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Katalog/Catalogue - deutsch/englisch

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Fig. 6 Trinh T. Minh-ha,<br />

The Fourth Dimension, 2001<br />

Fig. 6 Trinh T. Minh-ha,<br />

The Fourth Dimension, 2001<br />

erstmals 1966 nach Japan; während seines etwa einmonatigen Aufenthaltes<br />

hielt er Vorträge und bereiste Tokio, Kyoto und viele andere<br />

Gegenden Japans. Er setzte sich intensiv mit der Welt der Symbolik<br />

und Zeichen auseinander, die in den Details der alltäglichen Förmlichkeit<br />

liegen, und schrieb aufgrund seiner so gemachten Erfahrungen<br />

das Buch L’Empire des signes (Das Reich der Zeichen), das 1970 in<br />

Paris veröffentlicht wurde. Wie Barthes auch in der Einleitung zu<br />

diesem Buch schreibt, ist das Bild von Japan, das er in seinem Werk<br />

zeichnet, keines, das dem realen Land „Japan“ direkt entspricht; so<br />

wurde auch das imaginäre Japan, wie es als Objekt des Orientalismus<br />

bereits verbreitet war, außen vor gelassen und ein Japan beschrieben,<br />

das sich als von Zeichen umrissenes Sinnbild in Barthes’ Worten<br />

offenbarte. Ähnlich wie Taro Okamoto auf Okinawa, wurde Barthes<br />

ins Kabuki-Theater und zum Kaiserpalast geführt; ihm wurden die<br />

Tempel Kyotos und japanische Kochkunst präsentiert und er übernachtete<br />

in den feinsten japanischen Gästehäusern; ihm wurde von<br />

seinen japanischen Gastgebern das ohnedies bereits verinnerlichte,<br />

europäisch-verklärte Bild Asiens geradezu aufgedrängt.<br />

Dieser Ironie begegnete er mit der ihm eigenen Gelassenheit, während<br />

er in die Welt der Zeichen vorstieß, die aus der Nichtigkeit der Bedeutungen<br />

hervortrat, die sich in einem Spalt seiner Erkenntnis ausbreitete.<br />

Es mag so aussehen, als würden sich so überaus „typisch japanische“<br />

Ideen wie Haiku oder Zen an der Oberfläche dessen befinden, was<br />

Barthes als „das, was nicht Japan ist“, zu fassen versuchte; dementsprechend<br />

wird Barthes’ Empire des signes auch in den letzen Jahren<br />

oft scharf als Reproduktion hohler Stereotype aus dem beherrschenden<br />

Blickwinkel des europäischen, philosophisch überlegenen<br />

Außenstehenden kritisiert.17 Aber, wie Barthes schreibt, ist „Haiku<br />

der Blitz beim Fotografieren (wie es die Japaner tun); allerdings ist<br />

in dieser Kamera kein Film.“18. Hier banalisiert Barthes durch die<br />

Verwendung des überaus japanischen Begriffes „Haiku“ eben jenes<br />

Japan, während das solcherart von seinen Fesseln befreite Feld der<br />

„Bedeutung“ als „so etwas“19 der Trägheit der Alltagsvernunft gegenübergestellt<br />

und als emporragender Riss dargestellt wird. Während<br />

Taro Okamotos unverwandter Blick auf die Keramiken der Jomon-<br />

Zeit oder die „utaki“ Okinawas den blinden Fleck der im täglichen<br />

Leben träge gewordenen Wahrnehmung durchstieß und er von der<br />

Vierdimensionalität der Dinge angezogen wurde, kann man in Barthes<br />

„écriture“ den gleichen Grundgedanken erkennen.<br />

Mit diesem Gedanken an Barthes’ Auseinandersetzung mit „Japan“,<br />

die eigentlich keine ist, können wir weiterverfolgen, wie die Suche<br />

nach dem vierdimensionalen Japan in der vietnamesisch-stämmigen<br />

Filmemacherin Trinh T. Minh-ha, die 1997 ein halbes Jahr in Japan<br />

verbrachte, um dort ihr Video The Fourth Dimension, 2001 20, zu<br />

University of Tokyo, as well as travelling to Kyoto<br />

and other places around Japan. Immersing himself<br />

in the signes immanent in various ceremonial<br />

aspects of Japanese daily life, he returned to Paris<br />

to publish L’Empire des signes (Empire of Signs,<br />

1970) in which he depicts a Japan that, as the<br />

author himself acknowledges from the outset, bears<br />

no direct relation to the real Japan, nor by the same<br />

token stands connects to Western orientalist imaginings<br />

of “Japan”, but instead merely floats as a<br />

semiotically rendered system of superficial<br />

écritures. Not unlike Taro Okamoto in Okinawa,<br />

Barthes was guided around to Kabuki theatre, the<br />

Imperial Palace, temples in Kyoto, top restaurants<br />

and Japanese inns, unilaterally treated to Western<br />

“Oriental” fantasies already internalised by his<br />

hosts, as well as their total disinterest in those<br />

things, a comic awareness-gap that prompted him<br />

to enter a world signified by emptiness.<br />

Such “non-Japanese” elements, Barthes notes, do<br />

indeed seem like superficial taches of extremely<br />

classic Haiku-Zen “Japanese-ness”, hence L’Empire<br />

des Signes has become the subject of more and<br />

more critical discussion in recent years for its<br />

authoritative gaze upon reproduced archetypal<br />

“Oriental” fantasies.17 Nonetheless, when Barthes<br />

writes that “Haiku are Japanese snapshot flashes<br />

with no film in the camera”18, all too casually<br />

likening Japan itself to Haiku, so as to stake out<br />

an empty territory free from the spell of meanings,<br />

he can only confront the rifts in our everyday logical<br />

conventions by indicating “thus”19. Do we not<br />

find here something similar to Taro Okamoto’s<br />

gaze toward Jomon pottery and Okinawan “utaki”,<br />

a mechanism drawn to “fourth-dimensionality”<br />

at work in Barthes’ écritures even as he stabs at<br />

inertial blindspots in everyday perception?<br />

These same issues likewise come to the fore in<br />

Vietnamese-born filmmaker Trinh T. Minh-ha’s<br />

The Fourth Dimension, 2001 20, a title that lets us<br />

know that investigations into fourth-dimensional<br />

Japan have not ceased. Visiting Japan in 1997 on<br />

a half-year residency fellowship, she took on<br />

Barthes’ Japan discourse from an opposite direc-

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