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Mystik - Metapher - Bild - Oapen

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Johann Arndts mystisch vertiefte Seelsorge, insbesondere Johann Gerhard gegenüber<br />

als Leser dieser argumentativ entwickelten Trostgründe wird mehrmals durch<br />

Fragen und Ermunterungen unmittelbar angesprochen und so in den<br />

seelsorgerischen Dialog einbezogen: „Wähle eines von beiden“ (5); „warum<br />

trauerst du?“ (7); „Was gibt es Größeres?“ (8); „Zeige mir endlich...jemanden...“<br />

(12). Sämtliche Argumente gipfeln gegen Ende des Briefes in dem Zuspruch:<br />

„Empfange das durch das Kreuz ausgezeichnete Kleid...als ein Zeichen und eine<br />

Hoffnung zukünftiger Herrlichkeit“ (13). Dem entspricht die den Briefgruß abrundende,<br />

freilich topische Ermunterung: „freue Dich in dem Herrn“ (14). Nach der<br />

Grußformel (14) klingt der Brief aus mit Nachrichten über die Befindlichkeit des<br />

Briefschreibers: er ist im Begriff, sich beruflich von Eisleben nach Celle zu<br />

verändern, möchte aber vor seinem Weggang unbedingt noch eine Mitteilung<br />

darüber erhalten, wie es Gerhard nach dem Tod seiner Frau geht (15). Seine<br />

fürsorgliche Anteilnahme reicht also über den Augenblick hinaus. Soviel zum<br />

Aufbau des Briefes.<br />

In literarischer Hinsicht steckt der Brief natürlich voller biblischer Bezüge und<br />

Anspielungen, obgleich nie wörtlich zitiert wird und alle Nachweise fehlen. Arndt<br />

setzt sie bei dem bibelkundiger Leser wohl einfach voraus. Allerdings sucht man<br />

Anklänge an vielleicht zu erwartende neutestamentliche promissorische Kernstellen<br />

wie etwa Röm. 8,31 32 oder Joh. 3,16 vergebens; stattdessen hat Arndt, wie<br />

damals nicht ungewöhnlich, überwiegend Texte aus den alttestamentlichen<br />

Weisheitsschriften vor Augen. 33 Dass er dem Trauernden aber überhaupt kein<br />

Trostwort aus der HL. Schrift zusagt, scheint mir für Arndts Seelsorge Gerhard<br />

gegenüber bezeichnend zu sein. Dafür greift er auf die mittelalterlichen Ars<br />

moriendi-Tradition und auf mystische, teilweise auch spiritualistische Vorstellungen<br />

zurück. Für alles setzt er trotz offenbarer Härten das stillschweigende<br />

Einverständnis Gerhards voraus oder versucht es zu erlangen. Zwar entwickelt<br />

Arndt seine seelsorglichen Überlegungen dialogisch; echte Überzeugungsarbeit<br />

braucht er indessen kaum zu leisten. Gerhard kennt alle aufgeführten Trostgründe,<br />

wie seinen „Meditationes Sacrae“ zu entnehmen ist. Arndt ruft sie dem<br />

Trauernden dennoch in Erinnerung, damit sie in seinem Innern zu einem<br />

lebendigen Erfahrungsschatz werden. Nicht das zugesprochene, gehörte und<br />

geglaubte Wort, sondern die im Herzen „geschmeckte“ Nähe Gottes soll wirklichen<br />

Trost vermitteln.<br />

Gleich im Briefeingang klingt der Cantus firmus an: Gott handelt mit seinen<br />

Kindern sub contrario und mutet gerade zukünftigen Himmelsbewohnern Kreuzerfahrungen<br />

zu (5). Die „Annehmlichkeiten beider Welten“ sind ihnen in der Regel<br />

nicht vergönnt. Im Gegenteil: „Christus lässt es denjenigen, die er zu ewigen<br />

32 Vgl. aber Arndts Leichenpredigt für Herzog Ernst II. von Lüneburg-Celle (Zwo christliche<br />

Leichpredigten..., Stadthagen 1611, Bl. [B 4v]), in der neben vielen anderen Trostworten auch diese<br />

Stelle zitiert wird.<br />

33 Vgl. Ernst Koch, Die „Himmlische Philosophia des heiligen Geistes“. Zur Bedeutung alttestamentlicher<br />

Spruchweisheit im Luthertum des 16. und 17. Jahrhunderts, in: ThLZ 115, 1990, S. 705–720.<br />

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