Ausgabe Nr. 21 / November 2007, Thema: Verwalter und - KonNet e.V.
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„Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“<br />
beschwerte sich über Häuser am<br />
Sandtorkai, die wie „grimmige Kartons“<br />
aussähen <strong>und</strong> jedes Leben ästhetisch „zu<br />
Tode desinfizierten“.<br />
Das kann schon sein, <strong>und</strong> natürlich kennt<br />
auch Beust diese Kritiken. Andererseits<br />
wäre er vermutlich nicht mehr Bürgermeister<br />
von Hamburg ohne seine vielleicht<br />
herausragendste Eigenschaft: so gelassen<br />
wie verlässlich den Eindruck zu vermitteln,<br />
dass nichts so schlimm kommt, wie<br />
andere behaupten.<br />
Dabei sagt Beust nicht mal, dass alles gut<br />
ist: Die Magellan-Terrasse etwa, der Platz<br />
zwischen Sandtor- <strong>und</strong> Kaiserkai, der<br />
selbst bei 25 Grad im Hochsommer bitterkalt<br />
wirkt, sei von der „Anmutung her<br />
schön, zum Verweilen lädt sie aber nicht<br />
ein“. Und die Häuser am Sandtorkai mit<br />
ihrer modernen Architektur, die wirkten<br />
sicher etwas eintönig, findet Beust <strong>und</strong><br />
vergisst nicht zu erwähnen, dass viele<br />
Architekten privat ja eher den Jugendstil<br />
bevorzugten - er selbst übrigens auch.<br />
Aber missglückt, der Plan für die<br />
HafenCity? „Das ist doch Geschmackssache,<br />
die einen finden das Kühle schön, die<br />
anderen nicht.“ Nur eines könne man<br />
nicht bestreiten: den Erfolg. „Wenn das<br />
alles Schrott wäre, hätten wir ja keine Investoren.“<br />
Oder abgehobenes Nobelviertel?<br />
Und die Investoren keine Mieter <strong>und</strong> Käufer.<br />
Die Unternehmen SAP <strong>und</strong> Kühne +<br />
Nagel sind schon da, Firmen wie der Germanische<br />
Lloyd <strong>und</strong> auch der SPIEGEL<br />
werden folgen. Vor allem aber ziehen jetzt<br />
fast jeden Tag Menschen in die HafenCity:<br />
400 Bewohner zählt sie zurzeit, 1500 werden<br />
es zum Jahresende sein, die Wohnungen<br />
am Sandtorkai sind voll, die am<br />
Kaiserkai größtenteils vergeben. Darunter<br />
die 20 Luxuswohnungen von „Stilwerk<br />
Living“, die noch im Rohbau stehen: ausverkauft,<br />
bei Preisen bis zu 6500 Euro pro<br />
Quadratmeter <strong>und</strong> 1,2 Millionen Euro für<br />
eine Wohnung.<br />
Nebenan, bei der Yoo Deutschland GmbH,<br />
geht es sogar noch teurer: bis zu 7300 Euro<br />
pro Quadratmeter für jede der 63 Wohnungen.<br />
Ein Tiefgaragenplatz für 18.000<br />
Euro kommt extra, die Innenausstattung<br />
des Designers Philippe Starck sowieso.<br />
Dafür ist aber das Schwimmbad mit Blick<br />
auf die Elbe im Souterrain inklusive.<br />
Übertroffen werden die Finessen des privaten<br />
Wohnungsbaus noch von den finanziellen<br />
Anstrengungen eines anderen Bauherrn:<br />
der öffentlichen Hand. Die<br />
Elbphilharmonie wird hier entstehen, ein<br />
Kreuzfahrt-Terminal, ein Science Center,<br />
möglicherweise zieht auch das Bezirksamt<br />
Mitte dorthin.<br />
Der Plan für die HafenCity passt zu einer<br />
Renaissance des Urbanen, die Stadtplaner<br />
seit einigen Jahren beobachten: Die Innenstadt<br />
ist wieder sexy, sie gilt nicht<br />
mehr in erster Linie als gefährlich, laut<br />
<strong>und</strong> dreckig, <strong>und</strong> vor allem in der<br />
HafenCity, wo immer eine ziemlich heftige<br />
Brise weht, macht Stadtluft wieder frei,<br />
nicht lungenkrank.<br />
Das Problem, das die HafenCity bekommen<br />
könnte, ist deshalb auch nicht eine<br />
zu schwache Mischung von Wohnen <strong>und</strong><br />
Arbeiten. Es gibt genug, die dort wohnen<br />
wollen, <strong>und</strong> genug, die es sich leisten können;<br />
das Gesetz, dass auf teuren Flächen<br />
nur Büroimmobilien gehen, wird in der<br />
HafenCity gerade widerlegt. Was aber<br />
droht, ist eine Monokultur ganz anderer<br />
Art: die der Reichen <strong>und</strong>, weil Kinder arm<br />
machen können, die der Singles <strong>und</strong> kinderlosen<br />
Paare.<br />
Es gibt demnächst im Philippe-Starck-<br />
Komplex Aufsichtsräte von börsennotierten<br />
Unternehmen <strong>und</strong> einen Kaviar-Händler,<br />
es gibt Manager aus Russland,<br />
Thailand, Malaysia <strong>und</strong> den Philippinen,<br />
die ihren Lebensabend in Hamburg verbringen<br />
wollen. Und gegenüber, am Sandtorkai,<br />
im schon voll belegten „Harbour<br />
Cube“ mit 20 Wohnungen, gibt es vor allem<br />
die Sorte Autos, die es wegen Überbreite<br />
nicht in einem Zug auf ihren<br />
Tiefgaragenplatz schaffen.<br />
„In die HafenCity ziehen die, die es schon<br />
geschafft haben“, sagt Bürgermeister Ole<br />
von Beust. „Da kann nicht jeder wohnen“,<br />
gibt auch Jürgen Bruns-Berentelg zu, Chef<br />
der für die Vermarktung zuständigen städtischen<br />
Entwicklungsgesellschaft. Und die<br />
Frage ist deshalb schon, warum sie trotzdem<br />
beide so zuversichtlich sind, dass im<br />
Hafen kein abgehobenes Nobelviertel entsteht.<br />
Ein Viertel zum hätscheln<br />
Die meisten wechseln aus dem Umland<br />
ins neue Quartier, so wie die Fischers, die<br />
Hamburg<br />
in Büchen wohnten, 5700 Einwohner,<br />
nicht gerade das, was sie sich für den Rest<br />
ihres Lebens vorgestellt hatten, nachdem<br />
die Kinder aus dem Haus waren.<br />
Die Stadtsoziologin Ingrid Breckner von<br />
der HafenCity Universität, die im Moment<br />
die erste Bewohner-Studie macht, hat<br />
zahlreiche dieser älteren Paare gef<strong>und</strong>en,<br />
die im Fachjargon der Immobilienbranche<br />
„Emptynester“ heißen - Eltern, deren<br />
Kinder ausgeflogen sind.<br />
Familien gibt es dagegen in der HafenCity<br />
kaum. Selbst im Low-Budget-Block der<br />
Baugenossenschaft Bergedorf-Bille, mit<br />
9,50 Euro pro Quadratmeter das günstigste<br />
Angebot, leben gerade mal zwei oder<br />
drei. Bei 42 Wohnungen spricht das gegen<br />
die Hoffnung, dass mit billigeren Häusern<br />
in künftigen Baufeldern die Familien<br />
nur so strömen werden. Auch die Ganztagsschule,<br />
die bis Ende 2008 fertig sein<br />
soll, wird sich auf Jahre hinaus nicht mit<br />
den Kindern des neuen Quartiers füllen<br />
lassen. Wer in der HafenCity arbeitet, kann<br />
also seine Kinder hier einschulen.<br />
Es werden erst mal die Kinderlosen sein,<br />
mit denen das Leben im Viertel beginnen<br />
muss. Vielleicht ist das allerdings auch<br />
eine Chance: dass sie keine Kinder großziehen<br />
<strong>und</strong> sich stattdessen um ein anderes<br />
Neugeborenes kümmern können - ihr<br />
Viertel. Welches Lebensgefühl aus diesem<br />
Leben entspringt, lässt sich kaum vorhersagen.<br />
„2015 wird man sehen, ob es funktioniert“,<br />
sagt Beust. In der Zwischenzeit<br />
liegt die Magellan-Terrasse wie eine Arena<br />
in der Sonne, <strong>und</strong> ein Hafenbecken<br />
weiter die Marco-Polo-Terrasse, mit ihren<br />
hinmodellierten R<strong>und</strong>ungen <strong>und</strong><br />
darübergestreuten Liegebänken, <strong>und</strong><br />
könnten Stadtplaner Beton zum Reden<br />
bringen, der hier würde schreien: Spielt<br />
mit mir!<br />
SPIEGEL ONLINE, Kultur,<br />
22. August <strong>2007</strong><br />
Jürgen Dahlkamp <strong>und</strong><br />
Cordula Meyer<br />
www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/<br />
0,1518,500999,00.html<br />
KonText <strong>21</strong> I <strong>November</strong> <strong>2007</strong> 23