Katalog/Catalogue - deutsch/englisch

ungebundene Bücher. Sie sind manchmal etwas rötlich gefärbt.
Sie bluten, weil ich eine Hautschicht ungeduldig vom Leib abreiße,
bevor sie vollkommen abgestorben ist. Sie leben noch, sie sind
feucht und warm.
Die meisten meiner Fotos haben einen Fleck, der die Form einer
Flamme hat. Meistens hat er eine orangene Farbe, in einem
bestimmten Lichtverhältnis ist der Fleck blutrot. Es liegt daran,
weil bei meiner Kamera eine Ecke abgebrochen ist.
Als ich von Tokyo nach Hamburg umzog, nahm ich kein einziges
Foto mit. Stattdessen hatte ich eine kleine Kamera in der Hosentasche,
mit der ich sofort auf der Straße Gegenstände aufnahm:
einen grünen Müllcontainer, einen gelben Briefkasten, einen
Parkometer, ein Haltestellenschild, einen Gully, ein blaues Straßenschild
mit Straßennamen, eine Leuchtreklame und viele andere
Objekte. In meiner winzigen Wohnung fotografierte ich nie. Ich
besaß so wenig Dinge, dass ich beim Umzug nur einen einzigen
Koffer brauchte. Wenn jemand mir anbot, mich vor einem historischen
Gebäude zu fotografieren, lehnte ich es immer ab. Ich
richtete meine Straßen als meinen Wohnraum ein, indem ich dort
die einzelnen Dinge, die mir neu waren, aufnahm. Wer ein Haus
besitzt, wird lieber seine Möbel oder den Garten fotografieren
als eine Straßenlaterne. Wer ein Kind hat, würde das Kind fotografieren
anstatt eine Katze auf der Straße.
Als Kind träumte ich manchmal davon, mit einer Streichholzschachtel
zu fotografieren: Ein winziges Loch in die Schachtel
bohren und einen ganz schmalen Filmstreifen hineinlegen. Warum
sollte es nicht funktionieren? Der Innenraum der Schachtel ist
klein, er schien mir aber dunkel genug zu sein, um die Schatten
der Dinge einzufangen. In dieser Dunkelheit meditieren die
Streichhölzer tagelang, bis sie genug Kraft gesammelt haben, um
ein Feuer zu produzieren. Ich bewahrte drei Schuhkartons voller
Streichholzschachteln auf. Ich bin keine Sammlerin, aber da ich
zufällig einige Streichholzschachteln aus Nepal besaß, dachte
eine Freundin von mir, ich würde so etwas sammeln. Dabei ging
es mir um den Elefanten, der auf der Schachtel abgebildet war,
und nicht um die Schachtel selbst. Aber die Freundin achtete
nicht auf das Tier und erzählte anderen Freunden, dass ich
heimlich ausländische Streichholzschachteln sammeln würde.
Seitdem bekam ich immer wieder von verschiedenen Leuten
ausgefallene Streichholzschachteln zum Geburtstag. Bis jetzt
habe ich aber keine Schachtel bekommen, mit der ich fotografieren
kann. Mit einem Streichholz kann man Fotos anzünden,
aber nicht aufnehmen.
have a reddish tinge. They bleed because I impatiently
tear off layers of skin from my body before they are
completely dead. They are still vital, moist and warm.
Most of my photos have a splotch on them in the shape
of a flame. Generally it’s orange, but in certain lighting
conditions the splotch is blood-red. The reason is, one of
the corners of my camera has broken off.
When I moved from Tokyo to Hamburg, I didn’t take a
single photo with me. Instead, I had a small camera in
my trouser pocket with which I immediately took pictures
of things in the street: a green trash container, a yellow
letter box, a parking meter, a stop sign, a drain, a blue
street sign with street names, an illuminated advert and
a lot of other things. I never took photos of my tiny flat.
I owned so few things when I moved that I only needed
one suitcase. If someone offered to photograph me in
front of a historic building, I always said no. I furnished
my streets as my living room, where I only photographed
things that were new to me. Anyone with a house is
more likely to photograph his furniture or the garden than
a street lamp. Anyone who has a child would photograph
the child rather than a cat on the street.
As a child, I sometimes dreamt of taking photos with
a matchbox – I’d bore a tiny hole in the box and insert
a very narrow filmstrip inside. Why shouldn’t it work?
The inside of the box is small, but it seemed to me dark
enough to capture the shadows of things. The matches
meditate in this darkness for days until they have enough
strength to produce a light. I used to keep three shoeboxes
full of matchboxes. I’m not a collector, but as I
happened to own some matchboxes from Nepal, a friend
of mine thought I collected things like that. What interested
me was the picture of the elephant on the box,
not the box itself. But my friend paid no attention to the
animal and told other friends that I was secretly collecting
foreign matchboxes. To this day, I keep getting unusual
matchboxes for my birthday from various people. But so
far I haven’t yet had a matchbox I can take photos with.
You can set fire to photos with a match, but you can’t
take them.
When I flew from Hamburg to New York, I didn’t take any
family photos from my childhood with me. The American