Etty Keizer, Kaldenkirchen - The 3 Saints
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„Schön, daß das mal<br />
jemand macht“ 1<br />
Abelen Heini<br />
Siegfried, Eugen und Paul waren immer zusammen,<br />
ein unzertrennliches Kleeblatt. Es gab neben<br />
„den drei Eisheiligen“ noch ein anderes Trio: Herbert<br />
Dahmen, mein Busenfreund seit 80 Jahren,<br />
Paul <strong>Keizer</strong> und ich. Wir waren sehr eng befreundet<br />
und haben den Begriff „Jude“ nie gebraucht.<br />
Paul war ein Mensch, genau wie wir auch, das gab<br />
es gar nicht anders.<br />
Direkt nach dem Krieg war Paul noch mal hier.<br />
Es schellte bei mir. Wer steht vor der Tür: Paul <strong>Keizer</strong>,<br />
von dem ich gar nicht mehr gedacht habe, daß der<br />
überhaupt noch lebt. Ich habe ihn hereingebeten,<br />
und wir haben uns über alle möglichen Dinge unterhalten.<br />
Essen hat er abgelehnt, er hatte Butterbrote<br />
dabei. Ich sagte: „Bei uns brauchst du keine<br />
Butterbrote!“<br />
Jedenfalls habe ich ihm dann die Frage gestellt:<br />
„Wie denkst du heute über die ganze Entwicklung<br />
von damals?“ Da hat er wörtlich gesagt: „Jeder<br />
Deutsche ist an unserem Unglück schuld!“ Zu der<br />
Zeit habe ich nicht gewußt, daß Herbert Dahmen<br />
ihn mehrere Wochen versteckt gehalten hatte.<br />
Einige Jahre später, er lebte in Amerika, ist er<br />
wieder aufgekreuzt. Der Grund seines Kommens<br />
war, er wollte die Gräber seiner Ahnen noch mal<br />
besuchen. Zum Schluß sagte er: „Morgen fliege ich<br />
über Neufundland nach Amerika!“ Von da ab habe<br />
ich nie mehr was von ihm gehört.<br />
Ich mußte Metzger werden und das Geschäft<br />
übernehmen. Mein Bruder Johannes war Schweinehändler<br />
und fing später an mit Fettschweinen.<br />
In Leuth schlachteten wir jeden Montag 80-100 fet-<br />
<strong>Kaldenkirchen</strong>er Bürger erzählen<br />
te Schweine. Die schwere körperliche Arbeit machte<br />
ich.<br />
Morgens fuhr ich mit Pferd und Wagen über den<br />
Hinsbecker Berg nach Mönchengladbach, in bitterster<br />
Kälte, die Schweine holen. Waren die geschlachtet,<br />
fuhr ich wieder nach Hardt, ob das geschneit<br />
hat, gestürmt oder geregnet, ich war den<br />
ganzen Tag unterwegs. „Im Regen biste den Bock<br />
herunter, dat Pferd am Kopp angepackt, hattest dat<br />
Wasser in de Schuh stehen.“ Wir haben furchtbar<br />
gebrasselt und geschuftet wie die Pferde.<br />
Obwohl ich Metzger war, hatte ich absolut keine<br />
Konkurrenz zu den jüdischen Kollegen und Viehhändlern.<br />
Im Gegenteil, wir hatten geschäftlich mit<br />
der Firma Sanders, Cohen & Co zu tun. Mein Bruder<br />
kaufte da Großvieh. Sanders handelten mit tragendem<br />
Vieh und tauschten mit den Bauern<br />
Schlachtvieh. Die fuhren zum Markt nach Dortmund.<br />
Wir Metzger kauften dann bei denen.<br />
Auch Isidor Sanders habe ich sehr gut gekannt,<br />
das war „so ein Mensch“. Der hatte eine Schwester,<br />
eine nette Frau war das.<br />
Sanders & Co war für meine Begriffe eine solvente<br />
Firma. Julius war auch Viehhändler. Der war<br />
für meine Begriffe ein „Gentleman“ und feiner Kerl,<br />
der Julius. Siegfried auch. Im Vergleich zu Albert,<br />
der eher groß und schlank war und eine gebückte<br />
Haltung hatte. Jakob war später in Köln, von dem<br />
hab’ ich noch Ware bezogen. Der alte „Sim“ (Simon<br />
Sanders): Nie, daß ich irgendetwas Nachteiliges<br />
über unsere Bürger sagen könnte, das gilt für<br />
Mina ebenfalls.<br />
Der alte Simon Devries mit seiner Frau Johanna<br />
war unser Nachbar. Frau Devries war für meine<br />
303<br />
Begriffe eine vornehme Frau, keine robuste<br />
Metzgersfrau, wie man die früher kannte, das war<br />
eine Dame. Hinten im Anbau wohnte Abraham<br />
Cohen.<br />
Zum Vorwurf der Jugend an die Erwachsenen:<br />
„Warum seid ihr nicht eingeschritten, habt nichts<br />
gegen den Nationalsozialismus getan?“<br />
Wir hatten früher unsere Metzgerei hier an der<br />
Ecke (Kehrstraße 48). Ich steh’ mit meinem Vater<br />
im Laden und seh’, wie die „SA“ mit dem Riemchen<br />
unterm Kinn, die ganzen „Juden“ abgeführt hat.<br />
Das habe ich mit eigenen Augen gesehen. Die kannte<br />
ich alle, die guckten bei uns herein, als wenn die<br />
sagen wollten: „Seht ihr denn nicht, was man mit<br />
uns macht?“ Das waren ja zum Teil alles Metzger.<br />
Sanders, Devries und Lion haben früher eine Metzgerei<br />
gehabt, auch Sanders Gustav. Also, in etwa<br />
waren wir beruflich „verbandelt“. Und nun schauten<br />
die bei uns rein. Meines Erachtens waren da<br />
keine Frauen bei.<br />
Meine Gedanken waren natürlich: „Was sollen<br />
wir machen?“ Das vergesse ich in meinem Leben<br />
nicht! Das waren alles gute Bekannte von uns, Leute<br />
mit denen wir zum Teil geschäftlich zu tun hatten,<br />
und wo wir nie ein böses Wort mit gewechselt haben.<br />
Die haben sich genauso anständig benommen<br />
wie jeder andere Bürger in <strong>Kaldenkirchen</strong> auch. Ich<br />
habe noch nie gehört, daß irgendein „Jude“ sich<br />
etwas hat zuschulden kommen lassen, daß er mit<br />
dem Gesetz in Konflikt geraten war oder sonstwie,<br />
noch nie.<br />
Jedenfalls der Jugend zur Antwort: Obwohl das<br />
gute Bekannte von uns waren, Nachbarn, sogar<br />
zum Teil Berufskollegen, wenn ich das so nennen