welt der Dinge liegt. Dieses<br />
Streben kann dann realisiert werden, wenn die Vergänglichkeit<br />
der Erscheinungen in ihrer sinnlichsten Form sich mit der<br />
Dimension vermischt, die als unveränderlich, dauerhaft und<br />
zeitlos charakterisiert wird.<br />
3 Die hier vorgestellte, religiös inspirierte Weltanschauung, die<br />
die japanische Ästhetik kennzeichnet, beschreibt zugleich ihr<br />
spezifisches Verhältnis zur Natur. Recht häufig wird gesagt, dass<br />
der Japaner ein inniges Verhältnis und eine große Nähe zur Natur<br />
habe, und dieses harmonische Miteinander scheint die Quintessenz<br />
des Japanischen zu sein. Masaharu Anesaki schreibt:<br />
„Sowohl der Buddhismus als auch der Shintoismus lehrt, dass<br />
timeless dimension of nature in a sudden burst (the splash<br />
of the water). To describe both the moments that followed,<br />
Basho introduced the terms “fueki” and “ryuko”, which<br />
qualify each other, with the first becoming the metaphysical<br />
basis of the second as its expression. The outstanding<br />
Japanese philosopher Toshihiko Izutsu wrote:<br />
“The whole structure of haiku is, however, so made that<br />
the stronger the momentum of phenomenal transiency<br />
(ryuko) expressed, the more elevated and intensified is the<br />
hidden potential of non-phenomenal constancy (fueki).”2<br />
The revealing of a timeless “non-phenomenal constancy”<br />
in the temporal art of poetry is made possible by the<br />
unusually short form of the haiku, limited as it is to 17<br />
syllables. This brevity negates the linear essence of<br />
language, and in its place fields of associative meanings<br />
spread out. With the haiku, we see the efforts made to<br />
leave the temporal character of the medium (sequence<br />
of words) with the aim of attaining a spatial dimension<br />
(associative semantic fields). Metaphors of space are far<br />
better suited to the expression of “fueki” than metaphors<br />
of time, which belong to “ryuko”, i.e. the sphere of transient<br />
phenomena.<br />
According to Izutsu, the metaphysical background of<br />
Japanese aesthetics stretches between the temporality,<br />
frailty and transience of the world of phenomena and<br />
the prolonged eternity of the non-phenomenal world<br />
of nihility. Almost all the arts (poetry, theatre, the art of<br />
teand others), just like the basic aesthetic categories<br />
such as “yugen”, ultimately aspire to attain a reality that<br />
lies outside human existence and the world of things.<br />
This aspiration will become realisable when the transience<br />
of phenomena in their most sensory form mingle with<br />
the dimension characterised as constant, permanent,<br />
and timeless.<br />
3 The religiously inspired “weltanschauung” that<br />
characterises the Japanese aesthetics presented here<br />
simultaneously determines its specific relation to nature.<br />
It is frequently said that the Japanese have an intimate<br />
relationship with nature and that this harmony of co<br />
existence forms the quintessence of “Japanese-ness”. As<br />
Masaharu Anesaki writes: “Both Buddhism and Shintoism<br />
teach that the things of nature are not essentially unlike
die Dinge der Natur sich nicht wesentlich von der Menschheit<br />
unterscheiden und dass sie mit einem Geist beseelt sind, der<br />
dem des Menschen ähnlich ist.”3<br />
Die essentielle Ähnlichkeit von Mensch und Natur manifestiert<br />
sich sowohl im emotionalen Bereich wie auch auf der existentiellen<br />
Ebene. Beide Sphären sind stark von der Ästhetik geprägt<br />
und stellen Motive dar, die in der Kunst stets präsent sind. Bei<br />
Ersterer tritt die ästhetische Kategorie „mono-no-aware“ in<br />
den Vordergrund, die ihre Entsprechung in unserem Begriff<br />
„lacrimae rerum“ („Die Dinge haben ihre Tränen”) hat, womit<br />
eine spezifische Empfindlichkeit der Gegenstände gemeint ist.<br />
Dabei werden Dinge oder Situationen, die von einer besonderen<br />
Gefühlsstimmung umgeben sind, durch das Mitfühlen erfahren,<br />
das dank der Ähnlichkeit der menschlichen Gefühle und der<br />
emotionalen Aura der Natur möglich ist. Da „mono-no-aware“<br />
eng verknüpft ist mit dem Nachdenken über die Unbeständigkeit<br />
und Flüchtigkeit sowohl der Erscheinungen der Natur als auch<br />
der menschlichen Existenz, ist es meistens, wenn auch nicht<br />
immer, gleichbedeutend mit einer wehmütigen und melancholischen<br />
Stimmung. Die Stimmung, dass alles vergänglich ist, die<br />
durch den Buddhismus gefestigt wurde, durchdringt die japanische<br />
Kunst und Ästhetik und bewirkt, dass die Erscheinungen<br />
nicht zur Zeit ihrer Fülle und Blütezeit, sondern während ihres<br />
Entstehens und Schwindens stark aufgewertet werden. Der<br />
Mönch Kenko, der im Mittelalter lebte, fragte in Tsurezuregusa<br />
(Essays über den Müßiggang): „Sollen wir die Kirschblüten nur<br />
betrachten, wenn sie in voller Blüte stehen, den Mond nur dann,<br />
wenn es wolkenlos ist?” Und er antwortete: „Zweige, die am<br />
Erblühen sind, oder Gärten, in denen verwelkte Blüten verstreut<br />
sind, verdienen eher unsere Bewunderung.“4<br />
Im gleichen Sinne äußert sich der zeitgenössische Maler<br />
Higashiyama Kaii: „Die Blumen schauen zum Mond hinauf. Der<br />
Mond schaut auf die Blumen... Das nennt man wohl eine Begegnung.<br />
Blumen stehen nur eine kurze Zeit in ihrer vollen<br />
Blüte und es ist sehr schwierig für sie, dem Mond zu begegnen.<br />
Zudem ist Vollmond nur diese eine Nacht. Falls es wolkig ist<br />
oder regnet, sehen wir ihn nicht. Außerdem muss ich da sein, um<br />
es zu beobachten... Wenn Blumen die ganze Zeit in voller Blüte<br />
ständen und wir für immer existierten, wären wir von dieser<br />
Begegnung nicht gerührt. Blüten stellen ihre Lebensglut zur<br />
Schau, indem sie zu Boden fallen.”5<br />
Was will uns Yoshihiro Suda mit seiner künstlichen Rose sagen,<br />
deren Blütenblätter „zu Boden fallen“? Dass von der Vergänglichkeit<br />
lebende wie tote Dinge betroffen sind? Vielleicht wollte<br />
er aber – wie das japanische Künstler seit Jahrhunderten,<br />
Krystyna Wilkoszewska 78 79<br />
mankind, and that they are endowed with spirits similar<br />
to those of men.”3<br />
The fundamental similarity between humans and nature<br />
manifests itself both in the emotional sphere and at the<br />
existential level. Both are strongly marked by the aesthetic<br />
and form motifs that are always present in art. In the case<br />
of the former, the aesthetic category “mono-no-aware”<br />
comes to the fore, corresponding to our concept of<br />
“lacrimae rerum” (“tears of things”), i.e. the singular sensitivity<br />
of objects. This concerns a special emotional mood<br />
that surrounds things or situations whose experience is<br />
based on empathy, made possible by the similarity of<br />
human emotion to the emotional aura of nature. For the<br />
most part, although not always, “mono-no-aware” denotes<br />
a mood of sadness and melancholy that results from<br />
rumination on the transience both of the phenomena of<br />
nature and of human existence. The idea of everything’s<br />
transience that is established in Buddhism permeates<br />
Japanese art and aesthetics, and gives rise to a higher<br />
estimation of phenomena during their rise and fall than<br />
at the time of their full bloom. Kenko, a monk in the<br />
Middle Ages, asked in Tsurezuregusa (Essays in Idleness):<br />
“Are we to look at cherry blossoms only in full bloom,<br />
the moon only when it is cloudless?” And answered:<br />
“Branches about to blossom or gardens strewn with faded<br />
flowers are worthier of our admiration.”4<br />
The painter Higashiyama Kaii, a contemporary, said in<br />
the same spirit: “Flowers look up at the moon. The moon<br />
looks at the flowers... This must be what is called an<br />
encounter. Flowers stay in their fullest bloom only for a<br />
short period of time and it is very difficult for them to<br />
encounter the moon. Moreover, the full moon is only for<br />
this one night. If cloudy or rainy, this view cannot be seen.<br />
Furthermore, I must be there to watch it...<br />
If flowers are in full bloom all the time and if we exist<br />
forever, we won’t be moved by this encounter. Flowers<br />
exhibit their glow of life by falling to the ground.”5<br />
What does Yoshihiro Suda want to tell us with his artificial<br />
rose, whose petals “fall on the ground”? That transience<br />
affects both things that are alive and lifeless? Or perhaps<br />
he wanted – as Japanese artists have done for centuries,<br />
starting with the tenth-century Murasaki Shikibu who<br />
wrote Genji monogatari, or Sei Shonagon, the author of<br />
Makura no soshi – to evoke in us the singular mood of<br />
sadness and melancholy “mono-no-aware”, in which the
Fig. 3 Yoshihiro Suda,<br />
Weeds, 2004<br />
bemaltes Holz<br />
Fig. 3 Yoshihiro Suda,<br />
Weeds, 2004<br />
painted wood<br />
angefangen von Murasaki Shikibu, der Autorin von Genji monogatari,<br />
und Sei Shonagon, der Autorin von Makura no soshi, die<br />
beide im 10. Jahrhundert lebten, zu tun pflegen – in uns diese<br />
eigentümlich wehmütige und melancholische Stimmung „monono-aware“<br />
hervorrufen, bei der die Gegenstände der uns umgebenden<br />
Welt den Menschen in einen kontemplativen Zustand<br />
versetzen, in dem die Vergangenheit (Erinnerung) vergegenwärtigt<br />
und in der Psyche die Bindung zum zyklischen Zeitverlauf,<br />
zu den Jahreszeiten und den damit verbundenen<br />
Ritualen unterbrochen wird, und bei dem „mujokan“ – die<br />
Unbeständigkeit an sich als fundamentale Qualität des Seins –<br />
zum Gegenstand der Kontemplation wird.<br />
An dieser Stelle zwei Zitate von Sei Shonagon: „Ich mag es, wenn<br />
die Sonne am Frühlingshimmel klar und ruhig scheint. Das ist<br />
die Zeit, wenn die Pfirsichbäume erblühen, welch ein Anblick!<br />
Auch die Weiden sind zu dieser Jahreszeit so bezaubernd wie nie,<br />
mit Knospen, die noch eingeschlossen sind wie Seidenraupen<br />
in ihren Kokons. Nachdem die Bäume Blätter ausgetrieben<br />
haben, finde ich sie nicht mehr anziehend, im Grunde verlieren<br />
alle Bäume ihren Reiz, sobald die Blüten angefangen haben<br />
sich zu verstreuen”.6<br />
„Ich mag den Klang der Flöte: er ist wunderschön, wenn man<br />
ihn langsam aus der Ferne näher kommen hört, gleichfalls, wenn<br />
sie in der Nähe gespielt wird und der Klang sich dann entfernt,<br />
bis er kaum noch zu vernehmen ist”.7<br />
Die Schönheit der Welt offenbart sich im Prozess des Entstehens<br />
und Entschwindens und nicht im Kulminationspunkt, wie es die<br />
traditionelle europäische Ästhetik möchte. Dem westlichen Grundsatz<br />
der ästhetischen Ökonomie, der Einheit in der Vielheit, wo<br />
nichts hinzugefügt oder weggenommen werden kann, ohne dass<br />
die ästhetische Vollkommenheit gestört wird, setzt Japan eine<br />
Ästhetik der Suggestion, der Andeutung und der Unabgeschlossenheit<br />
entgegen, die dem Rezipienten Platz lässt, etwas hinzuzufügen.<br />
Begünstigt wird eine solche Ästhetik in der Literatur<br />
allein schon durch die Sprache, die auf der Satzebene weder<br />
über eine klare Subjektkategorie verfügt noch zwischen Einzahl<br />
und Mehrzahl unterscheidet; in der Architektur durch das Verwerfen<br />
der Symmetrie, was ein ständiges Anbauen bzw., im<br />
System beweglicher Wände, ein beliebiges Verfügen über den<br />
Raum ermöglicht; in der Malerei dadurch, dass man auf dem Bild<br />
einen leeren Fleck lässt. Und obwohl die Japaner viel aus China<br />
übernommen haben, ist die hier beschriebene Qualität der<br />
Ästhetik ihr eigener Beitrag.<br />
Fig. 4 Yoshihiro Suda,<br />
Magnolia Flower, 2000<br />
bemaltes Holz<br />
Fig. 4 Yoshihiro Suda,<br />
Magnolia Flower, 2000<br />
painted wood<br />
objects of the world around us bring humans into a state<br />
of contemplation in which the past (memory) is revealed<br />
and in which the ties to the cyclical passing of time, to the<br />
seasons and to the rituals that accompany these seasons<br />
in the psyche are severed and in which the “mujokan” –<br />
transience itself as the basic quality of being – becomes<br />
the object of contemplation.<br />
Here are two quotes from Sei Shonagon: “I like to see<br />
the sun shining bright and calm in the spring sky. Now is<br />
the time when the peach trees come into bloom, and<br />
what a sight it is! The willows too are most charming at<br />
this season, with the buds still enclosed like silkworms<br />
in their cocoons. After the leaves have spread out, I find<br />
them unattractive; in fact all trees lose their charm once<br />
the blossoms have begun to scatter.”6<br />
“I like the sound of the flute: it is beautiful when one<br />
hears it gradually approaching from the distance, and<br />
also when it is played near by and then moves further<br />
away until it becomes very faint.”7<br />
The world’s beauty reveals itself in the process of rise and<br />
fall and not, as the traditional European aesthetic would<br />
have it, at the point of culmination. Japanese culture<br />
counters the Western principle of aesthetic economy, unity<br />
in multitude, which admits additions or diminutions only<br />
at the risk of disturbing aesthetic perfection, with one of<br />
allusion, obliqueness and incompleteness, always leaving<br />
room for the recipient to add something. In literature, this<br />
aesthetic is aided by a language that neither possesses<br />
a clear subject category in each sentence nor differentiates<br />
between singular and plural; in architecture, it is<br />
aided by the rejection of symmetry, which allows constant<br />
additions to the building as well as free use of space via<br />
a system of moveable walls; and in painting, by the<br />
inclusion of empty space. And although the Japanese<br />
have adopted much from the Chinese, the quality of the<br />
aesthetic outlined here is their own contribution.<br />
4 A perfect example of the use of process to articulate<br />
the desire to reach awareness of emptiness is the art of<br />
tea. “The tea ceremony developed as an art concealing<br />
art”8, wrote Donald Keene. The art of tea is rooted in<br />
everyday life – we are dealing here with the elevation of
4 Das Bestreben, die Leere durch die Artikulation eines Prozesses<br />
zu vergegenwärtigen, wird in der Teekunst vorbildlich<br />
verwirklicht. „Die Tee-Zeremonie entwickelte sich zu einer Kunst,<br />
die die Kunst verbirgt“8, schreibt Donald Keene. Die Teekunst<br />
entstammt dem Alltagsleben, wir haben es hier mit einer gewöhnlichen<br />
und praktischen Tätigkeit zu tun, die in den Rang einer<br />
Kunst mit einer ungewöhnlich raffinierten Ästhetik erhoben<br />
wurde. Nach ihrem Begründer Sen Rikyu stützt sich die Teekunst<br />
auf vier Grundsätze: Harmonie, Achtung, Reinheit und<br />
innere Ruhe. Es ist nicht leicht, sie zu verstehen, man kann sie<br />
sich nur in Form von sieben Regeln aneignen, indem man über<br />
Jahre hinweg die Teezeremonie zelebriert. Man sagt deshalb,<br />
dass Tee und Zen den gleichen Geschmack haben.<br />
Einst fragte ein Schüler den Meister Rikyu: Worauf beruht das<br />
Anrichten und Reichen des Tees? Sen Rikyu antwortete: „Mache<br />
eine köstliche Tasse Tee; schichte die Kohlen so, dass sie das<br />
Wasser erhitzen; arrangiere die Blumen wie auf dem Felde; im<br />
Sommer erwecke den Eindruck von Kühle, im Winter von Wärme;<br />
tue alles im Voraus; bereite dich auf Regen vor; und stelle dich<br />
auf deine Gäste ganz ein.“9<br />
Der Schüler, der so viel von den Geheimnissen der Zeremonie<br />
gehört hatte, quittierte die Antwort des Meisters enttäuscht mit<br />
einem „so viel weiß ich auch“. Daraufhin antwortete Sen Rikyu:<br />
„Deshalb bleibe ich dein Schüler.“<br />
Die Teekunst beruht darauf, dass man eine Schlichtheit und<br />
Natürlichkeit gerade dann erreicht, wenn man die Regeln strengstens<br />
befolgt. Spontaneität bedeutet nicht, dass man die Regeln<br />
verwirft, sondern ist die Meisterschaft ihrer Anwendung. Was bedeutet<br />
z. B. die Regel „arrangiere die Blumen wie auf dem Felde“?<br />
Erstens, nur manche Blumen eignen sich für das Teehaus,<br />
ungeeignet sind Blumen mit leuchtenden Farben und solche, die<br />
stark duften. Der Ausdruck „wie auf dem Felde“ ist keine Lizenz<br />
zur Unordnung, sondern meint eher die Notwendigkeit, mit<br />
einem Blümchen den ganzen Reichtum einer blühenden Wiese<br />
auszudrücken, die besondere Schönheit ans Licht zu bringen,<br />
die allen Blumen eigen ist, die Schönheit der Vergänglichkeit,<br />
denn die Zeit des Blühens ist so kurz. Deshalb schätzte Rikyu<br />
die Kamelie am meisten, die sofort nach ihrem Erblühen verwelkt.<br />
„Chabana“ ist nach den schriftlich überlieferten Kompositionsregeln<br />
der klassischen Teekunst eine einzelne Chrysantheme<br />
in einem breiten Gefäß, ein weißer Pfirsichstrauß in einem Blumenkorb,<br />
eine Schwertlilie in einem Bambusgefäß. Die Blumen<br />
wie auf dem Felde arrangieren heißt nicht, die Natur einfach<br />
nachzuahmen, sondern die Regeln anzuwenden und anschlie-<br />
Krystyna Wilkoszewska 80 81<br />
an ordinary and practical activity to an art form with an<br />
unusually refined aesthetic. According to its creator, Sen<br />
Rikyu, the art of tea is based on four principles: harmony,<br />
respect, purity and tranquillity. It is not easy to understand<br />
them; one can only acquire them in the form of<br />
seven rules, by celebrating the tea ceremony for a number<br />
of years. It is for this reason that people say tea and zen<br />
have the same taste.<br />
A pupil once asked Master Rikyu: How should tea be prepared<br />
and poured? Sen Rikyu answered: “Make a delicious<br />
bowl of tea; lay the charcoal so that it heats the water;<br />
arrange the flowers as they are in the field; in summer<br />
suggest coolness, in winter, warmth; do everything ahead<br />
of time; prepare for rain; and give those with whom you<br />
find yourself every consideration.”9<br />
The pupil, who had heard this much about the secrets<br />
of the ceremony, disappointedly replied to the master’s<br />
answer thus: “I already knew that much...”. To which<br />
Sen Rikyu answered: “That is why I remain your pupil.”<br />
The art of tea consists in attaining simplicity and naturalness<br />
precisely through strict adherence to rules. Spontaneity<br />
does not denote a rejection of the rules, but rather<br />
their skilled application. What, for example, does the rule<br />
“arrange the flowers as they are in the field” mean?<br />
First of all, only some flowers are suitable for the tea<br />
house, and those which are of too intense a colour or<br />
scent are excluded. The expression “as they are in the<br />
field” does not sanction disorder but rather signifies the<br />
need to express the richness of an entire field in bloom<br />
through one small flower, the extraction of the unique<br />
beauty that all flowers possess, a transient beauty, since<br />
the blossom lasts for such a short time. It was for this<br />
reason that Rikyu so highly valued the camellia flower<br />
that wilts immediately after blooming. “Chabana”, accord-<br />
Ing to the written principles of composition in the classics<br />
of tea, is composed as follows: a single chrysanthemum<br />
in a wide vessel, a white peach bouquet in a flower<br />
basket, and one iris in a bamboo receptacle.<br />
The ability to arrange the flowers as they are in the field<br />
does not imply a mere imitation of nature, but rather that<br />
one knows how to apply the rules and then, by bringing<br />
one’s own spirit and emotion into play, to overstep them.<br />
The concept of “kokoro ire” is important here, where the
Fig. 5 Miwa Yanagi,<br />
Untitled 1, 2004<br />
Gelatine-Silber-Print<br />
140 × 100 cm<br />
Fig. 5 Miwa Yanagi,<br />
Untitled 1, 2004<br />
Gelatine silver print<br />
140 × 100 cm<br />
ßend, indem man seinen Geist und seine Gefühle einfließen<br />
lässt, sie zu übertreten. Wichtig ist hier der Begriff „kokoro ire“ –<br />
das erste Ideogramm bedeutet „Herz-Geist-Verstand“, das<br />
zweite „hineinlegen, hingeben“. Dieser Begriff bezieht sich auf<br />
sämtliche Regeln der Teezeremonie, der sich der Gastgeber<br />
ganz hingibt.<br />
Die Teezeremonie ist wie jedes Kunstwerk einmalig, ist jene eine,<br />
außergewöhnliche Begegnung. Sie verläuft in einem sorgfältig<br />
ausgearbeiteten ästhetischen Rahmen. Dazu gehört sowohl der<br />
Garten als auch der Pfad zum Teepavillon, die Architektur des<br />
Pavillons selbst sowie dessen Inneres, aber auch die Gefäße, in<br />
denen der Tee gereicht wird.<br />
Das Zerbrechliche und Vergängliche offenbart sich in der Teekunst<br />
bereits in der Einrichtung des Teepavillons. Aus kurzlebigen<br />
Materialien erbaut, macht er, bei gedämpftem Licht besehen,<br />
das durch die Leinwände der papierenen Fenster einfällt, einen<br />
ätherischen Eindruck. Das Häuschen, in dem der Teeraum untergebracht<br />
ist, wird „so-an“ genannt (eine strohgedeckte Hütte).<br />
In seiner ursprünglichen Bedeutung bezeichnet „so-an“ einen<br />
Unterschlupf für Reisende, die durch die wilde Natur wandern.<br />
Unmittelbar vor Einbruch der Nacht nahm er ein üppiges Büschel<br />
Schilf in die Hand, zog es zu sich und band es am oberen Ende<br />
zusammen. Auf diese Weise entstand ein Zelt, ein Unterschlupf<br />
aus Gras für eine Nacht, denn morgens, nachdem der Knoten<br />
gelöst worden war, kehrte das Schilf, ohne in der unberührten<br />
Natur eine Spur zu hinterlassen, wieder in seinen ursprünglichen<br />
Zustand zurück.<br />
Betrachten wir die Menschen-Zelte von Miwa Yanagi, kommt<br />
einem das Nachtquartier des Wanderers, das „so-an“ in den<br />
Sinn, wo wir es mit der Einheit des Menschen mit seiner Unterkunft<br />
zu tun haben, mit der Reduzierung des Wohnraumes auf<br />
das menschliche Körpermaß.<br />
Zur Ästhetik der Schlichtheit und Kargheit scheinen auch die<br />
Arbeiten von Tadashi Kawamata zu gehören, ein unvollendetes<br />
Projekt, das kurzlebige Materialien bevorzugt, die eine Vorläufigkeit<br />
und Vergänglichkeit „zulassen“. In vielen Metropolen der<br />
Welt, sowohl in New York wie auch in Tokio, trifft man, neben<br />
den großen Wolkenkratzern aus Stahlbeton mit ihren geometrischen<br />
Formen und ihrer leuchtenden Oberfläche, in den Unterführungen,<br />
Nebenstraßen, Grünanlagen und an den Flüssen<br />
auf die provisorischen, aus Kartons und Gerümpel gebauten<br />
Behausungen der Obdachlosen, die kurzlebig und der „Erde<br />
wohlgesinnt“ sind, ökologisch nichts anderes als ein Zelt aus<br />
Gras, „so-an“.<br />
Fig. 6 Miwa Yanagi,<br />
Untitled 2, 2004<br />
Gelatine-Silber-Print<br />
140 × 100 cm<br />
Fig. 6 Miwa Yanagi,<br />
Untitled 2, 2004<br />
Gelatine silver print<br />
140 × 100 cm<br />
first ideogram signifies “heart-spirit-mind” and the second<br />
“to put in, give away”. This concept pertains to all the<br />
rules of the tea ceremony in which the host shares all<br />
he has without reserve.<br />
The tea ceremony, like any other work of art, is a unique<br />
encounter. It takes place in a carefully prepared aesthetic<br />
setting. This includes the garden and the path to the tea<br />
pavilion, the architecture of the pavilion itself and the interior,<br />
as well as the receptacles in which the tea is served.<br />
The fragility and transience of the art of tea are already<br />
apparent in the design of the tea pavilion itself. Built<br />
of impermanent materials, perceived through the muted<br />
light that filters in through the screens of the paper<br />
windowpanes, it creates an impression of ethereality. The<br />
little building in which the tea house is situated is called<br />
“so-an” (a thatched roof hut). But the original meaning of<br />
the word “so-an” was a temporary refuge for the traveller<br />
wandering through the wilds of nature. Just before nightfall,<br />
he would grasp a handful of reeds, draw them towards<br />
him and bundle their tops into a knot. This formed a tent,<br />
a refuge for one night, for when the knot was untied the<br />
next morning, the reeds returned to their original state,<br />
leaving nature pure and unmarked.<br />
Observing Miwa Yanagi’s people-tents, one thinks of the<br />
wanderer’s lodging in the “so-an”, where we see the unity<br />
of man with his accommodation, where living space is<br />
contracted to the dimensions of the human body.<br />
The work of Tadashi Kawamata would also seem to incorporate<br />
the aesthetic of simplicity and sparseness, intentionally<br />
incomplete, favouring impermanent materials<br />
that “permit” temporariness and transience. In many of<br />
the world’s metropolises, in New York and Tokyo alike,<br />
the skyscrapers of reinforced concrete with their<br />
geometric forms and gleaming surfaces exist alongside<br />
the makeshift cardboard and junk shelters of the homeless<br />
in the subways, side streets, squares and along the<br />
rivers. Such shelters are impermanent and “friendly to the<br />
earth”, in an ecological sense nothing more than the tent<br />
of grass, the “so-an”.<br />
The aesthetic of transience, simplicity and sparseness<br />
that is inseparable from the art of tea is articulated with<br />
the assistance of the following concepts from Japanese<br />
aesthetics:
Die Ästhetik der Vergänglichkeit, Schlichtheit und Kargheit,<br />
die untrennbar mit der Teekunst verbunden ist, wird mit Hilfe<br />
einiger japanischer ästhetischer Begriffe beschrieben:<br />
„furyu“ – die Ideogramme des Wortes bedeuten nacheinander:<br />
Wind und fließen. Diese ästhetische Kategorie enthält eine<br />
spezifische Philosophie, die besagt, dass der menschliche Geist<br />
durch das Leben wie der Wind durch die Natur fließen soll. Dies<br />
wird dann erreicht, wenn wir uns auf das unbedingt Notwendige<br />
konzentrieren. Gleichzeitig verwirft „furyu“ die Idee der Vollkommenheit.<br />
„wabi“ und „sabi“ sind ästhetische und metaphysische Kategorien;<br />
der hoch geschätzte Zustand der Unvollkommenheit und<br />
Unabgeschlossenheit führt zu einer außerordentlichen Aufwertung<br />
der Kargheit und des Mangels.<br />
Im Essay Der Weg des Tees schrieb Toshihiko Izutsu: „wabi<br />
übte durch Gegenstände wie einem verwitterten Felsen, ein<br />
wettergegerbtes und gefasertes Stück Holz, ein Stück bunter<br />
Brokat, dessen Farben verblichen und verwaschen sind, eine<br />
solche Anziehungskraft auf den empfindsamen menschlichen<br />
Geist aus.“10<br />
Nach Izutsu beruht die Metaphysik von „wabi“ auf der steten<br />
Spannung zwischen Dasein und Nichtsein, zwischen dem<br />
Prozess des Tee-Servierens und -Trinkens und dem sich ausbreitenden<br />
Nichts. Deshalb hält Izutsu die Teekunst für „eine<br />
dynamische visuelle Kunst, die als Sonderform der räumlichen<br />
Kunst betrachtet werden könnte.”<br />
Wenn die Erscheinungen der Welt empirisch als aufeinander<br />
folgend erfahren werden, d. h. als sich in der Zeit entfaltend,<br />
dann erhalten wir ein bewusstes Bild von der Wirklichkeit als<br />
einer Vielzahl linearer und kausaler Beziehungen. Wenn wir<br />
jedoch an diese phänomenale Welt eine andersartige, z.B.<br />
räumliche Schablone anlegen, erhalten wir eine völlig andere<br />
Konfiguration der Wirklichkeit.<br />
„Es gibt zwei Hauptaspekte, die bei einem räumlichen, nichtzeitlichen<br />
Bild von der Wirklichkeit beachtet werden sollten.<br />
Erstens, anders als in der Wirklichkeit, die als empirisches Feld<br />
einer Kausalkette dargestellt wird, sollte es zwischen den Dingen<br />
und Ereignissen, die darin auftreten, kein Vorher und Nachher<br />
geben. Noch sollten dort Angelpunkte auftauchen, um die die<br />
Dinge und Ereignisse sich kristallisieren und drehen und durch<br />
die das Beziehungskontinuum der Koexistenz beendet wird.”11<br />
Beide Aspekte, eine fehlende zeitliche Ordnung, d. h. das Fehlen<br />
von Anfang und Ende sowie die fehlenden Kategorien von Zentrum<br />
und Peripherie, gehören zu den fundamentalen Theoremen<br />
Krystyna Wilkoszewska 82 83<br />
“furyu” – the ideograms of this word denote in turn wind<br />
and flow. There is a specific philosophy contained in this<br />
aesthetic category that postulates human souls should<br />
flow through life just like the wind flows through nature.<br />
We achieve this when we concentrate only on the indispensable.<br />
“Furyu” also rejects the idea of perfection.<br />
“wabi” and “sabi” – these are aesthetic-metaphysical<br />
categories, in which the states of imperfection and incompleteness<br />
are highly regarded, with the result that poverty<br />
and lack are viewed in an exceptionally positive light.<br />
In his essay The Way of Tea, Toshihiko Izutsu wrote:<br />
“such an alluring fascination was exercised upon the<br />
sensitive mind of the men of wabi by things like a weathered<br />
rock, a weatherworn and grainy piece of wood, a<br />
piece of old multi-coloured brocade with its colours now<br />
faded and subdued, etc.”10<br />
According to Izutsu, the metaphysics of the “wabi” are<br />
based on the constant tension between being and nonbeing,<br />
between the continuous event of serving and<br />
drinking tea and the approaching pervasion of nothingness.<br />
Izutsu therefore regards the art of tea as “a dynamic<br />
visual art which might be considered a particular genre<br />
of spatial art.”<br />
If all material phenomena are experienced empirically<br />
in turn, i.e. as unfolding in time, we receive a conscious<br />
image of reality as a series of linear and causal relations.<br />
If, on the other hand, we use another point of reference –<br />
for example, a spatial matrix – for the phenomenal<br />
world, we gain an entirely different configuration of reality.<br />
“There are two essential points to be observed in relation<br />
to this spatial, non-temporal image of reality. The first is<br />
that, unlike in the reality imaged as the empirical field of<br />
empirical causal sequence, there is not supposed to be<br />
any priority-posteriority relationship between the things<br />
and events which arise therein. Nor should there be any<br />
pivotal centres seen around which the things and events<br />
would coagulate and turn and at which the relational<br />
continuum of co-existence would terminate.”11<br />
Both the above-mentioned aspects, a lack of temporal<br />
order, i.e. the absence of beginning and end, as well as<br />
the absence of the concepts of centre and periphery,<br />
are among the basic postulates of postmodernism. We
des Postmodernismus. Wir kommen hier zu einem Punkt, der für<br />
die heutige globale Weltkultur, in der das Japanische mit der in<br />
Europa entstandenen postmodernistischen Philosophie und<br />
Ästhetik harmoniert, wichtig ist. Langsam verstehen wir, zumindest<br />
partiell, die Begeisterung für alles Japanische heutzutage.<br />
5 Die Spannung zwischen der Zeitlichkeit und der Räumlichkeit<br />
manifestiert sich auch in der Kunst der Fotografie, die gelegentlich<br />
auch als „eingefrorene Zeit“ bezeichnet wird. Künstler bevorzugen<br />
eher Schwarz-Weiß-Fotografien, und dies sowohl<br />
dann, wenn aus ihren Arbeiten Kunstwerke entstehen sollen,<br />
als auch dann, wenn es nur darum geht, den Stand der Dinge<br />
festzuhalten. Die japanischen Künstler haben nicht nur ähnliche<br />
Vorlieben, sondern können sich auch auf die gesamte östliche<br />
Tradition der Kalligraphie und Tuschemalerei („sumi-e“) berufen.<br />
Shozo Sato, ein Kenner der monochromatischen Tuschemalerei,<br />
behauptet: „Sumi-e diente seit Urzeiten als unterirdischer<br />
Fluss, der die östliche Kunst speiste.“ „Sumi-e hat immer eine<br />
spirituelle Rolle in der Welt der Kunst gespielt“ und auch heutzutage<br />
„wird die asiatische zeitgenössische Kunst von sumi-e<br />
genährt.“12<br />
Dem Kalligraphen oder Tuschemaler stehen sämtliche Grauschattierungen<br />
zur Verfügung, vom Schwarz bis zum glänzenden<br />
Weiß des Hintergrunds, um den Farbenreichtum der Welt wiederzugeben.<br />
Deshalb lernt der Künstler sein Fühlen und Sehen,<br />
seine Wahrnehmung, an die Bedürfnisse des Mediums Kunst<br />
anzupassen. Gibt es zwischen dem Pinselstrich und dem Blitz<br />
des Fotoapparats eine Ähnlichkeit? Verwirklichen „sumi-e“ und<br />
die Fotografie die gleiche Schwarz-Weiß-Ästhetik?<br />
„In Japan wurde sumi-e über die Jahrhunderte der Anpassung<br />
und Verfeinerung zum Inbegriff der japanischen Ästhetik: eine<br />
Neigung zu Schlichtheit und Raffinesse, zu verhaltenem Reichtum<br />
und Andeutungen. Gute Sumi-e-Künstler werden im Allgemeinen<br />
nur etwa 60 % ihres Gegenstands darstellen und<br />
überlassen es dem Betrachter, das Ungesagte zu erahnen, das<br />
Gemälde für sich selbst zu erschaffen und zu vervollständigen.<br />
Nicht zuviel zu sagen und zu wissen, was ungesagt bleiben<br />
kann, ist in sumi-e genauso wichtig wie das, was tatsächlich<br />
gemalt wird.”13<br />
Die Spannung zwischen Schwarz und Weiß, zwischen Tusche<br />
und Papier verläuft parallel zur metaphysischen Spannung<br />
zwischen Fülle und Leere, zwischen dem, was ausgedrückt wird,<br />
und der nicht-artikulierten Gesamtheit. Zweifelsohne durchdringt<br />
gerade dieses Motiv beständig die japanische Kunst – auch wenn<br />
die künstlerischen Ausdrucksmittel wechseln.<br />
touch here upon an issue important for today’s globalised<br />
world culture, in which Japanese culture is in harmony<br />
with Europe’s postmodern philosophy and aesthetic; we<br />
begin to understand, at least in part, the fascination that<br />
has been observed with all things Japanese.<br />
5 The tension between temporality and spatiality is<br />
also manifested in the art of photography, which is also<br />
occasionally termed “frozen time”. Artists tend to prefer<br />
black-and-white photography, whether they intend to turn<br />
their pictures into works of art or are simply registering<br />
a state-of-being. Japanese artists not only have similar<br />
preferences, but also have recourse to the entire Eastern<br />
tradition of calligraphy and ink painting (“sumi-e”). Shozo<br />
Sato, an expert on the art of monochrome ink painting,<br />
says that “Sumi-e has, since ancient times, served as an<br />
underground river nurturing Eastern art,” that “sumi-e<br />
has always played a spiritual role in the world of art,”<br />
and also that today “contemporary Asian arts continue<br />
to draw that same sustenance from sumi-e.”12<br />
Artists who use calligraphy or ink have every possible<br />
shade of grey at their disposal, from black to the glossy<br />
white of the ground, to reflect the colourful abundance<br />
of the world. That is why the artist learns to see, feel<br />
and perceive in a manner adapted to the needs of the<br />
art medium. Is there a similarity between the stroke of<br />
a brush and the flash of a camera? Do “sumi-e” and<br />
photography realise the same black-and-white aesthetic?<br />
“In Japan, through centuries of adaptation and refinement,<br />
sumi-e has come to embody the Japanese aesthetics:<br />
a liking for simplicity and subtlety, for subdued richness<br />
and things just hinted at. Good sumi-e artists will generally<br />
portray only 60% or so of their subject, leaving the<br />
viewer to sense what remains unsaid, to create and<br />
complete the painting for himself. Not saying too much<br />
and knowing what to leave unsaid are as important in<br />
sumi-e as what is actually painted.”13<br />
The tension between black and white and between ink<br />
and paper run parallel to the metaphysical tension<br />
between fullness and emptiness, between that which<br />
is expressed and the unarticulated whole. There is no<br />
doubt that this motif pervades Japanese art, irrespective<br />
of historical changes in the means of artistic expression.
Der Kunstfotograf Hiroshi Sugimoto scheint manchmal, indem<br />
er mit den beiden für die japanische Ästhetik wichtigen Momenten<br />
„fueki“ und „ryuko“ auf eine ganz eigene Weise spielt, die<br />
von Izutsu angedeutete Abhängigkeit umzukehren – dann wenn<br />
er auf einem weißen Bildschirm die erscheinungslose Leere<br />
bzw. eine sehr abgetönte Phänomenalität, da sie auf das<br />
Spiel von Lichtreflexen auf einem weißen Bildschirm reduziert<br />
ist, sichtbar macht.<br />
6 Die Motive der Fülle und Leere, der Phänomenalität und des<br />
Nichts beschäftigen auch die Künstler, die in die Zukunft reisen.<br />
An die Stelle des Fotoapparats treten neue elektronische Medien,<br />
und die von ihnen generierten Bilder-Phänomene tauchen aus<br />
der digitalen Leere auf und schaffen eine neue Art von Spannung<br />
zwischen „ryuko“ und „fueki“. Viele Künstler versuchen heutzutage,<br />
den neuen Medien noch nicht entdeckte Möglichkeiten<br />
abzuringen. Eins ist gewiss – die Medien erfordern eine radikale<br />
Umwandlung der über Jahrhunderte gefestigten Perzeptionsgewohnheiten.<br />
Deshalb wird die Ästhetik der Medienkünstler<br />
zur „aisthetics“, die, entsprechend der vergessenen Etymologie<br />
des Wortes, an das Wissen von den Sinnesempfindungen anknüpft.<br />
Im Bereich der Medien werden die Sinnesempfindungen<br />
zu synästhetischen Wahrnehmungen, das Sehen – wovon beispielsweise<br />
die Arbeiten von Takashi Ito zeugen – absorbiert die<br />
Empfindungen anderer Sinne, darunter auch den Tastsinn.<br />
Dass das Schwinden der Materie, die durch die unterschiedlichsten<br />
immateriellen Daseinsformen verdrängt wird, von<br />
einem Anstieg der sinnlichen Empfindungen begleitet wird, ist<br />
zweifelsohne ein erstaunliches Paradox.<br />
Von den Künstlern aufgeworfen wird die Frage nach der Transformation<br />
der menschlichen Perzeptionsweisen, zu der es beim<br />
Übergang von Materie zu Nicht-Materie, wenn die Stofflichkeit<br />
der Objekte schwächer wird, kommt... Im Cyberspace verändern<br />
sich alle Faktoren, die die Ontologie der „alten Welt“ definierten –<br />
Zeit, Raum, Realität, Subjekt, Objekt, aber auch die Beziehungen<br />
zwischen diesen Größen. Um sie in der Kunst festzuhalten,<br />
machten die Künstler das Licht zu ihrem Medium. Die Lichtansammlungen<br />
und -installationen von Hiroyuki Moriwaki geben<br />
zugleich das Fließende und Kontinuierliche der Welt wieder.<br />
Für Trinh T. Minh-ha, die mit Digitalvideos experimentiert, wird<br />
das Licht, verstanden als Zeit an sich, also als Zeit, die losgelöst<br />
ist vom Bezug zu den Objekten, zur Bewegung, zur „vierten<br />
Dimension“. Eine solche Zeit ist nicht mehr linear, was in bisher<br />
nicht gekanntem Ausmaß zu einer veränderten Wahrnehmung<br />
der Welt führt.<br />
Krystyna Wilkoszewska 84 85<br />
The artist-photographer Hiroshi Sugimoto sometimes<br />
appears to turn the dependence pointed out by Izutsu on<br />
its head by playing his own singular game with “fueki”<br />
and “ryuko”, so important to the Japanese aesthetic. For<br />
example when he projects an emptiness devoid of phenomenality<br />
on a white screen, or an extremely subdued<br />
phenomenality, as it is reduced to the play of reflected<br />
light on the white screen.<br />
6 Artists travelling into the future are also preoccupied<br />
with motifs of fullness and emptiness, of phenomenality<br />
and nihility. New electronic media are taking the place<br />
of the camera, and the picture-phenomena they have<br />
generated emerge from the digital void, thus creating<br />
a new kind of tension between “ryuko” and “fueki”. Many<br />
of today’s artists struggle with the still undiscovered<br />
potential of the new media. Be that as it may, these media<br />
are certainly demanding a radical transformation of perceptions<br />
that have been shaped over the ages. This is<br />
why the aesthetics of new media artists is turning into an<br />
“aisthetics”, a term that refers to the science of sensory<br />
experiences in accordance with the now forgotten etmology<br />
of the word. In the new media, sensory experiences<br />
become synaesthetic, while vision – as in the works of<br />
Takashi Ito – absorbs the experience of the remaining<br />
senses, including touch. That the disappearance of matter,<br />
which is displaced by various immaterial forms of being,<br />
is also accompanied by an increase in sensual perceptivity,<br />
is undoubtedly an astonishing paradox.<br />
Artists pose questions about the transformation of human<br />
perception, which takes place as the material turns into<br />
the immaterial, when the material nature of objects<br />
begins to fade... In cyberspace, the factors defining the<br />
ontology of the “old world” such as time, space, reality,<br />
object, subject – all change, as do the relationships<br />
between them. In an attempt to capture these, artists<br />
begin to use light as their medium. Hiroyuki Moriwaki’s<br />
light assemblages and installations render the fluid<br />
nature and continuum of light. For Trinh T. Minh-ha, who<br />
employs digital video techniques, light becomes the<br />
“fourth dimension”, understood as time of itself – time<br />
without any reference to objects, to movement. Time seen<br />
thus is no longer linear, resulting in an unprecedented<br />
shift in our view of the world.
Paul Virilio ist der Philosoph der Zeit und des Lichts. Seiner<br />
Ansicht nach offenbart sich der Bereich des Sichtbaren dank<br />
des Phänomens der Beschleunigung und Verlangsamung der<br />
Lichtspannungen. Wir leben in Zeiten, in denen die Geräte,<br />
die über immer größere Beschleunigungen verfügen, zugleich<br />
Lichtquellen sind, was zur Folge hat, dass sich die Dimension<br />
des Raums und der Zeit sowie die Dinge selbst, die plötzlich im<br />
Aufblitzen des Lichts in Erscheinung treten, verändern. An die<br />
Stelle chronologischer Systeme, bei denen die Zeit als eine<br />
lineare Abfolge von Augenblicken verstanden wird, tritt nun ein<br />
chronophotographisches System. An die Stelle von Stunden,<br />
Monaten oder Jahren, die Wechsel von Tages- und Nachtzeit<br />
treten jetzt Beleuchtungs- und Verdunklungsprozesse, die von<br />
zukünftigen Technologien vorgegeben werden. Nach Ansicht<br />
von Virilio vollzieht sich die Revolution im Übergang von der<br />
Kinematographie, die das fertige Aussehen der Gegenstände<br />
wiedergibt; zur elektromagnetischen Videographie, die die Bilder<br />
allein durch die Veränderung der Lichtspannungen schafft. Das<br />
Video ist eine Art „sofortige“ Raumzeit, die von den herkömmlichen<br />
geographischen und geometrischen Parametern abweicht.<br />
In diesem Raum vollzieht sich ein Umschwung sowohl in der<br />
„Natur des Objekts wie auch des Subjekts“. Als Begründer der<br />
Dromologie, einer spezifischen Wissenschaft der Geschwindigkeit,<br />
gibt uns Virilio einen Vorgeschmack auf das neue Universum,<br />
das Universum der Geschwindigkeit, des Lichts und des Entschwindens<br />
mit ihren veränderten Zeit- und Raumparametern<br />
und ihren neuen Messgeräten. Die Geschwindigkeit verändert<br />
alles – die Gestalt der Welt und unsere Wahrnehmung; die<br />
Geschwindigkeit wandelt unsere Physik und Metaphysik um.<br />
Die Künstler wissen dies nur zu gut und furchtlos beschreiten<br />
sie auf ihren Reisen ständig unbekannte Bereiche dieses Universums.<br />
7 Mit den Künstlern auf Reise in Zeit und Raum gelangten wir<br />
an Orte in der fernen Vergangenheit und besuchten Welten, die<br />
an eine Science-Fiction-Utopie erinnern. Dabei fanden wir die<br />
Spuren der japanischen Kultur und Ästhetik sowohl in der alten<br />
als auch in der neuen Kunst vor, sowohl in der Poesie und Malerei<br />
wie auch in der Fotografie und der Kunst der elektronischen<br />
Medien.<br />
Jedoch muss ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass die<br />
zeitgenössischen Künstler kaum noch als Künstler dieser oder<br />
jener Nation, dieser oder jener Kultur klassifiziert werden können,<br />
da sie ihre Erfahrungen in verschiedenen Ländern und Kulturen<br />
gemacht haben. Die heutigen Künstler sind von ihrem geistigen<br />
Paul Virilio is a philospher of time and light. He believes<br />
that the visible can only be seen because of the quickening<br />
and slackening in tensions of light. Our era is one in<br />
which pieces of equipment that are becoming ever<br />
quicker are also our sources of light, which means that<br />
the dimensions of space and time and even objects<br />
themselves, appearing in a sudden flash of light, are<br />
subject to change. Chronological systems, where time is<br />
seen as a linear succession of individual moments, are<br />
being replaced by a chronophotographic system.<br />
Processes of darkening and light determined by successive<br />
technologies replace hours, months or years and<br />
changes in the time of day and night. A revolution,<br />
according to Virilio, is taking place in the shift from cinematography,<br />
which presents the complete appearance<br />
of objects, to electromagnetic videography, which creates<br />
images solely through a change in the tensions of<br />
light. Video creates a kind of “immediate” space in time<br />
which differs from more accustomed parameters, both<br />
geographical and geometrical. A revolution is also taking<br />
place in the spatial dimension, in the “nature of the<br />
object as well as the subject”. As the creator of the<br />
science of speed, known as dromology, Virilio gives us<br />
a foretaste of the new universe, one of speed, light and<br />
disappearance, in which the parameters of time and<br />
space have changed, and have new standards of measurement.<br />
Speed changes everything – the shape of the<br />
world and our perception of it; speed transforms our<br />
physical and metaphysical consciousness. The artists<br />
who journey boldly through these as yet uncharted areas<br />
of this universe are well aware of this fact.<br />
7 Our voyage together with these artists through time<br />
and space has taken us into distant history, to worlds<br />
which remind us of the utopias of science fiction.<br />
We have discovered traces of the Japanese culture and<br />
aesthetics that can be found in both ancient and new<br />
art, in poetry and painting, in photography and the art<br />
of the electronic media.<br />
Nevertheless, it should be emphasised that it is difficult<br />
to classify contemporary artists as coming from this or<br />
that nation, that or another culture, as their experiences<br />
embrace many other countries and cultures. The artists<br />
of today are transcultural in spirit and the means by
Background her transkulturell, und auch die Ausdrucksmittel,<br />
derer sie sich bedienen, haben interkulturellen Charakter.<br />
Die an dieser Ausstellung teilnehmenden Künstler stammen zum<br />
überwiegenden Teil aus Japan und haben in anderen Ländern<br />
und Kontinenten Erfahrungen gesammelt: in Asien, Nordamerika,<br />
insbesondere in den USA, und in Afrika. Ihr Japanischsein ist das<br />
Maß ihrer Transkulturalität und umgekehrt – ihre Transkulturalität<br />
ergänzt die Dimension ihrer Nationalität. Erst aus dieser<br />
Perspektive gewinnt die Ausstellung an Bedeutung – wenn<br />
die heutzutage verbreiteten Probleme der Perzeption, der Zeit<br />
und der Erinnerung, in Verbindung mit den heftigen Veränderungen<br />
qualitativen und radikalen Charakters, die in der Kultur<br />
des gesamten Globus stattfinden, bei dem völligen Sich-Öffnen<br />
für andere Kulturen deutlich kulturspezifische Wesenszüge<br />
annehmen.<br />
Anmerkungen<br />
1 Donald Keene: Appreciations of Japanese Culture. Tokio, New York: Kodansha<br />
1971, S. 94.<br />
2 Toshihiko Izutsu: The Theory of Beauty in the Classical Aesthetics of Japan.<br />
Den Haag, Boston, London: Nijhoff 1981, S. 72.<br />
3 Masaharu Anesaki: Art, Life and Nature in Japan. Tokio 1973, Kapitel I.<br />
4 Essays in Idleness (The Tsurezuragusa of Kenko). Übers. von D. Keene.<br />
Tokio, New York: Columbia University Press 1967, S. 115.<br />
5 In Search of Japanese Beauty. Tokio 1977, S. 26–27.<br />
6 The Pillow Book of Sei Shonagon. Oxford 1967, S. 24.<br />
7 Ebda, S. 195.<br />
8 Keene, Appreciations of Japanese Culture, S. 22.<br />
9 Soshitsu Sen XV: Tea Life, Tea Mind. Tokio, New York, S. 30.<br />
10 Izutsu, The Theory of Beauty in the Classical Aesthetics of Japan, S. 52.<br />
11 Ebda, S. 56.<br />
12 Shozo Sato: The Art of Sumi-e. Appreciation, Techniques and Application.<br />
Tokio 1984, S. ix.<br />
13 Ebda.<br />
Krystyna Wilkoszewska 86 87<br />
which they express themselves are also intercultural in<br />
character.<br />
The majority of artists taking part in this exhibition are<br />
from Japan, but are familiar with other countries and<br />
continents: Asia, North America – in particular the USA<br />
and Africa. Their Japanese nature is a measure of the<br />
transculturalism and conversely their transcultural experience<br />
complements their national background. The<br />
present exhibition acquires a special significance when<br />
viewed from this perspective, for the widespread difficulties<br />
with perception, time and memory that are to be<br />
found today, in connection with the violent qualitative and<br />
radical changes that are taking place in cultures around<br />
the globe, take on clearly culturally specific characteristics<br />
when faced with a complete openness with regard<br />
to another culture.<br />
Notes<br />
1 Donald Keene: Appreciations of Japanese Culture. Tokyo, New York:<br />
Kodansha 1971, p. 94.<br />
2 Toshihiko Izutsu: The Theory of Beauty in the Classical Aesthetics<br />
of Japan. The Hague, Boston, London: Nijhoff 1981, p. 72.<br />
3 Masaharu Anesaki: Art, Life and Nature in Japan. Tokyo 1973, Chapter I.<br />
4 Essays in Idleness (The Tsurezuragusa of Kenko). Transl. by D. Keene.<br />
Tokyo, New York: Columbia University Press 1967, p. 115.<br />
5 In Search of Japanese Beauty. Tokyo 1977, p. 26–27.<br />
6 The Pillow Book of Sei Shonagon. Oxford 1967, p. 24.<br />
7 Ibid., p. 195.<br />
8 Keene, Appreciations of Japanese Culture, p. 22.<br />
9 Soshitsu Sen XV: Tea Life, Tea Mind. Tokyo, New York, p. 30.<br />
10 Izutsu, The Theory of Beauty in the Classical Aesthetics of<br />
Japan, p. 52.<br />
11 Ibid., p. 56.<br />
12 Shozo Sato: The Art of Sumi-e. Appreciation, Techniques and<br />
Application. Tokyo 1984, p. ix.<br />
13 Ibid.
Yoko Tawada<br />
Mit den Wörtern knipsen<br />
Snapshots with Words
Kurz anhalten und ohne sich viel Gedanken zu machen einfach<br />
knipsen: Für die Bilder, die durch diese unkomplizierte Art der<br />
Fotografie entstehen, gibt es das Wort „Schnappschuss“. Man<br />
schnappt spontan, gierig, dennoch beiläufig.<br />
Die Organe, die ein Lebewesen zum Schnappen verwendet, sind<br />
der Mund, das Maul oder der Schnabel, je nachdem, was es<br />
hat. Das sind die Körperteile, die auch Töne produzieren können.<br />
Man kann nicht gleichzeitig schnappen und reden. Das Knipsen<br />
bringt mich zum Schweigen.<br />
Schnappt man das Objekt oder schießt man darauf? Schießen ist<br />
eine weniger harmlose Tätigkeit. Wenn man schießt, muss man<br />
damit rechnen, dass das Objekt verletzt wird.<br />
Das Wort „Klick-Klack-Fotos“ ist auch nicht schlecht. Mich erinnert<br />
es an die Oper Hoffmanns Erzählungen.<br />
Im Japanischen benutzt man den onomatopoetischen Ausdruck<br />
„pachipachi“, wenn jemand schnell hintereinander mehrere Fotos<br />
macht. („Shashin wo pachipachi toru.“) Derselbe Ausdruck wird<br />
auch für das Blinzeln benutzt. („Me wo pachipachi saseru.“) In<br />
einem Kinderbuch las ich, dass die Kängurus schnell hintereinander<br />
blinzeln, wenn sie etwas Gefährliches – zum Beispiel Jäger –<br />
sehen. Im schnellen Blinzeln hoffen sie, dass das gefährliche<br />
Objekt aus der Sicht gelöscht und dadurch zur Nichtexistenz<br />
erklärt wird. Blinzeln als Knipsen ohne Aufnahme. Der Jäger<br />
dagegen hat eine ganz andere Absicht. Sein Schuss würde das<br />
Tier in ein Stück Fleisch verwandeln.<br />
Ich stand auf dem Flughafen JFK in New York. „Schauen Sie in<br />
die Kamera!“, sagte mir der Passkontrolleur. Wenn ich vorher<br />
nicht gelesen hätte, dass man bei der Einreise fotografiert wird,<br />
hätte ich die Kugel nicht als Kamera erkannt. Am liebsten hätte<br />
ich gegen das kugelförmige Gerät, das den Einreisenden ihre<br />
Gesichter raubt, meine eigene Kamera als Schutzschild gehalten.<br />
Ein Schnappschuss gegen den bösen Blick. Aber ein Schild<br />
machte mich darauf aufmerksam, dass man im Zollgebiet keine<br />
Fotos machen darf. Diesen Spruch hatten die Amerikaner aus der<br />
Sowjetunion importiert.<br />
Der Kontrolleur vergleicht mein Gesicht mit dem Foto in meinem<br />
Pass, den ich vor ihn hingelegt hatte. Es ist in manchen Fällen<br />
unwahrscheinlich, dass der Passkontrolleur eine Ähnlichkeit zwischen<br />
der einreisenden Person und ihrem Passfoto feststellen<br />
kann. Ich war oft überrascht, wie unähnlich das Passfoto dem<br />
Passbesitzer ist, besonders, wenn ich den abgebildeten Menschen<br />
gut kannte. Mit ängstlich starrenden Augen, herausragenden<br />
Yoko Tawada 88 89<br />
You stop for a moment and simply take a photo without<br />
much thought. The word to describe the pictures you get<br />
from this uncomplicated type of photography is “snapshot”.<br />
You snap away spontaneously, greedily but nonetheless<br />
casually.<br />
The organs that living creatures use to snap in the physical<br />
sense are mouths, muzzles or beaks, depending on<br />
which they have. Those are the parts of the body that<br />
can also produce sounds. You can’t snap and talk at the<br />
same time. Taking snapshots shuts me up. Do you snap<br />
at the object, or shoot at it? Shooting is not such a harmless<br />
activity. If one shoots, it is likely that the object will<br />
be injured.<br />
The phrase “click-clack photos” is also not bad. It reminds<br />
me of the opera Tales of Hoffmann.<br />
In Japanese there’s an onomatopoeic expression “pachipachi”<br />
to describe someone taking several photos one<br />
after another. (“Shashin wo pachipachi toru.”) The same<br />
expression can also mean “blink”. (“Me wo pachipachi<br />
saseru.”) I read in a children’s book that kangaroos blink<br />
quickly several times in succession when they see something<br />
dangerous, e.g. a hunter. By blinking, they apparently<br />
hope to banish the dangerous object from sight,<br />
abolishing its existence, as it were. Blinking is snapping<br />
at the truth, hoping it will go away. The hunter’s intentions<br />
are quite different – his gun would turn the animal<br />
into a piece of meat.<br />
I was once at JFK airport in New York. “Look at the camera!”<br />
said the passport official. If I hadn’t previously read<br />
that people are photographed on arrival, I wouldn’t have<br />
recognised the spherical object as a camera. I would<br />
much have preferred to wield my own camera as a protective<br />
shield against something that robs arriving passengers<br />
of their faces. A snapshot against the evil eye.<br />
But there was a sign saying no photography permitted<br />
in the customs hall. That was something the Americans<br />
imported from the Soviets.<br />
The official compares my face with the photo in my passport,<br />
which I’d put down in front of him. In many cases,<br />
it is quite unlikely that the official is able to establish a<br />
similarity between the incoming person and his/her passport<br />
photo. I’ve often been surprised how unlike the
Ohren und blasser Haut sehen die meisten Menschen aus wie<br />
ein ausgestopftes Tier.<br />
Das Spiel mit dem Passfoto ist ein Ritual wie die Abnahme des<br />
Fingerabdrucks. Im Zeitalter der Gentechnologie kann eine Kamera<br />
nicht mehr das Gerät sein, mit dem man ein Individuum identifiziert,<br />
aber sie wird weiterhin von den Behörden gerne benutzt.<br />
Ihr Blick hat eine moralische Wirkung wie der einer Aufseherin,<br />
die nachts die Eingangstür eines katholischen Internats bewacht.<br />
Vor drei Jahren sah ich auf dem Logan Airport in Boston an der<br />
Wand bei der Passkontrolle ein eingerahmtes Foto vom Präsidenten,<br />
der die Nationalflagge festhielt und wie auf einem Familienfoto<br />
lächelte.<br />
Während des Zweiten Weltkrieges gab es auf jedem Schulhof<br />
in Japan ein Häuschen, in dem ein Foto vom Kaiser aufbewahrt<br />
wurde. Es galt als Heldentat, im Fall eines militärischen Angriffs –<br />
anstatt sofort zu flüchten – zu diesem Häuschen zu rennen, um<br />
das Foto zu retten.<br />
Aus dem Bus, der mich vom JFK zum Grand Central bringt,<br />
fotografiere ich pausenlos durch die trübe Fensterscheibe. Alte<br />
Hochhäuser aus Backsteinen mit verrosteten Außentreppen.<br />
Ladenschilder, auf denen trostlos vertraute Namen der Imbissketten<br />
und Banken geschrieben stehen. Kegelförmige Hüter der<br />
Wassertanks auf den Dächern.<br />
Eine Fahne flattert im Wind. Das ist nicht eine Fahne, sondern<br />
die Fahne der Nation. Sie winkt jedem Menschen zu, der bei<br />
ihr vorbeigeht, und ihre Geste erweckt den Eindruck, als hätte<br />
sie eine eindeutige Botschaft zu vermitteln. Man kann sie nicht<br />
fassen, aber sie ist da.<br />
Eine Nation ist nicht bewohnbar. Dagegen ist ein Stadtteil, in<br />
dem man eine Katze namentlich kennt, bewohnbar. Die weiße<br />
Katze kommt mir entgegen. Ich erkenne sie wieder. Sie heißt<br />
Elisabeth und ist eine der Königinnen im Stadtteil Queens.<br />
Ich gehe die Straßen entlang und fotografiere die Ladenschilder.<br />
Die Gesichter der Buchstaben sehen griechisch, koreanisch,<br />
<strong>englisch</strong> oder japanisch aus, aber mein Eindruck kann manchmal<br />
täuschen. Nokia sieht japanischer aus als Sony. Ich sehe<br />
eine griechische Fahne flattern, neben ihr eine amerikanische.<br />
Ein musterhaftes Bild, friedlich und anständig. „Machen Sie es<br />
auch so, genauso!“, sagen die Fahnen zu mir. Ich bin skeptisch,<br />
aber ich kann nicht so schnell den Grund benennen.<br />
passport-holder passport photos are, especially when I<br />
knew the people involved. With staring eyes, protruding<br />
ears and pale skin, most people look rather like stuffed<br />
animals.<br />
The game with the passport photo is a ritual, like taking<br />
fingerprints. In an age of genetic technology, cameras<br />
surely can’t be the best device for identifying individuals<br />
any more, but the authorities still like using them. The<br />
eye of the camera has a moral effect like that of the<br />
night porter at the door of a Catholic boarding school.<br />
Three years ago, at Logan Airport in Boston, I saw a<br />
framed photo of the US president on the wall in passport<br />
control. He was holding the Stars and Stripes and<br />
smiling, as in a family photo.<br />
During World War II, every school yard had a little house<br />
where a photo of the Emperor was kept. It was considered<br />
an act of heroism in the event of a military attack<br />
to dash to this little house and save the photo rather<br />
than run away.<br />
On the bus taking me from JFK to Grand Central, I snap<br />
away non-stop through the grubby window pane. Old<br />
brick-built, high-rise buildings with rusty flights of stairs.<br />
Shop signs with the drearily familiar names of fast-food<br />
chains and banks written on them. Conical covers of<br />
water tanks on the roofs.<br />
A flag flutters in the wind. It’s not a flag, it’s the Stars<br />
and Stripes. It waves at everyone who goes past, a<br />
gesture that creates the impression of having a clear<br />
message to communicate. You don’t know what it is, but<br />
it’s there somewhere.<br />
You can’t live in a nation. On the other hand, you can<br />
live in a district where you know a cat by name. The<br />
white cat comes towards me. I recognise it. It’s called<br />
Elizabeth, and is one of the queens in Queens.<br />
I walk along the streets and photograph the shop signs.<br />
The faces of the letters look Greek, Korean, English or<br />
Japanese, but my impression might sometimes be wrong.<br />
Nokia looks more Japanese than Sony. I see a Greek<br />
flag fluttering, with the Stars and Stripes beside it. A<br />
model image, peaceful and decent. “You do the same,
Ich fotografiere, anstatt Nein zu sagen. Der Film in meiner Kamera<br />
ist meine Schutzfolie. Wenn ich nicht fotografiere, werden sie<br />
mich ins Bild setzen als einen Teil des Landes. Ich bin aber noch<br />
nicht angekommen. Ich möchte von keiner Nation als Minderheit<br />
akzeptiert werden. Vielmehr gehöre ich zu der Mehrheit der<br />
Menschen heute, die stets unterwegs sind.<br />
Es ist kalt. Der Schnee legt ein unbeschriebenes Blatt auf den<br />
Garten, und er erinnert mich sofort an einen Essay, den ich<br />
schreiben wollte, aber noch nicht geschrieben hatte. Für noch<br />
nicht gemachte Fotos kann man nicht den Ausdruck „ein weißes<br />
Blatt“ verwenden. Wie sehen die Fotos aus, die noch nicht gemacht<br />
sind? Auf dem Schnee sehe ich schwarze Punkte. Das<br />
sind die Fußspuren der Katze. Durch eine Spalte des Fensters<br />
fließt kalte Luft herein. Ich sage „es zieht“ und flüchte nach<br />
hinten ins Badezimmer, steige ins heiße Wasser. Die Kamera<br />
bleibt draußen, damit sie nicht nass wird.<br />
Ich kann sehr gut belanglose Schnappschüsse machen. Aber<br />
in dem Moment, in dem ich die Absicht habe, von einer Person<br />
eine Portraitaufnahme zu machen, komme ich in Verlegenheit.<br />
Quetsche ich die Person in ein Bild, kommt sie mir viel zu klein<br />
vor. Nimmt man nur ein Detail, sieht es aus wie eine medizinische<br />
Aufnahme. Ich mag nicht die Aufnahmen, die von einem Hautarzt<br />
gemacht werden. Die Aufnahmen der Knochen sind dagegen<br />
schön. Das schönste Portrait von mir ist ohne Zweifel die Computertomographie<br />
meines Rückgrates, die im Kantonsspital Basel<br />
gemacht wurde.<br />
Auf den Schnappschüssen sind die Knochen meistens rücksichtslos<br />
von einer dicken Haut bedeckt. Deshalb sehen die Menschen<br />
auf Urlaubsfotos lebendiger aus, als sie sind. Erst wenn die Papierfotos<br />
alt werden, vermitteln sie etwas Knochiges.<br />
Manchmal schimmert sogar der Schädel durch das Gesicht, das<br />
in einem sepiafarbigen Raum vergessen worden ist.<br />
Ich werde die Fotos, die ich jetzt in New York mache, später in<br />
Hamburg, wo ich wohne, zur Entwicklung bringen. Ich werde<br />
dann die Bilder abholen, einen kurzen Blick auf sie werfen und<br />
sie in leere Schuhkartons hineintun. Während die neuen Schuhe<br />
immer wieder neue Spuren hinterlassen, bleiben die Fotos in<br />
den Schuhkartons.<br />
Ich knipse nicht, um eine fotografische Fußspur zu produzieren.<br />
Ich knipse, um in der Gegenwart zu sein. Stück für Stück möchte<br />
ich das schon gewordene Bild von mir abschälen und weglegen.<br />
Das sind die Schuppen einer Schlange, beschriftete Blätter, also<br />
Yoko Tawada 90 91<br />
just the same!” the flags tell me. I’m sceptical, but can’t<br />
put my finger on the reason immediately. I take photos<br />
instead of saying no. The film in my camera is my shrinkwrapping.<br />
If I don’t take photos, they‘ll put me in the<br />
picture as part of the country. But I haven’t arrived yet.<br />
I don’t want to be accepted by any nation as a minority.<br />
In fact, these days I belong to the majority of people who<br />
are always on the move.<br />
It’s cold. The snow lays a virgin sheet on the garden, and<br />
it reminds me at once of an essay I wanted to write but<br />
haven’t written yet. You can’t call photos you haven’t<br />
taken blank pages. What do photos I haven’t taken yet<br />
look like? I see black dots on the snow. Those are the<br />
footprints of the cat. A cold draught flows in through a<br />
crack in the window. I say, “It’s draughty,” and escape<br />
back into the bathroom and get into the hot water. The<br />
camera remains outside so it doesn’t get wet.<br />
I’m very good at taking inconsequential snapshots. But<br />
the moment I get the idea of taking someone’s portrait,<br />
I get embarrassed. If I squash him or her into a picture,<br />
it looks much too small to me. If one only takes a detail<br />
shot, it looks like a medical photo. I don’t like photos<br />
taken by dermatologists, but pictures of bones are fine.<br />
The best portrait of me is undoubtedly the computer<br />
tomography of my spine taken in the cantonal hospital<br />
in Basle.<br />
In snapshots, generally the bones are inconsiderately<br />
covered by thick skin. That’s why people in holiday photos<br />
look more alive that they really are. Only when paper<br />
photos get old do they suggest something osseous. Some<br />
times the skull even shimmers through the face that has<br />
been left behind in a sepia-coloured room.<br />
Later in Hamburg, where I live, I shall develop the photos<br />
I’m now taking in New York. Then I shall go and get the<br />
pictures, have a quick look at them and dump them in<br />
empty shoeboxes. Whereas new shoes keep leaving new<br />
footprints, the photos stay in the shoeboxes.<br />
I don’t take photos to produce a photographic footprint.<br />
I take them so as to be here in the present time. Bit by<br />
bit, I want to peel off the pictures of me already taken<br />
and put them away. They are the skins of a snake,<br />
inscribed sheets, i.e. unbound books. Sometimes they
ungebundene Bücher. Sie sind manchmal etwas rötlich gefärbt.<br />
Sie bluten, weil ich eine Hautschicht ungeduldig vom Leib abreiße,<br />
bevor sie vollkommen abgestorben ist. Sie leben noch, sie sind<br />
feucht und warm.<br />
Die meisten meiner Fotos haben einen Fleck, der die Form einer<br />
Flamme hat. Meistens hat er eine orangene Farbe, in einem<br />
bestimmten Lichtverhältnis ist der Fleck blutrot. Es liegt daran,<br />
weil bei meiner Kamera eine Ecke abgebrochen ist.<br />
Als ich von Tokyo nach Hamburg umzog, nahm ich kein einziges<br />
Foto mit. Stattdessen hatte ich eine kleine Kamera in der Hosentasche,<br />
mit der ich sofort auf der Straße Gegenstände aufnahm:<br />
einen grünen Müllcontainer, einen gelben Briefkasten, einen<br />
Parkometer, ein Haltestellenschild, einen Gully, ein blaues Straßenschild<br />
mit Straßennamen, eine Leuchtreklame und viele andere<br />
Objekte. In meiner winzigen Wohnung fotografierte ich nie. Ich<br />
besaß so wenig Dinge, dass ich beim Umzug nur einen einzigen<br />
Koffer brauchte. Wenn jemand mir anbot, mich vor einem historischen<br />
Gebäude zu fotografieren, lehnte ich es immer ab. Ich<br />
richtete meine Straßen als meinen Wohnraum ein, indem ich dort<br />
die einzelnen Dinge, die mir neu waren, aufnahm. Wer ein Haus<br />
besitzt, wird lieber seine Möbel oder den Garten fotografieren<br />
als eine Straßenlaterne. Wer ein Kind hat, würde das Kind fotografieren<br />
anstatt eine Katze auf der Straße.<br />
Als Kind träumte ich manchmal davon, mit einer Streichholzschachtel<br />
zu fotografieren: Ein winziges Loch in die Schachtel<br />
bohren und einen ganz schmalen Filmstreifen hineinlegen. Warum<br />
sollte es nicht funktionieren? Der Innenraum der Schachtel ist<br />
klein, er schien mir aber dunkel genug zu sein, um die Schatten<br />
der Dinge einzufangen. In dieser Dunkelheit meditieren die<br />
Streichhölzer tagelang, bis sie genug Kraft gesammelt haben, um<br />
ein Feuer zu produzieren. Ich bewahrte drei Schuhkartons voller<br />
Streichholzschachteln auf. Ich bin keine Sammlerin, aber da ich<br />
zufällig einige Streichholzschachteln aus Nepal besaß, dachte<br />
eine Freundin von mir, ich würde so etwas sammeln. Dabei ging<br />
es mir um den Elefanten, der auf der Schachtel abgebildet war,<br />
und nicht um die Schachtel selbst. Aber die Freundin achtete<br />
nicht auf das Tier und erzählte anderen Freunden, dass ich<br />
heimlich ausländische Streichholzschachteln sammeln würde.<br />
Seitdem bekam ich immer wieder von verschiedenen Leuten<br />
ausgefallene Streichholzschachteln zum Geburtstag. Bis jetzt<br />
habe ich aber keine Schachtel bekommen, mit der ich fotografieren<br />
kann. Mit einem Streichholz kann man Fotos anzünden,<br />
aber nicht aufnehmen.<br />
have a reddish tinge. They bleed because I impatiently<br />
tear off layers of skin from my body before they are<br />
completely dead. They are still vital, moist and warm.<br />
Most of my photos have a splotch on them in the shape<br />
of a flame. Generally it’s orange, but in certain lighting<br />
conditions the splotch is blood-red. The reason is, one of<br />
the corners of my camera has broken off.<br />
When I moved from Tokyo to Hamburg, I didn’t take a<br />
single photo with me. Instead, I had a small camera in<br />
my trouser pocket with which I immediately took pictures<br />
of things in the street: a green trash container, a yellow<br />
letter box, a parking meter, a stop sign, a drain, a blue<br />
street sign with street names, an illuminated advert and<br />
a lot of other things. I never took photos of my tiny flat.<br />
I owned so few things when I moved that I only needed<br />
one suitcase. If someone offered to photograph me in<br />
front of a historic building, I always said no. I furnished<br />
my streets as my living room, where I only photographed<br />
things that were new to me. Anyone with a house is<br />
more likely to photograph his furniture or the garden than<br />
a street lamp. Anyone who has a child would photograph<br />
the child rather than a cat on the street.<br />
As a child, I sometimes dreamt of taking photos with<br />
a matchbox – I’d bore a tiny hole in the box and insert<br />
a very narrow filmstrip inside. Why shouldn’t it work?<br />
The inside of the box is small, but it seemed to me dark<br />
enough to capture the shadows of things. The matches<br />
meditate in this darkness for days until they have enough<br />
strength to produce a light. I used to keep three shoeboxes<br />
full of matchboxes. I’m not a collector, but as I<br />
happened to own some matchboxes from Nepal, a friend<br />
of mine thought I collected things like that. What interested<br />
me was the picture of the elephant on the box,<br />
not the box itself. But my friend paid no attention to the<br />
animal and told other friends that I was secretly collecting<br />
foreign matchboxes. To this day, I keep getting unusual<br />
matchboxes for my birthday from various people. But so<br />
far I haven’t yet had a matchbox I can take photos with.<br />
You can set fire to photos with a match, but you can’t<br />
take them.<br />
When I flew from Hamburg to New York, I didn’t take any<br />
family photos from my childhood with me. The American
Als ich von Hamburg nach New York flog, hatte ich auch kein<br />
Familienfoto aus der Kindheit mit. Daran müsste eigentlich der<br />
amerikanische Passkontrolleur gemerkt haben, dass ich keine<br />
Absicht hatte zu immigrieren. Wieso fragte er mich so streng<br />
aus? Ich hatte doch nur eine Einwegkamera mit wie eine einfache<br />
Touristin, und kein einziges Familienfoto. Vielleicht war das Wort<br />
„Einweg“ in diesem Fall ungünstig.<br />
Ich fotografiere jeden Tag, und so ist meine Kamera mir in die<br />
Finger hineingewachsen. Während ich fotografiere, höre ich eine<br />
Stimme, die mir sagt: Was kann die Sprache? Knipsen ist eine<br />
Provokation gegen das Schreiben.<br />
Eine Frau zieht gerade einen weißen Rollkragenpulli an. Ich<br />
schreibe: Sie zieht ihren weißen Pullover an. Dabei fällt mir das<br />
Wort „ziehen“ auf. „Es zieht im Zimmer“, sagt sie und zieht den<br />
Pullover an. Sie zieht mich an. Mein Blick wird angezogen.<br />
Nach dem Baden zieht man sich an, wenn es im Zimmer kalt ist.<br />
Es zieht noch ein wenig, aber der kleine Luftzug stört mich nicht<br />
mehr. In dem Wort „anziehen“ höre ich das Wort „ausziehen“ mit.<br />
Das Wort „ausziehen“ gefällt mir weniger, weil es versucht, mir die<br />
nackte Wahrheit zu verkaufen. Ich kann mir keine nackte Wahrheit<br />
vorstellen. Sie ist immer angezogen. Ihr Pullover besteht aus<br />
dem Blick der Betrachter.<br />
Der „Pullover“ ist ein Fremdwort. An der Stelle „ov“ flimmert etwas<br />
Fremdsprachliches. Mir fällt zumindest kein <strong>deutsch</strong>es Wort ein,<br />
in dem die beiden Buchstaben o und v hintereinander vorkommen.<br />
Oder doch? „Provokation“. Ich habe gerade eben geschrieben,<br />
dass das Knipsen eine Provokation sein könne. Mein Blick ist<br />
weiter fixiert auf die Mitte des Wortes „Pullover“ und entdeckt<br />
„lover“ im Wort „Pullover“.<br />
Durch das Fenster sieht man eine schneebedeckte Straße. Der<br />
Pullover ist weiß wie ein Schneekaninchen. Ich schreibe in mein<br />
Notizbuch: „Sie zieht sich an.“ Auf einem Foto wird das Wort<br />
„anziehen“ nicht zu finden sein. Es ist weder auf einem Gesicht<br />
noch in der Luft geschrieben. Ich lese die Wörter rückwärts:<br />
„An sich zieht sie.“<br />
Die Frau streckt ihren linken Arm hoch, die rechte Hand ist noch<br />
nicht aus dem Ärmel herausgekommen. Die rechte Hand hält<br />
den Pullover an der Brust fest, und das Gesicht ist noch halb<br />
bedeckt vom Kragen. Das ist die sprachliche Übersetzung des<br />
Fotos, das gemacht werden könnte.<br />
„In Gregor Samsas Zimmer hängt auch ein Foto“, sagt sie. Ich<br />
erinnere mich dunkel an die Wand des Zimmers, in dem er schläft.<br />
Yoko Tawada 92 93<br />
passport official should actually have known from this<br />
fact that I had no intention of immigrating. Why did he<br />
question me so sternly? After all, I only had a disposable<br />
camera with me, like a simple tourist, and not a single<br />
family photo. Perhaps the word “disposable” was the<br />
trouble in this case.<br />
I take photos every day, so my camera has grown into<br />
my fingers. When I take photos, I hear a voice saying:<br />
What about language? Taking snapshots is a provocation<br />
against writing.<br />
A woman is just putting on a white polo-neck pullover.<br />
I write: She puts on (“sie zieht an”) a white pullover.<br />
The word “ziehen” strikes me. “Es zieht im Zimmer<br />
(it’s draughty),” she says, and puts the pullover on. She<br />
attracts me (“zieht mich an”, association of “sieht mich<br />
an”/looks at me). My attention is drawn (“angezogen”).<br />
After having a bath, one gets dressed (“man zieht sich<br />
an”) if it’s cold in the room. It’s still draughty (“es zieht”),<br />
but a minor draught doesn’t bother me much. Whenever<br />
I hear the word “anziehen” (to dress), I immediately hear<br />
an overtone of “ausziehen” (to undress). “Ausziehen” is<br />
not so nice because it tries to sell me the naked truth.<br />
I can’t imagine the truth naked. To me, truth is always<br />
dressed. Its pullover is the viewer’s gaze.<br />
In German “Pullover” is a foreign word. There’s something<br />
foreign about “ov”. Or at least, I can’t think of a<br />
German word in which these two letters occur together.<br />
Or can I? What about “Provokation”? I’ve just written<br />
that snapshots can be a provocation.<br />
My eyes latch on to the middle of the word “pullover” and<br />
discover “lover” in it.<br />
Through the window a snow-covered street is visible.<br />
The pullover is the same colour as a snow rabbit. I write<br />
in my notebook: “Sie zieht sich an (she gets dressed).”<br />
You wouldn’t find the word “anziehen” on a photo. It<br />
doesn’t appear on faces or in the air. I read the words<br />
backwards: “An sich zieht sie (In itself, it pulls).”<br />
The woman raises her left arm, the right hand hasn’t<br />
come out of the sleeve yet. Her right hand holds the<br />
pullover to her chest, and her face is still half-buried in<br />
the collar. That’s the linguistic rendering of the photo<br />
that could be taken.
Aber in meiner Erinnerung ist nicht zu erkennen, was im Bild<br />
abgebildet ist.<br />
An der Wand ihres Wohnzimmers hängt ein alter Weltatlas<br />
genau wie auf Vermeers Gemälde.<br />
Im Schlafzimmer hängt kein Foto. Nur ein Traumfänger. Die<br />
Traumbilder, die er letzte Nacht gefangen hat, sind nicht zu<br />
sehen. An der Wand der Küche hängt ein Foto von drei Frauen,<br />
die der Gemeinschaft der Mennoniten angehören. Ein Strand,<br />
den man nur in einem Traum zu sehen bekommt, und ein Himmel,<br />
der in keinem Familienfoto vorkommt. Ich weiß nicht, ob<br />
sich die Mennoniten gerne fotografieren lassen oder nicht. Einmal<br />
war ich zusammen mit einer japanischen Akademikerin und einer<br />
Pensionsbesitzerin zum Mittagessen bei den Amish People eingeladen.<br />
Ich hatte eine Kamera in der Hand, weil es meine Gewohnheit<br />
ist. In Wirklichkeit wollte ich einen Kassettenrecorder dabei<br />
haben, denn mich interessierte ausschließlich, wie die <strong>deutsch</strong>e<br />
Sprache bei den Amish People klingt. Die Pensionsbesitzerin<br />
sah meine Kamera und sagte mir, die Amish People ließen sich<br />
normalerweise nicht fotografieren, aber die Familie, die wir jetzt<br />
besuchen würden, hätte nichts gegen eine Kamera. Es wäre<br />
dennoch besser, vorher noch einmal um Erlaubnis zu bitten, fügte<br />
sie hinzu. Die Gastgeberfamilie bestand aus Zwillingsschwestern,<br />
ihren Ehemännern und acht Kindern. Als die Pensionsbesitzerin<br />
die Zwillingsschwestern fragte, ob man sie fotografieren dürfe,<br />
antwortete eine der beiden, sie hätte nichts dagegen, sie möchte<br />
nur nicht, dass man die Fotos später verkaufe.<br />
Jemand nimmt ein Bild von mir und verkauft es: Eine unangenehme<br />
Vorstellung, die man aber im Zeitalter des Internets nicht<br />
mehr verhindern kann. Ich weiß, dass auch mein Gesicht im<br />
Netz angeboten wird. Warum ist es aber unangenehm? Ein Foto<br />
von mir hat nicht viel mit mir zu tun. Habe ich Angst, dass jemand<br />
zu Hause das Foto von meinem Gesicht heimlich anzündet?<br />
Wenn ich eines Tages aufwache und ein verbranntes Gesicht<br />
habe, weiß ich, dass mein verkauftes Foto missbraucht ist.<br />
Der Verkauf des eigenen Fotos: Das erinnert einen sofort an<br />
Peter Schlemihl. Scheinbar verbindet man ein Foto mit der Seele,<br />
und die Seele einer Person könnte mit dem Foto zusammen<br />
geraubt werden. Man sagt, dass diese Vorstellung bei den<br />
Indianern stark vertreten sei. Vor langer Zeit, als sibirische Völker<br />
nach Osten wanderten, trennten sich die Wege am östlichen<br />
Ende des Euroasiatischen Kontinents. Diejenigen, die bei jeder<br />
Gelegenheit gerne fotografiert werden wollten, zogen nach<br />
Süden und landeten auf dem Gebiet, das heute Japan genannt<br />
“There’s a photo in Gregor Samsa’s room, too,” she says.<br />
I remember vaguely the wall of the room he sleeps in.<br />
But in my memory I can’t make out what’s in the picture.<br />
On the wall of her living room there’s an old map just<br />
like in Vermeer’s painting.<br />
There’s no photo on the wall in the bedroom. Only a<br />
dream-catcher. The visions he caught last night are<br />
nowhere to be seen. On the kitchen wall is a photo of<br />
three women who could be from the Mennonite community.<br />
A beach such as you only see in dreams and<br />
a sky you’d never see in a family photo. I don’t know<br />
if Mennonites like being photographed or not. I was<br />
once invited to lunch in an Amish household along with<br />
two other women, a Japanese academic and a guesthouse<br />
owner. I had a camera in my hand because I<br />
normally do. In reality I wanted a cassette recorder with<br />
me, because all I was interested in was what German<br />
sounds like among the Amish. The guesthouse owner<br />
saw my camera and told me the Amish normally don’t<br />
let themselves be photographed, but the family we were<br />
now visiting had nothing against cameras. Even so, it<br />
would be better to ask again in advance if they minded,<br />
she added. The host family consisted of twin sisters,<br />
their husbands and eight children. When the guesthouse<br />
owner asked if I could photograph them, one of them<br />
replied she didn’t mind, she just didn’t want the photos<br />
to be sold later.<br />
Someone takes a picture of me and sells it – an unpleasant<br />
notion, but something you can’t stop in the Internet<br />
age. I know my face is for sale on the web, too. But why<br />
is that unpleasant? A photo of me doesn’t have much<br />
to do with me. Am I afraid of someone secretly burning<br />
the photo of my face at home? If I wake up one day and<br />
have a burnt face, I’ll know my sold photo has been<br />
misused.<br />
Selling your own picture – I’m immediately reminded of<br />
Peter Schlemihl. Apparently photos are associated with<br />
the soul, and the soul might get stolen along with the<br />
photo. They say the idea is very common among North<br />
American Indians. A long time ago, when Siberian peoples<br />
were migrating eastwards, they went separate ways at<br />
the eastern end of the Eurasian continent. Those who<br />
wanted to be photographed at every possible opportunity
wird. Die anderen, die nicht fotografiert werden wollten, wanderten<br />
weiter nach Nordamerika.<br />
In Japan stellt man ein Foto des Verstorbenen in den Hausaltar.<br />
Ältere Menschen beten vor dem Foto für die Toten. Meine Großmutter<br />
hat oft das Foto ihres verstorbenen Mannes angesprochen<br />
und mit ihm geredet. Dabei verkörpert das Foto selbst nicht die<br />
Seele des Toten, sondern das Foto ist ein Sprachrohr, durch das<br />
man mit den Toten sprechen kann.<br />
Ich hatte früher geglaubt, dass sich die Wurzeln für die Vorliebe<br />
der Japaner für den Schnappschuss schon in der älteren Kultur<br />
finden ließen. Matsuo Bashos Haiku-Dichtung könnte zum Beispiel<br />
ein Vorbild für fotografische Momentaufnahmen der Reisenden<br />
sein. Aber neulich bei einer genaueren Lektüre musste ich<br />
feststellen, dass man sich seine Dichtung nicht als Fotografie vorstellen<br />
kann.<br />
Samidare no Vom großen Regen<br />
furinokoshite ya bleibt sie nun doch wohl verschont,<br />
hikaridoo die Goldglanz-Halle!?<br />
Es geht hier in erster Linie nicht um den Glanz der goldenen<br />
Halle, sondern um den Regen, der nicht auf die Halle fiel. Wenn<br />
es in der Grammatik der Fotografie einen Konjunktiv II gäbe,<br />
würde man so etwas aufnehmen können.<br />
Oder:<br />
Nomi shirami Nichts als Flöhe und Läuse!<br />
uma no shito suru Und nah an meinem Kopfkissen<br />
makura-moto pisst auch noch ein Pferd!<br />
Die Insekten im Dunkeln sind schwer zu fotografieren, und der<br />
Piss ist wahrscheinlich in dem Fall nur akustisch wahrnehmbar.<br />
Man könnte sicher die Atmosphäre der Scheune, in der der<br />
Reisende übernachtet, fotografieren. Es geht mir nicht darum<br />
zu beweisen, was man alles nicht fotografisch darstellen kann.<br />
Vielmehr geht es mir darum zu zeigen, dass die Intensität im<br />
Gedicht von der Sprache selbst kommt. „Nomi“ und „Shirami“<br />
enden beide auf „mi“. Auf einem Bild werden der Fuß eines Flohs<br />
und der einer Laus unterschiedliche Formen haben, so dass es<br />
keinen Versfuß mehr gibt.<br />
Bei der Haiku-Dichtung hege ich die Hoffnung, sich von den<br />
Metaphern befreien zu können. Das ist auch der Grund, warum<br />
Yoko Tawada 94 95<br />
turned south and finished up in what is now Japan.<br />
The rest, who did not want to be photographed, went<br />
on towards North America.<br />
In Japan, a photo of the deceased is placed on the<br />
house altar. Older people pray for the dead in front of<br />
the photo. My grandmother often spoke to the photo<br />
of her late husband and talked to him. In this case, the<br />
photo itself doesn’t contain the soul of the deceased.<br />
It’s a voice trumpet for speaking to the dead.<br />
Once I used to believe that the Japanese love of snapshots<br />
was rooted in older culture. For example, Matsuo<br />
Basho’s haiku poetry could be a model for a traveller’s<br />
photographic snapshot. But when I recently looked more<br />
closely, I had to accept that you couldn’t imagine his<br />
poem as photography.<br />
Samidare no The great cloud of rain<br />
furinokoshite ya moves on, and quite passes by<br />
hikaridoo the bright golden hall!?<br />
The first line here is not about the gleaming gold of the<br />
hall but the rain that did not fall on it. If the grammar of<br />
photography had a second subjunctive, you could take<br />
a picture of something like that.<br />
Or again:<br />
Nomi shirami All flea-y, lousy!<br />
uma no shito suru And right beside my pillow<br />
makura-moto packhorses pissing!<br />
Insects are difficult to photograph, and piss is probably<br />
only acoustically perceptible in this case. I’m sure<br />
you could photograph the atmosphere of the barn the<br />
traveller is spending the night in. I’m not out to prove<br />
what you can and can’t photograph, only to show that<br />
the intensity in the poem comes from language itself.<br />
“Nomi” and “Shirami” both end in “-mi”. In a picture,<br />
a flea foot and a louse foot would look different, so that<br />
the metrical foot wouldn’t scan.<br />
In haiku poetry I cherish the hope of shaking off metaphor.<br />
That’s also the reason why I love snapshots. If you<br />
want to represent a flower meaningfully, you ask what
ich Schnappschüsse liebe. Würde ich eine Blume bedeutungsvoll<br />
darstellen, fragt man sich, wofür dieses Bild stehen sollte. Aber<br />
ein Schnappschuss könnte eine Blume so beiläufig zeigen, dass<br />
sie nicht einmal für Schönheit stehen muss, selbst wenn sie<br />
tatsächlich schön aussieht.<br />
Wenn ich einen Vogel durch die Kameralinse betrachte, kommt<br />
mir manchmal ein Haiku-Gedicht von Sora in den Sinn, das er<br />
in Matsushima schrieb. Er war der Reisebegleiter von Basho und<br />
selbst Dichter.<br />
Matsushima ya „Bucht der Kieferninsel“:<br />
tsuru ni mi wo kae Leih dir die Gestalt des Kranichs,<br />
hototogisu du Bergkuckuck!<br />
Ein freches Gedicht. Spätestens nach der Begegnung mit diesem<br />
Gedicht muss man zugeben, dass die Haiku-Dichtung nicht<br />
nach dem Einklang mit der Natur sucht. Der Dichter sagt hier,<br />
dass sich der Bergkuckuck die Gestalt eines Kranichs „ausleihen“<br />
soll. Denn der Kranich und nicht der Bergkuckuck sei der Vogel,<br />
der in diese Landschaft passe. Ich bin neugierig, was für ein<br />
Foto Sora gemacht hätte, wenn es im siebzehnten Jahrhundert<br />
schon Fotoapparate gegeben hätte. Der abwesende Vogel,<br />
der Kranich, kann nur als Wort im Bild existieren. In dem Gedicht<br />
wird nicht beschrieben, wie eine Landschaft oder ein Vogel<br />
aussieht. Stattdessen stehen die Vogelnamen im Zentrum. Die<br />
Reduzierung auf diese führt die Sprache zu dem Akt der Benennung.<br />
Indem der Dichter den Namen eines nicht anwesenden<br />
Vogels ausspricht, wird die Landschaft verändert.<br />
Die Sprache kann die Landschaft entweder durch Umbenennung<br />
oder durch Umdeutung verändern: Das ist es, was ich an der<br />
Sprache schätze. Gleichzeitig kann es ein Schwachpunkt der<br />
Sprache werden. Ohne die Konfrontation mit dem falschen Bergkuckuck,<br />
der auf jedem Schnappschuss auftaucht, wird die Kunst<br />
erblassen. Wenn Sora die ideale Landschaft dargestellt hätte,<br />
nämlich die Kieferninsel mit einem Kranich, hätte das Gedicht<br />
wie die Wandmalerei eines geschmacklosen Restaurants gewirkt.<br />
Es ist mutig, dass er absichtlich den Namen des „falschen“ Vogels<br />
nennt und ihn sogar in die letzte Zeile setzt. Das Wort „Hototogisu“<br />
klingt viel kräftiger und körperlicher als das Wort „Tsuru“.<br />
Wenn ich in Tokyo belebte Gassen fotografiere, sind die Bilder<br />
voller falscher Bergkuckucks, was einen gar nicht mehr stört.<br />
Es ist nicht möglich, sie durch einen Kranich zu ersetzen, weil<br />
die ganze Stadt ein Bergkuckuck ist. Das ist das Phänomen, das<br />
the picture should stand for. But a snapshot could show<br />
a flower just in passing so that it doesn’t even have to<br />
stand for beauty, however beautiful it might really be.<br />
When I look at a bird through the viewfinder, I sometimes<br />
think of a haiku that Sora wrote in Matsushima.<br />
Sora was Basho’s travelling companion and himself<br />
a poet.<br />
Matsushima ya “Bay of pinewood isles”:<br />
tsuru ni mi wo kae go and hire a grey crane’s coat,<br />
hototogisu you mountain cuckoo!<br />
A cheeky poem. Once you’ve read this poem, you have<br />
to accept that haikus are not about looking for harmony<br />
in nature. The poet says here that the mountain cuckoo<br />
should “borrow” the look of a crane because cranes, not<br />
mountain cuckoos, are the birds to go with this landscape.<br />
I’d love to know what kind of photos Sora would<br />
have taken if there had been cameras in the 17th century.<br />
The bird which isn’t there, the crane, can only enter the<br />
picture as a word. The poem doesn’t describe how the<br />
landscape or bird looks. Instead, the focus is on bird<br />
names. Reducing it to this involves the linguistic act of<br />
naming. When the poet utters the name of a bird not<br />
present, the landscape changes.<br />
Language can change landscape either by renaming it<br />
or re-interpreting it. That’s what I like about language.<br />
At the same time, that can be a weakness of language.<br />
Without the confrontation with the incorrect mountain<br />
cuckoo that appears in every snapshot, art would be-<br />
come insipid. If Sora had depicted an ideal landscape,<br />
i.e. islands of pine woods with a crane, the effect of the<br />
poem would have been like a kitschy mural in a restaurant.<br />
It was a bold move to deliberately include the<br />
name of the “wrong” bird and even put it in the last line.<br />
But the word “Hototogisu” is much stronger and more<br />
physical than the word “Tsuru”.<br />
When I photograph my favourite back streets in Tokyo,<br />
the pictures are full of “incorrect” mountain cuckoos,<br />
which doesn’t worry me in the least. It isn’t possible to<br />
replace them with a crane because the whole city is<br />
a mountain cuckoo. That’s a phenomenon many people<br />
describe as post-modern. An Italian acquaintance of
manche als postmodern bezeichnen. Ein italienischer Bekannter<br />
von mir sagte einmal zu mir, es sei schwer, in Japan eine richtig<br />
schöne Landschaft zu finden. Deshalb habe er kaum fotografiert.<br />
Auch an einem ziemlich schönen Ort gab es immer etwas Hässliches.<br />
Dagegen gibt es in Italien unzählige schöne Orte, die wie<br />
gemalt aussehen.<br />
Eine Tante von mir besuchte Matsushima. Ich sah grüne Farbe<br />
auf den Fotos, die sie dort gemacht hatte. Sie wusste nicht<br />
mehr, wo genau sie die einzelnen Bilder aufgenommen hatte.<br />
„Das ist alles Matsushima“, sagte sie, und das genügte, denn es<br />
war klar, dass damit der Ort der Dichtung von Sora gemeint<br />
war. Es störte sie nicht, dass auf einigen ihrer Fotos eine riesige<br />
Reklame für Waschmaschinen und ein Getränkeautomat zu<br />
sehen waren.<br />
Einmal fuhr ich mit einem Musiker aus Kalifornien zusammen<br />
mit dem Zug von Hamburg nach Freiburg. Er schaute aus dem<br />
Fenster und sagte, diese Landschaft störe ihn, weil man nicht<br />
sehen könne, ob man im neunzehnten Jahrhundert sei oder im<br />
einundzwanzigsten. Aber auch in Europa, wo man die ungestörte<br />
Schönheit aus der Vergangenheit leidenschaftlich inszeniert,<br />
gibt es genug Orte, an dem ein Bergkuckuck zu sehen ist. Einmal<br />
zeigte mir ein japanischer Verleger die Schnappschüsse, die er<br />
in der Schweiz aufgenommen hatte. Einer von ihnen zeigte einen<br />
Fahrkartenautomaten in Zürich. „Schweizer haben die schönsten<br />
Fahrkartenautomaten der Welt“, sagte er. Genauso schön fand<br />
er das Matterhorn, das er von Zermatt aus fotografierte. Das<br />
Bild sah aus, als hätte er es aus einer illustrierten Zeitschrift<br />
ausgeschnitten. Er zeigte mir auch Bilder, die er während einer<br />
Zugfahrt auf der Jungfrau aufgenommen hatte. Das erste Foto<br />
zeigte sein Gesicht, das sich im Zugfenster spiegelte. „Es war<br />
dunkel“, erläuterte er das Bild. Das zweite Bild zeigte etwas<br />
Weißes, Formloses. „Wenn das Wetter gut gewesen wäre, hätte<br />
man vom Ankunftsort aus eine wunderbare Landschaft gesehen.“<br />
Es gibt doch die Fotografie im Konjunktiv II. Er zeigte diese<br />
Schnappschüsse nur den Menschen, die schon einmal am Jungfraujoch<br />
gewesen waren. Er nimmt ein Foto in die Hand, als<br />
wäre es ein Stichwort, und fängt an zu erzählen. Durch das<br />
Erzählen entsteht erst das Bild, das nicht abgebildet ist. Das<br />
dritte Bild zeigte den Verleger selbst in einer blauen Regenjacke<br />
vor einem belanglosen Bahnhofsgebäude. Seine Kamera hing<br />
vor seinem Bauch. Es gebe keinen Bahnhof in der Welt, der höher<br />
liege als dieser. Er habe tatsächlich persönlich dort gestanden,<br />
obwohl er das heute nicht mehr glauben könne. Dieser Ort käme<br />
ihm heute unerreichbar weit entfernt vor.<br />
Yoko Tawada 96 97<br />
mine once told me it’s difficult to find a really beautiful<br />
landscape in Japan, which is why he rarely took photos.<br />
Even in a quite beautiful place there was always something<br />
ugly. In Italy, on the other hand, there are countless<br />
beautiful places that look like paintings.<br />
An aunt of mine visited Matsushima. I saw green on the<br />
photos she took there. She couldn’t remember any more<br />
where exactly she had taken each picture. “They’re all<br />
Matsushima,” she said, and that was enough, because<br />
it was clear that the location of Sora’s poem was meant.<br />
It didn’t worry her that in some of her pictures you could<br />
see huge adverts for washing machines and a drinks<br />
automat.<br />
Once I travelled with a musician from California by train<br />
from Hamburg to Freiburg. He looked out of the window<br />
and said the landscape worried him because you couldn’t<br />
see whether it was the 19th century or the 21st century.<br />
But even in Europe, where there’s a passion for reestablishing<br />
the beauty of the past, there are lots of places<br />
where you can see mountain cuckoos. A Japanese publisher<br />
once showed me snapshots he had taken in<br />
Switzerland. One of them showed a ticket machine in<br />
Zurich. “The Swiss have the most beautiful ticket<br />
machines in the world,” he said. He found the Matterhorn,<br />
which he had photographed from Zermatt, just as<br />
beautiful. The picture looked just as if he had cut it out<br />
of an illustrated magazine. He also showed me pictures<br />
he had taken during a train ride up the Jungfrau. The<br />
first photo showed his face reflected in the train window.<br />
“It was dark,” was how he explained the picture. The<br />
second picture showed something white and shapeless.<br />
“If the weather had been good, we’d have seen a wonderful<br />
landscape from the top station.” There’s photography<br />
in the second subjunctive after all. He only showed<br />
these snapshots to people who had already been to the<br />
Jungfraujoch. He picks up a photo as if it were speech<br />
notes and begins to talk. It’s only when he talks that the<br />
picture you can’t see takes shape. The third picture<br />
shows the publisher himself in a blue raincoat outside<br />
a station building of some sort, with his camera dangling<br />
over his stomach. There is, he says, no higher station<br />
anywhere in the world. He’s personally been there, even<br />
though he can scarcely believe it any more. The place<br />
now seems to him inaccessibly remote.
Man kann versuchen, etwas näher heranzuholen, was wegen<br />
der geographischen oder zeitlichen Entfernung nicht mehr real<br />
vorkommt. Es könnte aber auch passieren, dass eine Landschaft<br />
oder eine Person in die Ferne rückt, weil man diese auf<br />
einem Foto sieht. Hier und jetzt knipsen und niemals ein Foto<br />
besitzen: Das wäre eine weniger nostalgische Haltung gegenüber<br />
einer Entfernung.<br />
Um sich in einem langweiligen Büroalltag selbst zu motivieren,<br />
stellt man sich in der Ferne einen schönen Lebensraum vor:<br />
Dieser Raum sollte den Gegensatz zu dem Berufsalltag verkörpern.<br />
Auf dem Schreibtisch von Büroangestellten sah ich oft<br />
Fotos von ihren Kindern oder von einem Urlaub.<br />
Die Fotos, die sie im Wohnzimmer haben, stellen dagegen ihre<br />
genealogischen Wurzeln dar: Auf einer alten Kommode bei einer<br />
Bekannten von mir stehen drei eingerahmte Familienfotos. An<br />
der Wand hängt ein Foto von den Großeltern. Das sind keine<br />
Schnappschüsse, sondern professionelle Aufnahmen, die in<br />
einem Fotostudio gemacht worden sind.<br />
Was für ein Bild hängt in dem Zimmer eines Menschen, der<br />
pausenlos unterwegs ist? In Gregor Samsas Zimmer hängt ein<br />
Bild, das er aus einer illustrierten Zeitschrift ausgeschnitten<br />
hat. Es stellt eine Dame dar, die – „mit einem Pelzhut und einer<br />
Pelzboa versehen“ – aufrecht dasitzt. Sie hebt einen schweren<br />
Pelzmuff, in dem ihr Unterarm verschwunden ist. Sie ist gerade<br />
dabei, sich in ein pelziges Tier zu verwandeln.<br />
Während das Ungeziefer von Kafka dieses Bild an der Wand<br />
hat, hängen an meiner Wand Fotografien von Ungeziefer.<br />
Vielleicht sollte man die Seidenraupen nicht als Ungeziefer<br />
bezeichnen, denn sie haben durch die Produktion von Seide<br />
bei der Industrialisierung Ostasiens eine wichtige Rolle gespielt.<br />
Die drei Schwarz-Weiß-Aufnahmen hängen senkrecht in einer<br />
Reihe zwischen zwei Fenstern. Auf den ersten zwei Fotos<br />
kriechen die Raupen, während auf dem letzten eine im Kokon<br />
schläft und sich auf die große Verwandlung vorbereitet.<br />
(Deutsche Übersetzung der Haikus von G.S. Dombrady)<br />
You can try to bring something nearer that no longer<br />
seems real because it’s so far way away in time or<br />
distance. But it could also happen that a landscape or<br />
people are distanced because you see them in photos.<br />
Taking snapshots here and now and never owning<br />
a photo would be a less nostalgic attitude towards<br />
remoteness.<br />
To motivate themselves amid the tedium of everyday<br />
office life, people imagine a lovely place to live, somewhere<br />
far away. The place is supposed to be everything<br />
office life isn’t. I’ve often noticed photos of children or<br />
holiday snapshots on office workers’ desks.<br />
The photos they have in their living rooms on the other<br />
hand represent their genealogical roots. One of my<br />
acquaintances has three framed family photos at home,<br />
on top of an old chest of drawers, while on the wall is<br />
a photo of the grandparents. They are not snapshots<br />
but professional photos taken in a studio.<br />
What kind of picture hangs in the room of someone<br />
who is always on the move? Gregor Samsa has in his<br />
room a picture he cut out of a magazine. It shows a<br />
lady sitting upright “in a fur hat and wearing a fur boa”.<br />
She is holding a heavy fur muff into which her forearm<br />
has vanished. She is on the point of turning herself into<br />
a furry creature.<br />
Whereas Kafka’s monster bug had that picture on<br />
the wall, on my wall there are pictures of ordinary bugs.<br />
Perhaps one shouldn’t call silkworms bugs, because<br />
they played an important part in industrialising East<br />
Asia by producing silk. The three black and white photos<br />
hang vertically in a row between two windows. On the<br />
first two photos the silkworms are crawling, while in the<br />
third, one of them is asleep in a cocoon, preparing for<br />
the great “Verwandlung” (metamorphsis).
Yoko Tawada 98 99
Index<br />
Masaki Fujihata<br />
geboren 1956 in Tokio/JPN<br />
lebt in Tokio/JPN<br />
Ausstellungen (Auswahl):<br />
Field-Work@Alsace, Lisboa<br />
Photo2005, Lissabon 2005; Field-<br />
Work@Alsace, Microwave Festival,<br />
Low Block, Hong Kong City Hall,<br />
Hong Kong 2004; Mersea Circle,<br />
firstsite gallery, Colchester 2003;<br />
Beyond Pages - Im Buchstabenfeld.<br />
Die Zukunft der Literatur, Neue<br />
Galerie Graz am Landesmuseum<br />
Joanneum/steirischer herbst, Graz<br />
2001; Field-Work@Hayama, Ars<br />
Electronica Festival, Linz 2001;<br />
Impressing Velocity, net conditions,<br />
ZKM, Karlsruhe 1999; Global Interior<br />
Project, Kunst- und Ausstellungshalle<br />
der Bundesrepublik Deutschland,<br />
Bonn 1997; Global Interior Project<br />
and Beyond Pages, Ars Electronica<br />
Festival, Linz 1996.<br />
Field-Work@Alsace, 2003<br />
Multimedia installation, Projektor, PC;<br />
Größe variabel<br />
Im Besitz des Künstlers;<br />
co-produziert von ZKM, Karlsruhe<br />
siehe S. 104, 105<br />
Rieko Hidaka<br />
geboren 1958 in Tokio/JPN<br />
lebt in Tokio/JPN<br />
Ausstellungen (Auswahl):<br />
Rieko Hidaka – Trees, Northland<br />
Museum of Art, Hokkaido 2004;<br />
Rieko Hidaka, Galerie 16, Kyoto 2004;<br />
Rieko Hidaka, Art Kite Museum,<br />
Detmold 2003; Masterpieces in CAMK<br />
selection – Today’s Japanese Traditional<br />
Painting, Contemporary Art<br />
Museum, Kumamoto 2003; Komorebi,<br />
Contemporary Art Gallery, Art<br />
Tower Mito, Ibaraki 2003; Painting<br />
in our time, The Niigata Bandaijima<br />
Art Museum, Niigata 2003; Rieko<br />
Hidaka – From the Space of Trees,<br />
Tomio Koyama Gallery, Tokio 2002,<br />
Galerie 16, Kyoto 2002; Here is the<br />
Museum, the scape collaborated with<br />
our collection, artists and you – The<br />
Encounter of our Collection and 4<br />
Artists, Shizuoka Prefectural Museum<br />
of Art, Shizuoka 2002; Rieko Hidaka,<br />
Karyn Lovegrove Gallery, Los Angeles<br />
2001; ikiro – be alive. Contemporary<br />
art from Japan 1980 until now,<br />
Kröller-Müller Museum, Otterlo 2001.<br />
Distance from the Sky I, 2002<br />
Pigment auf Papier; 240 × 240 cm<br />
Sammlung Hiroshima City Museum<br />
of Contemporary Art<br />
siehe S. 107<br />
Distance from the Sky II, 2002<br />
Pigment auf Papier; 240 × 240 cm<br />
Sammlung The Niigata Prefectural<br />
Museum of Modern Art/The Niigata<br />
Bandaijima Art Museum<br />
siehe S. 109<br />
Takashi Ito<br />
geboren 1956 in Fukuoka/JPN<br />
lebt in Kyoto/JPN<br />
Filme und Festivals (Auswahl):<br />
Monochrome Head, 10:00 min, 16-mm,<br />
1997; Apparatus M, 6:00 min, 16-mm,<br />
1997 (gezeigt in der Ausstellung<br />
Morimura – The Sickness unto Beauty,<br />
Yokohama Museum of Art, Yokuhama<br />
1996); Zone, 13:00 min, 16-mm, 1995;<br />
New York Film Festival 1995;<br />
Oberhausen International Film Festival<br />
1996; Brisbane International Film<br />
Festival 1996; Vancouver International<br />
Film Festival 1996; Tampere International<br />
Short Film Festival 1996;<br />
New Zealand Film Festival 1996;<br />
The Moon, 7:00 min, 16-mm, 1994;<br />
Rotterdam International Film Festival<br />
1995; Vancouver International Film<br />
Festival 1995; Kerala International<br />
Film Festival 1995; New Zealand Film<br />
Festival 1996; Hide-and-Seek in<br />
December, 7:30 min, Video, 1993;<br />
Venus, 4:00 min, 16-mm, 1990; The<br />
Dream of Mummy, 5:00 min, 16-mm,<br />
1989.<br />
Spacy, 1981<br />
Film, 10:00 min<br />
Courtesy of Image Forum<br />
siehe S. 111
Emiko Kasahara<br />
geboren 1963 in Tokio/JPN<br />
lebt in New York/USA<br />
Ausstellungen (Auswahl):<br />
On Reason and Emotion, The 14th<br />
Biennale of Sydney, Sydney 2004;<br />
Public/Private, The 2nd Auckland<br />
Triennial, Auckland, 2004;<br />
Formed to Function, John Michael<br />
Kohler Arts Center, Sheboygan,<br />
2003; Chat@MIMOCA, Marugame<br />
Genichiro-Inokuma Museum of<br />
Contemporary Art, Kagawa 2002;<br />
A Cabinet of Curiosities, The New<br />
York Public Library, New York 2002;<br />
Oral Fixation, Center for Cultural<br />
Studies Museum at Bard College,<br />
Annandale-on-Hudson, USA, 2002;<br />
Pink, White Box, New York 2001;<br />
Immaculate Fabrication, Deitch<br />
Projects, New York 1997; Emiko<br />
Kasahara, Gallery Kobayashi, Tokio<br />
1992.<br />
La Charme, 2001<br />
Synthetisches Haar, Sperrholz,<br />
Klettverschluss, DVD, Monitor;<br />
Größe variabel<br />
Courtesy of Emiko Kasahara<br />
und Yoshiko Isshiki Office, Tokio<br />
Installationsansicht<br />
Yokohama Triennale, 2001<br />
siehe S. 112/113<br />
La Charme #3, 2004<br />
Installation und Performance bei<br />
der Biennale of Sydney, 2004<br />
siehe S. 113<br />
Tadashi Kawamata<br />
geboren 1953 in Hokkaido/JPN<br />
lebt in Tokio/JPN<br />
Ausstellungen (Auswahl):<br />
Kawamata Coal Mine Project, Tagawa,<br />
2004, Project Reconsideration,<br />
Tagawa 2004; Work in Progress<br />
Project in Toyota City, Toyota 2004;<br />
Memory in Progress, Saint Thelo,<br />
2004; Wooden Terrace Beach, Basel<br />
2004; Echigo-Tsumari Art Triennial,<br />
Tsumari 2003; Biennal de Valencia,<br />
Valencia 2003; Bridge and Archives,<br />
Moyland/Bedburg-Hau 2003;<br />
Demeter: Tokachi International<br />
Contemporary Art Exhibition, Tokachi<br />
2002; Shanghai Biennale, Shanghai<br />
2002; Temporary Existence,<br />
Ex-Teresa Arte Actual, Mexico City<br />
2002; Daily News, Art Tower Mito,<br />
Mito 2001.<br />
Field Work in Tokio, 1989<br />
Verschiedene Materialien;<br />
Größe variable<br />
Courtesy of Tadashi Kawamata<br />
plus on the table, Tokio<br />
siehe S. 115<br />
Field Work in Graz, 2005<br />
Verschiedene Materialien;<br />
Größe variabel<br />
Courtesy of Tadashi Kawamata<br />
plus on the table, Tokio<br />
siehe S. 116 –117<br />
Yayoi Kusama<br />
geboren 1929 in Matsumoto/JPN<br />
lebt in Tokio/JPN<br />
Ausstellungen (Auswahl):<br />
Yayoi Kusama: The Place for My Soul,<br />
Matsumoto City Museum of Art,<br />
Matsumoto 2005; Yayoi Kusama:<br />
Sailing the Sea of Infinity, Contemporary<br />
Art Museum, Kumamoto 2005;<br />
Yayoi Kusama: Eight Places for<br />
Burning Soul, Hiroshima City Museum<br />
of Contemporary Art, Hiroshima 2005;<br />
Yayoi Kusama: Eternity-Modernity,<br />
The National Museum of Modern Art,<br />
Tokio und Kyoto 2004 – 2005; Eijanaika!<br />
Yes, Future! Post 20th Century<br />
Japan, Collection Lambert, Avignon<br />
2004; Water Level of Image – Transformation<br />
and Reflection of Narcissus,<br />
Toyota Municipal Museum of Art,<br />
Toyota 2004; Mediarena: Contemporary<br />
Art from Japan, The Govett-<br />
Brewster Art Gallery, Plymouth 2004;<br />
Kusamatrix, Mori Art Museum, Tokio<br />
2004.<br />
Rose Garden, 1998<br />
Verschiedene Materialien;<br />
135 × 125 × 65 cm<br />
Courtesy of Yayoi Kusama, Fabian &<br />
Claude Walter Galerie, Basel-Zürich<br />
und Robert Miller Gallery, New York<br />
siehe S. 121<br />
Walking on the Sea of Death, 1981<br />
Gefüllter und genähter Stoff,<br />
Holzboot, Farbe; 58 × 256 × 158 cm<br />
Sammlung des Museum of<br />
Contemporary Art, Tokio<br />
siehe S. 123<br />
Trinh T. Minh-ha 218 219<br />
geboren 1952 Hanoi/VN<br />
lebt in Berkeley/USA<br />
Filme, Screenings, Ausstellungen<br />
und Festivals (Auswahl):<br />
Shanghai Biennale 2004 – Techniques<br />
of the Visible, Shanghai Biennale,<br />
Shanghai 2004; Busan Art Biennale<br />
2004, Busan 2004; MACBA (Museum<br />
of Contemporary Art) Barcelona 2003;<br />
documenta 11: Naked Spaces –<br />
Living is Round, 16-mm-Film, 1985;<br />
Poesie des Wohnens und Experimente<br />
mit gesteigerter akustischer Wahrnehmung,<br />
Musik, Umgebungsgeräuschen<br />
und Momenten der Stille, Kassel<br />
2002; Screening, Wiener Secession,<br />
Wien 2001; Screening, Haus der<br />
Kulturen der Welt, Berlin 1999;<br />
Screening, Brooklyn Museum of Art,<br />
New York, The Museum of Modern<br />
Art, New York, und The Art Institute<br />
of Chicago, 1997; Feminale Women’s<br />
Film Festival, Köln 1996 (Special<br />
Tribute); Screening, Shedhalle, Zürich<br />
und Kunstverein München 1995.<br />
The Fourth Dimension, 2001<br />
Digitalfilm/VHS, Farbe; 87:00 min<br />
Produziert von Jean-Paul Bourdier<br />
und Trinh T. Minh-ha, Regie,<br />
Fotografie, Buch, erzählt und herausgegeben<br />
von Trinh T. Minh-ha, Musik<br />
von The Construction of Ruins, mit<br />
Greg Goodman und von Shoko Hikage<br />
siehe S. 125 – 127
Hiroyuki Moriwaki<br />
geboren 1964 in Wakayama/JPN<br />
lebt in Tokio/JPN<br />
Ausstellungen (Auswahl):<br />
Visualize – The history and futurescape<br />
of visual media, Tokyo Metropolitan<br />
Museum of Photography, Tokio<br />
2005; My Sweet Home, Spiral<br />
Garden/Wacoal Art Center, Tokio<br />
2003; Re-Imagination-image/media/<br />
museum, Tokyo Metropolitan Museum<br />
of Photography, Tokio 2002;<br />
Moriwakit EXPO 2001, Sagamihara<br />
City Museum, Kanagawa 2001;<br />
Space Odyssey, Art Tower Imaraki,<br />
Mito 2001, Resolution, 20th Wharf,<br />
Port of Nagoya, Nagoya 2000;<br />
Debris of Heaven (Live Performance),<br />
Hara Museum of Contemporary Art,<br />
Tokio 1999; Media Select, 20th<br />
Wharf, Port of Nagoya, Nagoya 1999;<br />
Garden of Memory by Minato and<br />
Moriwaki, NTT Inter Communication<br />
Center, Tokio 1998; AKARI Message,<br />
AXIS Gallery, Tokio 1998; Nagoya<br />
International Biennale ARTEC’97,<br />
Nagoya City Art Museum, Nagoya<br />
1997.<br />
Lake Awareness, 2005<br />
LED, Leiterplatine, Aluminium;<br />
500 × 500 × 175 cm<br />
Sammlung des Künstlers<br />
siehe S. 129<br />
Daido Moriyama<br />
geboren 1938 in Osaka/JPN<br />
lebt in Tokio/JPN<br />
Einzelausstellungen (Auswahl):<br />
Buenos Aires, Taha Ishii Gallery, Tokio<br />
2005; Moriyama : Shinjuku : Araki,<br />
Tokyo Opera City Gallery, Tokio<br />
2005; Moriyama Daido 1965 – 2003,<br />
Shimane Art Museum, Shimane<br />
2003; Shinjuku, Taka Ishii Gallery,<br />
Tokio 2002; inside the white cube:<br />
Antipodes, White Cube, London 2002;<br />
Platform, Light and Shadow, Daiwa<br />
Radiator Factory, Hiroshima 2002;<br />
Daido Moriyama: Stray Dog,<br />
San Francisco MOMA, San Francisco<br />
1999; Fragments, Parco Gallery,<br />
Tokio 1998; Osaka, Taka Ishii Gallery,<br />
Tokio 1997; Moriyama Daido,<br />
Laurence Miller Gallery, New York<br />
1993; Moriyama Daido, Zeit Photo<br />
Salon, Tokio 1990; Light and Shadow,<br />
Nagase Photo Salon 1981; Das<br />
ist Japan, Camera Austria, Forum<br />
Stadtpark 1980.<br />
KIROKU no. 2 (Records no. 2), o.J.<br />
Gelatine-Silber-Print; 16 × 23,8 cm<br />
Sammlung der Shadai Gallery, Tokio<br />
siehe S. 131<br />
Ohne Titel, o.J.<br />
Doppelseite aus dem Buch<br />
SHASHINYO SAYOUNARA (A Farewell<br />
to Photography), 1972; 36,2 × 23 cm<br />
Sammlung Toshiharu Ito, Tokio<br />
siehe S. 132/133<br />
Scandalous: Wild Party, 1970<br />
Seite aus dem Buch SHASHINYO<br />
SAYOUNARA (A Farewell to<br />
Photography), 1972; 18 × 23 cm<br />
Sammlung Toshiharu Ito, Tokio<br />
siehe S. 135<br />
Light and Shadow 2: On the Road,<br />
Chair, 1981–1982<br />
Gelatine-Silber-Print; 24 × 29 cm<br />
Sammlung Tatsumi Sato<br />
Courtesy of Taka Ishii Gallery, Tokio<br />
siehe S. 136/137<br />
Light and Shadow 4, Hat, 1981–1982<br />
Gelatine-Silber-Print; 35 × 41,9 cm<br />
Sammlung Tatsumi Sato<br />
Courtesy of Taka Ishii Gallery, Tokio<br />
siehe S. 138/139<br />
Shinjuku, 2001–2002<br />
Gelatine-Silber-Print; 83,7 × 55,5 cm<br />
Courtesy of Taka Ishii Gallery, Tokio<br />
siehe S. 140<br />
Takuma Nakahira<br />
geboren 1938 in Tokio/JPN<br />
lebt in Yokahama/JPN<br />
Einzelausstellungen (Auswahl):<br />
Why an illustrated human-animal<br />
dictionary? Shugoarts, Tokio 2004;<br />
Takuma Nakahira: Degree Zero,<br />
Naha Civic Gallery, Naha, Okinawa,<br />
2004; Takuma Nakahira: Degree<br />
Zero – Yokohama, Yokohama Museum<br />
of Art, Yokohama, 2003;<br />
Everyday Life: Nakahira Takuma Now,<br />
C-square, Art Gallery of the Chukyo<br />
University, Nagoya, 1997; Adieu à X,<br />
Photo Daido, Tokio 1989.<br />
Ohne Titel, 1978 –1989<br />
Gelatine-Silber-Print; 21,2 × 29,1 cm<br />
Sammlung des Künstlers<br />
siehe S. 143<br />
Degree Zero – Yokohama, 2002<br />
C-Print; 90 × 60 cm<br />
Courtesy of Shugoarts, Tokio<br />
siehe S. 145<br />
Degree Zero – Yokohama, 2002<br />
C-Print; 90 × 60 cm<br />
Courtesy of Shugoarts, Tokio<br />
siehe S. 147<br />
La nuit 3, ca. 1969<br />
Photogravure auf Papier;<br />
57,2 × 84,5 cm<br />
Sammlung Catherine und<br />
Jacques Pineau<br />
siehe S. 148/149<br />
La nuit 5, ca. 1969<br />
Photogravure auf Papier<br />
58,2 × 83,4 cm<br />
Sammlung Catherine und<br />
Jacques Pineau<br />
siehe S. 150/151<br />
Amami Oshima, 1975<br />
C-Print; 38,7 × 58 cm<br />
Courtesy of Shugoarts, Tokio<br />
siehe S. 152/153<br />
Tetsuya Nakamura<br />
geboren 1969 in Chiba/JPN<br />
lebt in Tokio/JPN<br />
Ausstellungen (Auswahl):<br />
Young Artists from Korea, China and<br />
Japan, The National Museum of<br />
Cotemporary Art, Korea, Seoul 2004;<br />
Passage to the Future: Young<br />
Japanese Artists, from the Japan<br />
Foundation Collection 2004;<br />
Roppongi Crossing: New Visions<br />
of Japanese Art 2004, Mori Art Museum,<br />
Tokio 2004; Living together is<br />
easy, Contemporary Art Center, Art<br />
Tower Mito, Ibaraki 2004, National<br />
Gallery of Victoria, Victoria 2004;<br />
Home Sweet Home, Spiral Garden/<br />
Wacoal Art Center, Tokio 2003;<br />
A_MUSE_LAND 2003 Asoventurers<br />
World, Hokkaido Museum of Modern<br />
Art, Sapporo 2002; Chiba Art Now ’02<br />
Retracing the Paths, Sakura City<br />
Museum of Art, Chiba 2002;<br />
Emotional Site, Saga-cho Shokuryo<br />
Bild., Tokio 2002; Un monde reve de<br />
la main, Maison Hermes, Tokio 2002;<br />
Speed King, Rice Gallery by G2,<br />
Tokio 2001; Replica Custom, Gallery<br />
Koyanagi, Tokio 1999.<br />
Premium Unit Bath, 2003<br />
Farbe auf FRP; 90 × 200 × 130 cm<br />
Sammlung des Künstlers<br />
siehe S. 155<br />
Premium Unit Pillar, 2003<br />
Farbe auf FRP; 120 × 110 × 80 cm<br />
Sammlung des Künstlers<br />
siehe S. 156<br />
Premium Unit Step, 2003<br />
Farbe auf FRP; 180 × 110 × 60 cm<br />
Sammlung des Künstlers<br />
siehe S. 156
Motohiko Odani<br />
geboren 1972 in Kyoto/JPN<br />
lebt Tokio/JPN<br />
Ausstellungen (Auswahl):<br />
Erectro, Yamamoto Gendai, Tokio<br />
2004; Heterotopias: Japanese<br />
Pavillion, Dream and Conflict: 50.<br />
Biennale die Venezia, Venedig 2003;<br />
Strategies of Desire, Kunsthaus<br />
Baselland, Basel 2004; En Melody,<br />
Fine Art Rafael Vorstell, Berlin 2001;<br />
Translated Acts, Haus der Kulturen<br />
der Welt, Berlin und Queens Museum<br />
of Art, New York 2001; Marella Arte<br />
Contemporanea, Mailand 2001;<br />
5th biennale de lyon, art contemporain,<br />
Halle Tony Garnier, Lyon 2000;<br />
Guarene Arte 99, Fondazione<br />
Sandretto Re Rebaudengo, Turin<br />
1999; Transfiguration, Röntgen<br />
Kunstraum, Tokio 1998; Phantom<br />
Limb, P-House Tokyo, Tokio 1997.<br />
Berenice, 2003<br />
FRP, Stahl etc.; Größe variabel<br />
(Durchmesser der Kugel ca. 300 cm)<br />
TAKAHASHI Collection<br />
siehe S. 158/159<br />
Skeleton, 2003<br />
FRP; 45 × 400 cm<br />
Courtesy of Yamamoto Gendai, Tokio<br />
siehe S. 161<br />
Taro Okamoto<br />
geboren 1911 in Kawasaki/JPN<br />
gestorben 1996 in Tokio/JPN<br />
Ausstellungen (Auswahl):<br />
Taro Okamoto – La solitude absolue,<br />
Contemporary Art Museum,<br />
Kumamoto 2003; Photographer<br />
Taro Okamoto, Sendai Mediatheque<br />
2003; Message from the Tower of<br />
the Sun: Taro Okamoto and EXPO’70,<br />
Taro Okamoto Museum of Art,<br />
Kawasaki 2000; TARO, a truly<br />
multifaceted individual, Taro Okamoto<br />
Museum of Art, Kawasaki 1999;<br />
Taro Okamoto, Hiroshima City Museum<br />
of Contemporary Art, 1995; Taro<br />
Kaleidoscope, Kawasaki City Museum,<br />
1993; Taro Okamoto – Outstanding<br />
Talent from Kawasaki, Kawasaki City<br />
Museum, Kawasaki 1991; Avantgarde<br />
art in Japan 1945–1965, Oxford<br />
Museum of Modern Art, Oxford 1985;<br />
Taro Okamoto, Yamanashi Prefectural<br />
Museum of Art, Kofu 1981.<br />
Gefäß der Jomon-Periode, Detail,<br />
Nagano (Ausgrabungsort),<br />
Tokyo National Museum, 1956<br />
Gelatine-Silber-Print; 37,9 × 25 cm<br />
Sammlung des Taro Okamoto<br />
Museum of Art, Kawasaki<br />
siehe S. 163<br />
IZAIHO-Zeremonie, Kudakajima,<br />
Okinawa, 1966<br />
Gelatine-Silber-Print; 27,4 × 37,8 cm<br />
Sammlung des Taro Okamoto<br />
Museum of Art, Kawasaki<br />
siehe S. 164/165<br />
O-UTAKI-Heiligtum, Kudakajima,<br />
Okinawa, 1959<br />
Gelatine-Silber-Print; 39 × 59 cm<br />
Sammlung des Taro Okamoto<br />
Museum of Art, Kawasaki<br />
siehe S. 166/167<br />
SHISHI-ODORI (Hirschtanz),<br />
Hanamaki-Heißwasserquellen,<br />
Iwate, 1957<br />
Gelatine-Silber-Print; 40,4 × 27 cm<br />
Sammlung des Taro Okamoto<br />
Museum of Art, Kawasaki<br />
siehe S. 169<br />
Löwentanz in Kabira, Ishigakijima,<br />
Okinawa, 1959<br />
Gelatine-Silber-Print; 26,7 × 40,2 cm<br />
Sammlung des Taro Okamoto<br />
Museum of Art, Kawasaki<br />
siehe S. 170/171<br />
Braten einer Ziege, Ishigakijima,<br />
Okinawa, 1959<br />
Gelatine-Silber-Print; 37,9 × 24,8 cm<br />
Sammlung des Taro Okamoto<br />
Museum of Art, Kawasaki<br />
siehe S. 172<br />
Yoko Ono<br />
geboren 1933 in Tokio/JPN<br />
lebt in New York/USA<br />
Ausstellungen (Auswahl):<br />
Horizontal MemorieS. Performances,<br />
installations, films, music, sculptures<br />
and photography, Astrup Fearnley<br />
Museum of Modern Art, Oslo 2005;<br />
Do You Believe in Reality?, 2004<br />
Taipei Biennial, Taipei Fine Arts<br />
Museum – Taipei Biennial, Taipei<br />
2005; Editions, Ephemera and<br />
Printed Works. Yoko Ono, Printed<br />
Matter Inc., New York 2004; Yoko<br />
Ono, Kulturhuset, Stockholm 2004;<br />
Yes Yoko Ono, Museum of Contemporary<br />
Art Tokyo, Hiroshima City<br />
Museum of Contemporary Art, Art<br />
Tower Mito, Tokio, Hiroshima, Ibarakiken<br />
2004; Tri(o)ptique – Akerman/<br />
Ono/Moral. Chantal Akerman, Yoko<br />
Ono, Sukran Moral, Luxflux Museo<br />
Laboratorio di Arte Contemporanea,<br />
Rom 2003.<br />
Pointedness, 1964/1966<br />
Kristallkugel auf Plexiglas-Sockel;<br />
Kugel: Durchmesser 6,6 cm,<br />
Sockel: 147,6 × 26,6 × 25,4 cm<br />
Sammlung der Künstlerin<br />
siehe S. 175<br />
Apple, 1996<br />
Apfel, Plexiglas-Sockel mit<br />
Kupferplankette; 91,5 × 25,4 × 25,4 cm<br />
Sammlung der Künstlerin<br />
siehe S. 177<br />
Forget it, 1966<br />
Nadel aus rostfreiem Stahl auf<br />
Plexiglas-Sockel; Nadel: 8,2 cm,<br />
Sockel: 147,6 × 26,6 × 25,4 cm<br />
Sammlung der Künstlerin<br />
siehe S. 179<br />
Yutaka Sone<br />
220 221<br />
geboren 1965 in Shizuoka/JPN<br />
lebt in California/USA<br />
Ausstellungen (Auswahl):<br />
Universal Experience: Art, Life & the<br />
Tourists Eye, MCA Chicago, Chicago<br />
2005; Yutaka Sone, Gallery Side 2,<br />
Tokio 2004; Brainstorming: Topographie<br />
de la morale, Centre National<br />
d‘art et du Paysage de Vassivière,<br />
île de Vassivière 2004; 100 Artists<br />
See God, Independent Curators International,<br />
New York 2004; Happy<br />
Trail, Shiseido Gallery, Tokio 2003;<br />
White Cave, Akiyoshidai International<br />
Art Village, Mine-gun 2003; Yutaka<br />
Sone: Jungle Island, MOCA at the<br />
Geffen Contemporary, Los Angeles<br />
2003; The Gift: Generous offerings,<br />
insidious hospitality, Block Museum<br />
of Art at Northwestern University,<br />
Chicago 2003; Travel to Double River<br />
Island, Toyota Municipal Museum<br />
of Art, Toyota 2002; Beautiful Artist<br />
(curated by Yutaka Sone), YICA,<br />
Yamaguchi 2002; I Love NY –<br />
A Benefit, David Zwirner Gallery,<br />
New York 2001; Techno-Landscape:<br />
Toward Newer World Textures, NTT<br />
Inter Communication Center, Tokio<br />
2001; Double Six, ArtPace, San<br />
Antonio 2000.<br />
Hello Bat, 1999<br />
DVD; 4:00 min<br />
Sammlung Hauser und Wirth,<br />
Schweiz<br />
siehe S. 180<br />
Bat, 1999<br />
Wachsmalfarben, Bleistift<br />
auf Papier; 43,2 × 58 cm<br />
Sammlung Hauser und Wirth,<br />
Schweiz<br />
siehe S. 181<br />
Green Jungle, 1999<br />
Getrocknetes Seegras, Schwamm,<br />
getrocknete Blumen,<br />
Gewebe, Kleber, Baum;<br />
92 × 132 × 200 cm<br />
Sammlung Hauser und Wirth,<br />
Schweiz<br />
siehe S. 182/183<br />
Highway Junction 110–10, 2002<br />
Behauener Marmor;<br />
24,1 × 133,4 × 130,1 cm<br />
Daros Collection, Schweiz<br />
siehe S. 184, 185<br />
Highway Junction 14–5, 2002<br />
Behauener Marmor;<br />
34 × 113 × 123,5 cm<br />
Daros Collection, Schweiz<br />
siehe S. 186, 187
Yoshihiro Suda<br />
geboren 1969 in Yamanashi/JPN<br />
lebt in Tokio/JPN<br />
Ausstellungen (Auswahl):<br />
VOLTAshow 01, Basel 2005; Blumenstück<br />
– Künstlers Glück, Museum<br />
Morsbroich, Leverkusen 2005;<br />
Skulptur. Prekärer Realismus<br />
zwischen Melancholie und Komik,<br />
Kunsthalle Wien, Wien 2005; Yoshihiro<br />
Suda and Takehito Koganezawa:<br />
‚Ma‘, Douglas Hyde Gallery, Dublin<br />
2004; Petites natures? – Installations<br />
de Koichi Kurita et Yoshihiro Suda,<br />
Maison de la culture du Japon, Paris,<br />
2004; Yoshihiro Suda, Palais de<br />
Tokyo, Paris 2004; Yoshihiro Suda –<br />
New Sculptures, D´Amelio Terras<br />
Gallery, New York 2004;<br />
flower power, Blumen in der Kunst,<br />
Lille 2004 – Kulturhauptstadt Europas<br />
2004; Yoshihiro Suda, Galerie Wohnmaschine,<br />
Berlin 2003; La Biennale<br />
de Montréal 2000, Biennale Montreal,<br />
Montreal 2000.<br />
Rose, 2003<br />
Bemaltes Holz<br />
Courtesy of Gallery Koyanagi<br />
Installationsansicht Location of the<br />
Spirit – Contemporary Japanese Art,<br />
Budapest 2003<br />
siehe S. 189<br />
Hiroshi Sugimoto<br />
geboren 1948 in Tokio/JPN<br />
lebt in New York/USA<br />
Ausstellungen (Auswahl):<br />
Conceptual Forms, Gagosian Gallery<br />
Britannia, London 2005; Conceptual<br />
Forms, Sonnabend Gallery, New York<br />
2005; Sophie Calle + Hiroshi Sugimoto,<br />
Gallery Koyanagi, Tokio 2005;<br />
Photographs by Hiroshi Sugimoto:<br />
The Sylvan Barret and William Burto<br />
Collection, Museum of Fine Arts,<br />
Boston 2005; Hiroshi Sugimoto, Étant<br />
donné: Le Grand Verre, Fondation<br />
Cartier pour l’art contemporain,<br />
Paris 2004 – 2005; Hiroshi Sugimoto,<br />
Galería Javier López, Madrid 2004;<br />
Singular Forms (Sometimes Repeated):<br />
Art from 1951 to the Present,<br />
Solomon R. Guggenheim Museum,<br />
New York 2004; Five Billion Years,<br />
Swiss Institute, New York 2004;<br />
Hiroshi Sugimoto: Sea of Buddha,<br />
David and Alfred Smart Museum of<br />
Art, Chicago 2003 – 2004; Supernova:<br />
Art of the 1990s from the Logan<br />
Collection, San Francisco Museum<br />
of Modern Art, San Francisco<br />
2003 – 2004.<br />
Sea of Buddha, 1995<br />
Gelatine-Silber-Prints<br />
(48 Stück); je 42 × 54,5 cm<br />
Sammlung Hara Museum<br />
of Contemporary Art<br />
(vormaliger Titel: Hall of<br />
Thirty-three Bays)<br />
siehe S. 191–193<br />
Mathematical Forms:<br />
Surface 0009, Conic Surface<br />
of Revolution with Constant<br />
Negative Curvature, 2004<br />
Gelatine-Silber-Prints<br />
Edition 4/5; 149,2 × 119,4 cm<br />
Privatsammlung Chicago<br />
siehe S. 194<br />
Mathematical Forms:<br />
Curves 0014, Two Hyperbola<br />
Tangent to one Another, 2004<br />
Gelatine-Silber-Prints<br />
Edition 4/5; 149,2 × 119,4 cm<br />
Courtesy of Gagosian Gallery<br />
siehe S. 195<br />
Mechanical Forms 0029,<br />
Quick Return Motion<br />
Used in Metal Cutting, 2004<br />
Gelatine-Silber-Prints<br />
Edition 4/5; 149,2 × 119,4 cm<br />
Courtesy of Gagosian Gallery<br />
siehe S. 195<br />
Makoto Sei Watanabe<br />
geboren 1952 in Yokohama/JPN<br />
lebt in Tokio/JPN<br />
Ausstellungen und Projekte<br />
(Auswahl):<br />
Shin Minamata MON, Minamatacity,<br />
2005; Fiber Wave II, III, ICC Tokyo,<br />
Biennale di Venezia, Venedig<br />
1999 – 2000; Fiber Wave: environmental<br />
art, Gifu and Tokyo, Chicago,<br />
1995, 1996, 1998; Subway station/<br />
Iidabashi & Web frame, Tokio 2000;<br />
K-Museum, Tokio 1996; Aoymama<br />
technical college, Tokio 1990.<br />
Fiber Wave I, K-Museum, 1996<br />
Karbonfiber, LED, Solarbatterie usw.;<br />
Höhe: 4 m, Fläche variabel<br />
Sammlung des Künstlers<br />
siehe S. 196<br />
Fiber Wave II, 1999<br />
Plastik, Ventilator, Computerprogramm<br />
etc.;<br />
Höhe: 4 m, Fläche variabel<br />
Sammlung des Künstlers<br />
Installationsansicht<br />
Biennale di Venezia, 2000<br />
siehe S. 197<br />
Masaaki Yamada<br />
geboren 1930 in Tokio/JPN<br />
lebt in Tokio/JPN<br />
Ausstellungen (Auswahl):<br />
Why Not Live For Art?, Tokyo Opera<br />
City Art Gallery, Tokio 2004;<br />
Remaking Modernism in Japan 1900 –<br />
2000, Sezon Museum of Modern Art,<br />
Nagano 2004, Museum of Contemporary<br />
Art, Tokyo & The University Art<br />
Museum – Tokio National University<br />
of Fine Arts and Music, Tokio 2004;<br />
Masaaki Yamada, M Art, Tokio 2003;<br />
Hirano Museum Modern Art Exhibition,<br />
Hirano Museum of Art, Shizuoka<br />
2003; Contemporary Japanese<br />
Watercolor – Wet in wet, Gradated<br />
Wash, Overpainting, Line, The Shoto<br />
Museum of Art, Tokio 2002; Masaaki<br />
Yamada, Gallery Kasahara, Tokio<br />
2002; The unfinished century: legacies<br />
of 20th century art, National Museum<br />
of Modern Art, Tokio 2002; Invitation of<br />
Contemporary Art, Tottori Prefectural<br />
Museum, Tottori 2001.<br />
Work D–87, 1972<br />
Öl auf Leinwand; 227 × 162 cm<br />
Sammlung The National Museum<br />
of Art, Osaka<br />
siehe S. 199<br />
Work C–400, 1969<br />
Öl auf Leinwand; 162 × 112 cm<br />
Sammlung Metropolitan Museum<br />
of Contemporary Art, Tokio<br />
siehe S. 201
Miwa Yanagi<br />
geboren 1967 in Kobe/JPN<br />
lebt in Kyoto/JPN<br />
Ausstellungen (Auswahl):<br />
Miwa Yanagi, Hara Museum of<br />
Contemporary Art, Tokio 2005;<br />
Self-Portrait Landscape, Woo Je Gil<br />
Museum, Gwangyu 2004; Fairy Tale,<br />
Galeria Leyendecker, Canarie Islands<br />
2004; Art Downtown: Connecting<br />
Collections, Wall Street Rising, New<br />
York 2004; Darkness of Girlhood &<br />
Lightness of Aging, Marugame<br />
Genichiro-Inokuma Museum of<br />
Contemporary Art, Kagawa 2004;<br />
Miwa Yanagi, Sammlung Deutsche<br />
Bank, Deutsche Guggenheim, Berlin<br />
2004; Takarazuka: The Land of<br />
Dreams, Suntory Museum, Osaka;<br />
Tokyo Opera City Art Gallery, Tokio<br />
2004; Sogo Museum, Yokohama<br />
2004; Mediarena: Contemporary<br />
Art from Japan, Govette-Brewster<br />
Art Gallery, New York, 2004.<br />
Girls in her Sand, 2004<br />
Videoinstallation, Zelt,<br />
2 Fotografien;<br />
Zelt: 300 × 300 × 400 cm<br />
Courtesy of Yoshiko Isshiki Office<br />
siehe S. 202 – 205<br />
Untitled 1, 2004<br />
Gelatine-Silber-Print; 140 × 100 cm<br />
Courtesy of Yoshiko Isshiki Office<br />
siehe S. 207<br />
Untitled 2, 2004<br />
Gelatine-Silber-Print; 140 × 100 cm<br />
Courtesy of Yoshiko Isshiki Office<br />
siehe S. 208<br />
BIX Media Competition<br />
Kentaro Taki<br />
geboren 1973 in Osaka/JPN<br />
Medienkünstler, Direktor der Non<br />
Profit Organization, VIDEOART<br />
CENTER Tokio<br />
Tentakle, 2005<br />
QuickTime Film, produziert für die<br />
BIX Fassade des Kunsthaus Graz<br />
siehe S. 211<br />
Shinsuke Kajitaka<br />
Geboren 1981 in Hiroshima/JPN<br />
Medienkünstler<br />
Waterfall, 2005<br />
QuickTime Film, produziert für die<br />
BIX Fassade des Kunsthaus Graz<br />
siehe S. 213<br />
222 223
Index<br />
Masaki Fujihata<br />
born 1956 in Tokyo/JPN<br />
lives in Tokyo/JPN<br />
Exhibitions (selection)<br />
Field-Work@Alsace, Lisboa<br />
Photo2005, Lisbon 2005; Field-<br />
Work@Alsace, Microwave Festival,<br />
Low Block, Hong Kong City Hall,<br />
Hong Kong 2004; Mersea Circle,<br />
firstsite gallery, Colchester 2003;<br />
Beyond Pages – Im Buchstabenfeld.<br />
Die Zukunft der Literatur, Neue<br />
Galerie Graz am Landesmuseum<br />
Joanneum/steirischer herbst, Graz<br />
2001; Field-Work@Hayama, Ars<br />
Electronica Festival, Linz 2001;<br />
Impressing Velocity, net conditions,<br />
ZKM, Karlsruhe 1999; Global Interior<br />
Project, Kunst- und Ausstellungshalle<br />
der Bundesrepublik Deutschland,<br />
Bonn 1997; Global Interior Project<br />
and Beyond Pages, Ars Electronica<br />
Festival, Linz 1996.<br />
Field-Work@Alsace, 2003<br />
Multimedia installation, projector, PC;<br />
dimensions variable<br />
Property of the artist; co-produced<br />
by ZKM, Karlsruhe<br />
see p. 104, 105<br />
Rieko Hidaka<br />
born 1958 in Tokyo/JPN<br />
lives in Tokyo/JPN<br />
Exhibitions (selection):<br />
Rieko Hidaka – Trees, Northland<br />
Museum of Art, Hokkaido 2004;<br />
Rieko Hidaka, Galerie 16, Kyoto 2004;<br />
Rieko Hidaka, Art Kite Museum,<br />
Detmold 2003; Masterpieces in CAMK<br />
selection – Today’s Japanese Traditional<br />
Painting, Contemporary Art<br />
Museum, Kumamoto 2003; Komorebi,<br />
Contemporary Art Gallery, Art<br />
Tower Mito, Ibaraki 2003; Painting<br />
in our time, The Niigata Bandaijima<br />
Art Museum, Niigata 2003; Rieko<br />
Hidaka – From the Space of Trees,<br />
Tomio Koyama Gallery, Tokyo 2002,<br />
Galerie 16, Kyoto 2002; Here is the<br />
Museum, the scape collaborated with<br />
our collection, artists and you – The<br />
Encounter of our Collection and 4<br />
Artists, Shizuoka Prefectural Museum<br />
of Art, Shizuoka 2002; Rieko Hidaka,<br />
Karyn Lovegrove Gallery, Los Angeles<br />
2001; ikiro – be alive. Contemporary<br />
art from Japan 1980 until now,<br />
Kröller-Müller Museum, Otterlo 2001.<br />
Distance from the Sky I, 2002<br />
Pigment on paper; 240 × 240 cm<br />
Collection of Hiroshima City Museum<br />
of Contemporary Art<br />
see p. 107<br />
Distance from the Sky II, 2002<br />
Pigment on paper; 240 × 240 cm<br />
Collection of The Niigata Prefectural<br />
Museum of Modern Art/The Niigata<br />
Bandaijima Art Museum<br />
see p. 109<br />
Takashi Ito<br />
born 1956 in Fukuoka/JPN<br />
lives in Kyoto/JPN<br />
Films and Festivals (selection):<br />
Monochrome Head, 10:00 min, 16mm,<br />
1997; Apparatus M, 6:00 min,<br />
16-mm, 1997 (shown in the exhibition<br />
Yasumasa Morimura – The<br />
Sickness unto Beauty, Yokohama<br />
Museum of Art, Yokuhama 1996);<br />
Zone, 13:00 min, 16-mm, 1995; New<br />
York Film Festival 1995; Oberhausen<br />
International Film Festival 1996;<br />
Brisbane International Film Festival<br />
1996; Vancouver International Film<br />
Festival 1996; Tampere International<br />
Short Film Festival 1996;<br />
New Zealand Film Festival 1996;<br />
The Moon, 7:00 min, 16-mm, 1994;<br />
Rotterdam International Film Festival<br />
1995; Vancouver International Film<br />
Festival 1995; Kerala International<br />
Film Festival 1995; New Zealand Film<br />
Festival 1996; Hide-and-Seek in<br />
December, 7:30 min, video, 1993;<br />
Venus, 4:00 min, 16-mm, 1990; The<br />
Dream of Mummy, 5:00 min, 16-mm,<br />
1989.<br />
Spacy, 1981<br />
Film, 10:00 min<br />
Courtesy of Image Forum<br />
see p. 111
Emiko Kasahara<br />
born 1963 in Tokyo/JPN<br />
lives in New York/USA<br />
Exhibitions (selection):<br />
On Reason and Emotion, The 14th<br />
Biennale of Sydney, Sydney, 2004;<br />
Public/Private, The 2nd Auckland<br />
Triennial, Auckland, 2004;<br />
Formed to Function, John Michael<br />
Kohler Arts Center, Sheboygan<br />
2003; Chat@MIMOCA, Marugame<br />
Genichiro-Inokuma Museum of<br />
Contemporary Art, Kagawa 2002;<br />
A Cabinet of Curiosities, The New<br />
York Public Library, New York 2002;<br />
Oral Fixation, Center for Cultural<br />
Studies Museum at Bard College,<br />
Annandale-on-Hudson, USA. 2002;<br />
Pink, White Box, New York 2001;<br />
Immaculate Fabrication, Deitch<br />
Projects, New York 1997; Emiko<br />
Kasahara, Gallery Kobayashi, Tokyo<br />
1992.<br />
La Charme, 2001<br />
Synthetic hair, plywood, Velcro, DVD,<br />
monitor; dimensions variable<br />
Courtesy of the artist and Yoshiko<br />
Isshiki Office, Tokyo<br />
Installation view of<br />
Yokohama Triennale, 2001<br />
see p. 112/113<br />
La Charme #3, 2004<br />
Installation and Performance<br />
of Biennale of Sydney, 2004<br />
see p. 113<br />
Tadashi Kawamata<br />
born 1953 in Hokkaido/JPN<br />
lives in Tokyo/JPN<br />
Exhibitions (selection):<br />
Kawamata Coal Mine Project,<br />
Tagawa, 2004, Project Reconsideration,<br />
Tagawa 2004; Work in Progress<br />
Project in Toyota City, Toyota 2004;<br />
Memory in Progress Saint Thelo,<br />
2004; Wooden Terrace Beach, Basel<br />
2004; Echigo-Tsumari Art Triennial,<br />
Tsumari 2003; Biennal de Valencia,<br />
Valencia 2003; Bridge and Archives,<br />
Moyland, Bedburg-Hau 2003;<br />
Demeter: Tokachi International<br />
Contemporary Art Exhibition, Tokachi<br />
2002; Shanghai Biennale, Shanghai<br />
2002; Temporary Existence,<br />
Ex-Teresa Arte Actual, Mexico City<br />
2002; Daily News, Art Tower Mito,<br />
Mito 2001.<br />
Field Work in Tokyo, 1989<br />
Mixed media; dimensions variable<br />
Courtesy of the artist and<br />
on the table, Tokyo<br />
see p. 115<br />
Field Work in Graz, 2005<br />
Mixed media; dimensions variable<br />
Courtesy of the artist and<br />
on the table, Tokyo<br />
see p. 116 –117<br />
Yayoi Kusama<br />
born 1929 in Matsumoto/JPN<br />
lives in Tokyo/JPN<br />
Exhibitions (selection):<br />
Yayoi Kusama: The Place for My Soul,<br />
Matsumoto City Museum of Art,<br />
Matsumoto 2005; Yayoi Kusama:<br />
Sailing the Sea of Infinity, Contemporary<br />
Art Museum, Kumamoto 2005;<br />
Yayoi Kusama: Eight Places for<br />
Burning Soul, Hiroshima City Museum<br />
of Contemporary Art, Hiroshima 2005;<br />
Yayoi Kusama: Eternity-Modernity,<br />
The National Museum of Modern Art,<br />
Tokyo and Kyoto 2004 – 2005;<br />
Eijanaika! Yes, Future! Post 20th<br />
Century Japan, Collection Lambert,<br />
Avignon 2004; Water Level of Image –<br />
Transformation and Reflection of<br />
Narcissus, Toyota Municipal Museum<br />
of Art, Toyota 2004; Mediarena<br />
Contemporary Art from Japan,<br />
The Govett-Brewster Art Gallery,<br />
Plymouth, 2004; Kusamatrix,<br />
Mori Art Museum, Tokyo 2004.<br />
Rose Garden, 1998<br />
Mixed media; 135 × 125 × 65 cm<br />
Courtesy of the artist,<br />
Fabian & Claude Walter Galerie,<br />
Basel-Zürich, and Robert Miller<br />
Gallery, New York<br />
see p. 121<br />
Walking on the Sea of Death, 1981<br />
Sewn stuffed fabric, wooden boat,<br />
paint; 58 × 256 × 158 cm<br />
Collection of Museum of<br />
Contemporary Art, Tokyo<br />
see p. 123<br />
Trinh T. Minh-ha 224 225<br />
born 1952 Hanoi/VN<br />
lives in Berkeley/USA<br />
Films, screenings, exhibitions<br />
and festivals (selection):<br />
Shanghai Biennale 2004 – Techniques<br />
of the Visible, Shanghai Biennale,<br />
Shanghai 2004; Busan Art Biennale<br />
2004, Busan 2004; MACBA (Museum<br />
of Contemporary Art) Barcelona 2003;<br />
documenta 11: Naked Spaces –<br />
Living is Round, 16-mm film, 1985;<br />
Poesie des Wohnens und Experimente<br />
mit gesteigerter akustischer Wahrnehmung,<br />
Musik, Umgebungsgeräuschen<br />
und Momenten der Stille, Kassel<br />
2002; Screening, Wiener Secession,<br />
Vienna 2001; Screening, Haus der<br />
Kulturen der Welt, Berlin 1999;<br />
Screening, Brooklyn Museum of Art,<br />
New York, The Museum of Modern<br />
Art, New York, und The Art Institute<br />
of Chicago, 1997; Feminale Women’s<br />
Film Festival, Cologne 1996 (Special<br />
Tribute); Screening: Shedhalle, Zurich<br />
and Kunstverein München 1995.<br />
The Fourth Dimension, 2001<br />
Digital video/VHS, color; 87:00 min<br />
Produced by Jean-Paul Bourdier<br />
and Trinh T. Minh-ha; Directed,<br />
photographed, written, narrated<br />
and edited by Trinh T. Minh-ha;<br />
Music by The Construction of Ruins,<br />
with Greg Goodman and by Shoko<br />
Hikage<br />
see p. 125 – 127
Hiroyuki Moriwaki<br />
born 1964 in Wakayama/JPN<br />
lives in Tokyo/JPN<br />
Exhibitions (selection):<br />
Visualize – The history and futurescape<br />
of visual media, Tokyo Metropolitan<br />
Museum of Photography,<br />
Tokyo 2005; My Sweet Home, Spiral<br />
Garden/Wacoal Art Center, Tokyo<br />
2003; Re-Imagination-image/media/<br />
museum, Tokyo Metropolitan Museum<br />
of Photography, Tokyo 2002;<br />
Moriwakit EXPO 2001, Sagamihara<br />
City Museum, Kanagawa 2001;<br />
Space Odyssey, Art Tower Imaraki,<br />
Ibaraki 2001, Resolution, 20th Wharf,<br />
Port of Nagoya, Nagoya 2000;<br />
Debris of Heaven (Live Performance),<br />
Hara Museum of Contemporary Art,<br />
Tokxo 1999; Media Select, 20th<br />
Wharf, Port of Nagoya, Aichi 1999;<br />
“Garden of Memory” by Minato and<br />
Moriwaki, NTT Inter Communication<br />
Center, Tokyo 1998; AKARI Message,<br />
AXIS Gallery, Tokyo 1998; Nagoya<br />
International Biennale ARTEC’97,<br />
Nagoya city art museum, Nagoya,<br />
1997.<br />
Lake Awareness, 2005<br />
LED, printed board, aluminium;<br />
500 × 500 × 175cm<br />
Collection of the artist<br />
see p. 129<br />
Daido Moriyama<br />
born 1938 in Osaka/JPN<br />
lives in Tokyo/JPN<br />
Solo exhibitions (selection):<br />
Buenos Aires, Taka Ishii Gallery, Tokyo<br />
2005; Moriyama : Shinjuku : Araki,<br />
Tokyo Opera City Gallery, Tokyo<br />
2005; Moriyama Daido 1965 – 2003,<br />
Shimane Art Museum, Shimane<br />
2003; Shinjuku, Taka Ishii Gallery,<br />
Tokyo 2002; inside the white cube:<br />
Antipodes, White Cube, London 2002;<br />
Platform, Light and Shadow, Daiwa<br />
Radiator Factory, Hiroshima 2002;<br />
Daido Moriyama: Stray Dog,<br />
San Francisco MOMA, San Francisco<br />
1999; Fragments, Parco Gallery,<br />
Tokyo 1998; Osaka, Taka Ishii Gallery,<br />
Tokyo 1997; Moriyama Daido,<br />
Laurence Miller Gallery, New York<br />
1993; Moriyama Daido, Zeit Photo<br />
Salon, Tokyo 1990; Light and Shadow,<br />
Nagase Photo Salon 1981; Das<br />
ist Japan, Camera Austria, Forum<br />
Stadtpark 1980.<br />
KIROKU no. 2 (Records no. 2), n.d.<br />
Gelatin silver print; 16 × 23,8 cm<br />
Collection of Shadai Gallery, Tokyo<br />
see p. 131<br />
Untitled, n.d.<br />
Spread from the book SHASHINYO<br />
SAYOUNARA (A Farewell to<br />
Photography), 1972<br />
36,2 × 23 cm<br />
Collections of Toshiharu Ito, Tokyo<br />
see p. 132/133<br />
Scandalous: Wild Party, 1970<br />
Page from the book SHASHINYO<br />
SAYOUNARA (A Farewell to<br />
Photography), 1972<br />
18 × 23 cm<br />
Collection of Toshiharu Ito, Tokyo<br />
see p. 135<br />
Light and Shadow 2: On the Road,<br />
Chair, 1981–1982<br />
Gelatin silver print; 24 × 29 cm<br />
Collection Tatsumi Sato<br />
Courtesy of Taka Ishii Gallery, Tokyo<br />
see p. 136/137<br />
Light and Shadow 4, Hat, 1981–1982<br />
Gelatin silver print; 35 × 41,9 cm<br />
Collection Tatsumi Sato<br />
Courtesy of Taka Ishii Gallery, Tokyo<br />
see p. 138/139<br />
Shinjuku, 2001 – 2002<br />
Gelatin silver print; 83,7 × 55,5 cm<br />
Courtesy of Taka Ishii Gallery, Tokyo<br />
see p. 140<br />
Takuma Nakahira<br />
born 1938 in Tokyo/JPN<br />
lives in Tokyo/JPN<br />
Solo Exhibitions (selection):<br />
Why an illustrated human-animal<br />
dictionary?, Shugoarts, Tokyo, 2004;<br />
Takuma Nakahira: Degree Zero,<br />
Naha Civic Gallery, Naha, Okinawa,<br />
2004; Takuma Nakahira: Degree<br />
Zero – Yokohama, Yokohama<br />
Museum of Art, Yokohama, 2003;<br />
Everyday Life: Nakahira Takuma Now,<br />
C-square, Art Gallery of the Chukyo<br />
University, Nagoya, 1997; Adieu à X,<br />
Photo Daido, Tokyo 1989.<br />
Untitled, 1978 –1989<br />
Gelatin silver print; 21,2 × 29,1 cm<br />
Collection of the artist<br />
see p. 143<br />
Degree Zero – Yokohama, 2002<br />
Type C print; 90 × 60 cm<br />
Courtesy of Shugoarts, Tokyo<br />
see p. 145<br />
Degree Zero – Yokohama, 2002<br />
Type C print; 90 × 60 cm<br />
Courtesy of Shugoarts, Tokyo<br />
see p. 147<br />
La nuit 3, ca. 1969<br />
Photogravure on paper; 57,2 × 84,5 cm<br />
Collection of Catherine and Jacques<br />
Pineau<br />
see p. 148/149<br />
La nuit 5, ca. 1969<br />
Photogravure on paper; 58,2 × 83,4 cm<br />
Collection of Catherine and Jacques<br />
Pineau<br />
see p. 150/151<br />
Amami Oshima, 1975<br />
Type C print; 38,7 × 58 cm<br />
Courtesy of Shugoarts, Tokyo<br />
see p. 152/153<br />
Tetsuya Nakamura<br />
born 1969 in Chiba/JPN<br />
lives in Tokyo/JPN<br />
Exhibitions (selection):<br />
Young Artists from Korea, China and<br />
Japan, The National Museum of<br />
Cotemporary Art, Korea, Seoul 2004;<br />
Passage to the Future: Young<br />
Japanese Artists, from the Japan<br />
Foundation Collection 2004;<br />
Roppongi Crossing: New Visions of<br />
Japanese Art 2004, Mori Art Museum,<br />
Tokio 2004; Living together is easy,<br />
Contemporary Art Center, Art Tower<br />
Mito, Ibaraki 2004, National Gallery<br />
of Victoria, Victoria 2004;<br />
Home Sweet Home, Spiral Garden/<br />
Wacoal Art Center, Tokyo 2003;<br />
A_MUSE_LAND 2003 Asoventurers<br />
World, Hokkaido Museum of Modern<br />
Art, Sapporo 2002; Chiba Art Now<br />
’02 Retracing the Paths, Sakura City<br />
Museum of Art, Chiba 2002;<br />
Emotional Site, Saga-cho Shokuryo<br />
Bild., Tokio 2002; Un monde reve de<br />
la main, Maison Hermes, Tokio 2002;<br />
Speed King, Rice Gallery by G2,<br />
Tokio 2001; Replica Custom, Gallery<br />
Koyanagi, Tokio 1999.<br />
Premium Unit Bath, 2003<br />
Paint on FRP; 90 × 200 × 130 cm<br />
Collection of the artist<br />
see p. 155<br />
Premium Unit Pillar, 2003<br />
Paint on FRP; 120 × 110 × 80 cm<br />
Collection of the artist<br />
see p. 156<br />
Premium Unit Step, 2003<br />
Paint on FRP; 180 × 110 × 60cm<br />
Collection of the artist<br />
see p. 156
Motohiko Odani<br />
born 1972 in Kyoto/JPN<br />
lives in Tokyo/JPN<br />
Exhibitions (selection):<br />
Erectro, Yamamoto Gendai, Tokio,<br />
2004; Heterotopias: Japanese<br />
Pavillion, Dream and Conflict: 50.<br />
Biennale die Venezia, Venedig 2003;<br />
Strategies of Desire, Kunsthaus<br />
Baselland, Basle 2004; En Melody,<br />
Fine Art Rafael Vorstell, Berlin 2001;<br />
Translated Acts, Haus der Kulturen<br />
der Welt, Berlin and Queens Museum<br />
of Art, New York 2001; Marella Arte<br />
Contemporanea, Milan 2001;<br />
5th biennale de lyon, art contemporain,<br />
Halle Tony Garnier, Lyon 2000;<br />
Guarene Arte 99, Fondazione<br />
Sandretto Re Rebaudengo, Turin<br />
1999; Transfiguration, Röntgen<br />
Kunstraum, Tokyo 1998; Phantom<br />
Limb, P-House Tokyo, Tokyo 1997.<br />
Berenice, 2003<br />
FRP, steel etc.; dimensions variable<br />
(diameter of sphere ap. 300 cm)<br />
TAKAHASHI Collection<br />
see p. 158/159<br />
Skeleton, 2003<br />
FRP; 45 × 400 cm<br />
Courtesy of Yamamoto Gendai,<br />
Tokyo<br />
see p. 161<br />
Taro Okamoto<br />
born 1911 in Kawasaki/JPN<br />
died 1996 in Tokyo/JPN<br />
Exhibitions (selection):<br />
Taro Okamoto – La solitude absolue,<br />
Contemporary Art Museum,<br />
Kumamoto 2003; Photographer Taro<br />
Okamoto, Sendai Mediatheque 2003;<br />
Message from the Tower of the Sun:<br />
Taro Okamoto and EXPO’70, Taro<br />
Okamoto Museum of Art, Kawasaki<br />
2000; TARO, a truly multifaceted<br />
individual, Taro Okamoto Museum of<br />
Art, Kawasaki 1999; Taro Okamoto,<br />
Hiroshima City Museum of Contemporary<br />
Art, 1995; Taro Kaleidoscope,<br />
Kawasaki City Museum, 1993;<br />
Taro Okamoto – Outstanding Talent<br />
from Kawasaki, Kawasaki City<br />
Museum, Kawasaki 1991; Avantgarde<br />
art in Japan 1945–1965, Oxford<br />
Museum of Modern Art, Oxford 1985;<br />
Taro Okamoto, Yamanashi Prefectural<br />
Museum of Art, Kofu 1981.<br />
Jomon period jar, detail, Nagano<br />
(diggings), Tokyo National Museum,<br />
1956<br />
Gelatin silver print; 37,9 × 25 cm<br />
Collection Taro Okamoto Museum<br />
of Art, Kawasaki<br />
see p. 163<br />
IZAIHO ceremony, Kudakajima,<br />
Okinawa, 1966<br />
Gelatin silver print; 27,4 × 37,8 cm<br />
Collection Taro Okamoto Museum<br />
of Art, Kawasaki<br />
see p. 164/165<br />
O-UTAKI sanctuary, Kudakajima,<br />
Okinawa, 1959<br />
Gelatin silver print; 39 × 59 cm<br />
Collection Taro Okamoto Museum<br />
of Art, Kawasaki<br />
see p. 166/167<br />
SHISHI-ODORI (deer dance),<br />
Hanamaki hot springs, Iwate, 1957<br />
Gelatin silver print; 40,4 × 27 cm<br />
Collection Taro Okamoto Museum<br />
of Art, Kawasaki<br />
see p. 169<br />
Lion dance in Kabira, Ishigakijima,<br />
Okinawa, 1959<br />
Gelatin silver print; 35,5 × 43,4 cm<br />
Collection Taro Okamoto Museum<br />
of Art, Kawasaki<br />
see p. 170/171<br />
Roasting a goat, Ishigakijima,<br />
Okinawa, 1959<br />
Gelatin silver print; 37,9 × 24,8 cm<br />
Collection Taro Okamoto Museum<br />
of Art, Kawasaki<br />
see p. 172<br />
Yoko Ono<br />
born in 1933 in Tokio/JPN<br />
lives in New York/USA<br />
Exhibtions (selection):<br />
Horizontal Memories. Performances,<br />
installations, films, music, sculptures<br />
and photography, Astrup Fearnley<br />
Museum of Modern Art, Oslo 2005;<br />
Do You Believe in Reality? 2004<br />
Taipei Biennial, Taipei Fine Arts<br />
Museum – Taipei Biennial, Taipei<br />
2005; Editions, Ephemera and<br />
Printed Works. Yoko Ono, Printed<br />
Matter Inc., New York 2004; Yoko<br />
Ono, Kulturhuset, Stockholm 2004;<br />
Yes Yoko Ono, Museum of Contemporary<br />
Art Tokyo, Hiroshima City<br />
Museum of Contemporary Art, Art<br />
Tower Mito, Tokyo, Hiroshima, Ibarakiken<br />
2004; Tri(o)ptique – Akerman/<br />
Ono/Moral. Chantal Akerman, Yoko<br />
Ono, Sukran Moral, Luxflux Museo<br />
Laboratorio di Arte Contemporanea,<br />
Rome 2003.<br />
Pointedness, 1964/1966<br />
Crystal sphere on Plexiglas pedestal;<br />
sphere: diameter 6,6 cm,<br />
pedestal: 147,6 × 26,6 × 25,4 cm<br />
Collection of the artist<br />
see p. 175<br />
Apple, 1996<br />
Apple, Plexiglas pedestal with brass<br />
plaque; 91,5 × 25,4 × 25,4 cm<br />
Collection of the artist<br />
see p. 177<br />
Forget it, 1966<br />
Needle of stainless<br />
steel on Plexiglas pedestal;<br />
needle: 8,2 cm, pedestal:<br />
147,6 × 26,6 × 25,4 cm<br />
Collection of the artist<br />
see p. 179<br />
Yutaka Sone<br />
226 227<br />
born 1965 in Shizuoka/JPN<br />
lives in California/USA<br />
Exhibitions (selection):<br />
Universal Experience: Art, Life & the<br />
Tourists Eye, MCA Chicago, Chicago<br />
2005; Yutaka Sone, Gallery Side 2,<br />
Tokyo 2004; Brainstorming: Topographie<br />
de la morale, Centre National<br />
d’art et du Paysage de Vassivière,<br />
île de Vassivière 2004; 100 Artists<br />
See God, Independent Curators<br />
International, New York 2004; Happy<br />
Trail, Shiseido Gallery, Tokyo 2003;<br />
White Cave, Akiyoshidai International<br />
Art Village, Mine-gun 2003; Yutaka<br />
Sone: Jungle Island, MOCA at the<br />
Geffen Contemporary, Los Angeles<br />
2003; The Gift: Generous offerings,<br />
insidious hospitality, Block Museum<br />
of Art at Northwestern University,<br />
Chicago 2003; Travel to Double River<br />
Island, Toyota Municipal Museum<br />
of Art, Toyota 2002; Beautiful Artist<br />
(curated by Yutaka Sone), YICA,<br />
Yamaguchi 2002; I Love NY –<br />
A Benefit, David Zwirner Gallery,<br />
New York 2001; Techno-Landscape:<br />
Toward Newer World Textures, NTT<br />
Inter Communication Center, Tokyo<br />
2001; Double Six, ArtPace, San<br />
Antonio 2000.<br />
Hello Bat, 1999<br />
DVD; 4:00 min<br />
Collection Hauser und Wirth,<br />
Schweiz<br />
see p. 180<br />
Bat, 1999<br />
wax crayon, pencil on paper;<br />
43,2 × 58 cm<br />
Collection Hauser und Wirth,<br />
Schweiz<br />
see p. 181<br />
Green Jungle, 1999<br />
Dried seaweed, sponge, dried<br />
flowers, fabric, glue, tree;<br />
92 × 132 × 200 cm<br />
Hauser und Wirth Collection,<br />
Switzerland<br />
see p. 182/183<br />
Highway Junction 110–10, 2002<br />
Carved marble; 24,1 × 133,4 × 130,1 cm<br />
Daros Collection, Switzerland<br />
see p. 184, 185<br />
Highway Junction 14–5, 2002<br />
Carved marble; 34 × 113 × 123,5 cm<br />
Daros Collection, Switzerland<br />
see p. 186, 187
Yoshihiro Suda<br />
born 1969 in Yamanashi/JPN<br />
lives in Tokyo/JPN<br />
Exhibitions (selection):<br />
VOLTAshow 01, Basle 2005; Blumenstück<br />
– Künstlers Glück, Museum<br />
Morsbroich, Leverkusen 2005;<br />
Skulptur. Prekariouse Realism<br />
between the Melancholy and Comical,<br />
Kunsthalle Wien, Vienna 2005;<br />
Yoshihiro Suda and Takehito<br />
Koganezawa: ‚Ma‘, Douglas Hyde<br />
Gallery, Dublin 2004; Petites<br />
natures? – Installations de Koichi<br />
Kurita et Yoshihiro Suda, Maison<br />
de la culture du Japon, Paris, 2004;<br />
Yoshihiro Suda, Palais de Tokyo,<br />
Paris 2004; Yoshihiro Suda – New<br />
Sculptures, D´Amelio Terras Gallery,<br />
New York 2004; flower power, Lille<br />
2004 – Cultural Capital of Europa<br />
2004; Yoshihiro Suda, Galerie Wohnmaschine,<br />
Berlin 2003; La Biennale<br />
de Montréal 2000, Montreal 2000.<br />
Rose, 2003<br />
Painted wood<br />
Courtesy of Gallery Koyanagi<br />
Photo: Installationview Location of the<br />
Spirit – Contemporary Japanese Art,<br />
Budapest 2003<br />
see p. 189<br />
Hiroshi Sugimoto<br />
born 1948 in Tokyo/JPN<br />
lives in New York/USA<br />
Exhibitions (selection):<br />
Conceptual Forms, Gagosian Gallery<br />
Britannia, London 2005; Conceptual<br />
Forms, Sonnabend Gallery, New York<br />
2005; Sophie Calle + Hiroshi Sugimoto,<br />
Gallery Koyanagi, Tokyo 2005;<br />
Photographs by Hiroshi Sugimoto:<br />
The Sylvan Barret and William Burto<br />
Collection, Museum of Fine Arts,<br />
Boston 2005; Hiroshi Sugimoto, Étant<br />
donné: Le Grand Verre, Fondation<br />
Cartier pour l’art contemporain,<br />
Paris 2004 – 2005; Hiroshi Sugimoto,<br />
Galería Javier López, Madrid 2004;<br />
Singular Forms (Sometimes<br />
Repeated): Art from 1951 to the<br />
Present, Solomon R. Guggenheim<br />
Museum, New York 2004; Five Billion<br />
Years, Swiss Institute, New York<br />
2004; Hiroshi Sugimoto: Sea of<br />
Buddha, David and Alfred Smart<br />
Museum of Art, Chicago 2003 – 2004;<br />
Supernova: Art of the 1990s from<br />
the Logan Collection, San Francisco<br />
Museum of Modern Art, San<br />
Francisco 2003 – 2004.<br />
Sea of Buddha, 1995<br />
Gelatine silver prints (48 pieces);<br />
42 × 54,5 cm each<br />
Collection of Hara Museum<br />
of Contemporary Art<br />
(formerly titled: Hall of Thirty-three<br />
Bays)<br />
see p. 191 – 193<br />
Mathematical Forms:<br />
Surface 0009, Conic Surface<br />
of revolution with constant<br />
negative curvature, 2004<br />
Gelatin silver print, Edition 4/5;<br />
149,2 × 119,4 cm<br />
Private Collection Chicago<br />
see p. 194<br />
Mathematical Forms:<br />
Curves 0014, Two Hyperbola<br />
Tangent to one Another, 2004<br />
Gelatin silver print,<br />
Edition 4/5; 149,2 × 119,4 cm<br />
Courtesy of Gagosian Gallery<br />
see p. 195<br />
Mechanical Forms 0029,<br />
Quick Return Motion Used in<br />
Metal Cutting, 2004<br />
Gelatin silver print, Edition 4/5;<br />
149,2 × 119,4 cm<br />
Courtesy of Gagosian Gallery<br />
see p. 195<br />
Makoto Sei Watanabe<br />
born 1952 in Yokohama/JPN<br />
lives in Tokyo/JPN<br />
Exhibitions and projects (selection):<br />
Shin Minamata MON, Minamatacity,<br />
2005; Fiber Wave II, III, ICC<br />
Tokyo, Biennale di Venezia, Venice<br />
1999 – 2000; Fiber Wave: environmental<br />
art, Gifu and Tokyo, Chicago,<br />
1995, 1996, 1998; Subway station/<br />
Iidabashi & Web frame, Tokyo 2000;<br />
K-Museum, Tokyo 1996; Aoymama<br />
technical college, Tokyo 1990.<br />
Fiber Wave I, K-Museum, 1996<br />
Carbon fiber, LED, solar battery etc.;<br />
Height: 4 m, width variabel<br />
Collection of the artist<br />
see p. 196<br />
Fiber Wave II, 1999<br />
Plastics, fan, computer program etc.<br />
Height: 4m, width variable<br />
Collection of the artist<br />
Installation view<br />
Biennale di Venezia, 2000<br />
see p. 197<br />
Masaaki Yamada<br />
born 1930 in Tokyo/JPN<br />
lives in Tokyo/JPN<br />
Exhibitions (selection):<br />
Why Not Live For Art?, Tokyo Opera<br />
City Art Gallery, Tokyo 2004;<br />
Remaking Modernism in Japan 1900 –<br />
2000, Sezon Museum of Modern Art,<br />
Nagano 2004, Museum of Contemporary<br />
Art, Tokyo & The University<br />
Art Museum – Tokyo National University<br />
of Fine Arts and Music, Tokyo<br />
2004; Masaaki Yamada, M Art, Tokyo<br />
2003; Hirano Museum Modern Art<br />
Exhibition, Hirano Museum of Art,<br />
Shizuoka 2003; Contemporary<br />
Japanese Watercolor – Wet in wet,<br />
Gradated Wash, Overpainting, Line,<br />
The Shoto Museum of Art, Tokyo<br />
2002; Masaaki Yamada, Gallery<br />
Kasahara, Tokyo 2002; The unfinished<br />
century: legacies of 20th century art,<br />
National Museum of Modern Art,<br />
Tokyo 2002; Invitation of Contemporary<br />
Art, Tottori Prefectural Museum,<br />
Tottori 2001.<br />
Work D–87, 1972<br />
Oil on canvas; 227 × 162 cm<br />
Collection of The National Museum<br />
of Art, Osaka<br />
see p. 199<br />
Work C–400, 1969<br />
Oil on canvas; 162 × 112 cm<br />
Collection of Metropolitan Museum<br />
of Contemporary Art, Tokyo<br />
see p. 201
Miwa Yanagi<br />
born 1967 in Kobe/JPN<br />
lives in Kyoto/JPN<br />
Exhibitions (selection):<br />
Miwa Yanagi, Hara Museum of<br />
Contemporary Art, Tokyo 2005;<br />
Self-Portrait Landscape, Woo Je Gil<br />
Museum, Gwangyu 2004; Fairy Tale,<br />
Galeria Leyendecker, Canarie Islands<br />
2004; Art Downtown: Connecting<br />
Collections, Wall Street Rising, New<br />
York 2004; Darkness of Girlhood &<br />
Lightness of Aging, Marugame<br />
Genichiro-Inokuma Museum of<br />
Contemporary Art, Kagawa 2004;<br />
Miwa Yanagi, Sammlung Deutsche<br />
Bank, Deutsche Guggenheim,<br />
Berlin 2004; Takarazuka: The Land<br />
of Dreams, Suntory Museum, Osaka;<br />
Tokyo Opera City Art Gallery, Tokyo<br />
2004; Sogo Museum, Yokohama<br />
2004; Mediarena: Contemporary<br />
Art from Japan, Govette-Brewster<br />
Art Gallery, New York, 2004.<br />
Girls in her Sand, 2004<br />
Video installation, tent, 2 photographs;<br />
tent: 300 × 300 × 400 cm<br />
Courtesy of the artist and<br />
Yoshiko Isshiki Office<br />
see p. 202 – 205<br />
Untitled 1, 2004<br />
Gelatine silver print; 140 × 100 cm<br />
Courtesy of the artist and<br />
Yoshiko Isshiki Office<br />
see p. 207<br />
Untitled 2, 2004<br />
Gelatine silver print; 140 × 100 cm<br />
Courtesy of the artist and<br />
Yoshiko Isshiki Office<br />
see p. 208<br />
BIX Media Competition<br />
Kentaro Taki<br />
Born 1973 in Osaka/JPN<br />
Media artist, Director of Non Profit<br />
Organization VIDEOART CENTER,<br />
Tokyo<br />
Tentakle, 2005<br />
QuickTime Movie, produced for<br />
the BIX facade of Kunsthaus Graz<br />
see p. 211<br />
Shinsuke Kajitaka<br />
Born 1981 in Hiroshima/JPN<br />
media artist<br />
Waterfall, 2005<br />
QuickTime Movie, produced for<br />
the BIX façade of Kunsthaus Graz<br />
see p. 213<br />
228 229
Autoren<br />
Authors<br />
Toshiharu Ito, geboren 1953<br />
in Tokio/JPN, Kunsthistoriker, Kunstund<br />
Medientheoretiker, Kurator<br />
1990–2001 Professor an der Tama<br />
Art Universität, Tokio; seit 2001<br />
Professor an der Tokio National<br />
University of Fine art and Music,<br />
Tokio; seit 1995 künstlerischer Leiter<br />
des Intermedia Institute, Osaka;<br />
1992 –1998 Beauftragter des Inter<br />
Communication Center, Tokio;<br />
2000 – 2003 künstlerischer Leiter<br />
des Tokyo AAD studio, Tokio.<br />
Publikationen (Auswahl):<br />
History of 20th Century Photography,<br />
Tokio, Chikuma Shobo Pub., 1988;<br />
Machine Art, Tokio, Iwanami Pub.,<br />
1991; Electronic Art, Tokio, NTT<br />
Press, 1999.<br />
Makoto Sei Watanabe arbeitet<br />
als Architekt und Künstler in Tokio.<br />
Dozent an der Tokyo Denki University<br />
(Tokio), Housei University (Tokio),<br />
Professor an der Tamkang University<br />
(Taipei).<br />
Architektonische Arbeiten (Auswahl):<br />
Aoyama Technical College 1989<br />
(Tokio), K-Museum 1996 (Tokio),<br />
Subway Station Iidabashi 2000<br />
(Tokio), Kyushu Shinkansen, Shin<br />
Minamata station (Minamata, Japan)<br />
2004, Shanghai House (Shanghai,<br />
China) 2004.<br />
Preise (Auswahl): ASLA Professional<br />
Awards (American Society of Landscape<br />
Architects) 1997, The JIA Prize<br />
of the year 2001, Gold Prize of Good<br />
Design Award 2001, The Prize of AIJ<br />
2002.<br />
Publikationen (Auswahl): Makoto<br />
Sei Watanabe (l’Arcaedizioni, Italien)<br />
1998, Kentiku wa yawarakai kagaku<br />
ni tikazuku (Kentiku-shiryo-kenkyusha,<br />
Japan) 2002, Induction Design<br />
(Birkhauser, Schweiz) 2002, Induction<br />
Design (Testo and Imagine, Italien)<br />
2004.<br />
Ryuta Imafuku, 1955 in Tokio/JPN<br />
geboren, gilt aufgrund ausgedehnter<br />
Forschungsreisen quer durch<br />
Lateinamerika als Anthropologe und<br />
Kulturkritiker, dessen einzigartiges<br />
Schreiben sowie seine unverwechselbare<br />
Stimme zu den Themen zeitgenössische<br />
Kultur, Kunst, Geschichte<br />
und Politik weithin anerkannt sind.<br />
Er ist in seinem Land als eine der<br />
Pioniergestalten bekannt, die eine<br />
kreolische Kulturvision zum Ausdruck<br />
gebracht haben. Zu seinen Aktivitäten<br />
in jüngerer Zeit zählen das Projekt<br />
der „Archipel-Universität“ auf den<br />
Amami- und Ryukyu-Inseln sowie<br />
gemeinsame Bücher und Ausstellungen<br />
mit den Fotografen Shomei<br />
Tomatsu und Sebastião Salgado, mit<br />
dem Dichter Gozo Yoshimasu, der<br />
Filmemacherin Trinh T. Minh-ha und<br />
anderen. Er ist u. a. der Verfasser von<br />
The Heterology of Culture, Technology<br />
of the Wild, Sensory Angels, und<br />
Elsewhere: Toward the Corridor of<br />
Images und lehrt Lateinamerika-<br />
Studien und Medienwissenschaft an<br />
der Universität von Sapporo. Darüber<br />
hinaus ist er unbefristet Gastdozent<br />
für Kommunikation und Semiotik an<br />
der Katholischen Universität von São<br />
Paulo, Brasilien.<br />
Krystyna Wilkoszewska lehrt als<br />
Professorin der Philosophie und<br />
Ästhetik an der Jagiellonian Universität<br />
in Krakau, Polen. Sie ist Autorin<br />
mehrerer Bücher über zeitgenössische<br />
Kunst, Postmoderne und interkulturelle<br />
Ästhetik. Als Herausgeberin<br />
der Reihe Aesthetics in the World<br />
publizierte sie das Buch Japanese<br />
Aesthetics Anthology (2003), in dem<br />
die Themen Haiku, No-Theater, Teekunst,<br />
Architektur und Urbanisation<br />
behandelt wurden.<br />
Yoko Tawada wurde 1960 in<br />
Tokio/JPN geboren, seit 1982 lebt sie<br />
in Hamburg. Sie schreibt auf Deutsch<br />
und auf Japanisch. 1993 Literaturpreis<br />
Akutagawa-Shô, 1996 Adelbertvon-Chamisso-Preis,<br />
2003 Tanizaki-<br />
Preis.<br />
Publikationen (Auswahl): Opium<br />
für Ovid. Ein Kopfkissenbuch von<br />
22 Frauen, Prosa (2000), Überseezungen,<br />
Prosa (2002), CD diagonal<br />
zusammen mit Aki Takase (2002),<br />
Kyuukeijikan, Shinchosha (2002),<br />
Erzählung, Yougisha no Yakooressha,<br />
Seidosha (2002), Erzählungen,<br />
Exophony, Iwanami (2003), Essays.<br />
Zahlreiche Veröffentlichungen auch<br />
in Zeitschriften u.a. in manuskripte,<br />
NZZ-Folio, Neue Rundschau,<br />
Schreibheft, Sinn und Form, Rowohlt<br />
Literaturmagazin und Akzente.<br />
Zuletzt erschien Das nackte Auge<br />
(Tübingen, 2004).
Toshiharu Ito, born 1953 in<br />
Tokyo/JPN, art historian, art and<br />
media theorist, curator<br />
1990 – 2001 Professor at Tama Art<br />
University, Tokyo; since 2001 Professor<br />
at Tokyo National University<br />
of Fine Arts and Music, Tokyo; since<br />
1995 Artistic Director of Intermedia<br />
Institute, Osaka; 1992 –1998<br />
Commissioner of Inter Communication<br />
Center, Tokyo; 2000 – 2003<br />
Artistic Director of Tokyo AAD studio,<br />
Tokyo.<br />
Publications (selection):<br />
History of 20th Century Photography,<br />
Tokyo, Chikuma Shobo Pub., 1988;<br />
Machine Art, Tokyo, Iwanami Pub.,<br />
1991; Electronic Art, Tokyo, NTT<br />
Press, 1999.<br />
Makoto Sei Watanabe works as<br />
architect and artist in Tokyo. Lecturer<br />
at Tokyo Denki University (Tokyo)<br />
and at Housei University (Tokyo),<br />
Professor at Tamkang University<br />
(Taipei).<br />
Architectural works (selection):<br />
Aoyama Technical College 1989<br />
(Tokyo), K-Museum 1996 (Tokyo),<br />
Subway Station Iidabashi 2000<br />
(Tokyo), Kyushu Shinkansen, Shin<br />
Minamata station (Minamata, Japan)<br />
2004, Shanghai House (Shanghai,<br />
China) 2004.<br />
Awards (selection): ASLA<br />
Professional Awards (American<br />
Society of Landscape Architects)<br />
1997, The JIA Prize of the year 2001,<br />
Gold Prize of Good Design Award<br />
2001, The Prize of AIJ 2002.<br />
Publications (selection): Makoto Sei<br />
Watanabe (l‘Arcaedizioni, Italy) 1998,<br />
Kentiku wa yawarakai kagaku ni<br />
tikazuku (Kentiku-shiryo-kenkyu-sha,<br />
Japan) 2002, Induction Design<br />
(Birkhauser, Switzerland) 2002,<br />
Induction Design (Testo and Imagine,<br />
Italy) 2004.<br />
Ryuta Imafuku, born 1955 in<br />
Tokyo/JPN, and having traveled and<br />
researched extensively in Latin<br />
America, Imafuku Ryuta (1955) is<br />
an anthropologist and cultural critic<br />
whose unique writings and voice<br />
on contemporary culture, art, history<br />
and politics are widely recognized.<br />
He is known as one of the pioneering<br />
figures in his country to demonstrate<br />
a creolized vision of culture. His<br />
recent activities include the “archipelago<br />
university” project in the Amami/<br />
Ryukyus Islands, and collaborations<br />
on books and exhibitions with<br />
photographers Shomei Tomatsu<br />
and Sebastião Salgado, the poet<br />
Gozo Yoshimasu, and the film-maker<br />
Trinh T. Minh-ha to name a few.<br />
He is the author of The Heterology<br />
of Culture, Technology of the Wild,<br />
Sensory Angels, Elsewhere: Toward<br />
the Corridor of Images, among others.<br />
He teaches Latin American Studies<br />
and Media Studies at Sapporo<br />
University, and is a permanent visiting<br />
professor of Communication and<br />
Semiotics at the Catholic University<br />
of São Paulo, Brazil.<br />
Krystyna Wilkoszewska is professor<br />
of philosophy and aesthetics at<br />
Jagiellonian University in Krakow,<br />
Poland. She is the author of several<br />
books about contemporary art,<br />
postmodernism and cross-cultural<br />
aesthetics. As editor of the series<br />
Aesthetics in the World she published<br />
the book Japanese Aesthetics<br />
Anthology (2003), that deals with<br />
the issues of haiku, No theatre, tea<br />
art, architecture and urbanisation.<br />
Yoko Tawada was born in 1960 in<br />
Tokyo/JPN, since 1982 she lives in<br />
Hamburg. Writings in German and<br />
Japanese language. 1993 literature<br />
prize Akutagawa-Shô, 1996 Adelbertvon-Chamisso<br />
prize, 2003 Tanizaki<br />
prize.<br />
Publications (selection): Opium für<br />
Ovid. Ein Kopfkissenbuch von 22<br />
Frauen, Prose (2000), Überseezungen,<br />
Prose (2002), CD diagonal together<br />
with Aki Takase (2002), Kyuukeijikan<br />
Shinchosha (2002), story, Yougisha<br />
no Yakooressha Seidosha (2002),<br />
stories, Exophony Iwanami (2003),<br />
essays.<br />
In addition numerous publications<br />
in magazines including manuskripte,<br />
NZZ-Folio, Neue Rundschau,<br />
Schreibheft, Sinn und Form, Rowohlt<br />
Literaturmagazin and Akzente. Most<br />
recent publication Das nackte Auge<br />
(Tübingen, 2004).<br />
230 231
Quellenverzeichnis<br />
und Übersetzungen<br />
Christine Frisinghelli,<br />
Peter Pakesch<br />
Vorwort<br />
The Japan Foundation<br />
Über Chikaku: Zeit und Erinnerung<br />
in Japan<br />
(übersetzt von Otmar<br />
Lichtenwörther)<br />
Toshiharu Ito<br />
Die Vierte Dimension der<br />
Wahrnehmung: Neue Koordinaten<br />
für japanische zeitgenössische Kunst<br />
(übersetzt von Mine Scheid)<br />
Makoto Sei Watanabe<br />
Ein Band, das „Wissen“ und<br />
„Spüren“ verbindet<br />
(übersetzt von Hendrikje Kühne)<br />
Ryuta Imafuku<br />
Ein vierdimensionales Japan:<br />
Von der „Magie“ zu „Infra-ordinary“<br />
(übersetzt von Bernhard Seidl)<br />
Krystyna Wilkoszewska<br />
Auf der Reise mit Künstlern<br />
durch Zeit und Raum<br />
(übersetzt von Andreas Volk)<br />
Yoko Tawada<br />
Mit den Wörtern knipsen<br />
First Publications<br />
and Translations<br />
Christine Frisinghelli,<br />
Peter Pakesch<br />
Foreword<br />
(translated by Paul Aston)<br />
The Japan Foundation<br />
About Chikaku: Time and Memory<br />
in Japan<br />
(translated by Fontaine Limited)<br />
Toshiharu Ito<br />
The Fourth Dimension of<br />
Perception: New Coordinates for<br />
Japanese Contemporary Art<br />
(translated by Alfred Birnbaum)<br />
Makoto Sei Watanabe<br />
A Ribbon that Joins “Knowing”<br />
and “Sensing”<br />
(translated by Fontaine Limited)<br />
Ryuta Imafuku<br />
Four-dimensional Japan:<br />
From “Magic” to “Infra-ordinary”<br />
(translated by Alfred Birnbaum)<br />
Krystyna Wilkoszewska<br />
A Journey with Artists<br />
Through Time and Space<br />
(translated by Katya Andrusz)<br />
Yoko Tawada<br />
Snapshots with Words<br />
(translated by Paul Aston)
Bildnachweise<br />
© 2005 Verlag der Buchhandlung<br />
Walther König, Köln und Kunsthaus<br />
Graz und Camera Austria<br />
© für sämtliche abgebildeten Werke<br />
bei den Künstlerinnen und Künstlern<br />
bzw. deren RechtsnachfolgerInnen<br />
© für die Fotografien bei den<br />
FotografInnen bzw. deren RechtsnachfolgerInnen<br />
Wir haben uns bemüht, sämtliche<br />
RechtsinhaberInnen ausfindig zu<br />
machen. Sollte es uns in Einzelfällen<br />
nicht gelungen sein, so bitten wir<br />
diese, sich beim Verlag zu melden.<br />
S. 8: Nicolas Lackner, LMJ<br />
S. 18: Commemorative Association for<br />
the Japan World Exposition ’70 (1970)<br />
S. 21: Taka Ishii Gallery, Tokio<br />
S. 22: OSIRIS, Tokio<br />
S. 25: Makoto Sei Watanabe<br />
S. 26: Gallery Koyanagi<br />
S. 27: Tadashi Kawamata plus<br />
on the table, Tokio<br />
S. 28: Tatsuo Hayashi / Toyota<br />
Municipal Museum of Art, Toyota City<br />
S. 30: Ota Fine Arts, Tokio<br />
S. 31: Gallery Koyanagi<br />
S. 70: Moongift films<br />
S. 82: Image Yoshiko Isshiki Office,<br />
Tokio<br />
S. 107, 109: Yoshitaka Uchida<br />
S. 111: Image Forum<br />
S. 112/113: Mineo Sakata/Yoshiko<br />
Isshiki Office, Tokio<br />
S. 113: Jenni Carter/Biennale of<br />
Sydney<br />
S. 115–119: Tadashi Kawamata plus<br />
on the table, Tokio<br />
S. 121: Robert Miller Gallery<br />
S. 123: Museum of Contemporary Art,<br />
Tokio<br />
S. 125–127: Moongift films<br />
S. 131: Shadai Gallery, Tokio<br />
S. 132–140: Taka Ishii Gallery<br />
S. 143–153: OSIRIS, Tokio<br />
S. 155, 156: Katsuhiro Ichikawa/<br />
Spiral/Wacoal Art Center<br />
S. 158–161: Keizo Kioku/The Japan<br />
Foundation<br />
S. 163–172: Taro Okamoto Museum<br />
of Art, Kawasaki<br />
S. 180–187: David Zwirner Gallery,<br />
New York<br />
S. 189: Gallery Koyanagi<br />
S. 191–193: Gallery Koyanagi<br />
S. 194, 195: Gagosian Gallery, London<br />
S. 196, 197: Makoto Sei Watanabe<br />
S. 199: The National Museum of Art,<br />
Osaka<br />
S. 201: Metropolitan Museum of<br />
Contemporary Art, Tokio<br />
S. 202–208: Yoshiko Isshiki Office,<br />
Tokio<br />
S. 211, 213: Nicolas Lackner, LMJ<br />
Photo Credits<br />
© 2005 Verlag der Buchhandlung<br />
Walther König, Cologne and<br />
Kunsthaus Graz and Camera Austria<br />
© for the reproduced works by the<br />
artists or their estates<br />
© for the reproduced photographs<br />
by the photographers or their estates<br />
We have made every effort to find<br />
all the copyright-holders. However,<br />
if we have omitted to do so in any<br />
individual case, we should be most<br />
grateful if these copyright holders<br />
would inform the editor forthwith.<br />
p. 8: Nicolas Lackner, LMJ<br />
p. 18: Commemorative Association for<br />
the Japan World Exposition ’70 (1970)<br />
p. 21: Taka Ishii Gallery, Tokyo<br />
p. 22: OSIRIS, Tokyo<br />
p. 25: Makoto Sei Watanabe<br />
p. 26: Gallery Koyanagi<br />
p. 27: Tadashi Kawamata plus on<br />
the table, Tokyo,<br />
p. 28: Tatsuo Hayashi /Toyota<br />
Municipal Museum of Art, Toyota City<br />
p. 30: Ota Fine Arts, Tokyo<br />
p. 31: Gallery Koyanagi<br />
232 233<br />
p. 70: Moongift films<br />
p. 82: Image Yoshiko Isshiki Office,<br />
Tokyo<br />
p. 107, 109: Yoshitaka Uchida<br />
p. 111: Image Forum<br />
p. 112/113: Mineo Sakat/Yoshiko<br />
Isshiki Office, Tokyo<br />
p. 113: Jenni Carter/Biennale of<br />
Sydney<br />
p. 115–119: Tadashi Kawamata plus<br />
on the table, Tokyo<br />
p. 121: Robert Miller Gallery<br />
p. 123: Museum of Contemporary Art,<br />
Tokyo<br />
p. 125–127: Moongift films<br />
p. 131: Shadai Gallery, Tokyo<br />
p. 132–140: Taka Ishii Gallery<br />
p. 143–153: OSIRIS, Tokyo<br />
p. 155, 156: Katsuhiro Ichikawa /<br />
Spiral/Wacoal Art Center<br />
p. 158–161: Keizo Kioku/The Japan<br />
Foundation<br />
p. 163–172: Taro Okamoto Museum<br />
of Art, Kawasaki<br />
p. 180–187: David Zwirner Gallery,<br />
New York<br />
p. 189: Gallery Koyanagi<br />
p. 191–193: Gallery Koyanagi<br />
p. 194, 195: Gagosian Gallery, London<br />
p. 196, 197: Makoto Sei Watanabe<br />
p. 199: The National Museum of Art,<br />
Osaka<br />
p. 201: Metropolitan Museum of<br />
Contemporary Art, Tokyo<br />
p. 202–208: Yoshiko Isshiki Office,<br />
Tokyo<br />
p. 211, 213: Nicolas Lackner, LMJ
Diese Publikation erscheint<br />
anlässlich der Ausstellung<br />
Chikaku<br />
Zeit und Erinnerung in Japan<br />
Kunsthaus Graz<br />
Camera Austria<br />
04.06.–11.09.2005<br />
Museo de Arte<br />
Contemporanea de Vigo<br />
07.10.2005–22.01.2006<br />
Ausstellungsarchitekt<br />
Makoto Sei Watanabe<br />
Co-Architekt<br />
Niels Jonkhans<br />
This catalogue is published<br />
on the occasion of the exhibition<br />
Chikaku<br />
Time and Memory in Japan<br />
Kunsthaus Graz<br />
Camera Austria<br />
June 04–Sep 11, 2005<br />
Museo de Arte<br />
Contemporanea de Vigo<br />
Oct 07, 2005–Jan 22, 2006<br />
Exhibition architect<br />
Makoto Sei Watanabe<br />
Co-architect<br />
Niels Jonkhans<br />
Veranstaltet mit<br />
Co-organized by<br />
Mit Unterstützung von:<br />
Supported by:<br />
Stadt Graz, Land Steiermark,<br />
A1, Zumtobel Staff,<br />
JAL, Toho Tenax<br />
Dank an<br />
Thanks to<br />
Katya Andrusz; Masahiro Aoki; Masabumi<br />
Araki; Architectural Institute of Japan;<br />
Paul Aston; Austrian Embassy in Tokyo;<br />
Alfred Birnbaum; Commemorative<br />
Association For The Japan World<br />
Exposition ’70; Daguerreo Press, Inc.;<br />
Daros Collection, Zürich; David Zwirner<br />
Gallery, NY; Fabian & Claude Walter<br />
Galerie, Zürich; Fontaine Limited; Fuchu<br />
Art Museum; Tomoko Fujibayashi; Aki<br />
Fujii; Chie Fukasawa; Gagosian Gallery,<br />
London; Gallery Kasahara; Gallery<br />
Koyanagi; Hara Museum of Contemporary<br />
Art; Kaori Hashiguchi; Jun<br />
Hatakeyama; Yukihiro Hirayoshi; Kaori<br />
Hoya; Hideaki Ibuki; Kotaro Iizawa,<br />
Hiroshima City Museum of Contemporary<br />
Art; Ryuta Imafuku; Takayuki Ishii;<br />
Masato Ishizuka; Toshiharu Ito; Museum<br />
of Contemporary Art, Tokyo; Yoshiko<br />
Isshiki; Japan Design Net; Japan Graphic<br />
DesignersAssociation Inc.; The Japan<br />
Institute of Architects; Japanese Embassy<br />
in Vienna; Niels Jonkhans; Masana<br />
Kamijo; Ryoko Kamiyama; Mariko<br />
Karlhuber-Yoshida, Wien; Ryunosuke<br />
Kasahara; Kaori Kataoka; Tadashi<br />
Kawamata plus on the table; Kazuya<br />
Kimura; Akiko Kobayashi; Mika Koike;<br />
Michi Komazaki; Tamao Konishi;<br />
Koubo-Guide sha CORP.; Atsuko Koyanagi;<br />
Hendrikje Kühne; Shino Kuraishi;<br />
Aki Kusumoto; Takeshi Matsuoka; Karla<br />
Merrifield, Studio One, NY; Moriwakit<br />
Japan; Mitsue Nakamura; National<br />
Museum of Art, Osaka; The Niigata<br />
Prefectual Museum of Modern Art; The<br />
Niigata Bandaijima Art Museum; Masao<br />
Mizukoshi; Yasuhiro Nakano; Yoko Nose;<br />
Arnold Obermayr; Natsuko Odate;<br />
Shusaku Okada; Yukari Okada; Toshiko<br />
Okamoto; OSIRIS Co., Ltd.,; Ota Fine<br />
Arts; Catherine & Jacques Pineau,<br />
Amélie-les-Bains; Robert Miller Gallery,<br />
NY; Saito Media Lab Co., Ltd.; Sammlung<br />
Hauser und Wirth, Henau; Shugo Satani;<br />
Tatsumi Sato; Yoko Sawada; Mine<br />
Scheid; Stefan Schwar; Bernhard Seidl;<br />
Shadai Gallery; Shugoarts; Eisuke Tabata;<br />
TAKAHASHI collection; Taka Ishii Gallery;<br />
Taro Okamoto Museum of Art, Kawasaki;<br />
Hiroshi Tamaoki; Yoko Tawada; Shinzo<br />
Terui; Shinsuke Toda; Toyota Municipal<br />
Museum of Art; Kumiko Uchimura;<br />
Katsuko & Kuniaki Ueda (Sanbi-Shosha);<br />
Elisa Uematsu; Andreas Volk; Makoto<br />
Sei Watanabe/Architects’ Office, Krystyna<br />
Wilkoszewska; Ealan Wingate, Gagosian<br />
Gallery, NY; Yamamoto Gendai; Yuko<br />
Yamamoto; Ryujiro Yano; Atsuo Yasuda;<br />
Yokohama Museum of Art, Yokohama;<br />
Yoshiko Isshiki Office; Takeshi Yoshimura,<br />
Tadashi Yuzawa; den MitarbeiterInnen<br />
von Kunsthaus Graz, Camera Austria<br />
und The Japan Foundation sowie allen<br />
Leihgeberinnen und Leihgebern.<br />
Besonderer Dank geht an<br />
die Künstlerinnen und Künstler<br />
der Ausstellung.<br />
We owe special thanks to<br />
the artists of the exhibition.
Das Werk ist urheberrechtlich<br />
geschützt. Die dadurch begründeten<br />
Rechte, insbesondere die der<br />
Übersetzung, des Nachdruckes, der<br />
Entnahme von Abbildungen, der<br />
Rundfunksendung, der Wiedergabe<br />
auf photomechanischem oder<br />
ähnlichem Weg und der Speicherung<br />
in Datenverarbeitungsanlagen,<br />
bleiben, auch bei nur auszugsweiser<br />
Verwertung, vorbehalten.<br />
© 2005 KünstlerInnen, AutorInnen,<br />
Kunsthaus Graz, Camera Austria und<br />
Verlag der Buchhandlung Walther<br />
König, Köln<br />
Die Deutsche Bibliothek –<br />
CIP-Einheitsaufnahme<br />
Ein Titelsatz für diese Publikation ist<br />
bei der Deutschen Bibliothek erhältlich.<br />
Vertrieb außerhalb Europas<br />
D.A.P./Distributed Art Publishers, Inc.,<br />
155 Sixth Avenue<br />
New York, NY 10013<br />
Tel +1 212-627-1999<br />
Fax +1 212-627-9484<br />
Erschienen im<br />
Verlag der Buchhandlung<br />
Walther König, Köln<br />
ISBN 3-88375-966-X<br />
Gedruckt in Österreich<br />
The work is subject to copyright.<br />
All rights reserved, whether the whole<br />
or parts of the material is concerned,<br />
specially those of translation,<br />
reprinting, re-use of illustrations, broadcasting,<br />
reproduction by photocopying<br />
machines or similar means, and storage<br />
in data banks.<br />
© 2005 Artists, Authors, Kunsthaus<br />
Graz, Camera Austria and Verlag der<br />
Buchhandlung Walther König, Cologne<br />
CIP data applied for<br />
Distribution outside Europe<br />
D.A.P./Distributed Art Publishers, Inc.,<br />
155 Sixth Avenue<br />
New York, NY 10013<br />
Tel +1 212-627-1999<br />
Fax +1 212-627-9484<br />
Published by<br />
Verlag der Buchhandlung<br />
Walther König, Cologne<br />
ISBN 3-88375-966-X<br />
Printed in Austria<br />
Herausgeber<br />
Peter Pakesch,<br />
Christine Frisinghelli<br />
Kurator<br />
Toshiharu Ito<br />
(Tokyo National University<br />
of Fine Arts and Music, Tokio)<br />
In Zusammenarbeit mit<br />
Adam Budak (Kunsthaus Graz),<br />
Seiichi Furuya (Camera Austria),<br />
Miki Okabe (The Japan Foundation)<br />
Kuratorische Assistenz<br />
Masashi Kohara,<br />
Kasumi Yamaki<br />
Redaktion<br />
Katia Schurl (Kunsthaus Graz),<br />
Miki Okabe (The Japan Foundation)<br />
Kasumi Yamaki<br />
(The Japan Foundation)<br />
Masashi Kohara<br />
(The Japan Foundation)<br />
Übersetzungen<br />
Katya Andrusz,<br />
Paul Aston,<br />
Alfred Birnbaum,<br />
Fontaine Limited,<br />
Hendrikje Kühne,<br />
Otmar Lichtenwörther,<br />
Mine Scheid,<br />
Bernhard Seidl,<br />
Andreas Volk<br />
Lektorat<br />
Martha Konrad,<br />
Stefan Schwar<br />
Editors<br />
Peter Pakesch,<br />
Christine Frisinghelli<br />
Curator<br />
Toshiharu Ito (Tokyo<br />
National University of Fine<br />
Arts and Music, Tokyo)<br />
In collaboration with<br />
Adam Budak (Kunsthaus Graz),<br />
Seiichi Furuya (Camera Austria),<br />
Miki Okabe (The Japan Foundation)<br />
Curatorial assistants<br />
Masashi Kohara,<br />
Kasumi Yamaki<br />
Assistant Editor<br />
Katia Schurl (Kunsthaus Graz),<br />
Miki Okabe (The Japan Foundation)<br />
Kasumi Yamaki<br />
(The Japan Foundation)<br />
Masashi Kohara<br />
(The Japan Foundation)<br />
Translation<br />
Katya Andrusz,<br />
Paul Aston,<br />
Alfred Birnbaum,<br />
Fontaine Limited,<br />
Hendrikje Kühne,<br />
Otmar Lichtenwörther,<br />
Mine Scheid,<br />
Bernhard Seidl,<br />
Andreas Volk<br />
Lectorship<br />
Martha Konrad,<br />
Stefan Schwar<br />
Grafische Konzeption<br />
und Gestaltung<br />
Lichtwitz – Büro für<br />
visuelle Kommunikation:<br />
Kriso Leinfellner,<br />
Stefanie Lichtwitz,<br />
Harald Niessner,<br />
Kristina Pusch<br />
Drucküberwachung<br />
Michael Neubacher<br />
Druck<br />
Medienfabrik Graz<br />
(FM-Raster, 5c plus<br />
Dispersionslack)<br />
Schutzumschlag<br />
Austriaplastics, Wels<br />
Papier<br />
Ikonosilk 170g,<br />
Biotop 3 100g,<br />
Invercote 300g<br />
Schrift<br />
KunsthausGraz<br />
Art Direction and Design<br />
Lichtwitz – Büro für<br />
visuelle Kommunikation:<br />
Kriso Leinfellner,<br />
Stefanie Lichtwitz,<br />
Harald Niessner,<br />
Kristina Pusch<br />
Print supervision<br />
Michael Neubacher<br />
Print<br />
Medienfabrik Graz<br />
(FM-Raster, 5c plus<br />
dispersion varnish)<br />
Cover<br />
Austriaplastics, Wels<br />
Paper<br />
Ikonosilk 170g,<br />
Biotop 3 100g,<br />
Invercote 300g<br />
Font<br />
KunsthausGraz<br />
234 235
Kunsthaus Graz<br />
Peter Pakesch, Intendant<br />
Landesmuseum Joanneum<br />
Gabriele Hofbauer,<br />
Assistentin Intendanz<br />
Katrin Bucher, Kuratorin<br />
Adam Budak, Kurator<br />
Katia Schurl,<br />
Kuratorische Assistenz<br />
Elisabeth Haas, Registrarin<br />
Werner Urdl, Registratur<br />
Assistenz<br />
Margot Maas-Goettsberger,<br />
Leitung Kunstvermittlung<br />
Astrid Bernhard,<br />
Assistentin Kunstvermittlung<br />
Eva Ofner,<br />
Sigrid Rachoinig,<br />
Personalkoordination<br />
Aufsicht/Kunstvermittlung<br />
Doris Lind, Presse<br />
Anna Schleiffer, Presse<br />
Sabine Bergmann,<br />
Office Management<br />
Elisabeth Weixler, Marketing<br />
Bärbel Hradecky,<br />
Marketing Assistenz<br />
Andreas Schnitzler, Sponsoring<br />
Gabriele Filzwieser,<br />
Veranstaltungsmanagement<br />
Doris Psenicnik, Assistenz<br />
Veranstaltungsmanagement<br />
Tanja Gurke, Leitung Shop<br />
Sabine Suppan, Leitung EDV<br />
Andreas Graf, Assistenz EDV<br />
Erik Ernst, Technischer Leiter<br />
Irmgard Knechtl,<br />
Leitung Reinigung<br />
Robert Bodlos, Leiter Werkstatt<br />
Aellinger, Markus Ettinger,<br />
Bernd Klinger, Christian<br />
Reinprecht, Klaus Riegler,<br />
Peter Rumpf, Michael Saupper,<br />
Peter Semlitsch, Andreas<br />
Zerawa, Technisches Team<br />
Kunsthaus Graz<br />
Peter Pakesch, Director<br />
Landesmuseum Joanneum<br />
Gabriele Hofbauer,<br />
Director’s Assistant<br />
Katrin Bucher, Curator<br />
Adam Budak, Curator<br />
Katia Schurl, Assistent Curator<br />
Elisabeth Haas, Registrar<br />
Werner Urdl, Registrar Assistant<br />
Regina Novak,<br />
Head of Educational Team<br />
Astrid Bernhard,<br />
Educational Assistant<br />
Eva Ofner, Sigrid Rachoinig,<br />
Supervision education and<br />
staff corrdination<br />
Doris Lind, Press<br />
Anna Schleiffer, Press<br />
Sabine Bergmann,<br />
Office Management<br />
Elisabeth Weixler, Marketing<br />
Bärbel Hradecky,<br />
Marketing Assistant<br />
Andreas Schnitzler, Sponsoring<br />
Gabriele Filzwieser,<br />
Event Management<br />
Doris Psenicnik,<br />
Event Management Assistant<br />
Tanja Gurke, Shop Management<br />
Sabine Suppan,<br />
System Administrator<br />
Andreas Graf,<br />
Assistance System Administrator<br />
Erik Ernst, Head of Technical Team<br />
Irmgard Knechtl,<br />
Head of Cleaning Team<br />
Robert Bodlos,<br />
Head of Construction Team<br />
Erich Aellinger, Markus Ettinger,<br />
Bernd Klinger, Christian<br />
Reinprecht, Klaus Riegler,<br />
Peter Rumpf, Michael Saupper,<br />
Peter Semlitsch, Andreas<br />
Zerawa, Technical Team<br />
Camera Austria<br />
Christine Frisinghelli, Redaktionsleitung,<br />
Geschäftsführung<br />
Manfred Willmann, Herausgeber,<br />
Künstler, Kurator<br />
Reinhard Braun, Kurator,<br />
Redakteur<br />
Seiichi Furuya, Künstler, Kurator<br />
Maren Lübbke, Redakteurin<br />
Manisha Jothady, Redakteurin<br />
Margit Neuhold,<br />
Kuratorische Assistenz<br />
Eva Leopold, Vertrieb<br />
Marlene Egger, Rechnungswesen<br />
Gabriela Semlitsch,<br />
Studienbibliothek<br />
Barbara Stöcker, Anzeigenleitung<br />
The Japan Foundation<br />
Kazuo Ogoura, Präsident<br />
Toru Kodaki,<br />
stellvertretender Generaldirektor<br />
Tomoyuki Sakurai,<br />
Geschäftsführer, Kunst<br />
Department<br />
Tokiko Kiyota, Direktor,<br />
Abteilung Bildende Kunst<br />
Miki Okabe, stellvertretende<br />
Direktorin, Abteilung Bildende<br />
Kunst<br />
Camera Austria<br />
Christine Frisinghelli, Editor,<br />
Managing Director<br />
Manfred Willmann, Publisher,<br />
Artist, Curator<br />
Reinhard Braun, Curator, Editor<br />
Seiichi Furuya, Artist, Curator<br />
Maren Lübbke, Editor<br />
Manisha Jothady, Editor<br />
Margit Neuhold,<br />
Assistant Curator<br />
Eva Leopold, Distribution<br />
Marlene Egger, Accountancy<br />
Gabriela Semlitsch,<br />
Study Library<br />
Barbara Stöcker,<br />
Advertising Manager<br />
The Japan Foundation<br />
Kazuo Ogoura, President<br />
Toru Kodaki, Executive President<br />
Tomoyuki Sakurai, Managing<br />
Director, Arts Department<br />
Tokiko Kiyota, Director,<br />
Visual Arts Division<br />
Miki Okabe, Assistant Director,<br />
Visual Arts Division
Teilnehmende KünstlerInnen<br />
Participating artists<br />
Masaki Fujihata<br />
Rieko Hidaka<br />
Takashi Ito<br />
Emiko Kasahara<br />
Tadashi Kawamata<br />
Yayoi Kusama<br />
Trinh T. Minh-ha<br />
Hiroyuki Moriwaki<br />
Daido Moriyama<br />
Takuma Nakahira<br />
Tetsuya Nakamura<br />
Motohiko Odani<br />
Taro Okamoto<br />
Yoko Ono<br />
Yutaka Sone<br />
Yoshihiro Suda<br />
Hiroshi Sugimoto<br />
Makoto Sei Watanabe<br />
Masaaki Yamada<br />
Miwa Yanagi<br />
Verlag der Buchhandlung<br />
Walther König, Köln<br />
ISBN 3-88375-966-X