Katalog/Catalogue - deutsch/englisch
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Fig. 1 Taro Okamoto<br />
Tower of the Sun,<br />
Osaka Expo, 1970<br />
(Außenansicht)<br />
Fig. 1 Taro Okamoto<br />
Tower of the Sun,<br />
Osaka Expo, 1970<br />
(Exterior)<br />
Fig. 2 Taro Okamoto<br />
Tower of the Sun,<br />
Osaka Expo, 1970<br />
(Innenansicht)<br />
Fig. 2 Taro Okamoto<br />
Tower of the Sun,<br />
Osaka Expo, 1970<br />
(Interior)<br />
sich um die Ablichtung eines merkwürdigen Tongefäßes, das Okamoto<br />
1956 fotografierte. Es ist weder ein „Kunstfoto“ noch eine Aufnahme<br />
von Okamotos eigenen Skulpturen oder Gemälden, sondern die<br />
Fotografie eines mehrere tausend Jahre alten Gefäßes aus der japanischen<br />
Jomon- („Schnurkeramik“) Kultur: ein dynamisch gewundener<br />
Haufen von rohen, hervorquellenden Kurvenlinien. Okamoto<br />
war in der Zwischenkriegszeit zu Studienzwecken nach Paris gegangen,<br />
hatte dort unter Marcel Mauss, dem Pionier der französischen<br />
Ethnologie, studiert und stand mit Georges Bataille und Michel Leiris<br />
in freundschaftlichem Kontakt. Bevor er kriegsbedingt nach Japan<br />
zurückkehrte, hatte er bereits zahlreiche Werke ausgestellt. Bald nach<br />
Kriegsende, ab den 1950er Jahren, machte er sich daran, Japan<br />
neu zu entdecken, und bereiste mit seiner Kamera das ganze Land.<br />
Am Ende der Reise gelangte er zu einer bestimmten Vorstellung<br />
vom Fundament der japanischen Seelenlandschaft: Es war nicht die<br />
Ansicht eines einheitlichen, ordentlichen, förmlichen Japan, sondern<br />
der Blick auf ein Japan voll ungeahnter Vitalität und Lebhaftigkeit.<br />
Oder vielmehr etwas, das über den Begriff Japan hinausging, etwas,<br />
das von jener Geschichte und Tradition, die vom so genannten Altertum<br />
bis in die Gegenwart reichen, verschieden war und aus einem<br />
noch tiefer liegenden Fluss schöpfte. Was dieses Japanbild Okamotos<br />
klar zum Ausdruck brachte, war die Jomon-Keramik, die die ehemaligen<br />
Grenzen des bewohnten Japan, nämlich die Tohoku-Region<br />
im äußersten Norden der Hauptinsel Honshu und die Inseln von<br />
Okinawa im äußersten Süden auf einer tiefen Ebene miteinander<br />
verband. Okamoto war erfüllt von der Idee des Ursprungs der japanischen<br />
Kunst. Wo nahm die Kunst Japans ihren Anfang? Was ist<br />
die japanische Kunst? Und so eröffneten sich Okamoto auf seiner<br />
Forschungsreise nach den Quellen der japanischen Kunst schließlich<br />
die Gefäße der Jomon-Kultur.<br />
1877 führte der amerikanische Zoologe Edward S. Morse (1838–1925)<br />
Untersuchungen an den Muschelhaufen von Omori in der Bucht<br />
von Tokio durch und förderte dabei eine große Anzahl merkwürdig<br />
geformter Tongefäße zu Tage, die er als Schnurkeramik („jomon“)<br />
bezeichnete. Okamoto unternahm den Versuch, aus diesen rohen,<br />
unharmonischen Gefäßen, die von der japanischen Kunstgeschichte<br />
mit ihrer Beschränkung auf die verfeinerte Wabi-Sabi-Ästhetik lange<br />
ignoriert worden waren, eine mystische Form der Wahrnehmung,<br />
mit der die Japaner vor tausenden Jahren die Welt sahen, herauszulesen.<br />
In dem Aufsatz Dialog mit der Vierten Dimension – Von der<br />
Keramik der Jomon-Zeit (Yojigen no taiwa – jomondoki-ron), der<br />
1952 in der Zeitschrift Mizue erschien und großes Echo hervorrief,<br />
interpretierte Okamoto die schlichten archäologischen Artefakte als<br />
ursprünglichste Form der japanischen Kultur und als primitive Kunst.<br />
Die japanische Jomon-Zeit war eine Kultur der Jäger und Sammler,<br />
photographed a curious earthenware vessel. Not an<br />
“art photograph” per se, nor was it how he, how<br />
Okamoto would have photographed his own sculptures<br />
or paintings. No, Okamoto photographed a<br />
several-thousand-year-old proto-Japanese Jomon<br />
period pot, its dynamically kneaded rough clay form<br />
surging with curves. Having studied abroad in Paris<br />
entre les guerres under the pioneering French anthropologist<br />
Marcel Mauss, he was also well befriended<br />
with writers Georges Bataille and Michel Leiris and<br />
exhibited many artworks before returning home at<br />
the outbreak of World War II. Immediately after the<br />
war Okamoto set about to “rediscover Japan”, travelling<br />
the length of the country with camera in hand<br />
in search of the “indigenous Japanese spirit”. For it<br />
was here, on Japanese soil, that he found his true<br />
vision. No unified scheme of formalised Japanese<br />
socio-aesthetics, his was a bold new gaze on Japan,<br />
impossibly charged with life. Or rather, he transcended<br />
existing notions of Japan to channel a deeper<br />
course “outside” the accepted lineage of Japanese<br />
tradition and history from ancient times to the<br />
present. Okamoto‘s vision of Japan found clear underlying<br />
evidence in rope patterns conjoining the thenmarginal<br />
Tohoku region in the far north of Honshu<br />
with Okinawa located in the extreme south of the<br />
Japanese archipelago. Okamoto‘s probing ques-<br />
tions – where had Japanese art come from? what<br />
was Japanese art? – indeed his very quest for the<br />
wellsprings of Japanese art eventually led him to<br />
rediscover Jomon period pottery.<br />
In 1877, American naturalist and University of Tokyo<br />
professor Edward S. Morse (1838–1925) excavated<br />
the Omori Shell Mounds near Tokyo Bay, and encountered<br />
a great many pieces of strangely shaped<br />
pottery, which he named “jomon” or “rope pattern”<br />
wares. From these brutish shards and inharmonious<br />
pots long disregarded by the “wabi”-refined bird-andflower<br />
schools of Japanese art history, Okamoto<br />
sought to read the mystic perceptions of the proto-<br />
Japanese thousands of years ago. In his controversial<br />
1952 treatise Jomon Pottery: Conversation with<br />
the Fourth Dimension published in the art magazine<br />
Mizue, Okamoto reassessed what had been<br />
considered mere archaeological relics as the most