CERCLE DIPLOMATIQUE - issue 03/2020
CD is an independent and impartial magazine and is the medium of communication between foreign representatives of international and UN-organisations based in Vienna and the Austrian political classes, business, culture and tourism. CD features up-to-date information about and for the diplomatic corps, international organisations, society, politics, business, tourism, fashion and culture. Furthermore CD introduces the new ambassadors in Austria and informs about designations, awards and top-events. Interviews with leading personalities, country reports from all over the world and the presentation of Austria as a host country complement the wide range oft he magazine.
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L’AUTRICHE INTERVIEW
PHOTOS: RALPH MANFREDA
dern um 100 Prozent eingebrochen ist, weil
Großveranstaltungen nicht mehr stattfinden
konnten. Da leiden nicht nur die unmittelbar
betroffenen Konferenzzentren
oder die Hotellerie, sondern auch die Gastronomie
und der Handel, denn die Kongressteilnehmer
und -innen sind besonders
attraktive Touristen mit hohen
Ausgaben. Wir bearbeiten aber weiterhin
ganz stark die internationalen Märkte, weil
wir davon ausgehen, dass es wieder möglich
sein wird verstärkt zu reisen, sobald es
einen Impfstoff gibt.
Die Stadt Wien ist dritte UNO-Stadt, die einzige
in der EU, und Wien ist auch sonst sehr stark
international orientiert. Was können Sie als
Bürgermeister tun, um den internationalen Ruf
dieser Stadt zu erhalten bzw. auszubauen?
Wien steht im internationalen Vergleich
sehr gut da. Wir haben 230 bilaterale oder
multilaterale Einrichtungen in unserer
Stadt und wir pflegen intensiven Kontakt
mit den 40 internationalen Organisationen,
die es bei uns gibt. Wir haben eine
sehr offensive eigene Stadt-Außenpolitik.
Das heißt, wir ergänzen die Außenpolitik
der Bundesregierung durch eine systematische
eigene Außenpolitik sowie auch durch
städtische Netzwerke, die wir in Europa,
aber auch weit darüber hinaus geknüpft
haben – und das hilft dem Wirtschaftsstandort
Wien. Und nachdem wir in Wien
sehr vieles realisieren, was auch für andere
Städte interessant ist, Stichwort: Smart City
Strategie, haben wir auch international gesehen
ein sehr gutes Renommee.
Worin unterscheidet sich Ihrer Meinung nach
die Stadt Wien von anderen Metropolen in Europa.
Was sind die großen Pluspunkte, die andere
nicht haben?
Wien unterscheidet sich sehr stark von
den anderen Metropolen unter anderem
auch durch das besondere Zusammenleben
in der Stadt, durch das Miteinander,
das bei uns im Vordergrund steht. Wir sind
die zweitgrößte Stadt im deutschsprachigen
Raum, es ist nur Berlin größer. Wien
zählt in Europa aber nicht nur zu den größten,
sondern vor allem zu den attraktivsten
Städten. Das zeigt sich auch daran, dass wir
zum wiederholten Male zur lebenswertesten
Stadt weltweit gewählt worden sind.
Wiens Attraktivität hängt aber auch mit
einer sehr starken Wirtschaftskraft zusammen.
Wir haben eine Wirtschaftsleistung,
ein Bruttoregionalprodukt, das so groß ist
wie das von Slowenien und Kroatien zusammengerechnet.
Wien ist auch innerhalb Österreichs ein
starker Wirtschaftsmotor, zugleich aber
auch eine Wissenschafts- und Universitätsstadt,
die in dieser Bedeutung zumindest
im deutschsprachigen Bereich unvergleichbar
ist. Wir haben die Verbindung
von Wirtschaft und Wissenschaft in den
vergangenen Jahren stark ausgebaut. Da
hat mein Vorgänger Michael Häupl als Biologe
sehr viel dazu beigetragen, dass wir in
Kontinentaleuropa im Bereich Biotechnologie
zu den führenden Städten gehören.
Wie sieht es in Wien mit dem Zukunftsthema
Digitalisierung aus?
Der Bereich wird sehr stark ausgebaut.
Wir haben den Anspruch, dass Wien die
Digitalisierungshauptstadt Europas werden
soll. Gründe dafür sind, dass es in unserer
Stadt sehr gut ausgebildete Menschen
gibt, dass wir neben einigen großen zahlreiche
sehr gut organisierte Klein- und
Mittelbetriebe haben, die da sehr flexibel
unterwegs sind.
Und mit neun Universitäten, fünf Privatunis
und fünf Fachhochschulen gehören
wir auch zu den führenden Ausbildungsstätten
im deutschsprachigen Raum.
Wir wollen die zukunftsorientierten Wirtschaftsbereiche
weiter ausbauen.
Sie betonen gerne, dass es Ihnen wichtig ist,
dass Wien eine weltoffene Stadt ist. Was
meinen Sie damit konkret?
Ich glaube, dass Wien eine der wichtigsten
Begegnungsstätten für internationale
Organisationen und internationale Betriebsansiedlungen
ist. Und das hat einen
Grund. Das hängt mit dem besonderen
„Klima von Wien“ zusammen und dem
Umstand, dass wir Neutralität so verstehen,
dass Wien eine Begegnungsstätte von zum
Teil unterschiedlichen Auffassungen ist.
Bei uns gibt es nicht nur die Möglichkeit,
sich zu begegnen sondern auch gemeinsam
Lösungen für die Zukunft zu finden. Weltoffenheit
muss aber auch gelebt werden.
Dabei ist mir wichtig, dass auch die Bevölkerung
mitmacht und das Interesse für große
Zusammenhänge geweckt wird. Wir
müssen auch in der Bevölkerung mehr vermitteln,
dass große internationale Organisationen
in unserer Stadt beheimatet sind.
Zur Weltoffenheit gehört auch, anderen
Kulturen gegenüber offen zu sein. Wie sehen
Sie im Zuge der derzeitigen Anti-Rassismus-
Debatten die Haltung der Wiener?
Etwa die Hälfte der Wiener Bevölkerung
hat entweder in der ersten oder zweiten Generation
Migrationshintergrund. Das
heißt, viele Wiener und Wienerinnen kommen
aus anderen Kulturen oder auch Bundesländern.
Das schließt nicht aus, dass es
auch Animositäten geben kann gegenüber
Menschen, die aus anderen Ländern kommen.
Aber ich behaupte, dass das Zusammenleben
in Wien deutlich besser funktioniert
als in den meisten vergleichbaren
Metropolen. Und das hängt damit zusammen,
dass wir vom ersten Tag an Integrationsmaßnahmen
setzen. Mir als Wiener
Bürgermeister ist es persönlich nicht wichtig,
wie ein Mensch gekleidet ist oder welche
Kopfbedeckung er trägt. Sondern mir
ist wichtig, dass man sich gemeinsam zu
einer demokratischen Struktur bekennt, zu
einem demokratischen Miteinander und
dass ich gegen jede Form von Radikalismus
und Rassismus auftrete. Denn Rassismus
hat keinen Platz in unserer Stadt.
Können Sie ein konkretes Beispiele nennen?
Ich arbeite seit mehreren Jahren an einem
Projekt in der Seestadt Aspern, dem
„Campus der Religionen“. Damit will ich eines
beweisen: Während in anderen Teilen
der Welt Religionen auch dazu verwendet
werden, um Kriege zu führen, gibt es in
Wien einen Standort, wo zehn Religionsgemeinschaften
nicht gegeneinander, nicht
nebeneinander, sondern miteinander leben
und sich im inhaltlichen Dialog befinden.
Meine Zielvorstellung ist zu zeigen, dass
Menschen mit unterschiedlicher Herkunft
Wiens Bürgermeister
Ludwig im Gespräch mit
CD-Autor Gerhard Bitzan.
Vienna’s Mayor Ludwig in
conversation with CD
author Gerhard Bitzan.
74 Cercle Diplomatique 3/2020