Katalog/Catalogue - deutsch/englisch
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Die Ästhetik der Vergänglichkeit, Schlichtheit und Kargheit,<br />
die untrennbar mit der Teekunst verbunden ist, wird mit Hilfe<br />
einiger japanischer ästhetischer Begriffe beschrieben:<br />
„furyu“ – die Ideogramme des Wortes bedeuten nacheinander:<br />
Wind und fließen. Diese ästhetische Kategorie enthält eine<br />
spezifische Philosophie, die besagt, dass der menschliche Geist<br />
durch das Leben wie der Wind durch die Natur fließen soll. Dies<br />
wird dann erreicht, wenn wir uns auf das unbedingt Notwendige<br />
konzentrieren. Gleichzeitig verwirft „furyu“ die Idee der Vollkommenheit.<br />
„wabi“ und „sabi“ sind ästhetische und metaphysische Kategorien;<br />
der hoch geschätzte Zustand der Unvollkommenheit und<br />
Unabgeschlossenheit führt zu einer außerordentlichen Aufwertung<br />
der Kargheit und des Mangels.<br />
Im Essay Der Weg des Tees schrieb Toshihiko Izutsu: „wabi<br />
übte durch Gegenstände wie einem verwitterten Felsen, ein<br />
wettergegerbtes und gefasertes Stück Holz, ein Stück bunter<br />
Brokat, dessen Farben verblichen und verwaschen sind, eine<br />
solche Anziehungskraft auf den empfindsamen menschlichen<br />
Geist aus.“10<br />
Nach Izutsu beruht die Metaphysik von „wabi“ auf der steten<br />
Spannung zwischen Dasein und Nichtsein, zwischen dem<br />
Prozess des Tee-Servierens und -Trinkens und dem sich ausbreitenden<br />
Nichts. Deshalb hält Izutsu die Teekunst für „eine<br />
dynamische visuelle Kunst, die als Sonderform der räumlichen<br />
Kunst betrachtet werden könnte.”<br />
Wenn die Erscheinungen der Welt empirisch als aufeinander<br />
folgend erfahren werden, d. h. als sich in der Zeit entfaltend,<br />
dann erhalten wir ein bewusstes Bild von der Wirklichkeit als<br />
einer Vielzahl linearer und kausaler Beziehungen. Wenn wir<br />
jedoch an diese phänomenale Welt eine andersartige, z.B.<br />
räumliche Schablone anlegen, erhalten wir eine völlig andere<br />
Konfiguration der Wirklichkeit.<br />
„Es gibt zwei Hauptaspekte, die bei einem räumlichen, nichtzeitlichen<br />
Bild von der Wirklichkeit beachtet werden sollten.<br />
Erstens, anders als in der Wirklichkeit, die als empirisches Feld<br />
einer Kausalkette dargestellt wird, sollte es zwischen den Dingen<br />
und Ereignissen, die darin auftreten, kein Vorher und Nachher<br />
geben. Noch sollten dort Angelpunkte auftauchen, um die die<br />
Dinge und Ereignisse sich kristallisieren und drehen und durch<br />
die das Beziehungskontinuum der Koexistenz beendet wird.”11<br />
Beide Aspekte, eine fehlende zeitliche Ordnung, d. h. das Fehlen<br />
von Anfang und Ende sowie die fehlenden Kategorien von Zentrum<br />
und Peripherie, gehören zu den fundamentalen Theoremen<br />
Krystyna Wilkoszewska 82 83<br />
“furyu” – the ideograms of this word denote in turn wind<br />
and flow. There is a specific philosophy contained in this<br />
aesthetic category that postulates human souls should<br />
flow through life just like the wind flows through nature.<br />
We achieve this when we concentrate only on the indispensable.<br />
“Furyu” also rejects the idea of perfection.<br />
“wabi” and “sabi” – these are aesthetic-metaphysical<br />
categories, in which the states of imperfection and incompleteness<br />
are highly regarded, with the result that poverty<br />
and lack are viewed in an exceptionally positive light.<br />
In his essay The Way of Tea, Toshihiko Izutsu wrote:<br />
“such an alluring fascination was exercised upon the<br />
sensitive mind of the men of wabi by things like a weathered<br />
rock, a weatherworn and grainy piece of wood, a<br />
piece of old multi-coloured brocade with its colours now<br />
faded and subdued, etc.”10<br />
According to Izutsu, the metaphysics of the “wabi” are<br />
based on the constant tension between being and nonbeing,<br />
between the continuous event of serving and<br />
drinking tea and the approaching pervasion of nothingness.<br />
Izutsu therefore regards the art of tea as “a dynamic<br />
visual art which might be considered a particular genre<br />
of spatial art.”<br />
If all material phenomena are experienced empirically<br />
in turn, i.e. as unfolding in time, we receive a conscious<br />
image of reality as a series of linear and causal relations.<br />
If, on the other hand, we use another point of reference –<br />
for example, a spatial matrix – for the phenomenal<br />
world, we gain an entirely different configuration of reality.<br />
“There are two essential points to be observed in relation<br />
to this spatial, non-temporal image of reality. The first is<br />
that, unlike in the reality imaged as the empirical field of<br />
empirical causal sequence, there is not supposed to be<br />
any priority-posteriority relationship between the things<br />
and events which arise therein. Nor should there be any<br />
pivotal centres seen around which the things and events<br />
would coagulate and turn and at which the relational<br />
continuum of co-existence would terminate.”11<br />
Both the above-mentioned aspects, a lack of temporal<br />
order, i.e. the absence of beginning and end, as well as<br />
the absence of the concepts of centre and periphery,<br />
are among the basic postulates of postmodernism. We