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Etty Keizer, Kaldenkirchen - The 3 Saints

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Malka (Maly) Gat und Moshe Wagner, Tel Aviv/Israel<br />

Unsere Mutter Ilse Wagner wurde am 5. Juni 1914<br />

als jüngstes Kind der Familie <strong>Keizer</strong> in <strong>Kaldenkirchen</strong><br />

geboren. Etwa 1932, im Alter von 18 Jahren,<br />

ging sie nach Holland, um in Apeldoorn eine<br />

Ausbildung als Krankenschwester zu absolvieren.<br />

Nach bestandener Prüfung übernahm sie eine Stelle<br />

im N.I.Z. Nederlands Israelitisch Ziekenhuis (Krankenhaus)<br />

und später im C.I.Z. Centraal Israelitisch<br />

Ziekenhuis, Jacob Obrechtstraat, Amsterdam.<br />

Zum Zeitpunkt Ihres Untertauchens arbeitete Ilse<br />

für das weiß-gelbe katholische Kreuz mit der Bezeichnung<br />

„ooievaar” (Storch), das heißt, sie stand<br />

den Wöchnerinnen nach der Entbindung auch privat<br />

zur Seite.<br />

Als die deutschen Besatzer im Dezember 1943<br />

kamen, um alle Patienten und das gesamte Personal<br />

jüdischen Glaubens abzuholen und in Konzentrationslager<br />

zu deportieren, gelang es ihr wie durch<br />

ein Wunder zu verschwinden. In der Dunkelheit traf<br />

sie einen Angehörigen der holländischen Untergrundbewegung,<br />

der ihr neue Papiere besorgte und<br />

ihr die Adresse des Ehepaars Cliteur nannte. Sie hat<br />

Namen und Herkunft des Mannes nie erfahren und<br />

ist ihm nie wieder begegnet.<br />

Anton und Tonia Cliteur wohnten in Haarlem,<br />

Roerdompstraat 32. Am 15. Dezember 1943 wurde<br />

ihre Tochter Mirjam geboren. Vater Anton erlebte<br />

noch die Geburt seiner Tochter, wurde jedoch zwei<br />

Tage später im Alter von 31 Jahren von der Polizei<br />

der deutschen Besatzer abgeholt und als Zwangsarbeiter<br />

nach Berlin geschickt. Hier mußte er während<br />

des Krieges bei einer Börsenzeitung und anschließend<br />

beim Verlag „Die Wehrmacht”, Schützenstraße,<br />

Arbeiten verrichten. Auf einer Postkarte<br />

schrieb er am 22.6.1944 an seine Frau: „Eben eine<br />

kurze Nachricht nach der großen Bombardierung<br />

von Berlin. Dann weißt Du wenigstens, daß ich noch<br />

lebe. Wir haben die Flugzeuge vorbeifliegen sehen.<br />

Der Betrieb hat auch wieder was abbekommen. Aber<br />

soviel ich weiß, ist keinem der Holländer was passiert.<br />

Das ist ein großes Glück. Bete nur viel, daß es<br />

bald vorbei ist, dann sind wir wieder zusammen.”<br />

Anton Cliteur überstand den Krieg und kehrte erst<br />

Ende Juni 1945 wieder zu seiner Familie zurück.<br />

Ilse kam am 18. Dezember 1943 zu Tonia Cliteur<br />

nach Haarlem. Sie half der jungen Mutter im Haushalt<br />

und kümmerte sich um die Pflege und Versorgung<br />

des neugeborenen Kindes. Sie trug stets eine<br />

weiße Tracht und eine Brosche mit dem Kreuz ihrer<br />

Hilfsorganisation, so daß Außenstehende annahmen,<br />

sie sei eine Christin. Tonia blieb jedoch nicht<br />

verborgen, daß sie auf der Flucht vor den Deutschen<br />

war. Nach einigen Tagen fragte sie Ilse, ob sie Jüdin<br />

sei, was diese bejahte. Ilse hatte dunkelblondes Haar<br />

und grüne Augen, was ihr bei der falschen Identität<br />

zugute kam. Die Familie war sehr zuvorkommend<br />

zu ihr, auch als andere Familienmitglieder die Hintergründe<br />

erfuhren, behelligte man sie in keinster<br />

Weise, so daß sie weiter versteckt bleiben konnte.<br />

Vorübergehend arbeitete sie als private Krankenschwester<br />

in Bloemendaal, bis das für sie zu gefährlich<br />

wurde. Während sie nun im Haus blieb und<br />

sich liebevoll um die kleine Mirjam kümmerte, ging<br />

Tonia mit ihrem Onkel in der Hungersnot zu Fuß<br />

mit einer Handkarre bis zu 90 km nach Ursern und<br />

Spierdijk bei Alkmaar zu verwandten Bauern, um<br />

Essen zu beschaffen. Schließlich war Tonia gezwun-<br />

Hochzeit Anton und Tonia Cliteur in Haarlem,<br />

Zaanenstraat 15, am 3.10.1940. (249)<br />

286<br />

gen, sich von dem zu trennen, was ihr am Liebsten<br />

war, und zwar von der mit Gold- und Edelsteinen<br />

verzierten Kopfbedeckung der Tracht ihrer Mutter,<br />

die vorwiegend von reichen Bäuerinnen Westfrieslands<br />

getragen wurde.<br />

Durch die Wirren des Krieges wurden Tonia, ihre<br />

Tochter und Ilse zwischenzeitlich evakuiert zur Familie<br />

Ruiter, dem Vater und den Geschwistern von<br />

Tonia, Zaanenstraat 15. Während einige Familienmitglieder<br />

über Ilses bedrohliche Situation<br />

informiert waren, hat der Vater dies offiziell nie<br />

erfahren.<br />

Ilse und Tonia hatten eine schwere Zeit zu überstehen,<br />

aber sie haben auch viel gelacht. Sie blieben<br />

zusammen bis zum Ende des Krieges im Mai<br />

1945. Tonia schickte noch Pakete an Ilses Bruder<br />

Paul und seine Familie in das Lager <strong>The</strong>resienstadt<br />

und nahm Nada nach ihrer Rückkehr bei sich auf.<br />

Unser Vater Shmuel Wagner kämpfte als Soldat<br />

in der „Jewish Brigade” der British Army in ganz<br />

Europa und lernte unsere Mutter unmittelbar nach<br />

dem Krieg in Amsterdam kennen. Sie heirateten<br />

1946. Palästina stand unter britischem Mandat mit<br />

strenger Einwanderungsbeschränkung. Als Angehöriger<br />

der britischen Armee war es jedoch für unseren<br />

Vater kein Problem, die Emigration für seine<br />

Frau und sich zu arrangieren. Beide lebten zunächst<br />

im Kibbutz Usha, zogen dann nach kurzer Zeit nach<br />

Kiryat-Haim, einem Vorort von Haifa, wo sie die Zeit<br />

bis an ihr Lebensende verbrachten. Sie sind beerdigt<br />

auf dem Friedhof von Haifa an den Hängen<br />

des Mount Carmel.<br />

Unsere Mutter hat uns von Kind an regelmäßig<br />

über die Zeit berichtet, so schlimm wie es war, denn<br />

sie wollte, daß wir uns immer daran erinnern und<br />

ihre Geschichte auch an unsere Kinder weitergeben.<br />

Ilse blieb ihren Lebensrettern ihr Leben lang<br />

in Dankbarkeit verbunden.<br />

Die genauen Angaben über die<br />

Zeit des Untertauchens von Ilse<br />

<strong>Keizer</strong> in Haarlem sind der Auskunft<br />

von Mirjam Cliteur, Niederlande,<br />

zu verdanken.

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