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Mystik - Metapher - Bild - Oapen

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Hans-Olof Kvist<br />

Sich im Denken orientiren?“ (1786) kritisiert. 51 In der Schrift „Der Streit der<br />

Fakultäten“ (1798), in dem Abschnitt „Allgemeine Anmerkung. Von Religionssecten“<br />

52, schreibt Kant dem übersinnlichen Menschen eine gewisse Überlegenheit<br />

im Verhältnis zu dem sinnlichen Menschen zu: die mit dem Menschsein<br />

unauflöslich verbundene moralische Anlage. Da dieses Vermögen nach Kant<br />

unbegreiflich sei, seien einige Menschen zu dem Glauben verleitet, dieses<br />

Übersinnliche sei auch Übernatürlich, d.h. etwas, das nicht in der Macht des<br />

Menschen stünde, sondern von einem höheren Geist beeinflusst wäre. Diese<br />

Auffassung wird von Kant zurückgewiesen. Da die Wirkung des übersinnlichen<br />

Vermögens unter der genannten Voraussetzung nicht länger etwas sei, was der<br />

Mensch zustande gebracht habe, könne sie ihm auch nicht zugeschrieben werden<br />

und ursprünglich mit der moralischen Anlage zusammengehören. Die Idee von<br />

diesem dem Menschen auf eine unbegreifliche Weise gehörenden Vermögen bietet<br />

für Kant die Auflösung dessen, was er gemäß dem Pietisten Philipp Jakob Spener<br />

das „Spenerische Problem“ nennt, nämlich das Problem, wie der Mensch ein neuer<br />

Mensch werden könne. 53<br />

Im Zusammenhang mit der Diskussion über verschiedene Weisen, das<br />

Problem aufzulösen, präsentiert Kant die <strong>Mystik</strong> als eine Alternative oder, wie er<br />

selbst sagt, den „Mysticism“. 54<br />

Hinsichtlich des Zwecks der Frage, wie das Christentum wirklich in den<br />

Herzen der Menschen wirksam gemacht werden könnte oder was gemacht werden<br />

51 Henrich 1966, 54. In der Religionsschrift gibt Kant die Beduetung des Ausdrucks „Illuminatism“<br />

folgendermaßen an: „eine Art von Demokratie durch besondere Eingebungen, die nach jedes seinem<br />

Kopfe von andrer ihrer verschieden sein können...“ VI, 102. Als solcher ist der Illuminatismus<br />

„sektirerisch“. VI, 102. An einer anderen Stelle kommt der Ausdruck „Illuminatism“ in dem<br />

folgenden Zusammenhang vor: „der gewähnten Verstandeserleuchtung in Ansehung des Übernatürlichen<br />

(Geheimnisse) Illuminatism, Adeptenwahn...“. VI, 53. Vgl. VI, 83, wo „vermeinte (bloß)<br />

innere Erleuchtungen“ als „schwärmerisch“ etikettiert werden, und VIII, 398, wo „Schwärmerei“ u.a.<br />

„übernatürliche Mittheilung (mystische Erleuchtung)“ ist. Wie in Von einem neuerdings erhobenen<br />

vornehmen Ton in der Philosophie, VIII, 402–403 et passim, weist Kant schon früher in der<br />

Grundlegung zur Metaphysik der Sitten (1785) IV, 442 und in der Kritik der praktischen Vernunft<br />

(1788) V, 71 das Gefühl als Bestimmungsgrund der Moral ab. Hierzu näher: Dieter Henrich,<br />

Hutcheson und Kant, Kant-Studien 49 (1957/58), 49–69. Der Artikel Was heißt: Sich im Denken<br />

orientiren? ist abgedruckt VIII, 131–147, die Fußnote über den Spinozismus als Schwärmerei findet<br />

sich VIII, 143–144. Über den Zusammenhang zwischen Platonismus, Mystizismus und Schwärmerei<br />

nach Kant siehe Gerhard Mollowitz, Kants Platoauffassung, Kant-Studien 40 (1935), 13–67, bes. 33–<br />

39. Mollowitz lässt verstehen, Kant sei in der genannten Hinsicht von Jakob Bruckers „Historica<br />

Critica Philosophiae“ (Leipzig 1742, 5 Bände; 1767, zweite Aufl., 5 Bände und ein Ergänzungsband)<br />

abhängig. Siehe Mollowitz 1935, 14–29, 36–39. Von Plato als eine mystische Realität der<br />

Verstandesbegriffe lehrend spricht Kant in der Kritik der reinen Vernunft (erste Aufl. 1781, zweite<br />

Aufl. 1787), III, 551.<br />

52 VII, 48–60. Reich (1959, XI, XIV) und Vorländer (in der Akademie-Ausgabe der Schriften Kants<br />

VII, 337–339) vermuten, der erste Abschnitt der Schrift Der Streit der Fakultäten einschließlich der<br />

allgemeinen Anmerkung von den Religionssekten habe schon in dem Jahre 1794 fertig vorgelegen.<br />

53 VII, 58–59.<br />

54 Zum folgenden siehe VII, 53–60.

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