Nr. 2 · Mär/Apr. 2008 - Mediaport - Das Magazin für die Medienstadt ...
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aiNer Geritz<br />
Die Mehrdeutigkeit<br />
von Presse-Äußerungen<br />
hat auch<br />
MediaPort bereits<br />
einige Male beschäftigt.<br />
Beweggrund war eine<br />
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts(BVerfG).<br />
Sie besagt, dass bei der<br />
Prüfung mehrdeutiger Äußerungen<br />
<strong>die</strong> das Persönlichkeitsrecht<br />
stärker verletzende<br />
Deutungsvariante zu<br />
Grunde zu legen sei. Dies ist<br />
auch nicht auf Tatsachenaussagen<br />
begrenzt, sondern<br />
gilt ebenso <strong>für</strong> Werturteile,<br />
<strong>die</strong> geeignet sind, Persönlichkeitsrechte<br />
zu beeinträchtigen.<br />
<strong>Das</strong> Gericht meint, es stünde<br />
dem Urheber schließlich frei,<br />
sich in Zukunft eindeutig zu<br />
äußern und klarzustellen, wie<br />
<strong>die</strong> Aussage zu verstehen sei.<br />
Für <strong>die</strong> in der Vergangenheit<br />
liegende Äußerung ist deshalb<br />
<strong>die</strong> Abgabe einer ernsthaften<br />
Erklärung erforderlich, <strong>die</strong><br />
mehrdeutige Äußerung nicht<br />
oder nur mit geeigneten Klarstellungen<br />
zu wiederholen.<br />
MediaPort hat in Ausgabe<br />
/0 <strong>die</strong> hieraus resultierenden<br />
Gefahren aufgezeigt:<br />
Die „Schere im Kopf“ führt<br />
dazu, in vielen kritischen Fällen<br />
überhaupt nicht zu berichten,<br />
um sich nicht Unterlassungsansprüchen<br />
der von<br />
der Berichterstattung Betroffenen<br />
auszusetzen.<br />
Diesen Aspekt hat nun auch<br />
das Bundesverfassungsgericht<br />
aufgegriffen – und<br />
entschieden, dass mehrdeutigen<br />
Äußerungen nicht<br />
mit Gegendarstellungen<br />
begegnet werden könne,<br />
wenn mindestens eine Aus-<br />
12 MediaPort <strong>Nr</strong>. 2 <strong>Mär</strong>z/<strong>Apr</strong>il <strong>2008</strong><br />
PRESSE-RECHT IN HAMBURG<br />
Pressefreiheit<br />
ohne<br />
Einschüchterungseffekte<br />
legungsmöglichkeit bereits<br />
dem entspricht, was der Betroffene<br />
entgegnen möchte.<br />
Denn wenn jede nicht fern<br />
liegende Deutung einer Äußerung<br />
mit einer Gegendarstellung<br />
begegnet werden<br />
könnte, entstünden „erhebliche<br />
Risiken <strong>für</strong> <strong>die</strong> Presseberichterstattung“.<br />
Wörtlich sagt das Gericht:<br />
„Berichte zu komplexen und<br />
umstrittenen Sachfragen wären<br />
mit nicht überschaubaren<br />
Risiken einer Inanspruchnahme<br />
auf Gegendarstellung<br />
belastet. Viele Sachverhalte<br />
lassen sich auf dem<br />
beschränkten Raum, der <strong>für</strong><br />
einen Pressebericht meist nur<br />
zur Verfügung steht, nicht<br />
derart vollständig darstellen,<br />
dass unterschiedliche Eindrücke<br />
der Leserschaft ausgeschlossen<br />
werden. […] Ferner<br />
ist zu berücksichtigen, dass<br />
es in der Praxis manchmal<br />
schwer ist, sich auf eindeutige<br />
Formulierungen zu begrenzen.<br />
Werden solche Rahmenbedingungen<br />
pressemäßiger<br />
Arbeit bei der Ausgestaltung<br />
des Rechts der Gegendarstellung<br />
nicht hinreichend berücksichtigt,<br />
könnte <strong>die</strong> Presse<br />
mit Gegendarstellungsansprüchen<br />
überhäuft und in der Folge<br />
zu einer starken Zurückhaltung<br />
in ihrer Berichterstattung<br />
veranlasst sein. Diese würde<br />
dem Ziel widersprechen, auf<br />
ein hohes Maß an Informiertheit<br />
der Öffentlichkeit durch<br />
<strong>die</strong> Presse hinzuwirken und<br />
eine offene Diskussion zu ermöglichen.“<br />
Treffendere Formulierungen<br />
hätten auch Verlagsjuristen<br />
kaum finden können. Geleitet<br />
hat das Gericht <strong>die</strong> Erkenntnis,<br />
dass der Abdruck<br />
einer Gegendarstellung einen<br />
nur schwer ausgleichbaren<br />
Imageschaden <strong>für</strong> das zum<br />
Abdruck verpflichtete Presseunternehmen<br />
bewirken kann.<br />
Aber gilt Ähnliches<br />
nicht auch <strong>für</strong> Unterlassungsansprüche?<br />
Sicher:<br />
Im Blatt findet hierzu nichts<br />
statt. Doch der Schutzaspekt<br />
des Zieles, „auf ein hohes<br />
Maß an Informiertheit<br />
der Öffentlichkeit durch <strong>die</strong><br />
Presse hinzuwirken und eine<br />
offene Diskussion zu ermöglichen“,<br />
gilt <strong>für</strong> Gegendarstellungen<br />
und Unterlassungen<br />
gleichermaßen.<br />
Erfreulich jedenfalls ist, dass<br />
das Bundesverfassungsgericht<br />
<strong>für</strong> Unterlassungsansprüche<br />
fordert, es müsse in Fällen<br />
mehrdeutiger Äußerungen<br />
<strong>für</strong> eine Klarstellung und damit<br />
<strong>die</strong> Abwendung der kostenpflichtigenUnterlassungs-<br />
verpflichtung ein einfacher<br />
Weg gesichert sein. Noch<br />
einmal das Gericht selbst:<br />
„Nachteilige Wirkungen auf<br />
<strong>die</strong> Ausübung der Kommunikationsfreiheit<br />
wären insbesondere<br />
zu erwarten, wenn<br />
eine hohe Kostenlast auf den<br />
zukäme, der eine mehrdeutige<br />
Äußerung getroffen hat,<br />
auch wenn er nach Erkennen<br />
der Mehrdeutigkeit […] eine<br />
Klarstellung vorgenommen<br />
hat, <strong>die</strong> eine Persönlichkeitsverletzung<br />
ausschließt.“<br />
Und schließlich: „Die<br />
Kostenhöhe kann<br />
unzumutbar sein,<br />
wenn durch sie Einschüchterungseffektehinsichtlich<br />
der Freiheit der Äußerung<br />
zu erwarten sind.“<br />
Damit sollten sich <strong>die</strong> Me<strong>die</strong>n<br />
aber nicht zufrieden geben.<br />
Denn <strong>die</strong> Väter des Grundgesetzes<br />
wollten mit Artikel<br />
5 <strong>die</strong> Freiheit der Meinungsäußerung<br />
und <strong>die</strong> Pressefreiheit<br />
schützen. Diese Freiheiten<br />
können nämlich nur dann zur<br />
vollen Entfaltung kommen,<br />
wenn <strong>die</strong> Me<strong>die</strong>n nicht gezwungen<br />
werden, sich auf<br />
eindeutige Formulierungen<br />
zu begrenzen, weil sich „viele<br />
Sachverhalte auf dem beschränkten<br />
Raum, der <strong>für</strong> einen<br />
Pressebericht meist nur<br />
zur Verfügung steht, nicht<br />
derart vollständig darstellen<br />
lassen, dass unterschiedliche<br />
Eindrücke der Leserschaft ausgeschlossen<br />
werden.“<br />
Rainer<br />
Geritz<br />
ist Rechtsanwalt<br />
und<br />
Justitiar in<br />
der Axel<br />
Springer AG