DIE (UN-) HEIMLICHE ARTEN-EROSION
Biodiversitaet_web_end
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<strong>DIE</strong> LETZTEN FELDVÖGEL - EINE BESTANDSAUFNAHME<br />
blieben. Das ist das Ergebnis einer Landwirtschaft, die mit Chemie, mit Herbziden und<br />
Insektiziden, mit engen Fruchtfolgen, hoher Technisierung und überzogener Düngung<br />
das einstige Leben vom Acker vertrieb.<br />
Zwar basieren solche Rechnungen auf wissenschaftlich nicht exakt belegten Zahlen, weil<br />
es in den 50er und 60er Jahren oder sogar in den 70er oder 80er Jahren keine derart hinreichende<br />
Systematik oder Erfassung gab. Diese Erfassung wird heute vor allem in Form<br />
der einmaligen, von tausenden Ehrenamtlichen zusammen getragenen Datensammlung<br />
„Adebar“ bewerkstelligt und jeden Tag aufs Neue durch Meldungen auf der eingerichteten<br />
Internet-Plattform ornitho.de ergänzt. „Doch was sich da in den vergangenen Jahren<br />
halbiert hat, ist nur zehn Prozent dessen, was in den 50er Jahren noch vorhanden war“,<br />
sagt Stübing.<br />
Wenn die Folgen des<br />
Verlustes an Biodiversität<br />
beleuchtet werden,<br />
dann stimmt häufig die<br />
Basis nicht. Tatsächlich<br />
sind die Verluste bei<br />
verschiedenen Arten<br />
um ein Vielfaches<br />
höher, als neue<br />
Zahlenmaterialien<br />
Glauben machen.<br />
Wegen der unvollständigen Datenlage sind solche Rechnungen vielleicht angreifbar im<br />
Detail, aber kaum in der Größenordnung. Das bedeutet: Wenn heute die Folgen des Verlustes<br />
an Biodiversität beleuchtet werden, dann stimmt die Basis nicht. Tatsächlich sind<br />
die Verluste bei verschiedenen Arten um ein Vielfaches höher, als dieses neue Zahlenmaterial<br />
Glauben macht. Damit hat der Verlust der Biodiversität in Deutschland mindestens<br />
partiell eine Größenordnung erreicht, die keiner wahrhaben will und die gerne<br />
ausgeblendet wird. Das wird nicht nur beim Rebhuhn deutlich, sondern genauso bei der<br />
Grauammer, einem typischen Vogel der Agrarlandschaft.<br />
So haben Untersuchungen des Ornithologen Ralf Joest von der Arbeitsgemeinschaft<br />
Biologischer Umweltschutz / Biologische Station Soest gezeigt, dass von einst 1800<br />
singenden Grauammern in seinem Untersuchungsgebiet so gut wie keine mehr übrig<br />
geblieben ist: Die Art sei in der Kulturlandschaft der Hellwegbörde am Südostrand der<br />
westfälischen Bucht in Nordrhein-Westfalen „praktisch ausgestorben“. Und das, obwohl<br />
dort vor zehn Jahren extra ein Schutzprogramm aufgelegt wurde.16<br />
Auch bei der Grauammer, was Joest mit Daten aus dem EU-Vogelschutzgebiet Hellwegbörde<br />
zu belegen versucht, sind jüngere Zahlenvergleiche irreführend, weil sie nur einen<br />
verharmlosenden Blick auf den Abwärtstrend werfen. Denn wenn man nur die vergangenen<br />
20 Jahre betrachtet, dann ergibt sich zwar auch schon ein Rückgang um fast 100<br />
Prozent.<br />
Bestandsentwicklung der Grauammer<br />
in der Hellwegbörde (Sänger)<br />
Einer der ganz großen Absteiger: die<br />
Grauammer, die im Westen der Republik<br />
oft völlig verschwunden ist.<br />
Quelle: Ralf Joest, 2015<br />
IM AUFTRAG VON MARTIN HÄUSLING, MDEP