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Mystik - Metapher - Bild - Oapen

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Inge Mager<br />

auch durch die Publikation des ersten Bandes seiner „Loci“ (1610) für lutherische<br />

Rechtgläubigkeit. Leichenpredigt und Trostbrief ergänzen sich jedoch inhaltlich<br />

nur bedingt. Vor allem konnten bloß Lateinkundige den Brief verstehen. Auch als<br />

Trost für andere war dieses ganz auf den Theologen Gerhard bezogene Schreiben<br />

m.E. nur teilweise geeignet. Eine von krassen Dualismen, unbedingter Kreuznachfolge<br />

und mystischer Innerlichkeit ausgezeichnete Seelsorge spiegelt es<br />

indessen wie kaum eine andere Quelle sehr eindrücklich wider. Deshalb möchte<br />

ich diesen Text im folgenden etwas genauer analysieren, ohne freilich zugleich die<br />

möglichen Quellen und Vorlagen Arndts offenzulegen.<br />

Auf eigenes Erleben konnte der geistliche Therapeut in diesem Falle nicht<br />

zurückgreifen. Seine 1582 in Ballenstedt geschlossene Ehe mit Anna Wagner, die<br />

ihn nach einer 40jährigen glücklichen Verbindung am Ende noch überlebte, war<br />

und blieb kinderlos. So kannte Arndt Gerhards doppelten Verlustschmerz nicht,<br />

dafür waren ihm andere Herausforderungen und Anfechtungen keineswegs fremd.<br />

Er wußte sehr wohl, wovon er redete, wenn er Gerhard die Paradoxie der in<br />

menschlichen Lebenskreuzen verborgenen Heilsökonomie und Liebe Gottes ans<br />

Herz legte, um ihn zu geduldigem Durchhalten zu ermutigen. Zudem schöpfte er<br />

aus der vom individuellen Erleben unabhängigen reichen christlichen Tradition des<br />

Tröstens.<br />

In formaler Hinsicht verrät Arndts Brief die Kenntnis der von den<br />

Humanisten neu belebten Kunst des Briefschreibens, 31 er ist aber vereinfacht<br />

aufgebaut. Auf die Salutatio (1), die in eine formelhafte Trostfürbitte einmündet,<br />

folgt eine erweiterte Anrede (2), die zugleich etwas über das Verhältnis des<br />

Briefschreibers zum Empfänger aussagt: Arndt versteht sich als Gerhards<br />

liebender Vater, was weniger auf äußere Fürsorge denn auf geistliche<br />

Verwandtschaft anzuspielen scheint. Die sich anschließende narrative Einleitung<br />

(3) nimmt empathisch Bezug auf den Tod von Gerhards Frau. Arndt möchte<br />

einerseits in seinem Mitgefühl für den Trauernden von niemandem übertroffen<br />

werden. Zugleich aber weiß er um die Vergeblichkeit solcher Beileidsbekundungen<br />

und zieht daraus die allgemeine, schroff klingende Schlussfolgerung, die<br />

gleichzeitig eine Empfehlung an den Briefempfänger darstellt, dem Willen Gottes<br />

widerspruchslos zu gehorchen, sich in Geduld zu üben und das Klagen<br />

einzustellen (4). Fast der ganze übrige Brief dient der Begründung dieses Ratschlages,<br />

indem immer wieder neue Gesichstpunkte für die Unangebrachtheit der<br />

Trauer aufgezählt werden (5–12). Dabei nimmt Arndt abwechselnd bald den hinterbliebenen<br />

Witwer, bald die Verstorbene in den Blick, um ein Trostmotiv an das<br />

andere zu reihen. Dreh- und Angelpunkt dieser sowohl konsolatorisch als auch<br />

paränetisch akzentuierten Argumentationskette ist das von Menschen zu tragende<br />

Kreuz – nicht als dunkles Schicksal, sondern als göttliche Auszeichnung. Gerhard<br />

31 Vgl. Erasmus von Rotterdam, De conscribendis epistolis, Anleitung zum Briefschreiben, übers.,<br />

eingeleitet u. mit Anm. vers. von Kurt Smolak, Darmstadt 1980; Brief, Briefliteratur, Briefsammlungen,<br />

in: LMA 2, 1983, Sp 648ff.

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