Katalog/Catalogue - deutsch/englisch
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der Einwohner ein Tabu verletzt hatte, war er mit einer transzendentalen<br />
„Mystik“ in Berührung gekommen, die jenseits des Urteilsvermögen<br />
der „einheimischen“ Logik lag. Wenn die bleiche Reinheit der<br />
verwitterten Schädel jener Stätte für Okamoto den blitzlichtartigen<br />
Moment, in dem er zum ersten Mal objektiv in seinen eigenen Schädel<br />
blicken konnte, bedeutete, so war die Unerbittlichkeit dieser Selbstfindung<br />
etwas, das den mystischen Traditionen der Insel Kukoto ebenbürtig<br />
war; ein Moment des Heiligen, in dem er sich seinem Selbst<br />
stellt. In diesem Sinn führte es dazu, dass der Dialog mit der „vierten<br />
Dimension Japans“ die Beschränkung des auf dem materiellen Begriff<br />
der einheimischen ethnischen Traditionen beruhenden „Japan“<br />
hinter sich lassen konnte.<br />
6 Es gab niemanden, der Okamotos Bemühungen, sich dem, „was<br />
nicht Japan ist“, über die Dinge auf den japanischen Inseln anzunähern,<br />
die den Dialog mit der „vierten Dimension“ ermöglichen, später<br />
direkt fortsetzte, aber man kann mit Sicherheit sagen, dass zeitweilige<br />
Bewegungen aus einer völlig anderen Richtung existierten, die Japan<br />
anhand dessen, „was nicht Japan ist“, neu zu entdecken und neu zu<br />
erschaffen suchten. Diese Bewegungen sind vom europäischen<br />
kolonialistischen Blick gefärbte Unterfangen, welche bei der Genealogie<br />
der Illusion von der Exotik des „Ostens“ und „Japans“ eine Grenze<br />
ziehen und die besonders auf schöpferischem Kulturbewusstsein<br />
beruhend sich unaufhörlich bemühen, die Starrheit der „japanischen<br />
Tradition“ zu konfrontieren.<br />
So kann man gewiss in Roland Barthes’ (1915–1980) folgenden<br />
Sätzen das Gefühl des „Nichts“ entdecken, das sich der von Okamoto<br />
beschriebenen, schwindelerregenden „Leere“ vergleichen lässt: „Was<br />
hier vorgestellt wird, gehört nicht (zumindest wünsche ich das) zur<br />
japanischen Kunst, zum japanischen Städtebau oder zur japanischen<br />
Küche. Der Autor hat nie und in keinem Sinne Japan photographiert.<br />
Eher gilt das Gegenteil: Japan hat ihn mit vielfachen Blitzen erleuchtet:<br />
oder besser noch: Japan hat ihn in die Situation der Schrift versetzt.<br />
Diese Situation ist aber jene, in der eine gewisse Zerrüttung der<br />
Person eintritt, eine Umwälzung der alten Lektüren, eine Erschüttung<br />
des Sinns, der zerrissen und bis zur unersetzlichen Leere erschöpft<br />
wird, ohne dass freilich das Objekt jemals aufhörte, bedeutsam und<br />
begehrenswert zu sein. Insgesamt ist die Schrift auf ihre Weise ein<br />
Satori: der Satori (das Zen-Erlebnis) ist ein mehr oder weniger starkes<br />
(durchaus nicht erhabenes) Erdbeben, das die Erkenntnis, das Subjekt<br />
ins Wanken bringt: er bewirkt eine Leere in der Sprache.“16 Auf diese<br />
Worte Barthes’ folgt eine große Abbildung in Form einer Kalligraphie<br />
des sinojapanischen Schriftzeichens „mu“ (Leere).<br />
Der französische Philosoph und Semiotiker Roland Barthes kam<br />
Ryuta Imafuku 68 69<br />
a wholly other sacred order beyond criticism of the<br />
“indigenous” mind. The bleached white bones in<br />
those open urns brought a flash of revelation — like<br />
objectively seeing his own skull — another sacred<br />
moment of self-recognition, a head-on challenge<br />
so intense as to rival the transmitted mysteries of<br />
Kudaka itself. Which raised this conversation with<br />
“fourth-dimension Japan” above any Japanese-ness<br />
based in actual concepts of ethnicity or cultural<br />
identity.<br />
6 Okamoto’s “non-Japanese” approach to his<br />
fourth-dimension behind mainstream Japan had<br />
no direct successor, though there continued to be<br />
certain fascinating isolated efforts to recall or<br />
recreate a “non-Japanese” Japan. Some of these<br />
projects, distinguished by a superior cultural awareness,<br />
proposed to trace the lineage of Western<br />
colonialist-coloured exoticism toward the “Orient”<br />
and “Japan” relative to established traditions of<br />
“Japanese-ness”.<br />
For instance, can we not find echoes of that sense<br />
of Okinawan “emptiness” that Okamoto found so<br />
dizzyingly brilliant in the writings of Roland Barthes<br />
(1915–1980): “What is presented here does not<br />
appertain to art, to Japanese urbanism, to Japanese<br />
cooking. The author has never, in any sense, photographed<br />
Japan. Rather, he has done the opposite:<br />
Japan has started him with any number of ‘flashes’;<br />
or better still, Japan has afforded him a situation<br />
of writing. This situation is the very one in which a<br />
certain disturbance of the person occurs, a subversion<br />
of earlier readings, a shock of meaning lacerated,<br />
extenuated to the point of its irreplaceable<br />
void, without the object‘s ever ceasing to be significant,<br />
desirable ... [Satori] creates an emptiness<br />
of language. And it is also an emptiness of language<br />
which constitutes writing.”16 (Immediately<br />
after this passage, Barthes’ book includes a large<br />
brush-written calligraph mu for “emptiness” or<br />
“non-being.”)<br />
French semiotic thinker Roland Barthes first visited<br />
Japan in 1966 for a one-month lectureship at the