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Spectrum_3_2020

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werk aus der Dorling Kindersley Kulturreihe.

Gonstallas Buch behandelt in fünfzig

grün-grauen Grafiken den Klimawandel.

Der Text nimmt hierbei eine eher unterstützende

Funktion ein. Wie ein hübsches

Bilderbuch für Erwachsene, denke ich mir,

während ich das Superman-Piktogramm

neben der Rubrik «persönlicher Wandel»

betrachte.

Optisch ähnlich ansprechend ist «Das Ökologiebuch».

Es beginnt bei der Evolution

und arbeitet sich vor bis zum Pariser Klimagipfel.

Komplexe Zusammenhänge werden

einfach erklärt und mit Diagrammen,

Grafiken, Zitaten und Fotografien untermauert.

Selbst ich als Fachfremde verstehe

nach der Lektüre Lovelocks «Gaia-Theorie»

oder das Kyoto-Protokoll von 1997.

Ein ähnlich übersichtliches Buch ist Joanna

D. Haighs «Klima in 30 Sekunden». Auf jeder

Seite wird ein Konzept kurz erläutert,

sodass es sich in 30 Sekunden lesen lässt.

Im Vergleich zum «Ökologiebuch» geht es

weniger in die Tiefe, dafür glänzt es mit seinen

kreativen Zeichnungen.

An Christoph Schulz’ «Nachhaltig leben

für Einsteiger» spricht mich besonders

das Wort «Einsteiger» an. Weil der Buchinhalt

tatsächlich spannend ist, will ich ihm

für einmal den genderunfreundlichen Titel

nachsehen. Von der Ernährung über die

Ferien bis zum Arbeitsplatz zeigt Schulz

Schritt für Schritt auf, wie sich das eigene

Leben klimafreundlicher gestalten lässt.

Er erläutert Problemstellungen, denen er

dann einfache und originelle Lösungsansätze

gegenüberstellt. Wasserverschmutzung

beim Waschen lässt sich beispielsweise

mit einem hausgemachten Waschmittel

aus Rosskastanien bekämpfen.

Klimafreundliche Küche

Die Buchhändlerin kehrt mit einem Stapel

Neuerscheinungen zurück. Sie legt ein

Buch über Dirk C. Gratzels Selbstversuch,

die eigene Ökobilanz wieder aufzuwiegen

(«Projekt Green Zero»), vor mich auf den

Tisch. Dazu kommen drei Kochbücher:

«Ich bringe dir jetzt nicht alle veganen

Kochbücher mit.»

Ich bedanke mich und blättere die Kochbücher

durch. Appetitliche Fotos regionaler

und exotischer Früchte- und Gemüsesorten,

die mit Begriffen wie «nachhaltig»,

«klimaschonend oder «Selbstversorgung»

werben. Liebe geht durch den Magen - aber

Klimaschutz? Das Essen sieht lecker aus,

aber es wurmt mich, dass neue Sachbücher

zu Klimathemen weniger zu interessieren

scheinen als ausgefallene Kochbücher. Als

bliebe von der Klimabewegung nur ein

Nachgeschmack von Gemüse-Fukhara und

Bohnenguacamole.

Nochmals schaue ich die Gestelle durch;

erst jetzt fällt mir das kleine Buch unter der

Rubrik «Natur» auf. In roten Buchstaben

steht auf dem Einband: «Ich will, dass ihr

in Panik geratet». Es ist eine Sammlung von

Greta Thunbergs Reden. «I want you to panic»,

im englischen Original. Ich stelle mir

vor, wie jemand panisch vegane Kichererbsenmuffins

bäckt, um das Klima zu retten.

Ich schaue aus dem Fenster. Von hier oben

liegt der Bahnhof stumm und fast friedlich

vor mir. Ein Mann zieht seine Maske herunter,

um eine Zigarette zu rauchen. I want

you to panic. Ich frage mich: Wie viel Krise,

wie viel Panik ertragen wir, ehe wir Harry

Potter noch ein viertes Mal lesen? Mit

einem Mal finde ich all die Menschen mutig,

die in dieser Zeit Bücher übers Klima

gekauft haben. All diese Menschen, die weiterhin

vegane Muffins gebacken und eigenhändig

gegen Einwegstrohhalme gekämpft

haben. Ich denke: Es braucht ziemlich viel

Mut, die Panik zuzulassen.

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