Bild - Martin Wagenschein
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<strong>Martin</strong> <strong>Wagenschein</strong>: Zusammenhänge der Naturkräfte. Das Gefüge des physikalischen Naturbildes, Braunschweig: Vieweg 1937<br />
28. Januar 2000<br />
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Ist das nicht die Gravitation zwischen der großen Felskugel Mond und dem nachgiebigen<br />
Wasser unserer Meere, das er zu sich hinaufsaugt, an der Stelle, die ihm<br />
am nächsten ist? So muß es sein. Aber es ist erst die halbe Wahrheit. Denn es entsteht<br />
ein Flutberg auch immer auf der gegenüberliegenden, der dem Mond abgewandten<br />
Seite der Erdkugel (Abb. 2). (Und darum erhebt sich an jedem Ort zweimal<br />
täglich die Flut.) Das erscheint ganz unverständlich! Und noch etwas ist<br />
unklar dabei: zieht der Mond nur Wasser an? Müßte nicht auch die starre Erdkugel,<br />
da sie doch frei beweglich ist, dem Zuge der Gravitation folgen und ihrem<br />
vorderen Wasserberg nachrücken?<br />
Gewiß ist es so. Nicht nur zieht die Erde am Mond. Auch er zieht an der Erde.<br />
„Es“ zieht an ihnen beiden. Sie wollen zueinander. Das ist das Werk der Gravitation.<br />
Zwischen ihnen ist sie am Werk.<br />
Und da nun auch der Mond an der Erde zieht, so kommt sie mit ins Schleudern.<br />
Sie will hinter ihm her. Und da er ihr im Kreise davonläuft, so sucht sie ihn, wo er<br />
war. Und da sie viel träger ist als er, so irrt sie nun in einem kleinen Kreis. Einmal<br />
herum im Monat wie er, beide um einen Punkt herum, der ihr viel näher liegt als<br />
ihm (o in Abb. 2). - Denke dir an jedes Ende eines kurzen Seiles einen Stein gebunden,<br />
einen großen und einen kleinen, und dieses Ganze schleudere in die Luft.<br />
Es wird davonfliegen - und es wird sich zugleich drehen. Dieses Drehen allein betrachte:<br />
Eine ähnliche Bewegung machen monatlich Erde und Mond zusammen.<br />
Es war also nicht ganz richtig zu sagen: der Mond dreht sich „um die Erde“. Er<br />
kreist um beider gemeinsamen Schwerpunkt (o), der, näher der Erde, zwischen<br />
beiden liegt 12 , und um denselben Punkt kreist auch die Erde, immer dem Mond<br />
gegenüber.<br />
So macht also auch die Erde eine kleine monatliche Kreisbahn. Und für die gilt<br />
dasselbe, was wir für die Mondbahn fanden: Auch hier ein Kampf zwischen<br />
Trägheit und Gravitation. Und es muß ein ganz bestimmtes Gleichgewicht da<br />
sein, eine ganz bestimmte Geschwindigkeit, damit die Erde den Kreis macht und<br />
nicht gegen den Mond stürzt - oder davon.<br />
Nun ist ja die Gravitation (S. 9) um so schwächer, je weiter die beiden Körper,<br />
zwischen denen sie wirkt, von einander abstehen.<br />
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12 In Wirklichkeit liegt dieser Schwerpunkt sogar noch innerhalb der Erdkugel, etwa 1500 km unter der<br />
Oberfläche.<br />
Auf CD-ROM gefasst von Prof. Dr. Michael Soostmeyer, Essen 2000, Kraneburgstraße 81, D 46240 Bottrop