Mystik - Metapher - Bild - Oapen
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Inge Mager<br />
Menschen Besonderes vor. Arndt denkt hier vielleicht an das Lukaswort: „Wem<br />
viel gegeben ist, bei dem wird man auch viel suchen“ (Lk. 12,48). Deshalb mutet<br />
der Seelsorger Arndt gerade dem Theologen Gerhard zu, sein Kreuz – hier den<br />
Tod der Ehefrau – als Ausfluss des „höchsten Ratschluss[es] Gottes“ sogar wie<br />
eine im Feuer zubereitete süße Liebesgabe von Gott anzunehmen und die daraus<br />
erwachsende Glaubensstärkung in seinem Verkündigungsdienst fruchtbar zu<br />
machen – etwa als ermutigendes Vorbild für andere (11). Für die eigene<br />
Frömmigkeit kann aus Leiderfahrungen eine besonders intensive Sehnsucht nach<br />
der Ewigkeit erwachsen, wie das <strong>Bild</strong> des begierigen Trinkens eines durstigen<br />
Hirsches (Ps. 42,2f.) andeuten soll (12). Sowohl das läuternde Feuer, der durstige<br />
Hirsch 37 als auch das geistlich-leibliche Schmecken sind Begriffe und <strong>Metapher</strong>n,<br />
die häufig in der <strong>Mystik</strong> begegnen. Die Verbindung von Kreuz und Feuer scheint<br />
indessen einem anderen, vielleicht alchemistischen Traditionszusammenhang zu<br />
entstammen. 38 Wie dem auch sei, einem ohne Murren getragenen Lebenskreuz ist<br />
nach Arndts Meinung in jedem Fall himmlischer Lohn gewiss. Darum mündet<br />
seine Trostparänese am Ende des Briefes auch in die Zusage. „Empfange das<br />
durch das Kreuz ausgezeichnete Kleid, mit dem Christus Dich bekleiden will, als<br />
ein Zeichen und eine Hoffnung zukünftiger Herrlichkeit“.<br />
Arndt verfolgt in seinem an Johann Gerhard gerichteten Kondolenzbrief m.E.<br />
nur ein Ziel: die Klage gründlich ad absurdum zu führen. Dazu trägt er sowohl im<br />
Blick auf seine verstorbene Frau als auch im Blick auf ihn selbst viele nach seiner<br />
Meinung unwiderlegliche geistliche Trostgüter zusammen. Sie sollen das Gewicht<br />
der Trauergründe mindern. Arndt hat sie, wie schon gesagt, aus der Bibel und aus<br />
der älteren christlichen Ars moriendi-Tradition übernommen und durch mystische,<br />
im einzelnen noch zu identifizierende Anleihen bereichert. 39 Der schroffe Appell,<br />
ganz ohne Trauer und Klage über den Verlust eines Menschen hinwegzukommen,<br />
lässt sich allerdings in der Bibel, soweit ich sehe, nur als Ausnahmeempfehlung<br />
finden. So erhält z.B. der Prophet Hesekiel einmal folgende Weisung: „Du<br />
Menschenkind, ich will dir deiner Augen Lust (nämlich deine Ehefrau) nehmen<br />
durch eine Plage. Aber du sollst nicht klagen noch weinen noch eine Träne<br />
lassen“(Hes. 24,16). 40 Der Leichenredner Stöcker zitiert diese Stelle sogar ausdrücklich<br />
in seiner Predigt. Nur folgert er daraus im Unterschied zu Arndt keine<br />
gänzliche Unterdrückung von schmerzlichen Gefühlsäußerungen, sondern setzt<br />
ihnen nur Grenzen. Wörtlich heißt es bei Stöcker:<br />
37 Vgl. Johann Arndt, Von der hochwunderlichen gnadenreichen Vereinigung der Christgläubigen mit<br />
dem allmächtigsten...Christo Jesu (Sechs Bücher vom wahren Christentum, S. 747); vgl. auch H.<br />
Geyer, Verborgene Weisheit I, S. 404.<br />
38 Vgl. H. Geyers Reflexionen über „ignis magicus“ (Verborgene Weisheit III, S. 256ff.)<br />
39 Vgl. Ute Mennecke-Haustein, Luthers Trostbriefe, QFRG 56, Gütersloh 1989, S. 33–181 (Themen<br />
von Luthers Trostbriefen und ihre mittelalterlichen Traditionen).<br />
40 Christliche Leich vnd Trostpredigt, Bl. Aijvff.