DIE (UN-) HEIMLICHE ARTEN-EROSION
Biodiversitaet_web_end
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DAS DESASTER NIMMT SEINEN LAUF – <strong>UN</strong>D NIEMAND HÄLT ES AUF<br />
9<br />
geht, kristallisiert sich aber der Zustand unserer Natur heraus. Zudem hat das Stockholm<br />
Resilience Center unlängst klar gemacht, dass die planetarischen Grenzen beim Biodiversitätsverlust<br />
viel eher erreicht sind als beim Klimawandel. 4<br />
Dem steht eine EU-Agrarpolitik gegenüber, die ernsthafte Antworten scheut. Das ist in<br />
der Wissenschaft längst angekommen, nur bei der Politik nicht. So hat der Leiter des Instituts<br />
für Naturschutzforschung am Leipziger Helmholtz Zentrum für Umweltforschung,<br />
Klaus Henle, kürzlich knapp geurteilt:<br />
„Die EU hat im Prinzip relativ ehrgeizige Biodiversitätsziele - den Verlust an Biodiversität<br />
zu verringern, möglichst zu stoppen bis 2020. Mit den jetzigen GAP-Maßnahmen wird<br />
das mit Sicherheit verfehlt werden.“ 5<br />
Gerade an der Frage,<br />
wie die Landwirtschaft<br />
mit ihrer Umwelt<br />
umgeht, kristallisiert<br />
sich aber der Zustand<br />
unserer Natur heraus.<br />
In ihrer zuletzt 2011 modifizierten Biodiverstätsstrategie räumt die EU-Kommission diese<br />
Unzulänglichkeit indirekt selbst ein: Denn nur 17 Prozent der EU-rechtlich geschützten<br />
Lebensräume und Arten sowie gerade 11 Prozent der wichtigsten EU-rechtlich geschützten<br />
Ökosysteme sind in einem günstigen Zustand, „und dies trotz aller Maßnahmen, die<br />
insbesondere seit der im Jahr 2001 erfolgten Festlegung des Biodiversitätsziels der EU für<br />
2010 zur Bekämpfung des Biodiversitätsverlustes getroffen wurden“.<br />
So dürfte der weitere Rückgang der Arten ungebremst weitergehen: Beispielsweise hätten<br />
sich die Bestände von 15 der 20 typischen Brutvögel in landwirtschaftlich genutzten<br />
Lebensräumen kontinuierlich reduziert, bei drei Arten habe sich der Bestand seit 1980<br />
sogar mehr als halbiert. Genauso stelle sich die Situation der Blütenpflanzen der Agrarlebensräume<br />
dar: „Einzelne Arten haben seit den 1950er Jahren mehr als 99 Prozent ihres<br />
Bestands eingebüßt“, heißt es in einer im Auftrag des Umweltbundesamtes erstellten aktuellen<br />
Bestandsaufnahme des Naturschutzbunds Deutschlands Nabu und des Instituts<br />
für Agrarökologie und Biodiversität.6<br />
Demnach ist die Fläche des artenreichen mittelfeuchten Grünlands und des Feuchtgrünlands<br />
in Norddeutschland seit 1950 um rund 85 Prozent zurückgegangen. Die Ursache<br />
hierfür sei vor allem die Umwandlung in Intensiv-Grünland gewesen, schreiben die Autoren.<br />
Im Ackerland habe sich die potenziell für Ackerwildkräuter (Segetalflora) besiedelbare<br />
Fläche um etwa 95 Prozent verringert. Selbst eine stärkere Anlage von extensiv<br />
genutzten Ackerrandstreifen werde daher nicht ausreichen, um die Restbestände der<br />
Ackerwildkräuter dauerhaft zu schützen, so das Fazit der Wissenschaftler.<br />
Selbst eine stärkere<br />
Anlage von extensiv<br />
genutzten Ackerrandstreifen<br />
reicht daher<br />
nicht aus, um die<br />
Restbestände der Ackerwildkräuter<br />
dauerhaft<br />
zu schützen, haben<br />
Wissenschaftler<br />
erkannt.<br />
Als Hauptursache für die fortschreitende Abnahme der Biodiversität sehen die Naturschützer<br />
die zunehmende Intensivierung der Landwirtschaft. Die Produktionsförderung<br />
für nachwachsende Rohstoffe und die hohe Nachfrage nach Grundstoffen zur Herstellung<br />
regenerativer Energieträger wie Biokraftstoffen oder Biogas würden den Flächenbedarf<br />
an landwirtschaftlicher Nutzfläche noch zusätzlich anheizen und so die letzten<br />
Refugien der Biodiversität gefährden.<br />
„Die Ziele einer Intensivierung der Landwirtschaft auf der einen und die Bewahrung der<br />
Biodiversität auf der anderen Seite stehen sich häufig unvereinbar gegenüber. Gerade<br />
wegen dieser Interessenskonflikte ist eine enge Zusammenarbeit von Naturschutz und<br />
Landwirtschaft heute dringend erforderlich“, erklärt Michael Otto. 6<br />
<strong>DIE</strong> GRÜNEN | EFA<br />
im europäischen Parlament