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Schwerpunktthema: - Fraktion DIE LINKE im Sächsischen Landtag

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Leben zeitweilig in der Linde: Felix, Mario und Nicole (v.l.)<br />

da, wenn mal einer reden will. Ansonsten<br />

klappert sie meist Ämter ab, spricht be<strong>im</strong><br />

Jugend-, Arbeits- oder Sozialamt vor – und<br />

sucht nach Wohnraum für die Lindenhäusler.<br />

Seit Dresden seinen kommunalen Wohnungsbestand<br />

an die GAGFAH verhökert<br />

hat, ist das allerdings ungleich schwerer<br />

geworden.<br />

Alkohol, Drogen und Gewalt sind <strong>im</strong> Lindenhaus<br />

tabu. Wer das nicht einsieht,<br />

muss gehen. Die Bewohner haben die Räume<br />

sauber zu halten und sich ins Hausleben<br />

einzubringen. Im Sommer gibt’s eigene<br />

Beete zur Pfl ege, der Grill <strong>im</strong> Garten ist<br />

Mitte vergangenen Jahres hatte die<br />

Dresdner Tafel mehrere Stellen aus dem<br />

Bundesprogramm „Kommunal-Kombi“ –<br />

davon drei für das Lindenhaus – beantragt<br />

und auch bewilligt bekommen. Im<br />

Januar sollte es losgehen; der Kommunal-Kombi<br />

hätte neun Hartz-IV-Betroffene<br />

für drei Jahre in Arbeit gebracht. Mit<br />

deren Arbeit wiederum hätten die wohnungslosen<br />

Jugendlichen vom Lindenhaus<br />

das ganze Jahr über Obdach und<br />

Ansprechpartner gehabt, müsste das<br />

Haus seine Bewohner keinen Tag vor<br />

die Tür setzen und hätte zudem endlich<br />

einen Sozialpädagoge einstellen können.<br />

Wie gesagt: Hätte. Mit dem Ende<br />

2009 verkündeten Aus der Ko-Finanzierung<br />

durch den Freistaat für Kommunal-Kombi-Stellen<br />

ist all das Schnee<br />

von gestern. Für die Folgen des Bewilligungsstopps<br />

müssen insbesondere<br />

pvl 2/2010<br />

Marke Eigenbau und demnächst soll auch<br />

der Kochkurs wiederbelebt werden. Kraftüberschuss<br />

kann <strong>im</strong> Keller-Sportraum abgebaut<br />

werden. „Wenn wir den Jugendlichen<br />

nahe bringen könnten, wie ein Alltag<br />

mit Ordnung, eigenem Zutun und Ehrlichkeit<br />

aussieht, hätten wir viel erreicht.<br />

Das haben die nie gelernt“, sagt Anke Fischer<br />

und verweist darauf, dass „wer gibt<br />

auch bekommt“. In der Linde kann das<br />

auch mal eine Umarmung sein. Dennoch<br />

werden die „Linden-Kinder“ nie zurückholen,<br />

um was man sie betrog. „Was Familie<br />

ist, das weiß ich nicht“, fasst Mario knapp<br />

zusammen. efa<br />

Aus für Kommunal-Kombi trifft die Schwächsten<br />

die Schwächsten der Gesellschaft aufkommen.<br />

Priorität hätten nun mal wettbewerbsfähige<br />

Arbeitsplätze auf dem<br />

ersten Arbeitsmarkt, begründete FDP-<br />

Wirtschaftsminister Morlok, warum er<br />

der Vorgabe aus dem CDU-Finanzministerium<br />

bedingungslos folgen konnte.<br />

efa<br />

übrigens …<br />

… musste das Lindenhaus über den Jahreswechsel<br />

geschlossen bleiben, weil<br />

der Hausbetrieb aufgrund der gestrichenen<br />

Kommunal-Kombi-Stellen nicht mehr<br />

abzusichern war. Hausbewohner Felix<br />

(21) musste deshalb für diese Zeit bei<br />

Bekannten um Obdach betteln. Um nicht<br />

zu verhungern, ging er Blut spenden und<br />

kaufte sich vom der Spender-Entschädigung<br />

was zu essen.<br />

Fotos: efa<br />

Von „Lindenstraße“<br />

zum Lindenhaus<br />

1998 tourte die Crew der „Lindenstraße“<br />

durch den Osten. Auf der Suche<br />

nach einer möglichst Aufsehen erregenden<br />

Werbeaktion geriet die Truppe an<br />

Dresdens Tafelchefi n Edith Franke. Die<br />

griff zu und verteilte die Soap-Darsteller<br />

erst mal in aller Herrgottsfrühe auf die<br />

Spenden-Sammeltouren quer durch die<br />

Stadt. Später postierte sie sie <strong>im</strong> großen<br />

Ausgabezelt, wo diesmal neben Lebensmitteln<br />

auch Autogramme übern<br />

Tresen gingen. Der Promi-Tafeltag zeigt<br />

Wirkung: „Was die Schauspieler hier erlebt<br />

hatten, hat sie berührt und sie boten<br />

an, etwas für Straßenkinder zu tun“,<br />

erinnert sich Edith Franke: „Da bin ich<br />

sofort los und habe nach einem passenden<br />

Haus gesucht.“ Das fand sie <strong>im</strong><br />

leer stehenden Kindergarten in der Mathildenstraße.<br />

Ein Jahr später wurde hier<br />

mithilfe der „Lindenstraße“ unter dem<br />

Namen „Lindenstraße-Haus“ ein Obdachlosenasyl<br />

für Jugendliche eröffnet:<br />

mit drei Angestellten, drei ABM-Kräften<br />

und vielen ehrenamtlich Helfern.<br />

Drei Jahre lang bezahlte die „Lindenstraße“<br />

die Arbeitskräfte, dann musste<br />

sich das Haus auf eigene Füße stellen.<br />

Und dem „Lindenstraße-Haus“ kam<br />

aus Markenschutzgründen die „Straße“<br />

abhanden. Einzig das Straßenschild <strong>im</strong><br />

Obergeschoss erinnert noch an alte Zeiten.<br />

Das Haus ganz umbenennen, wollte<br />

damals keiner, längst hatte sich die<br />

„Linde“ etabliert. Dabei war genau das<br />

am Anfang gar nicht so sicher. Bevor<br />

der Umbau des mitten <strong>im</strong> Wohngebiet<br />

liegenden Hauses begann, hatten Franke<br />

und Co. die künftigen Nachbarn eingeladen,<br />

um das Projekt vorzustellen.<br />

„Sodom und Gomorrha!“, fasst Edith<br />

Franke die Erinnerung an jenen Abend<br />

zusammen: „Alle Schandtaten dieser<br />

Welt wurde der verdorbenen Jugend<br />

dieses Landes zugeschrieben. Ablehnung:<br />

Hundert Prozent!“<br />

Das ist lange her. Wenn die „Linde“<br />

heute zum Sommerfest einlädt, ist das<br />

Haus rappelvoll. Dann drehen auch Bewohner<br />

von jetzt und einst die Würste<br />

auf dem Grill und umsorgen die Gäste.<br />

Sehr beliebt sind auch die Linden-Kinderfeste<br />

und die mit der Volkssolidarität<br />

organisierten Veranstaltungen. Wenn es<br />

<strong>im</strong> Lindenhaus klingelt, kann das heute<br />

auch ein Bewohner aus der Nachbarschaft<br />

sein, der Kleidung bringt, oder<br />

Bücher oder vielleicht etwas Obst. Kürzer<br />

kann der Weg vom Spender zum<br />

Empfänger nicht sein. efa<br />

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