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DIE (UN-) HEIMLICHE ARTEN-EROSION

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<strong>DIE</strong> STILLE <strong>ARTEN</strong>-<strong>EROSION</strong> – EINE BILANZ<br />

11<br />

<strong>DIE</strong> STILLE <strong>ARTEN</strong>-<strong>EROSION</strong> –<br />

EINE BILANZ<br />

Seit wenigen Jahren beobachtet der Biologe Stefan Stübing ein Phänomen, das er als<br />

„unheimliche Arten-Erosion“ bezeichnet. Ein Phänomen, das – vorläufig – nur der mitbekommt,<br />

der die Natur gut beobachtet. Ein Phänomen, das aber ganz unmittelbar als<br />

erschreckender Indikator für den Zustand unserer Natur gilt.<br />

Stübing beobachtet zusammen mit einigen anderen Biologen, dass es zum Beispiel in<br />

Hessen praktisch keine Feld-Grashüpfer mehr gibt. Innerhalb weniger Jahre hätten die<br />

Bestände der einst recht weit verbreitet anzutreffenden Heuschrecke sich gegen null<br />

entwickelt. Sie verschwinden, weil sie Opfer des Pestizideinsatzes der sogenannten „modernen<br />

Ladwirtschaft“ werden, weil Landwirte bis fast auf den letzten Zentimeter ackern<br />

und kaum noch Abstand zu Wegen lassen und weil Feldränder unnötigerweise immer<br />

wieder gemäht werden. „Früher“, erzählt ein nordhessischer Landwirt, „wurde der Opa<br />

mit dem Balkenmäher im Juni rausgeschickt, um die Randstreifen zu mähen“. Da blieb<br />

wenigstens noch einiges übrig, da der Balken nicht bis auf die Grasnarbe rasiert. Heute<br />

erledigt das der Feldhäcksler – und der hinterlässt, weil er bis auf den Boden saust, offenes<br />

Erdreich. „Da überlebt nichts an Insekten.“<br />

Zwar gebe es, heißt es bei Wikipedia, „über die Häufigkeit und Verbreitung in Deutschland<br />

kaum genaue Angaben“, doch sei die Art „aber wohl noch recht verbreitet“. Ein<br />

mindestens regionaler Irrtum!<br />

Mit dem leisen, von kaum jemandem<br />

bemerkten Abgang des Feldgrashüpfers<br />

verschwindet ein Bioindikator.<br />

Denn schon in der ersten Ausgabe seines legendären Heuschreckenführers schreibt<br />

Heiko Bellmann 1985, „früher war er gebietsweise häufig. In neuerer Zeit ist er durch den<br />

Ausbau der Feldwege und die verstärkte Giftanwendung fast überall von den Rändern<br />

landwirtschaftlicher Nutzflächen verschwunden. Er ist daher gefährdet.“9 Und in der aktuellen,<br />

2006 zuletzt bei Kosmos aufgelegten Ausgabe heißt es, der Feld-Grashüpfer sei<br />

„vielerorts von den Rändern landwirtschaftlicher Nutzflächen bereits verschwunden.“ 10<br />

Nur in Norddeutschland kann man ihn offenbar noch häufiger antreffen, eine Folge der<br />

in der Nach-Wendezeit häufigeren Brache.<br />

Die Erkenntnisse der Heuschrecken-Forscher zeigen: Es haben wenige Jahre dieser „modernen“<br />

Landwirtschaft ausgereicht, um den 15 bis 20 Millimeter großen Bewohner der<br />

Feldränder mindestens örtlich zum Aussterben zu bringen.<br />

Beim Feldgrashüpfer handelt es sich um eine kleine Heuschrecke, die bevorzugt in Ackerrandstreifen<br />

oder auf Brachflächen lebt. Chortippus apricarius, so der wissenschaftliche<br />

Name, bevorzugt warme Gebiete mit dichter und höherer Vegetation, lebt in Ackerbrachen,<br />

in Ackerrändern, in Grasstreifen in trockenen, grasigen Wegrändern zwischen Getreidefeldern<br />

oder Wiesen entlang der Feldwege und Straßen. Der Feldgrashüpfer steht<br />

– wenn überhaupt – in Kategorie 3 der Roten Liste. Also eher mäßig gefährdet. Doch das<br />

ist eine offenbar massive Fehleinschätzung für weite Teile Deutschlands.<br />

Es haben wenige Jahre<br />

dieser „modernen“<br />

Landwirtschaft ausgereicht,<br />

um den 15 bis<br />

20 Millimeter großen<br />

Bewohner der Feldränder,<br />

mindestens<br />

örtlich zum Aussterben<br />

zu bringen.<br />

Glaubt man den jüngsten Kartierungen, dann ist der Feldgrashüpfer in Wahrheit prak-<br />

<strong>DIE</strong> GRÜNEN | EFA<br />

im europäischen Parlament

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