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Katalog/Catalogue - deutsch/englisch

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1 Im Juli 1927 kam ein junger japanischer Archäologe über die<br />

transsibirische Eisenbahn nach Paris, um dort zu studieren; Jiujiro<br />

Nakaya (1902–1936) hatte an der Naturwissenschaftlichen Fakultät<br />

der Kaiserlichen Universität Tokio Anthropologie studiert und gerade<br />

mit seiner Arbeit Klassifizierung und geographisches Vorkommen<br />

irdener Schnabelgefäße (1927) in den Kreisen der bisherigen vorgeschichtlichen<br />

und archäologischen Methodologie für Aufsehen gesorgt.<br />

Er hatte die Ideen der Typologie auf wissenschaftliche Weise eingebracht,<br />

indem er die Verbreitung der zahlreichen Muster und Formen<br />

der in der Jomon-Zeit Ostjapans vorkommenden tönernen Schnabelgefäße<br />

erforschte und anhand der Häufigkeit ihres Auftretens mehrere<br />

Kulturkreise bestimmte, deren zentrale Punkte er durch die Annahme<br />

von Verbreitungsrouten berechnete. Diese bemerkenswerte und<br />

überaus originelle Methode, die der quantitativen Seite große Bedeutung<br />

beimaß, sah sich allerdings der scharfen Kritik der damaligen<br />

Hauptströmung der Jomon-Forschung, die sich nach einer präzisen,<br />

festgetretenen Chronologie richtete, ausgesetzt, die Nakayas Vorgehensweise<br />

als töricht und sinnlos anprangerte.<br />

Nakayas Fahrt nach Europa war von dem enthusiastischen Gedan-<br />

ken motiviert, sich im damals im Bereich der Prähistorik führenden<br />

Frankreich neue Theorien und Methoden anzueignen, die ihm dabei<br />

helfen sollten, sich gegen die konservativen Kreise der damaligen<br />

japanischen akademischen Welt durchzusetzen. In Paris wartete<br />

bereits sein Bruder Ukichiro (1900–1962), der Experimentalphysiker<br />

war, im japanischen Konsulat auf ihn. Ukichiro, der später durch die<br />

erstmalige Erzeugung künstlicher Schneekristalle als Eis- und Schneephysiker<br />

Weltruhm erlangen sollte, war zu jener Zeit als Forscher<br />

im Ausland für das japanische Kultusministerium tätig und studierte<br />

eigentlich gerade in London, war aber offenbar nach Paris gekommen,<br />

um seinen jüngeren Bruder in Empfang zu nehmen. Interessanterweise<br />

existierte damals in einem Teil der Gelehrtenwelt Japans eine<br />

ernsthafte Bewegung, deren Träger – wie sie von den aus völlig<br />

unterschiedlichen Fachgebieten (Physik und Archäologie) kommen-<br />

den Brüdern Nakaya anschaulich illustriert werden – in Europa<br />

neue Impulse der modernen Wissenschaften zu finden erhofften.<br />

Jiujiro Nakayas Aufenthalt in Paris dauerte nicht länger als drei Jahre;<br />

in Bezug auf Kontakte, die sich während dieser Zeit ergaben, ist<br />

zunächst Nakayas Besuch der Vorlesungen von Marcel Mauss (1872–<br />

1950), der am Collège de France Soziologie und Ethnologie lehrte,<br />

besonders erwähnenswert. Während Nakaya mit Mauss’ grandiosen<br />

Ideen in Berührung kam, fing er an, von einer Synthese von Archäologie,<br />

Ethnologie und Volkskunde zu träumen. Nach Ukichiro Nakayas<br />

Erinnerung war es eben dieser Mauss, durch dessen Vermittlung Jiujiro<br />

Zugang zur Französischen Gesellschaft für Archäologie bekommen<br />

Ryuta Imafuku 54 55<br />

1 In July 1927, a young Japanese archaeologist<br />

took the Trans-Siberian Railway to Paris to study.<br />

Having completed his diploma in anthropology at<br />

the Tokyo Imperial University Faculty of Science<br />

and thrown his stone at outdated methodologies<br />

in paleo-archaeology with his thesis Classification<br />

and Geographic Distribution of Spouted Pottery<br />

(1927), this Jiujiro Nakaya (1902–1936) introduced<br />

typological thinking into Japanese science by his<br />

investigations into Kanto area Jomon period earthenware.<br />

Nakaya established the existence of several<br />

different cultural spheres by means of charting<br />

the range and frequency of excavations yielding<br />

various shapes and patterns of spouted pots, then<br />

hypothesized routes of propagation so as to determine<br />

a centre point. All very original, but his unique<br />

emphasis upon quantification went against the<br />

then-prevailing mainstream in Jomon studies that<br />

insisted on strict chronologies, and he found himself<br />

severely criticised for “flouting common sense”.<br />

Nakaya impulsively set out for Europe in hopes of<br />

learning new theories and methods in France, the<br />

leading country in paleology, in order to challenge<br />

the conservative ranks of Japanese academia. There<br />

to greet him at the Imperial Japanese Embassy<br />

in Paris was his own elder brother, experimental<br />

physicist Ukichiro Nakaya (1900–1962), who later<br />

succeeded in making the world‘s first artificial snow<br />

crystals and became a leading light in glaciophysics.<br />

At the time, however, Ukichiro was studying in<br />

London as a Japanese Ministry of Education-sponsored<br />

overseas researcher and had fared over to<br />

Paris just to meet his younger brother. Although<br />

their respective disciplines, physics and archaeology,<br />

were different, the fact that both Nakaya brothers<br />

came to Europe in earnest search of new directions<br />

in modern science tells us something about the<br />

aspirations of the Japanese scientific community<br />

in that era.<br />

Jiujiro Nakaya stayed in Paris a little under three<br />

short but fruitful years. Particularly noteworthy<br />

among the acquaintances he made during this<br />

sojourn was one Marcel Mauss (1872–1950), lecturer<br />

in social anthropology at the Collège de France.

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