50 Jahre Ingenieurbüro Böger + Jäckle - VSVI Schleswig-Holstein
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1961 – 2011<br />
<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong><br />
<strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong><br />
Eine etwas andere Chronik<br />
von Wolf-Dietrich Karras
Vorgezogenes Nachwort<br />
Nach der Lektüre dieser Broschüre wird es dem Leser wahrscheinlich genauso wie dem Verfasser<br />
ergehen: rückblickend erscheint unsere Entwicklung zielstrebig, planvoll und folgerichtig. Dem<br />
ist jedoch nicht so. <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> gediehen in fünfzig <strong>Jahre</strong>n aus kleinsten Verhältnissen ganz<br />
unsystematisch und mehr zufällig zu jenem respektablen und respektierten <strong>Ingenieurbüro</strong>, das<br />
es heute ist. Dabei spielten Zufälle eine ebenso große Rolle wie fachliches Können und berufliche<br />
Leistung und, nicht zuletzt, das Vertrauen unserer Auftraggeber.<br />
Anfangs waren wir ein kleiner Haufen, der sich zu jeder Ingenieurarbeit befähigt fühlte. Eines<br />
aber konnten wir und wollten wir besonders gut: BRÜCKEN BAUEN! Schnell kamen andere Ingenieuraufgaben<br />
für den Tunnelbau und insbesondere für den konstruktiven Wasserbau und den<br />
Hochwasserschutz hinzu. Diese unsere Berufung haben wir aber nicht etwa transzendent begriffen,<br />
sondern sehr real. Wir wollten nicht für die Ewigkeit bauen, das hatte schon das „Dritte Reich“<br />
vergeblich versucht. Dessen geplanten baulichen Halbwertzeiten waren nur mit denen der sakralen<br />
Sphäre vergleichbar, in der übrigens als Erbauer von Kirchen und Klöstern gern Bischöfe<br />
statt Baumeister genannt werden. Damals hieß es wie heute: Bauwerke haben viele Väter, was<br />
zumindest für Entwurf, Ausführung und Prüfung gilt.<br />
In diesen Ressorts sind <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> seit fünfzig <strong>Jahre</strong>n tätig, und einige unserer Projekte<br />
heben sich, das dürfen wir mit Stolz und ohne Übertreibung sagen, durch Gestaltung oder Bauweise<br />
aus der Masse hervor, andere, weniger sichtbar, durch ihre innovative Technik. Erst genaues<br />
Hinsehen offenbart dem Betrachter bauliche Eigenheiten, vielleicht auch schon erste<br />
Spuren der Zeit. Letztlich sind aber alle unsere Bauten Teile des Ganzen unserer großen gebauten<br />
Welt.<br />
Nicht zuletzt sei auch an die mehr als 100 ehemaligen und tätigen Mitarbeiter der vergangenen<br />
<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> erinnert und ihnen gedankt.<br />
An allen Bauwerken, auf die der Leser bei der Lektüre hier stoßen wird, haben <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong><br />
maßgeblich mitgewirkt; und es ist nur eine begrenzte beschränkte Anzahl, die hier erwähnt<br />
wird.<br />
<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong>
Schwierige Realisierung eines schwierigen Entwurfs<br />
<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong>
<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong>
Eine Publikation der<br />
BÖGER + JÄCKLE<br />
Gesellschaft Beratender Ingenieure mbH & Co. KG<br />
Heidekoppel 4<br />
24558 Henstedt-Ulzburg<br />
Tel.: 04193/9008-0<br />
Fax: 04193/9008-44<br />
www.boeger-jaeckle.de<br />
Redaktion:<br />
Klaus Werwath, Königswinter<br />
Layout und DTP:<br />
Satz-Studio Heimerl, Würzburg<br />
Druck:<br />
Farbendruck Brühl GmbH<br />
97340 Marktbreit<br />
www.farbendruck-bruehl.de<br />
Nicht alle Bilder dieser Broschüre konnten mit eine Quellenangabe versehen werden. Sofern<br />
dadurch urheberrechtliche Ansprüche verletzt worden sein sollten, bitten wir diejenigen, die<br />
solche erheben möchten, sich mit den Herausgebern in Verbindung zu setzen.<br />
<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong>
Inhaltsverzeichnis<br />
Unsere Wurzeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8<br />
Der Start. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10<br />
Frühe Tätigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11<br />
Bypässe gegen den Verkehrsinfarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12<br />
Paddeltour . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15<br />
Stahlbau – Worldwide Eengineering . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19<br />
Fischzüge im Submissionsanzeiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21<br />
Modellstatische Versuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22<br />
Rechner groß und klein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23<br />
Wachstum und Wandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25<br />
Die Störbrücke. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27<br />
Kontrolle und Vertrauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33<br />
Der Weg nach Norden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33<br />
Kiel-Legung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37<br />
Kaiser Wilhelm? Das war einmal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39<br />
Überraschende Perspektiven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45<br />
Trutz Blanke Hans. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47<br />
Der rote Felsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51<br />
Die graue Stadt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52<br />
Schall und Rauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53<br />
Schwere Geburt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55<br />
Verdeckte Tätigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56<br />
Weiße Flecken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59<br />
Fitnessprogramm. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60<br />
Damit der Schornstein raucht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68<br />
Die Kraft der Kerne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68<br />
Wir können auch anders . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69<br />
Nicht alle abgebildeten Bauwerke werden im Text erwähnt oder beschrieben; die Bilderfülle<br />
dient der möglichst umfänglichen Darstellung der Vielfalt der von <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> bearbeiteten<br />
Bauwerke.<br />
<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong>
Unsere Wurzeln<br />
Im November 1961 gründeten die Diplom-Ingenieure<br />
Hajo <strong>Böger</strong> und Hermann <strong>Jäckle</strong><br />
als Gesellschaft Bürgerlichen Rechts das<br />
<strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong><br />
Beide hatten nach ihren Examina (Hajo <strong>Böger</strong> an der TH Hannover, Herman <strong>Jäckle</strong> an der TH<br />
Karlsruhe) eine erste berufliche Anstellung im renommierten <strong>Ingenieurbüro</strong> von Dr.-Ing. Hellmut<br />
Homberg in Hagen in Westfalen gefunden. Hombergs Name mag heute vergessen sein, damals<br />
aber, in den fünfziger und sechziger <strong>Jahre</strong>n des vorigen Jahrhunderts, zählte er zu den Koryphäen<br />
des modernen Brückenbaus, und er gehörte mit so namhaften Ingenieurkollegen wie<br />
beispielsweise Fritz Leonhardt zu jenen Spitzeningenieuren in der damaligen Bundesrepublik,<br />
die reichhaltige Erfahrungen und erste berufliche Bewährungsproben als Ingenieure in der Organisation<br />
Todt [OT] bestanden hatten, jener militärischen Bautruppe, der während des Dritten<br />
Reiches vor allem die Realisierung von Schutz- und Rüstungsprojekten oblag. Viele Ingenieure<br />
der OT waren in den Firmen und Bauverwaltungen der jungen Bundesrepublik Deutschland tätig,<br />
in ihren Händen lag ein wesentlicher Teil des Wiederaufbaus. Diese Zeit war eine für das<br />
Bauwesen gute Zeit, denn nach der Währungsreform und im beginnenden wirtschaftlichen Aufschwung<br />
konnten viele jener Projekte wieder aufgegriffen werden, die einige <strong>Jahre</strong> zuvor des<br />
Krieges wegen hatten zurückgestellt werden müssen. Die Teilung Deutschlands und die daraus<br />
resultierende geografische Nord-Süd-Ordnung der Bundesrepublik erforderten zudem eine ungewohnte<br />
neue Ausrichtung der anschwellenden Verkehrsströme.<br />
Homberg war ein ambivalenter Charakter. Als Ingenieur konnte er über mathematische Reihen<br />
stundenlang und geduldig Querverteilungszahlen rechnen, und er freute sich berechtigterweise<br />
sehr, als später die Computer seine Werte bestätigten. Auf der anderen Seite konnte es<br />
<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong><br />
H. <strong>Böger</strong> H. <strong>Jäckle</strong><br />
Fotos: B+J Archiv
Klare Sache in Rendsburg<br />
geschehen, dass er, als passionierter Reiter, ohne weiteres auch schon mal den einen oder anderen<br />
seiner Zuchthengste kastrierte, wenn der denn partout nicht parieren wollte.<br />
Seinen Mitarbeitern im Büro zahlte Homberg Spitzengehälter, verlangte aber auch abgesicherte,<br />
immer exakt überprüfte Ergebnisse. Das führte gelegentlich dazu, dass ihm Ergebnisse<br />
von gestern vorgelegt wurden, wenn die Rechnung von heute alles in Frage stellen konnte. Für<br />
die Konstrukteure war sein obligatorischer morgendlicher Gang durch das Büro eine Sache des<br />
Hangens und Bangens, denn ihr Chef erfasste ihre Zeichnungen mit einem Blick – und nervte<br />
mit dem ewigen Spruch: „Wenn ich da hingucke, will ich dort das Maß sehen.“ In jenen <strong>Jahre</strong>n<br />
reichte das Tätigkeitsspektrum seines Büros von Großbrücken bis zum täglichen Brot der Einfeldbrücken;<br />
letztere allein schon, um die Grundlagen des Buches „Schiefe Stäbe und Platten“ abzurunden,<br />
das Homberg damals in Arbeit hatte.<br />
Diese Publikation beruhte auf Modellversuchen, das heißt, auf Messungen an einfeldrigen<br />
Al-Platten mit entsprechender Belastung. Diese Versuche konnten bis zu Einflusslinien für Auflagerkräfte<br />
vervollkommnet werden. Eine von Hermann <strong>Jäckle</strong> angeregte Erweiterung auf durchlaufende<br />
zweifeldrige Platten erledigte sich durch einen Anruf beim Verkehrsministerium, weil<br />
keine ausreichenden Fördermittel verfügbar waren.<br />
<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong>
Homberg war nicht nur ein herausragender Beratender Ingenieur, sondern auch ein ebensolcher<br />
Prüfingenieur für Baustatik, als der er sein ingenieurwissenschaftliches Können entwickelte,<br />
trieb er doch jeden Kollegen, auf dessen Tisch ein Prüfauftrag gelandet war, zu akribisch genauen<br />
Untersuchungen der Randbedingungen und der realen und möglichen Belastungen an!<br />
Waren diese Einflüsse abgedeckt, wurde die weitere Prüfung zur reinen Formsache.<br />
Während des Krieges war zwangsweise recht primitiv gebaut worden, jetzt aber, in der Zeit<br />
der ersten Anstellung Hajo <strong>Böger</strong>s und Hermann <strong>Jäckle</strong>s im <strong>Ingenieurbüro</strong> von Hellmut Homberg,<br />
begann die stürmische technische Entwicklung der Bautechnik, insbesondere des Stahlbrückenbaus,<br />
der Verbundbauweise und des Spannbetonbaus, die nun nicht mehr unter dem<br />
Diktat des Staates an ihre technischen Grenzen geführt wurden, sondern unter dem der Wirtschaftlichkeit<br />
– allerdings mit vielen negativen Folgeerscheinungen.<br />
Die Zwänge dieser Entwicklung hatten <strong>Böger</strong> und <strong>Jäckle</strong> geprägt, als sie sich entschlossen,<br />
inzwischen verheiratet und mit Hausstand und Kindern gesegnet, gemeinsam den Weg in die<br />
Selbstständigkeit zu wagen. Doch unterschiedlicher als diese beiden konnten zwei Kollegen<br />
nicht sein, die das wagten: der eine hatte seine heimatlichen Wurzeln zwischen Bremen und<br />
Hamburg, der andere kam aus dem südlichen Schwarzwald; der eine war Segler, jederzeit ad hoc<br />
den Kurs zu ändern bereit, um Ziel und Zweck zu erreichen, der andere war Schachspieler, stets<br />
bemüht, aus Aktion und Reaktion abwägend und vorausschauend seinen Weg zu finden; der<br />
eine hatte den Gesellenbrief in der Tasche, der andere stoppelte mühsam die für das Studium<br />
erforderlichen Praktika zusammen; der eine neigte dem Stahlbau zu, der andere dem Massivbau.<br />
So ergänzten sich beide vortrefflich. Es konnte also gar nichts schiefgehen.<br />
Der Start<br />
Hellmut Homberg begrüßte und förderte den Weg seiner Mitarbeiter in die Selbstständigkeit.<br />
Vor <strong>Böger</strong> und <strong>Jäckle</strong> waren ihn schon Dipl.-Ing. Richard Lebherz und Dr.-Ing. Bernward Büsse<br />
nach Münster, Dr.-Ing Wolfhardt Zahlten nach Wuppertal und Dr.-Ing. Walter Ropers nach Bremen<br />
gegangen.<br />
Für unsere beiden jungen Bürogründer erhob sich nun die Standortfrage. Unbestritten zählte<br />
<strong>Schleswig</strong>-<strong>Holstein</strong> damals verkehrstechnisch zu jenen Regionen, in denen wegen des anschwellenden<br />
West-Ost-Transitverkehrs unmittelbarer Handlungsbedarf bestand. Mit einer Niederlassung<br />
im nördlichen Einzuggebiet von Hamburg könnte sich, so überlegten beide, später<br />
in der Hansestadt ein zweites Standbein entwickeln. So fiel die Wahl auf Ulzburg, eine Gemeinde,<br />
die sich von einem ländlichen Flecken mit Bahnanschluss zu einem Ort mit neuen Siedlungen<br />
für in Hamburg Berufstätige entwickelt hatte, die hier in Ruhe wohnen wollten. In einer dieser<br />
Siedlungen wurde nun ein ganz normales Reihenhaus gemietet.<br />
Neben Wagemut und Selbstvertrauen gehörten zur Gründung eines <strong>Ingenieurbüro</strong>s auch<br />
sehr profane Dinge, Dinge, die damals ganz normal waren, heute aber, fünfzig <strong>Jahre</strong> später,<br />
durchaus erwähnt werden müssen. Die Grundausstattung der Fachliteratur waren der „Schleicher“<br />
oder „Hütte“ (Bd. III), „Stahl im Hochbau“, „Wendehorst“, „Anger“, „Kleinlogel“, „Pucher“ und der<br />
jeweils aktuelle Jahrgang des „Betonkalenders“. Gerechnet wurde von Hand, und dafür genügte<br />
ein Rechenschieber; fast ein Luxus war eine mechanische Vierspezies-Rechenmaschine. Für die<br />
10 <strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong>
Zeichenarbeit waren die altvorderen Reißbretter von den sogenannten Parallelogramm-Zeichenmaschinen<br />
abgelöst worden, deren Justierung aber noch einer<br />
langen Reißschiene bedurfte. Zum Schreiben und Zeichnen bediente man sich<br />
der bekannten grünen TK-Stifte mit Minen der verschiedensten Härtegrade – bis 12H (das waren<br />
schon Waffen, mit denen so mancher technische Zeichner im erregten fachlichen Disput durchaus<br />
einen subkutan dauerhaft sitzenden schwarzen Punkt verpasst bekommen hat). Später lagen<br />
auf unseren Tischen noch Rasterfolien, Beschriftungsmaschinen und ein Satz Kurvenlineale<br />
herum. Ein großes Problem war immer die Vervielfältigung. Die Berechnungen und Entwürfe<br />
wurden – das war der Stand der Bürotechnik – auf Transparentpapier geschrieben und gezeichnet<br />
und dann mit einem Lichtpausgerät kopiert. Außerdem war eine Schreibmaschine erforderlich<br />
(nicht nur für die Korrespondenz), obwohl deren Schriftbild selbst mit einem frischen Farbband<br />
nur bedingt pausfähig war. Deshalb wurde das zu beschreibende Transparentpapierblatt<br />
mit einem gelben Transferbogen hinterlegt, wodurch auf der Rückseite der Text spiegelbildlich<br />
in Gelb erschien. Entsprechend aufwendig war die spätere Korrektur. Inzwischen war übrigens<br />
auch eine kleine Mannschaft aus Bauingenieuren und einer technischen Zeichnerin zusammengestellt<br />
worden. Und als Firmenwagen stand der VW von Hajo <strong>Böger</strong> zur Verfügung. Es konnte<br />
also losgehen!<br />
Frühe Tätigkeiten<br />
Der Zeitpunkt, ab dem <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> Ingenieurleistungen erbracht haben, lässt sich nicht mehr<br />
genau bestimmen. Nachdem Hajo <strong>Böger</strong> das Büro Homberg in Hagen verlassen hatte, um das<br />
eigene gemeinsame Büro vorzubereiten, brachte Hermann <strong>Jäckle</strong> in Hagen noch wichtige Aufgaben<br />
zu Ende. Der eine rechnete zwischendurch den Überbau eines Sieles nach, der andere ein<br />
Silo im Wickelspannverfahren des Klärwerkes in Rendsburg. Für die weitere Entwicklung des<br />
jungen Büros zahlte es sich jetzt aus, das in Hagen Gelernte und Geübte in Form des kompletten<br />
Entwurfs einer massiven, einfeldrigen Überführung vorlegen zu können. Mit dem örtlichen Straßenbauamt,<br />
dem übergeordneten Landesstraßenbauamt, mit der Bundesbahn und mit dem<br />
Baugrundgutachter waren alle potenziellen Auftraggeber und Partner versammelt, und man<br />
lernte schnell ihre jeweiligen Wünsche kennen. Der Inhalt eines solchen Entwurfes war in Westfalen<br />
und in <strong>Schleswig</strong>-<strong>Holstein</strong> wohl gleich, doch gab es länderspezifische Varianten, die zu<br />
berücksichtigen waren. Richtzeichnungen gab es noch nicht, und für Bauwerkdetails waren damals<br />
gerade erst die SH-Normen im Entstehen. Bis die allerdings vollendet waren, verwies das<br />
Amt auf Bewährtes, entsprechend wurde im Büro für Details lange auf diesen ersten kompletten<br />
Entwurf zurückgegriffen. Das schloss aber nicht aus, im Rahmen der Vorentwürfe und Voruntersuchungen<br />
auch abweichende Lösungen vorzustellen, die jedoch eingehend zu begründen<br />
waren.<br />
Für die gewachsenen, traditionellen Straßenbauämter nahmen im Lauf der Zeit die Planungsaufgaben<br />
einen Umfang an, der die Einrichtung von Neubauämtern notwendig machte, die<br />
dann ihrerseits weitere Schwerpunkte der Tätigkeit des Büros <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> markierten. Unter<br />
diesem Aspekt liest sich die Objektliste des Büros für Straßenbrücken und Straßentunnel wie ein<br />
Teil der Geschichte der Verkehrspolitik und des Straßenbaus des ganzen Landes.<br />
<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong> 11
Bypässe gegen den Verkehrsinfarkt<br />
Der erste Entwurf war nicht die Krone der Ingenieurskunst, sondern saubere Arbeit, die aber,<br />
zurückschauend, für die damalige Verkehrspolitik bezeichnend war. Es wurde alles noch der Not<br />
gehorchend gehandhabt: staute irgendwo der Verkehr oder kam es zum Infarkt, wurde als Therapie<br />
ein Bypass gelegt, also, im genauen Sinne dieses Wortes, eine Umgehungsstraße gebaut.<br />
Man war damals der Auffassung, dass man, wenn es sich denn später als erforderlich erweisen<br />
sollte, die einzelnen Abschnitte ja immer noch zu einem Ganzen würde verbinden zu können.<br />
Dies war in einer Zeit, da in Aachen schon mit weißer Flagge und dem grünen E für Europa demonstriert<br />
wurde; für ein Europa aber, das sich nicht nur nach Westen erstreckte, sondern, von<br />
Skagen bis Sizilien, auch nach Norden und nach Süden. Selbst die Vogelfluglinie war, noch auf<br />
Vorkriegsplanungen beruhend, jahrelang nicht an ein adäquates Straßennetz angebunden.<br />
Einer der Verkehrsbrennpunkte war in <strong>Schleswig</strong>-<strong>Holstein</strong> ab 1962 die Verlegung und der Ausbau<br />
der B 5 von Krupunder (Landesgrenze Hamburg) bis hinter Pinneberg, nämlich bis zum<br />
Anschluss an die Landesstraße nach Quickborn. Durch den Trend, in Hamburg zu arbeiten, aber<br />
im Randgebiet zu wohnen, herrschten dort unhaltbare Zustände – nicht nur wegen des damit<br />
erzeugten Berufsverkehrs. Für LKW bestand beispielsweise keine andere Möglichkeit, als sich<br />
durch das schöne Städtchen Rellingen zu quälen, was dessen urbane Qualität fast vernichtet<br />
hätte. Man kann sich heute kaum noch vorstellen, dass, ohne an den allgegenwärtigen Einsprüchen<br />
mehrerer Bürgerinitiativen zu scheitern, eine mehrspurige Fernstraße so ortsnah gebaut<br />
wird, praktisch inmitten und umringt von der städtischen Bebauung.<br />
Über die Brückenbauwerke auf dieser Strecke ist zu erwähnen, dass das erste Bauwerk, der<br />
Anschluss Krupunder, nachdem Baufirma und Amt gänzlich miteinander quer lagen, die erste<br />
Unten/Oben in Schwarzenbeck<br />
12 <strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong><br />
Foto: B+J Archiv
Bauüberwachung von <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> wurde. Zu erwähnen ist auch die neue Fußgängerbrücke,<br />
die alte nachbarschaftliche Bande wieder zusammenfügen sollte,<br />
nachdem sie von der neuen Bundesstraße durchgeschnitten worden waren. Sie<br />
überspannt dreifeldrig mit sanftem Bogen elegant die Straße, die selber in einer Kurve liegt, ruht<br />
auf schlanken V-förmig angezogenen Stützen, die die immer schärferen Anprallkriterien nur mit<br />
Mühe erfüllen. Gefällig ist das Ganze schon, und für Autofahrer gar nicht auffällig und kaum bemerkbar;<br />
für ein anderes Überführungsbauwerk der neuen B 5, von dem der Autofahrer erst<br />
Recht keine Notiz nimmt, machten <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> die Ausführungsplanung.<br />
Ähnlich eng ging es nördlich von Flensburg zu, wo topografische Hinterlassenschaften der<br />
Eiszeit Planung und Bauarbeiten erschwerten. Der ständig wachsende Verkehr nach und von<br />
Dänemark, nicht nur der gewerbliche, sondern auch der private (Porno-Shops drüben/Spirituosen-<br />
und Weinläden hüben), erforderten eine großzügige Lösung, die als Bundesstraße 200<br />
ab 1964 dann auch gebaut wurde. Die kreuzenden Verkehrswege wurden, je nach Höhenlage<br />
des umgebenden Geländes, mit Brücken über- oder in Tunneln unterführt, wofür <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong><br />
bis 1967 insgesamt acht Bauwerksentwürfe fertigten. Für die Überführung des Marienhölzungsweges<br />
war zum Beispiel ein Dreifeldsystem im Gespräch, dieses wurde ein Rahmen mit<br />
schrägen Stielen und „angehängten“ Endfeldern. Um die Idee der Felder zu betonen, die an das<br />
Haupttragwerk des Schrägstielrahmens „angehängt“ werden sollten, wurde vorgeschlagen,<br />
deren Überbaubreite etwas zu verringern. Diese rein konstruktive Gestaltung der Ingenieure<br />
wurde jedoch abgelehnt. Die Architekten aber konnten später dann, als „Brückenbauer“, machen,<br />
was immer sie wollten. Die verkehrlichen Kapazitäten der neuen B 200 stießen wegen<br />
des kleinen und großen Grenzverkehrs mit Dauerstau durch die Zollkontrollen an ihre Grenzen.<br />
Für den Fernverkehr bedurfte es daher dringend der benachbarten A 7. Wer heute auf der<br />
alten B 76 durch Flensburg gen Norden fährt, auf der B 200 oder auf der A 7 nach Dänemark,<br />
der wird sich dieses jahrzehntelange Chaos kaum noch vorstellen können. Grenze? Das war<br />
einmal!<br />
Die Vogelfluglinie und ihre Vorkriegsplanung wurden bereits erwähnt. Nach fast einem Jahrhundert<br />
stagnierenden Verkehrsausbaus im östlichen Wagrien, war die Deutsche Bundesbahn<br />
damals die treibende Kraft, einen Wandel zum Besseren zu schaffen. Die Bahnlinien von Eutin<br />
und Lübeck endeten in Neustadt – in einem Kopfbahnhof! Später ging es von dort mit einer<br />
Kleinbahn weiter, die über ein Trajekt auch Fehmarn erreichte. Die Unhaltbarkeit dieser Situation<br />
wurde schon im „Dritten Reich“ erkannt, weshalb in dieser Zeit – wie für Rügen – eine Querung<br />
des Fehmarnsundes geplant wurde, was aber wegen des Krieges nicht weiter verfolgt werden<br />
konnte. Für Fernzüge, die sich später durch das Hügelland in Richtung Fehmarn oder Dänemark<br />
schlängelten, war am Kai Großenbrode Endstation. So war es inzwischen dringend geboten,<br />
nicht nur den Fehmarnsund mit einer Brücke zu queren, sondern auch für den Fehmarnbelt eine<br />
leistungsstarke Fährverbindung zu schaffen. Dieses Ziel wurde 1963 erreicht und allseits gefeiert.<br />
Derzeit ist geplant, diese Fährverbindung durch eine feste Tunnelquerung zu ersetzen. Während<br />
sich also der Straßenverkehr streckenweise noch immer über die alte B 207 quälte, war die Bahn<br />
fein raus. Ein Knackpunkt indes waren Neustadt mit Altstadt und Hafen, der im Süden an der<br />
Neustädter Bucht liegt. Deshalb blieb nur der Weg im Norden, um das sogenannte Binnenwasser<br />
herum, eine verlandete Meeresbucht, an der als ursprüngliche Hafenstadt Altenkrempe liegt.<br />
Mit fortschreitender Verlandung wurde dieser Hafen seinerzeit aufgegeben und näher zu Mündung<br />
des Binnenwassers in die Ostsee mit einer neuen Stadt (Neustadt) verlegt.<br />
<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong> 1
Schöne Gegend! Doch ein verlandender See riet zu Vorsicht. Das Wasser stand dort praktisch<br />
in Höhe der Oberkante des Geländes, in etwa zwei Meter Tiefe dann, unter Schwemmsanden,<br />
kamen erst tragfähige Schichten. Die Bahn hatte seinerzeit ebenfalls diesen Weg um das Binnenwasser<br />
gewählt und war nun zu unterführen. Was die Bahn seinerzeit im Baugrund gemacht hat,<br />
war nicht mehr feststellbar, jedenfalls durften weder ihre Trasse noch das Biotop des Gewässers<br />
für einen Bodenaustausch durch Baggerarbeiten gestört werden. Zur Gründung der Eisenbahnunterführung<br />
und die Querung des eigentlichen, noch offenen Binnenwassers wurden rechteckige<br />
Senkkästen vor Ort betoniert und als Brunnengründung abgesenkt. Auf dieser bereits vierspurig<br />
gebauten Umgehungsstraße, später zur E4/A1 befördert, waren mit den Anschlussbauwerken<br />
acht Über- und Unterführungen zu bearbeiten.<br />
Die Stadt und Europastadt Schwarzenbek, südlich der Schwarzen Beke im Kreis Herzogtum<br />
Lauenburg gelegen, war wegen ihrer zentralen Lage im Süden des Kreises schon immer<br />
eine Kreuzung von Post- und Handelswegen. Ihre landschaftliche Idylle änderte sich<br />
gravierend, als, just über Schwarzenbek statt über Lauenburg, die Trasse der Eisenbahnstrecke<br />
von Hamburg nach Berlin geführt wurde. Die Bahnstrecke nahm die schmale Niederung<br />
ein, und die Beke wurde einfach verrohrt. So gab es nun Übergänge über die Bahn statt<br />
über die Beke. In dem Maße, in dem der Güter-, Fern- und Nahverkehr auf der Bahn zunahmen,<br />
verminderten sich die Öffnungszeiten der Schranken und lähmten das öffentliche Leben<br />
über Gebühr. Eine Lösung ließ, wegen des Schicksals der B 404, lange auf sich warten.<br />
Schließlich wurde 1983 für die B 404 und für die B 207 eine mehrfeldrige Spannbetonbrücke<br />
über die Bahn gebaut. Bei dieser Gelegenheit konnte auch die Schwarze Beke, zumindest<br />
teilweise, wieder freigelegt werden. Anschließend (1992) wurde für Fußgänger und Radfahrer<br />
mit einem Tunnel unter der Bahn hindurch eine kurze Verbindung von Süd nach Nord<br />
geschaffen.<br />
In die Frühphase des <strong>Ingenieurbüro</strong>s <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> fiel auch der Bau der Umgehungsstraße<br />
Itzehoe, der Verlegung der B 5 also, die, nach der Querung der Stör, über die Delftorbrücke durch<br />
die Neustadt führte, dann über die Störschleife ihren Weg auch noch durch die Altstadt nahm<br />
und praktisch die ganze Stadt mit ihrem wachsenden Verkehr erheblich belastet hatte. Auch für<br />
diese Straße gab es Planungen aus der Vorkriegszeit, und zwar mit zwei Varianten: Die eine sah<br />
die Überquerung der Stör oberhalb von Itzehoe vor, hier für Flusskähne schiffbar, die andere<br />
unterhalb der Stadt, dort dann aber mit Küstenmotorschiffen befahrbar. Die erste Lösung schied<br />
aus, da die Umgehungsstraße die Entwicklung der Wohngebiete stark eingeengt hätte, die im<br />
Westen liegende zweite Variante verlief hingegen weitgehend in der Störmarsch. Als Sofortmaßnahme<br />
wurde aber erst mal die Trasse der B 5 auf ihrem letzten Kilometer vor der Stadt, das heißt,<br />
bis zur Delftorbrücke geändert.<br />
Vermutlich ist schon Karl der Große hier vorbeigekommen, als er an der Eider mit den Dänen<br />
Grenzfragen klären wollte. Hier wurden die Ochsen, von den Weiden hoch im Norden kommend,<br />
nach Süden weitergetrieben, hier legten in der Neuzeit die Dänen eine Chaussee an, die<br />
dann später zur Reichs- und Bundesstraße wurde. Von Süden her wurde gemäß den damaligen<br />
Chaussierungs-Usancen in einer geraden, unfallträchtigen Gefällestrecke der Geländesprung<br />
vom Geestrücken in das Tal überwunden und lief, nach der Änderung teilweise auf einem Damm,<br />
in einem großen Bogen auf die Brücke vor dem Delftor zu. Hier bestand schon lange eine feste<br />
Querung der Stör, deren letzte Ausführung nun nicht mehr den Anforderungen genügte und<br />
ersetzt werden sollte. Doch davon später.<br />
1 <strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong>
Die dann ausgeführte Umgehungsstraße verläuft in einem weiten Bogen westlich<br />
um Itzehoe herum. Sie band an den alten Trassen auf den rund 25 Meter hohen<br />
Geestrücken an, die das Ufer des Urstromtals bilden, das dort mehr als 15<br />
Meter tief mit Klei zugeschwemmt ist. Die Bebauung der Stadt mit ihren Verkehrswegen liegt<br />
weitgehend auf den Geesthängen und macht dort die meisten der acht Kunstbauten erforderlich,<br />
unter ihnen eine vierfeldrige Spannbetonbrücke als Sonderentwurf des <strong>Ingenieurbüro</strong>s<br />
<strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong>. Zwischen den Geesträndern schwingt sich, nach einem kurzen Dammbereich, die<br />
neue Störbrücke mit rund 1,2 Kilometern Länge über die Niederung der Stör. Dieses Bauwerk ist<br />
ein Kapitel für sich.<br />
Paddeltour<br />
Eine Bootspartie von Kiel nach Süd-Ost ist viel verlockender als eine Autofahrt entlang der B 76,<br />
zumal dann, wenn die Schwentine dafür benutzt wird. Sie kommt, im Gegensatz zur Eider, die<br />
von Kiel nach Westen fließt, aus der <strong>Holstein</strong>ischen Schweiz, durchfließt zahlreiche Seen, trieb<br />
etliche Mühlen an und mündet in die Kieler Förde. Sie war einst der Grenzfluss zu Wagrien, dem<br />
Rückzugsgebiet der Slaven, die zwar keine Heiden waren, aber Helden auch nicht, denn sie<br />
wehrten sich zwar vehement gegen das System der Kirche, mussten dann aber letzten Endes<br />
doch das Bistum im entvölkerten Oldenburg hinnehmen.<br />
Stimmung an der Mündung<br />
<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong> 1
Die Mündung der<br />
Damit die Damen Ruhe haben<br />
Schwentine liegt in jenem<br />
tiefen Einschnitt, der einst<br />
einen Werft-Marine-Hafen<br />
aufnahm und wo Anleger<br />
für Frachtkähne lagen und<br />
der letzte Mühlenstau noch<br />
besteht.. Über ihn verlief<br />
die Landstraße einstmals<br />
von Kiel in die Probstei,<br />
kroch am nördlichen Ufer<br />
mühsam den Hang hinauf.<br />
Heute verbindet hoch<br />
oben eine Brücke beide<br />
Ufer; der alte Stau indes,<br />
mit Damm und Schleuse,<br />
Schützen, Bootsschleppe,<br />
Brücke, Brückchen, Weiher<br />
und mit einer alten Mühle,<br />
der alte Stau ist heute, nach<br />
Restaurierung und Wiederbelebung, ein malerisches und touristisch attraktives Ensemble. Ein<br />
Besuch ist lohnenswert.<br />
Nach rund sechs Kilometern flussaufwärts nähern wir uns auf unserer fiktiven Paddeltour der<br />
Stadt Raisdorf und damit auch der B 76, die hier zusammen mit der B 202 verläuft. Das lässt<br />
nichts Gutes ahnen, denn so, wie viele Wanderer und Ausflügler die Umwelt denaturalisieren, so<br />
machen ihre automobilen Vehikel ab einer gewissen Verkehrsdichte nicht nur die Straßen als<br />
solche kaputt, sondern auch die Straße als städtischen Raum, besonders dann, wenn sich da<br />
auch noch Einkaufszentren breitmachen dürfen. So ging es auch in Raisdorf zu, und man entschloss<br />
sich deshalb, die Straße abzusenken und mehrspurig auszubauen. Da wurden Schlitzwände<br />
und Brücken erforderlich, alles sauber entworfen, bis ein Architekt sich mit Filzstift, Papier,<br />
Schere und Kleber einfand, um die Entwürfe in seinem Sinne architektonisch im Rahmen der<br />
statischen Zulässigkeit zu gestalten. Die ihrer Funktion entsprechenden vertikalen Elemente der<br />
Schlitzwände waren nun schräg zu verkleiden, die Fußgängerbrücke wurde zu einem Trogbauwerk,<br />
aber ausgezeichnet mit dem Deutschen Betonpreis.<br />
Wir aber setzen unsere kleine Flussfahrt fort.<br />
Es verfällt in idyllisches Schwärmen, wer nach Rastorf kommt (obwohl <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> hier bisher<br />
nichts hinterlassen hatten). Doch der dänische klassizistische Star-Architekt Christian Frederik<br />
Hansen (1756-1845) hat hier ein herrliches Herrenhaus für einen Verwandtschaftszweig derer<br />
von Rantzau gebaut, jenen Clan deutschen Uradels, der 1226 mit dem Ritter Johann Ranzow in<br />
dieser Gegend urkundlich das erste Mal auftritt.<br />
Ach! Was hilft das papierne theoretische Schwärmen! Man sollte selbst mal die Schwentine<br />
besuchen und befahren, diese alte noch immer so reizvolle Dame und Komtess.<br />
Nach wiederum etwa sechs Kilometern (die Distanz von sechs Kilometern hat die Größenordnung<br />
einer holländischen Meile) kommen wir von Raisdorf nach Preetz. Nun verlässt, wie ein<br />
1 <strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong><br />
Foto: B+J Archiv
Schmetterling nach seiner Verpuppung, die Schwentine die jetzt hinter ihr liegende<br />
Seenkette und wird zu dem Fluss, den wir bisher befahren haben. Hier ist auch<br />
für die Landstraße nach Plön die letzte Gelegenheit, mit einfachen Mitteln auf die<br />
andere Seite zu gelangen. Deshalb entstand an dieser Stelle vor fast 900 <strong>Jahre</strong>n eine Siedlung,<br />
deren Gedeihen von einem Kloster gefördert wurde, dessen prosperierende Wirkung dem Einfluss<br />
der Heideklöster wohl nicht ganz unähnlich war. Diese Klöster haben sich nach der Reformation<br />
und ihrer Umwandlung in Stifte eine Ausstrahlung auch noch als geschichtliche Torsi<br />
bewahrt, der eine Umgehungsstraße für die B 76 Rechnung trägt. Mit einer neunfeldrigen Brücke<br />
von fast 300 Metern Länge wird dabei die Niederung der Schwentine großzügig überbrückt.<br />
Unsere Komtess verlieren wir ab jetzt aber aus den Augen, denn durch fünf Seen fahren wir nun<br />
nur noch indirekt auf ihrem Wasser weiter nach Plön.<br />
In Plön treffen die B 76 und die B 430 zusammen, also die Bundesstraße von Kiel und die von<br />
Neumünster, und sie geben uns eine Ahnung davon, was für ein Verkehr sich früher auf dieser<br />
Landbrücke zwischen den Seen durch Plön hindurchzwängen musste.. Dieses Problem ist übrigens<br />
hausgemacht, denn bis zur Chaussierung führte die Landstraße nach Kiel östlich am Ort vorbei.<br />
Hatte die Kieler Chaussee schon den Trammer See und den Kleinen Plöner See durch einen<br />
Damm fast vollständig getrennt, so blieb in unserer Zeit für eine Umgehungsstraße auch nur der<br />
Weg nördlich der Altstadt über das Wasser. Und selbst da, wo es durch Gärten und Hinterhöfe ging,<br />
waren es nur verlandete Teiche, die überwunden werden mussten. Und so kam es, dass diese Umgehungsstraße<br />
praktisch aus mehreren Brückenzügen besteht, von denen nur die Region über<br />
den Stadtsee als Brücke erkennbar ist. Schwierige Verhältnisse waren das damals, denn im Wasser<br />
Tiefgründungen auszuführen und sie neben den Pfeilern der Abstützung eines schweren, freitragenden<br />
Vorschubgerüstes dienlich zu machen, das forderte durchaus den ganzen Ingenieur!<br />
Durch Seen und Tümpel … aus der Luft<br />
<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong> 1<br />
Foto: B+J Archiv
Durch Seen und Tümpel … vom Wasser aus<br />
Doch weiter geht unsere Bootsfahrt durch sechs Seen in Richtung Eutin.<br />
Auf dem Landweg sind es zwei Amsterdamer Meilen bis Eutin. War Plön einstmals noch Grafenburg<br />
mit Siedlung, so steht hier nun zwischen zwei Seen auf einem flachen Hügel die fürstbischöfliche<br />
Hofhaltung mit allem Drum und Dran; alles eng bebaut, in einem sternenförmig<br />
zulaufenden Straßennetz. Die Verkehrsmisere der Neuzeit war vorprogrammiert. Die Eisenbahn<br />
hatte sich auf den Rand des Siedlungshügels gedrängt, für eine entlastende Straße war kein Platz<br />
mehr, es sei denn, die Bahn hätte etwas Terrain ihrer ausgedehnten Bahnanlagen abgetreten. So<br />
führt nun die Umgehungsstraße in einem Viertelkreis mit rund zwei Kilometern Radius südlich<br />
um die Stadt herum, ortsfern aber naturnah. Ab hier lässt sich unsere fließende Freundin von<br />
vorhin wieder des Öfteren blicken, nun aber als junges Mädchen, als Infantin sozusagen, die vom<br />
Bungsberg herunterläuft.<br />
Barock klingt an<br />
1 <strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong><br />
Foto: B+J Archiv Foto: B+J Archiv
Stahlbau – Worldwide Engineering<br />
Wie gesagt: Hajo <strong>Böger</strong> war ein Stahlbauer aus Leidenschaft, er hatte ein erstaunliches Gefühl für<br />
Blechstärken und Schweißnähte, ein Gefühl, das dem eingefleischten Massivbauer abgeht.<br />
Nach zwei, drei kleineren Projekten, gab er mit dem Neubau der Delftorbrücke als Stahlstabbogen<br />
in Itzehoe seinen beeindruckenden Einstand als selbstständiger Ingenieur. Diese noch im<br />
Tide-Einfluss liegende Flussquerung ist, wie erwähnt, historisch, an ihr endete lange Zeit die<br />
Marschenbahn von Hamburg (auf ihrem Areal entstand später ein Zementwerk). Die zu ersetzende<br />
Brücke wies eine inzwischen viel zu geringe lichte Weite auf und hatte eine Besonderheit:<br />
Zwischen ihren Widerlagern war ein Stemmtor, das sich bei ablaufendem Wasser schloss und so<br />
die Störschleife gespült und entschlickt hat und damit schiffbar hielt. Die Störschleife war ursprünglich<br />
wohl auch der Stadtgraben, später aber doch nur rückwärtige Erschließung der<br />
Grundstücke mit kleinem Gewerbe, was wiederum eine Drehbrücke für den Gleisanschluss erforderlich<br />
machte; das Ganze war eine industriehistorische Idylle. Weil sich nach dem Krieg aber<br />
die Kleinindustrie in Itzehoe nicht wieder erholte, unterblieben das Spülen und das Entschlicken<br />
Neue Brücke für uralte Wege Foto: B+J Archiv<br />
und die Störschleife verkam. So konnte mit der neuen Delftorbrücke auch ohne den Widerstand<br />
der Bevölkerung die Störschleife für den innerörtlichen Ausbau der Bundesstraße geopfert werden.<br />
Hajo <strong>Böger</strong> war im <strong>Ingenieurbüro</strong> von Dr. Homberg ein versierter und von der Industrie anerkannter<br />
und geschätzter Stahlbaufachmann geworden. So dauerte es nach seinem Weggang<br />
aus Hagen nicht lange, bis die Stahlbauer und Hajo <strong>Böger</strong> vertrauensvoll wieder zueinanderfanden.<br />
Die alten Verbindungen führten schnell zu einigen ersten eigenen Aufträgen: den Brücken<br />
der Rhönautobahn. Nur wer in der unmittelbaren Nachkriegszeit auf der B 27 zwischen Hammelburg<br />
und Fulda schon mal unterwegs gewesen ist, wird den ingeniösen Mut zu würdigen wissen,<br />
den dieser Autobahnbau voraussetze. Eine Trasse ließ sich noch finden; doch wie sollte man<br />
Brücken bauen, wenn im Umkreis von mehreren Kilometern nur Weiler mit ihren Feldwegen zu<br />
finden waren? Da stellten Stahlüberbauten das kleinere logistische Problem dar, weil man sich<br />
für einige wenige Transporte auf der Trasse bewegen konnte. Von diesen Mühen spürt man als<br />
Nutzer der Autobahn heute nur wenig, kann allenfalls in einer Kurve für einen Augenblick die<br />
pure Natur erkennen. <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> wurden mit den Berechnungen der Überbauten mit allen<br />
Bauzuständen beauftragt, für spätere Projekte als Sondervorschlag oder Nebenangebot waren<br />
<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong> 1
Massenverteilungspläne eingeschlossen. Anders als in der Rhön war die Stadtnähe der Brücke in<br />
Bonn zur Verschwenkung der B 9 auf die Reuterstraße (zur späteren A 565) gegensätzlich problematisch,<br />
es bestand zu viel Vekehr.<br />
<strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> haben viele weitere interessante Projekte in Norddeutschland bearbeitet, so für<br />
den Elbeseitenkanal, die Autobahn Walsrode und im Hafen von Hamburg. Hier bot sich für die<br />
Ausführung einer Brücke im Freihafen eine namhafte Hamburger Werft an. Aus diesem Kontakt<br />
entwickelte sich eine Kooperation, als im Iran – noch unter der Regierung des Schahs – mit dem<br />
Bau einer Reparaturwerft begonnen wurde. Mit diesen Aufgaben wurde der bisher praktizierte<br />
Stahlbau neben Uferwänden und Hallen durch Ship-Lifts und -Slabs zu einer Art Großmaschinenbau.<br />
Der Hafen Bandar Abbas wurde von <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> schlüsselfertig geplant. Dies wiederum<br />
weckte das Interesse der Bausparte eines dort tätigen koreanischen Mischkonzerns. So wurde<br />
die Tätigkeit letztlich von Hamburg zum Persischen Golf (genauer: zur Straße von Hormus),<br />
über Singapur bis nach Indonesien weltweit ausgedehnt. Nach dem Sturz des Schahs ebbten<br />
die Tätigkeiten im Iran wieder ab und wurden, nach einem kleinen Intermezzo (Khomeini hatte<br />
den Sinn des Hafens erkannt), schließlich eingestellt.<br />
Für Singapur erarbeiteten <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> einen Angebotsentwurf für die Netzerweiterung der<br />
dortigen U-Bahn, der auf Anraten des Baugrundgutachters, jedoch zum Leid des Anbieters einen<br />
Schildvortrieb vorsah. Die Befürchtungen des Anbieters wurden wahr: Der Auftrag ging an<br />
einen Bieter, der den Profilausbruch mit direkter nachfolgender Spritzbetonsicherung zur sogenannten<br />
NÖB vorsah. Späte Genugtuung: in Construction Today wurde gemeldet, die Firma habe<br />
wegen massiver Beeinträchtigungen der Geländeoberfläche und ungenügender Sicherheit im<br />
Stollen auf Schildvortrieb umstellen müssen.<br />
Zum worldwide Engineering unseres Büros gehören auch die Entwürfe der Brückenbauwerke<br />
für den Neubau der Strecke von Port Harcourt in das Landesinnere Nigerias (statt Kapspur Normalspur<br />
und Neutrassierung), und zwar im Rahmen eines Entwicklungsplanes, der ab 1977 ver-<br />
Durch die Rhön nach Süden<br />
20 <strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong><br />
Foto: B+J Archiv
wirklicht werden sollte. Daraus wurde<br />
nichts, da Unruhen im Land derartig<br />
gewaltigen Leistungen verhinderten.<br />
Fischzüge im<br />
Submissionsanzeiger<br />
Foto: B+J Archiv<br />
In den Anfangsjahren des Büros war<br />
es schon fast ein Hobby, den Submissionsanzeiger<br />
zu lesen und Behördenentwürfe<br />
zu finden, für die, den<br />
Maritimes in den Tropen<br />
veröffentlichten Massen nach zu urteilen,<br />
mit Erfolg ein Nebenangebot<br />
oder ein Sondervorschlag erarbeitet werden könnten. Die Bauunternehmer, mit denen<br />
<strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> bis dahin bereits des öfteren gut zusammengearbeitet hatten und denen der Anzeiger<br />
auch vorlag, waren hinsichtlich ihres Interesses schnell abgefragt. Positivenfalls musste<br />
alles wie am kurzen Schnürchen klappen, denn innerhalb der Angebotsfrist waren eine Vorberechnung,<br />
die Angebotszeichnung, eine Baubeschreibung und letztlich auch die Massenermittlung<br />
zu erstellen – und dies alles so rechtzeitig, dass die Baufirma nach dem Hauptangebot auch<br />
noch das Nebenangebot kalkulieren konnte.<br />
So ein Bieterentwurf setzt sehr viel Erfahrung voraus, garantiert das <strong>Ingenieurbüro</strong> doch damit<br />
die Bauteilabmessungen, die Baustoffgüten und bei Massivbrücken die erforderliche schlaffe und<br />
Spannbewehrung, letztendlich auch noch die veränderten Lager. Bei der abschließenden Abstimmung<br />
konnte es angesichts erheblicher Preisunterschiede zwischen Haupt- und Nebenangebot<br />
schon mal vorkommen, dass der Bieter seinen Mut verlor und dass er vorsichtshalber die Massen<br />
erhöhte, oder auch, dass ein couragierter Unternehmer die Angebotssumme erhöhte, weil „wir<br />
auch nichts zu verschenken haben“. In einigen Fällen rächten sich solche Änderungen, wenn das<br />
Angebot noch hinter dem billigsten Hauptangebot landete. Immer aber gab es noch die vage<br />
Hoffnung auf die Angebotsprüfung, in der nicht nur dummdreiste „Rechenfehler“ gefunden wurden,<br />
sondern auch geprüft wurde, ob ein Angebot angemessen und auskömmlich sei. Der Bauherr<br />
war und ist rechtlich nicht verpflichtet, das billigste Angebot zu beauftragen; er war auch (noch)<br />
nicht so sachfremd, dass er bei einem Nebenangebot den Bieter nur für seine veränderten Teilleistungen<br />
in die Pflicht nahm und nicht, wie heute, für die gesamte Bauleistung.<br />
So erarbeitete Hajo <strong>Böger</strong> damals erfolgreich viele Sondervorschläge, auch für Brückenbauvorhaben,<br />
die auf den ersten Blick nicht für den Stahlbau geeignet erschienen, aber, wie im Fall<br />
der Lachswehrbrücke in Lübeck, Bauzeitverkürzung und geringere Verkehrsbeeinflussungen<br />
versprachen. „Zum Glück“ nahm Lübeck den <strong>Böger</strong>‘schen Vorschlag nicht an, die Brücke wurde<br />
also in Spannbeton gebaut und eingeweiht, dann aber wegen Verformungen zurückgestuft,<br />
gesperrt und schließlich abgerissen. So verdankt die Bauwelt der Ablehnung von Hajo <strong>Böger</strong>s<br />
Sondervorschlag den ersten extremen Fall einer Brücke mit Alkalireaktion, der das ganze Baugewerbe<br />
aufrüttelte.<br />
<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong> 21
Modelle für die Wirklichkeit<br />
Vor der grafischen Ermittlung der Stützlinie eines Gewölbes wurde das unbekannte Tragverhalten<br />
durch die Form einer Kette modellhaft erfasst. So war es mit plattenförmigen Tragwerken,<br />
deren Berechnung lange fast unmöglich war, man konnte nur mit Versuchen an kleinen Nachbildungen<br />
die Schnittkräfte ermitteln.<br />
Im Rahmen einer Ausführungsplanung für ein schiefes, zweifeldriges Bauwerk ergab sich bald<br />
nach der Gründung des Büros die Möglichkeit, ja, die Notwendigkeit, die Schnittkräfte mit einem<br />
solchen Modellversuch zu ermitteln. Auf diesem Gebiet lagen, nicht nur aus der Tätigkeit im Büro<br />
Dr. Homberg, reiche Erfahrungen vor. Mit solchen Modellversuchen war es nicht nur möglich,<br />
die Momente einer Platte aus Flächen- und Einzellasten zu bestimmen, sondern es konnten<br />
auch Einflusslinien aufgenommen werden. Die Ingenieure konnten damit eine oft gar nicht vorhandene<br />
Linienlagerung im Modell durch Punktlager ersetzen und ihre Auflagerkräfte bestimmen,<br />
auch der Lastfall Stützensenkung war simulierbar. Bis zu dieser Leistungsfähigkeit der Modellstatik<br />
war es aber ein langer Weg. Anfangs, im Hagener Büro, hatte Fritz Leonhardt noch an<br />
der Durchsenkung einfacher Stabwerke die von Homberg errechneten Querverteilungszahlen<br />
zu überprüfen, doch wegen der großen Verformungen des Modells wurden nur annähernd vergleichbare<br />
Ergebnisse erzielt. Aus dem gleichen Grund waren die Versuche mit Krümmungsmessungen<br />
an Plattenmodellen aus Kunststoff streng genommen nicht exakt, hinzu kamen<br />
Kriecherscheinungen des Werkstoffs. Um die Verformungen des Modells geringer als die Materialstärke<br />
zu halten, wurde kreuzweise gewalztes Aluminium in bis zu drei Millimeter Stärke eingesetzt.<br />
Für die Messungen wurden Taster mit einem Tausendstel Millimeter Genauigkeit mit Basen<br />
von drei, fünf und sieben Zentimeter eingesetzt, um auch die Singularitäten erfassen zu können.<br />
Das Objekt ruhte in den Auflagerlinien in einem stabilen Stahlrahmen auf Schienen, an dem ursprünglich<br />
auch die Belastungsvorrichtung befestigt war. Für den Neustart der Hagener Ingenieure<br />
in Ulzburg wurde die Belastungsapparatur vom Rahmen getrennt, um alle vermeidbaren<br />
Erschütterungen auszuschalten, lag doch die Empfindlichkeit des Tasters bereits im Bereich der<br />
Oberflächenrauigkeit der Aluminiumplatte und die Messung selber in der Nähe derer Ebenflächigkeit.<br />
Beim Zuschnitt wurden dem Material auch Prüfstreifen in Längs- und Querrichtung<br />
entnommen. Während der weiteren Bearbeitung des Models (Auftragen der Mess und Belastungspunkte)<br />
wurden die als Einfeldbalken gelagerten Prüfstreifen in den 1/3-Punkten belastet<br />
und die Krümmung in Streifenmitte gemessen, um so den Bezug des gemessenen Biegemoments<br />
zur Krümmung herzustellen. Der Vollständigkeit halber wurde über die Krümmung in<br />
Querrichtung auch die Querdehnung bestimmt. Durch den Modellversuch waren letztlich für<br />
die verschiedenen Lastfälle in den ausgewählten Punkten die Hauptmomente (respektive die<br />
max. Krümmung) und ihre Richtung zu ermitteln. Nach den bekannten Bedingungen kann aus<br />
den Spannungen, Krümmungen oder Momenten der Maximalwert in drei Richtungen errechnet<br />
werden; mit einem etwas größerem Aufwand wurde aber hier die Krümmung in vier Richtungen<br />
gemessen und mit den jeweils um 90 Grad versetzten Werten bereits beim Messvorgang<br />
eine Kontrolle in sich geschaffen.<br />
Auf dieses anschauliche, plausible und nachvollziehbare Verfahren wurde hier etwas ausführlicher<br />
eingegangen, weil die Leistungsfähigkeit der bald verfügbaren Rechner die Möglichkeit<br />
boten, Platten mit finiten Elementen nachzubilden, theoretisch können jedoch endlich kleine<br />
22 <strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong>
Elemente nicht eine homogene Platte ersetzen, ihr bestenfalls sich bis auf eine<br />
vertretbare Genauigkeit annähern.<br />
Im Nachhinein ist es für die Ingenieure sehr befriedigend, dass bei einer kürzlich<br />
erfolgten Nachrechnung einer Brücke mit Modellstatik die Modellergebnisse (trotz?) neuer<br />
Richtlinien vollständig bestätigt wurden.<br />
Es bleibt noch zu erwähnen, dass einige (nach heutigem Sprachgebrauch) Freaks damals in<br />
eigener Regie einen weiteren Modellversuch durchführten, um den Einflusses variabler Auflagerabmessungen<br />
zu untersuchen. Das Ergebnis kann man in Straße und Tiefbau nachlesen.<br />
Rechner groß und klein<br />
Die eigentlich tumben Großrechner lösten mit ihren bis dahin unvorstellbaren Rechenleistungen<br />
in vielen Ingenieuren eine Euphorie der Erleichterung aus, fühlten sie sich doch jetzt endlich von<br />
der Statistenrolle des Statikers als des Rechenknechtes befreit. Nun könnten sie sich, so glaubten<br />
sie, ganz und gar der reinen Ingenieurkunst widmen, könnten jetzt endlich nur noch planen,<br />
entwerfen und konstruieren, weil den rein rechnerischen Rest ja der Computer liefern würde.<br />
Entsprechende Versprechungen machten deshalb auch viele der damals aufkommenden Rechenbüros<br />
in ihren unzähligen Inseraten. Wie herb aber war die Enttäuschung eines hier bekannten<br />
Ingenieurs, der für seine Anfrage nach einer Berechnung eines vorgespannten Binders<br />
Stützweite, zulässige Bauhöhe und Nutzlast angab, dann aber dem Rechner auch noch den genauen<br />
Betonquerschnitt und die Vorspannung liefern sollte. Ja, wenn das so sei, gestand der Ingenieur<br />
vollkommen desillusioniert, dann könne er den Binder ja auch gleich selber rechnen!<br />
Es war damals beileibe nicht ehrenrührig, sich der Tabellen und Formeln für Durchlaufträger<br />
und Rahmen zu bedienen oder auch mal nach Cross und Kani zu rechnen; es war mehr die Gefahr,<br />
nicht up to date zu sein, wenn man nicht elektronisch rechnen ließ. Diese Rechner wurden<br />
durch die Programme schlau gemacht, waren jedoch niemals klüger als ihre Programmierer, die<br />
die Elektronik des Rechners beherrschten, aber nicht die Bedingungen am Bau. So wurden eines<br />
Tages bei der Ausführungsplanung des unterirdischen Bahnhofs eines U-Bahn-Neubaues für einige<br />
Lastfälle unerklärliche Schnittkraftermittlungen abgeliefert, deren im Programm vermutete<br />
Ursache mit einfachen Lastfällen entdeckt werden konnte. Berücksichtigt man dann noch das<br />
ewige postalische Hin und Her von Eingabeformularen und Ausdrucken, dieses endlosen, farblich<br />
gestreiften breitformatigen Papierwustes, der in keinen Ordner passte, dann kann man erst<br />
ermessen, welch‘ erstaunliche, damals vollkommen unausdenkbare und heute kaum glaubliche<br />
aber reale Entwicklung unsere Computertechnik genommen hat.<br />
Oder aber, auch das ist heute nicht mehr vorstellbar, man wollte nur noch einige Punkte einer<br />
Trasse ausgerechnet haben und musste sich deshalb mit einem Schuhkarton voller Lochkarten<br />
beim Rechenzentrum des Landesamtes melden. Dort wurden die Karten eingelesen und nach<br />
kleinen Ewigkeiten dann die Frage gestellt: „Welche Punkte wollten sie denn haben?“<br />
Diese Zeit war für viele Ingenieure nicht gerade berückend. Ingenieure sind, und Bauingenieure<br />
ganz besonders, ein durchweg zwar nettes, aber auch stark individuell geprägtes Häufchen<br />
von Menschen, die bei der Lösung von Problemen nicht gern von externen Institutionen abhängig<br />
sein wollen; sie wollen ein Problem lieber selber lösen. Ihnen schmeckten die starren Loch-<br />
<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong> 2
streifen-Programme der großen NCR-Bürorechner deshalb überhaupt nicht. Diese Antipathie<br />
legte sich erst, nein: für viele war es eine Erlösung, als die ersten programmierbaren Taschenrechner<br />
auf dem Markt erschienen. Denen konnte man im Rahmen einer umfangreichen, gleichartigen<br />
Berechnung das ständige Drücken einer Tastenfolge überlassen. Nach einiger Übung<br />
konnten diese kleinen Tausendsassas aber noch viel mehr, nur leider waren ihre Speichermedien<br />
für Programme und Daten mehr als dürftig; und: deren Verfallsdatum richtete sich nach der<br />
Häufigkeit ihrer Benutzung.<br />
Bei <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> folgte auf den NCR ein Rechner von Wang, der in der letzten Ausbaustufe<br />
eines der ersten, relativ zuverlässigen 8-Zoll-Diskettenlaufwerke mit 80 kB erhielt. Andere <strong>Ingenieurbüro</strong>s<br />
und viele Technische Büros der Baufirmen setzten zu dieser Zeit indes schon auf Tischrechner,<br />
wie den legendären Programma von Olivetti, der in den 1960er-<strong>Jahre</strong>n zum Stückpreis<br />
von 16.000 Mark verkauft wurde. Erstaunlich war auch, was in den <strong>Ingenieurbüro</strong>s damals alles<br />
an Programmen entwickelt und fast wie selbstverständlich kollegialiter (manchmal auch mit<br />
etwas Stolz) untereinander ausgetauscht wurde. Doch das war erst der Anfang. Denn nun folgte<br />
der vergleichsweise preiswerte erste Personal Electronic Transactor (PET) als DOS- und Basicrechner,<br />
dem jedoch auch andere Programmiersprachen aufgepfropft werden konnten. Er ebnete<br />
dem Personal Computer die Wege, der die unzähligen Varianten der bisherigen Rechner mit ihren<br />
mannigfachen Sprachversionen verdammt alt aussehen ließen. Die Stärke des PC war sein<br />
DOS, das auf seinen Speichermedien von der Festplatte bis zur Diskette ein zuverlässiges Handling<br />
von Daten und Programmen erlaubte. Bei <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> wurde für den ersten PC extra ein<br />
Rechnerraum eingerichtet, in dem auch ein Drucker stand. In dieser EDV-Kemenate wurden alle<br />
Programme zentral verwahrt, verwaltet und organisiert. Wegen der unvermeidbaren statischen<br />
Aufladungen erhielt der Raum sogar einen Teppichboden mit Kupferdrähten. Doch, wie das so<br />
ist bei Ingenieuren, es dauerte nicht lange und es hatten alle Statiker einen eigenen PC. Statt des<br />
2 <strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong><br />
Die Rivalen: Texas < > HP mit Meßuhr<br />
der Modellversuche
isherigen Gedränges in der stickigen Rechnerbude gab es nun jedoch ein neues<br />
Problem: alle Rechner mussten ständig auf ein und demselben Stand gehalten<br />
werden, und es musste gleichzeitig der quasi jederzeitige und direkte Zugriff aller<br />
dazu Berechtigten auf alle notwendigen Programme ermöglicht werden. Also wurde alles mit<br />
allem sorgsam vernetzt – und zwar mit allen allgemein und überall sattsam bekannten nun auch<br />
im Büro bei <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> auftretenden Problemen.<br />
Die Rechner boten aber auch die willkommene Möglichkeit, die konstruktive Arbeit vom<br />
Reißbrett auf den Bildschirm zu verlagern. Es dauerte zwar eine ganze Zeit, bis die Ergebnisse<br />
des Digitalisierungstabletts nicht mehr wie Strichzeichnungen aus dem Kindergarten aussahen,<br />
sondern zu aussagekräftigen, lebendigen Darstellungen mutierten, den früheren Zeichnungen<br />
von Hand durchaus vergleichbar, als dann aber auch nicht mehr nur noch gepaust werden<br />
musste, sondern kopiert werden konnte und dabei sogar Farben ins Spiel kamen, vereinfachte<br />
sich die Zeichenarbeit gleich mehrfach. Eine Differenzierung in Schwarz durch Linienstärken<br />
und Schraffuren war jetzt kein Hindernis mehr für noch kompaktere Zeichnungen. Und die dabei<br />
anfallenden immer größeren Datenmengen waren bei der rasanten Entwicklung der Speichermedien<br />
zum Glück auch kein Problem mehr.<br />
Zwischenzeitlich führten diese Technologien bei einigen Auftraggebern zu der Meinung, mit<br />
einem Knopfdruck könne alles erledigt werden. Lange Planungszeiten, von der Idee über die<br />
politische Willensbildung bis zur Bereitstellung der Mittel und die Ausarbeitung der baulichen<br />
Entwürfe sind aber ganz normal. Die Meinung, durch die neuen Technologien könne der Planungszeitrum<br />
verkürzt werden, hat sich aber zum Glück nicht durchgesetzt.<br />
Wachstum und Wandel<br />
Die wachsende Zahl der Mitarbeiter machte in den 60er-<strong>Jahre</strong>n – zum einen – den Umzug in ein<br />
neues, größeres Bürogebäude erforderlich, in dem, um einen Kern von Magazin-, Archiv- und<br />
Sanitärräumen herum, die Büros an zwei Fluren angeordnet waren. Sie gingen von einem Entrée<br />
aus und endeten in einem großen zentralen Besprechungsraum.<br />
Zum anderen war es – wir schreiben jetzt das Jahr 1969 – an der Zeit, dass den Beratenden<br />
Ingenieuren Hajo <strong>Böger</strong> und Hermann <strong>Jäckle</strong> mit ihren reichen Erfahrungen und ihrer fachlichen<br />
Reputation die Prüflizenz erteilt wurde. Ein Außenstehender kann sich nur schwer vorstellen,<br />
welchen organisatorischen Aufwand – neben der konstruktiven Ingenieurleistung – die statische<br />
Prüfung der eingereichten Bauunterlagen damals erforderten. Rückblickend war die Prüfpflicht<br />
auch für Einfamilienhäuser gerechtfertigt, wenn man die unzähligen Fehlermöglichkeiten<br />
bei den ständig neuen Bauweisen bedenkt, die offensichtlich vor Ort nicht beherrscht und nur<br />
bei den Abnahmen erkannt wurden. Dass selbst engagierte Bauträger und die Hypothekenbanken<br />
nur wegen der Prüfgebühren auf die Sicherheit ihrer Objekte verzichteten, bleibt bis<br />
heute unverständlich.<br />
Zum weiteren war auch – 1985 – eine BGB-Gesellschaft mit unbeschränkter Haftung angesichts<br />
des Umfangs der Tätigkeiten des damals immer weiter wachsenden Büros nicht mehr<br />
vertretbar, auch war diese Gesellschaftsform für eine Nachfolgeregelung ungeeignet. Die Eigentümer<br />
wandelten ihr Büro folgerichtig in eine richtige GmbH & Co. KG um. Kritik blieb dabei nicht<br />
<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong> 2
aus, wie immer in solchen Fällen: Die einen, die Auftraggeber,<br />
reklamierten einen vermeintlichen Verlust an Haftung,<br />
die anderen, die Belegschaft, sah im Falle einer Insolvenz<br />
der GmbH & Co. KG eine geringere Deckung ihrer Ansprüche.<br />
Da die Umstellung aber rechtzeitig und ohne erkennbaren<br />
weiteren Anlass geschah, glätteten sich die Wogen<br />
bald. Wer nun aber „Co.“ werden sollte oder konnte, das war<br />
eine weitaus schwierigere Frage. Aus der Stammbelegschaft<br />
war nämlich kein Nachfolger generierbar, da hier die<br />
verdienten Mitarbeiter nicht viel jünger waren als die Firmeninhaber<br />
selbst und eine Nachfolgeregelung aus ihrem<br />
Kreis das Problem nur um einige wenige <strong>Jahre</strong> verschoben<br />
hätte. Es sollten deshalb jüngere Ingenieure sein, die das<br />
Büro für die Zukunft fit machen sollen, wie etwa Dipl.-Ing.<br />
Domröse<br />
Klaus Domröse und später auch Dipl.-Ing. Harald- Peter<br />
Hartmann. Und wie der Zufall so spielt: Auch diese beiden<br />
waren, wie zuvor schon Hajo <strong>Böger</strong> und Herman <strong>Jäckle</strong>,<br />
ziemlich gegensätzlich strukturierte Charaktere: der eine<br />
ein Denker, der andere ein Macher. Und wieder erwies sich<br />
eine diametrale personale Konstellation als Glücksfall für<br />
das ganze Büro.<br />
<strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> waren auf diese Weise und in diesen <strong>Jahre</strong>n<br />
– 1990/1992 – für die nächsten <strong>Jahre</strong> – wie sagt man<br />
heute so schön? – gut aufgestellt. Es ist makaber, aber diese<br />
von Hajo <strong>Böger</strong> so gründlich bedachte und vehement betriebene<br />
Neu-Organisation erwies sich nach seinem viel zu<br />
frühen, plötzlichen Tod (1994) als denkbar vorteilhaft für<br />
den gesunden Fortbestand des ganzen Unternehmens.<br />
Hartmann<br />
In den fünfzig <strong>Jahre</strong>n des bisherigen Bestehens des Büros<br />
erfolgte aber noch ein ganz anderer Wandel: Waren früher<br />
eine gediegene Ausbildung, fachliches Wissen und eine gehörige Portion gesunden Menschenverstandes<br />
für die Tätigkeit eines Ingenieurs im Büro und auf der Baustelle ausreichend, so<br />
wurden allmählich, zuletzt aber immer deutlicher, weitergehende Spezial-Qualifizierungen erforderlich:<br />
Um eine Betonrezeptur zu ermitteln, um Frischbeton zu prüfen und zu beurteilen und<br />
um seine Verarbeitung vor Ort zu überwachen, war nun ein Betoningenieur erforderlich; wurde<br />
irgendwo irgendetwas geschweißt, war ein Schweißfachingenieur notwendig; dem Zimmermann,<br />
der Bolzen- und Nagelverbindungen der verschiedensten Arten herstellte, stand allerdings<br />
kein Fachingenieur zur Seite, obwohl auch das manchmal gut gewesen wäre, weil die<br />
Handwerker mit solchen Aufgaben gelegentlich fachlich überfordert waren; dem Maurer geht<br />
es ähnlich, wenn er Steingüten und Mörtelgruppen richtig verarbeiten will, seine angestammte<br />
Stein-auf-Stein-Fertigkeit ist ohnehin nicht mehr gefragt, denn in absehbarer Zeit werden nur<br />
noch Blöcke verklebt; und statt des überraschenden Kontrollbesuchs der Berufsgenossenschaft,<br />
stets gefürchtet, hat nun ein Sicherheitsingenieur vorab und ständig mögliche Gefährdungen<br />
auf der Baustelle zu ahnen und auszuschließen. Neuerdings, was allerdings auch schon wieder<br />
2 <strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong>
mehr als zehn <strong>Jahre</strong> dauert, kann sich ein <strong>Ingenieurbüro</strong> auch noch einem Qualitätsmanagement<br />
unterziehen, braucht dafür Qualitätsingenieure, die jedoch mit<br />
der Qualität der früheren Ingenieure nichts gemein haben. Leider hat sich auch<br />
das Bauwesen inzwischen zu einer „Zettelwirtschaft“ entwickelt. Zertifikate zählen heutzutage<br />
mehr als die im Laufe der Zeit erworbenen professionellen und fachlichen Erfahrungen der Mitarbeiter.<br />
Vielleicht kommt ja der Leser auf den Gedanken, Zertifikate für Erfahrung einzufordern!<br />
Die Störbrücke<br />
Bisher wurden hier nur größere Zeiträume behandelt, deshalb sollten wir jetzt auf die bereits<br />
erwähnte Störbrücke zurückkommen. Die hat – seit 1965 – <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> fünfzig <strong>Jahre</strong> lang beschäftigt<br />
und gelegentlich auch in Atem gehalten.<br />
Es ist schon erstaunlich, dass eine Landesbaubehörde für ein rund 2,4 Kilometer weites Tal im<br />
ersten Entwurf eine Dreifeldstrombrücke von circa 400 Metern vorgesehen hatte, der Rest war<br />
ein Damm, der mit seiner Höhe die Niederung versperrte. Dem örtlichen Straßenbauamt ist es<br />
zu verdanken, dass stattdessen eine großzügigere Lösung geplant wurde, obwohl auch die noch<br />
einem Dinosaurier von rund 1,2 Kilometer Länge glich, mit wuchtigen Trennpfeilern zwischen<br />
der Strombrücke des ersten Entwurfs und den neu hinzugekommenen seitlichen Rampenbrücken;<br />
es hatte den Anschein, als ob der damals schon anderenorts praktizierte Großbrückenbau<br />
hier ganz bewusst geleugnet werden sollte. So war die Fachwelt auf das Ergebnis der Ausschreibung<br />
gespannt, bei der das Angebot für den Behördenentwurf eine reine Formsache war.<br />
<strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> wurden zur sachlichen fachlichen Auswertung der Nebenangebote hinzugezogen.<br />
Ergebnis: alles wurde in Spannbeton angeboten und die Teilung der Gründungen wurde<br />
beibehalten, aber die Trennpfeiler tauchten nicht wieder auf, es waren Plattenbalken, die für die<br />
Strombrücke modifiziert wurden. Ein interessanter Vorschlag halbierte die Anzahl der Gründungen,<br />
der Tische auf V-Stützen stellte, zwischen denen Einfeldträger eingehängt wurden. Die<br />
Vielzahl der kleinen Fahrbahnübergänge schreckte den Bauherrn aber zu Recht ab. Es wurde<br />
deshalb ein zweistegiger Plattenbalken beauftragt, der sich über den Strompfeilern zu einem<br />
Eine Brücke statt Damm<br />
<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong> 2<br />
Foto: W & F Archiv
Hohlkasten entwickelte. Ein unglücklicher, wohl aus dem Stahlbrückenbau entliehener Wunsch<br />
des Bauherrn war es, auf einer Verbreiterung am Stegfuß später ein stationäres Brückenbesichtigungsgerät<br />
fahren lassen zu können, obwohl bereits bauwerksunabhängige Geräte entwickelt<br />
worden waren. Die Wirkung eines weiteren Bauherrenwunsches, ein Architekt möge doch mal<br />
einen Blick auf den Entwurf werfen, erwies sich als durchaus positiv, denn mit sicherem ästhetischem<br />
Gespür verpasste der den Pfeilern in Querrichtung einen Anzug, der in etwa die Neigung<br />
der Stege spiegelte. Ein Vorschlag des Bieters, für einen Aufpreis den Überbau auf echte<br />
vier Fahrspuren zu verbreitern, wurde abgelehnt. Die Fixierung der Auftragssumme als Vertragsbasis<br />
und die Formulierung des Auftragsschreibens mündeten in die Bauüberwachung für<br />
<strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong>. Es war, zumindest für <strong>Schleswig</strong>-<strong>Holstein</strong>, bis dahin einmalig, einen derartig umfangreichen<br />
und langandauernden Überwachungsauftrag an ein unabhängiges externes <strong>Ingenieurbüro</strong><br />
zu vergeben, entsprechend war mit ständiger wohlwollender, aber auch kritischer<br />
Beobachtung seitens der Bauverwaltung zu rechnen.<br />
Bis zum Baubeginn wurde eine Mannschaft von Ingenieuren zusammengestellt und mit ihr<br />
die auszuführenden Bauleistungen mit den zu protokollierenden Fakten und den zu erwartenden<br />
und zu befürchtenden Problemen erörtert. Die sogenannten Bauüberwachungslisten<br />
(BÜL) gab es damals noch nicht und so kam es sogar zu einer Anfrage vom obersten Brückenbauer<br />
in Bonn, ob <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> den fachlichen Extrakt und die beruflichen Erfahrungen ihrer<br />
vielfältigen Überwachungstätigkeiten nicht in einem Leitfaden für die Bauüberwachung zusammenfassen<br />
könnten – das Exposé dafür verschwand dann aber in irgendwelchen Ablagen, bis es<br />
in jüngerer Zeit, anlässlich des Neubaus der Schleibrücke in Kappeln, wieder auftauchte und re-<br />
2 <strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong><br />
Die Balance halten<br />
Foto: W & F Archiv
animiert wurde. Inzwischen hat das Bundesministerium für Verkehr, Bau und<br />
Stadtentwicklung (BMVBS) das dieses Muster für Bauüberwachungstätigkeiten für<br />
seinen Zuständigkeitsbereich verbindlich eingeführt.<br />
Ein nicht vorhersehbares Problem stellte später die örtliche Mischanlage mit dem Tausendliter-Zwangsmischer<br />
dar, dem letzten im Baustelleneinsatz, einer der noch nicht vom Transportbeton<br />
verdrängt worden war. Er stand mit den Boxen der Zuschlagstoffe als zentrale Mischanlage<br />
mit einer Betonplatte auf dem Marschboden. Wegen des unvermeidlichen Absackens der<br />
Anlage in das Grundwasser bereitete die stark wechselnde Eigenfeuchte der Zuschlagstoffe<br />
ziemliche Probleme bei der Dosierung des Wassers, die letztlich durch Fixierung der Stromaufnahme<br />
des Rührwerkes am Ende des Mischvorganges gelöst werden konnte. So konnte bei der<br />
Wasserzugabe recht gut die nicht genau bekannte Eigenfeuchte berücksichtigt werden. Zur Prüfung<br />
des Wasser-/Zementfaktors wurde von der Bauüberwachung ein Verfahren entwickelt, das<br />
nach der Bestimmung des Porengehalts mit dem reduzierten, porenfreien Frischbetonvolumen<br />
und der Trockenrohdichte den rechnerischen Wassergehalt ergab. Dieses Vorgehen wurde später<br />
in der Fachzeitschrift Tiefbau, Ingenieurbau, Straßenbau (Ausgabe 6/1984) veröffentlicht.<br />
Die zahlreichen fachlich interessierten Besuchergruppen, die die Baustelle besichtigten, waren<br />
ein Problem der bauausführenden Firma, die mit ihrer Bauleistung Werbung betrieb. Die<br />
Bauüberwachung erbrachte<br />
keine sichtbaren Leistungen,<br />
Strombrücke trifft Rampe<br />
konnte die Betreuung also<br />
getrost den Bauleitern überlassen.<br />
Ernst wurde es jedoch,<br />
als sich der Bundesbauminister<br />
ansagte, letztlich der Auftraggeber<br />
der Bauüberwachung.<br />
Das Straßenbauamt<br />
schüttet eine Rampe an, damit<br />
die Wagenkolonne auf<br />
die Brücke fahren könnte,<br />
baute dort Schautafeln auf,<br />
entwarf Verkehrsregelungen.<br />
Die Wagenkolonne kam in<br />
Sichtweite, die Nervosität<br />
stieg, die schwarze Limousine<br />
mit dem Stander reagierte<br />
nicht auf Handzeichen, sondern<br />
bog auf die Baustraße<br />
ab, hielt vor dem Treppenturm,<br />
ein kleiner Herr stieg<br />
aus, der ohne Gefolge trotz<br />
gewisser Leibesfülle die zahlreichen<br />
Stufen zügig schaffte,<br />
oben traf er aufs Bauvolk, das<br />
eigentlich nur Zaungast sein<br />
Foto: W & F Archiv<br />
<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong> 2
wollte. Der Minister war vom Fach, stellte Fragen, bestaunte das Werk. Bis die Offiziellen und sein<br />
Gefolge sich von dem Schock erholt hatten, genoss er spitzbübisch lächelnd die Situation mit<br />
schöner Aussicht.<br />
Die Brücke wurde fertiggestellt, und die Untersuchungen hinsichtlich möglicher Alkalireaktionen<br />
ergaben lediglich ein latentes Gefährdungspotenzial, fast ein Grund, sich beruhigt zurückzulehnen.<br />
Doch an der Brücke wurde weiter gewerkelt, nicht immer zu ihrem Vorteil. Der Typ der<br />
Fahrbahnübergänge wurde gewechselt, das Aluminiumgeländer gegen ein Stahlgeländer ausgetauscht,<br />
die massive Leiteinrichtung auf den Kappen abgebaut und durch Betonleitplanken<br />
ersetzt, schließlich auch die ganze Kappe. Der Gussasphaltbelag zeigte immer mehr Blasen, Einbrüche<br />
und Risse; und aus den Schadstellen kamen kalkige Wasserfahnen, die zu den schlimmsten<br />
Befürchtungen Anlass gaben. Ein Belagfenster bestätigte: Chloridschäden. Die Mastix-Abdichtung<br />
war offensichtlich unterläufig, die Glasvlieslage, zur Dampfdruckentspannung voraussichtlich<br />
verklebt und unwirksam, wurde in „Chloridverteilungsschicht“ umbenannt.<br />
An dieser Stelle muss daran erinnert werden, dass die damals auf Lehren abgezogene Bauwerksoberfläche<br />
nur bedingt klebefähig und mit den heute erzielbaren Flächen nicht vergleichbar<br />
war. Den Dichtungsaufbau aus Versiegelung und Dichtungsbahnen gab es damals noch<br />
nicht! So wurde stets eine Mastix-Abdichtung vorgesehen, eine geklebte Abdichtung blieb Sonderfällen<br />
vorbehalten.<br />
Es wurde noch weitergeflickt, bis eine komplette Belagserneuerung anlaufen konnte. Unter<br />
dem Belag taten sich bereichsweise wortwörtlich<br />
Abgründe auf. Zum Glück gab es inzwischen<br />
Wasser-Hochruckfräsen, die, nach entsprechender<br />
Justierung an Probeflächen, den kariösen<br />
Beton erschütterungsfrei und unter weitgehender<br />
Schonung der gesunden Bereiche<br />
entfernten. Auf den ersten Blick waren es eindeutig<br />
Chloridschäden. Wenn aber die Tausalze<br />
gleichsam dissoziieren und die Chloride die hinlänglich<br />
bekannte Wirkung zeigen, ist stark zu<br />
vermuten, dass die Natriumionen ihrerseits die<br />
latente Alkalireaktion aktivieren. Nur aus dieser<br />
Konjunktion ließ sich das Ausmaß der Betonschäden<br />
erklären. Reine Chloridschäden hätten<br />
die Bewehrung noch stärker reduziert.<br />
Ein großes Problem stellten auch die freigelegten<br />
D&W-Einstab-Spannglieder der Fahrbahn-Quervorspannung<br />
dar, die schon während<br />
der Bauzeit mit der offiziell genehmigten Diskrepanz<br />
von Hüllrohr- zu Stabdurchmesser beim<br />
Verpressen Schwierigkeiten verursachten. Der<br />
Verpressmörtel benetzte zwar das Spannglied,<br />
setzte sich jedoch so stark ab, dass im Scheitel<br />
nur ein sehr dünner Zementfilm verblieb, der<br />
chemischen Angriffen nicht lange widerstehen<br />
Mutter und Tochter<br />
0 <strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong>
konnte. Zum Glück gaben Gutachter der TU Hannover ihr eingeschränktes Okay<br />
zu den Stäben mit Narbenfraß, sodass, mit ergänzenden statischen Nachweisen<br />
für die Fahrbahnplatte, die Instandsetzung dann doch noch erfolgreich abgeschlossen<br />
werden konnte.<br />
Nach dieser Maßnahme lag es nahe, in einem nächsten Gang die Mängel am Tragwerk zu<br />
beseitigen, die bei den turnusmäßigen Brückenprüfungen festgestellt worden waren. Diese Prüfungen,<br />
auch wenn von Dritten durchgeführt, bedeuteten viel Papierkram und waren den Ämtern<br />
deshalb ziemlich lästig, denn letztlich war nur die Verkehrssicherheit interessant. Dabei ist es<br />
so wichtig, wie jeder Ingenieur in solcher Situation weiß, nicht nur die Schäden zu protokollieren,<br />
sondern auch deren Veränderungen, damit der Schadenverlauf chronologisch dokumentiert<br />
werden kann. Nur so ist es möglich, aus dem Zustand des Bauwerkes die richtigen Schlüsse für<br />
angemessene Bewertungen zu ziehen. Die notwendige eindeutige Lokalisierung der Schäden<br />
wurde durch Stationierungen an den Steginnenseiten erreicht. Um gewisse Phänomene sofort<br />
benennen zu können, hat heute jeder Brückenprüfer ein kleines Labor zur Verfügung, das war<br />
bei der Störbrücke aber noch nicht der Fall.<br />
Das weitere Schicksal der Störbrücke war ungewiss und damit auch die Dauer ihrer Nutzung.<br />
Unter diesen Umständen wurde aus den Befunden der Brückenprüfung ein Leistungsrahmen<br />
erstellt, ausgeschrieben und beauftragt. Vor Ort ergab sich die Notwendigkeit, neben<br />
den protokollierten Schäden auch andere erkennbare Mängel zu beheben, ehe diese sich in<br />
einigen <strong>Jahre</strong>n zu Schäden auswachsen würden.<br />
Zur deutlichen Kennzeichnung und klaren<br />
Abgrenzung der Instandsetzungen, quasi als<br />
Markierung des Gewährleistungsbereiches und<br />
auch als erforderliche Maßnahme einer teilinstandgesetzten<br />
Fläche, wäre eine Beschichtung<br />
erforderlich gewesen. Diese hätte in einigen<br />
Fällen auch den Instandsetzungsaufwand vermindert,<br />
war aber nicht ausgeschrieben. So<br />
nahm der Bauherr einen Flickenteppich an der<br />
Brücke in Kauf.<br />
Es ist schon beunruhigend, aus einer unauffälligen<br />
Betonfläche an Bohrkern und Bohrwandung<br />
Gelwarzen herauswachsen zu sehen. Welcher<br />
Druck muss da vorhanden sein, um dieses<br />
Zeug hinauszupressen! Damit gewann die beabsichtigte<br />
Instandsetzung eine neue Dimension,<br />
denn dieser Schaden ist überall nicht nur latent<br />
vorhanden, sondern wirksam, und er wird in<br />
jenen Bereichen durch Netzrisse sichtbar, in die<br />
die Chloridlake hineingelangte.<br />
Der Überbau war nach neuestem Stand der<br />
Technik abgedichtet, die Übergänge wiederholt<br />
repariert worden, nach menschlichem Ermessen<br />
konnte der Überbau nicht mehr von Leckagen<br />
Foto: B + J Archiv<br />
<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong> 1
elastet werden. Die Instandsetzung war eine sinnvolle, zumindest dem Erhalt der Tragfähigkeit<br />
dienende Maßnahme.<br />
Und um Letzteres ging es bereichsweise in der Tat.<br />
Denn vor allem die Endauflager hatten viele <strong>Jahre</strong> lang unter einem offenen Übergang gelegen,<br />
ohne dass das Wasser hätte unschädlich abgeleitet werden können. Die später dort eingesetzten<br />
„dichten“ Fahrbahnübergänge zeigten anhaltende Undichtigkeiten, die letztlich auch auf<br />
eine mangelhafte Unterhaltung zurückzuführen waren. Chloride und Alkalitreiben hatten die<br />
Betonbauteile praktisch auf den tragenden Querschnitt reduziert. Alkalitreiben hat dabei den<br />
Vorteil, dass der Gel-Porendruck eine vorhandene statische Druckbelastung oder Behinderungen<br />
aus Bewehrung nicht überwinden kann. Die Chloride hatten die Endverankerungen zwar korrosiv<br />
geschwächt, doch noch nicht funktionsunfähig gemacht.<br />
Die Strombrücke war mit den Rampenbauwerken durch Gerbergelenke innerhalb des Profils<br />
der Längsträger gekoppelt, wobei die Überbauten der Rampen auf Konsolen der Strombrücke<br />
auflagen. Der Bewegungsspalt war mit einem „wasserdichten“ Fahrbahnübergang abgedeckt.<br />
Diese statisch stark beanspruchten Konsolen mit einer Vorspannung aus Einzelstäben<br />
waren durch die Leckagen der Übergänge sehr hoch mit Tausalzen belastet. Entsprechend<br />
waren Beton und Bewehrung so weit angegriffen, dass nach der Reprofilierung ein kathodischer<br />
Korrosionsschutz eingebaut wurde. Dabei wird zwischen Bewehrung und einem in<br />
Spritzbeton eingebetteten Gitter eine Spannung angelegt, die im günstigsten Fall die Wanderung<br />
der Schadstoffe umkehrt oder stoppt, zumindest aber eine Dehydrierung des Betons<br />
bewirkt, die alle schädlichen Reaktionen unterbindet. Die elektrischen Spannungen lassen<br />
sich in Abhängigkeit von den fließenden Strömen zentral einstellen und überwachen. Eine<br />
Nachrechnung der Konsolen nach neuesten Vorschriften machte auch wegen „vergessener“<br />
Aufhängebewehrung eine externe Vorspannung erforderlich, um die schrägen Hauptzugspannungen<br />
abzudecken.<br />
In den Protokollen wurde besonders dem Befund nicht verpresster Spannglieder nachgegangen.<br />
Die Prüfung erfolgte damals mit Drähten, die vom Brückenprüfer in die Entlüftungsröhrchen<br />
der Spanngliedkoppelanker eingeführt werden konnten. Aus anderer Veranlassung standen<br />
nun bei der Instandsetzung flexible und starre Endoskope mit Beleuchtung zur Verfügung,<br />
die ein völlig anderes Bild ergaben. Alle Einzeldrähte der Spannglieder waren beim seinerzeitigen<br />
Verpressen mit Schlämpe vollständig umhüllt worden, ehe sich der Mörtel absetzte, sie<br />
hinterließ Spanndrähte und Verankerungen zwar in einwandfreiem Zustand, verursachte aber<br />
Hohlräume in den Koppelkästen. Damit wiesen die Spannglieder der Rampen einen wirksamen<br />
Verbund fast auf Feldweite auf, was Hohlraummessungen und Verpressversuche auch ergaben.<br />
Nicht so positiv waren die Prüfungen an den Längsspanngliedern der Strombrücke, wo die zahlreichen<br />
Koppelungen und die bereits oben erwähnten geometrischen Probleme ein Verpressen<br />
seinerzeit sehr erschwert hatten.<br />
Die Brücke ist auf diese Weise für rund fünfzehn weitere <strong>Jahre</strong> ertüchtigt worden, denn inzwischen<br />
hatten <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> für einen Ersatz mit zwei getrennten Überbauten einen Vorentwurf<br />
ausgearbeitet und nachfolgend auch noch die Prüfung der Ausführungsunterlagen beauftragt<br />
bekommen, konsequenterweise später dann auch die Planung des Rückbaus der alten Brücke.<br />
Zum fünfzigjährigen Firmenjubiläum wird die alte Brücke als ebenfalls knapp Fünfzigjährige<br />
voraussichtlich dem endgültigen vierspurigen Ausbau der damaligen Umgehungsstraße weichen.<br />
Doch das ist schon der zeitlichen Abfolge vorgegriffen.<br />
2 <strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong>
Kontolle und Vertrauen<br />
Bauherr und Unternehmer schließen bekanntlich einen Bauvertrag als Sonderform des Werkvertrages.<br />
Zur Wahrung der Interessen des Bauherrn wird mit einem <strong>Ingenieurbüro</strong> für die Bauüberwachung<br />
ein Dienstvertrag vereinbart. Damals war das nur die Bauüberwachung, nicht mehr<br />
– aber auch nicht weniger. Die Bauleitung mit dem Bauleiter stellte der Unternehmer, eine Bauaufsicht<br />
mit baupolizeilichen Befugnissen oblag überwiegend dem Bauherrn.<br />
Scherzhaft wurden die Leute der Bauüberwachung „Fugenkieker“ genannt, dies ist, genau<br />
genommen, nicht abwertend, denn vier Augen sehen ja bekanntlich mehr als die zwei Augen<br />
des Unternehmers, der ohnehin versucht ist, eines dieser beiden Augen gelegentlich auch noch<br />
zuzudrücken. Ist dem „Fugenkieker“ das Gesehene unverständlich, muss er fragen und sich erklären<br />
lassen; wenn die Antworten das Gesehene erschöpfend nicht erklären, wäre in gravierenden<br />
Fällen ein schriftlicher Vorbehalt fällig. Anordnungen gab dem Unternehmer nur der Bauherr in<br />
Abstimmung mit der Bauüberwachung.<br />
Aus der rein sachlichen Kontrolle der Bauleistung entwickelte sich bei längerer Bauzeit eine<br />
fachbezogene vertrauensvolle Zusammenarbeit. Zwischen Bauverwaltung und Unternehmer<br />
war die so praktizierte Bauüberwachung auch Vermittlerin von Argumenten, vor allem dann,<br />
wenn es etwa um Nachtragsforderungen ging.<br />
Als Bauüberwachung hatten <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> über die <strong>Jahre</strong> zahlreiche Bauwerke begleitet, dabei<br />
wurden verschiedentlich die Aufgaben im Sinne einer Oberbauleitung für Straßenbau und<br />
Kunstbauwerke erweitert, wie etwa bei der dreizehn Kilometer langen A 14 mit zwanzig, oder<br />
der A 9 mit neunzehn Bauwerken.<br />
Die Bauwerksabnahme ist gleichzeitig die erste der Brückenhauptprüfungen, die turnusmäßig<br />
wiederholt werden müssen, wenn zwischendurch nicht Prüfungen aus besonderem Anlass<br />
erforderlich werden. Diese Folgeprüfungen sind gelegentlich seltsam. In zurückliegenden Prüfungen<br />
wurde da schon mal „Ohne Befund“ bescheinigt, obwohl die nunmehr festgestellten<br />
gravierenden Schäden unmöglich innerhalb eines Prüfintervalls hätten entstanden sein können.<br />
Zu Überwachung und Prüfung kommen noch zahllose Kontrollen aus Aufträgen für die statische<br />
und konstruktive Prüfung eines Bauwerkes oder eines Bauteiles.<br />
Der Weg nach Norden<br />
Trotz aller Ausbaumaßnahmen an den Bundesstraßen, war der Bau einer Autobahn nach Norden<br />
letztlich unumgänglich, sie war – nach dem Bau der Autobahn von Hamburg nach Lübeck – erst<br />
die zweite in <strong>Schleswig</strong>-<strong>Holstein</strong>. An eben dieser Autobahn Richtung Norden konnte man in<br />
Hamburg/Horn noch die Kopfbahnhofmentalität der Reichsbahner für die erste Planung erkennen,<br />
die aber weitergehende Konzepte bereits einschloss. Es gab damals gute Gründe, diesen<br />
Planungen für eine Autobahn von Hamburg nach Kiel nicht zu folgen, sondern hierfür eine Trasse<br />
zu untersuchen, die etwa dem Verlauf der B 404 entsprochen hätte. Diese Überlegungen<br />
waren verkehrspolitisch aber unerwünscht, besonders der Senat von Hamburg lehnte sie ab, auf<br />
<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong>
Skizze vom Pylon<br />
für das Tor zur Welt<br />
dessen Betreiben schon die südliche Verbindung zur A 1 nach Hannover weiter an die Stadt<br />
heran verlegt werden musste. So griff man die Planung von 1929/1935 auf, die 1937 zu konkreten<br />
Entwürfen für eine Hochbrücke als „Tor zur Welt“ geführt hatte, unter anderem auch von<br />
Paul Bonatz, die dem Geist der damaligen Zeit (Todt und Speer) entsprachen, favorisiert wurde<br />
ein noch zeitgeistnäherer von W. Härter, dem Architekten der Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg<br />
(MAN). Das hinderte jedoch nicht, diese sinn- und maßvollen Varianten zu verfolgen, wie<br />
etwa Fritz Leonhardt mit seinen ansprechenden Pylonen. Vorsorglich wurde aber hinsichtlich<br />
der Pylongründung ein Dauerbelastungs-Großversuch in Elbufernähe veranlasst. Nein, eine Brücke,<br />
die die Schiffsgröße begrenzen könnte, sollte es nach dem Krieg nun doch nicht sein, lieber<br />
ein Tunnel. Dass den seegehenden Schiffen wenig später am Köhlbrand ein Riegel mit einer<br />
Brücke vorgeschoben wurde, störte dann nicht mehr. So lag der Anfang der Autobahn wunschgemäß<br />
stadtnah auf Hamburger Gebiet und fügte im weiteren Verlauf den zahlreichen Wegen<br />
nach Norden eine weitere Variante hinzu. Eine späte Rechtfertigung der frühen Planer war der<br />
Ausbau der B 404 zur A 21.<br />
Das erste Neubauamt befand sich noch in der Nähe Hamburgs, in Quickborn, bis sich in Neumünster<br />
das Autobahn-Neubauamt konstituiert hatte. Dessen Mannschaft in einem neuen Amt<br />
mit neuen Aufgaben wird allen damals Beteiligten in guter Erinnerung sein und bleiben.<br />
Studiert man die Auftragslisten jener Zeit, kann man sich vorstellen, dass es und wie es bei<br />
<strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> damals mächtig rundging. Heute, nach vielen <strong>Jahre</strong>n, sagen die unzähligen Bauwerksbezeichnungen<br />
aus Abschnitts- und laufenden Nummern nichts mehr aus, mit ihnen verband<br />
sich oft ein Bauwerksentwurf, meist eine statische und konstruktive Prüfung.<br />
<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong>
Foto: B + J Archiv<br />
Der enorme Arbeitsaufwand, beispielsweise für Leistungsbeschreibungen, erzwang<br />
gewisse Rationalisierungen, deren erster Schritt im Anlegen einer Loseblattsammlung<br />
häufig wiederkehrender Leistungstexte in Lang- und Kurzform<br />
bestand, in die dann die Ordnungsziffer, der Mengenansatz und gegebenenfalls noch variable<br />
Textteile eingetragen und dann abgetippt wurden. Die Texte in einem Rechner zu verwalten<br />
und von dort ausdrucken zu lassen, hätte damals noch einen erheblichen Programmaufwand<br />
verursacht. Doch es tat sich was. Die Leistungsverzeichnisse für Ausschreibung und Vergabe<br />
(AVA) als Problem der Textverarbeitung zu lösen, wurde im ganzen Baubereich versucht. Die<br />
Bauverwaltungen erstellten um 1974 Standardleistungskataloge mit gegliederten Texten, die,<br />
über Ziffern ausgesucht, zur Beschreibung einer Leistung zusammengesetzt werden konnten.<br />
Das klang zunächst sehr vielversprechend, doch die Behörde hatte nur an sich gedacht, nicht<br />
aber an eine externe Nutzung auf anderen Rechnern. Also musste auch bei <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> ein<br />
separater Rechner für AVA angeschafft und die Software der Behörde vollständig darauf installiert<br />
werden. Dieser Rechner stand für nichts anderes zur Verfügung – bis das Betriebssystem des<br />
AVA-Rechners überaltert war.<br />
Mit der Planfeststellung wurde das Neubauamt mit zahlreichen Wegüberführungen konfrontiert,<br />
von denen viele gleich oder ähnlich hätten gebaut werden können. Deshalb lag der Entwurf<br />
einer Typenbrücke nahe. Die Art der typisierten Feldwegbrücken der Reichsautobahn<br />
sollten dabei aber als nicht nachahmenswert ignoriert werden, denn einem etwas höheren ästhetischen<br />
Anspruch sollten die neuen Typenbrücken schon genügen, ohne die Bauausführung<br />
zu überfordern. Es kam eine Brücke in Sichtbeton dabei heraus, mit einer leicht V-förmigen Mittelstütze,<br />
die mit dem Zwei-Feldüberbau biegesteif verbunden ist und deren Überbauten sich zu<br />
den hochgesetzten Widerlagern verjüngen. Die Vogelschwinge war geboren! Nordisch markant,<br />
Der Vogel schwingt allerorten<br />
<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong>
Tor nach Kiel, leicht verbaut<br />
stämmig. Aufmerksame Benutzer der A 5 konnten später bei Achern im Schwarzwald eine<br />
Schwester von ihr bestaunen, nur etwas schlanker war sie dort geraten und auch eine Spur eleganter,<br />
eine Badenserin halt!<br />
Keine Regel ohne Ausnahme – kein Typenentwurf ohne Varianten. Wie viele Vogelschwingen<br />
landesweit letztlich gebaut worden sind, ist nicht mehr feststellbar, weil <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> (dummerweise)<br />
kein Folgehonorar vereinbart hatten.<br />
Über der Bearbeitung eines jeden Brückenentwurfes hing wie ein Damoklesschwert auch<br />
damals schon immer die Gefahr der Kostenüberschreitung, die Gefahr also, dass die Kosten sich<br />
höher auswuchsen als die Behörde vorab zwecks Kostenermittlung geschätzt hatte. Wenn ein<br />
Entwurf eine bestimmte pekuniäre Größenordnung erreichte oder überschritt, dann hieß es, das<br />
Verkehrsministerium solle doch bitte den Etat erhöhen. Inzwischen war man mit der Autobahn<br />
kurz vor Kiel gelandet, für die Eiderquerung stand eine Kostenerhöhung an. Hier in Neumünster:<br />
flache Geest, da in Bonn: der Rhein mit Blick auf das Siebengebirge. Trotzdem sollte eine reine<br />
Sachentscheidung zur Kostenklärung im Rahmen einer Trassenbegehung möglich sein. Man<br />
näherte sich von Mielkendorf dem kritischen Punkt: „Und hier planen wir eine Brücke über das<br />
Urstromtal der Eider“ – „Ich sehe kein Tal!“ Die Sache war entschieden. Es ist zu befürchten, der<br />
Herr ohne Talblick hatte die Eider weder dort, noch auf dem Weg dorthin gesehen, kein Gespür<br />
für einen Fluss, der von der Ostsee bis in die Nordsee fließt, der Grenze war und letztlich nun<br />
<strong>Schleswig</strong> und <strong>Holstein</strong> eint. Nun versperrt ein Ministerialdamm das Tal, und die Eider quält sich<br />
durch einen größeren Durchlass.<br />
Auf den anschließenden vier Kilometern waren noch acht Bauwerke mit verschiedenen Aktivitäten<br />
von <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> erforderlich. Dort, wo die neue Autobahn sich von den 18 mNN der<br />
Förde und damit Kiel als dem Tor zum Norden zuneigt, war der Bereich für eine Bogenbrücke als<br />
<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong><br />
Foto: B + J Archiv
Torsymbol sinnvoll. Hajo <strong>Böger</strong> hatte bereits in Hagen mehreren Bogenbrücken<br />
bearbeitet und konnte hier einen eigenen Entwurf realisieren. Heute klebt dieses<br />
Bauwerk optisch stark an den folgenden Brücken.<br />
Damals setzte eine Ampel der neuen Autobahn am Stadtrand noch ihr Ende, die primitivste<br />
Form des Kopfbahnhofsyndroms (selbst der Dänenkönig hatte seinerzeit seiner Chaussee nach<br />
Altona am Endpunkt ein Rondell gegönnt). Die Olympiade 1972 stand vor der Tür, mit den großen<br />
Segelwettbewerben in Schilksee. Die Ampel bekam man aber bis dahin nicht weg, doch etwas<br />
weiter, auf dem Westring, hatte Kiel schon etwas geschaffen und den Grund für einen Ausbau<br />
des Straßennetzes gelegt.<br />
Kiel-Legung<br />
Dieses Wortspiel sei erlaubt für das, was, um einen guten Eindruck zu machen, in Kiel für die<br />
Olympischen Spiele 1972 gebaut wurde. Beispielsweise der Tunnel in Wik (cut and cover) mit<br />
heller Verkleidung, Schallschluckdecke, adaptierbarer Beleuchtung, Video-Überwachung, Notstromversorgung,<br />
also nur das Beste vom Feinen. Heute ist das alles demontiert, vergangen und<br />
vergessen, Asche der Vergangenheit.<br />
Im übrigen ist stark anzunehmen, dass den Sportlern mit ihren Trossen die Verkehrsverhältnisse<br />
ziemlich egal waren, sie fuhren zu den Wettkämpfen und wieder zurück; es waren die Reporter<br />
die öffentlich und offen meckerten und moserten, weil sie häufiger da langbrettern mussten,<br />
um abends in Kiel noch mal auf Tour gehen zu können.<br />
Der Trubel ist, ruck, zuck, vorbei, was bleibt sind die Verkehrsbauwerke, für die gab es Geld aus<br />
der Förderung der Verkehrsinfrastrukur – und Kiel legte noch zu!<br />
Der „Kopfbahnhof“ wurde durch Anschlussbauwerke entlastet, die den Verkehr zum Ost-<br />
und West-Ufer ableiteten. Die vier Kilometer der B <strong>50</strong>3 bis zu dem Tunnel in Wik (Westseite)<br />
Schwanensee-Brücke ohne Lohengrin<br />
<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong>
erforderten zahlreiche Überführungen<br />
und tunnelartige Unterführungen.<br />
Nach Gaarden im Osten, mit der<br />
B 76/<strong>50</strong>2, hatte sich ebenfalls mit der<br />
architektonisch gestalteten Brücke<br />
über den Schwanensee-Park bis zur<br />
Schwentine-Brücke etwas getan.<br />
Wirklich beseitigt wurde das Verkehrs-Chaos<br />
aber erst mit der gefälligen<br />
Aufständerung über den Joachimsplatz<br />
in Gaarden. Dort hat sich die<br />
Brücke als städtisches Möbel<br />
Mühe der Planung wirklich gelohnt,<br />
denn im Vorwege wurden die Versorgungsleitungen<br />
neu geordnet und die Verkehrsströme entflochten. Das Bauwerk selbst ist<br />
eine optische Bereicherung des städtebaulich sonst so wenig ansprechenden Quartiers.<br />
Die Hörn, das südliche Ende der Kieler Förde und damit des Kieler Hafens, war das Areal der<br />
Werft und des Güterbahnhofs und eines Straßenwirrwarrs mit geradezu irrwitzigem Durchgangsverkehr.<br />
Darüber führte die Gablenzbrücke hinweg, damals ein Monster aus Stahlbeton<br />
und Stahl, das Nadelöhr des täglichen Pendlerverkehrs zwischen den beiden Ufern der Kieler<br />
Förde; und dies auch noch in einem nicht nur kriegsbedingten, sondern auch von Tausalz und<br />
Desinteresse destruierten desolaten Zustand. Das damals dringend erforderliche Ersatzbauwerk<br />
mit Abbruch und Neubau unter rollendem Verkehr kann als krönender vorläufiger Abschluss der<br />
Verkehrsbauwerke in Kiel angesehen werden, für die <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> planerische Verantwortung<br />
trugen und tragen.<br />
Nachtschwärmer<br />
<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong><br />
Foto: B + J Archiv
Kaiser Wilhelm? Das war einmal<br />
Wenn auch gelegentlich lautstark und mehrstimmig seine Rückkehr gefordert wird, so wäre das<br />
in Hinblick auf den Kanal, der seinen kaiserlichen Namen trug, eine kleine Katastrophe – zu vielfältig<br />
sind die vorgenommenen Verbesserungen. Warum sollte er aber nicht seinen alten Namen<br />
zurückerhalten? KWK klingt doch viel besser als NOK, das klingt so, wie Krankenkassen heißen.<br />
Viele berühmte Filmdiven behalten nach zahlreichen chirurgischen Ertüchtigungen ja auch ihren<br />
Namen für den nächsten Film ...<br />
Vom Travekanal für Binnenschiffe abgesehen, war der KWK der dritte Versuch, eine Verbindung<br />
zwischen Nord- und Ostsee herzustellen. Da war erst die Treene/Schlei-Verbindung der<br />
Wikinger, der zweite der Eiderkanal, der die Kieler Förde mit der Eider bei Rendsburg verband.<br />
Sein Problem war jedoch ein Aufstieg von rund acht Metern bis zur Wasserscheide bei Levensau<br />
und ein etwas geringerer Abstieg zur Tiede-Eider bei Rendsburg. Trotzdem war der Schiffsverkehr<br />
beträchtlich, doch nicht für seegehende Schiffe.<br />
Mit der Warnung der Handelsmarine vor dem berüchtigten und gefürchteten Schiffsfriedhof<br />
rund um Skagen im Rücken inszenierte Kaiser Wilhelm II. dann den dritten Versuch einer Nord-<br />
Ostsee-Verbindung. Sein Plan, der zum Reichsprojekt avancierte: ein neuer Kanal, der mit einer<br />
Länge von 90 Kilometern dänische Gewässer nicht benutzen zu müssen half. Ökologisch entzieht<br />
der Kanal dem Unterlauf der Rest-Eider ein Einzugsgebiet von 1.200 Quadratkilometern,<br />
heute eher ein Problem der Planung. Als Maßkahn galten für das Kanalprofil die ersten Kreuzer<br />
Seiner Majestät, für die Durchfahrtshöhe die Takelage der damaligen Segelschiffe, diese war lange<br />
ausreichend, aber der Kanalquerschnitt nicht. Für den Gegenverkehr waren Weichen erforderlich,<br />
da wäre Klotzen eher als Kleckern angesagt gewesen! Deshalb erfolgte schon nach rund<br />
Kaiserliche Kanalbauer<br />
<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong><br />
Wandgemälde TU Berlin
Pontonbrücke, meist geöffnet<br />
zwanzig <strong>Jahre</strong>n die erste Verbreiterung und Vertiefung, eine enorme Ingenieur- und Arbeitsleistung,<br />
auch für heutige Maßstäbe, mit einem gigantischen logistischen Aufwand, beispielsweise<br />
für die Ziegeleien (die Vormauerklinker kamen aus Holland), mit Arbeitslagern, Feldbahnen und<br />
allem nötigen immensen Drum und Dran.<br />
Das Ganze war aber hinsichtlich des künftig zu erwartenden Verkehrs einige Nummern zu<br />
klein gedacht, unter den sechzehn Kanalquerungen gab es nur zwei feste Brücken, vierzehn von<br />
insgesamt sechzehn Übergängen für den Straßen- und Eisenbahnverkehr waren vom Schiffsverkehr<br />
abhängig, zehn davon als Fähren, drei als Drehbrücken und eine als Schiffbrücke. Um es<br />
etwas mokant zu sagen: die beiden richtigen Brücken gab es nur, weil dort, wo sie stehen, das<br />
Gelände zwanzig Meter über dem Kanalspiegel liegt und sie für die 42 Meter Durchfahrtshöhe<br />
die beste Lösung waren.<br />
In Holtenau genügte dem Verkehr damals noch eine Klappbrücke über die Schleusenkammer<br />
des Eiderkanales. Mit dem Kanalbau wurde im Binnenvorhafen der<br />
Schleusen eine Pontonbrücke installiert, deren Mittelteil zur Schiffs-<br />
Prinz-Heinrich, etwas knapp<br />
passage ausgeschwommen werden konnte. Die sich daraus ergebenden<br />
Wartezeiten für Fuhrwerke und Fußgänger verkürzte allerdings<br />
kein Possenreißer, kein Kieler Willy Millowitsch. Dieses Ungemach<br />
währte bis zur ersten Kanalverbreiterung, dafür wurde die<br />
erste Hochbrücke, die dreifeldrige Prinz-Heinrich-Brücke, an dieser<br />
Stelle geplant. Das Gelände lag auf etwa zehn Meter über Kanalwasser,<br />
das erforderte besonders auf der Holtenauer Seite erhebliche<br />
Dammschüttungen für die Zufahrtsrampen, die offensichtlich<br />
recht unbedarft ausgeführt wurden, da sich eines Tages ein gigantischer<br />
Böschungsbruch ereignete. Die Fahrbahnbreite in der Mittelöffnung<br />
von sieben Meter, an der Pontonbrücke wohl als ausreichend<br />
empfunden, sollte noch eine Straßenbahn aufnehmen, die<br />
zum Glück nie in Betrieb gegangen ist. So erfüllte die Brücke bis in<br />
0 <strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong>
die 70er-<strong>Jahre</strong> ihre Aufgabe alleine, mehr recht indes als schlecht. Für die Segelwettbewerbe<br />
der Olympischen Spiele im <strong>Jahre</strong> 1972 wurde für die Prinz-Heinrich-<br />
Brücke als Verbindung zu dem Austragungsort Schilksee eine Entlastung durch<br />
die Olympiabrücke gebaut, und zwar als stählerne Deckbrücke mit vergrößerter Mittelstützweite.<br />
Die Gradiente lag um das Maß der Bauhöhe über der alten Brücke. Für dieses Bauwerk wurden<br />
von <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> vielfältige Ingenieurleistungen erbracht, auch für den Rückbau der alten Brücke.<br />
Diese genügte inzwischen kaum noch den Anforderungen des Straßen- und Schiffsverkehr<br />
und wich einem Neubau, für dieses Ersatzbauwerk wurden <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> mit der Entwurfsplanung<br />
beauftragt.<br />
Der Kanal folgt einem begradigten Verlauf des Eiderkanals, jedoch auf Meereshöhe, durchschneidet<br />
die Moräne, auf der nach wenigen Kilometern bereits die damalige Scheitelhaltung<br />
auf rund acht mNN bei Levensau lag, dort war seinerzeit wieder eine Schleuse mit Klappbrücke.<br />
Mit dem Kanalbau gab es am Ende des 19. Jahrhundert erste Überlegungen, den Straßenverkehr<br />
an der Böschung entlang auf das neue Niveau zu einer Fähre hinabzuführen und für die Bahn<br />
von Kiel nach Eckernförde eine Drehbrücke bei Neuwittenbek zu bauen. Erst 1892 entschloss<br />
man sich für Bahn und Straße zu der bekannten Levensauer Hochbrücke. Diese lag wesentlich<br />
weiter östlich, wo bei einer Geländehöhe von etwa plus 22 mNN nur rund zwanzig Meter hohe<br />
Rampen erforderlich wurden. Zu diesem Zeitpunkt war die Brücke in Grünenthal bereits fertig.<br />
Aus der Planungszeit für Levensau sind sechs Entwürfe bekannt, beispielsweise eine Hängebrücke<br />
mit zwei Pylonen am Kanalufer, verschiedene Brücken als Eingelenkbogen mit rund 1<strong>50</strong><br />
Metern Stützweite und zwei Entwürfe mit Zweigelenkbögen, beide dem späteren Bauentwurf<br />
sehr ähnlich. Der Ausführung lag der Gedanke zugrunde, die Fahrbahn nur indirekt auf die Bogenträger<br />
abzustützen, und dies erforderte die typische horizontale Verbandsebene über der<br />
Fahrbahn. Dadurch wurde mehr als die doppelte Tonnage an Stahl im Vergleich mit Grünenthal<br />
verbaut. Der Bogen misst im Scheitel 3,2 Meter, an den Kämpfern 5,6 Meter. Das Kämpfergelenk<br />
ist verkleidet und täuscht einen eingespannten Bogen vor. Für Ästheten schneidet der Bogen<br />
das Band der Fahrbahn in unglücklicher Höhe. Trotzdem macht das Bauwerk von 1894 einen<br />
imposanten Eindruck, der Kaiserzeit durchaus gemäß. Doch nach sechzig <strong>Jahre</strong>n wurden die<br />
Portale abgebrochen, später die Brücke nachgerechnet, die Verbandsebene über der Fahrbahn<br />
<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong> 1
Olympia macht alles neu<br />
konnte entfallen, es wurden dann noch alle Stahlteile blau, nur der Bogen rot gestrichen, so<br />
entstand ein klares, fast zeitloses Bauwerk. Die Brücke musste sich auch etwas putzen, da in ihrer<br />
unmittelbaren Nachbarschaft für die ausgebaute B 76 eine dreifeldrige Deckbrücke aus Stahl<br />
gebaut wurde. Deren Stützweite des Mittelfeldes ist praktisch die alte Bogenspannweite.<br />
Bei Rendsburg liegen Eiderkanal und Eider nördlich der Stadt, der neue Kanal wurde südlich<br />
gebaut. Von alters her liefen hier zahlreiche Straßen auf diese Stadt zu, mit Beginn des Industriezeitalters<br />
nun auch noch die Eisenbahn. Genügten in der ersten Ausbaustufe von 1895 noch<br />
ungleicharmige Drehbrücken mit einer Überbaulänge von sechzig und vierzig Metern, die von<br />
Druckwasser und Seilzug bewegt wurden, so wurden 1913 für den Ausbau auf fünfzig Meter<br />
Durchfahrtsbreite schon zweiflügelige Drehbrücken errichtet. Weil das Öffnen und Schließen<br />
jeweils nur eine Minute dauerte, waren diese Zeiten im Vergleich mit der Dauer einer Schiffs-<br />
oder gar Konvoipassage eine zeitliche Belanglosigkeit. Der entstehende Fahrzeugstau aber hatte<br />
sich als Pulk auch nach dreißig Kilometern noch nicht aufgelöst. Da bot es sich auf dem Weg<br />
nach Süden schon mal an, selbst wenn der Verkehr bereits wieder floss, im Konventgarten in aller<br />
Ruhe eine Pause einzulegen. Dieser Zustand wurde erst 1962 mit der Eröffnung des vierspurigen<br />
Kanaltunnels beseitigt, dieser wiederum erhielt in unmittelbarer Nähe eine wesentliche Entlastung<br />
durch die neue Autobahn und deren Kanalbrücke bei Rade. Die Eisenbahn wurde bis zu<br />
der Kanalerweiterung mit zwei getrennten Drehbrücken als Deckbrücken überführt. Ab 1911<br />
liefen die Arbeiten an der zweigleisigen Hochbrücke, die mit ihrer Fertigstellung 1913 den Ersatz<br />
der Drehbrücken ermöglichte. Für die erforderliche Durchfahrtshöhe von 42 Metern bei einer<br />
Steigung von rund einem Prozent waren Rampenbrücken erforderlich, deren Länge durch die<br />
vorhandene Geländehöhe von neun Meter reduziert wurde, trotzdem war es auf der Rendsburger<br />
Seite erforderlich, die Rampe als Schleife auszuführen, um Anschluss an den Bahnhof zu<br />
gewinnen. So entstand ein Bauwerk, das mehr als vier Kilometer länger als die alte direkte Verbindung<br />
war, somit ein optisch allgegenwärtiges Bauwerk wurde, eben die Rendsburger Hochbrücke,<br />
die durch die untergehängte Schwebefähre auch für den Straßenverkehr eine Attraktion<br />
2 <strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong><br />
Foto: B + J Archiv
darstellt. Das jetzt fast einhundert <strong>Jahre</strong> alte Bauwerk entwickelte im Lauf der Zeit<br />
in etwa so viele bautechnische Bedürfnisse wie der Kölner Dom – es gibt immer<br />
was zu rechnen und zu werkeln. Die letzte Maßnahme von <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> waren<br />
Bremsversuche auf der Brücke und deren Auswertung und Bewertung.<br />
Auf unser fiktiven Kanalwanderung kommen wir nun – nach fast siebzig Kilometern – an jene<br />
Stelle, an der vor dreißig <strong>Jahre</strong>n noch eine weitere kombinierte Straßen- und Eisenbahnbrücke<br />
aus der Gründerzeit zu sehen war. Der Kanal schneidet hier eine fast dreißig Meter hohe Geestzunge,<br />
welche die Niederungen von Eider und Stör trennt. Wie ihre östliche Schwester in Levensau<br />
war auch sie ein Zweigelenkbogen, 1892 fertiggestellt war sie aber älter als jene, wirkte aber<br />
mit ihrem sichelförmigen Bogen mit einer Stärke von 4,2 Metern im Bogenscheitel wesentlich<br />
jünger, ein Eindruck, der dadurch verstärkt wurde, dass diese Brücke keinen Windverband mehr<br />
aufweist, dafür aber dezentere Widerlagerbekrönungen und einen optisch günstigeren Schnitt<br />
zwischen Fahrbahnband und Bogen. Die Widerlager wiesen gewölbte Aussparungen auf, wodurch<br />
der Dammfuß auch aus geostatischen Überlegungen zurückversetzt war und das Bauwerk<br />
selber freigestellt wurde. Leider war der Überbau mit einer lichten Weite von 6,5 Metern<br />
zwischen den Bögen so schmal, dass die Straße für eine Zugpassage gesperrt werden musste.<br />
Der Baugrund machte Kanalverbreiterungen im Bauwerksbereich unmöglich. So sprachen viele<br />
Gründe für ein Ersatzbauwerk. Nach fast einhundertjähriger Nutzung wurde die alte Brücke beseitigt.<br />
Sie hat einer dreifeldrigen Fachwerkbrücke Platz gemacht.<br />
Von unserem jetzigen Standort verläuft der Kanal in fast südlicher Richtung nach Hochdonn<br />
mit seiner Eisenbahnbrücke, um dann förmlich in die Marsch einzutauchen. Das ist eine Gegend,<br />
in der die Mönche vor den Überfällen der Slawen Zuflucht fanden, wo der Boden kaum kultiviert<br />
worden ist und nur ein paar Kanäle gezogen worden sind. Dort, wo die Entwässerung des Bodens<br />
erfolgte, liegt seine Oberfläche auf rund minus 2,5 mNN. Hier, kurz vor Brunsbüttel, kreuzte<br />
damals die Marschenbahn mit einer Drehbrücke bei Taterpfahl, die auch der ersten Erweiterung<br />
Die Bahn hatte eine Drehbrücke<br />
<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong>
Levensau in alter Pracht<br />
weichen musste. In diesem Gelände eine zweite Rendsburger Hochbrücke zu bauen war unmöglich,<br />
so machte die Bahn einen 22 Kilometer langen Bogen um diesen Bereich und errichtete<br />
die 2,2 Kilometer lange Hochbrücke in Hochdonn. Sie wurde wegen des Ersten Weltkrieges<br />
erst 1918 nutzbar, richtig fertig aber wurde sie erst 1924. Die alte Linie wurde als Stichbahn nach<br />
Brunsbüttel aufrechterhalten. Im Vorhafen Brunsbüttel finden wir die letzte historische Fähre, die<br />
inzwischen den Verkehr der B 5 in Spitzenzeiten mit zwei Fähren übersetzte. Der Fernverkehr mit<br />
innerörtlichem Verkehr war auf Dauer eine untragbare Situation, auch noch, nachdem eine weitere<br />
Fährverbindung eingerichtet worden war. Deshalb wurde geplant, die B 5 in die Nähe der<br />
alten Bahntrasse zu verlegen. Es schien nicht nur den Ingenieuren von <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> logisch,<br />
nicht auf diesem Gelände zu bauen, sondern in den Boden hinein. Deshalb ruht im Archiv ein<br />
Konvolut von zahlreichen Ordnern, vollgeschrieben mit vielen Gründen für einen Kanaltunnel<br />
der B 5. Irgendwo scheint es aber in der Verkehrsadministration keine ordentliche Abstimmung<br />
Grünthal einst und jetzt<br />
<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong>
gegeben zu haben, denn sonst wäre die Bahn in das<br />
Tunnelprojekt mit einbezogen worden. Man hätte<br />
den Tunnel nämlich nicht vordergründig nur an den<br />
Betriebskosten scheitern lassen müssen, wenn man anerkannt hätte,<br />
dass die Brücke den Straßenverkehr mit einer doppelt so großen<br />
verlorenen Steigung belastet, dass die Bahn einen Umweg von 22<br />
Kilometern vermeiden und dass die Unterhaltung der Hochbrücke<br />
Hochdonn entfallen würde. Die Planung wurde auf eine Hochbrücke<br />
umgestellt, die erfahrungsgemäß bei Sturm für leere LKW zu<br />
sperren wäre. Der Tunnel hätte im Sand des tragfähigen Baugrundes<br />
oder mit Bodenaustausch oder Kiespfählen gegründet werden<br />
können, nun wurden Tiefgründungen erforderlich, deren Großbohrpfähle<br />
wiederholt wegen Klei-Einbrüchen freigelegt und saniert<br />
werden mussten, Ortbetonrammpfähle sahen trotz der Kiesvorrammung<br />
wie Weihnachtsbäume aus, bewährt haben sich einzig<br />
die Stahlpfähle, die zwar unter dem aufgesetzten Bär im Boden<br />
verschwanden, schwer anzurammen waren, aber wechselnden<br />
Verhältnissen gut angepasst werden konnten. Diese Erfahrungen stehen jedoch auf einem ganz<br />
anderen Blatt Papier.<br />
Überraschende Perspektiven<br />
Zuerst war es ein richtiger Schock, dieses allgegenwärtige todtraurige Grau, das bleiern überall<br />
das Leben überzog. Mit den <strong>Jahre</strong>n jedoch wurde der Blick immer vertrauter, etwa von der Transitautobahn<br />
ins Land oder aus der S-Bahn in die Straßen Ost-Berlins hinein. Der Sozialismus hatte,<br />
sogar in ländlichen Regionen, andere Sorgen und Ziele als Farbe und Frohsinn, zum Beispiel<br />
die Beschaffung von Wohnraum mit Plattenbauten. Und dann dieser Straßenzustand, der nur<br />
<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong>
Aufbau Ost in Neustrelitz<br />
bei Geschwindigkeitsbeschränkungen hinnehmbar war! Und dieser kontinuierliche Verfall herrenloser<br />
Bausubstanz, dessen fleißig wühlende und knabbernde Steinlaus à la Loriot den Westbesucher<br />
sehr bedrückte. Am Kontrollpunkt wieder angelangt, beruhigte man sich zwar mit<br />
dem Gedanken, das seien ja deren Probleme, aber plötzlich wurden diese Probleme ein gemeinsames<br />
Problem. Und dann kam die böse Überraschung: Die westdeutschen Amtsschubladen<br />
waren leer! Obwohl die Wiedervereinigung doch ein ständiges Bekenntnis aller und Verpflichtung<br />
für jeden gewesen war! Es gab aber keinen Plan B weder für Industrie und Wirtschaft, noch<br />
für Infrastruktur und nationales Kulturgut!<br />
Nun ging alles seinen geregelten „sozialistischen Gang“: zuerst Abstimmung auf Länderebene,<br />
dann Kontakte der Straßenbauämter, dann konnte endlich für die neuen Bundesländer gearbeitet<br />
werden. <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> halfen in Neustrelitz bei der Umgehungsstraße, auch in Gadebusch<br />
bei der letzten Brücke, ließ gestandene Ingenieure in Ulzburg hospitieren, damit sie sich selbstständig<br />
machen konnten, und man streckte selber die Fühler nach Möglichkeiten für Zweigbüros<br />
aus. Es überraschte, wie viele qualifizierte Ingenieure beiderlei Geschlechts sich zu Taten in<br />
neuem Rahmen motivieren ließen. Es<br />
wurden die Büros in Leipzig und Dessau<br />
ins Leben gerufen, in Chemnitz<br />
ergab sich eine Kooperation. So konnten<br />
neben vielen kleineren Aufgaben<br />
auch die Brückenbaumaßnahmen als<br />
Fortführung der Verkehrsplanung in<br />
Leipzig und der Ausbau der Autobahnen<br />
weitgehend vor Ort bearbeitet<br />
werden. Es sollte hier aber auch<br />
noch an die Anfangsphase erinnert<br />
werden, in der sich die Vertreter der<br />
Behörden gegenüber denen des <strong>Ingenieurbüro</strong>s<br />
in alter Manier sehr reserviert<br />
verhielten, ohne klar und<br />
deutlich als persönliche Meinung wenigstens<br />
einmal „Mist“ oder „prima“ zu<br />
Realisierung alter Pläne<br />
einem Vorschlag gesagt zu haben.<br />
<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong><br />
Foto: B + J Archiv<br />
Foto: B + J Archiv
Inzwischen sind noch ein Büro in Wismar und eine Niederlassung in Berlin hinzugekommen,<br />
und so nennt sich diese Ansammlung von mittlerweile sechs <strong>Ingenieurbüro</strong>s<br />
nunmehr <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> Gruppe.<br />
Trutz Blanke Hans<br />
Dieser Ausruf ist eigentlich nur im Norden Deutschlands beheimatet, wäre aber auch für alle<br />
anderen Hochwassergebiete geeignet. Etwa für einen Sturzbach, der, aus Regen und geschmolzenem<br />
Schnee gespeist, alles erosiv mit sich reißt, was jeder normale Niederschlag liegen lassen<br />
würde, und der mit halben und ganzen Bäumen und Geröll alles zertrümmert und verschüttet,<br />
was ihm in die Wege kommt. Wie damals 2002! Dieses Hochwasser aus dem Erzgebirge war<br />
vorhergesagt worden, doch nur Kachelmann warnte, aber leider ungehört, vor seiner verheerenden<br />
Kraft. Vielleicht hätten die malmenden Kräfte geschwächt werden können, die aus den<br />
offenen Schleusen des Himmels sich ergossen, wenn die Schleusen der Talsperren frühzeitig<br />
geöffnet worden wären.<br />
Mit diesem Ziel sind Ausbau und Unterhaltung von Rückhaltebecken für Wasserläufe sinnvolle<br />
Installationen, und mit ihnen die Überarbeitung und der Neubau von Ablass und Überlauf.<br />
Es werden auch Pegelstationen mit Messwehr rekonstruiert. Noch einen Schritt weiter geht die<br />
Renaturalisierung von Bächen, welche die Abflussspitzen kappt. Letztlich gehören auch die zahllosen<br />
Regenrückhaltebecken der Straßenentwässerung zu dieser Vorsorge.<br />
Weil Sachsen, genauer Leipzig, 1954 von einem ähnlichen Hochwasser betroffen war, wurden<br />
die zu jener Zeit eingeleiteten Maßnahmen ergänzt und mit den Erfahrungen von 2002 ein<br />
Schutzkonzept für alle Nebenflüsse der Elbe in Sachsen und Sachsen-Anhalt erstellt. Auf der Ba-<br />
Dezenter aber wirksamer Schutz<br />
<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong>
Elbefluten realiter<br />
sis der Häufigkeit der Abflussmengen wird die Höhe der Hochwasserschutzlinien ermittelt und<br />
mit dem Istzustand verglichen. Als Ingenieur ist man vorrangig aufgefordert, diese Wassermassen<br />
mit vertretbarem Aufwand zügig abzuleiten, damit dem steten, unaufhaltsamen Anstieg des<br />
Gewässerpegels Grenzen gesetzt werden können, der es bald hier und bald dort in Gebäude<br />
oder Keller sickern und sprudeln und strömen lässt.<br />
Das Hochwasser von 1954 wurde nach rund fünfzig <strong>Jahre</strong>n erstmals wieder 2002 überschritten,<br />
womit die Relation einer Eintrittswahrscheinlichkeit von 1/<strong>50</strong> deutlich wird, HQ<strong>50</strong> genannt.<br />
Viele Deiche trotzen einem Hochwasser mit zehnjähriger Häufigkeit (HQ10). Es wird intensiv an<br />
einer Verbesserung auf durchgehend HQ<strong>50</strong> oder HQ100 gearbeitet, was Auswirkungen entsprechender<br />
Arbeiten anderenorts einschließt. Mit einem Höhenzuschlag bietet ein Deich ausreichende<br />
Sicherheit gegen Hochwässer. Es sollte aber klar sein, dass dieser Schutz auf die Erfahrungen<br />
mit zurückliegenden Ereignissen bezogen wird. Ohne unken zu wollen: in den nächsten<br />
fünfzig <strong>Jahre</strong>n könnten zyklische Klimaschwankungen auftreten, die sogar Änderungen der Vegetation<br />
bewirken werden. Die Sicherheit einer Eintrittswahrscheinlichkeit von HQ100 ist unter<br />
diesen Gesichtspunkten eine nicht mehr hypothetische Frage. So, wie es viele Hochwässer vor<br />
diesen Ereignissen gab, inzwischen auch wieder gegeben hat (2006), sind die Schäden unterschiedlich<br />
groß. Selbst dann, wenn nur dreißig Zentimeter Wasser in der Garage stehen sind das<br />
schmerzhafte Tatsachen für den Eigentümer. Die damals vorhandenen schützenden Flussdeiche<br />
waren in der Mehrzahl überkommene Gebilde mit schlechtem Profil, falschem Aufbau, mangelhafter<br />
Unterhaltung, ihrer Höhe nur sukzessive angepasst. Die daraus folgenden vielfältigen Aufgaben<br />
machten eine Liste der Prioritäten erforderlich, die auch die Finanzkraft der Öffentlichen<br />
Hand nicht überfordern darf.<br />
<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong>
Dessau wurde bei dem Hochwasser von 2002 nur deshalb überflutet, weil Elbe<br />
und Mulde gleichzeitig Hochwasser führten. Gegen solche Gleichzeitigkeiten helfen<br />
Deiche nicht allein, nur zusätzliche Wege für das andrängende Wasser, wie<br />
zum Beispiel die Alte Elbe als Flutgraben in Magdeburg. In dieser Art wären noch viele Flussarme<br />
aktivierbar. Alle Flüsse haben ihre neuralgischen Abschnitte, wie etwa die Elbe vor Lauenburg,<br />
dort liegt eine über eintausend Meter breite Fläche, früher sinngebend Aue genannt, die jetzt<br />
eingedeicht ist und bebaut. 1776 noch zeigt eine Karte dort ein Überschwemmungsgebiet, von<br />
Gräben durchzogen, dessen Ablagerungen aus dem natürlichen Rückstau einer Verengung des<br />
Flussbettes in Lauenburg auf dreihundert Meter Breite resultieren. Lauenburg liegt obendrein<br />
noch am Prallhang der Elbe, häufige Überschwemmungen sind damit unvermeidlich. Ab Geesthacht<br />
gibt es noch eine andere Art Hochwasser verursachende Gleichzeitigkeit: die Überlagerung<br />
des Hochwassers der Elbe mit Ebbe und Flut. So wachsen sich die Deiche elbabwärts von<br />
Flussdeichen zu Seedeichen aus. Für diese gilt seit der großen Flut von 1962 die Höhe einer<br />
neuen Schutzlinie, jener Flut, die in Hamburg „uns Helmut“ bundesweit bekannt gemacht hat.<br />
Diese Flut, verursacht von Winden, die von West auf Nordwest drehten und sturmartig auffrischten,<br />
war hydrografisch kein undenkbarer Fall. Sie war sicher auch früher schon aufgetreten,<br />
ohne große Schäden allerdings, nur fanden zwischenzeitlich an der Unterelbe massive anthropogene<br />
Veränderungen statt. Napoleon zum Beispiel, baute einen Steg, um von Harburg nach<br />
Hamburg zu kommen, da waren kein Wilhelmsburg, kein Hafen mit Kaimauern, da war alles<br />
flaches Land. Und das Bett der Elbe, heute für die größten seegehenden Schiffe vertieft, bietet<br />
jeder Flutwelle freie Bahn. Dies zu ändern ist schier unmöglich, also war den Fakten Rechnung zu<br />
Hier läuft einiges zusammen<br />
<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong><br />
Foto: B + J Archiv
tragen: die Deiche erhöhen. Denn dies hier war kein drängendes Flusswasser, hier ging es gegen<br />
den wahren blanken Hans, der mit sturmzerfetzten, gischtgekrönten Wellen gegen das Land<br />
anrennt. Mit der Deicherhöhung wurden neue Siele und Schöpfwerke nötig, auch die Arbeiten<br />
an den Ein- und Auslaufbauwerken des Kernkraftwerks Brockdorf wären dem guten Dutzend<br />
Deichbaumaßnahmen hinzuzurechnen, die <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> in diesen Zeiten absolvierte.<br />
1962 und 1976 brachten <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> ihre reichen Erfahrungen für die Konzeption neuer<br />
Hochwasserschutzanlagen (Deiche) und für die darin liegenden Bauwerken ein. Kaum ein Ingenieurbauwerk<br />
an der Unterelbe zwischen Hamburg und Neufeld wurde ohne die Mitarbeit von<br />
<strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> errichtet! Zurzeit wirken <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> bei den zwei großen Küstenschutzmaßnahmen<br />
an der Unterelbe mit: in Brunsbüttel und an der Ostsee in Dahme.<br />
Das Hochwasserereignis 2010 in Lauenburg überstanden die von <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> errichteten<br />
Hochwasserschutzbauwerke ohne Schaden; die Stadt Geesthacht freut sich auf den Hochwasserschutz<br />
am Oberen und Unteren Schleusenkanal, der nun endlich realisiert wird.<br />
Eine besondere Aufgabe aber war die Gegend um Glückstadt.<br />
1616 gegründet, ist dieser Stadt, trotz ihres vielsagenden Namens, nie allzu viel Glück beschieden<br />
gewesen. Sie wuchs nach dem dreißigjährigen Krieg zwar zur zweitgrößten Stadt von Dänemark<br />
heran, Hamburg aber den Rang in punkto Handel abzulaufen, war nicht drin – Glück? Als<br />
polygonale Stadt war sie an der Elbe in den Zwickel der Mündung des Rhyns eingepasst, dieser<br />
Zwickel wurde Handels- und Marinehafen, Hafen für Walfänger und Robbenjäger und dann Fischereihafen<br />
– aber übrig blieben davon nur die Matjeswochen – Glück? Glückstadt war Nebenresidenz<br />
mit Schloss, und als Christian starb, hinterließ er eine nur halbfertige Stadt – und eine<br />
Geliebte mit Namen Wiebke Kruse, an die bis heute ein alter Turm erinnert. Die Stadt aber verkümmerte<br />
zum Verwaltungszentrum und war dann auf einmal nur noch Stadt – Glück? Glückstadt<br />
war eine befestigte Grenzgarnison, wofür der Rhyn vom Hafen in den Wallgraben verlegt<br />
werden musste. Die Festung wurde 1814 geschleift, die Stadt aber blieb lange ein Standort des<br />
Militärs, erst für das Heer, den Bund, nun aber für keinen mehr – Glück? Die Marschenbahn hatte<br />
1845 hier ihre Endstation, später fuhr sie weiter bis nach Itzehoe, hinterließ aber nur ein kleines<br />
Betriebswerk – Glück? Und dann war da noch die Papierfabrik, die edles Dokumentenpapier<br />
produzierte, aber auch die hatte auf Dauer – trotz der Fortuna im Wappen der Stadt – keine<br />
Fortüne. Die Stadt war nach holländischem Muster von Fleeten durchzogen, die aber wurden<br />
nicht mehr gebraucht und zugeschüttet. Glückstadt war stauträchtiger Fähranleger für die Verbindung<br />
nach Wischhafen, dieser wurde in Richtung Neuendeich verlegt und später mit dem<br />
A 20-Elbtunnel hinfällig - Pech!<br />
Vor weit über 100 <strong>Jahre</strong>n wurde das Sturmflutproblem erstmals gelöst. Der Hafen wurde in<br />
einen Außen- (tideabhängig) und einen Binnenhafen durch einen Deichkörper getrennt. Dieser<br />
Deichkörper erhielt ein Sperrwerk, um den Hafenbetrieb im Binnenhafen aufrechterhalten zu<br />
können. Für die Vorflutgräben Rhyn und Schwarzwasser wurden kleine Schleusen gebaut. Später<br />
kam noch eine großes Schöpfwerk hinzu. Nachdem inzwischen der Umschlag im Hafen weitestgehend<br />
aufgegeben worden ist, war es fast folgerichtig, für diesen ganzen Komplex unter<br />
Einschluss seiner historischen Bebauung einen Masterplan zu erstellen, der sich an andere Arbeiten<br />
im Ort anschließt. Dort wurde inzwischen reumütig das Hauptfleet wieder freigelegt – endlich<br />
Glück!<br />
Die weiteren Arbeiten der Deicherhöhung zogen sich bis 2009 hin und geografisch bis kurz<br />
vor Brunsbüttel.<br />
0 <strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong>
Der rote Felsen<br />
Irgendwie war Helgoland schon immer mit Nationalgefühlen verbunden. Hier hatte 1841 ein<br />
verbannter Systemkritiker eine Hymne auf sein Vaterland gedichtet, deren dritte Strophe auch<br />
heute noch nicht ganz vergessen ist, gelegentlich sogar gesungen wird. Ursprünglich zu <strong>Schleswig</strong><br />
gehörend war die Insel später dänisch und nach der Dänenzeit bis 1890 britisch geworden.<br />
Seit 1826 präsentierte sie sich stolz als Seebad, was aber den Ausbau zum waffenstrotzenden<br />
Marinestützpunkt nach 1890 nicht verhinderte. Damit war aber 1919 nach der Zerstörung der<br />
militärischen Anlagen fürs erste Schluss, Helgoland lebte aber als Kriegshafen im „Dritten Reich“<br />
wieder auf, um von 1945 bis 1952 als Bombenziel vollständig verwüstet zu werden. Eine finale<br />
gigantische Sprengung der unterirdischen Anlagen sollte, wenn schon nicht die Insel beseitigen,<br />
so doch zumindest ihre erneute missbräuchliche Verwendung für militärische Zwecke verhindern.<br />
Der Rest dieses ehemaligen Buntsandsteingebirges hat diese Attacke im wahrsten<br />
Sinne des Wortes locker überstanden.<br />
Erstmal sollte der Hafen so hergerichtet werden, dass er wieder Schutz bieten und dort auch<br />
wieder angelandet werden kann. Dann musste ein Schrägaufzug zum Oberland für Materialtransporte<br />
her. Der Wiederaufbau ließ bald die Heimkehr von Alt-Insulanern zu. Den Lebensunterhalt<br />
zu verdienen, war aber schwierig, mit Fischfang war nicht allzu viel zu machen, daher<br />
verlegten die Insulaner sich auf den Touristenfang, vorzugsweise auf den von Tagesgästen. Die<br />
einen Insulaner kochten was, die anderen verkauften was, die dritten schafften Leute ran. Das<br />
ging vor allem mit dem Gaudi des halsbrecherischen und manchmal pitschnassen Ausbootens<br />
bestens, das bald bundesweit Furore machte und für willkommene kostenlose Werbung sorgte.<br />
Auch wenn die Schiffe der Ausflügler auf Reede lagen, wurden am Hafen dringend stabile Ufer-<br />
Helgoland<br />
<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong> 1
Helgoland<br />
mauern gebaut; außerdem für die Touristen, die von den Ausflugsdampfern ausgebootet wurden,<br />
im Hafen Bootstreppen und -stege, die bei jeder Tide benutzt werden konnten, und dann<br />
Zollanlagen, denn Helgoland war ja Zoll-Ausland. Die Arbeiten gestalteten sich schwierig und<br />
aufwendig. Überall lag irgendwas im Bach, und was all‘ die Wirren überstanden hatte, war inzwischen<br />
rott.<br />
Das ging so eine Weile ganz gut, bis sich all‘ das überholt hatte und spießig zu wirken begann,<br />
und die Anlagen waren auch schon mächtig in die Tage gekommen. Nun wurde die Düne zum<br />
Badestrand und zur Feriensiedlung umfunktioniert, man wollte ja weg von der Spritinsel und<br />
zurück zum Image eines Seebades. Unter anderem, aber als optisch wirksame Aufgabe, musste<br />
dazu der ganze Seesteg mit seinen Anlegern für die Bedürfnisse und Erwartungen der Gäste des<br />
Seebades nach neuen Gesichtspunkten gestaltet und umgebaut werden, damit der so wichtige<br />
gute erste Eindruck entsteht.<br />
Noch etwas: Es wird viel Geld für den Schutz des Felssockels ausgegeben, in dem Glauben, die<br />
Insel so bewahren zu können wie sie heute ist. Über den Klimawandel wird noch spekuliert, der<br />
geografische Wandel aber ist unabwendbar, egal, ob er die Berge betrifft oder diese Insel im<br />
Meer.<br />
Die graue Stadt<br />
Mit diesem stimmungsgesättigten Bild hat der große, gefühlsbetonte Dichtersohn seiner Heimatstadt<br />
am Meer zwar ein griffiges Etikett verpasst, doch kannte der das graue Grausen des<br />
Verkehrs noch nicht, der durch die – genau genommen – gar nicht so triste graue Stadt braust.<br />
Im Gegensatz zu Meldorf konnte Husum sich durch alle Sturmfluten hindurch einen schiffbaren<br />
Zugang zum Meer bewahren. Inzwischen wurde ein neuer Hafen vor der Stadt gebaut, der alte<br />
Hafen in der Stadt dient jetzt nur noch den Touristendampfern. Auf den Wochenendheimfahrten<br />
von Norden her, auf der B 5, war für das Geschlängel und Gedrängel durch die Stadt die Fischbude<br />
am alten Hafen immer eine feste Größe, eine kleine Entschädigung. Trotzdem verlangte das<br />
2 <strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong><br />
Foto: B + J Archiv
drängende Verkehrsproblem<br />
nach einer probaten Lösung.<br />
Dort, wo früher die Ochsen<br />
in Husum zusammengetrieben<br />
wurden, um sie über die<br />
Ochsenwege nach Süden zu<br />
bringen, dort entstand später<br />
ein regional bedeutender<br />
Viehmarkt mit Viehtransport<br />
per Bahn, und im Norden der<br />
Stadt war noch nach dem 2.<br />
Weltkrieg ein großes Areal<br />
mit Pferchen, Auktionshalle<br />
und Viehverladung. Als das<br />
vorbei war, bot sich der Stadt<br />
die Möglichkeit, einen neuen<br />
Weg zu finden, der den alten<br />
Hafen berührt und anschließend<br />
den Hafenkanal (Husumer<br />
Au) mit einer Klappbrü-<br />
Es klappt auch in Husum<br />
cke quert, ähnlich der parallel verlaufenden Bundesbahn. Diese neue Trasse schließt nahe dem<br />
Bahnhof mit der neuen, großzügigen Bahnunterführung an die alte B 5 an. Mit diesem Aus- und<br />
Neubau wurde auch eine aufwendige Unterführung in das Vorland und ein behindertengerechter<br />
Fußgängertunnel mit Rampe und Aufzug erforderlich. Durch diese Arbeiten wurde die<br />
Bahn mehrfach tangiert, die deshalb gelegentlich dezent auf ihre Rechte als Bauherrenschaft<br />
verwies. Alles war schließlich bestens geraten – nur die Fischbude blieb auf der Strecke, sie wich<br />
einem Restaurant in einem massiven Gebäude.<br />
Schall und Rauch<br />
Vor Sintfluten, alles mit sich reißenden Orkanböen oder Schnee bis zur Traufe können die Menschen<br />
sich nicht schützen, ihre Verursacher nicht zur Verantwortung ziehen, der Schaden muss<br />
juristisch als höhere Gewalt eingestuft und buchhalterisch abgebucht werden. Anders der Lärm.<br />
Früher entstand er in der eigenen Firma, am eigenen Arbeitsplatz, symbolisierte Broterwerb und<br />
Fortschritt; Krach und Qualm, täglich zehn Stunden; wenn deretwegen damals die Arbeiter früher<br />
als normal gestorben wären, hätte Bismark seine Rentenkasse nicht ins Leben rufen müssen.<br />
Und wer zufälligerweise während der ersten Stahlkrise der Nachkriegszeit mal durch den Pütt<br />
gereist ist, der kennt die Kehrseite, diese pieksaubere Grabesstille. Industrielärm, donnernde<br />
Dampfloks, hupende Autos: sie waren stets auch Fanale des Fortschritts. Das kann und wird<br />
heute anders gefühlt und beurteilt. Heute muss etwas gegen die Lärmemission unternommen<br />
werden, doch als Besitzer einer Harley Davidson ist der Straßenlärm immer nur der Krach der<br />
anderen. Jahrzehntelang hatten Gleis und Straße sich gegen äußere Einflüsse schützen können,<br />
<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong><br />
Foto: B + J Archiv
Wand mit beruhigender Wirkung<br />
Zäune, Wälle, Steinschlaggalerien errichtet, Schranken, Signale und Ampeln gesetzt, die das<br />
Recht der Besitzer und Benutzer garantieren sollten. Jetzt auf einmal sollen Bahn und Straße<br />
andere mit Immissionsschutz vor ihren Emissionen bewahren. Die Verursacher sind bestens bekannt,<br />
ihre Absonderungen als Verkehrsteilnehmer sind geprüft und als zulässig anerkannt worden,<br />
für den einzelnen jedenfalls, das eigentliche Problem ist nur die Masse. Es könnten zwar<br />
Detektoren in Signalbrücken die Verkehrsdichte prüfen und das jeweils zulässige, angemessene<br />
Tempo anzeigen, vorschreiben und so den Lärm mindern; doch das würde ja die individuelle<br />
Freiheit der Automobilisten begrenzen – und auch den politischen Einfluss ihrer mächtig bleiben<br />
wollenden Verkehrsklubs.<br />
Es dauerte eine Weile, bis endlich klar gewesen war, wie denn so eine Lärmschutzwand aussehen<br />
solle. Ihr zweiter Effekt, nämlich die Anlieger vor Schmutz und Abgasen zu schützen, wurde<br />
nie herausgestellt. Einfach eine Mauer aus Lochziegeln, oben eine Rollschicht, nette Pfeiler<br />
mit Vorlagen? Nein, da waren Prüfungen, Zeugnisse und Genehmigungen erforderlich, und für<br />
das, was hinter der Wand gegen den Lärm vor der Wand erreicht werden sollte, gab es Tabellen<br />
und Berechnungsgänge. Weil aber die Wand auch bei Wind und Wetter standfest sein sollte,<br />
musste eine Berechnung der Gründung her. Architekten kümmerten sich dann um die Farbe<br />
paneelartiger Elemente für Metallsysteme, und, nur um den Vorschriften Genüge zu tun, dann<br />
wurden ansprechende Kunstbauwerke mit den aufzustellenden Wänden ihrer Proportionen<br />
entledigt. Wenn allerdings die Wände über das Band des Verkehrs hinauswuchsen, spielten manche<br />
Schutzbefohlene schon mal nicht mehr mit. Nein! Keine Wand! Weder vor, noch hinter‘m<br />
Haus! So wurde manches alte Bahnwärterhäuschen in die Lärmschutzwand integriert.<br />
Auf diese Weise wurden bei <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> ab 1984 summa summarum 64 Projekte bearbeitet,<br />
als Entwurf oder als Prüfung mit Abnahme; drei Viertel von ihnen in der Zeit bis 1989, überwie-<br />
<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong><br />
Foto: B + J Archiv
Foto: B + J Archiv<br />
gend in der Ausstattung für Schienen und Straßen und mit Schwerpunkt im Jahr<br />
1987. Weitere folgten beständig, wie unter anderem etwa als Nachrüstung auf<br />
Brücken oder beim Umbau von Straßen.<br />
Schwere Geburt<br />
Besser kann man die Entstehung der A 20 nicht bezeichnen, denn das Kind steht noch immer<br />
nicht auf eigenen Füßen. Es war schon frustrierend, zu erleben, wie die Mannschaft der eigens<br />
neu geschaffenen Planungsgesellschaft ruckzuck ihren Abschnitt in den neuen Bundesländern<br />
realisierte, während hier in <strong>Schleswig</strong>-<strong>Holstein</strong> um jedes Fitzelchen Natur- und Lärmschutz gerungen<br />
wurde und X Trassenvarianten untersucht werden mussten. Jedem Schlenker der Autobahn<br />
im Raum Lübeck kann, überspitzt aber bezeichnend formuliert, jeweils ein Einspruch angelastet<br />
werden.<br />
Obwohl die Brücken über Wakenitz, den Elbe-Lübeck-Kanal und die Trave und der Tunnel<br />
unter der Bahn für den Autofahrer noch erkennbar sind, verbirgt sich der Rest meist hinter Lärmschutz-<br />
und damit hinter Sichtblenden. Dabei ist jede Brücke sehenswert. Etwa die siebenfeldrige<br />
Wakenitzbrücke von 295 Metern Länge, die unter Beachtung von Tabuzonen des Ökosystems<br />
erbaut wurde und vom Wasser aus gut zu sehen ist; oder die Kanalbrücke mit ihren imposanten<br />
Stabbögen von 59 Metern Stützweite und den drei Vorlandbrückenfeldern von zusammen<br />
nochmals 112 Metern, man kann am Kanal entlangwandern; ebenso die Trave-Brücke;<br />
beeindruckend auch das Kreuzungsbauwerk mit der A 1, für die acht Spuren wurden vier zwei-<br />
A 20 mal oben überm Wasser<br />
<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong>
A 20 mal unter der Bahn<br />
feldrige Spannbetonbrücken<br />
mit jeweils zweimal 35,3 Meter<br />
Stützweite unter rollendem<br />
Verkehr errichtet.<br />
Ab diesem Kreuzungspunkt<br />
tat sich eine ganze<br />
Weile gar nichts. Bis dann<br />
endlich die Bauarbeiten nach<br />
A 20 mal am Ende (vorläufig)<br />
Bad Segeberg fortgesetzt<br />
werden konnten, doch der<br />
Verkehrswert dieses Abschnittes der A 20 wird sich erst mit der Anbindung an die A 21 nach Kiel<br />
wesentlich erhöhen. Es besteht Hoffnung, dass irgendwann die A 20 die A 7 von Hamburg nach<br />
Flensburg und später die A 23 von Hamburg nach Heide erreichen wird. Von hier wird dann die<br />
Elbe bei Glückstadt mit einem Tunnel gequert und die A 20 in Niedersachsen an die A 26 angeschlossen.<br />
Bei <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> werden erhebliche Teile der Planung einer Elbquerung bereits bearbeitet;<br />
nebenbei wurde vergleichsweise auch die größte Brücke in Deutschland entwurfsmäßig<br />
geplant. Gebaut wird der Tunnel.<br />
Verdeckte Tätigkeiten<br />
Die ersten unterirdischen Bauwerke von <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> waren Tunnel für die Neubaustrecken<br />
der Hamburger Hochbahn, Ausführungsplanung, nüchtern moderne Sachlichkeit, reine Bedarfsdeckung<br />
bei schmalem Budget. Auch unter diesem Gesichtspunkt wurden alle Varian-<br />
<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong><br />
Fotos: B + J Archiv
ten der Tunnelabdichtung durchexerziert, aber auch der Projensdorfer Tunnel<br />
in Kiel.<br />
Dieser erste Entwurf eines Straßentunnels war eine große Herausforderung.<br />
Neben dem reinen Konzept für das Bauwerk wurde sehr viel Planungsarbeit für den Tunnelbetrieb<br />
erwartet. Bei der Beleuchtung ging es um äußere und innere Adaptionsstrecken, letztere<br />
über Lux-Meter in Stufen absenkbar, um die Helligkeit der flimmerfreien Durchfahrtsstrecke und<br />
dann um eine Ausfahrtadaption. Aus diesem Gedankengang wurden helle, aber nicht glänzende<br />
Verkleidungen der Tunnelwände erforderlich. Selbstverständlich war eine Lüftung mit Strahlventilatoren<br />
vorzusehen, und für das alles eine Notstromversorgung als Sofortbereitaggregat. Damit<br />
die Autofahrer nicht von ihrem eigenen Lärm im Tunnel erschreckt würden, wurden ihm Schallschluckdecken<br />
mit einem Absorptionszertifikat verpasst. <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> lieferten damit den bundesweit<br />
wohl ersten komplett ausgearbeiteten Tunnelentwurf zur Prüfung beim BMVBS ab Ein<br />
Vergleich mit holländischen Tunneln rechtfertigte den Ausstattungsaufwand. Die Beleuchtung<br />
wurde seinerzeit an der Erkennbarkeit eines fiktiven Gegenstandes auf der Fahrbahn ausgerichtet,<br />
der jedoch außerhalb des Tunnels, etwa als Hase, hundertfach platt gefahren würde. Die<br />
Steuerung, die Überwachung mit Beeinflussung von Verkehrsschildern und Ampeln, alles war<br />
vom Besten und wurde von der Warte über dem Tunnel zur Polizei übertragen - lief prima!<br />
Schließlich kam aber eine konsternierende Meldung aus den Niederlanden: In Hollands Tunneln<br />
gibt es keinen Schallschutz! Die flimmerfreien Leuchtenbänder sind Punktleuchten gewichen,<br />
die Tunnelverkleidung, so noch vorhanden, ist unwirksam. Inzwischen war ein Tunnelrohbau aus<br />
dem „Dritten Reich“ entsprechend hochwertig ausgestattet worden. Nun also alles zurück,<br />
die Rückbaukosten werden<br />
durch die Energieeinsparun-<br />
Loch für Gleise in Ebene -2<br />
gen mehrfach gedeckt.<br />
Nach langwierigen Verhandlungen<br />
konnten <strong>Böger</strong><br />
+<strong>Jäckle</strong> einen Bieterwettbewerb<br />
für die südliche Rampe<br />
der vierten Röhre des Elbtunnels<br />
gewinnen, weil allein<br />
durch die Änderung eines architektonischen<br />
Details sich<br />
ein Preisvorteil von einer Million<br />
Euro ergab. Außerhalb<br />
des Wettbewerbs kam die<br />
um zwei Spuren erforderliche<br />
Verbreiterung der Hochstraße<br />
über das Hafenrandgelände,<br />
die durch Tausalze<br />
so stark geschädigt war, dass<br />
sie, vor weiteren Maßnahmen,<br />
durch Betonersatz und<br />
Archiv J +<br />
Klebebewehrung zu ertüch-<br />
B<br />
tigen war. Foto:<br />
<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong>
Tiefergelegt und kreuzungsfrei von oben nach unten …<br />
Für den Straßenverkehr wurden praktisch alle Tunnelbauweisen angewendet, so wurde beispielsweise<br />
ein Tunnel der Autobahn unter die Gleise der Bundesbahn eingeschoben.<br />
Nach dem Zusammenschluss der Verkehrsträger zum Hamburger Verkehrsverbund, bekam<br />
die S-Bahn den Neubau der City-Linie zugesprochen. Im Bereich des Bahnhofs Altona lag diese<br />
auf der zweiten Tiefenebene und wurde in offener<br />
Baugrube mit verankertem Berliner Verbau<br />
(steifenfrei) hergestellt. Die Bearbeitung des Bauwerkes<br />
erfolgte im Büro Ulzburg, der Verbau und<br />
alle Hilfskonstruktionen direkt vor Ort.<br />
Wegen der Kriegsschäden sind in der Nachkriegszeit<br />
viele Hamburger in die nördlichen<br />
Nachbargemeinden gezogen. Damit entstand<br />
das Problem des Nahverkehrs. Für die zwölf Kilometer<br />
lange Achse von Ochsenzoll nach Ulzburg<br />
war 1946 eine Straßenbahn geplant, 1953 jedoch<br />
als vollspurige Alster-Nord-Bahn (ANB) mit Akkumulatoren-Triebwagen<br />
eröffnet worden. Mit der<br />
Entwicklung des Hamburger Verkehrsverbundes<br />
wurde die Endstation der U-Bahn (Tunnel) und<br />
der ANB (oberirdisch, da Diesel-Triebwagen) von<br />
Ochsenzoll nach Garstedt verschoben. Nach dem<br />
Zusammenwachsen mehrerer Gemeinden zur<br />
Stadt Norderstedt, wurde die Endstation nochmals<br />
nordwärts nach Norderstedt-Mitte verlegt.<br />
Das war eine in jeder Beziehung, auch in der Zusammenarbeit<br />
mit den Architekten, interessante<br />
Aufgabe. Erst wurde in Garstedt der U-Bahn-Tunnel<br />
in Deckelbauweise verlängert, dann die Bahn<br />
zwischen Stützwänden ans Tageslicht gebracht,<br />
… und von unten nach oben<br />
wo sie einen Zwischenhalt einlegt, um dann wie-<br />
<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong><br />
Foto: B + J Archiv<br />
Foto: B + J Archiv
der nach Norderstedt abzutauchen. Der dreigleisige Bahnhof ist wegen der Dieseltriebwagen<br />
kein geschlossener Querschnitt, sondern überdacht. Die ANB gelangt<br />
dann aus ihrer Lage zwischen den U-Bahn-Gleisen über eine Rampe wieder<br />
in Richtung Ulzburg.<br />
Die ANB ist siebzig <strong>Jahre</strong> jünger als ihre Schwester AKN, die Eisenbahn von Altona über Kaltenkirchen<br />
nach Neumünster. Diese hat sich inzwischen von einer Nebenbahn, die auf weiten Strecken<br />
den Sommerweg der Chaussee/Provinzialstraße/Reichsstraße/Bundesstraße von Altona<br />
nach Kiel benutzt hatte, zu einer vollwertigen Bahn des ÖPNV entwickelt. Die letzten Knackpunkte<br />
waren innerörtliche Bahnübergänge in Ulzburg und Kaltenkirchen. Hier wurde die Bahntrasse,<br />
wie bereits in Eidelstedt, großzügig abgesenkt und jeweils ein neuer offener Bahnhof in<br />
Tieflage geschaffen.<br />
Weiße Flecken<br />
Da waren wirklich weiße Flecken auf den Landkarten. Forschern hätte vor 200 <strong>Jahre</strong>n das Herz<br />
höher geschlagen, da gäbe es Natur, Bevölkerung, Kultur zu entdecken, doch hier war gar nichts,<br />
keine Natur, keine Kultur, nur Wüstung, Industriebrache, Mondlandschaft – das alte Braunkohlerevier.<br />
Diejenigen von Jülich/Hambach/Frechen sind bekannt, und es überkommt einen doch Erschrecken,<br />
wenn man auf Leipzig zugeht und nach Süden fortfährt. Irgendwo stehen noch ein<br />
oder zwei dieser gigantischen Rüsselsaurier, die wegen der Braunkohle das Gelände dort Dekameter<br />
tief und kilometerweit durchgekaut haben. So, wie die Erde einstmals wüst und leer war,<br />
auf der dann die Evolution ihren Garten Eden gedeihen ließ, so ist auch diese Brache eine Chance.<br />
Da sind zwar Dörfer verschwunden und Straßen und Bahnen verlegt worden, für Flüsse und Bäche<br />
wurden dann aber neue Betten gegraben, Seen angelegt, und neuere Karten zeigen dies<br />
neben abgelegten Schlägel und Eisen. Doch vor allem der Verkehr kann sich jetzt im Süden Leipzigs<br />
frei entfalten, etwa die A 38, die hier auch als südliche Umgehung bezeichnet wird. Großzü-<br />
Fast „terra incognita“<br />
<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong>
gige Brückenbauwerke, wie die zwei Stabbögen mit je 70 Meter Stützweite, sollen der Natur eine<br />
Verbindung zwischen den Baggerseen schlagen. Es mutet wie eine Entschuldigung an, wenn<br />
nach den Straßen der Romanik, der Mühlen oder Alleen nun auch eine Straße der Braunkohle<br />
kreiert wurde. Doch der Schwung reicht weiter, zu den Anschlüssen zur B 2, zur B 186, zur A 14 und<br />
hier der Anschluss an die B 87, die Torgauer Straße mit den Brücken über die Bahn, von der DDR<br />
wiederholt geplant, doch zu teuer, so blieb die Lösung dem Elan der Wende vorbehalten.<br />
Fitnessprogramm<br />
Es ist hier über Bauwerkserhaltung, Rekonstruktion, Bauwerksertüchtigung, zu berichten, letztlich<br />
über Maßnahmen, die Bauwerke für eine weitere Nutzung fit machen. Hier ist auch die<br />
Denkmalpflege gefragt, die jedoch verständlicherweise als Zweig der Architektur meist mehr<br />
auf die Erhaltung des äußeren Bildes von Häusern, Straßen und Plätzen ausgerichtet ist. Für Brücken<br />
und Ingenieurbauwerke sollten dann aber Ingenieure beratend tätig und auch Geld für<br />
aufwendigere Lösungen zur Verfügung gestellt werden.<br />
Sie dreht sich noch<br />
0 <strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong><br />
Foto: B + J Archiv
Das Alte weicht dem Neuen<br />
Für sinnvolle Ertüchtigungen zahlreicher Bauwerke erfolgten durch <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> Ermittlungen<br />
der Restnutzungsdauer, die weitergehenden Betrachtungen als Basis dienen.<br />
Hier soll nicht für Stade geworben werden, nur weil dort eines der ersten KKW gebaut und<br />
abgeschaltet wurde, nicht der restlichen Bastionen einstiger Wehrhaftigkeit wegen, oder weil im<br />
Zeughaus eine irische Band für die Belegschaft von <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> bis in den frühen Morgen gespielt<br />
hat, auch nicht, weil hier Heinrich der Löwe seine letzte Zuflucht nahm und Ortsteile zu<br />
einer Stadt formte; mehr schon wegen der Hanse, der Schweden, die im Hafen deutliche Spuren<br />
hinterließen. Dieser liegt im Tidebereich der Elbe, brauchte Schleusen. Auf die unter Denkmalschutz<br />
stehende Salztorschleuse soll nach ihrer gelungenen Restaurierung besonders hingewiesen<br />
werden. Im Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler findet man keinen Hinweis. Wann<br />
endlich sind Ingenieurbauwerke so salonfähig, dass sie kunstfähig sind? Die Bemühungen des<br />
Vereins „Historische Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst in Deutschland“ sind hier ausdrücklich<br />
zu erwähnen.<br />
Dort, wo die meisten Ortsnamen der Elbmarsch auf „deich“ enden, dort sind auch Neuendeich<br />
und Klevendeich zu finden, beide verbindet eine Brücke über die Pinnau. Diese ist, nach<br />
Augenschein kaum zu glauben, eine Bundeswasserstraße, von Alters her schiffbar. Bereits 1886<br />
wurde hier über die noch nicht begradigte, Ebbe, Flut und Sturmfluten ausgesetzte Pinnau eine<br />
dreifeldrige Brücke gebaut, bei der ein Feld eine Drehbrücke ist, zwei Felder fungieren pro forma<br />
noch als Flutbrücken, denn die Pinnau erhielt ein Sperrwerk. Drei praktisch gleiche Einfeldüberbauten<br />
(Gitterbogenträgern aus Profileisen), auch im Bereich der Drehbrücke, denn dort wird<br />
zum Öffnen der Brücke das Tragwerk über dem Drehpfeiler angehoben. Das System besteht aus<br />
zwei Kragträgern mit praktisch den gleichen maximalen Momenten aus Eigengewicht. Die 125-<br />
Jährige steht unter Denkmalschutz. Sie wurde behutsam instandgesetzt und hat sich dank dieser<br />
wiederholten Zuwendungen gut gehalten. Als eine der wenigen ihrer Art ist es dringend<br />
<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong> 1<br />
Foto: B + J Archiv
notwendig, sie in die Dokumentation „Brücken in Deutschland“ (Standfuß/Naumann, Fraunhofer<br />
Irb Verlag) aufzunehmen.<br />
Die Drehbrücke von 1890 über die Peene in Loitz steht auch unter Denkmalschutz, dabei sind<br />
die Blechträger mit Stahlbetonfahrbahn für dieses Baujahr überraschend, rühren letztlich von<br />
einem Umbau im <strong>Jahre</strong> 1972 her, als Fertigteile aufgelegt worden sind. Damit wäre der Status<br />
eines Denkmals verwirkt. Weiterhin ist ein Neubau geplant, der die „historische“ Brücke ersetzen<br />
wird, da sind kein Abheben der Fertigteile und kein Ersatz durch Holz für Fuß- und Radweg als<br />
Teil einer historischen Rekonstruktion vorgesehen, nein: Abbruch.<br />
Doch da wurde noch an einer anderen Drehbrücke gedreht. Die uralte Fährstelle bei Kappeln<br />
über die Schlei erhielt eine Pontonbrücke, die für die Kleinbahn von Eckernförde ertüchtigt wurde.<br />
Es war auf dem Vorwege auch schon beabsichtigt, die 1922 bei Lindaunis durch Bau einer<br />
Hubbrücke verfügbare Eisenbahndrehbrücke als Ersatz für die Pontonbrücke zu erwerben. Der<br />
dann realisierte Neubau einer Straßen- und Eisenbahnbrücke wurde 1927 fertiggestellt. Doch<br />
Kappeln war seit jeher auch ein Knotenpunkt des Landverkehrs, so beginnen und enden heute<br />
drei Bundesstraßen allein in diesem Ort. Dafür wurde es auf der Brücke und auf dem schmalen<br />
Uferstreifen zwischen Stadt und Schlei recht eng, selbst als die Eisenbahn von dort verschwand.<br />
Es galt, eine Trasse für eine neue Querung der Schlei zu finden. Der nun dritte Brückenneubau<br />
war eine zweiflüglige Doppel-Klappbrücke, die 2008 fertiggestellt worden ist. Die alte Drehbrücke<br />
wurde 80-jährig verschrottet. Bei dieser Vorgehensweise werden in ferner Zukunft keine bemerkenswerten,<br />
historische Brückenbauten aus dieser Zeit mehr vorhanden sein.<br />
Das waren zwei Fälle, in denen eine, wie man heute sagt, „nachhaltige“ Ertüchtigung nicht<br />
beabsichtigt war und nicht erwünscht. Versuchen wir unser Glück mit einer Klappbrücke, der<br />
2 <strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong><br />
Durch Zufall erhalten
Klappbrücke bei Friedrichstadt über die Eider. Diese Brücke ist im Übrigen eine der<br />
schönsten Brücken Norddeutschlands. Fährt man heute die ehemalige B 5 von<br />
Heide nach Husum ist das alles recht problemlos, man kommt über die Eiderbrücke,<br />
biegt links ab, sieht noch hinter Bewuchs Wasser, da ist auch irgendwo Friedrichstadt … und<br />
das war es schon! Mit der Gründung von Friedrichstadt an der Einmündung der Treene waren<br />
hier dann auch eine Brücke, ein Hafen und eine Stadt mit Kanälen. Es wurden Bürger als Bewohner<br />
angeworben, wohl überwiegend Handwerker und Kaufleute, denn Friedrich der Große hatte<br />
Großes vor, er wollte Handel mit Indien treiben. Dafür fehlte aber das notwendige Hinterland als<br />
Abnehmer, die Transportmöglichkeiten waren beschränkt, es sei denn, Friedrich hätte an den<br />
alten Handelsweg von der Eider durch die Treene, über den Landrücken nach <strong>Schleswig</strong> gedacht.<br />
Als das alles nicht geriet, wanderten, was gern verschwiegen wird, viele Siedler wieder ab,<br />
manche geplante Bebauung wurde zurückgestellt, sogar ein Kanal verfüllt, und die Stadt verfiel<br />
in einen Dornröschenschlaf. Auf diese Weise wurde sie das Venedig des Nordens, Ziel endloser<br />
Buskolonnen. Was aber kaum jemand weiß, ist immer noch pikant genug: 18<strong>50</strong>, im Krieg gegen<br />
Dänemark, wurde diese schleswig-holsteinische Stadt zu einem Drittel von schleswig-holsteinischen<br />
Truppen zerstört. Wie auch immer, im Zuge des Ausbaues der späteren B 5 wurde<br />
1915/1916 nach einem Entwurf des Kaiserlichen Kanalamtes die Eiderbrücke mit zwei Stabbogenbrücken<br />
je 106 Metern Länge als Vorlandbrücken und der zweiflügeligen Klappbrücke (fixe<br />
Drehpunkte und feste Gegengewichte) mit 25 Metern Durchfahrtsbreite errichtet. Die ursprüngliche<br />
fünf Meter breite Fahrbahn konnte durch seitliches Anhängen des Gehweges auf sechs<br />
Meter vergrößert werden. Es wurde ein orthotropes Fahrbahndeckblech eingebaut und überhaupt<br />
viel an der Brücke herumgewerkelt, oft unter schlechten Bedingungen. In der Hauptreisezeit<br />
waren erforderliche Verkehrsbeschränkungen nicht durchsetzbar, danach gerieten Teile der<br />
Arbeiten gelegentlich unter meteorologischen Druck. Eine erwähnenswerte Besonderheit dieser<br />
Brücke sind die Klappen. Sie haben eine in Längsrichtung versetzte Querkraftverriegelung,<br />
die eine Momentenverriegelung bewirkt. Grundsätzlich unbefriedigend ist bei dieser Art der<br />
Klappbrücken, dass von der Straßenoberfläche sehr viel Wasser auf die Kontergewichte gelangt,<br />
die dann in ihrem Verlies weitgehend unbeobachtet vor sich hingammeln. Bei den neueren<br />
Klappbrücken mit Wagebalken treten diese Probleme nicht mehr auf, hier klappt es besser.<br />
Nicht nur bei den beweglichen Brücken gibt es Fälle, bei denen jede Liebesmüh‘ vergebens<br />
ist. Wenn etwa die Tragfähigkeit nicht erhöht werden kann, wenn die Fahrbahnbreite schon für<br />
Erntewagen zu eng wird und wenn sich dann auch noch der Fluss im Lauf der Zeit verlagert hat,<br />
dann ist vielfach Ende; so geschehen<br />
an der Stör bei der<br />
Nach dem Krieg fast wie neu<br />
Kaisermühle. Die zierliche Bogenbrücke<br />
mit ihren schönen<br />
Portalen wurde fein säuberlich<br />
herausgehoben, seitlich<br />
abgelegt und wie Sauerbier<br />
zum Kauf angeboten. Hier<br />
zeigte sich mal wieder: die<br />
Kunst der Ingenieure ist keine<br />
Kunst, die man wie Gemälde<br />
mit dem Geld von Spendern<br />
<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong>
und Sponsoren für historische Sammlungen erwerben kann. Die Brücke hätte den „Käufer“ nichts<br />
gekostet, nur ihr Transport. Sie fand keinen kunst-/ingenieursinnigen Liebhaber, und so fiel sie<br />
dem gleißenden Schneidbrenner des Schrotthändlers zum Opfer. Die neue, mit Hilfsjochen fertig<br />
eingeschobene Brücke an gleicher Stelle ist optisch der alten Brücke zwar nachempfunden,<br />
wegen ihrer größeren Tragfähigkeit und Stützweite aber etwas grobschlächtiger.<br />
Die Kombination von Schleuse und Brücke über das Haupt- zum Unterwasser hat schon Tradition.<br />
So war das auch an der Schleuse Berkenthin des Elbe-Lübeck-Kanals. Die genietete Brücke<br />
aus Profilstahl war dem Verkehr einer Bundesstraße trotz Einspurverkehrs und verkehrlicher<br />
Beschränkung nicht mehr gewachsen. Es gab Überlegungen, für Berkenthin eine Umgehungsstraße<br />
mit einer Brücke zu bauen, die das Tal der Stecknitz beziehungsweise den Kanal in 18<br />
Metern Höhe überspannt. Damit einhergehen sollte ein Ausbau des Kanals für Tausendtonnen-<br />
Kähne. Eine gewisse Entlastung brachte der Bau der A 20, so wurde nach mehr als zwanzig <strong>Jahre</strong>n<br />
Planung die alte Brücke etwas verschoben und ein Ersatzbauwerk als Stab-Bogenbrücke<br />
etwa in alter Lage ausgeführt, das heißt: wieder in Schleusennähe. Mit Rücksicht auf die historische<br />
Situation und Ortslage wurde großer Wert auf eine ansprechende Gestaltung gelegt. So<br />
wurde zwar nicht das alte Bauwerk ertüchtigt, aber immerhin das Gesicht gewahrt. Eine Besonderheit<br />
hat die neue Brücke: die Fahrbahnplatte soll mit Erdwärme eisfrei gehalten werden.<br />
Es gibt Brücken, bei deren Anblick man sich fragt, wie die dem stetig wachsenden Verkehr so<br />
lange haben genügen können und dabei doch noch so erstaunlich fit geblieben sind. Eine dieser<br />
Brücken ist die Harburger Brücke über die Süder Elbe von 1899 mit ihren vier Fachwerkbögen<br />
von rund einhundert Metern Stützweite und zwei Vorlandbrücken von je 31 Metern. Im Gegensatz<br />
zu den Hamburger Elbbrücken, auf denen die Straßenbahn nach Wilhelmsburg und Harburg<br />
sowie die Verkehrsbelastung der Autobahn und der Wilhelmsburger Reichstraße lagen, war<br />
sie durch die Autobahn entlastet, die Reichstraße erhielt später eine eigene Brücke, so blieben<br />
nach <strong>Jahre</strong>n nur der Lokalverkehr und die Straßenbahn. Als diese Bahn schließlich eingestellt<br />
wurde, benutzten sie eine Weile nur noch Busse, später nur noch Romantiker. Die Neunzigjährige<br />
wurde dann um die außen liegenden Gehwege erleichtert, aber auch so gelangte sie in die<br />
Denkmalliste. <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> durften für die alte Dame tätig werden, als ihr neue Vorlandbrücken<br />
im alten Stil angepasst wurden.<br />
Gedanklich ganz in der Nähe: Hamburg, Herrengraben-Fleet, Stadthausbrücke! Für die hier<br />
versammelten vielen Klinkerklötze war die Brücke für eine entsprechende Prachtstraße etwas zu<br />
schmal geraten. Es ist zwar kein Fitnessprogramm, aber doch ein Schritt zur Erhaltung, was deshalb<br />
jetzt passierte. Das Brückenhaupt wurde minutiös abgetragen und etwas versetzt „original“<br />
wieder aufgebaut – gelungen! Für einen baugeschichtlichen Kritiker nähern wir uns hier bedenklich<br />
der „Tapete“. Wenn zum Beispiel ein Bauer in der Eidermarsch seine Diele mit südlichen<br />
Bildern ausmalen lässt, oder sich ein von der Tenne nur über schmale Stiegen erreichbares Musikzimmer<br />
für kleine Gesellschaft einrichtet, ist das rührend. Hätten diese Herren aber vor ihren<br />
Haubarg einen klassizistischen Portikus gesetzt, wäre das „Tapete“, der Haubarg wäre nicht klassizistisch<br />
geworden. Noch eins: es ist einfach zu leicht, dem jeweiligen Geschmack durch Tapetenwechsel<br />
gerecht zu werden. Und noch eins: Tapeten sind wie Facelifting, sie täuschen Fitness nur<br />
vor.<br />
Wo wir gerade so schön am Meckern sind: Was soll sich ein Autofahrer eigentlich denken, der<br />
auf der B 5 vierzig Höhenmeter der Marsch überwunden hat und sich dann in einem Gitterkäfig<br />
wiederfindet? Ist er ein gefährliches Wesen, das wie ein Raubtier in die Manege abgeleitet wird?<br />
<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong>
Ist das ein Schutz wegen der Höhe? Weshalb dann hier und nicht auch vorher<br />
schon? Oder ist das der Faradaykäfig, der die Blitze Donars abfangen muss, die eigentlich<br />
den Entwurfsverfasser treffen sollten?<br />
Nein, eine parallelgurtige Gitterbrücke gehört nicht an die Bramstenge. Eine gelungene Gitterbrücke<br />
ist die Strombrücke der kombinierten Straßen- und Eisenbahnbrücke bei Lauenburg<br />
(möglichst bei hohem Wasserstand zu betrachten). Sie entwickelt sich harmonisch aus den Vollwandträgern<br />
der Flutbrücken. Lauenburg, das ist dort, wo die Bürger alle naselang neue Hochwassermarken<br />
an die Hausecken pinseln können. Der alte Postweg benutzte die Fähre bei Artlenburg,<br />
erst als eine Eisenbahn, von Büchen kommend, nach Lüneburg gebaut werden sollte,<br />
gab es ein Problem. Die beteiligten drei Bahngesellschaften hatten großes Interesse, östlich von<br />
Lauenburg, und damit vor dem westlich der Stadt anschließenden Hochufer, über die Elbe zu<br />
kommen. Nach zähen Verhandlungen wurde 1864 ein Trajekt in Betrieb genommen, das bald<br />
aber dem Verkehrsaufkommen (überwiegend Güterverkehr) nicht mehr genügte und im Winter<br />
bei Eisgang für längere Zeit eingestellt werden musste. So wurde eine rund 530 Meter lange<br />
Brücke gebaut, mit einer zweiflügligen Drehbrücke zur Passage von Schiffen mit hohen Aufbauten<br />
oder bei Hochwasser, dann drei Bogengitterträger für die Strombrücke und drei Vorland-<br />
oder Flutbrücken. Das ganze im zeitgemäßen Stil von 1878. Die Brücke war für zwei Gleise ausgelegt,<br />
es wurde nur ein Gleis verlegt, für Fußgänger war ein Gehweg auf Kragträgern vorhanden.<br />
Die Fähre nach Hohnstorf blieb für Straßenfahrzeuge in Betrieb. Das ging so bis 1945, als<br />
kein Endsieg mehr, sondern nur noch blinde Zerstörung möglich war, der fiel die Brücke bis auf<br />
drei Flutbrückenfelder zum Opfer. <strong>Schleswig</strong>-<strong>Holstein</strong> war praktisch nur durch das Nadelöhr<br />
Hamburg mit Massengütern zu versorgen, weshalb sehr bald der Wiederaufbau der Brücke geplant<br />
wurde.<br />
Bogenbrücken der ersten Bahn<br />
<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong><br />
Foto: B + J Archiv
Für den Straßenverkehr gab es neben den Hamburger Elbbrücken nur die Fähren Geesthacht,<br />
Artlenburg und Lauenburg. Für eine Straßenbrücke sprach Artlenburg, aber in der Nachkriegszeit<br />
waren die Mittel knapp, so schlug man, indem man eine Kombibrücke baute, zwei Fliegen<br />
mit einer Klappe. Auch diese aber wieder sparsam: nur ein Gleis und eine zweispurige Fahrbahn<br />
(sechs Meter breit), der Gehweg wurde wieder auf Konsolen angehängt. Statt der Drehbrücke<br />
wurde erst eine Hubbrücke für die Hochwasserdurchfahrt geplant, gebaut wurde ein Vierzigmeterfeld<br />
mit hochgelegter Unterkante. Um die hierfür erforderliche Bauhöhe zu bekommen, war<br />
es notwendig, die Gradiente um 2,20 Meter anzuheben, mit dem Erfolg, dass die anschließende<br />
Brücke in einem konstanten Gefälle von 0,5 Prozent in Richtung Lauenburg liegt, wo an alte<br />
Gleisanlagen anzuschließen war. Die alten Gründungen wurden weitgehend wiederverwendet.<br />
Bis 1951 ist an der Brücke gebaut worden, und zwar mit nur zwei durchlaufenden Strombrückenfeldern<br />
(als parallelgurtige Fachwerkträger) mit rund 105 Metern Stützweite und fünf durchlaufenden<br />
Vorlandbrückenfeldern (als Vollwandträger). Als Belastung des Gleises war der Lastenzug<br />
E, bei der Straße die damals noch gültige Lastenklasse einer 24-Tonnenwalze zu berücksichtigen.<br />
Aus einer sparsamen Materialverwendung ergeben sich für die inzwischen sechzigjährige<br />
Brücke hinsichtlich höherer zulässiger Lasten aufwendige Nachrechnungen. Auf die Idee, die<br />
schwere Stahlbetonfahrbahnplatte durch eine Leichtfahrbahn zu ersetzen, ist bislang keiner gekommen.<br />
Die Eisenbahn von Leipzig nach Dresden<br />
(115 Kilometer) wurde 1839 eröffnet, die<br />
Kunstbauten dürften früher fertiggestellt worden<br />
sein, da noch Gleise zu verlegen waren.<br />
Damit kann der Eisenbahnviadukt über die<br />
Döllnitz bei Oschatz auf 1838 datiert werden.<br />
Durch die Elbbrücke in Riesa und den Tunnel<br />
bei Oberau werden die übrigen Ingenieurbauwerke<br />
dieser Strecke überschattet. Oschatz<br />
liegt auf halber Strecke zwischen Leipzig und<br />
Dresden, war Station für den Lokomotivwechsel<br />
und Kreuzung mit der Schmalspurbahn<br />
Döbeln–Oschatz–Strehla. Der Viadukt weist<br />
drei Bögen mit je 12,40 Meter Weite auf und ist<br />
in Naturstein errichtet worden. Neben der<br />
Döllnitz wird auch die Schmalspurbahn nach<br />
Strehla unterführt. Es war architektonischer<br />
Standard, solche Brücken durch Konsolen mit<br />
Bogenfries und nochmals auskragenden<br />
Deckplatten mit massiver Brüstung zu bekrönen.<br />
In den Pfeilerachsen waren dann jeweils<br />
Kanzeln angeordnet, die noch um fünfzig<br />
Zentimeter weiter auskragten. Mit der später<br />
zunehmenden Breite des rollenden Materials<br />
von 2,1 Meter (sieben Fuß) auf mehr als drei<br />
Meter (heute), war der Gleisabstand zu vergrö-<br />
<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong>
ßern, so wurde es eng auf der nur sieben Meter zwischen den massiven Brüstungen<br />
messenden Brücke. Es wären acht Meter, mindestens jedoch 7,5 Meter<br />
erforderlich. Der Ersatz dieser massiven Brüstungen durch leichte Stahlgeländer<br />
war nur eine Notlösung. Aus diesen Lichtraumproblemen heraus wird auch der Tunnel bei<br />
Oberau aufgeschlitzt worden sein. Das Gesimsband des Viadukts war bereits wegen einer Gradientenänderung<br />
verändert worden, im Zuge der Elektrifizierung kamen Oberleitungsmaste<br />
auf die Brücke, die für die Befestigung endgültig den Ersatz des Natursteingesimsmauerwerkes<br />
durch Beton nötig machten. Als die Strecke dann für den Schnellverkehr ausgebaut werden<br />
sollte, war ein parallel verlaufender Neubau unumgänglich. Die alte Brücke kam unter Denkmalschutz<br />
und ist dem Kreis Oschatz nach umfangreicher Instandsetzung übereignet worden,<br />
der sie für einen Rad- und Wanderweg weiterhin verwendet. Durch die Nutzung der Brücke<br />
sind auch ihre Unterhaltung und ihr Bestand gesichert. Eigentlich schade, den Kanzeln hätten<br />
Brüstungen aus Betonfertigteilen als Reminiszenz an den Urzustand der Brücke gut zu Gesicht<br />
gestanden.<br />
Die Angabe: „B 171 bei Wolkenstein“ ist aus 600 Kilometern Entfernung recht wolkig, aber<br />
mit der Ergänzung „Brücke über die Tschopau“ bekommt die Sache schon Hand und Fuß. Die<br />
Karte macht klar: gesehen aus der Tiefe des Tales (380 mNN) liegt der Ort auf dem Sporn wie<br />
in den Wolken (<strong>50</strong>0 mNN). Da ist eine Burg<br />
mit Besiedlung seit dem 12. Jahrhundert, die<br />
den Aufstieg zur Straße nach Böhmen sichert.<br />
Da war von Alters her ein Flussübergang,<br />
eine Brücke, jetzt ist es ein Brückenzug,<br />
eine Reihe von Bogenbrücken: ein Bogen<br />
über die Tschopau, zwei Bögen über Betriebsgraben<br />
und Gehweg sowie ein Bogen<br />
über die Eisenbahn, alles in Naturstein, von<br />
Werkstein bis zu unregelmäßigem Bruchstein<br />
mit seinem typischen großen Fugenanteil.<br />
Ob in diesem Konglomerat mittelalterliche<br />
Reste enthalten sind, kann nur vermutet<br />
werden. Neben einer Gewölbeverstärkung<br />
mit neuer Abdichtung wurde das<br />
Mauerwerk in den Sichtflächen neu verfugt.<br />
Die Bahnlinie unter der Brücke ist die Strecke<br />
von Chemnitz nach Annaberg im Erzgebirge<br />
von 1866. Ein Bahnhof hat in der Enge des<br />
Tals in Brückennähe keinen Platz, der liegt<br />
etwas flussaufwärts in der nächsten Biegung<br />
und weist noch das Betriebswerk einer<br />
Schmalspurbahn (75 Zentimeter) von Wolkenstein<br />
nach Jöhstadt von 1892 auf. Damit<br />
wäre auch die Bedeutung von Wolkenstein<br />
in der sächsischen Bergbauphase genügend<br />
Im wilden Sachsen<br />
gewürdigt.<br />
<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong>
Damit der Schornstein raucht<br />
Es wurde hier bislang überwiegend nur von Brücken und Verkehrsbauten berichtet. Dabei hatten<br />
Hajo <strong>Böger</strong> und Hermann <strong>Jäckle</strong> schon in Hagen mit den besonderen Herausforderungen Bekanntschaft<br />
geschlossen, die den Ingenieuren die Lastansätze der Bauten für die walküresken Industrieareale<br />
stellen. Waren es dort aberwitzige Ausbaulasten für Geschossdecken, Temperatur<br />
und Gewicht von Walzzunder in Absetzbecken, Achslasten der Zechenbahnen, so ging es hier im<br />
Norden vergleichsweise moderat zu, obwohl es auch hier durchaus mal vorkam, dass ein Ship-Lift<br />
oder eine Verschubbahn für Schiffsegmente die Gründung im wahrsten Sinne des Wortes ins Wanken<br />
brachten. Da waren doch Band-Förderbrücken für Kreide oder Silos der mal gefährlich fluiden<br />
dann wieder sedimentierten Flugasche für eine Zementfabrik interessante Aufgaben. Als das Werk<br />
Kreide und Asche später nicht mehr in langen Drehöfen brannte, sondern beides in ständiger Bewegung<br />
im vertikalen, glühenden Wirbelstrom sinterte, es Klumpen wurden, die, wie Hagel im<br />
Gewitter, der Glutstrom nicht mehr halten kann und nach unten fallen, dieser „Ofen 4“ und seine<br />
Nebenanlagen waren in Prüfung und Bauüberwachung schon eine gewaltige Ingenieuraufgabe.<br />
Es ging aber auch eine Nummer kleiner, und zwar mit einem Werk für Kunstdünger – was heute<br />
schon wegrationalisiert ist; oder mit einer Meerwasserentsalzung, dort, wo Trinkwasser so nötig ist.<br />
Leider hat sich die Anlage wegen eines Ausführungsfehlers in der anfallenden Salzlake selber aufgelöst.<br />
Wir sind gerade bei sauberem Wasser, da wäre auch diese riesige Kläranlage in Lübeck zu<br />
erwähnen. Diese Wartungshalle, in die ein Jumbojet bequem quer reinpassen würde, wäre letztlich<br />
auch den Industriebauten hinzuzurechnen, die <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> in den letzten fünfzig <strong>Jahre</strong>n bearbeitet<br />
haben. Nicht mitgezählt werden hier jene unzähligen Werkshallen, deren Ausführungsunterlagen<br />
geprüft und als Bauwerk abgenommen wurden.<br />
Die Kraft der Kerne<br />
Es ist die Frage, ob man nicht lieber doch ein Auto einer anderen Fabrikation fahren sollte, nachdem<br />
sich da letztens dieser schlimme Unfall ereignet hat. Oder muss man zukünftig gar auf das<br />
Auto ganz verzichten und zu Fuß gehen? Notfalls auch ein Fahrrad benutzen? Die Regierung wäre<br />
eigentlich aufzufordern, den Autos die Betriebszulassung zu entziehen, angesichts des tausendfachen<br />
Leids, das sie jährlich über unsere Bevölkerung bringen. Für die Beantwortung solcher Fragenkomplexe<br />
ist Ethik, als sittlicher Maßstab verstanden, vielleicht in der Gentechnik angebracht,<br />
für die analoge Betrachtung der rein technischen Fragen, die mit der Nutzung des Automobils<br />
auftreten können, sind sie nur wenig hilfreich. Das gilt erst recht für die Probleme, die sich mit der<br />
Kernkraft einstellen und nach Fukushima verschärft aufgetreten sind. Gegen die egozentrischen<br />
Ängste, die mit der Reflexion dieser Probleme in Erscheinung treten, helfen nur sachliche Argumente<br />
auf der Basis von Tatsachen, wie der, dass die Reaktoren der Kernkraftwerke, unabhängig<br />
von ihrem Typ, durch die Bank sicher sind – es hapert immer nur an den Peripherien.<br />
Das klingt jetzt so, als ob das Büro <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> ein unbedingter, kritikloser Verfechter der<br />
Kernkraft seien, das Büro hat in der Tat die Kerntechnik jahrzehntelang begleitet und sich aber<br />
trotzdem eine sachlich-kritische Stellung bewahrt. Das fing mit der Staustufe Geesthacht an,<br />
<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong>
deren Oberwasser zum Kühlwasserreservoir für Krümmel wurde, setzte sich fort<br />
mit der Einbindung der Auslaufbauwerke für Brokdorf oder mit der Erschließung<br />
des Baugeländes bei Brunsbüttel mit Brücken für den Schwerlastverkehr, umfasst<br />
später dann die baulichen Ergänzungen und Änderungen und weitere Ertüchtigungen der<br />
Kraftwerke, zum Beispiel in Bühnen für weitere, jetzt jedoch ungewisse <strong>Jahre</strong>.<br />
Unter Kernkraftgegnern kursierten Protokolle über das Hochfahren des KKW in Brunsbüttel, in<br />
denen jedes Zurücknehmen auf eine vorherige Stufe zwecks Überprüfung als „Störfall“ markiert<br />
wurde. Diese Denkungsart ist doch wie beim Auto: wenn es nicht gleich anspringt ist das egal,<br />
Hauptsache die Vollbremsung funktioniert.<br />
Über Schnellabschaltungen haben diese Kernkraftgegner keine Protokolle, obwohl die doch<br />
viel wichtiger wären. Es zeigt sich dabei, wie emotional überfrachtet dieses Thema ist. Damit ist<br />
auch erklärlich, wie ineffizient die Kernkraftwerke im Vergleich mit der konventionellen Energieerzeugung<br />
arbeiten. Neben den turnusmäßigen Abschaltungen für Wartung und Wechsel der<br />
Brennelemente kommen noch die Zeiten aus Auflagen und Nachrüstung hinzu. Aufklärung und<br />
Gespräche vor Ort sind unnötig, da die betroffenen Gemeinden sehr gut mit der Kernkraft leben<br />
können. Die Gegner sind teilweise eine mobile Gang, die mit einigen örtlichen Sympathisanten<br />
schwerpunktmäßig zum Teil gefährliche Aktionen organisieren.<br />
Und außerdem zu Fukushima: Ein Kernkraftwerk in einer Erdbebenzone ans Meer zu setzen ist<br />
schon ziemlich unsinnig. Nein: die richtigen Reaktorunfälle in Amerika und Russland zeigen<br />
deutlich: in der Schaltzentrale müssen Experten sitzen, die die jeweiligen Anzeigen der Instrumente<br />
auch korrekt interpretieren können, wie Piloten bei nächtlichem Blind- und Instrumentenflug,<br />
besser noch, wie Schachspieler, die simultan an drei Brettern blind zu spielen fähig sind<br />
– und dann auch noch gewinnen!<br />
Wir können auch anders<br />
Es ist selbstverständlich, dass <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> als Partner den Bauingenieurpart auch bei zahlreichen<br />
ganz andersartigen Aufgaben übernommen haben, von denen deshalb einige hier beispielhaft<br />
erwähnt werden sollen.<br />
Der Graf Rantzau hatte 1813/14 einen Kanal für die Moorentwässerung angelegt, von dem<br />
1875/77 ein Stichkanal zum Zementwerk in Lägerdorf gebaut wurde. Dieser bescherte dem Entwässerungskanal<br />
viel Verkehr. Parallel zu ihm verläuft eine Chaussee, die an einem bestimmten<br />
Punkt nach rechts schwenkt, während der Kanal nach links abgeht. Genau an diesem Punkt<br />
stand eine alte Brücke nur geringer Bauhöhe Ein Neubau musste deshalb her, doch für einen<br />
Neubau Straße und Kanal zu sperren, war nicht möglich. So wurde die neue Brücke komplett im<br />
Trockenen gebaut, auseinandergenommen, und innerhalb eines Tages war dann der Brückentausch<br />
vollzogen. Leider wurde diese frühe Fertigteilbrücke im Zuge des späteren Ausbaues der<br />
Straße beseitigt.<br />
Apropos Fertigteile. Friede seiner Asche, aber dieser Herr Auftraggeber war ein sehr umtriebiger.<br />
Angefangen hatte der Kontakt zu ihm mit dem Auftrag für eine Traglufthalle, in der ein<br />
Büro und ein Lager für Bürobedarf unterzubringen waren. Später folgte die Büroausstattung,<br />
schließlich die „Komplettlösung“: Bürogebäude mit Inhalt. Erst wurde nur statisch und konstruk-<br />
<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong>
Machte leider keine Schule<br />
tiv geprüft, dann schon mal die eine oder andere Zeichnung, bis sich ein Schulbauprogramm<br />
abzeichnete, bei dem er dabei sein wollte. Dafür wurde ein komplettes Fertigteilprogramm entwickelt,<br />
gern hätte der Herr Auftraggeber auch die Treppenhäuser im Baukasten gehabt. Er war<br />
einer dieser Macher, die bald Bauherr, bald Bauunternehmer und bald auch Bauübernehmer<br />
sind. Die Angelegenheit mit dem Schulprogramm ruhte eine Weile. So konnte er sich neuen<br />
Aufgaben zuwenden, beispielsweise dem Schiffbau: erst die Ausstattung, dann auch die Ausrüstung,<br />
schließlich das ganze Schiff „schlüsselfertig“. Sein Büro war zu dieser Zeit aus der Traglufthalle<br />
schon lange in einen komfortablen Bürotrakt umgezogen. Doch dann war Ende.<br />
So wie Tangotanzen plötzlich „in“ war, so ist wohl irgendein Beduinengefühl Schuld daran<br />
gewesen, dass plötzlich jedermann eines dieser weißen Zelte („Zeltlinge“) in seinem Garten aufstellen<br />
musste. Ein Zelte herstellender Unternehmer wollte deshalb von <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> wissen, ob<br />
so ein Zelt nicht auch größer, variabel kombinierbar und irgendwie auch repräsentabel machbar<br />
wäre. Ingenieurmäßig war das ein Leichtbau par excellence, aber nicht so ein dünnes Stabwerk<br />
mit Plane drüber, wie es der Unternehmer sich vielleicht vorgestellt haben mag; da waren Knoten<br />
und Eckverbindungen nötig, die brauchten gewisse Materialstärken; denn die Stiele mit ihren<br />
Verankerungen sollten Wind und Wetter trotzen. Ob der Unternehmer mit der ihm in Form<br />
einer statischen Berechnung erteilten Auskunft erfolgreich wurde, ist nicht bekannt.<br />
Oder wie wäre es mit einem Off-shore-Anleger, nicht so ein Ponton oder eine Plattform, nein,<br />
richtig stabil für Schiff-Stoß und Trossenzug. Kein Problem! <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> entwarfen einen<br />
schwimmfähigen Kasten, der in einer Schleuse hergestellt, beim Fluten durch Ballast getrimmt,<br />
mit einem Schlepper gezogen, vom zweiten achtern gelenkt und auf vorbereitetem Meeresgrund<br />
plan- und lagegerecht abgesenkt wurde. Der Anleger hat sich sehr gut bewährt. Besser als<br />
die Lösung eines Mitbewerbers, der Kreiszellen rammte, die sich neigten und setzten.<br />
0 <strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong>
Es war schon eine Frage der Ehre für unabhängige Ingenieure, die von der Bundesbahn<br />
beschenkten Gemeinden zu beraten. Als die DB AG diejenigen Brücken<br />
gratis abzugeben begann, für die sie unterhaltspflichtig war, lief diese Aktion entgegen<br />
allen Festlegungen des Kreuzungsgesetzes und allen Regelungen für die Ablöse von Unterhaltspflichten.<br />
Wenn die Bahn dieser Pflicht nämlich nur ungenügend nachgekommen war, dann<br />
schenkte sie den beschenkten Gemeinden zu der geschenkten Brücke noch einen Geldbetrag<br />
obendrauf. Bei dieser Aktion hatte die Bahn wohl am Städtetag vorbei kräftig Lobbyarbeit geleistet.<br />
Neben Betongrau und Stahlblau kann können <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> auch Laubgrün. Die Farbe Grün ist<br />
als städtisches Grün für die Landschaftspflege und die Rekultivierung etc. viel zu wichtig, als dass<br />
man sie als Farbe oder als Anstrich nur für eine Politik mit diffuser Gesinnung und Überzeugung<br />
verkommen lassen dürfte. Unter der Prämisse, dass die bewohnten Landstriche Kulturlandschaften<br />
seien, geht es für die zivilisatorische Entwicklung heute darum, Gestaltung und Bebauung der<br />
Landschaft sehr behutsam anzugehen. Bauwerke können Teile der Landschaft werden, wie die<br />
Burgen am Rhein, können Maßstab sein, wie die Fehmarnsundbrücke oder Akzente wie die Moselbrücke.<br />
Wer E-Strom braucht, kann auch ein Kraftwerk mit halbkugeligem Schutzschild und kegeligen<br />
Kühltürmen hinnehmen, Windparks sind landschaftsästhetisch akzeptabel einzuordnen. Baumaßnahmen,<br />
die große Flächen beanspruchen, geht meist ein Flurbereinigungsverfahren voran,<br />
das die Landstruktur wieder auf den Stand bringt, der jenem ähnelt, den viele Generationen vor<br />
uns kannten und liebten. Mit den Ausgleichsflächen für beanspruchtes Gelände wird heute mehr<br />
erreicht, als die Landwirte mit ihren Brachflächen es je könnten. Ein neues Bauwerk steht nicht in<br />
einer Wüste, da sind Pflanzpläne, die mehr Grün bewirken, als vorhanden war. So sind Deiche „grüne“<br />
Bauwerke, wie auch Speicher- und Rückhaltebecken. Unter den hohen Brücken sowieso, aber<br />
Etwas Grünes im Herbst<br />
<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong> 1
Behutsame Restaurierung zur weiteren Nutzung<br />
2 <strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong>
<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong>
auch unter den niedrigen könnte mit etwas Aufwand viel Grünes gedeihen. Nicht nur nach Hochwässern<br />
können <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> in den ertrunkenen Parks deren Wunden behandeln, der bauliche<br />
Teil der Gartenschau in <strong>Schleswig</strong> ziert als Beispiel die lange Liste der Referenzen.<br />
Gemälde und Plastiken werden vom Künstler meistens aus sich heraus geschaffen. Sinn,<br />
Zweck und Nutzen von Werken der verschiedenen Kunstrichtungen hinterfragen nur Banausen.<br />
Die wahre Objektkunst ist aber der Gartenbau mit lebenden Objekten, die einen authentischen<br />
Eindruck von den <strong>Jahre</strong>szeiten vermitteln, ihn vielleicht selber als Objekt einbeziehen. Deshalb<br />
ist es immer wieder schön, nach den nützlichen Dingen des täglichen Lebens, die mit den Methoden<br />
der Statik bemessen oder durch Sickerlinien dimensioniert werden, nach einem Tag voller<br />
Zahlen und Zeichnungen also, einen Spaziergang in einem Park oder in einer städtischen<br />
Grünanlage zu unternehmen. Es tut wohl, zu sehen und zu erleben, dass <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> in den<br />
ersten fünfzig <strong>Jahre</strong>n seines Bestehens auch sehr viel für die Gärten und Parks vieler Schulen,<br />
Stadtregionen und Schlösser gestaltend tätig geworden sind, in denen heute die Kinder wie in<br />
einem eigenen Reich herumtollen und spielen, oder wenn man sieht, dass die Menschen im<br />
stadtgrünen Grase liegend ihre Mittagspause und die Sonne genießen oder wenn im Schlosspark<br />
müßig, aber nicht gelangweilt, gelustwandelt wird.<br />
Der obligatorische Schwan kommt dann von ganz alleine angeschwommen.<br />
Aller Voraussicht nach ist aber nicht zu erwarten, dass <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> in fünfzig <strong>Jahre</strong>n in einem<br />
Atemzug mit Augustin Lenné genannt werden …<br />
<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong><br />
Öffentliches Grün für alle
PONS<br />
PARS<br />
V ITA<br />
<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong><br />
PONS PARS VIA: Begriff römischer Rechtsprechung