Schwerpunktthema: - Fraktion DIE LINKE im Sächsischen Landtag
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Staatsregierung erpresst „Halbtagslehrer“<br />
Sachsens Pädagogen sind stocksauer.<br />
Gut 3.000 von ihnen machten ihrem Ärger<br />
Ende März vorm Finanzministerium Luft,<br />
tags drauf kamen noch mal fast 1.000 zum<br />
<strong>Landtag</strong>, um klar zu machen, dass sie nicht<br />
gewillt sind, sich von der Staatsregierung<br />
erpressen zu lassen.<br />
Hintergrund des Konflikts ist der zwischen<br />
den Lehrergewerkschaften und dem Freistaat<br />
ausgehandelte Bezirkstarifvertrag<br />
zur Teilzeit von 2005. Die Schülerzahlen<br />
waren drastisch gesunken, Lehrerentlassungen<br />
drohten. Dies zu vermeiden, wurde<br />
ein Teilzeitkompromiss geschlossen<br />
und die wöchentliche Unterrichtsstundenzahl<br />
von 26 auf 22 gesenkt. Was für die betroffenen<br />
ca. 13.600 Pädagogen freilich<br />
mit deutlichen Gehaltseinbußen verbunden<br />
war. Im Sommer dieses Jahres läuft<br />
die Vereinbarung aus. Gibt es keinen neuen<br />
Vertrag, kehren die Lehrerinnen und<br />
Lehrer automatisch zur Vollbeschäftigung<br />
zurück. Doch genau das will Kultusminister<br />
Wöller nicht und drängt darauf, die Teilzeitregelung<br />
zu verlängern. Verweigerern<br />
droht er mit Kündigung. Dabei ginge es<br />
ihm nicht darum, überflüssige Stellen abzubauen,<br />
sondern einen Stellenzuwachs zu<br />
verhindern, so Wöller, der schon <strong>im</strong> Herbst<br />
dieses Jahres eine „Lehrerschwemme“ mit<br />
ca. 2.000 überflüssigen Pädagogen heraufziehen<br />
sieht.<br />
Ich kann Herrn Wöllers Angst vor zu viel<br />
Lehrerinnen und Lehrern aus mehreren<br />
Gründen nicht nachvollziehen. So hat eine<br />
Befragung ergeben, dass fast die Hälfte<br />
der Betroffenen freiwillig be<strong>im</strong> Teilzeitmodell<br />
bleiben würde. Warum n<strong>im</strong>mt die<br />
Staatsregierung dieses Angebot nicht an?<br />
Auch zweifele ich den als Drohkulisse aufgebauten<br />
Lehrerüberschuss an. Im Gegenteil.<br />
An machen Grundschulen herrscht<br />
schon heute ein eklatanter Lehrermangel.<br />
Beispiel gefällig? Die Paul-Robeson-Grundschule<br />
in Leipzig. Hier mussten zwei erste<br />
Klassen über Monate hinweg zu einer zusammengelegt<br />
werden. In manchen Fächern<br />
werden keine Zensuren mehr erteilt,<br />
weil der Unterrichtsausfall zu groß ist. Förder-<br />
und Integrationsstunden entfallen, der<br />
Ergänzungsbereich ist gestrichen. Und die<br />
Schülerzahlen steigen wieder! Leipzig wird<br />
<strong>im</strong> Bezirk Mitte sogar eine neue Grundschule<br />
bauen müssen, weil hier so viele<br />
Kinder geboren werden, dass die vorhandenen<br />
Grundschulen die Kinder gar nicht<br />
nicht mehr alle aufnehmen können.<br />
Mit Kündigung zu drohen wird bei den Lehrerinnen<br />
und Lehrern noch aus einem anderen<br />
Grund nicht fruchten. Die wissen<br />
schließlich am besten, dass sie seit Jahren<br />
zwar weniger Geld bekommen, dafür aber<br />
längst mehr arbeiten. Im Schulbereich sind<br />
zunehmend mehr zusätzliche Aufgaben<br />
zu erfüllen. Auch hier eine Beispiel: Die<br />
pvl 2/2010<br />
Sachsens Lehrerinnen und Lehrer protestieren in Dresden gegen Zwangsteilzeit<br />
Kultusministerkonferenz hat Kompetenztests<br />
beschlossen, gegen die ja <strong>im</strong> Grunde<br />
nichts einzuwenden ist. Im Freistaat aber<br />
werden diese Tests an die Schulen und somit<br />
an die Lehrer delegiert, was wiederum<br />
nicht verwundert, da man Lehrer hier wohl<br />
nur als Stundenhalter begreift. Die Korrektur<br />
eines solchen Kompetenztests dauert<br />
45 Minuten und länger. Mancher Lehrer<br />
hat zwei Klassen, die den Test zu schreiben<br />
haben. Es lässt sich leicht ausrechnen, wie<br />
viel zusätzliche Arbeit das bedeutet. Ohne<br />
Ausgleich, versteht sich. Andere Bundesländer<br />
gewähren dafür Anrechnungsstunden<br />
...<br />
Bei der St<strong>im</strong>mungsmache gegen die um ihr<br />
Recht kämpfende Lehrerschaft zückt der<br />
Kultusminister nun sogar die Missgunstkeule<br />
und verweist darauf, dass die Lehrer<br />
in diesem Jahr ja bereits zusätzliche Lohnerhöhungen<br />
bekommen hätten (und somit<br />
wohl einfach nur den Hals nicht voll bekämen…)<br />
Da bleibt mir ja die Spucke weg!<br />
Denn wirklich wahr ist, dass die Lehrer<br />
nach 20 Jahren (!) endlich eine Ost-West-<br />
Angleichung erhalten haben.<br />
Alles in allem droht die Staatsregeierung<br />
mit ihrem Wortbruch gegenüber der Lehrerschaft<br />
be<strong>im</strong> Thema Teilzeit das Vertrauen<br />
in die Bildungspolitik endgültig zu<br />
verspielen. Auch deshalb haben die <strong>Fraktion</strong>en<br />
von <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong>, SPD und BÜND-<br />
NIS90/<strong>DIE</strong> GRÜNEN Ende März unter dem<br />
Titel „Nachhaltige Sicherung des Bildungsstandortes<br />
Sachsen – Konsequenzen aus<br />
den Sondierungsgesprächen der Tarifpartner“<br />
einen gemeinsamen Antrag in den<br />
<strong>Sächsischen</strong> <strong>Landtag</strong> eingebracht, der freilich<br />
mit den St<strong>im</strong>men der schwarz-gelben<br />
Regierungskoalition nicht beschlossen<br />
wurde.<br />
Von der CDU war das nicht anderes zu erwarten<br />
gewesen, was jedoch die FDP betrifft,<br />
so wurde deren Janusköpfigkeit<br />
genau bei dieser Frage mehr als offensichtlich.<br />
Während der Lehrer-Kundgebung<br />
vorm <strong>Landtag</strong> zitierte GEW-Vizelandeschefin<br />
Uschi Kruse u. a. aus einem Brief, den<br />
die Sachsen-FDP <strong>im</strong> Wahlkampf an Gewerkschaften<br />
und Verbänden geschrieben<br />
hatte. Wer hier aufmerksam zuhörte, kam<br />
nicht umhin, einen klassischen blau-gelben<br />
Wahlbetrug zu konstatieren.<br />
übrigens…<br />
… prüft die Staatsregierung <strong>im</strong> Konflikt um<br />
die Teilzeitregelung für Sachsens Lehrer Medienberichten<br />
zufolge derzeit eine Kompromissvariante,<br />
nach der der Freistaat die<br />
fehlenden Rentenanteile, die durch die geringere<br />
Arbeitszeit entstanden sind, übernehmen<br />
könnte.<br />
MdL<br />
Cornelia Falken<br />
Sprecherin für<br />
Bildungspolitik<br />
15<br />
Foto: efa