Ausgabe Nr. 21 / November 2007, Thema: Verwalter und - KonNet e.V.
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Hamburg<br />
HAMBURGER HAFENCITY<br />
Hot Spot oder kaltes Quartier?<br />
Wer erinnert sich von den Teilnehmern<br />
der Hafencity-Führung während des<br />
<strong>Verwalter</strong>treffens in Hamburg nicht an<br />
die deutlichen Worte unseres Stadtführers<br />
bezüglich der Hafencity <strong>und</strong> wer<br />
hat nicht selbst einen künstlichen Eindruck<br />
bekommen? Offensichtlich sieht<br />
auch der Spiegel hier Raum für spannende<br />
Fragen:<br />
Wie eine Stadt wächst, kann man in der<br />
Hamburger HafenCity besichtigen. Die<br />
ersten Bewohner dieses Stadtteils der<br />
Zukunft sind sich nur noch nicht so ganz<br />
sicher, ob sie sich für eine Avantgarde<br />
halten sollen. Die spannende Frage:<br />
Wird sich das neue Viertel mit Leben<br />
füllen?<br />
Morgens um halb neun: Was soll man<br />
schon machen mit seinem Tag, als Rentner,<br />
Rheumatiker, Rollstuhlfahrer? Fernsehen<br />
also, immer wieder fernsehen.<br />
Jürgen Fischer, 71, hievt sich in seinen<br />
Fernsehsessel, so eine cremelederne<br />
Wuchtbrumme, bei der die Fußstütze<br />
hochklappt, wenn die Rückenlehne nach<br />
hinten geht. Er steckt sich die Pfeife an,<br />
er schaut, was heute so läuft. Barkassen<br />
von links, Frachter von rechts, drüben, auf<br />
der anderen Elbseite Kräne, <strong>und</strong> an der<br />
Kaimauer ein Schiff aus ... Moment mal,<br />
das Fernglas ... Schweden.<br />
Jeden Morgen um halb neun sitzt Fischer<br />
hier, mit seiner Frau Renate, 69, <strong>und</strong><br />
schaut fern. Als sie im August 2006 einzogen,<br />
Neubau, zweiter Stock, haben sie<br />
sich die TV-Sessel gekauft, aber gleich vor<br />
die Panorama-Scheibe gestellt. Ihr<br />
Lieblingsprogramm, jeden Tag: der Hafen<br />
<strong>und</strong> Hamburgs größte Baustelle, die<br />
HafenCity.<br />
Visionäres Experiment<br />
Es ist das Atemberaubendste, was die Stadt<br />
im Moment zu bieten hat, gewaltig, aber<br />
auch gewagt, visionär für die Zukunft<br />
deutscher Metropolen, aber auch so unabsehbar,<br />
schaut man auf den Ausgang des<br />
Experiments. Es geht da draußen um den<br />
Versuch, den Hamburger Stadtkern um 40<br />
Prozent zu vergrößern, mit Arbeitsplätzen<br />
für 40.000 Menschen, mit Wohnungen für<br />
12.000, es geht um 155 Hektar Innenstadt<br />
vom Reißbrett, die auf geräumten Hafenkais<br />
entstehen sollen. Ein Projekt, für das<br />
Großstädte früher vielleicht 100, 200 Jahre<br />
gebraucht hätten, das jetzt aber zur<br />
Aufgabe für eine Generation zusammenschnurrt,<br />
geplante Fertigstellung: 2025.<br />
Und so schauen aus der ganzen Welt Planer<br />
<strong>und</strong> Wirtschaftsförderer, Urbanistik-<br />
Professoren <strong>und</strong> Architektur-Studenten<br />
auf diese Stadt, wollen sehen, ob sich im<br />
Hamburger Hafen ein lebendiges Viertel<br />
aus der Retorte erzeugen lässt oder ob das<br />
Quartier kalt <strong>und</strong> tot bleiben wird. Teuer,<br />
aber trist.<br />
Die HafenCity gilt damit als wichtigster<br />
Testfall in Deutschland für das Konzept<br />
der wachsenden Stadt, auf das alle Großstädte,<br />
ob München, Stuttgart oder Frankfurt<br />
am Main setzen. Hamburgs Bürgermeister<br />
Ole von Beust will nicht mehr<br />
achselzuckend hinnehmen, dass die Mittel-<br />
<strong>und</strong> Gutverdiener in den Speckgürtel<br />
wegziehen <strong>und</strong> dafür die Hilfsbedürftigen<br />
zuziehen, als wäre es ein osmotisches<br />
Gesetz der Großstadt. Sein Hamburg soll<br />
die Jungen begeistern, bei den Wohlhabenden<br />
begehrt, für die Familien bezahlbar<br />
sein. Es soll schnell genug sein für<br />
die Quicken <strong>und</strong> schön genug für die<br />
Schicken, <strong>und</strong> am Ende heißt das Ziel für<br />
Beust: zwei Millionen. „Da wollen wir<br />
hin“, sagt er, von heute 1,75 Millionen<br />
Einwohner zur Zwei-Millionen-Stadt.<br />
Wer so wachsen will, muss allerdings<br />
Menschen anziehen, wer anziehend sein<br />
will, muss ihnen etwas geben. Mehr als<br />
nur Stadt, Land, Fluss, mehr als nur Penthäuser,<br />
Promenaden, Plätze. Vor allem<br />
Glaube, Liebe, Hoffnung.<br />
Christopher Fritzsche, 44, hat drei Minuten<br />
gebraucht, um zu glauben, zu lieben,<br />
zu hoffen. „Länger haben wir nicht überlegt,<br />
als uns der Laden angeboten wurde.“<br />
Am 1. Juli zog er mit seinem Fre<strong>und</strong><br />
Joachim Eckert, 35, in die HafenCity, am<br />
7. Juli eröffneten sie ihren Kiosk, Kaiserkai<br />
29, den ersten in der HafenCity <strong>und</strong><br />
das erste Geschäft überhaupt, „Harbour<br />
Tobacco“.<br />
Fritzsche ist einer dieser Positiv-Typen,<br />
an die Architekten vermutlich denken,<br />
wenn sie in ihre Entwürfe zur Dekoration<br />
noch ein paar Passanten hineinzeichnen.<br />
Einer, der jetzt immer gegen den Baulärm<br />
von gegenüber sprechen muss, aber sagt:<br />
„Es ist perfekt.“<br />
Mit der Hoffnung ist das in der Stadtplanung<br />
allerdings so eine Sache, auch in<br />
Hamburg; nirgendwo wird so viel gehofft<br />
<strong>und</strong> so wenig über den Ausgang gewusst,<br />
höchstens noch beim HSV, jedes Mal zu<br />
Saisonbeginn. Hoffnung hatten sie im<br />
Stadtplanungsamt auch in den sechziger<br />
<strong>und</strong> siebziger Jahren, die Hoffnung, dass<br />
alles besser werde, wenn man die Menschen<br />
aus ihren alten Innenstadtwohnungen<br />
holen würde, in moderne<br />
Hochhäuser auf der grünen Wiese, <strong>und</strong><br />
wenn man die Arbeitsplätze weit wegschaffte<br />
von den Wohnungen, auf andere<br />
grüne Wiesen.<br />
Doch es wurde nicht besser, es wurde alles<br />
schlechter, die Hoffnung starb in<br />
Steilshoop <strong>und</strong> Mümmelmannsberg, <strong>und</strong><br />
sie starb auch in den Büro-Ghettos von<br />
City Nord bis City Süd, wo man sich<br />
abends auf die Straße legen könnte <strong>und</strong><br />
vermutlich erst am nächsten Morgen überfahren<br />
würde.<br />
Spätestens seit den neunziger Jahren ist<br />
den Machern im Stadtplanungsamt deshalb<br />
klar, dass sie Wohnen <strong>und</strong> Arbeiten<br />
nicht trennen dürfen, dass das eine ohne<br />
das andere nicht lebt. Die Hoffnung auf<br />
eine funktionierende HafenCity heißt deshalb<br />
Mischung - Wohnungen, Büros, Geschäfte.<br />
Und nirgendwo wird sie jetzt<br />
schon so sichtbar wie bei Fritzsche <strong>und</strong><br />
Eckert.<br />
Für sie geht das Leben in der HafenCity<br />
auch nach Ladenschluss weiter, hinter der<br />
Schiebetür in der Rückwand ihres Kiosks.<br />
Auf der anderen Seite, jenseits der Kühlschränke<br />
<strong>und</strong> Fanta-Kästen, liegt ihre<br />
Wohnung, ein Loft, 160 Quadratmeter<br />
groß, mit weißen Ledersofas, von denen<br />
sie aufs Wasser sehen können. Fritzsche<br />
sagt: „Ich bin angekommen“, <strong>und</strong> das<br />
klingt nach Bleibenwollen.<br />
Andere kritisieren das, was man jetzt<br />
schon sieht von der Zukunft, die „Süddeutsche<br />
Zeitung“ machte ein „babylonisches<br />
Formengewirr“ der Baustile aus, die<br />
22 KonText <strong>21</strong> I <strong>November</strong> <strong>2007</strong>