Katalog/Catalogue - deutsch/englisch

Man kann versuchen, etwas näher heranzuholen, was wegen
der geographischen oder zeitlichen Entfernung nicht mehr real
vorkommt. Es könnte aber auch passieren, dass eine Landschaft
oder eine Person in die Ferne rückt, weil man diese auf
einem Foto sieht. Hier und jetzt knipsen und niemals ein Foto
besitzen: Das wäre eine weniger nostalgische Haltung gegenüber
einer Entfernung.
Um sich in einem langweiligen Büroalltag selbst zu motivieren,
stellt man sich in der Ferne einen schönen Lebensraum vor:
Dieser Raum sollte den Gegensatz zu dem Berufsalltag verkörpern.
Auf dem Schreibtisch von Büroangestellten sah ich oft
Fotos von ihren Kindern oder von einem Urlaub.
Die Fotos, die sie im Wohnzimmer haben, stellen dagegen ihre
genealogischen Wurzeln dar: Auf einer alten Kommode bei einer
Bekannten von mir stehen drei eingerahmte Familienfotos. An
der Wand hängt ein Foto von den Großeltern. Das sind keine
Schnappschüsse, sondern professionelle Aufnahmen, die in
einem Fotostudio gemacht worden sind.
Was für ein Bild hängt in dem Zimmer eines Menschen, der
pausenlos unterwegs ist? In Gregor Samsas Zimmer hängt ein
Bild, das er aus einer illustrierten Zeitschrift ausgeschnitten
hat. Es stellt eine Dame dar, die – „mit einem Pelzhut und einer
Pelzboa versehen“ – aufrecht dasitzt. Sie hebt einen schweren
Pelzmuff, in dem ihr Unterarm verschwunden ist. Sie ist gerade
dabei, sich in ein pelziges Tier zu verwandeln.
Während das Ungeziefer von Kafka dieses Bild an der Wand
hat, hängen an meiner Wand Fotografien von Ungeziefer.
Vielleicht sollte man die Seidenraupen nicht als Ungeziefer
bezeichnen, denn sie haben durch die Produktion von Seide
bei der Industrialisierung Ostasiens eine wichtige Rolle gespielt.
Die drei Schwarz-Weiß-Aufnahmen hängen senkrecht in einer
Reihe zwischen zwei Fenstern. Auf den ersten zwei Fotos
kriechen die Raupen, während auf dem letzten eine im Kokon
schläft und sich auf die große Verwandlung vorbereitet.
(Deutsche Übersetzung der Haikus von G.S. Dombrady)
You can try to bring something nearer that no longer
seems real because it’s so far way away in time or
distance. But it could also happen that a landscape or
people are distanced because you see them in photos.
Taking snapshots here and now and never owning
a photo would be a less nostalgic attitude towards
remoteness.
To motivate themselves amid the tedium of everyday
office life, people imagine a lovely place to live, somewhere
far away. The place is supposed to be everything
office life isn’t. I’ve often noticed photos of children or
holiday snapshots on office workers’ desks.
The photos they have in their living rooms on the other
hand represent their genealogical roots. One of my
acquaintances has three framed family photos at home,
on top of an old chest of drawers, while on the wall is
a photo of the grandparents. They are not snapshots
but professional photos taken in a studio.
What kind of picture hangs in the room of someone
who is always on the move? Gregor Samsa has in his
room a picture he cut out of a magazine. It shows a
lady sitting upright “in a fur hat and wearing a fur boa”.
She is holding a heavy fur muff into which her forearm
has vanished. She is on the point of turning herself into
a furry creature.
Whereas Kafka’s monster bug had that picture on
the wall, on my wall there are pictures of ordinary bugs.
Perhaps one shouldn’t call silkworms bugs, because
they played an important part in industrialising East
Asia by producing silk. The three black and white photos
hang vertically in a row between two windows. On the
first two photos the silkworms are crawling, while in the
third, one of them is asleep in a cocoon, preparing for
the great “Verwandlung” (metamorphsis).