Familien der israelitischen Gemeinde in Breyell Synagoge Breyell 1910 – aus der Geschichte, von Josef Funken, Breyell-Leutherheide. Herausgeber: Katholisches Pfarramt St. Lambertus, Breyell, 1980. (252) 289
Hermann Levy, New York Ich wurde in Breyell als Sohn von Josef und Emma Levy geboren. Hier bin ich aufgewachsen und auch zur Schule gegangen. Das Haus Nr. 29 meiner Großeltern war im Ortsteil Gier. Ich kam auch oft nach <strong>Kaldenkirchen</strong> und sehe immer noch vor mir die Spedition Kauwertz, damals mit Pferd und Wagen. Unsere israelitische Gemeinde hatte eine eigene Synagoge. Die Hinsbecker sind in <strong>Kaldenkirchen</strong> zur Synagoge gegangen, die Lobbericher dagegen in der Regel nach Breyell. 1935 heiratete ich Hilde Klein aus Korschenbroich. Kinder hatten wir keine in den wenigen Jahren unserer Ehe. Ich war als Viehhändler tätig und legte das Geschäft meines Vaters mit dem meiner Schwiegereltern in Korschenbroich zusammen. So fuhr ich mit meinem Ford hin und her und war in der Regel drei Tage in Breyell und die übrige Zeit in Korschenbroich. Aber selbst das zusammengeworfene Geschäft ließ sich nicht aufrechterhalten. Die Bauern wurden durch die Nazis bedroht, so daß der Handel bald zusammenbrach. Wenn mal was zu tun war, ging es nur bei Nacht und Nebel mit Spediteur Vahs aus Lobberich, der das Vieh transportierte. Am 9. November 1938, als unsere Breyeller Syna- „Meine Eltern Josef und Emma Levy, Breyell.“ Hermann Levy, New York. (253) goge gebrandschatzt worden ist, wurde ich wie alle anderen verhaftet und nach Dachau transportiert. Wir sind in Dachau angekommen und haben 24 Stunden bei Wind und Wetter in der Kälte auf der Straße vor dem Lager stehen müssen. Wir hatten zwar alle Brot bei uns, das durften wir aber nicht essen. Am nächsten Tag sind wir langsam in die Baracken reingekommen, auf Stroh haben wir die ganzen Wochen gelegen. Ich war untergebracht mit vielen Österreichern im letzten Block 31. Mein Vetter Emil, Sohn von Karl, dem Bruder meines Vaters, und Bertha Levy, war auch im Lager. Also, der Emil, das war ein Dickkopf. Einmal sagte ich zu ihm: „Emil, tu mir einen Gefallen. Wenn die Nazis sagen, du mußt links rum, dann dreh dich nach links!“ Er hat sich aber rechts herum gedreht. Das war wirklich so, der hatte keine Angst. Tat genau das Gegenteil von dem, was die Nazis wollten. Meine Frau Hilde hatte einen Cousin, der ist eher aus Dachau entlassen worden als ich. Ich wollte mich von ihm verabschieden und begab mich zur Kommandantur: „Der Jude Hermann Israel Levy möchte sich von seinem Verwandten verabschieden!“ Ich hab’ einen Tritt in den Arsch gekriegt, und der hat mir ins Gesicht geschlagen. Das war die Antwort von dem „SS-Mann“ in Dachau. Daraufhin habe ich mich schnellstens aus dem Staub gemacht. Nach dem Krieg bin ich noch mal in Dachau gewesen, im 31. Block. Ich unterhielt mich mit zwei jungen Leuten und sagte: „Auf diesem Block habe ich damals gelegen.“ „Sie waren hier?“ Das konnten sie gar nicht fassen, an diesem Ort des Grauens noch einem direkten Augenzeugen zu begegnen. Anfang 1939 hatte ich die Gelegenheit, in ein englisches Flüchtlingslager zu kommen. Ich hatte einen weitläufigen Verwandten in Hochneukirch, den Neffen meiner zweiten Großmutter, der war beim jüdischen Kulturamt in Köln. Damals rief er mich an und sagte: „Du hast jetzt die einmalige Chance nach England zu kommen.“ Ich hatte keine Lust, ohne meine Frau Hilde wegzugehen. Sie hatte aber ihre Eltern bei sich und wollte sie nicht alleine zurücklassen. Daraufhin meinte mein Schwiegervater: „Geh du vor, wir kommen nach.“ Vor meiner Abreise kam ich am 14. Februar 1939 zu meinem Onkel Karl, dem Vater meines Vetters Emil, mit dem ich zusammen in Dachau war. Wie 290 „Meine Frau Hilde Levy, geb. Klein aus Korschenbroich.“ (254) mir mein Onkel berichtete, hatte er Bescheid aus Dachau bekommen, Emil sei verstorben und man wolle ihm seine Asche in einer Urne zukommen lassen. Dies hatte er abgelehnt. Er sagte zu mir: „Sie haben ihn lebend abgeholt und sollten ihn auch lebend wieder zurückbringen.“ Ich erreichte England und wurde in einem Flüchtlingslager in der Nähe der Kreideküste bei Dover aufgenommen. Auch Erich Bernd Cohen aus <strong>Kaldenkirchen</strong> kam von Holland nach England und lebte bei seinem Onkel Josef. Erichs Mutter Else war eine zweite Cousine von mir, unsere Väter waren Brüder. Josef Cohen besaß eine Kartonagenfabrik, und als ich nach England kam, wollte er mich als Manager einstellen, aber das „Home Office“ in London ließ das nicht zu. Ich bereitete alles vor, um meine Frau, Eltern und Schwiegereltern nach England zu holen, aber als ich alles fertig hatte, brach der Krieg mit England und Frankreich aus. Ich schickte ein Telegramm nach Deutschland, das niemals ankam. Die deutschen Soldaten waren inzwischen in Frankreich einmarschiert, und von unserer Küste aus konnte man über den Ärmelkanal Calais schon brennen sehen. Wir bekamen es alle mit der Angst zu tun und dachten natürlich, in 14 Tagen sind die Deutschen in England. Wir wollten nicht noch mal ein „Dachau“ miterleben. Mei-
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