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50 Jahre Ingenieurbüro Böger + Jäckle - VSVI Schleswig-Holstein

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1961 – 2011<br />

<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong><br />

<strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong><br />

Eine etwas andere Chronik<br />

von Wolf-Dietrich Karras


Vorgezogenes Nachwort<br />

Nach der Lektüre dieser Broschüre wird es dem Leser wahrscheinlich genauso wie dem Verfasser<br />

ergehen: rückblickend erscheint unsere Entwicklung zielstrebig, planvoll und folgerichtig. Dem<br />

ist jedoch nicht so. <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> gediehen in fünfzig <strong>Jahre</strong>n aus kleinsten Verhältnissen ganz<br />

unsystematisch und mehr zufällig zu jenem respektablen und respektierten <strong>Ingenieurbüro</strong>, das<br />

es heute ist. Dabei spielten Zufälle eine ebenso große Rolle wie fachliches Können und berufliche<br />

Leistung und, nicht zuletzt, das Vertrauen unserer Auftraggeber.<br />

Anfangs waren wir ein kleiner Haufen, der sich zu jeder Ingenieurarbeit befähigt fühlte. Eines<br />

aber konnten wir und wollten wir besonders gut: BRÜCKEN BAUEN! Schnell kamen andere Ingenieuraufgaben<br />

für den Tunnelbau und insbesondere für den konstruktiven Wasserbau und den<br />

Hochwasserschutz hinzu. Diese unsere Berufung haben wir aber nicht etwa transzendent begriffen,<br />

sondern sehr real. Wir wollten nicht für die Ewigkeit bauen, das hatte schon das „Dritte Reich“<br />

vergeblich versucht. Dessen geplanten baulichen Halbwertzeiten waren nur mit denen der sakralen<br />

Sphäre vergleichbar, in der übrigens als Erbauer von Kirchen und Klöstern gern Bischöfe<br />

statt Baumeister genannt werden. Damals hieß es wie heute: Bauwerke haben viele Väter, was<br />

zumindest für Entwurf, Ausführung und Prüfung gilt.<br />

In diesen Ressorts sind <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> seit fünfzig <strong>Jahre</strong>n tätig, und einige unserer Projekte<br />

heben sich, das dürfen wir mit Stolz und ohne Übertreibung sagen, durch Gestaltung oder Bauweise<br />

aus der Masse hervor, andere, weniger sichtbar, durch ihre innovative Technik. Erst genaues<br />

Hinsehen offenbart dem Betrachter bauliche Eigenheiten, vielleicht auch schon erste<br />

Spuren der Zeit. Letztlich sind aber alle unsere Bauten Teile des Ganzen unserer großen gebauten<br />

Welt.<br />

Nicht zuletzt sei auch an die mehr als 100 ehemaligen und tätigen Mitarbeiter der vergangenen<br />

<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> erinnert und ihnen gedankt.<br />

An allen Bauwerken, auf die der Leser bei der Lektüre hier stoßen wird, haben <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong><br />

maßgeblich mitgewirkt; und es ist nur eine begrenzte beschränkte Anzahl, die hier erwähnt<br />

wird.<br />

<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong>


Schwierige Realisierung eines schwierigen Entwurfs<br />

<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong>


<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong>


Eine Publikation der<br />

BÖGER + JÄCKLE<br />

Gesellschaft Beratender Ingenieure mbH & Co. KG<br />

Heidekoppel 4<br />

24558 Henstedt-Ulzburg<br />

Tel.: 04193/9008-0<br />

Fax: 04193/9008-44<br />

www.boeger-jaeckle.de<br />

Redaktion:<br />

Klaus Werwath, Königswinter<br />

Layout und DTP:<br />

Satz-Studio Heimerl, Würzburg<br />

Druck:<br />

Farbendruck Brühl GmbH<br />

97340 Marktbreit<br />

www.farbendruck-bruehl.de<br />

Nicht alle Bilder dieser Broschüre konnten mit eine Quellenangabe versehen werden. Sofern<br />

dadurch urheberrechtliche Ansprüche verletzt worden sein sollten, bitten wir diejenigen, die<br />

solche erheben möchten, sich mit den Herausgebern in Verbindung zu setzen.<br />

<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong>


Inhaltsverzeichnis<br />

Unsere Wurzeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8<br />

Der Start. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10<br />

Frühe Tätigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11<br />

Bypässe gegen den Verkehrsinfarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12<br />

Paddeltour . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15<br />

Stahlbau – Worldwide Eengineering . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19<br />

Fischzüge im Submissionsanzeiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21<br />

Modellstatische Versuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22<br />

Rechner groß und klein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23<br />

Wachstum und Wandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25<br />

Die Störbrücke. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27<br />

Kontrolle und Vertrauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33<br />

Der Weg nach Norden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33<br />

Kiel-Legung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37<br />

Kaiser Wilhelm? Das war einmal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39<br />

Überraschende Perspektiven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45<br />

Trutz Blanke Hans. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47<br />

Der rote Felsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51<br />

Die graue Stadt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52<br />

Schall und Rauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53<br />

Schwere Geburt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55<br />

Verdeckte Tätigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56<br />

Weiße Flecken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59<br />

Fitnessprogramm. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60<br />

Damit der Schornstein raucht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68<br />

Die Kraft der Kerne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68<br />

Wir können auch anders . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69<br />

Nicht alle abgebildeten Bauwerke werden im Text erwähnt oder beschrieben; die Bilderfülle<br />

dient der möglichst umfänglichen Darstellung der Vielfalt der von <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> bearbeiteten<br />

Bauwerke.<br />

<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong>


Unsere Wurzeln<br />

Im November 1961 gründeten die Diplom-Ingenieure<br />

Hajo <strong>Böger</strong> und Hermann <strong>Jäckle</strong><br />

als Gesellschaft Bürgerlichen Rechts das<br />

<strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong><br />

Beide hatten nach ihren Examina (Hajo <strong>Böger</strong> an der TH Hannover, Herman <strong>Jäckle</strong> an der TH<br />

Karlsruhe) eine erste berufliche Anstellung im renommierten <strong>Ingenieurbüro</strong> von Dr.-Ing. Hellmut<br />

Homberg in Hagen in Westfalen gefunden. Hombergs Name mag heute vergessen sein, damals<br />

aber, in den fünfziger und sechziger <strong>Jahre</strong>n des vorigen Jahrhunderts, zählte er zu den Koryphäen<br />

des modernen Brückenbaus, und er gehörte mit so namhaften Ingenieurkollegen wie<br />

beispielsweise Fritz Leonhardt zu jenen Spitzeningenieuren in der damaligen Bundesrepublik,<br />

die reichhaltige Erfahrungen und erste berufliche Bewährungsproben als Ingenieure in der Organisation<br />

Todt [OT] bestanden hatten, jener militärischen Bautruppe, der während des Dritten<br />

Reiches vor allem die Realisierung von Schutz- und Rüstungsprojekten oblag. Viele Ingenieure<br />

der OT waren in den Firmen und Bauverwaltungen der jungen Bundesrepublik Deutschland tätig,<br />

in ihren Händen lag ein wesentlicher Teil des Wiederaufbaus. Diese Zeit war eine für das<br />

Bauwesen gute Zeit, denn nach der Währungsreform und im beginnenden wirtschaftlichen Aufschwung<br />

konnten viele jener Projekte wieder aufgegriffen werden, die einige <strong>Jahre</strong> zuvor des<br />

Krieges wegen hatten zurückgestellt werden müssen. Die Teilung Deutschlands und die daraus<br />

resultierende geografische Nord-Süd-Ordnung der Bundesrepublik erforderten zudem eine ungewohnte<br />

neue Ausrichtung der anschwellenden Verkehrsströme.<br />

Homberg war ein ambivalenter Charakter. Als Ingenieur konnte er über mathematische Reihen<br />

stundenlang und geduldig Querverteilungszahlen rechnen, und er freute sich berechtigterweise<br />

sehr, als später die Computer seine Werte bestätigten. Auf der anderen Seite konnte es<br />

<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong><br />

H. <strong>Böger</strong> H. <strong>Jäckle</strong><br />

Fotos: B+J Archiv


Klare Sache in Rendsburg<br />

geschehen, dass er, als passionierter Reiter, ohne weiteres auch schon mal den einen oder anderen<br />

seiner Zuchthengste kastrierte, wenn der denn partout nicht parieren wollte.<br />

Seinen Mitarbeitern im Büro zahlte Homberg Spitzengehälter, verlangte aber auch abgesicherte,<br />

immer exakt überprüfte Ergebnisse. Das führte gelegentlich dazu, dass ihm Ergebnisse<br />

von gestern vorgelegt wurden, wenn die Rechnung von heute alles in Frage stellen konnte. Für<br />

die Konstrukteure war sein obligatorischer morgendlicher Gang durch das Büro eine Sache des<br />

Hangens und Bangens, denn ihr Chef erfasste ihre Zeichnungen mit einem Blick – und nervte<br />

mit dem ewigen Spruch: „Wenn ich da hingucke, will ich dort das Maß sehen.“ In jenen <strong>Jahre</strong>n<br />

reichte das Tätigkeitsspektrum seines Büros von Großbrücken bis zum täglichen Brot der Einfeldbrücken;<br />

letztere allein schon, um die Grundlagen des Buches „Schiefe Stäbe und Platten“ abzurunden,<br />

das Homberg damals in Arbeit hatte.<br />

Diese Publikation beruhte auf Modellversuchen, das heißt, auf Messungen an einfeldrigen<br />

Al-Platten mit entsprechender Belastung. Diese Versuche konnten bis zu Einflusslinien für Auflagerkräfte<br />

vervollkommnet werden. Eine von Hermann <strong>Jäckle</strong> angeregte Erweiterung auf durchlaufende<br />

zweifeldrige Platten erledigte sich durch einen Anruf beim Verkehrsministerium, weil<br />

keine ausreichenden Fördermittel verfügbar waren.<br />

<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong>


Homberg war nicht nur ein herausragender Beratender Ingenieur, sondern auch ein ebensolcher<br />

Prüfingenieur für Baustatik, als der er sein ingenieurwissenschaftliches Können entwickelte,<br />

trieb er doch jeden Kollegen, auf dessen Tisch ein Prüfauftrag gelandet war, zu akribisch genauen<br />

Untersuchungen der Randbedingungen und der realen und möglichen Belastungen an!<br />

Waren diese Einflüsse abgedeckt, wurde die weitere Prüfung zur reinen Formsache.<br />

Während des Krieges war zwangsweise recht primitiv gebaut worden, jetzt aber, in der Zeit<br />

der ersten Anstellung Hajo <strong>Böger</strong>s und Hermann <strong>Jäckle</strong>s im <strong>Ingenieurbüro</strong> von Hellmut Homberg,<br />

begann die stürmische technische Entwicklung der Bautechnik, insbesondere des Stahlbrückenbaus,<br />

der Verbundbauweise und des Spannbetonbaus, die nun nicht mehr unter dem<br />

Diktat des Staates an ihre technischen Grenzen geführt wurden, sondern unter dem der Wirtschaftlichkeit<br />

– allerdings mit vielen negativen Folgeerscheinungen.<br />

Die Zwänge dieser Entwicklung hatten <strong>Böger</strong> und <strong>Jäckle</strong> geprägt, als sie sich entschlossen,<br />

inzwischen verheiratet und mit Hausstand und Kindern gesegnet, gemeinsam den Weg in die<br />

Selbstständigkeit zu wagen. Doch unterschiedlicher als diese beiden konnten zwei Kollegen<br />

nicht sein, die das wagten: der eine hatte seine heimatlichen Wurzeln zwischen Bremen und<br />

Hamburg, der andere kam aus dem südlichen Schwarzwald; der eine war Segler, jederzeit ad hoc<br />

den Kurs zu ändern bereit, um Ziel und Zweck zu erreichen, der andere war Schachspieler, stets<br />

bemüht, aus Aktion und Reaktion abwägend und vorausschauend seinen Weg zu finden; der<br />

eine hatte den Gesellenbrief in der Tasche, der andere stoppelte mühsam die für das Studium<br />

erforderlichen Praktika zusammen; der eine neigte dem Stahlbau zu, der andere dem Massivbau.<br />

So ergänzten sich beide vortrefflich. Es konnte also gar nichts schiefgehen.<br />

Der Start<br />

Hellmut Homberg begrüßte und förderte den Weg seiner Mitarbeiter in die Selbstständigkeit.<br />

Vor <strong>Böger</strong> und <strong>Jäckle</strong> waren ihn schon Dipl.-Ing. Richard Lebherz und Dr.-Ing. Bernward Büsse<br />

nach Münster, Dr.-Ing Wolfhardt Zahlten nach Wuppertal und Dr.-Ing. Walter Ropers nach Bremen<br />

gegangen.<br />

Für unsere beiden jungen Bürogründer erhob sich nun die Standortfrage. Unbestritten zählte<br />

<strong>Schleswig</strong>-<strong>Holstein</strong> damals verkehrstechnisch zu jenen Regionen, in denen wegen des anschwellenden<br />

West-Ost-Transitverkehrs unmittelbarer Handlungsbedarf bestand. Mit einer Niederlassung<br />

im nördlichen Einzuggebiet von Hamburg könnte sich, so überlegten beide, später<br />

in der Hansestadt ein zweites Standbein entwickeln. So fiel die Wahl auf Ulzburg, eine Gemeinde,<br />

die sich von einem ländlichen Flecken mit Bahnanschluss zu einem Ort mit neuen Siedlungen<br />

für in Hamburg Berufstätige entwickelt hatte, die hier in Ruhe wohnen wollten. In einer dieser<br />

Siedlungen wurde nun ein ganz normales Reihenhaus gemietet.<br />

Neben Wagemut und Selbstvertrauen gehörten zur Gründung eines <strong>Ingenieurbüro</strong>s auch<br />

sehr profane Dinge, Dinge, die damals ganz normal waren, heute aber, fünfzig <strong>Jahre</strong> später,<br />

durchaus erwähnt werden müssen. Die Grundausstattung der Fachliteratur waren der „Schleicher“<br />

oder „Hütte“ (Bd. III), „Stahl im Hochbau“, „Wendehorst“, „Anger“, „Kleinlogel“, „Pucher“ und der<br />

jeweils aktuelle Jahrgang des „Betonkalenders“. Gerechnet wurde von Hand, und dafür genügte<br />

ein Rechenschieber; fast ein Luxus war eine mechanische Vierspezies-Rechenmaschine. Für die<br />

10 <strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong>


Zeichenarbeit waren die altvorderen Reißbretter von den sogenannten Parallelogramm-Zeichenmaschinen<br />

abgelöst worden, deren Justierung aber noch einer<br />

langen Reißschiene bedurfte. Zum Schreiben und Zeichnen bediente man sich<br />

der bekannten grünen TK-Stifte mit Minen der verschiedensten Härtegrade – bis 12H (das waren<br />

schon Waffen, mit denen so mancher technische Zeichner im erregten fachlichen Disput durchaus<br />

einen subkutan dauerhaft sitzenden schwarzen Punkt verpasst bekommen hat). Später lagen<br />

auf unseren Tischen noch Rasterfolien, Beschriftungsmaschinen und ein Satz Kurvenlineale<br />

herum. Ein großes Problem war immer die Vervielfältigung. Die Berechnungen und Entwürfe<br />

wurden – das war der Stand der Bürotechnik – auf Transparentpapier geschrieben und gezeichnet<br />

und dann mit einem Lichtpausgerät kopiert. Außerdem war eine Schreibmaschine erforderlich<br />

(nicht nur für die Korrespondenz), obwohl deren Schriftbild selbst mit einem frischen Farbband<br />

nur bedingt pausfähig war. Deshalb wurde das zu beschreibende Transparentpapierblatt<br />

mit einem gelben Transferbogen hinterlegt, wodurch auf der Rückseite der Text spiegelbildlich<br />

in Gelb erschien. Entsprechend aufwendig war die spätere Korrektur. Inzwischen war übrigens<br />

auch eine kleine Mannschaft aus Bauingenieuren und einer technischen Zeichnerin zusammengestellt<br />

worden. Und als Firmenwagen stand der VW von Hajo <strong>Böger</strong> zur Verfügung. Es konnte<br />

also losgehen!<br />

Frühe Tätigkeiten<br />

Der Zeitpunkt, ab dem <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> Ingenieurleistungen erbracht haben, lässt sich nicht mehr<br />

genau bestimmen. Nachdem Hajo <strong>Böger</strong> das Büro Homberg in Hagen verlassen hatte, um das<br />

eigene gemeinsame Büro vorzubereiten, brachte Hermann <strong>Jäckle</strong> in Hagen noch wichtige Aufgaben<br />

zu Ende. Der eine rechnete zwischendurch den Überbau eines Sieles nach, der andere ein<br />

Silo im Wickelspannverfahren des Klärwerkes in Rendsburg. Für die weitere Entwicklung des<br />

jungen Büros zahlte es sich jetzt aus, das in Hagen Gelernte und Geübte in Form des kompletten<br />

Entwurfs einer massiven, einfeldrigen Überführung vorlegen zu können. Mit dem örtlichen Straßenbauamt,<br />

dem übergeordneten Landesstraßenbauamt, mit der Bundesbahn und mit dem<br />

Baugrundgutachter waren alle potenziellen Auftraggeber und Partner versammelt, und man<br />

lernte schnell ihre jeweiligen Wünsche kennen. Der Inhalt eines solchen Entwurfes war in Westfalen<br />

und in <strong>Schleswig</strong>-<strong>Holstein</strong> wohl gleich, doch gab es länderspezifische Varianten, die zu<br />

berücksichtigen waren. Richtzeichnungen gab es noch nicht, und für Bauwerkdetails waren damals<br />

gerade erst die SH-Normen im Entstehen. Bis die allerdings vollendet waren, verwies das<br />

Amt auf Bewährtes, entsprechend wurde im Büro für Details lange auf diesen ersten kompletten<br />

Entwurf zurückgegriffen. Das schloss aber nicht aus, im Rahmen der Vorentwürfe und Voruntersuchungen<br />

auch abweichende Lösungen vorzustellen, die jedoch eingehend zu begründen<br />

waren.<br />

Für die gewachsenen, traditionellen Straßenbauämter nahmen im Lauf der Zeit die Planungsaufgaben<br />

einen Umfang an, der die Einrichtung von Neubauämtern notwendig machte, die<br />

dann ihrerseits weitere Schwerpunkte der Tätigkeit des Büros <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> markierten. Unter<br />

diesem Aspekt liest sich die Objektliste des Büros für Straßenbrücken und Straßentunnel wie ein<br />

Teil der Geschichte der Verkehrspolitik und des Straßenbaus des ganzen Landes.<br />

<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong> 11


Bypässe gegen den Verkehrsinfarkt<br />

Der erste Entwurf war nicht die Krone der Ingenieurskunst, sondern saubere Arbeit, die aber,<br />

zurückschauend, für die damalige Verkehrspolitik bezeichnend war. Es wurde alles noch der Not<br />

gehorchend gehandhabt: staute irgendwo der Verkehr oder kam es zum Infarkt, wurde als Therapie<br />

ein Bypass gelegt, also, im genauen Sinne dieses Wortes, eine Umgehungsstraße gebaut.<br />

Man war damals der Auffassung, dass man, wenn es sich denn später als erforderlich erweisen<br />

sollte, die einzelnen Abschnitte ja immer noch zu einem Ganzen würde verbinden zu können.<br />

Dies war in einer Zeit, da in Aachen schon mit weißer Flagge und dem grünen E für Europa demonstriert<br />

wurde; für ein Europa aber, das sich nicht nur nach Westen erstreckte, sondern, von<br />

Skagen bis Sizilien, auch nach Norden und nach Süden. Selbst die Vogelfluglinie war, noch auf<br />

Vorkriegsplanungen beruhend, jahrelang nicht an ein adäquates Straßennetz angebunden.<br />

Einer der Verkehrsbrennpunkte war in <strong>Schleswig</strong>-<strong>Holstein</strong> ab 1962 die Verlegung und der Ausbau<br />

der B 5 von Krupunder (Landesgrenze Hamburg) bis hinter Pinneberg, nämlich bis zum<br />

Anschluss an die Landesstraße nach Quickborn. Durch den Trend, in Hamburg zu arbeiten, aber<br />

im Randgebiet zu wohnen, herrschten dort unhaltbare Zustände – nicht nur wegen des damit<br />

erzeugten Berufsverkehrs. Für LKW bestand beispielsweise keine andere Möglichkeit, als sich<br />

durch das schöne Städtchen Rellingen zu quälen, was dessen urbane Qualität fast vernichtet<br />

hätte. Man kann sich heute kaum noch vorstellen, dass, ohne an den allgegenwärtigen Einsprüchen<br />

mehrerer Bürgerinitiativen zu scheitern, eine mehrspurige Fernstraße so ortsnah gebaut<br />

wird, praktisch inmitten und umringt von der städtischen Bebauung.<br />

Über die Brückenbauwerke auf dieser Strecke ist zu erwähnen, dass das erste Bauwerk, der<br />

Anschluss Krupunder, nachdem Baufirma und Amt gänzlich miteinander quer lagen, die erste<br />

Unten/Oben in Schwarzenbeck<br />

12 <strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong><br />

Foto: B+J Archiv


Bauüberwachung von <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> wurde. Zu erwähnen ist auch die neue Fußgängerbrücke,<br />

die alte nachbarschaftliche Bande wieder zusammenfügen sollte,<br />

nachdem sie von der neuen Bundesstraße durchgeschnitten worden waren. Sie<br />

überspannt dreifeldrig mit sanftem Bogen elegant die Straße, die selber in einer Kurve liegt, ruht<br />

auf schlanken V-förmig angezogenen Stützen, die die immer schärferen Anprallkriterien nur mit<br />

Mühe erfüllen. Gefällig ist das Ganze schon, und für Autofahrer gar nicht auffällig und kaum bemerkbar;<br />

für ein anderes Überführungsbauwerk der neuen B 5, von dem der Autofahrer erst<br />

Recht keine Notiz nimmt, machten <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> die Ausführungsplanung.<br />

Ähnlich eng ging es nördlich von Flensburg zu, wo topografische Hinterlassenschaften der<br />

Eiszeit Planung und Bauarbeiten erschwerten. Der ständig wachsende Verkehr nach und von<br />

Dänemark, nicht nur der gewerbliche, sondern auch der private (Porno-Shops drüben/Spirituosen-<br />

und Weinläden hüben), erforderten eine großzügige Lösung, die als Bundesstraße 200<br />

ab 1964 dann auch gebaut wurde. Die kreuzenden Verkehrswege wurden, je nach Höhenlage<br />

des umgebenden Geländes, mit Brücken über- oder in Tunneln unterführt, wofür <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong><br />

bis 1967 insgesamt acht Bauwerksentwürfe fertigten. Für die Überführung des Marienhölzungsweges<br />

war zum Beispiel ein Dreifeldsystem im Gespräch, dieses wurde ein Rahmen mit<br />

schrägen Stielen und „angehängten“ Endfeldern. Um die Idee der Felder zu betonen, die an das<br />

Haupttragwerk des Schrägstielrahmens „angehängt“ werden sollten, wurde vorgeschlagen,<br />

deren Überbaubreite etwas zu verringern. Diese rein konstruktive Gestaltung der Ingenieure<br />

wurde jedoch abgelehnt. Die Architekten aber konnten später dann, als „Brückenbauer“, machen,<br />

was immer sie wollten. Die verkehrlichen Kapazitäten der neuen B 200 stießen wegen<br />

des kleinen und großen Grenzverkehrs mit Dauerstau durch die Zollkontrollen an ihre Grenzen.<br />

Für den Fernverkehr bedurfte es daher dringend der benachbarten A 7. Wer heute auf der<br />

alten B 76 durch Flensburg gen Norden fährt, auf der B 200 oder auf der A 7 nach Dänemark,<br />

der wird sich dieses jahrzehntelange Chaos kaum noch vorstellen können. Grenze? Das war<br />

einmal!<br />

Die Vogelfluglinie und ihre Vorkriegsplanung wurden bereits erwähnt. Nach fast einem Jahrhundert<br />

stagnierenden Verkehrsausbaus im östlichen Wagrien, war die Deutsche Bundesbahn<br />

damals die treibende Kraft, einen Wandel zum Besseren zu schaffen. Die Bahnlinien von Eutin<br />

und Lübeck endeten in Neustadt – in einem Kopfbahnhof! Später ging es von dort mit einer<br />

Kleinbahn weiter, die über ein Trajekt auch Fehmarn erreichte. Die Unhaltbarkeit dieser Situation<br />

wurde schon im „Dritten Reich“ erkannt, weshalb in dieser Zeit – wie für Rügen – eine Querung<br />

des Fehmarnsundes geplant wurde, was aber wegen des Krieges nicht weiter verfolgt werden<br />

konnte. Für Fernzüge, die sich später durch das Hügelland in Richtung Fehmarn oder Dänemark<br />

schlängelten, war am Kai Großenbrode Endstation. So war es inzwischen dringend geboten,<br />

nicht nur den Fehmarnsund mit einer Brücke zu queren, sondern auch für den Fehmarnbelt eine<br />

leistungsstarke Fährverbindung zu schaffen. Dieses Ziel wurde 1963 erreicht und allseits gefeiert.<br />

Derzeit ist geplant, diese Fährverbindung durch eine feste Tunnelquerung zu ersetzen. Während<br />

sich also der Straßenverkehr streckenweise noch immer über die alte B 207 quälte, war die Bahn<br />

fein raus. Ein Knackpunkt indes waren Neustadt mit Altstadt und Hafen, der im Süden an der<br />

Neustädter Bucht liegt. Deshalb blieb nur der Weg im Norden, um das sogenannte Binnenwasser<br />

herum, eine verlandete Meeresbucht, an der als ursprüngliche Hafenstadt Altenkrempe liegt.<br />

Mit fortschreitender Verlandung wurde dieser Hafen seinerzeit aufgegeben und näher zu Mündung<br />

des Binnenwassers in die Ostsee mit einer neuen Stadt (Neustadt) verlegt.<br />

<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong> 1


Schöne Gegend! Doch ein verlandender See riet zu Vorsicht. Das Wasser stand dort praktisch<br />

in Höhe der Oberkante des Geländes, in etwa zwei Meter Tiefe dann, unter Schwemmsanden,<br />

kamen erst tragfähige Schichten. Die Bahn hatte seinerzeit ebenfalls diesen Weg um das Binnenwasser<br />

gewählt und war nun zu unterführen. Was die Bahn seinerzeit im Baugrund gemacht hat,<br />

war nicht mehr feststellbar, jedenfalls durften weder ihre Trasse noch das Biotop des Gewässers<br />

für einen Bodenaustausch durch Baggerarbeiten gestört werden. Zur Gründung der Eisenbahnunterführung<br />

und die Querung des eigentlichen, noch offenen Binnenwassers wurden rechteckige<br />

Senkkästen vor Ort betoniert und als Brunnengründung abgesenkt. Auf dieser bereits vierspurig<br />

gebauten Umgehungsstraße, später zur E4/A1 befördert, waren mit den Anschlussbauwerken<br />

acht Über- und Unterführungen zu bearbeiten.<br />

Die Stadt und Europastadt Schwarzenbek, südlich der Schwarzen Beke im Kreis Herzogtum<br />

Lauenburg gelegen, war wegen ihrer zentralen Lage im Süden des Kreises schon immer<br />

eine Kreuzung von Post- und Handelswegen. Ihre landschaftliche Idylle änderte sich<br />

gravierend, als, just über Schwarzenbek statt über Lauenburg, die Trasse der Eisenbahnstrecke<br />

von Hamburg nach Berlin geführt wurde. Die Bahnstrecke nahm die schmale Niederung<br />

ein, und die Beke wurde einfach verrohrt. So gab es nun Übergänge über die Bahn statt<br />

über die Beke. In dem Maße, in dem der Güter-, Fern- und Nahverkehr auf der Bahn zunahmen,<br />

verminderten sich die Öffnungszeiten der Schranken und lähmten das öffentliche Leben<br />

über Gebühr. Eine Lösung ließ, wegen des Schicksals der B 404, lange auf sich warten.<br />

Schließlich wurde 1983 für die B 404 und für die B 207 eine mehrfeldrige Spannbetonbrücke<br />

über die Bahn gebaut. Bei dieser Gelegenheit konnte auch die Schwarze Beke, zumindest<br />

teilweise, wieder freigelegt werden. Anschließend (1992) wurde für Fußgänger und Radfahrer<br />

mit einem Tunnel unter der Bahn hindurch eine kurze Verbindung von Süd nach Nord<br />

geschaffen.<br />

In die Frühphase des <strong>Ingenieurbüro</strong>s <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> fiel auch der Bau der Umgehungsstraße<br />

Itzehoe, der Verlegung der B 5 also, die, nach der Querung der Stör, über die Delftorbrücke durch<br />

die Neustadt führte, dann über die Störschleife ihren Weg auch noch durch die Altstadt nahm<br />

und praktisch die ganze Stadt mit ihrem wachsenden Verkehr erheblich belastet hatte. Auch für<br />

diese Straße gab es Planungen aus der Vorkriegszeit, und zwar mit zwei Varianten: Die eine sah<br />

die Überquerung der Stör oberhalb von Itzehoe vor, hier für Flusskähne schiffbar, die andere<br />

unterhalb der Stadt, dort dann aber mit Küstenmotorschiffen befahrbar. Die erste Lösung schied<br />

aus, da die Umgehungsstraße die Entwicklung der Wohngebiete stark eingeengt hätte, die im<br />

Westen liegende zweite Variante verlief hingegen weitgehend in der Störmarsch. Als Sofortmaßnahme<br />

wurde aber erst mal die Trasse der B 5 auf ihrem letzten Kilometer vor der Stadt, das heißt,<br />

bis zur Delftorbrücke geändert.<br />

Vermutlich ist schon Karl der Große hier vorbeigekommen, als er an der Eider mit den Dänen<br />

Grenzfragen klären wollte. Hier wurden die Ochsen, von den Weiden hoch im Norden kommend,<br />

nach Süden weitergetrieben, hier legten in der Neuzeit die Dänen eine Chaussee an, die<br />

dann später zur Reichs- und Bundesstraße wurde. Von Süden her wurde gemäß den damaligen<br />

Chaussierungs-Usancen in einer geraden, unfallträchtigen Gefällestrecke der Geländesprung<br />

vom Geestrücken in das Tal überwunden und lief, nach der Änderung teilweise auf einem Damm,<br />

in einem großen Bogen auf die Brücke vor dem Delftor zu. Hier bestand schon lange eine feste<br />

Querung der Stör, deren letzte Ausführung nun nicht mehr den Anforderungen genügte und<br />

ersetzt werden sollte. Doch davon später.<br />

1 <strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong>


Die dann ausgeführte Umgehungsstraße verläuft in einem weiten Bogen westlich<br />

um Itzehoe herum. Sie band an den alten Trassen auf den rund 25 Meter hohen<br />

Geestrücken an, die das Ufer des Urstromtals bilden, das dort mehr als 15<br />

Meter tief mit Klei zugeschwemmt ist. Die Bebauung der Stadt mit ihren Verkehrswegen liegt<br />

weitgehend auf den Geesthängen und macht dort die meisten der acht Kunstbauten erforderlich,<br />

unter ihnen eine vierfeldrige Spannbetonbrücke als Sonderentwurf des <strong>Ingenieurbüro</strong>s<br />

<strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong>. Zwischen den Geesträndern schwingt sich, nach einem kurzen Dammbereich, die<br />

neue Störbrücke mit rund 1,2 Kilometern Länge über die Niederung der Stör. Dieses Bauwerk ist<br />

ein Kapitel für sich.<br />

Paddeltour<br />

Eine Bootspartie von Kiel nach Süd-Ost ist viel verlockender als eine Autofahrt entlang der B 76,<br />

zumal dann, wenn die Schwentine dafür benutzt wird. Sie kommt, im Gegensatz zur Eider, die<br />

von Kiel nach Westen fließt, aus der <strong>Holstein</strong>ischen Schweiz, durchfließt zahlreiche Seen, trieb<br />

etliche Mühlen an und mündet in die Kieler Förde. Sie war einst der Grenzfluss zu Wagrien, dem<br />

Rückzugsgebiet der Slaven, die zwar keine Heiden waren, aber Helden auch nicht, denn sie<br />

wehrten sich zwar vehement gegen das System der Kirche, mussten dann aber letzten Endes<br />

doch das Bistum im entvölkerten Oldenburg hinnehmen.<br />

Stimmung an der Mündung<br />

<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong> 1


Die Mündung der<br />

Damit die Damen Ruhe haben<br />

Schwentine liegt in jenem<br />

tiefen Einschnitt, der einst<br />

einen Werft-Marine-Hafen<br />

aufnahm und wo Anleger<br />

für Frachtkähne lagen und<br />

der letzte Mühlenstau noch<br />

besteht.. Über ihn verlief<br />

die Landstraße einstmals<br />

von Kiel in die Probstei,<br />

kroch am nördlichen Ufer<br />

mühsam den Hang hinauf.<br />

Heute verbindet hoch<br />

oben eine Brücke beide<br />

Ufer; der alte Stau indes,<br />

mit Damm und Schleuse,<br />

Schützen, Bootsschleppe,<br />

Brücke, Brückchen, Weiher<br />

und mit einer alten Mühle,<br />

der alte Stau ist heute, nach<br />

Restaurierung und Wiederbelebung, ein malerisches und touristisch attraktives Ensemble. Ein<br />

Besuch ist lohnenswert.<br />

Nach rund sechs Kilometern flussaufwärts nähern wir uns auf unserer fiktiven Paddeltour der<br />

Stadt Raisdorf und damit auch der B 76, die hier zusammen mit der B 202 verläuft. Das lässt<br />

nichts Gutes ahnen, denn so, wie viele Wanderer und Ausflügler die Umwelt denaturalisieren, so<br />

machen ihre automobilen Vehikel ab einer gewissen Verkehrsdichte nicht nur die Straßen als<br />

solche kaputt, sondern auch die Straße als städtischen Raum, besonders dann, wenn sich da<br />

auch noch Einkaufszentren breitmachen dürfen. So ging es auch in Raisdorf zu, und man entschloss<br />

sich deshalb, die Straße abzusenken und mehrspurig auszubauen. Da wurden Schlitzwände<br />

und Brücken erforderlich, alles sauber entworfen, bis ein Architekt sich mit Filzstift, Papier,<br />

Schere und Kleber einfand, um die Entwürfe in seinem Sinne architektonisch im Rahmen der<br />

statischen Zulässigkeit zu gestalten. Die ihrer Funktion entsprechenden vertikalen Elemente der<br />

Schlitzwände waren nun schräg zu verkleiden, die Fußgängerbrücke wurde zu einem Trogbauwerk,<br />

aber ausgezeichnet mit dem Deutschen Betonpreis.<br />

Wir aber setzen unsere kleine Flussfahrt fort.<br />

Es verfällt in idyllisches Schwärmen, wer nach Rastorf kommt (obwohl <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> hier bisher<br />

nichts hinterlassen hatten). Doch der dänische klassizistische Star-Architekt Christian Frederik<br />

Hansen (1756-1845) hat hier ein herrliches Herrenhaus für einen Verwandtschaftszweig derer<br />

von Rantzau gebaut, jenen Clan deutschen Uradels, der 1226 mit dem Ritter Johann Ranzow in<br />

dieser Gegend urkundlich das erste Mal auftritt.<br />

Ach! Was hilft das papierne theoretische Schwärmen! Man sollte selbst mal die Schwentine<br />

besuchen und befahren, diese alte noch immer so reizvolle Dame und Komtess.<br />

Nach wiederum etwa sechs Kilometern (die Distanz von sechs Kilometern hat die Größenordnung<br />

einer holländischen Meile) kommen wir von Raisdorf nach Preetz. Nun verlässt, wie ein<br />

1 <strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong><br />

Foto: B+J Archiv


Schmetterling nach seiner Verpuppung, die Schwentine die jetzt hinter ihr liegende<br />

Seenkette und wird zu dem Fluss, den wir bisher befahren haben. Hier ist auch<br />

für die Landstraße nach Plön die letzte Gelegenheit, mit einfachen Mitteln auf die<br />

andere Seite zu gelangen. Deshalb entstand an dieser Stelle vor fast 900 <strong>Jahre</strong>n eine Siedlung,<br />

deren Gedeihen von einem Kloster gefördert wurde, dessen prosperierende Wirkung dem Einfluss<br />

der Heideklöster wohl nicht ganz unähnlich war. Diese Klöster haben sich nach der Reformation<br />

und ihrer Umwandlung in Stifte eine Ausstrahlung auch noch als geschichtliche Torsi<br />

bewahrt, der eine Umgehungsstraße für die B 76 Rechnung trägt. Mit einer neunfeldrigen Brücke<br />

von fast 300 Metern Länge wird dabei die Niederung der Schwentine großzügig überbrückt.<br />

Unsere Komtess verlieren wir ab jetzt aber aus den Augen, denn durch fünf Seen fahren wir nun<br />

nur noch indirekt auf ihrem Wasser weiter nach Plön.<br />

In Plön treffen die B 76 und die B 430 zusammen, also die Bundesstraße von Kiel und die von<br />

Neumünster, und sie geben uns eine Ahnung davon, was für ein Verkehr sich früher auf dieser<br />

Landbrücke zwischen den Seen durch Plön hindurchzwängen musste.. Dieses Problem ist übrigens<br />

hausgemacht, denn bis zur Chaussierung führte die Landstraße nach Kiel östlich am Ort vorbei.<br />

Hatte die Kieler Chaussee schon den Trammer See und den Kleinen Plöner See durch einen<br />

Damm fast vollständig getrennt, so blieb in unserer Zeit für eine Umgehungsstraße auch nur der<br />

Weg nördlich der Altstadt über das Wasser. Und selbst da, wo es durch Gärten und Hinterhöfe ging,<br />

waren es nur verlandete Teiche, die überwunden werden mussten. Und so kam es, dass diese Umgehungsstraße<br />

praktisch aus mehreren Brückenzügen besteht, von denen nur die Region über<br />

den Stadtsee als Brücke erkennbar ist. Schwierige Verhältnisse waren das damals, denn im Wasser<br />

Tiefgründungen auszuführen und sie neben den Pfeilern der Abstützung eines schweren, freitragenden<br />

Vorschubgerüstes dienlich zu machen, das forderte durchaus den ganzen Ingenieur!<br />

Durch Seen und Tümpel … aus der Luft<br />

<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong> 1<br />

Foto: B+J Archiv


Durch Seen und Tümpel … vom Wasser aus<br />

Doch weiter geht unsere Bootsfahrt durch sechs Seen in Richtung Eutin.<br />

Auf dem Landweg sind es zwei Amsterdamer Meilen bis Eutin. War Plön einstmals noch Grafenburg<br />

mit Siedlung, so steht hier nun zwischen zwei Seen auf einem flachen Hügel die fürstbischöfliche<br />

Hofhaltung mit allem Drum und Dran; alles eng bebaut, in einem sternenförmig<br />

zulaufenden Straßennetz. Die Verkehrsmisere der Neuzeit war vorprogrammiert. Die Eisenbahn<br />

hatte sich auf den Rand des Siedlungshügels gedrängt, für eine entlastende Straße war kein Platz<br />

mehr, es sei denn, die Bahn hätte etwas Terrain ihrer ausgedehnten Bahnanlagen abgetreten. So<br />

führt nun die Umgehungsstraße in einem Viertelkreis mit rund zwei Kilometern Radius südlich<br />

um die Stadt herum, ortsfern aber naturnah. Ab hier lässt sich unsere fließende Freundin von<br />

vorhin wieder des Öfteren blicken, nun aber als junges Mädchen, als Infantin sozusagen, die vom<br />

Bungsberg herunterläuft.<br />

Barock klingt an<br />

1 <strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong><br />

Foto: B+J Archiv Foto: B+J Archiv


Stahlbau – Worldwide Engineering<br />

Wie gesagt: Hajo <strong>Böger</strong> war ein Stahlbauer aus Leidenschaft, er hatte ein erstaunliches Gefühl für<br />

Blechstärken und Schweißnähte, ein Gefühl, das dem eingefleischten Massivbauer abgeht.<br />

Nach zwei, drei kleineren Projekten, gab er mit dem Neubau der Delftorbrücke als Stahlstabbogen<br />

in Itzehoe seinen beeindruckenden Einstand als selbstständiger Ingenieur. Diese noch im<br />

Tide-Einfluss liegende Flussquerung ist, wie erwähnt, historisch, an ihr endete lange Zeit die<br />

Marschenbahn von Hamburg (auf ihrem Areal entstand später ein Zementwerk). Die zu ersetzende<br />

Brücke wies eine inzwischen viel zu geringe lichte Weite auf und hatte eine Besonderheit:<br />

Zwischen ihren Widerlagern war ein Stemmtor, das sich bei ablaufendem Wasser schloss und so<br />

die Störschleife gespült und entschlickt hat und damit schiffbar hielt. Die Störschleife war ursprünglich<br />

wohl auch der Stadtgraben, später aber doch nur rückwärtige Erschließung der<br />

Grundstücke mit kleinem Gewerbe, was wiederum eine Drehbrücke für den Gleisanschluss erforderlich<br />

machte; das Ganze war eine industriehistorische Idylle. Weil sich nach dem Krieg aber<br />

die Kleinindustrie in Itzehoe nicht wieder erholte, unterblieben das Spülen und das Entschlicken<br />

Neue Brücke für uralte Wege Foto: B+J Archiv<br />

und die Störschleife verkam. So konnte mit der neuen Delftorbrücke auch ohne den Widerstand<br />

der Bevölkerung die Störschleife für den innerörtlichen Ausbau der Bundesstraße geopfert werden.<br />

Hajo <strong>Böger</strong> war im <strong>Ingenieurbüro</strong> von Dr. Homberg ein versierter und von der Industrie anerkannter<br />

und geschätzter Stahlbaufachmann geworden. So dauerte es nach seinem Weggang<br />

aus Hagen nicht lange, bis die Stahlbauer und Hajo <strong>Böger</strong> vertrauensvoll wieder zueinanderfanden.<br />

Die alten Verbindungen führten schnell zu einigen ersten eigenen Aufträgen: den Brücken<br />

der Rhönautobahn. Nur wer in der unmittelbaren Nachkriegszeit auf der B 27 zwischen Hammelburg<br />

und Fulda schon mal unterwegs gewesen ist, wird den ingeniösen Mut zu würdigen wissen,<br />

den dieser Autobahnbau voraussetze. Eine Trasse ließ sich noch finden; doch wie sollte man<br />

Brücken bauen, wenn im Umkreis von mehreren Kilometern nur Weiler mit ihren Feldwegen zu<br />

finden waren? Da stellten Stahlüberbauten das kleinere logistische Problem dar, weil man sich<br />

für einige wenige Transporte auf der Trasse bewegen konnte. Von diesen Mühen spürt man als<br />

Nutzer der Autobahn heute nur wenig, kann allenfalls in einer Kurve für einen Augenblick die<br />

pure Natur erkennen. <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> wurden mit den Berechnungen der Überbauten mit allen<br />

Bauzuständen beauftragt, für spätere Projekte als Sondervorschlag oder Nebenangebot waren<br />

<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong> 1


Massenverteilungspläne eingeschlossen. Anders als in der Rhön war die Stadtnähe der Brücke in<br />

Bonn zur Verschwenkung der B 9 auf die Reuterstraße (zur späteren A 565) gegensätzlich problematisch,<br />

es bestand zu viel Vekehr.<br />

<strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> haben viele weitere interessante Projekte in Norddeutschland bearbeitet, so für<br />

den Elbeseitenkanal, die Autobahn Walsrode und im Hafen von Hamburg. Hier bot sich für die<br />

Ausführung einer Brücke im Freihafen eine namhafte Hamburger Werft an. Aus diesem Kontakt<br />

entwickelte sich eine Kooperation, als im Iran – noch unter der Regierung des Schahs – mit dem<br />

Bau einer Reparaturwerft begonnen wurde. Mit diesen Aufgaben wurde der bisher praktizierte<br />

Stahlbau neben Uferwänden und Hallen durch Ship-Lifts und -Slabs zu einer Art Großmaschinenbau.<br />

Der Hafen Bandar Abbas wurde von <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> schlüsselfertig geplant. Dies wiederum<br />

weckte das Interesse der Bausparte eines dort tätigen koreanischen Mischkonzerns. So wurde<br />

die Tätigkeit letztlich von Hamburg zum Persischen Golf (genauer: zur Straße von Hormus),<br />

über Singapur bis nach Indonesien weltweit ausgedehnt. Nach dem Sturz des Schahs ebbten<br />

die Tätigkeiten im Iran wieder ab und wurden, nach einem kleinen Intermezzo (Khomeini hatte<br />

den Sinn des Hafens erkannt), schließlich eingestellt.<br />

Für Singapur erarbeiteten <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> einen Angebotsentwurf für die Netzerweiterung der<br />

dortigen U-Bahn, der auf Anraten des Baugrundgutachters, jedoch zum Leid des Anbieters einen<br />

Schildvortrieb vorsah. Die Befürchtungen des Anbieters wurden wahr: Der Auftrag ging an<br />

einen Bieter, der den Profilausbruch mit direkter nachfolgender Spritzbetonsicherung zur sogenannten<br />

NÖB vorsah. Späte Genugtuung: in Construction Today wurde gemeldet, die Firma habe<br />

wegen massiver Beeinträchtigungen der Geländeoberfläche und ungenügender Sicherheit im<br />

Stollen auf Schildvortrieb umstellen müssen.<br />

Zum worldwide Engineering unseres Büros gehören auch die Entwürfe der Brückenbauwerke<br />

für den Neubau der Strecke von Port Harcourt in das Landesinnere Nigerias (statt Kapspur Normalspur<br />

und Neutrassierung), und zwar im Rahmen eines Entwicklungsplanes, der ab 1977 ver-<br />

Durch die Rhön nach Süden<br />

20 <strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong><br />

Foto: B+J Archiv


wirklicht werden sollte. Daraus wurde<br />

nichts, da Unruhen im Land derartig<br />

gewaltigen Leistungen verhinderten.<br />

Fischzüge im<br />

Submissionsanzeiger<br />

Foto: B+J Archiv<br />

In den Anfangsjahren des Büros war<br />

es schon fast ein Hobby, den Submissionsanzeiger<br />

zu lesen und Behördenentwürfe<br />

zu finden, für die, den<br />

Maritimes in den Tropen<br />

veröffentlichten Massen nach zu urteilen,<br />

mit Erfolg ein Nebenangebot<br />

oder ein Sondervorschlag erarbeitet werden könnten. Die Bauunternehmer, mit denen<br />

<strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> bis dahin bereits des öfteren gut zusammengearbeitet hatten und denen der Anzeiger<br />

auch vorlag, waren hinsichtlich ihres Interesses schnell abgefragt. Positivenfalls musste<br />

alles wie am kurzen Schnürchen klappen, denn innerhalb der Angebotsfrist waren eine Vorberechnung,<br />

die Angebotszeichnung, eine Baubeschreibung und letztlich auch die Massenermittlung<br />

zu erstellen – und dies alles so rechtzeitig, dass die Baufirma nach dem Hauptangebot auch<br />

noch das Nebenangebot kalkulieren konnte.<br />

So ein Bieterentwurf setzt sehr viel Erfahrung voraus, garantiert das <strong>Ingenieurbüro</strong> doch damit<br />

die Bauteilabmessungen, die Baustoffgüten und bei Massivbrücken die erforderliche schlaffe und<br />

Spannbewehrung, letztendlich auch noch die veränderten Lager. Bei der abschließenden Abstimmung<br />

konnte es angesichts erheblicher Preisunterschiede zwischen Haupt- und Nebenangebot<br />

schon mal vorkommen, dass der Bieter seinen Mut verlor und dass er vorsichtshalber die Massen<br />

erhöhte, oder auch, dass ein couragierter Unternehmer die Angebotssumme erhöhte, weil „wir<br />

auch nichts zu verschenken haben“. In einigen Fällen rächten sich solche Änderungen, wenn das<br />

Angebot noch hinter dem billigsten Hauptangebot landete. Immer aber gab es noch die vage<br />

Hoffnung auf die Angebotsprüfung, in der nicht nur dummdreiste „Rechenfehler“ gefunden wurden,<br />

sondern auch geprüft wurde, ob ein Angebot angemessen und auskömmlich sei. Der Bauherr<br />

war und ist rechtlich nicht verpflichtet, das billigste Angebot zu beauftragen; er war auch (noch)<br />

nicht so sachfremd, dass er bei einem Nebenangebot den Bieter nur für seine veränderten Teilleistungen<br />

in die Pflicht nahm und nicht, wie heute, für die gesamte Bauleistung.<br />

So erarbeitete Hajo <strong>Böger</strong> damals erfolgreich viele Sondervorschläge, auch für Brückenbauvorhaben,<br />

die auf den ersten Blick nicht für den Stahlbau geeignet erschienen, aber, wie im Fall<br />

der Lachswehrbrücke in Lübeck, Bauzeitverkürzung und geringere Verkehrsbeeinflussungen<br />

versprachen. „Zum Glück“ nahm Lübeck den <strong>Böger</strong>‘schen Vorschlag nicht an, die Brücke wurde<br />

also in Spannbeton gebaut und eingeweiht, dann aber wegen Verformungen zurückgestuft,<br />

gesperrt und schließlich abgerissen. So verdankt die Bauwelt der Ablehnung von Hajo <strong>Böger</strong>s<br />

Sondervorschlag den ersten extremen Fall einer Brücke mit Alkalireaktion, der das ganze Baugewerbe<br />

aufrüttelte.<br />

<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong> 21


Modelle für die Wirklichkeit<br />

Vor der grafischen Ermittlung der Stützlinie eines Gewölbes wurde das unbekannte Tragverhalten<br />

durch die Form einer Kette modellhaft erfasst. So war es mit plattenförmigen Tragwerken,<br />

deren Berechnung lange fast unmöglich war, man konnte nur mit Versuchen an kleinen Nachbildungen<br />

die Schnittkräfte ermitteln.<br />

Im Rahmen einer Ausführungsplanung für ein schiefes, zweifeldriges Bauwerk ergab sich bald<br />

nach der Gründung des Büros die Möglichkeit, ja, die Notwendigkeit, die Schnittkräfte mit einem<br />

solchen Modellversuch zu ermitteln. Auf diesem Gebiet lagen, nicht nur aus der Tätigkeit im Büro<br />

Dr. Homberg, reiche Erfahrungen vor. Mit solchen Modellversuchen war es nicht nur möglich,<br />

die Momente einer Platte aus Flächen- und Einzellasten zu bestimmen, sondern es konnten<br />

auch Einflusslinien aufgenommen werden. Die Ingenieure konnten damit eine oft gar nicht vorhandene<br />

Linienlagerung im Modell durch Punktlager ersetzen und ihre Auflagerkräfte bestimmen,<br />

auch der Lastfall Stützensenkung war simulierbar. Bis zu dieser Leistungsfähigkeit der Modellstatik<br />

war es aber ein langer Weg. Anfangs, im Hagener Büro, hatte Fritz Leonhardt noch an<br />

der Durchsenkung einfacher Stabwerke die von Homberg errechneten Querverteilungszahlen<br />

zu überprüfen, doch wegen der großen Verformungen des Modells wurden nur annähernd vergleichbare<br />

Ergebnisse erzielt. Aus dem gleichen Grund waren die Versuche mit Krümmungsmessungen<br />

an Plattenmodellen aus Kunststoff streng genommen nicht exakt, hinzu kamen<br />

Kriecherscheinungen des Werkstoffs. Um die Verformungen des Modells geringer als die Materialstärke<br />

zu halten, wurde kreuzweise gewalztes Aluminium in bis zu drei Millimeter Stärke eingesetzt.<br />

Für die Messungen wurden Taster mit einem Tausendstel Millimeter Genauigkeit mit Basen<br />

von drei, fünf und sieben Zentimeter eingesetzt, um auch die Singularitäten erfassen zu können.<br />

Das Objekt ruhte in den Auflagerlinien in einem stabilen Stahlrahmen auf Schienen, an dem ursprünglich<br />

auch die Belastungsvorrichtung befestigt war. Für den Neustart der Hagener Ingenieure<br />

in Ulzburg wurde die Belastungsapparatur vom Rahmen getrennt, um alle vermeidbaren<br />

Erschütterungen auszuschalten, lag doch die Empfindlichkeit des Tasters bereits im Bereich der<br />

Oberflächenrauigkeit der Aluminiumplatte und die Messung selber in der Nähe derer Ebenflächigkeit.<br />

Beim Zuschnitt wurden dem Material auch Prüfstreifen in Längs- und Querrichtung<br />

entnommen. Während der weiteren Bearbeitung des Models (Auftragen der Mess und Belastungspunkte)<br />

wurden die als Einfeldbalken gelagerten Prüfstreifen in den 1/3-Punkten belastet<br />

und die Krümmung in Streifenmitte gemessen, um so den Bezug des gemessenen Biegemoments<br />

zur Krümmung herzustellen. Der Vollständigkeit halber wurde über die Krümmung in<br />

Querrichtung auch die Querdehnung bestimmt. Durch den Modellversuch waren letztlich für<br />

die verschiedenen Lastfälle in den ausgewählten Punkten die Hauptmomente (respektive die<br />

max. Krümmung) und ihre Richtung zu ermitteln. Nach den bekannten Bedingungen kann aus<br />

den Spannungen, Krümmungen oder Momenten der Maximalwert in drei Richtungen errechnet<br />

werden; mit einem etwas größerem Aufwand wurde aber hier die Krümmung in vier Richtungen<br />

gemessen und mit den jeweils um 90 Grad versetzten Werten bereits beim Messvorgang<br />

eine Kontrolle in sich geschaffen.<br />

Auf dieses anschauliche, plausible und nachvollziehbare Verfahren wurde hier etwas ausführlicher<br />

eingegangen, weil die Leistungsfähigkeit der bald verfügbaren Rechner die Möglichkeit<br />

boten, Platten mit finiten Elementen nachzubilden, theoretisch können jedoch endlich kleine<br />

22 <strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong>


Elemente nicht eine homogene Platte ersetzen, ihr bestenfalls sich bis auf eine<br />

vertretbare Genauigkeit annähern.<br />

Im Nachhinein ist es für die Ingenieure sehr befriedigend, dass bei einer kürzlich<br />

erfolgten Nachrechnung einer Brücke mit Modellstatik die Modellergebnisse (trotz?) neuer<br />

Richtlinien vollständig bestätigt wurden.<br />

Es bleibt noch zu erwähnen, dass einige (nach heutigem Sprachgebrauch) Freaks damals in<br />

eigener Regie einen weiteren Modellversuch durchführten, um den Einflusses variabler Auflagerabmessungen<br />

zu untersuchen. Das Ergebnis kann man in Straße und Tiefbau nachlesen.<br />

Rechner groß und klein<br />

Die eigentlich tumben Großrechner lösten mit ihren bis dahin unvorstellbaren Rechenleistungen<br />

in vielen Ingenieuren eine Euphorie der Erleichterung aus, fühlten sie sich doch jetzt endlich von<br />

der Statistenrolle des Statikers als des Rechenknechtes befreit. Nun könnten sie sich, so glaubten<br />

sie, ganz und gar der reinen Ingenieurkunst widmen, könnten jetzt endlich nur noch planen,<br />

entwerfen und konstruieren, weil den rein rechnerischen Rest ja der Computer liefern würde.<br />

Entsprechende Versprechungen machten deshalb auch viele der damals aufkommenden Rechenbüros<br />

in ihren unzähligen Inseraten. Wie herb aber war die Enttäuschung eines hier bekannten<br />

Ingenieurs, der für seine Anfrage nach einer Berechnung eines vorgespannten Binders<br />

Stützweite, zulässige Bauhöhe und Nutzlast angab, dann aber dem Rechner auch noch den genauen<br />

Betonquerschnitt und die Vorspannung liefern sollte. Ja, wenn das so sei, gestand der Ingenieur<br />

vollkommen desillusioniert, dann könne er den Binder ja auch gleich selber rechnen!<br />

Es war damals beileibe nicht ehrenrührig, sich der Tabellen und Formeln für Durchlaufträger<br />

und Rahmen zu bedienen oder auch mal nach Cross und Kani zu rechnen; es war mehr die Gefahr,<br />

nicht up to date zu sein, wenn man nicht elektronisch rechnen ließ. Diese Rechner wurden<br />

durch die Programme schlau gemacht, waren jedoch niemals klüger als ihre Programmierer, die<br />

die Elektronik des Rechners beherrschten, aber nicht die Bedingungen am Bau. So wurden eines<br />

Tages bei der Ausführungsplanung des unterirdischen Bahnhofs eines U-Bahn-Neubaues für einige<br />

Lastfälle unerklärliche Schnittkraftermittlungen abgeliefert, deren im Programm vermutete<br />

Ursache mit einfachen Lastfällen entdeckt werden konnte. Berücksichtigt man dann noch das<br />

ewige postalische Hin und Her von Eingabeformularen und Ausdrucken, dieses endlosen, farblich<br />

gestreiften breitformatigen Papierwustes, der in keinen Ordner passte, dann kann man erst<br />

ermessen, welch‘ erstaunliche, damals vollkommen unausdenkbare und heute kaum glaubliche<br />

aber reale Entwicklung unsere Computertechnik genommen hat.<br />

Oder aber, auch das ist heute nicht mehr vorstellbar, man wollte nur noch einige Punkte einer<br />

Trasse ausgerechnet haben und musste sich deshalb mit einem Schuhkarton voller Lochkarten<br />

beim Rechenzentrum des Landesamtes melden. Dort wurden die Karten eingelesen und nach<br />

kleinen Ewigkeiten dann die Frage gestellt: „Welche Punkte wollten sie denn haben?“<br />

Diese Zeit war für viele Ingenieure nicht gerade berückend. Ingenieure sind, und Bauingenieure<br />

ganz besonders, ein durchweg zwar nettes, aber auch stark individuell geprägtes Häufchen<br />

von Menschen, die bei der Lösung von Problemen nicht gern von externen Institutionen abhängig<br />

sein wollen; sie wollen ein Problem lieber selber lösen. Ihnen schmeckten die starren Loch-<br />

<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong> 2


streifen-Programme der großen NCR-Bürorechner deshalb überhaupt nicht. Diese Antipathie<br />

legte sich erst, nein: für viele war es eine Erlösung, als die ersten programmierbaren Taschenrechner<br />

auf dem Markt erschienen. Denen konnte man im Rahmen einer umfangreichen, gleichartigen<br />

Berechnung das ständige Drücken einer Tastenfolge überlassen. Nach einiger Übung<br />

konnten diese kleinen Tausendsassas aber noch viel mehr, nur leider waren ihre Speichermedien<br />

für Programme und Daten mehr als dürftig; und: deren Verfallsdatum richtete sich nach der<br />

Häufigkeit ihrer Benutzung.<br />

Bei <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> folgte auf den NCR ein Rechner von Wang, der in der letzten Ausbaustufe<br />

eines der ersten, relativ zuverlässigen 8-Zoll-Diskettenlaufwerke mit 80 kB erhielt. Andere <strong>Ingenieurbüro</strong>s<br />

und viele Technische Büros der Baufirmen setzten zu dieser Zeit indes schon auf Tischrechner,<br />

wie den legendären Programma von Olivetti, der in den 1960er-<strong>Jahre</strong>n zum Stückpreis<br />

von 16.000 Mark verkauft wurde. Erstaunlich war auch, was in den <strong>Ingenieurbüro</strong>s damals alles<br />

an Programmen entwickelt und fast wie selbstverständlich kollegialiter (manchmal auch mit<br />

etwas Stolz) untereinander ausgetauscht wurde. Doch das war erst der Anfang. Denn nun folgte<br />

der vergleichsweise preiswerte erste Personal Electronic Transactor (PET) als DOS- und Basicrechner,<br />

dem jedoch auch andere Programmiersprachen aufgepfropft werden konnten. Er ebnete<br />

dem Personal Computer die Wege, der die unzähligen Varianten der bisherigen Rechner mit ihren<br />

mannigfachen Sprachversionen verdammt alt aussehen ließen. Die Stärke des PC war sein<br />

DOS, das auf seinen Speichermedien von der Festplatte bis zur Diskette ein zuverlässiges Handling<br />

von Daten und Programmen erlaubte. Bei <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> wurde für den ersten PC extra ein<br />

Rechnerraum eingerichtet, in dem auch ein Drucker stand. In dieser EDV-Kemenate wurden alle<br />

Programme zentral verwahrt, verwaltet und organisiert. Wegen der unvermeidbaren statischen<br />

Aufladungen erhielt der Raum sogar einen Teppichboden mit Kupferdrähten. Doch, wie das so<br />

ist bei Ingenieuren, es dauerte nicht lange und es hatten alle Statiker einen eigenen PC. Statt des<br />

2 <strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong><br />

Die Rivalen: Texas < > HP mit Meßuhr<br />

der Modellversuche


isherigen Gedränges in der stickigen Rechnerbude gab es nun jedoch ein neues<br />

Problem: alle Rechner mussten ständig auf ein und demselben Stand gehalten<br />

werden, und es musste gleichzeitig der quasi jederzeitige und direkte Zugriff aller<br />

dazu Berechtigten auf alle notwendigen Programme ermöglicht werden. Also wurde alles mit<br />

allem sorgsam vernetzt – und zwar mit allen allgemein und überall sattsam bekannten nun auch<br />

im Büro bei <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> auftretenden Problemen.<br />

Die Rechner boten aber auch die willkommene Möglichkeit, die konstruktive Arbeit vom<br />

Reißbrett auf den Bildschirm zu verlagern. Es dauerte zwar eine ganze Zeit, bis die Ergebnisse<br />

des Digitalisierungstabletts nicht mehr wie Strichzeichnungen aus dem Kindergarten aussahen,<br />

sondern zu aussagekräftigen, lebendigen Darstellungen mutierten, den früheren Zeichnungen<br />

von Hand durchaus vergleichbar, als dann aber auch nicht mehr nur noch gepaust werden<br />

musste, sondern kopiert werden konnte und dabei sogar Farben ins Spiel kamen, vereinfachte<br />

sich die Zeichenarbeit gleich mehrfach. Eine Differenzierung in Schwarz durch Linienstärken<br />

und Schraffuren war jetzt kein Hindernis mehr für noch kompaktere Zeichnungen. Und die dabei<br />

anfallenden immer größeren Datenmengen waren bei der rasanten Entwicklung der Speichermedien<br />

zum Glück auch kein Problem mehr.<br />

Zwischenzeitlich führten diese Technologien bei einigen Auftraggebern zu der Meinung, mit<br />

einem Knopfdruck könne alles erledigt werden. Lange Planungszeiten, von der Idee über die<br />

politische Willensbildung bis zur Bereitstellung der Mittel und die Ausarbeitung der baulichen<br />

Entwürfe sind aber ganz normal. Die Meinung, durch die neuen Technologien könne der Planungszeitrum<br />

verkürzt werden, hat sich aber zum Glück nicht durchgesetzt.<br />

Wachstum und Wandel<br />

Die wachsende Zahl der Mitarbeiter machte in den 60er-<strong>Jahre</strong>n – zum einen – den Umzug in ein<br />

neues, größeres Bürogebäude erforderlich, in dem, um einen Kern von Magazin-, Archiv- und<br />

Sanitärräumen herum, die Büros an zwei Fluren angeordnet waren. Sie gingen von einem Entrée<br />

aus und endeten in einem großen zentralen Besprechungsraum.<br />

Zum anderen war es – wir schreiben jetzt das Jahr 1969 – an der Zeit, dass den Beratenden<br />

Ingenieuren Hajo <strong>Böger</strong> und Hermann <strong>Jäckle</strong> mit ihren reichen Erfahrungen und ihrer fachlichen<br />

Reputation die Prüflizenz erteilt wurde. Ein Außenstehender kann sich nur schwer vorstellen,<br />

welchen organisatorischen Aufwand – neben der konstruktiven Ingenieurleistung – die statische<br />

Prüfung der eingereichten Bauunterlagen damals erforderten. Rückblickend war die Prüfpflicht<br />

auch für Einfamilienhäuser gerechtfertigt, wenn man die unzähligen Fehlermöglichkeiten<br />

bei den ständig neuen Bauweisen bedenkt, die offensichtlich vor Ort nicht beherrscht und nur<br />

bei den Abnahmen erkannt wurden. Dass selbst engagierte Bauträger und die Hypothekenbanken<br />

nur wegen der Prüfgebühren auf die Sicherheit ihrer Objekte verzichteten, bleibt bis<br />

heute unverständlich.<br />

Zum weiteren war auch – 1985 – eine BGB-Gesellschaft mit unbeschränkter Haftung angesichts<br />

des Umfangs der Tätigkeiten des damals immer weiter wachsenden Büros nicht mehr<br />

vertretbar, auch war diese Gesellschaftsform für eine Nachfolgeregelung ungeeignet. Die Eigentümer<br />

wandelten ihr Büro folgerichtig in eine richtige GmbH & Co. KG um. Kritik blieb dabei nicht<br />

<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong> 2


aus, wie immer in solchen Fällen: Die einen, die Auftraggeber,<br />

reklamierten einen vermeintlichen Verlust an Haftung,<br />

die anderen, die Belegschaft, sah im Falle einer Insolvenz<br />

der GmbH & Co. KG eine geringere Deckung ihrer Ansprüche.<br />

Da die Umstellung aber rechtzeitig und ohne erkennbaren<br />

weiteren Anlass geschah, glätteten sich die Wogen<br />

bald. Wer nun aber „Co.“ werden sollte oder konnte, das war<br />

eine weitaus schwierigere Frage. Aus der Stammbelegschaft<br />

war nämlich kein Nachfolger generierbar, da hier die<br />

verdienten Mitarbeiter nicht viel jünger waren als die Firmeninhaber<br />

selbst und eine Nachfolgeregelung aus ihrem<br />

Kreis das Problem nur um einige wenige <strong>Jahre</strong> verschoben<br />

hätte. Es sollten deshalb jüngere Ingenieure sein, die das<br />

Büro für die Zukunft fit machen sollen, wie etwa Dipl.-Ing.<br />

Domröse<br />

Klaus Domröse und später auch Dipl.-Ing. Harald- Peter<br />

Hartmann. Und wie der Zufall so spielt: Auch diese beiden<br />

waren, wie zuvor schon Hajo <strong>Böger</strong> und Herman <strong>Jäckle</strong>,<br />

ziemlich gegensätzlich strukturierte Charaktere: der eine<br />

ein Denker, der andere ein Macher. Und wieder erwies sich<br />

eine diametrale personale Konstellation als Glücksfall für<br />

das ganze Büro.<br />

<strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> waren auf diese Weise und in diesen <strong>Jahre</strong>n<br />

– 1990/1992 – für die nächsten <strong>Jahre</strong> – wie sagt man<br />

heute so schön? – gut aufgestellt. Es ist makaber, aber diese<br />

von Hajo <strong>Böger</strong> so gründlich bedachte und vehement betriebene<br />

Neu-Organisation erwies sich nach seinem viel zu<br />

frühen, plötzlichen Tod (1994) als denkbar vorteilhaft für<br />

den gesunden Fortbestand des ganzen Unternehmens.<br />

Hartmann<br />

In den fünfzig <strong>Jahre</strong>n des bisherigen Bestehens des Büros<br />

erfolgte aber noch ein ganz anderer Wandel: Waren früher<br />

eine gediegene Ausbildung, fachliches Wissen und eine gehörige Portion gesunden Menschenverstandes<br />

für die Tätigkeit eines Ingenieurs im Büro und auf der Baustelle ausreichend, so<br />

wurden allmählich, zuletzt aber immer deutlicher, weitergehende Spezial-Qualifizierungen erforderlich:<br />

Um eine Betonrezeptur zu ermitteln, um Frischbeton zu prüfen und zu beurteilen und<br />

um seine Verarbeitung vor Ort zu überwachen, war nun ein Betoningenieur erforderlich; wurde<br />

irgendwo irgendetwas geschweißt, war ein Schweißfachingenieur notwendig; dem Zimmermann,<br />

der Bolzen- und Nagelverbindungen der verschiedensten Arten herstellte, stand allerdings<br />

kein Fachingenieur zur Seite, obwohl auch das manchmal gut gewesen wäre, weil die<br />

Handwerker mit solchen Aufgaben gelegentlich fachlich überfordert waren; dem Maurer geht<br />

es ähnlich, wenn er Steingüten und Mörtelgruppen richtig verarbeiten will, seine angestammte<br />

Stein-auf-Stein-Fertigkeit ist ohnehin nicht mehr gefragt, denn in absehbarer Zeit werden nur<br />

noch Blöcke verklebt; und statt des überraschenden Kontrollbesuchs der Berufsgenossenschaft,<br />

stets gefürchtet, hat nun ein Sicherheitsingenieur vorab und ständig mögliche Gefährdungen<br />

auf der Baustelle zu ahnen und auszuschließen. Neuerdings, was allerdings auch schon wieder<br />

2 <strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong>


mehr als zehn <strong>Jahre</strong> dauert, kann sich ein <strong>Ingenieurbüro</strong> auch noch einem Qualitätsmanagement<br />

unterziehen, braucht dafür Qualitätsingenieure, die jedoch mit<br />

der Qualität der früheren Ingenieure nichts gemein haben. Leider hat sich auch<br />

das Bauwesen inzwischen zu einer „Zettelwirtschaft“ entwickelt. Zertifikate zählen heutzutage<br />

mehr als die im Laufe der Zeit erworbenen professionellen und fachlichen Erfahrungen der Mitarbeiter.<br />

Vielleicht kommt ja der Leser auf den Gedanken, Zertifikate für Erfahrung einzufordern!<br />

Die Störbrücke<br />

Bisher wurden hier nur größere Zeiträume behandelt, deshalb sollten wir jetzt auf die bereits<br />

erwähnte Störbrücke zurückkommen. Die hat – seit 1965 – <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> fünfzig <strong>Jahre</strong> lang beschäftigt<br />

und gelegentlich auch in Atem gehalten.<br />

Es ist schon erstaunlich, dass eine Landesbaubehörde für ein rund 2,4 Kilometer weites Tal im<br />

ersten Entwurf eine Dreifeldstrombrücke von circa 400 Metern vorgesehen hatte, der Rest war<br />

ein Damm, der mit seiner Höhe die Niederung versperrte. Dem örtlichen Straßenbauamt ist es<br />

zu verdanken, dass stattdessen eine großzügigere Lösung geplant wurde, obwohl auch die noch<br />

einem Dinosaurier von rund 1,2 Kilometer Länge glich, mit wuchtigen Trennpfeilern zwischen<br />

der Strombrücke des ersten Entwurfs und den neu hinzugekommenen seitlichen Rampenbrücken;<br />

es hatte den Anschein, als ob der damals schon anderenorts praktizierte Großbrückenbau<br />

hier ganz bewusst geleugnet werden sollte. So war die Fachwelt auf das Ergebnis der Ausschreibung<br />

gespannt, bei der das Angebot für den Behördenentwurf eine reine Formsache war.<br />

<strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> wurden zur sachlichen fachlichen Auswertung der Nebenangebote hinzugezogen.<br />

Ergebnis: alles wurde in Spannbeton angeboten und die Teilung der Gründungen wurde<br />

beibehalten, aber die Trennpfeiler tauchten nicht wieder auf, es waren Plattenbalken, die für die<br />

Strombrücke modifiziert wurden. Ein interessanter Vorschlag halbierte die Anzahl der Gründungen,<br />

der Tische auf V-Stützen stellte, zwischen denen Einfeldträger eingehängt wurden. Die<br />

Vielzahl der kleinen Fahrbahnübergänge schreckte den Bauherrn aber zu Recht ab. Es wurde<br />

deshalb ein zweistegiger Plattenbalken beauftragt, der sich über den Strompfeilern zu einem<br />

Eine Brücke statt Damm<br />

<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong> 2<br />

Foto: W & F Archiv


Hohlkasten entwickelte. Ein unglücklicher, wohl aus dem Stahlbrückenbau entliehener Wunsch<br />

des Bauherrn war es, auf einer Verbreiterung am Stegfuß später ein stationäres Brückenbesichtigungsgerät<br />

fahren lassen zu können, obwohl bereits bauwerksunabhängige Geräte entwickelt<br />

worden waren. Die Wirkung eines weiteren Bauherrenwunsches, ein Architekt möge doch mal<br />

einen Blick auf den Entwurf werfen, erwies sich als durchaus positiv, denn mit sicherem ästhetischem<br />

Gespür verpasste der den Pfeilern in Querrichtung einen Anzug, der in etwa die Neigung<br />

der Stege spiegelte. Ein Vorschlag des Bieters, für einen Aufpreis den Überbau auf echte<br />

vier Fahrspuren zu verbreitern, wurde abgelehnt. Die Fixierung der Auftragssumme als Vertragsbasis<br />

und die Formulierung des Auftragsschreibens mündeten in die Bauüberwachung für<br />

<strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong>. Es war, zumindest für <strong>Schleswig</strong>-<strong>Holstein</strong>, bis dahin einmalig, einen derartig umfangreichen<br />

und langandauernden Überwachungsauftrag an ein unabhängiges externes <strong>Ingenieurbüro</strong><br />

zu vergeben, entsprechend war mit ständiger wohlwollender, aber auch kritischer<br />

Beobachtung seitens der Bauverwaltung zu rechnen.<br />

Bis zum Baubeginn wurde eine Mannschaft von Ingenieuren zusammengestellt und mit ihr<br />

die auszuführenden Bauleistungen mit den zu protokollierenden Fakten und den zu erwartenden<br />

und zu befürchtenden Problemen erörtert. Die sogenannten Bauüberwachungslisten<br />

(BÜL) gab es damals noch nicht und so kam es sogar zu einer Anfrage vom obersten Brückenbauer<br />

in Bonn, ob <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> den fachlichen Extrakt und die beruflichen Erfahrungen ihrer<br />

vielfältigen Überwachungstätigkeiten nicht in einem Leitfaden für die Bauüberwachung zusammenfassen<br />

könnten – das Exposé dafür verschwand dann aber in irgendwelchen Ablagen, bis es<br />

in jüngerer Zeit, anlässlich des Neubaus der Schleibrücke in Kappeln, wieder auftauchte und re-<br />

2 <strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong><br />

Die Balance halten<br />

Foto: W & F Archiv


animiert wurde. Inzwischen hat das Bundesministerium für Verkehr, Bau und<br />

Stadtentwicklung (BMVBS) das dieses Muster für Bauüberwachungstätigkeiten für<br />

seinen Zuständigkeitsbereich verbindlich eingeführt.<br />

Ein nicht vorhersehbares Problem stellte später die örtliche Mischanlage mit dem Tausendliter-Zwangsmischer<br />

dar, dem letzten im Baustelleneinsatz, einer der noch nicht vom Transportbeton<br />

verdrängt worden war. Er stand mit den Boxen der Zuschlagstoffe als zentrale Mischanlage<br />

mit einer Betonplatte auf dem Marschboden. Wegen des unvermeidlichen Absackens der<br />

Anlage in das Grundwasser bereitete die stark wechselnde Eigenfeuchte der Zuschlagstoffe<br />

ziemliche Probleme bei der Dosierung des Wassers, die letztlich durch Fixierung der Stromaufnahme<br />

des Rührwerkes am Ende des Mischvorganges gelöst werden konnte. So konnte bei der<br />

Wasserzugabe recht gut die nicht genau bekannte Eigenfeuchte berücksichtigt werden. Zur Prüfung<br />

des Wasser-/Zementfaktors wurde von der Bauüberwachung ein Verfahren entwickelt, das<br />

nach der Bestimmung des Porengehalts mit dem reduzierten, porenfreien Frischbetonvolumen<br />

und der Trockenrohdichte den rechnerischen Wassergehalt ergab. Dieses Vorgehen wurde später<br />

in der Fachzeitschrift Tiefbau, Ingenieurbau, Straßenbau (Ausgabe 6/1984) veröffentlicht.<br />

Die zahlreichen fachlich interessierten Besuchergruppen, die die Baustelle besichtigten, waren<br />

ein Problem der bauausführenden Firma, die mit ihrer Bauleistung Werbung betrieb. Die<br />

Bauüberwachung erbrachte<br />

keine sichtbaren Leistungen,<br />

Strombrücke trifft Rampe<br />

konnte die Betreuung also<br />

getrost den Bauleitern überlassen.<br />

Ernst wurde es jedoch,<br />

als sich der Bundesbauminister<br />

ansagte, letztlich der Auftraggeber<br />

der Bauüberwachung.<br />

Das Straßenbauamt<br />

schüttet eine Rampe an, damit<br />

die Wagenkolonne auf<br />

die Brücke fahren könnte,<br />

baute dort Schautafeln auf,<br />

entwarf Verkehrsregelungen.<br />

Die Wagenkolonne kam in<br />

Sichtweite, die Nervosität<br />

stieg, die schwarze Limousine<br />

mit dem Stander reagierte<br />

nicht auf Handzeichen, sondern<br />

bog auf die Baustraße<br />

ab, hielt vor dem Treppenturm,<br />

ein kleiner Herr stieg<br />

aus, der ohne Gefolge trotz<br />

gewisser Leibesfülle die zahlreichen<br />

Stufen zügig schaffte,<br />

oben traf er aufs Bauvolk, das<br />

eigentlich nur Zaungast sein<br />

Foto: W & F Archiv<br />

<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong> 2


wollte. Der Minister war vom Fach, stellte Fragen, bestaunte das Werk. Bis die Offiziellen und sein<br />

Gefolge sich von dem Schock erholt hatten, genoss er spitzbübisch lächelnd die Situation mit<br />

schöner Aussicht.<br />

Die Brücke wurde fertiggestellt, und die Untersuchungen hinsichtlich möglicher Alkalireaktionen<br />

ergaben lediglich ein latentes Gefährdungspotenzial, fast ein Grund, sich beruhigt zurückzulehnen.<br />

Doch an der Brücke wurde weiter gewerkelt, nicht immer zu ihrem Vorteil. Der Typ der<br />

Fahrbahnübergänge wurde gewechselt, das Aluminiumgeländer gegen ein Stahlgeländer ausgetauscht,<br />

die massive Leiteinrichtung auf den Kappen abgebaut und durch Betonleitplanken<br />

ersetzt, schließlich auch die ganze Kappe. Der Gussasphaltbelag zeigte immer mehr Blasen, Einbrüche<br />

und Risse; und aus den Schadstellen kamen kalkige Wasserfahnen, die zu den schlimmsten<br />

Befürchtungen Anlass gaben. Ein Belagfenster bestätigte: Chloridschäden. Die Mastix-Abdichtung<br />

war offensichtlich unterläufig, die Glasvlieslage, zur Dampfdruckentspannung voraussichtlich<br />

verklebt und unwirksam, wurde in „Chloridverteilungsschicht“ umbenannt.<br />

An dieser Stelle muss daran erinnert werden, dass die damals auf Lehren abgezogene Bauwerksoberfläche<br />

nur bedingt klebefähig und mit den heute erzielbaren Flächen nicht vergleichbar<br />

war. Den Dichtungsaufbau aus Versiegelung und Dichtungsbahnen gab es damals noch<br />

nicht! So wurde stets eine Mastix-Abdichtung vorgesehen, eine geklebte Abdichtung blieb Sonderfällen<br />

vorbehalten.<br />

Es wurde noch weitergeflickt, bis eine komplette Belagserneuerung anlaufen konnte. Unter<br />

dem Belag taten sich bereichsweise wortwörtlich<br />

Abgründe auf. Zum Glück gab es inzwischen<br />

Wasser-Hochruckfräsen, die, nach entsprechender<br />

Justierung an Probeflächen, den kariösen<br />

Beton erschütterungsfrei und unter weitgehender<br />

Schonung der gesunden Bereiche<br />

entfernten. Auf den ersten Blick waren es eindeutig<br />

Chloridschäden. Wenn aber die Tausalze<br />

gleichsam dissoziieren und die Chloride die hinlänglich<br />

bekannte Wirkung zeigen, ist stark zu<br />

vermuten, dass die Natriumionen ihrerseits die<br />

latente Alkalireaktion aktivieren. Nur aus dieser<br />

Konjunktion ließ sich das Ausmaß der Betonschäden<br />

erklären. Reine Chloridschäden hätten<br />

die Bewehrung noch stärker reduziert.<br />

Ein großes Problem stellten auch die freigelegten<br />

D&W-Einstab-Spannglieder der Fahrbahn-Quervorspannung<br />

dar, die schon während<br />

der Bauzeit mit der offiziell genehmigten Diskrepanz<br />

von Hüllrohr- zu Stabdurchmesser beim<br />

Verpressen Schwierigkeiten verursachten. Der<br />

Verpressmörtel benetzte zwar das Spannglied,<br />

setzte sich jedoch so stark ab, dass im Scheitel<br />

nur ein sehr dünner Zementfilm verblieb, der<br />

chemischen Angriffen nicht lange widerstehen<br />

Mutter und Tochter<br />

0 <strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong>


konnte. Zum Glück gaben Gutachter der TU Hannover ihr eingeschränktes Okay<br />

zu den Stäben mit Narbenfraß, sodass, mit ergänzenden statischen Nachweisen<br />

für die Fahrbahnplatte, die Instandsetzung dann doch noch erfolgreich abgeschlossen<br />

werden konnte.<br />

Nach dieser Maßnahme lag es nahe, in einem nächsten Gang die Mängel am Tragwerk zu<br />

beseitigen, die bei den turnusmäßigen Brückenprüfungen festgestellt worden waren. Diese Prüfungen,<br />

auch wenn von Dritten durchgeführt, bedeuteten viel Papierkram und waren den Ämtern<br />

deshalb ziemlich lästig, denn letztlich war nur die Verkehrssicherheit interessant. Dabei ist es<br />

so wichtig, wie jeder Ingenieur in solcher Situation weiß, nicht nur die Schäden zu protokollieren,<br />

sondern auch deren Veränderungen, damit der Schadenverlauf chronologisch dokumentiert<br />

werden kann. Nur so ist es möglich, aus dem Zustand des Bauwerkes die richtigen Schlüsse für<br />

angemessene Bewertungen zu ziehen. Die notwendige eindeutige Lokalisierung der Schäden<br />

wurde durch Stationierungen an den Steginnenseiten erreicht. Um gewisse Phänomene sofort<br />

benennen zu können, hat heute jeder Brückenprüfer ein kleines Labor zur Verfügung, das war<br />

bei der Störbrücke aber noch nicht der Fall.<br />

Das weitere Schicksal der Störbrücke war ungewiss und damit auch die Dauer ihrer Nutzung.<br />

Unter diesen Umständen wurde aus den Befunden der Brückenprüfung ein Leistungsrahmen<br />

erstellt, ausgeschrieben und beauftragt. Vor Ort ergab sich die Notwendigkeit, neben<br />

den protokollierten Schäden auch andere erkennbare Mängel zu beheben, ehe diese sich in<br />

einigen <strong>Jahre</strong>n zu Schäden auswachsen würden.<br />

Zur deutlichen Kennzeichnung und klaren<br />

Abgrenzung der Instandsetzungen, quasi als<br />

Markierung des Gewährleistungsbereiches und<br />

auch als erforderliche Maßnahme einer teilinstandgesetzten<br />

Fläche, wäre eine Beschichtung<br />

erforderlich gewesen. Diese hätte in einigen<br />

Fällen auch den Instandsetzungsaufwand vermindert,<br />

war aber nicht ausgeschrieben. So<br />

nahm der Bauherr einen Flickenteppich an der<br />

Brücke in Kauf.<br />

Es ist schon beunruhigend, aus einer unauffälligen<br />

Betonfläche an Bohrkern und Bohrwandung<br />

Gelwarzen herauswachsen zu sehen. Welcher<br />

Druck muss da vorhanden sein, um dieses<br />

Zeug hinauszupressen! Damit gewann die beabsichtigte<br />

Instandsetzung eine neue Dimension,<br />

denn dieser Schaden ist überall nicht nur latent<br />

vorhanden, sondern wirksam, und er wird in<br />

jenen Bereichen durch Netzrisse sichtbar, in die<br />

die Chloridlake hineingelangte.<br />

Der Überbau war nach neuestem Stand der<br />

Technik abgedichtet, die Übergänge wiederholt<br />

repariert worden, nach menschlichem Ermessen<br />

konnte der Überbau nicht mehr von Leckagen<br />

Foto: B + J Archiv<br />

<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong> 1


elastet werden. Die Instandsetzung war eine sinnvolle, zumindest dem Erhalt der Tragfähigkeit<br />

dienende Maßnahme.<br />

Und um Letzteres ging es bereichsweise in der Tat.<br />

Denn vor allem die Endauflager hatten viele <strong>Jahre</strong> lang unter einem offenen Übergang gelegen,<br />

ohne dass das Wasser hätte unschädlich abgeleitet werden können. Die später dort eingesetzten<br />

„dichten“ Fahrbahnübergänge zeigten anhaltende Undichtigkeiten, die letztlich auch auf<br />

eine mangelhafte Unterhaltung zurückzuführen waren. Chloride und Alkalitreiben hatten die<br />

Betonbauteile praktisch auf den tragenden Querschnitt reduziert. Alkalitreiben hat dabei den<br />

Vorteil, dass der Gel-Porendruck eine vorhandene statische Druckbelastung oder Behinderungen<br />

aus Bewehrung nicht überwinden kann. Die Chloride hatten die Endverankerungen zwar korrosiv<br />

geschwächt, doch noch nicht funktionsunfähig gemacht.<br />

Die Strombrücke war mit den Rampenbauwerken durch Gerbergelenke innerhalb des Profils<br />

der Längsträger gekoppelt, wobei die Überbauten der Rampen auf Konsolen der Strombrücke<br />

auflagen. Der Bewegungsspalt war mit einem „wasserdichten“ Fahrbahnübergang abgedeckt.<br />

Diese statisch stark beanspruchten Konsolen mit einer Vorspannung aus Einzelstäben<br />

waren durch die Leckagen der Übergänge sehr hoch mit Tausalzen belastet. Entsprechend<br />

waren Beton und Bewehrung so weit angegriffen, dass nach der Reprofilierung ein kathodischer<br />

Korrosionsschutz eingebaut wurde. Dabei wird zwischen Bewehrung und einem in<br />

Spritzbeton eingebetteten Gitter eine Spannung angelegt, die im günstigsten Fall die Wanderung<br />

der Schadstoffe umkehrt oder stoppt, zumindest aber eine Dehydrierung des Betons<br />

bewirkt, die alle schädlichen Reaktionen unterbindet. Die elektrischen Spannungen lassen<br />

sich in Abhängigkeit von den fließenden Strömen zentral einstellen und überwachen. Eine<br />

Nachrechnung der Konsolen nach neuesten Vorschriften machte auch wegen „vergessener“<br />

Aufhängebewehrung eine externe Vorspannung erforderlich, um die schrägen Hauptzugspannungen<br />

abzudecken.<br />

In den Protokollen wurde besonders dem Befund nicht verpresster Spannglieder nachgegangen.<br />

Die Prüfung erfolgte damals mit Drähten, die vom Brückenprüfer in die Entlüftungsröhrchen<br />

der Spanngliedkoppelanker eingeführt werden konnten. Aus anderer Veranlassung standen<br />

nun bei der Instandsetzung flexible und starre Endoskope mit Beleuchtung zur Verfügung,<br />

die ein völlig anderes Bild ergaben. Alle Einzeldrähte der Spannglieder waren beim seinerzeitigen<br />

Verpressen mit Schlämpe vollständig umhüllt worden, ehe sich der Mörtel absetzte, sie<br />

hinterließ Spanndrähte und Verankerungen zwar in einwandfreiem Zustand, verursachte aber<br />

Hohlräume in den Koppelkästen. Damit wiesen die Spannglieder der Rampen einen wirksamen<br />

Verbund fast auf Feldweite auf, was Hohlraummessungen und Verpressversuche auch ergaben.<br />

Nicht so positiv waren die Prüfungen an den Längsspanngliedern der Strombrücke, wo die zahlreichen<br />

Koppelungen und die bereits oben erwähnten geometrischen Probleme ein Verpressen<br />

seinerzeit sehr erschwert hatten.<br />

Die Brücke ist auf diese Weise für rund fünfzehn weitere <strong>Jahre</strong> ertüchtigt worden, denn inzwischen<br />

hatten <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> für einen Ersatz mit zwei getrennten Überbauten einen Vorentwurf<br />

ausgearbeitet und nachfolgend auch noch die Prüfung der Ausführungsunterlagen beauftragt<br />

bekommen, konsequenterweise später dann auch die Planung des Rückbaus der alten Brücke.<br />

Zum fünfzigjährigen Firmenjubiläum wird die alte Brücke als ebenfalls knapp Fünfzigjährige<br />

voraussichtlich dem endgültigen vierspurigen Ausbau der damaligen Umgehungsstraße weichen.<br />

Doch das ist schon der zeitlichen Abfolge vorgegriffen.<br />

2 <strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong>


Kontolle und Vertrauen<br />

Bauherr und Unternehmer schließen bekanntlich einen Bauvertrag als Sonderform des Werkvertrages.<br />

Zur Wahrung der Interessen des Bauherrn wird mit einem <strong>Ingenieurbüro</strong> für die Bauüberwachung<br />

ein Dienstvertrag vereinbart. Damals war das nur die Bauüberwachung, nicht mehr<br />

– aber auch nicht weniger. Die Bauleitung mit dem Bauleiter stellte der Unternehmer, eine Bauaufsicht<br />

mit baupolizeilichen Befugnissen oblag überwiegend dem Bauherrn.<br />

Scherzhaft wurden die Leute der Bauüberwachung „Fugenkieker“ genannt, dies ist, genau<br />

genommen, nicht abwertend, denn vier Augen sehen ja bekanntlich mehr als die zwei Augen<br />

des Unternehmers, der ohnehin versucht ist, eines dieser beiden Augen gelegentlich auch noch<br />

zuzudrücken. Ist dem „Fugenkieker“ das Gesehene unverständlich, muss er fragen und sich erklären<br />

lassen; wenn die Antworten das Gesehene erschöpfend nicht erklären, wäre in gravierenden<br />

Fällen ein schriftlicher Vorbehalt fällig. Anordnungen gab dem Unternehmer nur der Bauherr in<br />

Abstimmung mit der Bauüberwachung.<br />

Aus der rein sachlichen Kontrolle der Bauleistung entwickelte sich bei längerer Bauzeit eine<br />

fachbezogene vertrauensvolle Zusammenarbeit. Zwischen Bauverwaltung und Unternehmer<br />

war die so praktizierte Bauüberwachung auch Vermittlerin von Argumenten, vor allem dann,<br />

wenn es etwa um Nachtragsforderungen ging.<br />

Als Bauüberwachung hatten <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> über die <strong>Jahre</strong> zahlreiche Bauwerke begleitet, dabei<br />

wurden verschiedentlich die Aufgaben im Sinne einer Oberbauleitung für Straßenbau und<br />

Kunstbauwerke erweitert, wie etwa bei der dreizehn Kilometer langen A 14 mit zwanzig, oder<br />

der A 9 mit neunzehn Bauwerken.<br />

Die Bauwerksabnahme ist gleichzeitig die erste der Brückenhauptprüfungen, die turnusmäßig<br />

wiederholt werden müssen, wenn zwischendurch nicht Prüfungen aus besonderem Anlass<br />

erforderlich werden. Diese Folgeprüfungen sind gelegentlich seltsam. In zurückliegenden Prüfungen<br />

wurde da schon mal „Ohne Befund“ bescheinigt, obwohl die nunmehr festgestellten<br />

gravierenden Schäden unmöglich innerhalb eines Prüfintervalls hätten entstanden sein können.<br />

Zu Überwachung und Prüfung kommen noch zahllose Kontrollen aus Aufträgen für die statische<br />

und konstruktive Prüfung eines Bauwerkes oder eines Bauteiles.<br />

Der Weg nach Norden<br />

Trotz aller Ausbaumaßnahmen an den Bundesstraßen, war der Bau einer Autobahn nach Norden<br />

letztlich unumgänglich, sie war – nach dem Bau der Autobahn von Hamburg nach Lübeck – erst<br />

die zweite in <strong>Schleswig</strong>-<strong>Holstein</strong>. An eben dieser Autobahn Richtung Norden konnte man in<br />

Hamburg/Horn noch die Kopfbahnhofmentalität der Reichsbahner für die erste Planung erkennen,<br />

die aber weitergehende Konzepte bereits einschloss. Es gab damals gute Gründe, diesen<br />

Planungen für eine Autobahn von Hamburg nach Kiel nicht zu folgen, sondern hierfür eine Trasse<br />

zu untersuchen, die etwa dem Verlauf der B 404 entsprochen hätte. Diese Überlegungen<br />

waren verkehrspolitisch aber unerwünscht, besonders der Senat von Hamburg lehnte sie ab, auf<br />

<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong>


Skizze vom Pylon<br />

für das Tor zur Welt<br />

dessen Betreiben schon die südliche Verbindung zur A 1 nach Hannover weiter an die Stadt<br />

heran verlegt werden musste. So griff man die Planung von 1929/1935 auf, die 1937 zu konkreten<br />

Entwürfen für eine Hochbrücke als „Tor zur Welt“ geführt hatte, unter anderem auch von<br />

Paul Bonatz, die dem Geist der damaligen Zeit (Todt und Speer) entsprachen, favorisiert wurde<br />

ein noch zeitgeistnäherer von W. Härter, dem Architekten der Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg<br />

(MAN). Das hinderte jedoch nicht, diese sinn- und maßvollen Varianten zu verfolgen, wie<br />

etwa Fritz Leonhardt mit seinen ansprechenden Pylonen. Vorsorglich wurde aber hinsichtlich<br />

der Pylongründung ein Dauerbelastungs-Großversuch in Elbufernähe veranlasst. Nein, eine Brücke,<br />

die die Schiffsgröße begrenzen könnte, sollte es nach dem Krieg nun doch nicht sein, lieber<br />

ein Tunnel. Dass den seegehenden Schiffen wenig später am Köhlbrand ein Riegel mit einer<br />

Brücke vorgeschoben wurde, störte dann nicht mehr. So lag der Anfang der Autobahn wunschgemäß<br />

stadtnah auf Hamburger Gebiet und fügte im weiteren Verlauf den zahlreichen Wegen<br />

nach Norden eine weitere Variante hinzu. Eine späte Rechtfertigung der frühen Planer war der<br />

Ausbau der B 404 zur A 21.<br />

Das erste Neubauamt befand sich noch in der Nähe Hamburgs, in Quickborn, bis sich in Neumünster<br />

das Autobahn-Neubauamt konstituiert hatte. Dessen Mannschaft in einem neuen Amt<br />

mit neuen Aufgaben wird allen damals Beteiligten in guter Erinnerung sein und bleiben.<br />

Studiert man die Auftragslisten jener Zeit, kann man sich vorstellen, dass es und wie es bei<br />

<strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> damals mächtig rundging. Heute, nach vielen <strong>Jahre</strong>n, sagen die unzähligen Bauwerksbezeichnungen<br />

aus Abschnitts- und laufenden Nummern nichts mehr aus, mit ihnen verband<br />

sich oft ein Bauwerksentwurf, meist eine statische und konstruktive Prüfung.<br />

<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong>


Foto: B + J Archiv<br />

Der enorme Arbeitsaufwand, beispielsweise für Leistungsbeschreibungen, erzwang<br />

gewisse Rationalisierungen, deren erster Schritt im Anlegen einer Loseblattsammlung<br />

häufig wiederkehrender Leistungstexte in Lang- und Kurzform<br />

bestand, in die dann die Ordnungsziffer, der Mengenansatz und gegebenenfalls noch variable<br />

Textteile eingetragen und dann abgetippt wurden. Die Texte in einem Rechner zu verwalten<br />

und von dort ausdrucken zu lassen, hätte damals noch einen erheblichen Programmaufwand<br />

verursacht. Doch es tat sich was. Die Leistungsverzeichnisse für Ausschreibung und Vergabe<br />

(AVA) als Problem der Textverarbeitung zu lösen, wurde im ganzen Baubereich versucht. Die<br />

Bauverwaltungen erstellten um 1974 Standardleistungskataloge mit gegliederten Texten, die,<br />

über Ziffern ausgesucht, zur Beschreibung einer Leistung zusammengesetzt werden konnten.<br />

Das klang zunächst sehr vielversprechend, doch die Behörde hatte nur an sich gedacht, nicht<br />

aber an eine externe Nutzung auf anderen Rechnern. Also musste auch bei <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> ein<br />

separater Rechner für AVA angeschafft und die Software der Behörde vollständig darauf installiert<br />

werden. Dieser Rechner stand für nichts anderes zur Verfügung – bis das Betriebssystem des<br />

AVA-Rechners überaltert war.<br />

Mit der Planfeststellung wurde das Neubauamt mit zahlreichen Wegüberführungen konfrontiert,<br />

von denen viele gleich oder ähnlich hätten gebaut werden können. Deshalb lag der Entwurf<br />

einer Typenbrücke nahe. Die Art der typisierten Feldwegbrücken der Reichsautobahn<br />

sollten dabei aber als nicht nachahmenswert ignoriert werden, denn einem etwas höheren ästhetischen<br />

Anspruch sollten die neuen Typenbrücken schon genügen, ohne die Bauausführung<br />

zu überfordern. Es kam eine Brücke in Sichtbeton dabei heraus, mit einer leicht V-förmigen Mittelstütze,<br />

die mit dem Zwei-Feldüberbau biegesteif verbunden ist und deren Überbauten sich zu<br />

den hochgesetzten Widerlagern verjüngen. Die Vogelschwinge war geboren! Nordisch markant,<br />

Der Vogel schwingt allerorten<br />

<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong>


Tor nach Kiel, leicht verbaut<br />

stämmig. Aufmerksame Benutzer der A 5 konnten später bei Achern im Schwarzwald eine<br />

Schwester von ihr bestaunen, nur etwas schlanker war sie dort geraten und auch eine Spur eleganter,<br />

eine Badenserin halt!<br />

Keine Regel ohne Ausnahme – kein Typenentwurf ohne Varianten. Wie viele Vogelschwingen<br />

landesweit letztlich gebaut worden sind, ist nicht mehr feststellbar, weil <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> (dummerweise)<br />

kein Folgehonorar vereinbart hatten.<br />

Über der Bearbeitung eines jeden Brückenentwurfes hing wie ein Damoklesschwert auch<br />

damals schon immer die Gefahr der Kostenüberschreitung, die Gefahr also, dass die Kosten sich<br />

höher auswuchsen als die Behörde vorab zwecks Kostenermittlung geschätzt hatte. Wenn ein<br />

Entwurf eine bestimmte pekuniäre Größenordnung erreichte oder überschritt, dann hieß es, das<br />

Verkehrsministerium solle doch bitte den Etat erhöhen. Inzwischen war man mit der Autobahn<br />

kurz vor Kiel gelandet, für die Eiderquerung stand eine Kostenerhöhung an. Hier in Neumünster:<br />

flache Geest, da in Bonn: der Rhein mit Blick auf das Siebengebirge. Trotzdem sollte eine reine<br />

Sachentscheidung zur Kostenklärung im Rahmen einer Trassenbegehung möglich sein. Man<br />

näherte sich von Mielkendorf dem kritischen Punkt: „Und hier planen wir eine Brücke über das<br />

Urstromtal der Eider“ – „Ich sehe kein Tal!“ Die Sache war entschieden. Es ist zu befürchten, der<br />

Herr ohne Talblick hatte die Eider weder dort, noch auf dem Weg dorthin gesehen, kein Gespür<br />

für einen Fluss, der von der Ostsee bis in die Nordsee fließt, der Grenze war und letztlich nun<br />

<strong>Schleswig</strong> und <strong>Holstein</strong> eint. Nun versperrt ein Ministerialdamm das Tal, und die Eider quält sich<br />

durch einen größeren Durchlass.<br />

Auf den anschließenden vier Kilometern waren noch acht Bauwerke mit verschiedenen Aktivitäten<br />

von <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> erforderlich. Dort, wo die neue Autobahn sich von den 18 mNN der<br />

Förde und damit Kiel als dem Tor zum Norden zuneigt, war der Bereich für eine Bogenbrücke als<br />

<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong><br />

Foto: B + J Archiv


Torsymbol sinnvoll. Hajo <strong>Böger</strong> hatte bereits in Hagen mehreren Bogenbrücken<br />

bearbeitet und konnte hier einen eigenen Entwurf realisieren. Heute klebt dieses<br />

Bauwerk optisch stark an den folgenden Brücken.<br />

Damals setzte eine Ampel der neuen Autobahn am Stadtrand noch ihr Ende, die primitivste<br />

Form des Kopfbahnhofsyndroms (selbst der Dänenkönig hatte seinerzeit seiner Chaussee nach<br />

Altona am Endpunkt ein Rondell gegönnt). Die Olympiade 1972 stand vor der Tür, mit den großen<br />

Segelwettbewerben in Schilksee. Die Ampel bekam man aber bis dahin nicht weg, doch etwas<br />

weiter, auf dem Westring, hatte Kiel schon etwas geschaffen und den Grund für einen Ausbau<br />

des Straßennetzes gelegt.<br />

Kiel-Legung<br />

Dieses Wortspiel sei erlaubt für das, was, um einen guten Eindruck zu machen, in Kiel für die<br />

Olympischen Spiele 1972 gebaut wurde. Beispielsweise der Tunnel in Wik (cut and cover) mit<br />

heller Verkleidung, Schallschluckdecke, adaptierbarer Beleuchtung, Video-Überwachung, Notstromversorgung,<br />

also nur das Beste vom Feinen. Heute ist das alles demontiert, vergangen und<br />

vergessen, Asche der Vergangenheit.<br />

Im übrigen ist stark anzunehmen, dass den Sportlern mit ihren Trossen die Verkehrsverhältnisse<br />

ziemlich egal waren, sie fuhren zu den Wettkämpfen und wieder zurück; es waren die Reporter<br />

die öffentlich und offen meckerten und moserten, weil sie häufiger da langbrettern mussten,<br />

um abends in Kiel noch mal auf Tour gehen zu können.<br />

Der Trubel ist, ruck, zuck, vorbei, was bleibt sind die Verkehrsbauwerke, für die gab es Geld aus<br />

der Förderung der Verkehrsinfrastrukur – und Kiel legte noch zu!<br />

Der „Kopfbahnhof“ wurde durch Anschlussbauwerke entlastet, die den Verkehr zum Ost-<br />

und West-Ufer ableiteten. Die vier Kilometer der B <strong>50</strong>3 bis zu dem Tunnel in Wik (Westseite)<br />

Schwanensee-Brücke ohne Lohengrin<br />

<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong>


erforderten zahlreiche Überführungen<br />

und tunnelartige Unterführungen.<br />

Nach Gaarden im Osten, mit der<br />

B 76/<strong>50</strong>2, hatte sich ebenfalls mit der<br />

architektonisch gestalteten Brücke<br />

über den Schwanensee-Park bis zur<br />

Schwentine-Brücke etwas getan.<br />

Wirklich beseitigt wurde das Verkehrs-Chaos<br />

aber erst mit der gefälligen<br />

Aufständerung über den Joachimsplatz<br />

in Gaarden. Dort hat sich die<br />

Brücke als städtisches Möbel<br />

Mühe der Planung wirklich gelohnt,<br />

denn im Vorwege wurden die Versorgungsleitungen<br />

neu geordnet und die Verkehrsströme entflochten. Das Bauwerk selbst ist<br />

eine optische Bereicherung des städtebaulich sonst so wenig ansprechenden Quartiers.<br />

Die Hörn, das südliche Ende der Kieler Förde und damit des Kieler Hafens, war das Areal der<br />

Werft und des Güterbahnhofs und eines Straßenwirrwarrs mit geradezu irrwitzigem Durchgangsverkehr.<br />

Darüber führte die Gablenzbrücke hinweg, damals ein Monster aus Stahlbeton<br />

und Stahl, das Nadelöhr des täglichen Pendlerverkehrs zwischen den beiden Ufern der Kieler<br />

Förde; und dies auch noch in einem nicht nur kriegsbedingten, sondern auch von Tausalz und<br />

Desinteresse destruierten desolaten Zustand. Das damals dringend erforderliche Ersatzbauwerk<br />

mit Abbruch und Neubau unter rollendem Verkehr kann als krönender vorläufiger Abschluss der<br />

Verkehrsbauwerke in Kiel angesehen werden, für die <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> planerische Verantwortung<br />

trugen und tragen.<br />

Nachtschwärmer<br />

<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong><br />

Foto: B + J Archiv


Kaiser Wilhelm? Das war einmal<br />

Wenn auch gelegentlich lautstark und mehrstimmig seine Rückkehr gefordert wird, so wäre das<br />

in Hinblick auf den Kanal, der seinen kaiserlichen Namen trug, eine kleine Katastrophe – zu vielfältig<br />

sind die vorgenommenen Verbesserungen. Warum sollte er aber nicht seinen alten Namen<br />

zurückerhalten? KWK klingt doch viel besser als NOK, das klingt so, wie Krankenkassen heißen.<br />

Viele berühmte Filmdiven behalten nach zahlreichen chirurgischen Ertüchtigungen ja auch ihren<br />

Namen für den nächsten Film ...<br />

Vom Travekanal für Binnenschiffe abgesehen, war der KWK der dritte Versuch, eine Verbindung<br />

zwischen Nord- und Ostsee herzustellen. Da war erst die Treene/Schlei-Verbindung der<br />

Wikinger, der zweite der Eiderkanal, der die Kieler Förde mit der Eider bei Rendsburg verband.<br />

Sein Problem war jedoch ein Aufstieg von rund acht Metern bis zur Wasserscheide bei Levensau<br />

und ein etwas geringerer Abstieg zur Tiede-Eider bei Rendsburg. Trotzdem war der Schiffsverkehr<br />

beträchtlich, doch nicht für seegehende Schiffe.<br />

Mit der Warnung der Handelsmarine vor dem berüchtigten und gefürchteten Schiffsfriedhof<br />

rund um Skagen im Rücken inszenierte Kaiser Wilhelm II. dann den dritten Versuch einer Nord-<br />

Ostsee-Verbindung. Sein Plan, der zum Reichsprojekt avancierte: ein neuer Kanal, der mit einer<br />

Länge von 90 Kilometern dänische Gewässer nicht benutzen zu müssen half. Ökologisch entzieht<br />

der Kanal dem Unterlauf der Rest-Eider ein Einzugsgebiet von 1.200 Quadratkilometern,<br />

heute eher ein Problem der Planung. Als Maßkahn galten für das Kanalprofil die ersten Kreuzer<br />

Seiner Majestät, für die Durchfahrtshöhe die Takelage der damaligen Segelschiffe, diese war lange<br />

ausreichend, aber der Kanalquerschnitt nicht. Für den Gegenverkehr waren Weichen erforderlich,<br />

da wäre Klotzen eher als Kleckern angesagt gewesen! Deshalb erfolgte schon nach rund<br />

Kaiserliche Kanalbauer<br />

<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong><br />

Wandgemälde TU Berlin


Pontonbrücke, meist geöffnet<br />

zwanzig <strong>Jahre</strong>n die erste Verbreiterung und Vertiefung, eine enorme Ingenieur- und Arbeitsleistung,<br />

auch für heutige Maßstäbe, mit einem gigantischen logistischen Aufwand, beispielsweise<br />

für die Ziegeleien (die Vormauerklinker kamen aus Holland), mit Arbeitslagern, Feldbahnen und<br />

allem nötigen immensen Drum und Dran.<br />

Das Ganze war aber hinsichtlich des künftig zu erwartenden Verkehrs einige Nummern zu<br />

klein gedacht, unter den sechzehn Kanalquerungen gab es nur zwei feste Brücken, vierzehn von<br />

insgesamt sechzehn Übergängen für den Straßen- und Eisenbahnverkehr waren vom Schiffsverkehr<br />

abhängig, zehn davon als Fähren, drei als Drehbrücken und eine als Schiffbrücke. Um es<br />

etwas mokant zu sagen: die beiden richtigen Brücken gab es nur, weil dort, wo sie stehen, das<br />

Gelände zwanzig Meter über dem Kanalspiegel liegt und sie für die 42 Meter Durchfahrtshöhe<br />

die beste Lösung waren.<br />

In Holtenau genügte dem Verkehr damals noch eine Klappbrücke über die Schleusenkammer<br />

des Eiderkanales. Mit dem Kanalbau wurde im Binnenvorhafen der<br />

Schleusen eine Pontonbrücke installiert, deren Mittelteil zur Schiffs-<br />

Prinz-Heinrich, etwas knapp<br />

passage ausgeschwommen werden konnte. Die sich daraus ergebenden<br />

Wartezeiten für Fuhrwerke und Fußgänger verkürzte allerdings<br />

kein Possenreißer, kein Kieler Willy Millowitsch. Dieses Ungemach<br />

währte bis zur ersten Kanalverbreiterung, dafür wurde die<br />

erste Hochbrücke, die dreifeldrige Prinz-Heinrich-Brücke, an dieser<br />

Stelle geplant. Das Gelände lag auf etwa zehn Meter über Kanalwasser,<br />

das erforderte besonders auf der Holtenauer Seite erhebliche<br />

Dammschüttungen für die Zufahrtsrampen, die offensichtlich<br />

recht unbedarft ausgeführt wurden, da sich eines Tages ein gigantischer<br />

Böschungsbruch ereignete. Die Fahrbahnbreite in der Mittelöffnung<br />

von sieben Meter, an der Pontonbrücke wohl als ausreichend<br />

empfunden, sollte noch eine Straßenbahn aufnehmen, die<br />

zum Glück nie in Betrieb gegangen ist. So erfüllte die Brücke bis in<br />

0 <strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong>


die 70er-<strong>Jahre</strong> ihre Aufgabe alleine, mehr recht indes als schlecht. Für die Segelwettbewerbe<br />

der Olympischen Spiele im <strong>Jahre</strong> 1972 wurde für die Prinz-Heinrich-<br />

Brücke als Verbindung zu dem Austragungsort Schilksee eine Entlastung durch<br />

die Olympiabrücke gebaut, und zwar als stählerne Deckbrücke mit vergrößerter Mittelstützweite.<br />

Die Gradiente lag um das Maß der Bauhöhe über der alten Brücke. Für dieses Bauwerk wurden<br />

von <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> vielfältige Ingenieurleistungen erbracht, auch für den Rückbau der alten Brücke.<br />

Diese genügte inzwischen kaum noch den Anforderungen des Straßen- und Schiffsverkehr<br />

und wich einem Neubau, für dieses Ersatzbauwerk wurden <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> mit der Entwurfsplanung<br />

beauftragt.<br />

Der Kanal folgt einem begradigten Verlauf des Eiderkanals, jedoch auf Meereshöhe, durchschneidet<br />

die Moräne, auf der nach wenigen Kilometern bereits die damalige Scheitelhaltung<br />

auf rund acht mNN bei Levensau lag, dort war seinerzeit wieder eine Schleuse mit Klappbrücke.<br />

Mit dem Kanalbau gab es am Ende des 19. Jahrhundert erste Überlegungen, den Straßenverkehr<br />

an der Böschung entlang auf das neue Niveau zu einer Fähre hinabzuführen und für die Bahn<br />

von Kiel nach Eckernförde eine Drehbrücke bei Neuwittenbek zu bauen. Erst 1892 entschloss<br />

man sich für Bahn und Straße zu der bekannten Levensauer Hochbrücke. Diese lag wesentlich<br />

weiter östlich, wo bei einer Geländehöhe von etwa plus 22 mNN nur rund zwanzig Meter hohe<br />

Rampen erforderlich wurden. Zu diesem Zeitpunkt war die Brücke in Grünenthal bereits fertig.<br />

Aus der Planungszeit für Levensau sind sechs Entwürfe bekannt, beispielsweise eine Hängebrücke<br />

mit zwei Pylonen am Kanalufer, verschiedene Brücken als Eingelenkbogen mit rund 1<strong>50</strong><br />

Metern Stützweite und zwei Entwürfe mit Zweigelenkbögen, beide dem späteren Bauentwurf<br />

sehr ähnlich. Der Ausführung lag der Gedanke zugrunde, die Fahrbahn nur indirekt auf die Bogenträger<br />

abzustützen, und dies erforderte die typische horizontale Verbandsebene über der<br />

Fahrbahn. Dadurch wurde mehr als die doppelte Tonnage an Stahl im Vergleich mit Grünenthal<br />

verbaut. Der Bogen misst im Scheitel 3,2 Meter, an den Kämpfern 5,6 Meter. Das Kämpfergelenk<br />

ist verkleidet und täuscht einen eingespannten Bogen vor. Für Ästheten schneidet der Bogen<br />

das Band der Fahrbahn in unglücklicher Höhe. Trotzdem macht das Bauwerk von 1894 einen<br />

imposanten Eindruck, der Kaiserzeit durchaus gemäß. Doch nach sechzig <strong>Jahre</strong>n wurden die<br />

Portale abgebrochen, später die Brücke nachgerechnet, die Verbandsebene über der Fahrbahn<br />

<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong> 1


Olympia macht alles neu<br />

konnte entfallen, es wurden dann noch alle Stahlteile blau, nur der Bogen rot gestrichen, so<br />

entstand ein klares, fast zeitloses Bauwerk. Die Brücke musste sich auch etwas putzen, da in ihrer<br />

unmittelbaren Nachbarschaft für die ausgebaute B 76 eine dreifeldrige Deckbrücke aus Stahl<br />

gebaut wurde. Deren Stützweite des Mittelfeldes ist praktisch die alte Bogenspannweite.<br />

Bei Rendsburg liegen Eiderkanal und Eider nördlich der Stadt, der neue Kanal wurde südlich<br />

gebaut. Von alters her liefen hier zahlreiche Straßen auf diese Stadt zu, mit Beginn des Industriezeitalters<br />

nun auch noch die Eisenbahn. Genügten in der ersten Ausbaustufe von 1895 noch<br />

ungleicharmige Drehbrücken mit einer Überbaulänge von sechzig und vierzig Metern, die von<br />

Druckwasser und Seilzug bewegt wurden, so wurden 1913 für den Ausbau auf fünfzig Meter<br />

Durchfahrtsbreite schon zweiflügelige Drehbrücken errichtet. Weil das Öffnen und Schließen<br />

jeweils nur eine Minute dauerte, waren diese Zeiten im Vergleich mit der Dauer einer Schiffs-<br />

oder gar Konvoipassage eine zeitliche Belanglosigkeit. Der entstehende Fahrzeugstau aber hatte<br />

sich als Pulk auch nach dreißig Kilometern noch nicht aufgelöst. Da bot es sich auf dem Weg<br />

nach Süden schon mal an, selbst wenn der Verkehr bereits wieder floss, im Konventgarten in aller<br />

Ruhe eine Pause einzulegen. Dieser Zustand wurde erst 1962 mit der Eröffnung des vierspurigen<br />

Kanaltunnels beseitigt, dieser wiederum erhielt in unmittelbarer Nähe eine wesentliche Entlastung<br />

durch die neue Autobahn und deren Kanalbrücke bei Rade. Die Eisenbahn wurde bis zu<br />

der Kanalerweiterung mit zwei getrennten Drehbrücken als Deckbrücken überführt. Ab 1911<br />

liefen die Arbeiten an der zweigleisigen Hochbrücke, die mit ihrer Fertigstellung 1913 den Ersatz<br />

der Drehbrücken ermöglichte. Für die erforderliche Durchfahrtshöhe von 42 Metern bei einer<br />

Steigung von rund einem Prozent waren Rampenbrücken erforderlich, deren Länge durch die<br />

vorhandene Geländehöhe von neun Meter reduziert wurde, trotzdem war es auf der Rendsburger<br />

Seite erforderlich, die Rampe als Schleife auszuführen, um Anschluss an den Bahnhof zu<br />

gewinnen. So entstand ein Bauwerk, das mehr als vier Kilometer länger als die alte direkte Verbindung<br />

war, somit ein optisch allgegenwärtiges Bauwerk wurde, eben die Rendsburger Hochbrücke,<br />

die durch die untergehängte Schwebefähre auch für den Straßenverkehr eine Attraktion<br />

2 <strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong><br />

Foto: B + J Archiv


darstellt. Das jetzt fast einhundert <strong>Jahre</strong> alte Bauwerk entwickelte im Lauf der Zeit<br />

in etwa so viele bautechnische Bedürfnisse wie der Kölner Dom – es gibt immer<br />

was zu rechnen und zu werkeln. Die letzte Maßnahme von <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> waren<br />

Bremsversuche auf der Brücke und deren Auswertung und Bewertung.<br />

Auf unser fiktiven Kanalwanderung kommen wir nun – nach fast siebzig Kilometern – an jene<br />

Stelle, an der vor dreißig <strong>Jahre</strong>n noch eine weitere kombinierte Straßen- und Eisenbahnbrücke<br />

aus der Gründerzeit zu sehen war. Der Kanal schneidet hier eine fast dreißig Meter hohe Geestzunge,<br />

welche die Niederungen von Eider und Stör trennt. Wie ihre östliche Schwester in Levensau<br />

war auch sie ein Zweigelenkbogen, 1892 fertiggestellt war sie aber älter als jene, wirkte aber<br />

mit ihrem sichelförmigen Bogen mit einer Stärke von 4,2 Metern im Bogenscheitel wesentlich<br />

jünger, ein Eindruck, der dadurch verstärkt wurde, dass diese Brücke keinen Windverband mehr<br />

aufweist, dafür aber dezentere Widerlagerbekrönungen und einen optisch günstigeren Schnitt<br />

zwischen Fahrbahnband und Bogen. Die Widerlager wiesen gewölbte Aussparungen auf, wodurch<br />

der Dammfuß auch aus geostatischen Überlegungen zurückversetzt war und das Bauwerk<br />

selber freigestellt wurde. Leider war der Überbau mit einer lichten Weite von 6,5 Metern<br />

zwischen den Bögen so schmal, dass die Straße für eine Zugpassage gesperrt werden musste.<br />

Der Baugrund machte Kanalverbreiterungen im Bauwerksbereich unmöglich. So sprachen viele<br />

Gründe für ein Ersatzbauwerk. Nach fast einhundertjähriger Nutzung wurde die alte Brücke beseitigt.<br />

Sie hat einer dreifeldrigen Fachwerkbrücke Platz gemacht.<br />

Von unserem jetzigen Standort verläuft der Kanal in fast südlicher Richtung nach Hochdonn<br />

mit seiner Eisenbahnbrücke, um dann förmlich in die Marsch einzutauchen. Das ist eine Gegend,<br />

in der die Mönche vor den Überfällen der Slawen Zuflucht fanden, wo der Boden kaum kultiviert<br />

worden ist und nur ein paar Kanäle gezogen worden sind. Dort, wo die Entwässerung des Bodens<br />

erfolgte, liegt seine Oberfläche auf rund minus 2,5 mNN. Hier, kurz vor Brunsbüttel, kreuzte<br />

damals die Marschenbahn mit einer Drehbrücke bei Taterpfahl, die auch der ersten Erweiterung<br />

Die Bahn hatte eine Drehbrücke<br />

<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong>


Levensau in alter Pracht<br />

weichen musste. In diesem Gelände eine zweite Rendsburger Hochbrücke zu bauen war unmöglich,<br />

so machte die Bahn einen 22 Kilometer langen Bogen um diesen Bereich und errichtete<br />

die 2,2 Kilometer lange Hochbrücke in Hochdonn. Sie wurde wegen des Ersten Weltkrieges<br />

erst 1918 nutzbar, richtig fertig aber wurde sie erst 1924. Die alte Linie wurde als Stichbahn nach<br />

Brunsbüttel aufrechterhalten. Im Vorhafen Brunsbüttel finden wir die letzte historische Fähre, die<br />

inzwischen den Verkehr der B 5 in Spitzenzeiten mit zwei Fähren übersetzte. Der Fernverkehr mit<br />

innerörtlichem Verkehr war auf Dauer eine untragbare Situation, auch noch, nachdem eine weitere<br />

Fährverbindung eingerichtet worden war. Deshalb wurde geplant, die B 5 in die Nähe der<br />

alten Bahntrasse zu verlegen. Es schien nicht nur den Ingenieuren von <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> logisch,<br />

nicht auf diesem Gelände zu bauen, sondern in den Boden hinein. Deshalb ruht im Archiv ein<br />

Konvolut von zahlreichen Ordnern, vollgeschrieben mit vielen Gründen für einen Kanaltunnel<br />

der B 5. Irgendwo scheint es aber in der Verkehrsadministration keine ordentliche Abstimmung<br />

Grünthal einst und jetzt<br />

<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong>


gegeben zu haben, denn sonst wäre die Bahn in das<br />

Tunnelprojekt mit einbezogen worden. Man hätte<br />

den Tunnel nämlich nicht vordergründig nur an den<br />

Betriebskosten scheitern lassen müssen, wenn man anerkannt hätte,<br />

dass die Brücke den Straßenverkehr mit einer doppelt so großen<br />

verlorenen Steigung belastet, dass die Bahn einen Umweg von 22<br />

Kilometern vermeiden und dass die Unterhaltung der Hochbrücke<br />

Hochdonn entfallen würde. Die Planung wurde auf eine Hochbrücke<br />

umgestellt, die erfahrungsgemäß bei Sturm für leere LKW zu<br />

sperren wäre. Der Tunnel hätte im Sand des tragfähigen Baugrundes<br />

oder mit Bodenaustausch oder Kiespfählen gegründet werden<br />

können, nun wurden Tiefgründungen erforderlich, deren Großbohrpfähle<br />

wiederholt wegen Klei-Einbrüchen freigelegt und saniert<br />

werden mussten, Ortbetonrammpfähle sahen trotz der Kiesvorrammung<br />

wie Weihnachtsbäume aus, bewährt haben sich einzig<br />

die Stahlpfähle, die zwar unter dem aufgesetzten Bär im Boden<br />

verschwanden, schwer anzurammen waren, aber wechselnden<br />

Verhältnissen gut angepasst werden konnten. Diese Erfahrungen stehen jedoch auf einem ganz<br />

anderen Blatt Papier.<br />

Überraschende Perspektiven<br />

Zuerst war es ein richtiger Schock, dieses allgegenwärtige todtraurige Grau, das bleiern überall<br />

das Leben überzog. Mit den <strong>Jahre</strong>n jedoch wurde der Blick immer vertrauter, etwa von der Transitautobahn<br />

ins Land oder aus der S-Bahn in die Straßen Ost-Berlins hinein. Der Sozialismus hatte,<br />

sogar in ländlichen Regionen, andere Sorgen und Ziele als Farbe und Frohsinn, zum Beispiel<br />

die Beschaffung von Wohnraum mit Plattenbauten. Und dann dieser Straßenzustand, der nur<br />

<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong>


Aufbau Ost in Neustrelitz<br />

bei Geschwindigkeitsbeschränkungen hinnehmbar war! Und dieser kontinuierliche Verfall herrenloser<br />

Bausubstanz, dessen fleißig wühlende und knabbernde Steinlaus à la Loriot den Westbesucher<br />

sehr bedrückte. Am Kontrollpunkt wieder angelangt, beruhigte man sich zwar mit<br />

dem Gedanken, das seien ja deren Probleme, aber plötzlich wurden diese Probleme ein gemeinsames<br />

Problem. Und dann kam die böse Überraschung: Die westdeutschen Amtsschubladen<br />

waren leer! Obwohl die Wiedervereinigung doch ein ständiges Bekenntnis aller und Verpflichtung<br />

für jeden gewesen war! Es gab aber keinen Plan B weder für Industrie und Wirtschaft, noch<br />

für Infrastruktur und nationales Kulturgut!<br />

Nun ging alles seinen geregelten „sozialistischen Gang“: zuerst Abstimmung auf Länderebene,<br />

dann Kontakte der Straßenbauämter, dann konnte endlich für die neuen Bundesländer gearbeitet<br />

werden. <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> halfen in Neustrelitz bei der Umgehungsstraße, auch in Gadebusch<br />

bei der letzten Brücke, ließ gestandene Ingenieure in Ulzburg hospitieren, damit sie sich selbstständig<br />

machen konnten, und man streckte selber die Fühler nach Möglichkeiten für Zweigbüros<br />

aus. Es überraschte, wie viele qualifizierte Ingenieure beiderlei Geschlechts sich zu Taten in<br />

neuem Rahmen motivieren ließen. Es<br />

wurden die Büros in Leipzig und Dessau<br />

ins Leben gerufen, in Chemnitz<br />

ergab sich eine Kooperation. So konnten<br />

neben vielen kleineren Aufgaben<br />

auch die Brückenbaumaßnahmen als<br />

Fortführung der Verkehrsplanung in<br />

Leipzig und der Ausbau der Autobahnen<br />

weitgehend vor Ort bearbeitet<br />

werden. Es sollte hier aber auch<br />

noch an die Anfangsphase erinnert<br />

werden, in der sich die Vertreter der<br />

Behörden gegenüber denen des <strong>Ingenieurbüro</strong>s<br />

in alter Manier sehr reserviert<br />

verhielten, ohne klar und<br />

deutlich als persönliche Meinung wenigstens<br />

einmal „Mist“ oder „prima“ zu<br />

Realisierung alter Pläne<br />

einem Vorschlag gesagt zu haben.<br />

<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong><br />

Foto: B + J Archiv<br />

Foto: B + J Archiv


Inzwischen sind noch ein Büro in Wismar und eine Niederlassung in Berlin hinzugekommen,<br />

und so nennt sich diese Ansammlung von mittlerweile sechs <strong>Ingenieurbüro</strong>s<br />

nunmehr <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> Gruppe.<br />

Trutz Blanke Hans<br />

Dieser Ausruf ist eigentlich nur im Norden Deutschlands beheimatet, wäre aber auch für alle<br />

anderen Hochwassergebiete geeignet. Etwa für einen Sturzbach, der, aus Regen und geschmolzenem<br />

Schnee gespeist, alles erosiv mit sich reißt, was jeder normale Niederschlag liegen lassen<br />

würde, und der mit halben und ganzen Bäumen und Geröll alles zertrümmert und verschüttet,<br />

was ihm in die Wege kommt. Wie damals 2002! Dieses Hochwasser aus dem Erzgebirge war<br />

vorhergesagt worden, doch nur Kachelmann warnte, aber leider ungehört, vor seiner verheerenden<br />

Kraft. Vielleicht hätten die malmenden Kräfte geschwächt werden können, die aus den<br />

offenen Schleusen des Himmels sich ergossen, wenn die Schleusen der Talsperren frühzeitig<br />

geöffnet worden wären.<br />

Mit diesem Ziel sind Ausbau und Unterhaltung von Rückhaltebecken für Wasserläufe sinnvolle<br />

Installationen, und mit ihnen die Überarbeitung und der Neubau von Ablass und Überlauf.<br />

Es werden auch Pegelstationen mit Messwehr rekonstruiert. Noch einen Schritt weiter geht die<br />

Renaturalisierung von Bächen, welche die Abflussspitzen kappt. Letztlich gehören auch die zahllosen<br />

Regenrückhaltebecken der Straßenentwässerung zu dieser Vorsorge.<br />

Weil Sachsen, genauer Leipzig, 1954 von einem ähnlichen Hochwasser betroffen war, wurden<br />

die zu jener Zeit eingeleiteten Maßnahmen ergänzt und mit den Erfahrungen von 2002 ein<br />

Schutzkonzept für alle Nebenflüsse der Elbe in Sachsen und Sachsen-Anhalt erstellt. Auf der Ba-<br />

Dezenter aber wirksamer Schutz<br />

<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong>


Elbefluten realiter<br />

sis der Häufigkeit der Abflussmengen wird die Höhe der Hochwasserschutzlinien ermittelt und<br />

mit dem Istzustand verglichen. Als Ingenieur ist man vorrangig aufgefordert, diese Wassermassen<br />

mit vertretbarem Aufwand zügig abzuleiten, damit dem steten, unaufhaltsamen Anstieg des<br />

Gewässerpegels Grenzen gesetzt werden können, der es bald hier und bald dort in Gebäude<br />

oder Keller sickern und sprudeln und strömen lässt.<br />

Das Hochwasser von 1954 wurde nach rund fünfzig <strong>Jahre</strong>n erstmals wieder 2002 überschritten,<br />

womit die Relation einer Eintrittswahrscheinlichkeit von 1/<strong>50</strong> deutlich wird, HQ<strong>50</strong> genannt.<br />

Viele Deiche trotzen einem Hochwasser mit zehnjähriger Häufigkeit (HQ10). Es wird intensiv an<br />

einer Verbesserung auf durchgehend HQ<strong>50</strong> oder HQ100 gearbeitet, was Auswirkungen entsprechender<br />

Arbeiten anderenorts einschließt. Mit einem Höhenzuschlag bietet ein Deich ausreichende<br />

Sicherheit gegen Hochwässer. Es sollte aber klar sein, dass dieser Schutz auf die Erfahrungen<br />

mit zurückliegenden Ereignissen bezogen wird. Ohne unken zu wollen: in den nächsten<br />

fünfzig <strong>Jahre</strong>n könnten zyklische Klimaschwankungen auftreten, die sogar Änderungen der Vegetation<br />

bewirken werden. Die Sicherheit einer Eintrittswahrscheinlichkeit von HQ100 ist unter<br />

diesen Gesichtspunkten eine nicht mehr hypothetische Frage. So, wie es viele Hochwässer vor<br />

diesen Ereignissen gab, inzwischen auch wieder gegeben hat (2006), sind die Schäden unterschiedlich<br />

groß. Selbst dann, wenn nur dreißig Zentimeter Wasser in der Garage stehen sind das<br />

schmerzhafte Tatsachen für den Eigentümer. Die damals vorhandenen schützenden Flussdeiche<br />

waren in der Mehrzahl überkommene Gebilde mit schlechtem Profil, falschem Aufbau, mangelhafter<br />

Unterhaltung, ihrer Höhe nur sukzessive angepasst. Die daraus folgenden vielfältigen Aufgaben<br />

machten eine Liste der Prioritäten erforderlich, die auch die Finanzkraft der Öffentlichen<br />

Hand nicht überfordern darf.<br />

<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong>


Dessau wurde bei dem Hochwasser von 2002 nur deshalb überflutet, weil Elbe<br />

und Mulde gleichzeitig Hochwasser führten. Gegen solche Gleichzeitigkeiten helfen<br />

Deiche nicht allein, nur zusätzliche Wege für das andrängende Wasser, wie<br />

zum Beispiel die Alte Elbe als Flutgraben in Magdeburg. In dieser Art wären noch viele Flussarme<br />

aktivierbar. Alle Flüsse haben ihre neuralgischen Abschnitte, wie etwa die Elbe vor Lauenburg,<br />

dort liegt eine über eintausend Meter breite Fläche, früher sinngebend Aue genannt, die jetzt<br />

eingedeicht ist und bebaut. 1776 noch zeigt eine Karte dort ein Überschwemmungsgebiet, von<br />

Gräben durchzogen, dessen Ablagerungen aus dem natürlichen Rückstau einer Verengung des<br />

Flussbettes in Lauenburg auf dreihundert Meter Breite resultieren. Lauenburg liegt obendrein<br />

noch am Prallhang der Elbe, häufige Überschwemmungen sind damit unvermeidlich. Ab Geesthacht<br />

gibt es noch eine andere Art Hochwasser verursachende Gleichzeitigkeit: die Überlagerung<br />

des Hochwassers der Elbe mit Ebbe und Flut. So wachsen sich die Deiche elbabwärts von<br />

Flussdeichen zu Seedeichen aus. Für diese gilt seit der großen Flut von 1962 die Höhe einer<br />

neuen Schutzlinie, jener Flut, die in Hamburg „uns Helmut“ bundesweit bekannt gemacht hat.<br />

Diese Flut, verursacht von Winden, die von West auf Nordwest drehten und sturmartig auffrischten,<br />

war hydrografisch kein undenkbarer Fall. Sie war sicher auch früher schon aufgetreten,<br />

ohne große Schäden allerdings, nur fanden zwischenzeitlich an der Unterelbe massive anthropogene<br />

Veränderungen statt. Napoleon zum Beispiel, baute einen Steg, um von Harburg nach<br />

Hamburg zu kommen, da waren kein Wilhelmsburg, kein Hafen mit Kaimauern, da war alles<br />

flaches Land. Und das Bett der Elbe, heute für die größten seegehenden Schiffe vertieft, bietet<br />

jeder Flutwelle freie Bahn. Dies zu ändern ist schier unmöglich, also war den Fakten Rechnung zu<br />

Hier läuft einiges zusammen<br />

<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong><br />

Foto: B + J Archiv


tragen: die Deiche erhöhen. Denn dies hier war kein drängendes Flusswasser, hier ging es gegen<br />

den wahren blanken Hans, der mit sturmzerfetzten, gischtgekrönten Wellen gegen das Land<br />

anrennt. Mit der Deicherhöhung wurden neue Siele und Schöpfwerke nötig, auch die Arbeiten<br />

an den Ein- und Auslaufbauwerken des Kernkraftwerks Brockdorf wären dem guten Dutzend<br />

Deichbaumaßnahmen hinzuzurechnen, die <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> in diesen Zeiten absolvierte.<br />

1962 und 1976 brachten <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> ihre reichen Erfahrungen für die Konzeption neuer<br />

Hochwasserschutzanlagen (Deiche) und für die darin liegenden Bauwerken ein. Kaum ein Ingenieurbauwerk<br />

an der Unterelbe zwischen Hamburg und Neufeld wurde ohne die Mitarbeit von<br />

<strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> errichtet! Zurzeit wirken <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> bei den zwei großen Küstenschutzmaßnahmen<br />

an der Unterelbe mit: in Brunsbüttel und an der Ostsee in Dahme.<br />

Das Hochwasserereignis 2010 in Lauenburg überstanden die von <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> errichteten<br />

Hochwasserschutzbauwerke ohne Schaden; die Stadt Geesthacht freut sich auf den Hochwasserschutz<br />

am Oberen und Unteren Schleusenkanal, der nun endlich realisiert wird.<br />

Eine besondere Aufgabe aber war die Gegend um Glückstadt.<br />

1616 gegründet, ist dieser Stadt, trotz ihres vielsagenden Namens, nie allzu viel Glück beschieden<br />

gewesen. Sie wuchs nach dem dreißigjährigen Krieg zwar zur zweitgrößten Stadt von Dänemark<br />

heran, Hamburg aber den Rang in punkto Handel abzulaufen, war nicht drin – Glück? Als<br />

polygonale Stadt war sie an der Elbe in den Zwickel der Mündung des Rhyns eingepasst, dieser<br />

Zwickel wurde Handels- und Marinehafen, Hafen für Walfänger und Robbenjäger und dann Fischereihafen<br />

– aber übrig blieben davon nur die Matjeswochen – Glück? Glückstadt war Nebenresidenz<br />

mit Schloss, und als Christian starb, hinterließ er eine nur halbfertige Stadt – und eine<br />

Geliebte mit Namen Wiebke Kruse, an die bis heute ein alter Turm erinnert. Die Stadt aber verkümmerte<br />

zum Verwaltungszentrum und war dann auf einmal nur noch Stadt – Glück? Glückstadt<br />

war eine befestigte Grenzgarnison, wofür der Rhyn vom Hafen in den Wallgraben verlegt<br />

werden musste. Die Festung wurde 1814 geschleift, die Stadt aber blieb lange ein Standort des<br />

Militärs, erst für das Heer, den Bund, nun aber für keinen mehr – Glück? Die Marschenbahn hatte<br />

1845 hier ihre Endstation, später fuhr sie weiter bis nach Itzehoe, hinterließ aber nur ein kleines<br />

Betriebswerk – Glück? Und dann war da noch die Papierfabrik, die edles Dokumentenpapier<br />

produzierte, aber auch die hatte auf Dauer – trotz der Fortuna im Wappen der Stadt – keine<br />

Fortüne. Die Stadt war nach holländischem Muster von Fleeten durchzogen, die aber wurden<br />

nicht mehr gebraucht und zugeschüttet. Glückstadt war stauträchtiger Fähranleger für die Verbindung<br />

nach Wischhafen, dieser wurde in Richtung Neuendeich verlegt und später mit dem<br />

A 20-Elbtunnel hinfällig - Pech!<br />

Vor weit über 100 <strong>Jahre</strong>n wurde das Sturmflutproblem erstmals gelöst. Der Hafen wurde in<br />

einen Außen- (tideabhängig) und einen Binnenhafen durch einen Deichkörper getrennt. Dieser<br />

Deichkörper erhielt ein Sperrwerk, um den Hafenbetrieb im Binnenhafen aufrechterhalten zu<br />

können. Für die Vorflutgräben Rhyn und Schwarzwasser wurden kleine Schleusen gebaut. Später<br />

kam noch eine großes Schöpfwerk hinzu. Nachdem inzwischen der Umschlag im Hafen weitestgehend<br />

aufgegeben worden ist, war es fast folgerichtig, für diesen ganzen Komplex unter<br />

Einschluss seiner historischen Bebauung einen Masterplan zu erstellen, der sich an andere Arbeiten<br />

im Ort anschließt. Dort wurde inzwischen reumütig das Hauptfleet wieder freigelegt – endlich<br />

Glück!<br />

Die weiteren Arbeiten der Deicherhöhung zogen sich bis 2009 hin und geografisch bis kurz<br />

vor Brunsbüttel.<br />

0 <strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong>


Der rote Felsen<br />

Irgendwie war Helgoland schon immer mit Nationalgefühlen verbunden. Hier hatte 1841 ein<br />

verbannter Systemkritiker eine Hymne auf sein Vaterland gedichtet, deren dritte Strophe auch<br />

heute noch nicht ganz vergessen ist, gelegentlich sogar gesungen wird. Ursprünglich zu <strong>Schleswig</strong><br />

gehörend war die Insel später dänisch und nach der Dänenzeit bis 1890 britisch geworden.<br />

Seit 1826 präsentierte sie sich stolz als Seebad, was aber den Ausbau zum waffenstrotzenden<br />

Marinestützpunkt nach 1890 nicht verhinderte. Damit war aber 1919 nach der Zerstörung der<br />

militärischen Anlagen fürs erste Schluss, Helgoland lebte aber als Kriegshafen im „Dritten Reich“<br />

wieder auf, um von 1945 bis 1952 als Bombenziel vollständig verwüstet zu werden. Eine finale<br />

gigantische Sprengung der unterirdischen Anlagen sollte, wenn schon nicht die Insel beseitigen,<br />

so doch zumindest ihre erneute missbräuchliche Verwendung für militärische Zwecke verhindern.<br />

Der Rest dieses ehemaligen Buntsandsteingebirges hat diese Attacke im wahrsten<br />

Sinne des Wortes locker überstanden.<br />

Erstmal sollte der Hafen so hergerichtet werden, dass er wieder Schutz bieten und dort auch<br />

wieder angelandet werden kann. Dann musste ein Schrägaufzug zum Oberland für Materialtransporte<br />

her. Der Wiederaufbau ließ bald die Heimkehr von Alt-Insulanern zu. Den Lebensunterhalt<br />

zu verdienen, war aber schwierig, mit Fischfang war nicht allzu viel zu machen, daher<br />

verlegten die Insulaner sich auf den Touristenfang, vorzugsweise auf den von Tagesgästen. Die<br />

einen Insulaner kochten was, die anderen verkauften was, die dritten schafften Leute ran. Das<br />

ging vor allem mit dem Gaudi des halsbrecherischen und manchmal pitschnassen Ausbootens<br />

bestens, das bald bundesweit Furore machte und für willkommene kostenlose Werbung sorgte.<br />

Auch wenn die Schiffe der Ausflügler auf Reede lagen, wurden am Hafen dringend stabile Ufer-<br />

Helgoland<br />

<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong> 1


Helgoland<br />

mauern gebaut; außerdem für die Touristen, die von den Ausflugsdampfern ausgebootet wurden,<br />

im Hafen Bootstreppen und -stege, die bei jeder Tide benutzt werden konnten, und dann<br />

Zollanlagen, denn Helgoland war ja Zoll-Ausland. Die Arbeiten gestalteten sich schwierig und<br />

aufwendig. Überall lag irgendwas im Bach, und was all‘ die Wirren überstanden hatte, war inzwischen<br />

rott.<br />

Das ging so eine Weile ganz gut, bis sich all‘ das überholt hatte und spießig zu wirken begann,<br />

und die Anlagen waren auch schon mächtig in die Tage gekommen. Nun wurde die Düne zum<br />

Badestrand und zur Feriensiedlung umfunktioniert, man wollte ja weg von der Spritinsel und<br />

zurück zum Image eines Seebades. Unter anderem, aber als optisch wirksame Aufgabe, musste<br />

dazu der ganze Seesteg mit seinen Anlegern für die Bedürfnisse und Erwartungen der Gäste des<br />

Seebades nach neuen Gesichtspunkten gestaltet und umgebaut werden, damit der so wichtige<br />

gute erste Eindruck entsteht.<br />

Noch etwas: Es wird viel Geld für den Schutz des Felssockels ausgegeben, in dem Glauben, die<br />

Insel so bewahren zu können wie sie heute ist. Über den Klimawandel wird noch spekuliert, der<br />

geografische Wandel aber ist unabwendbar, egal, ob er die Berge betrifft oder diese Insel im<br />

Meer.<br />

Die graue Stadt<br />

Mit diesem stimmungsgesättigten Bild hat der große, gefühlsbetonte Dichtersohn seiner Heimatstadt<br />

am Meer zwar ein griffiges Etikett verpasst, doch kannte der das graue Grausen des<br />

Verkehrs noch nicht, der durch die – genau genommen – gar nicht so triste graue Stadt braust.<br />

Im Gegensatz zu Meldorf konnte Husum sich durch alle Sturmfluten hindurch einen schiffbaren<br />

Zugang zum Meer bewahren. Inzwischen wurde ein neuer Hafen vor der Stadt gebaut, der alte<br />

Hafen in der Stadt dient jetzt nur noch den Touristendampfern. Auf den Wochenendheimfahrten<br />

von Norden her, auf der B 5, war für das Geschlängel und Gedrängel durch die Stadt die Fischbude<br />

am alten Hafen immer eine feste Größe, eine kleine Entschädigung. Trotzdem verlangte das<br />

2 <strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong><br />

Foto: B + J Archiv


drängende Verkehrsproblem<br />

nach einer probaten Lösung.<br />

Dort, wo früher die Ochsen<br />

in Husum zusammengetrieben<br />

wurden, um sie über die<br />

Ochsenwege nach Süden zu<br />

bringen, dort entstand später<br />

ein regional bedeutender<br />

Viehmarkt mit Viehtransport<br />

per Bahn, und im Norden der<br />

Stadt war noch nach dem 2.<br />

Weltkrieg ein großes Areal<br />

mit Pferchen, Auktionshalle<br />

und Viehverladung. Als das<br />

vorbei war, bot sich der Stadt<br />

die Möglichkeit, einen neuen<br />

Weg zu finden, der den alten<br />

Hafen berührt und anschließend<br />

den Hafenkanal (Husumer<br />

Au) mit einer Klappbrü-<br />

Es klappt auch in Husum<br />

cke quert, ähnlich der parallel verlaufenden Bundesbahn. Diese neue Trasse schließt nahe dem<br />

Bahnhof mit der neuen, großzügigen Bahnunterführung an die alte B 5 an. Mit diesem Aus- und<br />

Neubau wurde auch eine aufwendige Unterführung in das Vorland und ein behindertengerechter<br />

Fußgängertunnel mit Rampe und Aufzug erforderlich. Durch diese Arbeiten wurde die<br />

Bahn mehrfach tangiert, die deshalb gelegentlich dezent auf ihre Rechte als Bauherrenschaft<br />

verwies. Alles war schließlich bestens geraten – nur die Fischbude blieb auf der Strecke, sie wich<br />

einem Restaurant in einem massiven Gebäude.<br />

Schall und Rauch<br />

Vor Sintfluten, alles mit sich reißenden Orkanböen oder Schnee bis zur Traufe können die Menschen<br />

sich nicht schützen, ihre Verursacher nicht zur Verantwortung ziehen, der Schaden muss<br />

juristisch als höhere Gewalt eingestuft und buchhalterisch abgebucht werden. Anders der Lärm.<br />

Früher entstand er in der eigenen Firma, am eigenen Arbeitsplatz, symbolisierte Broterwerb und<br />

Fortschritt; Krach und Qualm, täglich zehn Stunden; wenn deretwegen damals die Arbeiter früher<br />

als normal gestorben wären, hätte Bismark seine Rentenkasse nicht ins Leben rufen müssen.<br />

Und wer zufälligerweise während der ersten Stahlkrise der Nachkriegszeit mal durch den Pütt<br />

gereist ist, der kennt die Kehrseite, diese pieksaubere Grabesstille. Industrielärm, donnernde<br />

Dampfloks, hupende Autos: sie waren stets auch Fanale des Fortschritts. Das kann und wird<br />

heute anders gefühlt und beurteilt. Heute muss etwas gegen die Lärmemission unternommen<br />

werden, doch als Besitzer einer Harley Davidson ist der Straßenlärm immer nur der Krach der<br />

anderen. Jahrzehntelang hatten Gleis und Straße sich gegen äußere Einflüsse schützen können,<br />

<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong><br />

Foto: B + J Archiv


Wand mit beruhigender Wirkung<br />

Zäune, Wälle, Steinschlaggalerien errichtet, Schranken, Signale und Ampeln gesetzt, die das<br />

Recht der Besitzer und Benutzer garantieren sollten. Jetzt auf einmal sollen Bahn und Straße<br />

andere mit Immissionsschutz vor ihren Emissionen bewahren. Die Verursacher sind bestens bekannt,<br />

ihre Absonderungen als Verkehrsteilnehmer sind geprüft und als zulässig anerkannt worden,<br />

für den einzelnen jedenfalls, das eigentliche Problem ist nur die Masse. Es könnten zwar<br />

Detektoren in Signalbrücken die Verkehrsdichte prüfen und das jeweils zulässige, angemessene<br />

Tempo anzeigen, vorschreiben und so den Lärm mindern; doch das würde ja die individuelle<br />

Freiheit der Automobilisten begrenzen – und auch den politischen Einfluss ihrer mächtig bleiben<br />

wollenden Verkehrsklubs.<br />

Es dauerte eine Weile, bis endlich klar gewesen war, wie denn so eine Lärmschutzwand aussehen<br />

solle. Ihr zweiter Effekt, nämlich die Anlieger vor Schmutz und Abgasen zu schützen, wurde<br />

nie herausgestellt. Einfach eine Mauer aus Lochziegeln, oben eine Rollschicht, nette Pfeiler<br />

mit Vorlagen? Nein, da waren Prüfungen, Zeugnisse und Genehmigungen erforderlich, und für<br />

das, was hinter der Wand gegen den Lärm vor der Wand erreicht werden sollte, gab es Tabellen<br />

und Berechnungsgänge. Weil aber die Wand auch bei Wind und Wetter standfest sein sollte,<br />

musste eine Berechnung der Gründung her. Architekten kümmerten sich dann um die Farbe<br />

paneelartiger Elemente für Metallsysteme, und, nur um den Vorschriften Genüge zu tun, dann<br />

wurden ansprechende Kunstbauwerke mit den aufzustellenden Wänden ihrer Proportionen<br />

entledigt. Wenn allerdings die Wände über das Band des Verkehrs hinauswuchsen, spielten manche<br />

Schutzbefohlene schon mal nicht mehr mit. Nein! Keine Wand! Weder vor, noch hinter‘m<br />

Haus! So wurde manches alte Bahnwärterhäuschen in die Lärmschutzwand integriert.<br />

Auf diese Weise wurden bei <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> ab 1984 summa summarum 64 Projekte bearbeitet,<br />

als Entwurf oder als Prüfung mit Abnahme; drei Viertel von ihnen in der Zeit bis 1989, überwie-<br />

<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong><br />

Foto: B + J Archiv


Foto: B + J Archiv<br />

gend in der Ausstattung für Schienen und Straßen und mit Schwerpunkt im Jahr<br />

1987. Weitere folgten beständig, wie unter anderem etwa als Nachrüstung auf<br />

Brücken oder beim Umbau von Straßen.<br />

Schwere Geburt<br />

Besser kann man die Entstehung der A 20 nicht bezeichnen, denn das Kind steht noch immer<br />

nicht auf eigenen Füßen. Es war schon frustrierend, zu erleben, wie die Mannschaft der eigens<br />

neu geschaffenen Planungsgesellschaft ruckzuck ihren Abschnitt in den neuen Bundesländern<br />

realisierte, während hier in <strong>Schleswig</strong>-<strong>Holstein</strong> um jedes Fitzelchen Natur- und Lärmschutz gerungen<br />

wurde und X Trassenvarianten untersucht werden mussten. Jedem Schlenker der Autobahn<br />

im Raum Lübeck kann, überspitzt aber bezeichnend formuliert, jeweils ein Einspruch angelastet<br />

werden.<br />

Obwohl die Brücken über Wakenitz, den Elbe-Lübeck-Kanal und die Trave und der Tunnel<br />

unter der Bahn für den Autofahrer noch erkennbar sind, verbirgt sich der Rest meist hinter Lärmschutz-<br />

und damit hinter Sichtblenden. Dabei ist jede Brücke sehenswert. Etwa die siebenfeldrige<br />

Wakenitzbrücke von 295 Metern Länge, die unter Beachtung von Tabuzonen des Ökosystems<br />

erbaut wurde und vom Wasser aus gut zu sehen ist; oder die Kanalbrücke mit ihren imposanten<br />

Stabbögen von 59 Metern Stützweite und den drei Vorlandbrückenfeldern von zusammen<br />

nochmals 112 Metern, man kann am Kanal entlangwandern; ebenso die Trave-Brücke;<br />

beeindruckend auch das Kreuzungsbauwerk mit der A 1, für die acht Spuren wurden vier zwei-<br />

A 20 mal oben überm Wasser<br />

<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong>


A 20 mal unter der Bahn<br />

feldrige Spannbetonbrücken<br />

mit jeweils zweimal 35,3 Meter<br />

Stützweite unter rollendem<br />

Verkehr errichtet.<br />

Ab diesem Kreuzungspunkt<br />

tat sich eine ganze<br />

Weile gar nichts. Bis dann<br />

endlich die Bauarbeiten nach<br />

A 20 mal am Ende (vorläufig)<br />

Bad Segeberg fortgesetzt<br />

werden konnten, doch der<br />

Verkehrswert dieses Abschnittes der A 20 wird sich erst mit der Anbindung an die A 21 nach Kiel<br />

wesentlich erhöhen. Es besteht Hoffnung, dass irgendwann die A 20 die A 7 von Hamburg nach<br />

Flensburg und später die A 23 von Hamburg nach Heide erreichen wird. Von hier wird dann die<br />

Elbe bei Glückstadt mit einem Tunnel gequert und die A 20 in Niedersachsen an die A 26 angeschlossen.<br />

Bei <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> werden erhebliche Teile der Planung einer Elbquerung bereits bearbeitet;<br />

nebenbei wurde vergleichsweise auch die größte Brücke in Deutschland entwurfsmäßig<br />

geplant. Gebaut wird der Tunnel.<br />

Verdeckte Tätigkeiten<br />

Die ersten unterirdischen Bauwerke von <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> waren Tunnel für die Neubaustrecken<br />

der Hamburger Hochbahn, Ausführungsplanung, nüchtern moderne Sachlichkeit, reine Bedarfsdeckung<br />

bei schmalem Budget. Auch unter diesem Gesichtspunkt wurden alle Varian-<br />

<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong><br />

Fotos: B + J Archiv


ten der Tunnelabdichtung durchexerziert, aber auch der Projensdorfer Tunnel<br />

in Kiel.<br />

Dieser erste Entwurf eines Straßentunnels war eine große Herausforderung.<br />

Neben dem reinen Konzept für das Bauwerk wurde sehr viel Planungsarbeit für den Tunnelbetrieb<br />

erwartet. Bei der Beleuchtung ging es um äußere und innere Adaptionsstrecken, letztere<br />

über Lux-Meter in Stufen absenkbar, um die Helligkeit der flimmerfreien Durchfahrtsstrecke und<br />

dann um eine Ausfahrtadaption. Aus diesem Gedankengang wurden helle, aber nicht glänzende<br />

Verkleidungen der Tunnelwände erforderlich. Selbstverständlich war eine Lüftung mit Strahlventilatoren<br />

vorzusehen, und für das alles eine Notstromversorgung als Sofortbereitaggregat. Damit<br />

die Autofahrer nicht von ihrem eigenen Lärm im Tunnel erschreckt würden, wurden ihm Schallschluckdecken<br />

mit einem Absorptionszertifikat verpasst. <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> lieferten damit den bundesweit<br />

wohl ersten komplett ausgearbeiteten Tunnelentwurf zur Prüfung beim BMVBS ab Ein<br />

Vergleich mit holländischen Tunneln rechtfertigte den Ausstattungsaufwand. Die Beleuchtung<br />

wurde seinerzeit an der Erkennbarkeit eines fiktiven Gegenstandes auf der Fahrbahn ausgerichtet,<br />

der jedoch außerhalb des Tunnels, etwa als Hase, hundertfach platt gefahren würde. Die<br />

Steuerung, die Überwachung mit Beeinflussung von Verkehrsschildern und Ampeln, alles war<br />

vom Besten und wurde von der Warte über dem Tunnel zur Polizei übertragen - lief prima!<br />

Schließlich kam aber eine konsternierende Meldung aus den Niederlanden: In Hollands Tunneln<br />

gibt es keinen Schallschutz! Die flimmerfreien Leuchtenbänder sind Punktleuchten gewichen,<br />

die Tunnelverkleidung, so noch vorhanden, ist unwirksam. Inzwischen war ein Tunnelrohbau aus<br />

dem „Dritten Reich“ entsprechend hochwertig ausgestattet worden. Nun also alles zurück,<br />

die Rückbaukosten werden<br />

durch die Energieeinsparun-<br />

Loch für Gleise in Ebene -2<br />

gen mehrfach gedeckt.<br />

Nach langwierigen Verhandlungen<br />

konnten <strong>Böger</strong><br />

+<strong>Jäckle</strong> einen Bieterwettbewerb<br />

für die südliche Rampe<br />

der vierten Röhre des Elbtunnels<br />

gewinnen, weil allein<br />

durch die Änderung eines architektonischen<br />

Details sich<br />

ein Preisvorteil von einer Million<br />

Euro ergab. Außerhalb<br />

des Wettbewerbs kam die<br />

um zwei Spuren erforderliche<br />

Verbreiterung der Hochstraße<br />

über das Hafenrandgelände,<br />

die durch Tausalze<br />

so stark geschädigt war, dass<br />

sie, vor weiteren Maßnahmen,<br />

durch Betonersatz und<br />

Archiv J +<br />

Klebebewehrung zu ertüch-<br />

B<br />

tigen war. Foto:<br />

<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong>


Tiefergelegt und kreuzungsfrei von oben nach unten …<br />

Für den Straßenverkehr wurden praktisch alle Tunnelbauweisen angewendet, so wurde beispielsweise<br />

ein Tunnel der Autobahn unter die Gleise der Bundesbahn eingeschoben.<br />

Nach dem Zusammenschluss der Verkehrsträger zum Hamburger Verkehrsverbund, bekam<br />

die S-Bahn den Neubau der City-Linie zugesprochen. Im Bereich des Bahnhofs Altona lag diese<br />

auf der zweiten Tiefenebene und wurde in offener<br />

Baugrube mit verankertem Berliner Verbau<br />

(steifenfrei) hergestellt. Die Bearbeitung des Bauwerkes<br />

erfolgte im Büro Ulzburg, der Verbau und<br />

alle Hilfskonstruktionen direkt vor Ort.<br />

Wegen der Kriegsschäden sind in der Nachkriegszeit<br />

viele Hamburger in die nördlichen<br />

Nachbargemeinden gezogen. Damit entstand<br />

das Problem des Nahverkehrs. Für die zwölf Kilometer<br />

lange Achse von Ochsenzoll nach Ulzburg<br />

war 1946 eine Straßenbahn geplant, 1953 jedoch<br />

als vollspurige Alster-Nord-Bahn (ANB) mit Akkumulatoren-Triebwagen<br />

eröffnet worden. Mit der<br />

Entwicklung des Hamburger Verkehrsverbundes<br />

wurde die Endstation der U-Bahn (Tunnel) und<br />

der ANB (oberirdisch, da Diesel-Triebwagen) von<br />

Ochsenzoll nach Garstedt verschoben. Nach dem<br />

Zusammenwachsen mehrerer Gemeinden zur<br />

Stadt Norderstedt, wurde die Endstation nochmals<br />

nordwärts nach Norderstedt-Mitte verlegt.<br />

Das war eine in jeder Beziehung, auch in der Zusammenarbeit<br />

mit den Architekten, interessante<br />

Aufgabe. Erst wurde in Garstedt der U-Bahn-Tunnel<br />

in Deckelbauweise verlängert, dann die Bahn<br />

zwischen Stützwänden ans Tageslicht gebracht,<br />

… und von unten nach oben<br />

wo sie einen Zwischenhalt einlegt, um dann wie-<br />

<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong><br />

Foto: B + J Archiv<br />

Foto: B + J Archiv


der nach Norderstedt abzutauchen. Der dreigleisige Bahnhof ist wegen der Dieseltriebwagen<br />

kein geschlossener Querschnitt, sondern überdacht. Die ANB gelangt<br />

dann aus ihrer Lage zwischen den U-Bahn-Gleisen über eine Rampe wieder<br />

in Richtung Ulzburg.<br />

Die ANB ist siebzig <strong>Jahre</strong> jünger als ihre Schwester AKN, die Eisenbahn von Altona über Kaltenkirchen<br />

nach Neumünster. Diese hat sich inzwischen von einer Nebenbahn, die auf weiten Strecken<br />

den Sommerweg der Chaussee/Provinzialstraße/Reichsstraße/Bundesstraße von Altona<br />

nach Kiel benutzt hatte, zu einer vollwertigen Bahn des ÖPNV entwickelt. Die letzten Knackpunkte<br />

waren innerörtliche Bahnübergänge in Ulzburg und Kaltenkirchen. Hier wurde die Bahntrasse,<br />

wie bereits in Eidelstedt, großzügig abgesenkt und jeweils ein neuer offener Bahnhof in<br />

Tieflage geschaffen.<br />

Weiße Flecken<br />

Da waren wirklich weiße Flecken auf den Landkarten. Forschern hätte vor 200 <strong>Jahre</strong>n das Herz<br />

höher geschlagen, da gäbe es Natur, Bevölkerung, Kultur zu entdecken, doch hier war gar nichts,<br />

keine Natur, keine Kultur, nur Wüstung, Industriebrache, Mondlandschaft – das alte Braunkohlerevier.<br />

Diejenigen von Jülich/Hambach/Frechen sind bekannt, und es überkommt einen doch Erschrecken,<br />

wenn man auf Leipzig zugeht und nach Süden fortfährt. Irgendwo stehen noch ein<br />

oder zwei dieser gigantischen Rüsselsaurier, die wegen der Braunkohle das Gelände dort Dekameter<br />

tief und kilometerweit durchgekaut haben. So, wie die Erde einstmals wüst und leer war,<br />

auf der dann die Evolution ihren Garten Eden gedeihen ließ, so ist auch diese Brache eine Chance.<br />

Da sind zwar Dörfer verschwunden und Straßen und Bahnen verlegt worden, für Flüsse und Bäche<br />

wurden dann aber neue Betten gegraben, Seen angelegt, und neuere Karten zeigen dies<br />

neben abgelegten Schlägel und Eisen. Doch vor allem der Verkehr kann sich jetzt im Süden Leipzigs<br />

frei entfalten, etwa die A 38, die hier auch als südliche Umgehung bezeichnet wird. Großzü-<br />

Fast „terra incognita“<br />

<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong>


gige Brückenbauwerke, wie die zwei Stabbögen mit je 70 Meter Stützweite, sollen der Natur eine<br />

Verbindung zwischen den Baggerseen schlagen. Es mutet wie eine Entschuldigung an, wenn<br />

nach den Straßen der Romanik, der Mühlen oder Alleen nun auch eine Straße der Braunkohle<br />

kreiert wurde. Doch der Schwung reicht weiter, zu den Anschlüssen zur B 2, zur B 186, zur A 14 und<br />

hier der Anschluss an die B 87, die Torgauer Straße mit den Brücken über die Bahn, von der DDR<br />

wiederholt geplant, doch zu teuer, so blieb die Lösung dem Elan der Wende vorbehalten.<br />

Fitnessprogramm<br />

Es ist hier über Bauwerkserhaltung, Rekonstruktion, Bauwerksertüchtigung, zu berichten, letztlich<br />

über Maßnahmen, die Bauwerke für eine weitere Nutzung fit machen. Hier ist auch die<br />

Denkmalpflege gefragt, die jedoch verständlicherweise als Zweig der Architektur meist mehr<br />

auf die Erhaltung des äußeren Bildes von Häusern, Straßen und Plätzen ausgerichtet ist. Für Brücken<br />

und Ingenieurbauwerke sollten dann aber Ingenieure beratend tätig und auch Geld für<br />

aufwendigere Lösungen zur Verfügung gestellt werden.<br />

Sie dreht sich noch<br />

0 <strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong><br />

Foto: B + J Archiv


Das Alte weicht dem Neuen<br />

Für sinnvolle Ertüchtigungen zahlreicher Bauwerke erfolgten durch <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> Ermittlungen<br />

der Restnutzungsdauer, die weitergehenden Betrachtungen als Basis dienen.<br />

Hier soll nicht für Stade geworben werden, nur weil dort eines der ersten KKW gebaut und<br />

abgeschaltet wurde, nicht der restlichen Bastionen einstiger Wehrhaftigkeit wegen, oder weil im<br />

Zeughaus eine irische Band für die Belegschaft von <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> bis in den frühen Morgen gespielt<br />

hat, auch nicht, weil hier Heinrich der Löwe seine letzte Zuflucht nahm und Ortsteile zu<br />

einer Stadt formte; mehr schon wegen der Hanse, der Schweden, die im Hafen deutliche Spuren<br />

hinterließen. Dieser liegt im Tidebereich der Elbe, brauchte Schleusen. Auf die unter Denkmalschutz<br />

stehende Salztorschleuse soll nach ihrer gelungenen Restaurierung besonders hingewiesen<br />

werden. Im Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler findet man keinen Hinweis. Wann<br />

endlich sind Ingenieurbauwerke so salonfähig, dass sie kunstfähig sind? Die Bemühungen des<br />

Vereins „Historische Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst in Deutschland“ sind hier ausdrücklich<br />

zu erwähnen.<br />

Dort, wo die meisten Ortsnamen der Elbmarsch auf „deich“ enden, dort sind auch Neuendeich<br />

und Klevendeich zu finden, beide verbindet eine Brücke über die Pinnau. Diese ist, nach<br />

Augenschein kaum zu glauben, eine Bundeswasserstraße, von Alters her schiffbar. Bereits 1886<br />

wurde hier über die noch nicht begradigte, Ebbe, Flut und Sturmfluten ausgesetzte Pinnau eine<br />

dreifeldrige Brücke gebaut, bei der ein Feld eine Drehbrücke ist, zwei Felder fungieren pro forma<br />

noch als Flutbrücken, denn die Pinnau erhielt ein Sperrwerk. Drei praktisch gleiche Einfeldüberbauten<br />

(Gitterbogenträgern aus Profileisen), auch im Bereich der Drehbrücke, denn dort wird<br />

zum Öffnen der Brücke das Tragwerk über dem Drehpfeiler angehoben. Das System besteht aus<br />

zwei Kragträgern mit praktisch den gleichen maximalen Momenten aus Eigengewicht. Die 125-<br />

Jährige steht unter Denkmalschutz. Sie wurde behutsam instandgesetzt und hat sich dank dieser<br />

wiederholten Zuwendungen gut gehalten. Als eine der wenigen ihrer Art ist es dringend<br />

<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong> 1<br />

Foto: B + J Archiv


notwendig, sie in die Dokumentation „Brücken in Deutschland“ (Standfuß/Naumann, Fraunhofer<br />

Irb Verlag) aufzunehmen.<br />

Die Drehbrücke von 1890 über die Peene in Loitz steht auch unter Denkmalschutz, dabei sind<br />

die Blechträger mit Stahlbetonfahrbahn für dieses Baujahr überraschend, rühren letztlich von<br />

einem Umbau im <strong>Jahre</strong> 1972 her, als Fertigteile aufgelegt worden sind. Damit wäre der Status<br />

eines Denkmals verwirkt. Weiterhin ist ein Neubau geplant, der die „historische“ Brücke ersetzen<br />

wird, da sind kein Abheben der Fertigteile und kein Ersatz durch Holz für Fuß- und Radweg als<br />

Teil einer historischen Rekonstruktion vorgesehen, nein: Abbruch.<br />

Doch da wurde noch an einer anderen Drehbrücke gedreht. Die uralte Fährstelle bei Kappeln<br />

über die Schlei erhielt eine Pontonbrücke, die für die Kleinbahn von Eckernförde ertüchtigt wurde.<br />

Es war auf dem Vorwege auch schon beabsichtigt, die 1922 bei Lindaunis durch Bau einer<br />

Hubbrücke verfügbare Eisenbahndrehbrücke als Ersatz für die Pontonbrücke zu erwerben. Der<br />

dann realisierte Neubau einer Straßen- und Eisenbahnbrücke wurde 1927 fertiggestellt. Doch<br />

Kappeln war seit jeher auch ein Knotenpunkt des Landverkehrs, so beginnen und enden heute<br />

drei Bundesstraßen allein in diesem Ort. Dafür wurde es auf der Brücke und auf dem schmalen<br />

Uferstreifen zwischen Stadt und Schlei recht eng, selbst als die Eisenbahn von dort verschwand.<br />

Es galt, eine Trasse für eine neue Querung der Schlei zu finden. Der nun dritte Brückenneubau<br />

war eine zweiflüglige Doppel-Klappbrücke, die 2008 fertiggestellt worden ist. Die alte Drehbrücke<br />

wurde 80-jährig verschrottet. Bei dieser Vorgehensweise werden in ferner Zukunft keine bemerkenswerten,<br />

historische Brückenbauten aus dieser Zeit mehr vorhanden sein.<br />

Das waren zwei Fälle, in denen eine, wie man heute sagt, „nachhaltige“ Ertüchtigung nicht<br />

beabsichtigt war und nicht erwünscht. Versuchen wir unser Glück mit einer Klappbrücke, der<br />

2 <strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong><br />

Durch Zufall erhalten


Klappbrücke bei Friedrichstadt über die Eider. Diese Brücke ist im Übrigen eine der<br />

schönsten Brücken Norddeutschlands. Fährt man heute die ehemalige B 5 von<br />

Heide nach Husum ist das alles recht problemlos, man kommt über die Eiderbrücke,<br />

biegt links ab, sieht noch hinter Bewuchs Wasser, da ist auch irgendwo Friedrichstadt … und<br />

das war es schon! Mit der Gründung von Friedrichstadt an der Einmündung der Treene waren<br />

hier dann auch eine Brücke, ein Hafen und eine Stadt mit Kanälen. Es wurden Bürger als Bewohner<br />

angeworben, wohl überwiegend Handwerker und Kaufleute, denn Friedrich der Große hatte<br />

Großes vor, er wollte Handel mit Indien treiben. Dafür fehlte aber das notwendige Hinterland als<br />

Abnehmer, die Transportmöglichkeiten waren beschränkt, es sei denn, Friedrich hätte an den<br />

alten Handelsweg von der Eider durch die Treene, über den Landrücken nach <strong>Schleswig</strong> gedacht.<br />

Als das alles nicht geriet, wanderten, was gern verschwiegen wird, viele Siedler wieder ab,<br />

manche geplante Bebauung wurde zurückgestellt, sogar ein Kanal verfüllt, und die Stadt verfiel<br />

in einen Dornröschenschlaf. Auf diese Weise wurde sie das Venedig des Nordens, Ziel endloser<br />

Buskolonnen. Was aber kaum jemand weiß, ist immer noch pikant genug: 18<strong>50</strong>, im Krieg gegen<br />

Dänemark, wurde diese schleswig-holsteinische Stadt zu einem Drittel von schleswig-holsteinischen<br />

Truppen zerstört. Wie auch immer, im Zuge des Ausbaues der späteren B 5 wurde<br />

1915/1916 nach einem Entwurf des Kaiserlichen Kanalamtes die Eiderbrücke mit zwei Stabbogenbrücken<br />

je 106 Metern Länge als Vorlandbrücken und der zweiflügeligen Klappbrücke (fixe<br />

Drehpunkte und feste Gegengewichte) mit 25 Metern Durchfahrtsbreite errichtet. Die ursprüngliche<br />

fünf Meter breite Fahrbahn konnte durch seitliches Anhängen des Gehweges auf sechs<br />

Meter vergrößert werden. Es wurde ein orthotropes Fahrbahndeckblech eingebaut und überhaupt<br />

viel an der Brücke herumgewerkelt, oft unter schlechten Bedingungen. In der Hauptreisezeit<br />

waren erforderliche Verkehrsbeschränkungen nicht durchsetzbar, danach gerieten Teile der<br />

Arbeiten gelegentlich unter meteorologischen Druck. Eine erwähnenswerte Besonderheit dieser<br />

Brücke sind die Klappen. Sie haben eine in Längsrichtung versetzte Querkraftverriegelung,<br />

die eine Momentenverriegelung bewirkt. Grundsätzlich unbefriedigend ist bei dieser Art der<br />

Klappbrücken, dass von der Straßenoberfläche sehr viel Wasser auf die Kontergewichte gelangt,<br />

die dann in ihrem Verlies weitgehend unbeobachtet vor sich hingammeln. Bei den neueren<br />

Klappbrücken mit Wagebalken treten diese Probleme nicht mehr auf, hier klappt es besser.<br />

Nicht nur bei den beweglichen Brücken gibt es Fälle, bei denen jede Liebesmüh‘ vergebens<br />

ist. Wenn etwa die Tragfähigkeit nicht erhöht werden kann, wenn die Fahrbahnbreite schon für<br />

Erntewagen zu eng wird und wenn sich dann auch noch der Fluss im Lauf der Zeit verlagert hat,<br />

dann ist vielfach Ende; so geschehen<br />

an der Stör bei der<br />

Nach dem Krieg fast wie neu<br />

Kaisermühle. Die zierliche Bogenbrücke<br />

mit ihren schönen<br />

Portalen wurde fein säuberlich<br />

herausgehoben, seitlich<br />

abgelegt und wie Sauerbier<br />

zum Kauf angeboten. Hier<br />

zeigte sich mal wieder: die<br />

Kunst der Ingenieure ist keine<br />

Kunst, die man wie Gemälde<br />

mit dem Geld von Spendern<br />

<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong>


und Sponsoren für historische Sammlungen erwerben kann. Die Brücke hätte den „Käufer“ nichts<br />

gekostet, nur ihr Transport. Sie fand keinen kunst-/ingenieursinnigen Liebhaber, und so fiel sie<br />

dem gleißenden Schneidbrenner des Schrotthändlers zum Opfer. Die neue, mit Hilfsjochen fertig<br />

eingeschobene Brücke an gleicher Stelle ist optisch der alten Brücke zwar nachempfunden,<br />

wegen ihrer größeren Tragfähigkeit und Stützweite aber etwas grobschlächtiger.<br />

Die Kombination von Schleuse und Brücke über das Haupt- zum Unterwasser hat schon Tradition.<br />

So war das auch an der Schleuse Berkenthin des Elbe-Lübeck-Kanals. Die genietete Brücke<br />

aus Profilstahl war dem Verkehr einer Bundesstraße trotz Einspurverkehrs und verkehrlicher<br />

Beschränkung nicht mehr gewachsen. Es gab Überlegungen, für Berkenthin eine Umgehungsstraße<br />

mit einer Brücke zu bauen, die das Tal der Stecknitz beziehungsweise den Kanal in 18<br />

Metern Höhe überspannt. Damit einhergehen sollte ein Ausbau des Kanals für Tausendtonnen-<br />

Kähne. Eine gewisse Entlastung brachte der Bau der A 20, so wurde nach mehr als zwanzig <strong>Jahre</strong>n<br />

Planung die alte Brücke etwas verschoben und ein Ersatzbauwerk als Stab-Bogenbrücke<br />

etwa in alter Lage ausgeführt, das heißt: wieder in Schleusennähe. Mit Rücksicht auf die historische<br />

Situation und Ortslage wurde großer Wert auf eine ansprechende Gestaltung gelegt. So<br />

wurde zwar nicht das alte Bauwerk ertüchtigt, aber immerhin das Gesicht gewahrt. Eine Besonderheit<br />

hat die neue Brücke: die Fahrbahnplatte soll mit Erdwärme eisfrei gehalten werden.<br />

Es gibt Brücken, bei deren Anblick man sich fragt, wie die dem stetig wachsenden Verkehr so<br />

lange haben genügen können und dabei doch noch so erstaunlich fit geblieben sind. Eine dieser<br />

Brücken ist die Harburger Brücke über die Süder Elbe von 1899 mit ihren vier Fachwerkbögen<br />

von rund einhundert Metern Stützweite und zwei Vorlandbrücken von je 31 Metern. Im Gegensatz<br />

zu den Hamburger Elbbrücken, auf denen die Straßenbahn nach Wilhelmsburg und Harburg<br />

sowie die Verkehrsbelastung der Autobahn und der Wilhelmsburger Reichstraße lagen, war<br />

sie durch die Autobahn entlastet, die Reichstraße erhielt später eine eigene Brücke, so blieben<br />

nach <strong>Jahre</strong>n nur der Lokalverkehr und die Straßenbahn. Als diese Bahn schließlich eingestellt<br />

wurde, benutzten sie eine Weile nur noch Busse, später nur noch Romantiker. Die Neunzigjährige<br />

wurde dann um die außen liegenden Gehwege erleichtert, aber auch so gelangte sie in die<br />

Denkmalliste. <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> durften für die alte Dame tätig werden, als ihr neue Vorlandbrücken<br />

im alten Stil angepasst wurden.<br />

Gedanklich ganz in der Nähe: Hamburg, Herrengraben-Fleet, Stadthausbrücke! Für die hier<br />

versammelten vielen Klinkerklötze war die Brücke für eine entsprechende Prachtstraße etwas zu<br />

schmal geraten. Es ist zwar kein Fitnessprogramm, aber doch ein Schritt zur Erhaltung, was deshalb<br />

jetzt passierte. Das Brückenhaupt wurde minutiös abgetragen und etwas versetzt „original“<br />

wieder aufgebaut – gelungen! Für einen baugeschichtlichen Kritiker nähern wir uns hier bedenklich<br />

der „Tapete“. Wenn zum Beispiel ein Bauer in der Eidermarsch seine Diele mit südlichen<br />

Bildern ausmalen lässt, oder sich ein von der Tenne nur über schmale Stiegen erreichbares Musikzimmer<br />

für kleine Gesellschaft einrichtet, ist das rührend. Hätten diese Herren aber vor ihren<br />

Haubarg einen klassizistischen Portikus gesetzt, wäre das „Tapete“, der Haubarg wäre nicht klassizistisch<br />

geworden. Noch eins: es ist einfach zu leicht, dem jeweiligen Geschmack durch Tapetenwechsel<br />

gerecht zu werden. Und noch eins: Tapeten sind wie Facelifting, sie täuschen Fitness nur<br />

vor.<br />

Wo wir gerade so schön am Meckern sind: Was soll sich ein Autofahrer eigentlich denken, der<br />

auf der B 5 vierzig Höhenmeter der Marsch überwunden hat und sich dann in einem Gitterkäfig<br />

wiederfindet? Ist er ein gefährliches Wesen, das wie ein Raubtier in die Manege abgeleitet wird?<br />

<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong>


Ist das ein Schutz wegen der Höhe? Weshalb dann hier und nicht auch vorher<br />

schon? Oder ist das der Faradaykäfig, der die Blitze Donars abfangen muss, die eigentlich<br />

den Entwurfsverfasser treffen sollten?<br />

Nein, eine parallelgurtige Gitterbrücke gehört nicht an die Bramstenge. Eine gelungene Gitterbrücke<br />

ist die Strombrücke der kombinierten Straßen- und Eisenbahnbrücke bei Lauenburg<br />

(möglichst bei hohem Wasserstand zu betrachten). Sie entwickelt sich harmonisch aus den Vollwandträgern<br />

der Flutbrücken. Lauenburg, das ist dort, wo die Bürger alle naselang neue Hochwassermarken<br />

an die Hausecken pinseln können. Der alte Postweg benutzte die Fähre bei Artlenburg,<br />

erst als eine Eisenbahn, von Büchen kommend, nach Lüneburg gebaut werden sollte,<br />

gab es ein Problem. Die beteiligten drei Bahngesellschaften hatten großes Interesse, östlich von<br />

Lauenburg, und damit vor dem westlich der Stadt anschließenden Hochufer, über die Elbe zu<br />

kommen. Nach zähen Verhandlungen wurde 1864 ein Trajekt in Betrieb genommen, das bald<br />

aber dem Verkehrsaufkommen (überwiegend Güterverkehr) nicht mehr genügte und im Winter<br />

bei Eisgang für längere Zeit eingestellt werden musste. So wurde eine rund 530 Meter lange<br />

Brücke gebaut, mit einer zweiflügligen Drehbrücke zur Passage von Schiffen mit hohen Aufbauten<br />

oder bei Hochwasser, dann drei Bogengitterträger für die Strombrücke und drei Vorland-<br />

oder Flutbrücken. Das ganze im zeitgemäßen Stil von 1878. Die Brücke war für zwei Gleise ausgelegt,<br />

es wurde nur ein Gleis verlegt, für Fußgänger war ein Gehweg auf Kragträgern vorhanden.<br />

Die Fähre nach Hohnstorf blieb für Straßenfahrzeuge in Betrieb. Das ging so bis 1945, als<br />

kein Endsieg mehr, sondern nur noch blinde Zerstörung möglich war, der fiel die Brücke bis auf<br />

drei Flutbrückenfelder zum Opfer. <strong>Schleswig</strong>-<strong>Holstein</strong> war praktisch nur durch das Nadelöhr<br />

Hamburg mit Massengütern zu versorgen, weshalb sehr bald der Wiederaufbau der Brücke geplant<br />

wurde.<br />

Bogenbrücken der ersten Bahn<br />

<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong><br />

Foto: B + J Archiv


Für den Straßenverkehr gab es neben den Hamburger Elbbrücken nur die Fähren Geesthacht,<br />

Artlenburg und Lauenburg. Für eine Straßenbrücke sprach Artlenburg, aber in der Nachkriegszeit<br />

waren die Mittel knapp, so schlug man, indem man eine Kombibrücke baute, zwei Fliegen<br />

mit einer Klappe. Auch diese aber wieder sparsam: nur ein Gleis und eine zweispurige Fahrbahn<br />

(sechs Meter breit), der Gehweg wurde wieder auf Konsolen angehängt. Statt der Drehbrücke<br />

wurde erst eine Hubbrücke für die Hochwasserdurchfahrt geplant, gebaut wurde ein Vierzigmeterfeld<br />

mit hochgelegter Unterkante. Um die hierfür erforderliche Bauhöhe zu bekommen, war<br />

es notwendig, die Gradiente um 2,20 Meter anzuheben, mit dem Erfolg, dass die anschließende<br />

Brücke in einem konstanten Gefälle von 0,5 Prozent in Richtung Lauenburg liegt, wo an alte<br />

Gleisanlagen anzuschließen war. Die alten Gründungen wurden weitgehend wiederverwendet.<br />

Bis 1951 ist an der Brücke gebaut worden, und zwar mit nur zwei durchlaufenden Strombrückenfeldern<br />

(als parallelgurtige Fachwerkträger) mit rund 105 Metern Stützweite und fünf durchlaufenden<br />

Vorlandbrückenfeldern (als Vollwandträger). Als Belastung des Gleises war der Lastenzug<br />

E, bei der Straße die damals noch gültige Lastenklasse einer 24-Tonnenwalze zu berücksichtigen.<br />

Aus einer sparsamen Materialverwendung ergeben sich für die inzwischen sechzigjährige<br />

Brücke hinsichtlich höherer zulässiger Lasten aufwendige Nachrechnungen. Auf die Idee, die<br />

schwere Stahlbetonfahrbahnplatte durch eine Leichtfahrbahn zu ersetzen, ist bislang keiner gekommen.<br />

Die Eisenbahn von Leipzig nach Dresden<br />

(115 Kilometer) wurde 1839 eröffnet, die<br />

Kunstbauten dürften früher fertiggestellt worden<br />

sein, da noch Gleise zu verlegen waren.<br />

Damit kann der Eisenbahnviadukt über die<br />

Döllnitz bei Oschatz auf 1838 datiert werden.<br />

Durch die Elbbrücke in Riesa und den Tunnel<br />

bei Oberau werden die übrigen Ingenieurbauwerke<br />

dieser Strecke überschattet. Oschatz<br />

liegt auf halber Strecke zwischen Leipzig und<br />

Dresden, war Station für den Lokomotivwechsel<br />

und Kreuzung mit der Schmalspurbahn<br />

Döbeln–Oschatz–Strehla. Der Viadukt weist<br />

drei Bögen mit je 12,40 Meter Weite auf und ist<br />

in Naturstein errichtet worden. Neben der<br />

Döllnitz wird auch die Schmalspurbahn nach<br />

Strehla unterführt. Es war architektonischer<br />

Standard, solche Brücken durch Konsolen mit<br />

Bogenfries und nochmals auskragenden<br />

Deckplatten mit massiver Brüstung zu bekrönen.<br />

In den Pfeilerachsen waren dann jeweils<br />

Kanzeln angeordnet, die noch um fünfzig<br />

Zentimeter weiter auskragten. Mit der später<br />

zunehmenden Breite des rollenden Materials<br />

von 2,1 Meter (sieben Fuß) auf mehr als drei<br />

Meter (heute), war der Gleisabstand zu vergrö-<br />

<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong>


ßern, so wurde es eng auf der nur sieben Meter zwischen den massiven Brüstungen<br />

messenden Brücke. Es wären acht Meter, mindestens jedoch 7,5 Meter<br />

erforderlich. Der Ersatz dieser massiven Brüstungen durch leichte Stahlgeländer<br />

war nur eine Notlösung. Aus diesen Lichtraumproblemen heraus wird auch der Tunnel bei<br />

Oberau aufgeschlitzt worden sein. Das Gesimsband des Viadukts war bereits wegen einer Gradientenänderung<br />

verändert worden, im Zuge der Elektrifizierung kamen Oberleitungsmaste<br />

auf die Brücke, die für die Befestigung endgültig den Ersatz des Natursteingesimsmauerwerkes<br />

durch Beton nötig machten. Als die Strecke dann für den Schnellverkehr ausgebaut werden<br />

sollte, war ein parallel verlaufender Neubau unumgänglich. Die alte Brücke kam unter Denkmalschutz<br />

und ist dem Kreis Oschatz nach umfangreicher Instandsetzung übereignet worden,<br />

der sie für einen Rad- und Wanderweg weiterhin verwendet. Durch die Nutzung der Brücke<br />

sind auch ihre Unterhaltung und ihr Bestand gesichert. Eigentlich schade, den Kanzeln hätten<br />

Brüstungen aus Betonfertigteilen als Reminiszenz an den Urzustand der Brücke gut zu Gesicht<br />

gestanden.<br />

Die Angabe: „B 171 bei Wolkenstein“ ist aus 600 Kilometern Entfernung recht wolkig, aber<br />

mit der Ergänzung „Brücke über die Tschopau“ bekommt die Sache schon Hand und Fuß. Die<br />

Karte macht klar: gesehen aus der Tiefe des Tales (380 mNN) liegt der Ort auf dem Sporn wie<br />

in den Wolken (<strong>50</strong>0 mNN). Da ist eine Burg<br />

mit Besiedlung seit dem 12. Jahrhundert, die<br />

den Aufstieg zur Straße nach Böhmen sichert.<br />

Da war von Alters her ein Flussübergang,<br />

eine Brücke, jetzt ist es ein Brückenzug,<br />

eine Reihe von Bogenbrücken: ein Bogen<br />

über die Tschopau, zwei Bögen über Betriebsgraben<br />

und Gehweg sowie ein Bogen<br />

über die Eisenbahn, alles in Naturstein, von<br />

Werkstein bis zu unregelmäßigem Bruchstein<br />

mit seinem typischen großen Fugenanteil.<br />

Ob in diesem Konglomerat mittelalterliche<br />

Reste enthalten sind, kann nur vermutet<br />

werden. Neben einer Gewölbeverstärkung<br />

mit neuer Abdichtung wurde das<br />

Mauerwerk in den Sichtflächen neu verfugt.<br />

Die Bahnlinie unter der Brücke ist die Strecke<br />

von Chemnitz nach Annaberg im Erzgebirge<br />

von 1866. Ein Bahnhof hat in der Enge des<br />

Tals in Brückennähe keinen Platz, der liegt<br />

etwas flussaufwärts in der nächsten Biegung<br />

und weist noch das Betriebswerk einer<br />

Schmalspurbahn (75 Zentimeter) von Wolkenstein<br />

nach Jöhstadt von 1892 auf. Damit<br />

wäre auch die Bedeutung von Wolkenstein<br />

in der sächsischen Bergbauphase genügend<br />

Im wilden Sachsen<br />

gewürdigt.<br />

<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong>


Damit der Schornstein raucht<br />

Es wurde hier bislang überwiegend nur von Brücken und Verkehrsbauten berichtet. Dabei hatten<br />

Hajo <strong>Böger</strong> und Hermann <strong>Jäckle</strong> schon in Hagen mit den besonderen Herausforderungen Bekanntschaft<br />

geschlossen, die den Ingenieuren die Lastansätze der Bauten für die walküresken Industrieareale<br />

stellen. Waren es dort aberwitzige Ausbaulasten für Geschossdecken, Temperatur<br />

und Gewicht von Walzzunder in Absetzbecken, Achslasten der Zechenbahnen, so ging es hier im<br />

Norden vergleichsweise moderat zu, obwohl es auch hier durchaus mal vorkam, dass ein Ship-Lift<br />

oder eine Verschubbahn für Schiffsegmente die Gründung im wahrsten Sinne des Wortes ins Wanken<br />

brachten. Da waren doch Band-Förderbrücken für Kreide oder Silos der mal gefährlich fluiden<br />

dann wieder sedimentierten Flugasche für eine Zementfabrik interessante Aufgaben. Als das Werk<br />

Kreide und Asche später nicht mehr in langen Drehöfen brannte, sondern beides in ständiger Bewegung<br />

im vertikalen, glühenden Wirbelstrom sinterte, es Klumpen wurden, die, wie Hagel im<br />

Gewitter, der Glutstrom nicht mehr halten kann und nach unten fallen, dieser „Ofen 4“ und seine<br />

Nebenanlagen waren in Prüfung und Bauüberwachung schon eine gewaltige Ingenieuraufgabe.<br />

Es ging aber auch eine Nummer kleiner, und zwar mit einem Werk für Kunstdünger – was heute<br />

schon wegrationalisiert ist; oder mit einer Meerwasserentsalzung, dort, wo Trinkwasser so nötig ist.<br />

Leider hat sich die Anlage wegen eines Ausführungsfehlers in der anfallenden Salzlake selber aufgelöst.<br />

Wir sind gerade bei sauberem Wasser, da wäre auch diese riesige Kläranlage in Lübeck zu<br />

erwähnen. Diese Wartungshalle, in die ein Jumbojet bequem quer reinpassen würde, wäre letztlich<br />

auch den Industriebauten hinzuzurechnen, die <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> in den letzten fünfzig <strong>Jahre</strong>n bearbeitet<br />

haben. Nicht mitgezählt werden hier jene unzähligen Werkshallen, deren Ausführungsunterlagen<br />

geprüft und als Bauwerk abgenommen wurden.<br />

Die Kraft der Kerne<br />

Es ist die Frage, ob man nicht lieber doch ein Auto einer anderen Fabrikation fahren sollte, nachdem<br />

sich da letztens dieser schlimme Unfall ereignet hat. Oder muss man zukünftig gar auf das<br />

Auto ganz verzichten und zu Fuß gehen? Notfalls auch ein Fahrrad benutzen? Die Regierung wäre<br />

eigentlich aufzufordern, den Autos die Betriebszulassung zu entziehen, angesichts des tausendfachen<br />

Leids, das sie jährlich über unsere Bevölkerung bringen. Für die Beantwortung solcher Fragenkomplexe<br />

ist Ethik, als sittlicher Maßstab verstanden, vielleicht in der Gentechnik angebracht,<br />

für die analoge Betrachtung der rein technischen Fragen, die mit der Nutzung des Automobils<br />

auftreten können, sind sie nur wenig hilfreich. Das gilt erst recht für die Probleme, die sich mit der<br />

Kernkraft einstellen und nach Fukushima verschärft aufgetreten sind. Gegen die egozentrischen<br />

Ängste, die mit der Reflexion dieser Probleme in Erscheinung treten, helfen nur sachliche Argumente<br />

auf der Basis von Tatsachen, wie der, dass die Reaktoren der Kernkraftwerke, unabhängig<br />

von ihrem Typ, durch die Bank sicher sind – es hapert immer nur an den Peripherien.<br />

Das klingt jetzt so, als ob das Büro <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> ein unbedingter, kritikloser Verfechter der<br />

Kernkraft seien, das Büro hat in der Tat die Kerntechnik jahrzehntelang begleitet und sich aber<br />

trotzdem eine sachlich-kritische Stellung bewahrt. Das fing mit der Staustufe Geesthacht an,<br />

<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong>


deren Oberwasser zum Kühlwasserreservoir für Krümmel wurde, setzte sich fort<br />

mit der Einbindung der Auslaufbauwerke für Brokdorf oder mit der Erschließung<br />

des Baugeländes bei Brunsbüttel mit Brücken für den Schwerlastverkehr, umfasst<br />

später dann die baulichen Ergänzungen und Änderungen und weitere Ertüchtigungen der<br />

Kraftwerke, zum Beispiel in Bühnen für weitere, jetzt jedoch ungewisse <strong>Jahre</strong>.<br />

Unter Kernkraftgegnern kursierten Protokolle über das Hochfahren des KKW in Brunsbüttel, in<br />

denen jedes Zurücknehmen auf eine vorherige Stufe zwecks Überprüfung als „Störfall“ markiert<br />

wurde. Diese Denkungsart ist doch wie beim Auto: wenn es nicht gleich anspringt ist das egal,<br />

Hauptsache die Vollbremsung funktioniert.<br />

Über Schnellabschaltungen haben diese Kernkraftgegner keine Protokolle, obwohl die doch<br />

viel wichtiger wären. Es zeigt sich dabei, wie emotional überfrachtet dieses Thema ist. Damit ist<br />

auch erklärlich, wie ineffizient die Kernkraftwerke im Vergleich mit der konventionellen Energieerzeugung<br />

arbeiten. Neben den turnusmäßigen Abschaltungen für Wartung und Wechsel der<br />

Brennelemente kommen noch die Zeiten aus Auflagen und Nachrüstung hinzu. Aufklärung und<br />

Gespräche vor Ort sind unnötig, da die betroffenen Gemeinden sehr gut mit der Kernkraft leben<br />

können. Die Gegner sind teilweise eine mobile Gang, die mit einigen örtlichen Sympathisanten<br />

schwerpunktmäßig zum Teil gefährliche Aktionen organisieren.<br />

Und außerdem zu Fukushima: Ein Kernkraftwerk in einer Erdbebenzone ans Meer zu setzen ist<br />

schon ziemlich unsinnig. Nein: die richtigen Reaktorunfälle in Amerika und Russland zeigen<br />

deutlich: in der Schaltzentrale müssen Experten sitzen, die die jeweiligen Anzeigen der Instrumente<br />

auch korrekt interpretieren können, wie Piloten bei nächtlichem Blind- und Instrumentenflug,<br />

besser noch, wie Schachspieler, die simultan an drei Brettern blind zu spielen fähig sind<br />

– und dann auch noch gewinnen!<br />

Wir können auch anders<br />

Es ist selbstverständlich, dass <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> als Partner den Bauingenieurpart auch bei zahlreichen<br />

ganz andersartigen Aufgaben übernommen haben, von denen deshalb einige hier beispielhaft<br />

erwähnt werden sollen.<br />

Der Graf Rantzau hatte 1813/14 einen Kanal für die Moorentwässerung angelegt, von dem<br />

1875/77 ein Stichkanal zum Zementwerk in Lägerdorf gebaut wurde. Dieser bescherte dem Entwässerungskanal<br />

viel Verkehr. Parallel zu ihm verläuft eine Chaussee, die an einem bestimmten<br />

Punkt nach rechts schwenkt, während der Kanal nach links abgeht. Genau an diesem Punkt<br />

stand eine alte Brücke nur geringer Bauhöhe Ein Neubau musste deshalb her, doch für einen<br />

Neubau Straße und Kanal zu sperren, war nicht möglich. So wurde die neue Brücke komplett im<br />

Trockenen gebaut, auseinandergenommen, und innerhalb eines Tages war dann der Brückentausch<br />

vollzogen. Leider wurde diese frühe Fertigteilbrücke im Zuge des späteren Ausbaues der<br />

Straße beseitigt.<br />

Apropos Fertigteile. Friede seiner Asche, aber dieser Herr Auftraggeber war ein sehr umtriebiger.<br />

Angefangen hatte der Kontakt zu ihm mit dem Auftrag für eine Traglufthalle, in der ein<br />

Büro und ein Lager für Bürobedarf unterzubringen waren. Später folgte die Büroausstattung,<br />

schließlich die „Komplettlösung“: Bürogebäude mit Inhalt. Erst wurde nur statisch und konstruk-<br />

<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong>


Machte leider keine Schule<br />

tiv geprüft, dann schon mal die eine oder andere Zeichnung, bis sich ein Schulbauprogramm<br />

abzeichnete, bei dem er dabei sein wollte. Dafür wurde ein komplettes Fertigteilprogramm entwickelt,<br />

gern hätte der Herr Auftraggeber auch die Treppenhäuser im Baukasten gehabt. Er war<br />

einer dieser Macher, die bald Bauherr, bald Bauunternehmer und bald auch Bauübernehmer<br />

sind. Die Angelegenheit mit dem Schulprogramm ruhte eine Weile. So konnte er sich neuen<br />

Aufgaben zuwenden, beispielsweise dem Schiffbau: erst die Ausstattung, dann auch die Ausrüstung,<br />

schließlich das ganze Schiff „schlüsselfertig“. Sein Büro war zu dieser Zeit aus der Traglufthalle<br />

schon lange in einen komfortablen Bürotrakt umgezogen. Doch dann war Ende.<br />

So wie Tangotanzen plötzlich „in“ war, so ist wohl irgendein Beduinengefühl Schuld daran<br />

gewesen, dass plötzlich jedermann eines dieser weißen Zelte („Zeltlinge“) in seinem Garten aufstellen<br />

musste. Ein Zelte herstellender Unternehmer wollte deshalb von <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> wissen, ob<br />

so ein Zelt nicht auch größer, variabel kombinierbar und irgendwie auch repräsentabel machbar<br />

wäre. Ingenieurmäßig war das ein Leichtbau par excellence, aber nicht so ein dünnes Stabwerk<br />

mit Plane drüber, wie es der Unternehmer sich vielleicht vorgestellt haben mag; da waren Knoten<br />

und Eckverbindungen nötig, die brauchten gewisse Materialstärken; denn die Stiele mit ihren<br />

Verankerungen sollten Wind und Wetter trotzen. Ob der Unternehmer mit der ihm in Form<br />

einer statischen Berechnung erteilten Auskunft erfolgreich wurde, ist nicht bekannt.<br />

Oder wie wäre es mit einem Off-shore-Anleger, nicht so ein Ponton oder eine Plattform, nein,<br />

richtig stabil für Schiff-Stoß und Trossenzug. Kein Problem! <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> entwarfen einen<br />

schwimmfähigen Kasten, der in einer Schleuse hergestellt, beim Fluten durch Ballast getrimmt,<br />

mit einem Schlepper gezogen, vom zweiten achtern gelenkt und auf vorbereitetem Meeresgrund<br />

plan- und lagegerecht abgesenkt wurde. Der Anleger hat sich sehr gut bewährt. Besser als<br />

die Lösung eines Mitbewerbers, der Kreiszellen rammte, die sich neigten und setzten.<br />

0 <strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong>


Es war schon eine Frage der Ehre für unabhängige Ingenieure, die von der Bundesbahn<br />

beschenkten Gemeinden zu beraten. Als die DB AG diejenigen Brücken<br />

gratis abzugeben begann, für die sie unterhaltspflichtig war, lief diese Aktion entgegen<br />

allen Festlegungen des Kreuzungsgesetzes und allen Regelungen für die Ablöse von Unterhaltspflichten.<br />

Wenn die Bahn dieser Pflicht nämlich nur ungenügend nachgekommen war, dann<br />

schenkte sie den beschenkten Gemeinden zu der geschenkten Brücke noch einen Geldbetrag<br />

obendrauf. Bei dieser Aktion hatte die Bahn wohl am Städtetag vorbei kräftig Lobbyarbeit geleistet.<br />

Neben Betongrau und Stahlblau kann können <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> auch Laubgrün. Die Farbe Grün ist<br />

als städtisches Grün für die Landschaftspflege und die Rekultivierung etc. viel zu wichtig, als dass<br />

man sie als Farbe oder als Anstrich nur für eine Politik mit diffuser Gesinnung und Überzeugung<br />

verkommen lassen dürfte. Unter der Prämisse, dass die bewohnten Landstriche Kulturlandschaften<br />

seien, geht es für die zivilisatorische Entwicklung heute darum, Gestaltung und Bebauung der<br />

Landschaft sehr behutsam anzugehen. Bauwerke können Teile der Landschaft werden, wie die<br />

Burgen am Rhein, können Maßstab sein, wie die Fehmarnsundbrücke oder Akzente wie die Moselbrücke.<br />

Wer E-Strom braucht, kann auch ein Kraftwerk mit halbkugeligem Schutzschild und kegeligen<br />

Kühltürmen hinnehmen, Windparks sind landschaftsästhetisch akzeptabel einzuordnen. Baumaßnahmen,<br />

die große Flächen beanspruchen, geht meist ein Flurbereinigungsverfahren voran,<br />

das die Landstruktur wieder auf den Stand bringt, der jenem ähnelt, den viele Generationen vor<br />

uns kannten und liebten. Mit den Ausgleichsflächen für beanspruchtes Gelände wird heute mehr<br />

erreicht, als die Landwirte mit ihren Brachflächen es je könnten. Ein neues Bauwerk steht nicht in<br />

einer Wüste, da sind Pflanzpläne, die mehr Grün bewirken, als vorhanden war. So sind Deiche „grüne“<br />

Bauwerke, wie auch Speicher- und Rückhaltebecken. Unter den hohen Brücken sowieso, aber<br />

Etwas Grünes im Herbst<br />

<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong> 1


Behutsame Restaurierung zur weiteren Nutzung<br />

2 <strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong>


<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong>


auch unter den niedrigen könnte mit etwas Aufwand viel Grünes gedeihen. Nicht nur nach Hochwässern<br />

können <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> in den ertrunkenen Parks deren Wunden behandeln, der bauliche<br />

Teil der Gartenschau in <strong>Schleswig</strong> ziert als Beispiel die lange Liste der Referenzen.<br />

Gemälde und Plastiken werden vom Künstler meistens aus sich heraus geschaffen. Sinn,<br />

Zweck und Nutzen von Werken der verschiedenen Kunstrichtungen hinterfragen nur Banausen.<br />

Die wahre Objektkunst ist aber der Gartenbau mit lebenden Objekten, die einen authentischen<br />

Eindruck von den <strong>Jahre</strong>szeiten vermitteln, ihn vielleicht selber als Objekt einbeziehen. Deshalb<br />

ist es immer wieder schön, nach den nützlichen Dingen des täglichen Lebens, die mit den Methoden<br />

der Statik bemessen oder durch Sickerlinien dimensioniert werden, nach einem Tag voller<br />

Zahlen und Zeichnungen also, einen Spaziergang in einem Park oder in einer städtischen<br />

Grünanlage zu unternehmen. Es tut wohl, zu sehen und zu erleben, dass <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> in den<br />

ersten fünfzig <strong>Jahre</strong>n seines Bestehens auch sehr viel für die Gärten und Parks vieler Schulen,<br />

Stadtregionen und Schlösser gestaltend tätig geworden sind, in denen heute die Kinder wie in<br />

einem eigenen Reich herumtollen und spielen, oder wenn man sieht, dass die Menschen im<br />

stadtgrünen Grase liegend ihre Mittagspause und die Sonne genießen oder wenn im Schlosspark<br />

müßig, aber nicht gelangweilt, gelustwandelt wird.<br />

Der obligatorische Schwan kommt dann von ganz alleine angeschwommen.<br />

Aller Voraussicht nach ist aber nicht zu erwarten, dass <strong>Böger</strong>+<strong>Jäckle</strong> in fünfzig <strong>Jahre</strong>n in einem<br />

Atemzug mit Augustin Lenné genannt werden …<br />

<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong><br />

Öffentliches Grün für alle


PONS<br />

PARS<br />

V ITA<br />

<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Ingenieurbüro</strong> <strong>Böger</strong> + <strong>Jäckle</strong><br />

PONS PARS VIA: Begriff römischer Rechtsprechung

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