Krystyna Wilkoszewska Auf der Reise mit Künstlern durch Zeit und Raum A Journey with Artists Through Time and Space
1 Versucht man für die drei Begriffe Perzeption, Zeit und Erinnerung, die der Ausstellung ihre Struktur vorgeben, einen gemeinsamen Nenner zu finden, kommt einem die Reise vielleicht in den Sinn. Reisen verlaufen durch Zeit und Raum; beschreitet man neues, unbekanntes Terrain, schärft sich die Wahrnehmung; selbst entdeckte Orte und Erlebnisse prägen sich dem Gedächtnis ungewöhnlich tief ein und formen unsere Persönlichkeit. Wir reisen zu Fuß, zu Pferd, auf dem Wasserweg, mit Zug und Auto, reisen durch die Lüfte und das All. Deshalb ist das Auf-Reise-Sein, der „homo viator“, seit Anbeginn der Menschheit ein wichtiges Merkmal der Conditio humana. Eine Sonderstellung unter den Reisenden nehmen die Künstler ein. Sie reisen nicht um ihrer selbst willen, sondern für ihre Kunst. Häufig beschreiten sie gerade aufgrund ihrer Reisen künstlerisches Neuland, weil die Spannung, die durch die Erfahrung bisher unbekannter zeitlicher und räumlicher Dimensionen erzeugt wird, Energien freisetzt, die am besten im wirklich kreativen Prozess der Konfrontation mit der künstlerischen Materie zum Ausdruck kommen. Japanische Künstler reisen seit langem. Der berühmte Poet Ki-no Tsurayuki aus dem 10. Jahrhundert, Autor der ersten Theorie der japanischen Poesie, schrieb nach seiner Rückkehr von einer Schiffsreise Tosa nikki (Das Tagebuch aus Tosa), in dem sich der Dichter hinter einem weiblichen Erzähler versteckte. Er begründet damit das literarische Genre des „nikki“, einer Art Reisetagebuch oder -erinnerungen, in denen abwechselnd von Ereignissen berichtet, Gedichte zitiert und Überlegungen zur Poetik angestellt werden. Im 17. Jahrhundert knüpfte der berühmte Dichter Matsuo Basho, der für seine Verdienste um das 17-silbige Haiku-Gedicht, das als Quintessenz der japanischen Ästhetik gilt, den Beinamen „der Unsterbliche“ verliehen bekam, ganz bewusst an die Tradition des Wanderdichters an und unternahm einige Reisen, die auch in Tagebuchform festgehalten wurden. Sie dienten allein dem Zweck, das Wesen der Reise kennen zu lernen. „Basho merkte, dass die Zeit gekommen war, einen neuen Stil zu entwickeln, und er wusste, dass er sich am besten darauf vorbereitete, indem er Edo verließ und auf der Suche nach Inspiration die Provinz bereiste.“1 Bashos Reisetagebücher enthalten Naturbeschreibungen, Berichte von Begegnungen und Gesprächen, aber auch Gedichte, in denen die originelle Beschreibung der Welt auf die Intensität der Empfindungen in der neuen Umgebung schließen lässt. Ein Beispiel: Krystyna Wilkoszewska 74 75 1 In search of a single term that links the three concepts – perception, time and memory – on which this exhibition is based, the notion of a journey may come to mind. Journeys traverse space and time, while entering new, unknown territory sharpens our sense of perception; places that we discover or events that we experience root themselves more strongly in our memory, and become integral to our personalities. We travel on foot, by horse, over water, by train and car, voyage by air and into space. That is why being-on-the-way, “homo viator”, has been such an important characteristic of the human condition from the very beginning of humanity itself. Artists play an exceptional role among travellers. They do not travel for their own sake, but for their art. Indeed, it is because of their journeys that they frequently attain new paths of creation, for the tension generated by the experience of hitherto uncharted dimensions of space and time releases energy which is best expressed in the truly creative process of the struggle with artistic material. Japanese artists have been travelling for a long time. On his return from a sea voyage, the founder of the first Japanese poetic theory, the renowned tenth-century poet Ki-no Tsurayuki, wrote Tosa nikki (The Tosa Diary), hiding behind the figure of a female narrator. With this he founded the literary genre of the “nikki”, a travel diary or travel reminiscences in which descriptions of events are interwoven with quotations from poems and reflections on the principles of writing and evaluations of poetry. The outstanding seventeenth-century poet Matsuo Basho, awarded the epithet “immortal” for his achievements in the development of the 17-syllable haiku poem, which is regarded as the quintessence of the Japanese aesthetic, consciously adopted the role of the wandering bard and undertook several journeys that were then also recorded in the form of a diary. They had no other aim than a desire to understand the very essence of the journey. “Basho felt that the time had come to create a new style and that the most effective preparation was to leave Edo and travel through the countryside for inspiration.”1 Basho’s travel diaries contain descriptions of nature, meetings and conversations, but also poems in which the world is depicted with a freshness that indicates the intensity of his impressions in the new environment. Here is one example:
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