CERCLE DIPLOMATIQUE - issue 03/2020
CD is an independent and impartial magazine and is the medium of communication between foreign representatives of international and UN-organisations based in Vienna and the Austrian political classes, business, culture and tourism. CD features up-to-date information about and for the diplomatic corps, international organisations, society, politics, business, tourism, fashion and culture. Furthermore CD introduces the new ambassadors in Austria and informs about designations, awards and top-events. Interviews with leading personalities, country reports from all over the world and the presentation of Austria as a host country complement the wide range oft he magazine.
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SAVOIR VIVRE CULTURAL
EXCHANGE
Daniel Spoerri, Palette pour Grégoire Müller.
Zum 90er gibt es zwei Ausstellungen in
Österreich.
To celebrate his 90th birthday, two exhibitions
will take place in Austria.
Meisterwerke aus der Sammlung
Emil Bührle: Paul Gauguin
(rechts), Claude Monet und Paul
Cézanne (unten).
Masterpieces from the Emil Bührle
Collection: Paul Gauguin (right),
Claude Monet and Paul Cézanne
(below).
Die Schweiz darf sich zu den Global
Playern in Sachen Kunst zählen
und ist mit zahlreichen Kunstschaffenden,
von Félix Vallotton über Meret
Oppenheim bis zu Franz Gertsch oder
Pipilotti Rist in der Kunstgeschichte und
Gegenwartskunst vertreten. Eine große
Stärke der Kulturnation Schweiz liegt aber
sicherlich in ihren vielen, renommierten
Museen und der Dichte ihrer hoch dotierten
Privatsammlungen – erstaunlich viele
der zum Kanon der Kunstgeschichte zählenden
Werke finden sich in Schweizer Museen
und Sammlungen.
Kunst sammeln als existentielle Erfahrung
Eine Gelegenheit, dies zu verifizieren,
ergibt sich in Wien in der Albertina, wo einige
Schlüsselwerke der Moderne wie „Das
Nachtcafé“ von Vincent van Gogh derzeit
für Andrang sorgen. „Die Ausstellung in
der Albertina vereint die absoluten Spitzenwerke
der Sammlung Hahnloser, sie ist
ein Höhenweg durch die Klassische Moderne.
Es gibt absolut großartige, einmalige
Kunstwerke von van Gogh und Cézanne,
ebenso schöne Arbeiten von Gauguin,
Toulouse-Lautrec, Monet, Manet und Matisse“,
zeigt sich Michael Frehner, langjähriger
Direktor des Kunstmuseums Bern
und Kurator der Ausstellung begeistert.
Die erstaunliche Qualität ergibt sich auch
aus dem Verständnis, aus dem heraus die
Sammlung angelegt wurde. „Arthur und
Hedi Hahnloser haben die Kunst zum gemeinsamen
Zentrum ihres Lebens ge-
macht: Durch Kunst die Welt zu sehen, das
verbindende Element darin zu finden. Man
hat Kunst nicht nur aus Prestige gesammelt,
es war vielmehr eine existentielle
Ausrichtung.“
Der Rahmen für Monet und Gauguin
Die große Dichte an hochkarätigen
Sammlungen in der Schweiz hat einen gesellschaftspolitischen
Hintergrund, wie
Frehner betont: „In der Schweiz gab es keinen
Adel; Legitimation durch Kunst und
Mäzenatentum wurde hier im frühen 20.
Jahrhundert ebenso wie in den USA zum
gesellschaftlichen Markenzeichen einer
ganzen Generation. Es entstanden große
Sammlungen zeitgenössischer französischer
Kunst, die damals erschwinglich war.
Und die Öffentlichkeit an ihren bedeutenden
Sammlungen durch Schenkungen an
Museen oder den Staat teilhaben zu lassen,
ist das gemeinsame Charakteristikum vieler
Sammlerpersönlichkeiten.“ Mit der
Sammlung Emil Bührle werden im Frühling
2021 dann weitere Höhepunkte der
Kunstgeschichte wie das berühmte Portrait
„La petite Irène“ von Auguste Renoir im
Leopold Museum zu sehen sein. Nach ihrem
Auftritt in Wien beziehen die Werke
dann im Herbst die eigens für sie entworfenen
Säle im frisch eröffneten Erweiterungsbau
des Kunsthauses Zürich.
Starke Achse
Das Leopold Museum pflegt unter Direktor
Wipplinger schon länger enge Ver-
SAMMLUNG EMIL BÜHRLE, ZÜRICH / SIK-‐ISEA (J.-P. KUHN)
DANIEL SPOERRI UND BILDRECHT, WIEN 2020 / TILMAN DAIBER; RITA NEWMAN
bindungen in die Schweiz. So waren kürzlich
Werke des deutschen Expressionismus
aus der Schweizer Sammlung Braglia zu
sehen oder 2017 eine grandiose Ferdinand
Hodler-Schau. Die Achse Schweiz-Österreich
hat eine lange Tradition. Angefangen
vom Schweizer Nationalmaler Hodler, der
seinen internationalen Durchbruch 1904
in der Wiener Secession feierte, bis in die
Gegenwart. Daniel Spoerri etwa, der mit
seinen „Tableaux pièges“, in die Vertikale
gekippte, witzige Assemblagen, Eingang in
die Kunstgeschichte gefunden hat, ist seit
mehr als 10 Jahren Wahlwiener. Zu seinem
90. Geburtstag zeigt das „Ausstellungshaus
Spoerri“ in Hadersdorf am Kamp bis Ende
Oktober die schöne Schau „Daniel Spoerri
und die Eat Art“. Das Kunstforum in Wien
widmet dem umtriebigen Schweizer Objektkünstler,
der in seiner Laufbahn in nahezu
allen künstlerischen Medien tätig war
und ist, ab März 2021 eine ausführliche
Retrospektive. Einen starken Österreichbezug
in seiner Vita hat auch Ugo Rondinone:
Ende der 1980er Jahre studierte der zu
den wichtigsten Schweizer Stimmen der
mittleren Generation zählende Künstler an
der Universität für angewandte Kunst in
Wien. Im Herbst 2021 zeigt das Belvedere
21 eine erste große Personale Rondinones
in Österreich.
Die Frische der 1970er
2020 feiert auch der vielleicht bekannteste
Schweizer Gegenwartskünstler Franz
Gertsch seinen 90er. Das Lentos Kunstmuseum
Linz zeigt aus diesem Anlass „Franz
Gertsch - Die Siebziger“. Die Ausstellung
legt ihren Fokus auf die großformatigen,
hyperrealistischen Arbeiten, mit denen
Gertsch, etwa auf der documenta 1972,
sein internationaler Durchbruch gelang.
Die flirrenden, monumentalen, direkt auf
die unbehandelte Leinwand gemalten Bilder
haben bis heute nichts von ihrer Frische
und drängenden Kraft verloren. Einige
von Gertschs bekannten Holzschnitten
aus seiner späteren Schaffensphase sind
außerdem noch bis Mitte September in der
Wiener Albertina zu sehen. Einen stilleren
Protagonisten der Schweizer Kunstszene
gibt es mit dem Bildhauer Not Vital ab Dezember
im Museum der Moderne Salzburg
zu entdecken.
Schweizer Designtradition
Einen starken Auftritt hat die Schweiz
auch auf der Vienna Design Week Ende
September. Gabriel Roland, Vizedirektor
des Designfestivals, zum Gastland der diesjährigen
Ausgabe: „Die Designtradition
der Schweiz ruht auf der tiefen Überzeugung,
dass es sich auszahlt Dinge gut
durchzudenken und ordentlich herzustellen,
innovative Lösungen sind kein Selbstzweck.
Natürlich ist es für uns spannend,
mit einer Designszene in Austausch zu treten,
die aus diesem Selbstverständnis
kommt.“ Neun junge Schweizer Designstudios
präsentieren in der diesjährigen Festivalzentrale
im Amtshaus Meidling aktuelle
Positionen zu brisanten Problemstellungen.
Michel Hueter, Leiter von Design
Preis Schweiz, der der für die Schweizer
Kulturstiftung Pro Helvetia das Projekt leitet,
betont, dass neben der Innovationsleistung
vor allem der soziale und ökologische
Nutzen der Projekte, sowie deren Ausgereiftheit
ausschlaggebend waren. Von diesem
praxisorientierten Zugang zeigt sich
auch auch Roland begeistert: “Design als
zukunftsorientierte Kraft brauchen wir
dringender denn je. Insbesondere junge
Designerinnen und Designer sind sich dieser
Verantwortung bewusst. Ihre Arbeit
kann ein Schlüssel sein zur Lösung komplexer
Aufgaben unserer Zeit wie der Mobilitätswende,
dem Klimawandel, der
Aging Society oder Integration – und zwar
auf zugängliche Art und Weise.“
Die traditionell starke Kulturachse
Schweiz-Österreich bringt eine erstaunliche
Dichte an spannenden Einblicken in
aktuelle Kunstproduktion, Höhepunkte
Schweizer Kunstsammlungen und das Designverständnis
unseres Nachbarlandes. Es
lohnt jedenfalls, sich die kommenden Monate
ein wenig eingehender mit der Kulturnation
Schweiz zu befassen.
Switzerland rightfully counts among
the top global players when it comes
to art and is well represented across
art history as well as in contemporary art
with great masters like Félix Vallotton, Meret
Oppenheim, Franz Gertsch and Pipilotti
Rist. One particular strength of Switzerland
as a cultural nation is the many
renowned museums and the density of its
highly prized private collections – a surprisingly
large number of works belonging to
the canon of art history can be found across
Swiss museums and collections.
Art collection as an existential pursuit
The opportunity to verify this for oneself
is presenting itself at the Albertina, where
several key modernist works such as the
“The Night Café” by Vincent van Gogh
are currently creating long lines at the ti-
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