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Die Kellerkinder von Nivagl<br />
Vom Hündchen gebissen<br />
Mutter war jedes Jahr schwanger. Jeanette begleitete sie zum<br />
Arzt, danach gingen sie zusammen zum Konsum um ein paar<br />
Dinge zu kaufen. Sie wartete draussen auf die Mutter und<br />
spielte mit ihren neuen Glasmurmeln, die sie vom Doktor<br />
bekommen hatte, weil sie so geduldig war. Sie war so vertieft,<br />
dass sie nicht bemerkte wie ein Pekineserhund mit wildem<br />
Gekläffe auf sie zu rannte. Er biss sie hinten in die Ferse.<br />
Die weissen Schuhe und die Socken waren voller Blut. Die<br />
Dame wollte ihr noch 10 Franken in die Hand drücken, aber<br />
die Mutter kam und protestierte: “Nein, sie kommen sofort<br />
mit zum Arzt!“ Die Dame kam mit. Der Doktor mahnte in<br />
einem scharfen Ton: “Frau Sowieso, das ist das dritte Kind,<br />
das ihr Hund gebissen hat!“<br />
Sie musste das Geld für neue Schuhe, Socken und noch<br />
Schmerzensgeld geben. Zum Hündchen sagte die Dame: “Du<br />
bist ein böses, böses Wauwauchen. Heute kriegst du kein<br />
Bündnerfleisch mehr.“ Kein Wunder, er hatte ja bereits in ein<br />
saftiges Stück gebissen!<br />
Mayu<br />
Winterzeit, harte Zeit<br />
An einem eiskalten Januartag stand Mutter vor dem Herd und<br />
kochte eine Bündner Bramata. Die Kinder sassen am Tisch und<br />
spielten Karten. Plötzlich hörten sie eine Stimme, die um Hilfe<br />
rief. Es war Vater. Alle rannten zur Tür. Sie sahen ihn sein Bein<br />
nachschleifen, der Schnee war rot von seinem Blut.<br />
Es geschah so: Vater war beim Holzhacken mit der Axt ausgerutscht.<br />
Er sah schrecklich aus und war völlig erschöpft. Wir<br />
trugen ihn ins Haus. Mutter kochte sofort heisses Wasser und<br />
wusch die tiefe Wunde aus. Vater war zu erschöpft, um zum<br />
Arzt zu gehen. Er hatte zu viel Blut verloren. Sie hatten auch<br />
kein Geld gehabt um die Arztrechnung zu bezahlen. Vater war<br />
nicht versichert, deshalb bekam er kein Geld. Jeanette wusste:<br />
Wenn Vater nicht arbeiten konnte, dann gab’s kein Geld<br />
und ohne Geld gab’s kein Essen. Nun war in der Familie wieder<br />
eine grosse Not.<br />
Sabina<br />
Jagdausflug<br />
Im Herbst begann in Graubünden die Niederjagd. Auch Vater<br />
besass ein Patent t um Kleintiere jagen zu dürfen, wie z. B.<br />
Hasen, Eichhörnchen, Murmeltiere, kleine Vögel usw. Eines<br />
Morgens ging der Vater mit allen Kindern auf einen Jagdausflug.<br />
Sie wollten einen Hasen jagen. Als der Vater einen Jagdplan<br />
geschmiedet hatte, standen alle in der Position bereit.<br />
Als dann endlich ein Hase aus seinem Versteck rannte, versperrten<br />
die Kinder dem Hasen den Weg. Doch der kleinste<br />
der Familie, der Remo, fand den Hasen lustig und rannte in<br />
die Schussbahn der Schrotflinte. Natürlich konnte der Vater<br />
nicht schiessen und liess den Hasen flüchten. Der Vater war<br />
stinksauer und schoss zur Strafe ein Eichhörnchen. Die Kinder<br />
konnten nicht zuschauen, wie er ihm das Fell abzog. Das war<br />
das erste und letzte Mal, dass die Kinder mit Vater auf die<br />
Jagd gingen.<br />
Gianmarco<br />
Das Grammophon<br />
Der Grossvater kam eines Tages mit einem viereckigen Holzkasten<br />
nach Hause und sagte: “Damit kann man Musik machen.“<br />
Jeanette dachte, er mache einen Witz, denn sie hatte<br />
noch nie ein Grammophon gesehen. Immer wenn die Nana<br />
und der Neni Besuch hatten, liessen sie es laufen. Dieses Mo-<br />
dell musste man noch von Hand ankurbeln. Jeanette hatte<br />
dann die Ehre, an einem Tanzabend zu kurbeln. Wenn sie<br />
dann vor Freude an der Musik zu kurbeln vergass, sagten die<br />
Erwachsenen: „Wir wollen tanzen und nicht schlafen.“ Später<br />
versprach der Grossvater Jeanette das Grammophon. Es steht<br />
heute noch, fast 50 Jahre später, bei Jeanette zu Hause.<br />
Tom<br />
Nana stirbt<br />
Nana kränkelte während des ganzen Winters hindurch. Neni<br />
holte den Pfarrer vom Dorf. Er erklärte dem Pfarrer, dass<br />
Nana krank sei. Dann sind die beiden Herren mit der Lambretta<br />
gefahren. Ins Dorf nach Nivagl war es ein langer Weg. So<br />
erreichten sie Nivagl und die Nana erhielt vom Pfarrer die<br />
letzte Ölung.<br />
Ende März starb Nana. Sie wurde gleich in der Stube aufgebahrt.<br />
Zuerst lag sie auf einer Holzbank ohne Lehne, mit ei-<br />
nem Kissen unter dem Kopf. In der Nacht hielten Mutter,<br />
Vater, Tante Mathilda und der Neni abwechslungsweise Totenwache.<br />
Jasmina<br />
Jeanette durfte mit dem sympathischen Lehrer Lambretta<br />
fahren und sich einmal satt essen.<br />
Mayu<br />
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