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Etty Keizer, Kaldenkirchen - The 3 Saints

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Hermann Levy, New York<br />

Ich wurde in Breyell als Sohn von Josef und Emma<br />

Levy geboren. Hier bin ich aufgewachsen und auch<br />

zur Schule gegangen. Das Haus Nr. 29 meiner Großeltern<br />

war im Ortsteil Gier. Ich kam auch oft nach<br />

<strong>Kaldenkirchen</strong> und sehe immer noch vor mir die<br />

Spedition Kauwertz, damals mit Pferd und Wagen.<br />

Unsere israelitische Gemeinde hatte eine eigene<br />

Synagoge. Die Hinsbecker sind in <strong>Kaldenkirchen</strong><br />

zur Synagoge gegangen, die Lobbericher dagegen<br />

in der Regel nach Breyell.<br />

1935 heiratete ich Hilde Klein aus Korschenbroich.<br />

Kinder hatten wir keine in den wenigen Jahren<br />

unserer Ehe. Ich war als Viehhändler tätig und<br />

legte das Geschäft meines Vaters mit dem meiner<br />

Schwiegereltern in Korschenbroich zusammen. So<br />

fuhr ich mit meinem Ford hin und her und war in<br />

der Regel drei Tage in Breyell und die übrige Zeit in<br />

Korschenbroich. Aber selbst das zusammengeworfene<br />

Geschäft ließ sich nicht aufrechterhalten. Die<br />

Bauern wurden durch die Nazis bedroht, so daß der<br />

Handel bald zusammenbrach. Wenn mal was zu<br />

tun war, ging es nur bei Nacht und Nebel mit Spediteur<br />

Vahs aus Lobberich, der das Vieh transportierte.<br />

Am 9. November 1938, als unsere Breyeller Syna-<br />

„Meine Eltern Josef und Emma Levy, Breyell.“<br />

Hermann Levy, New York. (253)<br />

goge gebrandschatzt worden ist, wurde ich wie alle<br />

anderen verhaftet und nach Dachau transportiert.<br />

Wir sind in Dachau angekommen und haben 24<br />

Stunden bei Wind und Wetter in der Kälte auf der<br />

Straße vor dem Lager stehen müssen. Wir hatten<br />

zwar alle Brot bei uns, das durften wir aber nicht<br />

essen. Am nächsten Tag sind wir langsam in die<br />

Baracken reingekommen, auf Stroh haben wir die<br />

ganzen Wochen gelegen. Ich war untergebracht mit<br />

vielen Österreichern im letzten Block 31. Mein Vetter<br />

Emil, Sohn von Karl, dem Bruder meines Vaters,<br />

und Bertha Levy, war auch im Lager. Also, der<br />

Emil, das war ein Dickkopf. Einmal sagte ich zu<br />

ihm: „Emil, tu mir einen Gefallen. Wenn die Nazis<br />

sagen, du mußt links rum, dann dreh dich nach<br />

links!“ Er hat sich aber rechts herum gedreht. Das<br />

war wirklich so, der hatte keine Angst. Tat genau<br />

das Gegenteil von dem, was die Nazis wollten. Meine<br />

Frau Hilde hatte einen Cousin, der ist eher aus<br />

Dachau entlassen worden als ich. Ich wollte mich<br />

von ihm verabschieden und begab mich zur Kommandantur:<br />

„Der Jude Hermann Israel Levy möchte<br />

sich von seinem Verwandten verabschieden!“ Ich<br />

hab’ einen Tritt in den Arsch gekriegt, und der hat<br />

mir ins Gesicht geschlagen. Das war die Antwort<br />

von dem „SS-Mann“ in Dachau. Daraufhin habe<br />

ich mich schnellstens aus dem Staub gemacht.<br />

Nach dem Krieg bin ich noch mal in Dachau gewesen,<br />

im 31. Block. Ich unterhielt mich mit zwei<br />

jungen Leuten und sagte: „Auf diesem Block habe<br />

ich damals gelegen.“ „Sie waren hier?“ Das konnten<br />

sie gar nicht fassen, an diesem Ort des Grauens<br />

noch einem direkten Augenzeugen zu begegnen.<br />

Anfang 1939 hatte ich die Gelegenheit, in ein<br />

englisches Flüchtlingslager zu kommen. Ich hatte<br />

einen weitläufigen Verwandten in Hochneukirch,<br />

den Neffen meiner zweiten Großmutter, der war<br />

beim jüdischen Kulturamt in Köln. Damals rief er<br />

mich an und sagte: „Du hast jetzt die einmalige<br />

Chance nach England zu kommen.“ Ich hatte keine<br />

Lust, ohne meine Frau Hilde wegzugehen. Sie<br />

hatte aber ihre Eltern bei sich und wollte sie nicht<br />

alleine zurücklassen. Daraufhin meinte mein<br />

Schwiegervater: „Geh du vor, wir kommen nach.“<br />

Vor meiner Abreise kam ich am 14. Februar 1939<br />

zu meinem Onkel Karl, dem Vater meines Vetters<br />

Emil, mit dem ich zusammen in Dachau war. Wie<br />

290<br />

„Meine Frau Hilde Levy, geb. Klein<br />

aus Korschenbroich.“ (254)<br />

mir mein Onkel berichtete, hatte er Bescheid aus<br />

Dachau bekommen, Emil sei verstorben und man<br />

wolle ihm seine Asche in einer Urne zukommen<br />

lassen. Dies hatte er abgelehnt. Er sagte zu mir: „Sie<br />

haben ihn lebend abgeholt und sollten ihn auch<br />

lebend wieder zurückbringen.“<br />

Ich erreichte England und wurde in einem Flüchtlingslager<br />

in der Nähe der Kreideküste bei Dover<br />

aufgenommen. Auch Erich Bernd Cohen aus <strong>Kaldenkirchen</strong><br />

kam von Holland nach England und<br />

lebte bei seinem Onkel Josef. Erichs Mutter Else war<br />

eine zweite Cousine von mir, unsere Väter waren<br />

Brüder. Josef Cohen besaß eine Kartonagenfabrik,<br />

und als ich nach England kam, wollte er mich als<br />

Manager einstellen, aber das „Home Office“ in London<br />

ließ das nicht zu. Ich bereitete alles vor, um<br />

meine Frau, Eltern und Schwiegereltern nach England<br />

zu holen, aber als ich alles fertig hatte, brach<br />

der Krieg mit England und Frankreich aus. Ich<br />

schickte ein Telegramm nach Deutschland, das<br />

niemals ankam. Die deutschen Soldaten waren inzwischen<br />

in Frankreich einmarschiert, und von<br />

unserer Küste aus konnte man über den Ärmelkanal<br />

Calais schon brennen sehen. Wir bekamen es<br />

alle mit der Angst zu tun und dachten natürlich, in<br />

14 Tagen sind die Deutschen in England. Wir wollten<br />

nicht noch mal ein „Dachau“ miterleben. Mei-

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