10.02.2013 Aufrufe

Mystik - Metapher - Bild - Oapen

Mystik - Metapher - Bild - Oapen

Mystik - Metapher - Bild - Oapen

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

94<br />

Inge Mager<br />

scheint, wo das Kreuztragen mehr als einmal ausdrücklich gerade nicht als „Werk<br />

des Menschen, sondern eigentlich [als] das Werk der Gnade Christi“ bezeichnet<br />

wird. 45 Ähnliches gilt von der „Theologia Deutsch“, deren Verfasser die Zähmung<br />

des Eigenwillens und dessen Unterordnung unter den Willen Gottes nur mit Hilfe<br />

der Gnade Christi für möglich hält. 46 Sollte Arndt das alles in seinem Trostbrief an<br />

Gerhard unerwähnt gelassen haben, weil er es bei dem lutherischen Dogmatiker als<br />

selbstverständlich voraussetzen konnte, wie er ja auch am Ende des 4. Buches vom<br />

WChr betonte, dass er nicht für die noch zu Rechtfertigenden, sondern für die<br />

bereits Gerechtfertigten geschrieben habe. 47 Seine Vorstellung, dass jenseitiges<br />

Heil hiesige Heiligung voraussetzt, bleibt davon jedoch unberührt.<br />

Ferner erstaunt mich das gänzliche Fehlen der Fürbitte für die Verstorbene,<br />

desgleichen die Nichtempfehlung des Gebetes als entlastende Möglichkeit gerade<br />

für den Trauernden. Sollte Arndt das Gebet als Dialog mit Gott nur den<br />

Schwachen vorbehalten und die Starken oder „Eingeweihten“, zu denen er Johann<br />

Gerhard zweifellos zählt, davon ausgenommen haben? 48 Heißt es doch ein Jahr<br />

später (1612) in der Vorrede zum Paradiesgärtlein, 49 das vollkommene, „rechte<br />

Gebet muß von innen heraus quellen“ und bedarf keiner Worte. Arndt könnte<br />

möglicherweise auch daran gedacht haben, was Thomas von Kempen in seiner<br />

Nachfolge Christi schreibt:<br />

Alles, was menschlicher Trost heißt, währt nicht lange und ist im Grunde eitel. Wahrer,<br />

seliger Trost ist nur der, den wir von der Wahrheit in unserm Innern empfangen. Wer die<br />

wahre Frömmigkeit hat, der trägt seinen Tröster Jesus immer und überall mit sich<br />

umher. 50<br />

Dieser mystische Gedanke scheint sich überhaupt wie eine geheime Richtschnur<br />

durch den ganzen Kondolenzbrief zu ziehen.<br />

Bevor weitere Seelsorgetexte Arndts analysiert werden, läßt sich als vorläufiges<br />

Zwischenergebnis folgendes festhalten: Arndt hat sich in seinem Trostbrief an<br />

Johann Gerhard höchst einfühlsam und gleichzeitig herausfordernd auf dessen<br />

vermeintliche Bedürfnisse und Voraussetzungen ausgerichtet. Sowohl bezüglich<br />

der Vergeblichkeit von Trauer als auch hinsichtlich der Kreuznachfolge als<br />

Lebensdeutung setzt er Gerhards völliges Einverständnis stillschweigend voraus.<br />

Die den Brief durchziehenden mystischen Gedankengänge müssten mit ihren<br />

möglichen Vorlagen genau verglichen werden. Wie Hans Schneider überzeugend<br />

dargelegt hat, ist Arndt auf die für ihn zentralen mittelalterlichen und zeitge-<br />

45 Thomas von Kempen, Das Buch von der Nachfolge Christi, hrsg. von Walter Körber, Reclam<br />

7663, Stuttgart 1997, S. 79.<br />

46 „Der Frankforter“. Theologia Deutsch, hrsg. von Alois M. Haas, Einsiedeln 1980, S. 143f.<br />

47 WChr IV, Beschluß 2 (Johann Arnd's Sechs Bücher..., S. 686).Vgl. auch Hans Schneider, Der<br />

fremde Arndt, S. 235.<br />

48 Zu dem nicht von Arndt stammenden Begriff „antistes/Eingeweihter“ vgl. Hans Schneider, Der<br />

fremde Arndt, S. 239.<br />

49 Johann Arnd’s Sechs Bücher...nebst Paradies-Gärtlein, S. 850f.<br />

50 Das Buch von der Nachfolge, S. 110f.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!