DIE (UN-) HEIMLICHE ARTEN-EROSION
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<strong>DIE</strong> LETZTEN FELDVÖGEL - EINE BESTANDSAUFNAHME<br />
21<br />
Solche Beobachtungen decken sich mit Erkenntnisseen des Ornithologen Jan-Uwe<br />
Schmidt. Der Diplom-Geograph von der Uni Dresden hat in einem Bodenbrüterprojekt<br />
des Fördervereins Sächsische Vogelschutzwarte Neschwitz 18 herausgefunden, dass auch<br />
die von Bauernverband und Agroindustrie hofierten Lerchenfenster auf Dauer keine Lösung<br />
darstellen. Diese Lücken, die mancher Landwirt im Acker lässt, um den Lerchen<br />
einen sicheren Lande- wie Brutplatz zu schaffen, seien nur dann brauchbar, wenn man<br />
ihnen eine Größe von 20 bis 40 Quadratmeter gibt und sie noch dazu flächendeckend<br />
installiert werden. Doch auch dann gelte: „Man kann vielleicht 10 bis 15 Jahre damit<br />
überbrücken. Wenn bis dahin nichts passiert, also etwa eine großflächige Ausdehnung<br />
des Ökolandbaus, dann werden wir den weiteren Rückgang der Feldlerche nicht aufhalten<br />
können“ – bis hin zum Aussterben.<br />
Joest hingegen sieht diesen Aspekt ein klein bisschen positiver, obwohl auch er konstatiert:<br />
„Lerchenfenster sind nicht die Lösung.“ Aber sie könnten „der Einstieg sein, um mit<br />
den Landwirten ins Gespräch zu kommen.“ Etwa, um mit ihnen über veränderte Anbaumethoden<br />
zu sprechen, die vom Land Nordrhein-Westfalen teuer bezuschusst werden.<br />
Dazu zählt das Stehenlassen von Getreidestoppeln, was Feldlerchen bei der Rückkehr im<br />
Frühjahr anlockt, die Saat von Getreide mit doppeltem Reihenabstand, um mehr Lücken<br />
für die Bodenbrüter zu lassen, der Verzicht auf Pestizide und Düngung, Randstreifen<br />
mit Selbstbegrünung, oder gar Ernteverzicht oder bearbeitungsfreie Zeiten beim Hackfruchtanbau,<br />
um den Kiebitz zu schonen: Solche zum Teil aufwendigen, zum Teil aber<br />
auch einfachen Methoden können mit Zuschüssen aus dem Vertragsnaturschutz in Höhe<br />
von durchaus 1500 Euro je Hektar gefördert werden. Aber: Sie sind ein kostspieliger Beitrag<br />
zur Lösung des Problems Artenschwund. Können solche Methoden dann überhaupt<br />
flächendeckend wirken?<br />
Lerchenfenster sind<br />
nicht die Lösung. Aber<br />
sie könnten der Einstieg<br />
sein, um mit den Landwirten<br />
ins Gespräch zu<br />
kommen. Etwa, um mit<br />
ihnen über veränderte<br />
Anbaumethoden zu<br />
sprechen.<br />
Noch sind die Erfolge bescheiden, da selbst in einem so gut betreuten Gebiet wie der<br />
Hellwegbörde in Westfalen Vertragsnaturschutz bisher nur auf einem Prozent der Fläche<br />
besteht. Joest: „10 bis 14 Prozent wären nötig, um erfolgreich zu sein.“<br />
NICHT NUR VÖGEL – AUCH PFLANZEN <strong>UN</strong>D<br />
INSEKTEN STERBEN AUS<br />
Doch nicht nur die Vogelwelt ist betroffen, der Kollaps in der agrarischen Landschaft<br />
spiegelt sich genauso in der Pflanzen- und der Insektenwelt wider. Denn der Kampf<br />
gegen das ertragsmindernde Unkraut, zunächst mechanisch, später durch flächendeckenden<br />
Herbizid-Einsatz, wird sichtbar in einem dramatischen Artenschwund. Waren<br />
vor rund 50 Jahren Äcker noch zu 40 Prozent mit Wildkräutern bedeckt, sind es heute<br />
noch vier Prozent, zeigen vegetationskundliche Vergleiche von 400 mittel- und norddeutschen<br />
Äckern. (19) Diese Vergleiche zeigen, dass die Artenzahl der Wildkräuter seit<br />
den 1950/60er Jahren um mehr als 70 Prozent zurückging. Im Innern intensiv bewirtschafteter<br />
Felder leben heute noch allenfalls fünf bis sieben Allerweltsarten, und die sind<br />
oftmals herbizidresistent.<br />
<strong>DIE</strong> GRÜNEN | EFA<br />
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