DStGB-Dokumentation N° 111 - Repowering-Kommunal
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es zu erheblichen Beeinträchtigungen des Gebiets in<br />
seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck<br />
maßgeblichen Bestandteilen führt. Der Gebietsschutz<br />
kann über die Grenzen des Schutzgebiets hinausgehen.<br />
So können Windenergieanlagen ein Vogelschutzgebiet<br />
auch außerhalb des Gebiets beeinträchtigen, wenn<br />
sie zum Beispiel im Anflugkorridor zu diesem errichtet<br />
werden und die wertgebenden Vögel infolgedessen keinen<br />
oder nur einen erschwerten Zugang zu dem Gebiet<br />
haben. Zu berücksichtigen sind auch kumulative Auswirkungen<br />
auf das Schutzgebiet durch weitere Projekte<br />
oder Planungen (§ 34 Abs. 1 BNatSchG), zum Beispiel<br />
zeitgleich betriebene Planungen einer Nachbarkommune.<br />
Die durchzuführende Verträglichkeitsprüfung be -<br />
inhaltet ein zweistufiges Verfahren: Im Rahmen einer<br />
sogenannten Vorprüfung (Screening) ist festzustellen,<br />
ob sich eine erhebliche Beeinträchtigung offensichtlich<br />
ausschließen lässt. Ist dies nicht der Fall, ist im Rahmen<br />
einer vertiefenden Prüfung festzustellen, ob es – unter<br />
Berücksichtigung möglicher Schadensminderungsmaßnahmen<br />
– zu einer erheblichen Beeinträchtigung kommen<br />
kann. Ist dies der Fall, ist das Vorhaben unzulässig,<br />
sofern keine Ausnahme in Betracht kommt. Im Rahmen<br />
eines Abweichungsverfahrens (§ 34 Abs. 3 BNatschG)<br />
kann das Vorhaben unter Erfüllung bestimmter Voraussetzungen<br />
zugelassen werden.<br />
6.2.2 Die artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände<br />
Weitere Vorgaben ergeben sich aus dem Artenschutz,<br />
insbesondere den artenschutzrechtlichen Verbotstatbeständen.<br />
So ist es nach § 44 Abs. 1 BNatSchG unter<br />
anderem verboten,<br />
1. wild lebende Tiere der besonders geschützten Arten<br />
zu verletzen, zu töten, …. , zu beschädigen oder zu<br />
zerstören (Tötungs- und Verletzungsverbot),<br />
2. wild lebende Tiere der streng geschützten Arten und<br />
der europäischen Vogelarten während der Fortpflanzungs-,<br />
Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und<br />
Wanderungszeiten erheblich zu stören; eine erhebliche<br />
Störung liegt vor, wenn sich durch die Störung<br />
der Erhaltungszustand der lokalen Population einer<br />
Art verschlechtert (Störungsverbot).<br />
Das Tötungs- und Verletzungsverbot wird durch ein Vorhaben<br />
nicht verletzt, wenn sich hierdurch lediglich das<br />
allgemeine Risiko, das mit der Technisierung der Umwelt<br />
automatisch gegeben ist, realisiert. Eine Verletzung dieses<br />
Verbots ist vielmehr erst dann gegeben, wenn sich<br />
das Tötungsrisiko für die geschützten Tiere durch das<br />
beabsichtigte Vorhaben signifikant erhöht. 25 Dies ist<br />
jeweils nach den örtlichen Gegebenheiten an Hand<br />
des regelmäßigen Aufenthalts entsprechend geschützter<br />
und schlagsensibler Vogel- und Fledermausarten<br />
und der Lage der Windenergieanlagen zu deren (Teil-)<br />
Lebensräumen zu beurteilen.<br />
Durch die Scheuchwirkung der Windenergieanlagen<br />
kann eine erhebliche Störung empfindlicher Tierarten<br />
verursacht werden, so dass sich in der Folge der Erhaltungszustand<br />
der lokalen Population einer geschützten<br />
Art verschlechtert. Auch in diesem Fall ist jeweils nach<br />
den örtlichen Gegebenheiten anhand der betroffenen<br />
störsensiblen Arten und der Lage der Windenergieanlagen<br />
zu deren (Teil-) Lebensräumen zu untersuchen<br />
und zu bewerten, in welchem Umfang Störungen auftreten<br />
können. Bezüglich der kollisionsgefährdeten Arten<br />
können Abstände der Windenergieanlagen zu den entsprechenden<br />
Aufenthaltsorten erforderlich sein. Hierzu<br />
existieren Abstandsempfehlungen in verschiedenen<br />
Veröffentlichungen. Deren Berücksichtigung entbindet<br />
nicht – vor allem bei Unterschreitung der Abstände – von<br />
der Verpflichtung, die jeweiligen örtlichen Verhältnisse<br />
und Besonderheiten (zum Beispiel höhere Aufenthaltswahrscheinlichkeit,<br />
häufiges Überfliegen von Windenergieanlagen)<br />
in die Frage einzubeziehen, ob etwa plausibel<br />
dargelegt werden kann, dass sich das Tötungs- und<br />
Verletzungsrisiko jeweils signifikant erhöht.<br />
Ist damit zu rechnen, dass die Verbotstatbestände<br />
greifen, sind mögliche Maßnahmen zur Vermeidung<br />
oder Minderung entsprechender Beeinträchtigungen zu<br />
berücksichtigen, wie zum Beispiel Anordnung der Windenergieanlagen,<br />
zeitlich reduzierter Betrieb, Vermeidung<br />
von Veränderungen von Habitaten, artenschutzrechtliche<br />
Ausgleichsmaßnahmen.<br />
Weiter kann – differenziert nach den jeweiligen Schutzkategorien<br />
(vor allem nach den besonders geschützten<br />
und den streng geschützten Arten) – die Erteilung von<br />
Ausnahmen in Betracht kommen. Ausnahmen können<br />
unter folgenden Voraussetzungen erteilt werden:<br />
❚ Es liegt einer der in § 45 Abs. 7 Satz 1 BNatSchG aufgeführten<br />
Rechtfertigungsgründe vor – in Betracht<br />
kommen hier vor allem „zwingende Gründe des<br />
überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich<br />
solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art“ (Nr. 5).<br />
❚ Zumutbare Alternativen sind nicht gegeben und<br />
der Erhaltenszustand der Population einer Art verschlechtert<br />
sich durch das Vorhaben nicht (§ 45<br />
Abs. 7 Satz 2 BNatSchG).<br />
25 BVerwG, Urteil vom 12.3.2008 – Az. 9 A 3.06.<br />
48 <strong>Kommunal</strong>e Handlungsmöglichkeiten beim Ausbau der Windenergie<br />
11 / 2012