Mystik - Metapher - Bild - Oapen
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Inge Mager<br />
scheint, wo das Kreuztragen mehr als einmal ausdrücklich gerade nicht als „Werk<br />
des Menschen, sondern eigentlich [als] das Werk der Gnade Christi“ bezeichnet<br />
wird. 45 Ähnliches gilt von der „Theologia Deutsch“, deren Verfasser die Zähmung<br />
des Eigenwillens und dessen Unterordnung unter den Willen Gottes nur mit Hilfe<br />
der Gnade Christi für möglich hält. 46 Sollte Arndt das alles in seinem Trostbrief an<br />
Gerhard unerwähnt gelassen haben, weil er es bei dem lutherischen Dogmatiker als<br />
selbstverständlich voraussetzen konnte, wie er ja auch am Ende des 4. Buches vom<br />
WChr betonte, dass er nicht für die noch zu Rechtfertigenden, sondern für die<br />
bereits Gerechtfertigten geschrieben habe. 47 Seine Vorstellung, dass jenseitiges<br />
Heil hiesige Heiligung voraussetzt, bleibt davon jedoch unberührt.<br />
Ferner erstaunt mich das gänzliche Fehlen der Fürbitte für die Verstorbene,<br />
desgleichen die Nichtempfehlung des Gebetes als entlastende Möglichkeit gerade<br />
für den Trauernden. Sollte Arndt das Gebet als Dialog mit Gott nur den<br />
Schwachen vorbehalten und die Starken oder „Eingeweihten“, zu denen er Johann<br />
Gerhard zweifellos zählt, davon ausgenommen haben? 48 Heißt es doch ein Jahr<br />
später (1612) in der Vorrede zum Paradiesgärtlein, 49 das vollkommene, „rechte<br />
Gebet muß von innen heraus quellen“ und bedarf keiner Worte. Arndt könnte<br />
möglicherweise auch daran gedacht haben, was Thomas von Kempen in seiner<br />
Nachfolge Christi schreibt:<br />
Alles, was menschlicher Trost heißt, währt nicht lange und ist im Grunde eitel. Wahrer,<br />
seliger Trost ist nur der, den wir von der Wahrheit in unserm Innern empfangen. Wer die<br />
wahre Frömmigkeit hat, der trägt seinen Tröster Jesus immer und überall mit sich<br />
umher. 50<br />
Dieser mystische Gedanke scheint sich überhaupt wie eine geheime Richtschnur<br />
durch den ganzen Kondolenzbrief zu ziehen.<br />
Bevor weitere Seelsorgetexte Arndts analysiert werden, läßt sich als vorläufiges<br />
Zwischenergebnis folgendes festhalten: Arndt hat sich in seinem Trostbrief an<br />
Johann Gerhard höchst einfühlsam und gleichzeitig herausfordernd auf dessen<br />
vermeintliche Bedürfnisse und Voraussetzungen ausgerichtet. Sowohl bezüglich<br />
der Vergeblichkeit von Trauer als auch hinsichtlich der Kreuznachfolge als<br />
Lebensdeutung setzt er Gerhards völliges Einverständnis stillschweigend voraus.<br />
Die den Brief durchziehenden mystischen Gedankengänge müssten mit ihren<br />
möglichen Vorlagen genau verglichen werden. Wie Hans Schneider überzeugend<br />
dargelegt hat, ist Arndt auf die für ihn zentralen mittelalterlichen und zeitge-<br />
45 Thomas von Kempen, Das Buch von der Nachfolge Christi, hrsg. von Walter Körber, Reclam<br />
7663, Stuttgart 1997, S. 79.<br />
46 „Der Frankforter“. Theologia Deutsch, hrsg. von Alois M. Haas, Einsiedeln 1980, S. 143f.<br />
47 WChr IV, Beschluß 2 (Johann Arnd's Sechs Bücher..., S. 686).Vgl. auch Hans Schneider, Der<br />
fremde Arndt, S. 235.<br />
48 Zu dem nicht von Arndt stammenden Begriff „antistes/Eingeweihter“ vgl. Hans Schneider, Der<br />
fremde Arndt, S. 239.<br />
49 Johann Arnd’s Sechs Bücher...nebst Paradies-Gärtlein, S. 850f.<br />
50 Das Buch von der Nachfolge, S. 110f.