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Deutsch - Internationales Bildungs

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„Wir brauchen Begegnung“<br />

Ja, das was Sie machen ist genau richtig. Ähnliches habe ich in Mostar versucht.<br />

Da ich es in der Stadt nicht erreichen konnte, habe ich mir Angehörige aller drei<br />

Seiten geholt und wir sind nach Kroatien, Slowenien oder ins Ausland gefahren,<br />

Österreich, <strong>Deutsch</strong>land, Belgien oder die Schweiz. Und wenn sie einmal zusammen<br />

waren, dann sprachen sie miteinander wie früher, tauschten sich aus und<br />

erkundigten sich nach den Familien des anderen. So wie wir wieder nach Mostar<br />

kamen, war das Gespräch wieder zu Ende; die Angst, dafür zur Rechenschaft<br />

gezogen zu werden, war wieder da. Die anderen könnten ja sehen, dass man<br />

dabei war, ein neues Nebeneinander zu organisieren.<br />

Es müssen also Organisationen von außerhalb helfen, die Dialogfähigkeit<br />

wiederherzustellen?<br />

Genau, das ist eine Möglichkeit. Es gibt eine Organisation, die heißt „Schüler<br />

helfen leben“. Sie wurde in Rheinland-Pfalz gegründet und hat heute viele deutsche<br />

Schulen erfasst. Die Abiturienten gehen für ein oder ein dreiviertel Jahr<br />

auf den Balkan. Sie haben schon vieles erreicht in der Hilfe für ein Miteinander.<br />

Sie haben festgestellt, dass es in Bosnien einen Platz gibt, an dem man junge<br />

Menschen aller Nationen zusammenführen kann, ohne dass jemand sie bedroht:<br />

Sarajewo. Dort haben sie ein gemeinsames Jugendzentrum eingerichtet, Zeitungen<br />

in kyrillischer und lateinischer Schrift gedruckt und gemeinsame kulturelle<br />

Veranstaltungen gemacht.<br />

Dies ist auch aktive Geschichtsaufarbeitung, denn es löst den vorgestellten<br />

Gegensatz auf, von dem man glaubt, dass er seit tausend Jahren besteht. Ich<br />

kann den jungen Leuten doch heute wirklich kaum begreiflich machen, dass die<br />

Sache 1054 eigentlich ein Streit zwischen Pfaffen war, römischer oder orthodoxer<br />

Prägung. Ob der Heilige Geist nun von Sohn und Vater oder nur vom Vater ausgegangen<br />

ist, war der Streitpunkt. Das sind Dinge, die ich in einem Gespräch mit<br />

jungen Meinungsbildnern selbst nicht auflösen kann. Man kann ihnen nur dabei<br />

helfen einen klaren Kopf zu behalten, indem man ihnen bewusst macht, dass ein<br />

Teil dessen was war, richtig und falsch zugleich ist. Die Jahreszahlen stimmen,<br />

aber die Zusammenhänge hat jede Nation, hat jeder Großvater aus den Erlebnissen<br />

seiner Zeit weitergetragen und trägt sie noch immer weiter. Und die einzige<br />

Antwort, die es geben kann, ist: Führt die jungen Menschen zusammen, lasst sie<br />

miteinander sprechen und gebt ihnen ganz allmählich die Kraft, selbst zu suchen<br />

und selbst zu ihrer Antwort zu finden.<br />

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