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Katalog/Catalogue - deutsch/englisch

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Fig. 5 Taro Okamoto,<br />

„Guso“, Insel Kudaka,<br />

Okinawa, 1966<br />

Fig. 5 Taro Okamoto,<br />

“Guso“, Kudaka Island,<br />

Okinawa, 1966<br />

nicht einfach nur – wie es heutzutage üblich ist – Kunst um der Kunst<br />

willen gewesen sein kann und nur aus ästhetischem Antrieb heraus<br />

geschaffen wurden. Sie sind in höchstem Maße religiös, sie haben<br />

eine magische Bedeutung; anders gesagt, streben sie in Richtung<br />

Vierdimensionalität.“11<br />

Wie auch aus dieser Aussage deutlich hervorgeht, ist die „Vierdimensionalität“,<br />

die Okamoto hier anspricht, ganz klar mit „Magie“ gleichzusetzen.<br />

Warum er diesen Ausdruck verwendete, liegt eindeutig darin<br />

begründet, dass er seine Sichtweise, die im Gegensatz zu der in der<br />

Kunst üblichen Betrachtungsweise eines Objektes, die auf der Wahrnehmung<br />

seiner Dreidimensionalität beruhte, diese systematische<br />

Betrachtungsweise durch eine zusätzliche spirituelle Dimension (das,<br />

was Okamoto „strenge Ideologie“ nennt) zu überschreiten suchte,<br />

zum Ausdruck brachte. Durch die Verwendung der „vierten Dimension“<br />

als begrifflich gemachte Transzendenz der körperlichen dritten Dimension,<br />

konnte sich Okamoto der magischen Dimension, die den Dingen<br />

eigen ist, annähern.<br />

Okamoto, der auf diese Weise die erstaunliche Mystik, welche die<br />

Formen jomonzeitlicher Keramik in sich birgt, unter Berufung auf eine<br />

ethnologische Ästhetik zu lösen versucht, verweist wiederum auf den<br />

französischen Soziologen Lucien Lévy-Bruhl (1857–1939), der den<br />

Begriff der „Teilhabe“ in den Diskurs über die Mentalität der Primitiven<br />

einbrachte: „Diese Mystik ist ganz gewiss nicht die Art von Mystik,<br />

die wir heute unter diesem Begriff verstehen. In primitiven Gesellschaften<br />

ist die Welt des Sichtbaren mit der Welt des Unsichtbaren<br />

eng und ohne Unterbrechung verbunden; was Lévy-Bruhl als ‚Gesetz<br />

der Teilhabe’ bezeichnet, also der Glaube, dass ein Mensch gleichzeitig<br />

beispielsweise ein Känguru ist, birgt keinen Widerspruch, sondern ist<br />

als primitive Denkweise in sich völlig logisch. Ein Bär, also ein Beutetier,<br />

mag auch ein Stein, eine Skulptur oder ein Mensch sein (oder<br />

sogar ein abstraktes Ding). Für den Primitiven gibt es daran keinerlei<br />

Zweifel. Dementsprechend kann er, um den Bären zu fangen, diesen<br />

Stein oder jene Skulptur mit einem Zauber belegen. In unserem<br />

Denken muss, damit beispielsweise ein Bär auch ein Stein sein kann,<br />

eine vermittelnde mystische Instanz herhalten. Für den Primitiven<br />

allerdings handelt es sich nicht um so eine Form von Mystik: Kurz<br />

gesagt handelt es sich um eine direkte Verbindung, die keine vermittelnde<br />

Instanz benötigt. Wenn man diese Weltanschauung erweitert,<br />

so scheint es gewiss, dass die Muster der Jomon-Zeit in weitaus<br />

konkreterer und realitätsbezogener Weise mit bestimmten Dingen in<br />

Verbindung stehen [...] Man kann das geistige Motiv, das am Grunde<br />

dieses wilden, zähen, mystischen Schönheitsempfindens liegt, klar<br />

und deutlich erfassen: die der Lebensweise als Jäger an sich eigene,<br />

tragische vielfacettierte Spiritualität und Ambivalenz.“12<br />

Nor are those strange and complicated Jomon<br />

rope patterns the product of mere aesthetic awareness<br />

as with today’s art for art’s sake creations,<br />

certainly not. Therein lie intense religious and magical<br />

meanings, or rather a view toward the fourth<br />

dimension.”11<br />

As should be clear from these remarks, Okamoto’s<br />

“fourth dimension” ultimately comes down to<br />

“magic”. He adopts this turn of phrase in order to<br />

strike a contrast to the realm of art where threedimensional<br />

objets d’art are to be viewed as complete<br />

in themselves; rather, Okamoto wants to say,<br />

the very same moulded objects carry intimations<br />

within their material substance suggestions of<br />

embodying a spirituality (Okamoto’s “determined<br />

ideologies”) that transcend the dimensions of<br />

conventional viewing space. Applying the concept<br />

of a “fourth dimension” beyond the object’s three<br />

dimensions, Okamoto was trying to get at an added<br />

magical dimension of materiality.<br />

Thus reading a mystique into the surprising forms of<br />

Jomon pottery by invoking ethnological aesthetics,<br />

Okamoto draws upon the concept of “participation”<br />

from the mentalité primitive discourse of French<br />

socio-anthropologist Lucien Lévy-Bruhl (1857–1939):<br />

“This mystique, however, may not necessarily be<br />

the form of mystique we commonly think of today.<br />

In primitive societies, the visible and invisible worlds<br />

were quite openly connected without any mystical<br />

divide through what Lévy-Bruhl termed the ’law of<br />

participation’, that is, a person might without any<br />

contradiction believe himself to also simultaneously<br />

be a kangaroo via a kind of pre-logical reverie. Likewise<br />

a prey bear might be a rock or a figurine or<br />

another person (or even some abstract entity).<br />

Primitive people had no doubts whatsoever: in order<br />

to catch a bear they had only to work magic upon<br />

the stone or figurine. To our way of thinking, some<br />

magical intervention must precipitate the identification<br />

of bear with stone, but for them there was<br />

nothing mystical about it at all. That is, things were<br />

directly connected without intervention. Extrapolating<br />

from this worldview, the patterns on Jomon<br />

pottery and so on surely related to other things in

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