Deutsch - Internationales Bildungs
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2. „Wir brauchen Begegnung“<br />
Hans Koschnick im Gespräch mit Heike Catrin Bala<br />
„Wir brauchen Begegnung“<br />
Hans Koschnick wurde am 2. April 1929 in Bremen geboren. Von 1967 bis<br />
1985 war er Bürgermeister seiner Heimatstadt. Jahrelang gehörte er dem<br />
Bundesvorstand der SPD an. Zudem war er Präsident des <strong>Deutsch</strong>en Städtetages<br />
und Mitglied des Bundestages. 1994 nahm er das Angebot der Bonner Regierung<br />
an, zwei Jahre als Administrator der EU den Wiederaufbau der im jugoslawischen<br />
Bürgerkrieg schwer zerstörten und geteilten herzegowinischen Stadt<br />
Mostar zu organisieren. Im selben Jahr verübten kroatische Extremisten einen<br />
Mordanschlag auf ihn; auch im Februar 1996 wurde ein Attentat auf ihn unternommen.<br />
Ende März 1996 gab Hans Koschnick sein Mandat zurück. Er wurde<br />
Berater der Europäischen Kommission für den freiwilligen Dienst. Von 1998<br />
bis 1999 war er Bosnienbeauftragter der Bundesregierung. In dieser Funktion<br />
organisierte er die Rückführung von Bürgerkriegs-Flüchtlingen. Neben vielen<br />
anderen Mitgliedschaften und Ämtern war er in den letzten Jahren immer wieder<br />
als Schlichter in Tarifkonflikten des öffentlichen Dienstes aktiv. Er ist auch der<br />
Vorsitzende des Vereins „Gegen Vergessen – Für Demokratie“, der unter anderem<br />
zur Aufklärung über die Ursprünge und Strukturen des Nationalsozialismus sowie<br />
über die Geschichte des SED-Regimes beitragen will.<br />
Herr Koschnick, Sie waren nicht nur EU-Administrator der Stadt Mostar, sondern<br />
auch Bosnienbeauftragter der Bundesregierung. In ihren vielfältigen<br />
Funktionen haben Sie die Balkanregion sehr gut kennen gelernt. Welche<br />
Chancen sehen Sie, dass in Ländern, die einerseits eine realsozialistische<br />
Diktatur erlebt und andererseits auch die Erfahrung von Krieg und Gewalt<br />
gemacht haben, heute eine Aufarbeitung der Vergangenheit beginnen<br />
kann?<br />
Es ist das Problem, ob man nur von Vergangenheit sprechen kann. Für die Menschen<br />
des früheren Jugoslawien, die durch Kriegshandlungen aus ihren normalen<br />
Lebensumständen herausgerissen wurden, sind ihre Einzelschicksale zunächst<br />
wichtiger als die allgemeine „Aufarbeitung der Vergangenheit“. Tatsächlich ist<br />
aber eine Friedenslösung auf dem Balkan erst dann umsetzbar, wenn die Fragen<br />
der Vergangenheit einigermaßen objektiv aufgearbeitet sind. Denn ein wichtiger<br />
Teil der Konfliktsituationen zwischen den Menschen ist begründet in Urteilen und<br />
Vorurteilen, die aus der Geschichte abgeleitet wurden. Dies gibt es in jeder Ge-<br />
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