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medizin&technik 06.2018

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■ [ MEDIZIN IM DIALOG

■ [ MEDIZIN IM DIALOG ] aus diesem Gebiet ist die künstliche Haut, auch als Skin-on-a-chip bezeichnet. Hierzu sind die Arbeiten schon recht weit fortgeschritten, auch deshalb, weil Kosmetik-Unternehmen an solchen Testumgebungen großes Interesse haben. Für die Medizin lässt sich das Wissen aus solchen künstlichen Systemen ebenfalls nutzen: Es wird untersucht, wie ein Knochen heilt oder wie Tumorzellen wachsen und worauf sie reagieren. Für die Therapie sind diese Ansätze aber noch nicht nutzbar – auch wenn genau das sehr sinnvoll wäre. In fünf Jahren werden die ersten Projekte für die Industrie interessant sein ■ Was ließe sich dann simulieren? Mit einer Gewebeprobe eines Tumorpatienten könnten wir testen, welche Therapie in diesem konkreten Fall den größten Erfolg verspricht. Wenn wir genug Informationen aus zellbasierten Systemen haben, ist der nächste denkbare Schritt, diese Daten für eine Simulation im Computer zu nutzen. Mit Methoden des Machine Learning lassen sich daraus Schlussfolgerungen ableiten, zu denen wir mit der begrenzten Leistung des menschlichen Gehirns gar nicht kommen könnten. ■ Würde sich die Behandlung von Erkrankungen durch die Möglichkeiten der Simulation in großem Maße verändern? Eine Therapie könnte viel gezielter erfolgen – und wir könnten neue Wirkstoffe schneller einsetzen. Vor kurzem zeigte sich zum Beispiel, dass ein neu entdecktes Molekül eine Heilung von Hautkrebs selbst im fortgeschrittenen Stadium ermöglicht. Das Molekül herzustellen, ist allerdings sehr teuer. Es entfaltet seine Wirkung auch nur bei etwa einem Drittel der Patienten und kann zu schweren Nebenwirkungen führen. Das bedeutet für die Therapie ein echtes Dilemma. Der Arzt will seinem Patienten natürlich die Chance zur Heilung bieten – aber wenn mehr als zwei Drittel der Behandelten gesundheitliche Schäden riskieren, ohne dass die Aussicht auf Besserung besteht, ist das kaum zu verantworten. Mit Modellen humaner Zellen ließe sich recht schnell testen, zu welcher Gruppe ein Patient gehört und ob das Molekül für ihn sinnvoll wäre. ■ Welche Rolle spielen Unternehmen in diesem Zweig der Forschung – und welche könnten sie übernehmen? Das Beispiel der Hautmodelle zeigt, was denkbar wäre: Hier engagiert sich die Kosmetik-Industrie, auch finanziell, weil das Forschungsergebnis – nämlich die künstliche Haut, an der Inhaltsstoffe und deren Kombinationen getestet werden können – für die Unternehmen direkt interessant ist. Bei Modellen, die für medizinische Anwendungen geeignet wären, gibt es diese Unterstützung bisher nicht. Das liegt unter anderem daran, dass die Projekte bisher noch nicht weit genug gediehen sind, um für ein Unternehmen aus der Pharma- oder Medizintechnikindustrie interessant genug zu sein. Das Risiko einer Investition wäre sehr hoch. ■ Was müsste sich ändern, damit mehr Unternehmen einsteigen können? Da der Nutzen der Modelle für die Patienten sehr hoch wäre, würde ich mir wünschen, dass die Forschung mehr Unterstützung von staatlicher Seite bekommt – damit wir Ergebnisse vorlegen können, die dann das Interesse der Unternehmen wecken. Der Bau des Wissenschaftshauses ist ein erfreulicher Schritt in diese Richtung. ■ Der Neubau in Berlin soll 2023 fertiggestellt werden. Gibt es bereits ähnliche Zentren, mit denen Sie auch international kooperieren könnten? An Modellen mit menschlichen Zellen forschen eine Reihe von Gruppen, in Deutschland und natürlich auch in Berlin. Die begonnen Projekte werden von den Fachleuten im Wissenschaftshaus weitergeführt, sobald die Räumlichkeiten fertiggestellt sind. Ähnliche Ansätze wie wir verfolgen aber auch Wissenschaftler an einem Institut in den Niederlanden und an zwei Forschungseinrichtungen in den USA. Dort haben die Einrichtungen mehr finanzielle Möglichkeiten und kommen entsprechend schneller voran – was auch das Beispiel der Skin-on-a-chip zeigt. Mit diesen Gruppen tauschen wir uns auf wissenschaftlicher Ebene intensiv aus. Das ist keine Konkurrenz, sondern wir arbeiten auf das gleiche Ziel hin. ■ In welchen Zeiträumen könnten die neuen Erkenntnisse realistischerweise Einzug halten in die Medizin? Für eine Reihe von Projekten gehe ich davon aus, dass wir in fünf Jahren – wenn das Wissenschaftshaus an den Start geht – soweit sind, dass ein Einstieg der Industrie sinnvoll ist. Bei komplexeren Aufgaben, zum Beispiel der Simulation der Vorgänge, die mit der Blut-Hirn-Schranke zu tun haben, kann die Forschungsphase noch deutlich länger dauern. Hier müssen wir vielleicht noch zehn Jahre warten, bis es Studien gibt und ein Modell den Patienten Nutzen bringen kann. Dr. Birgit Oppermann birgit.oppermann@konradin.de Weitere Informationen Mehr zum Berlin-Brandenburger Centrum für Regenerative Medizin, an dem Prof. Thiel mit seiner Arbeitsgruppe forscht: www.b-crt.de 20 medizin&technik 06/2018

Augenoperationen Relevante Stellen in Videos maschinell erkennen Bei chirurgischen Eingriffen am Auge kann das Operationsmikroskop mit einer Videokamera ausgestattet werden, die den OP-Verlauf aufzeichnet. Die so gewonnenen Videos sind für die medizinische Lehre, Forschung und Dokumenta - tion von Bedeutung. Ein Forschungsteam vom Institut für Informationstechnologie der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt arbeitet gemeinsam mit Medizinern des Klinikums Klagenfurt an Methoden, wie diese Videos automatisch analysiert werden können. Konkret geht es um Methoden zur automatischen Erkennung von relevanten zeitlichen Segmenten in Operationsvideos. Mittels automatischer Klassifikationsverfahren sollen häufiger auftretende Irregularitäten identifiziert und unterschieden werden können. www.aau.at Digitalisierung Datenschätze nutzbar machen für die Medizin Der Supercomputer des KIT verarbeitet schnell gewaltige Datenmengen Bei der Erforschung, Diagnose und Behandlung von Krankheiten entstehen Unmengen von Daten. Diese systematisch zu durchkämmen, kann neues Wissen für die Diagnose und Therapie von Leiden wie Krebs schaffen. Im neu gegründeten Helmholtz Information & Data Science School for Health (HIDSS4Health) wollen das Karlsruher Institut für Technologie (KIT), das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) und die Universität Heidelberg junge Forschende ausbilden, die an der Schnittstelle von Gesundheitsforschung, Lebens- und Datenwissenschaften arbeiten. In einem gemeinsamen Promotionsprogramm sollen sie lernen, basierend auf der Auswertung riesiger Datenmengen neue Methoden für die Dia - gnose und Therapie zu entwickeln. Insgesamt sollen Stellen für 35 bis 40 Promovierende geschaffen werden, die gruppenübergreifend an den drei Standorten in Heidelberg und Karlsruhe arbeiten. Dafür stellen die Einrichtungen 12 Mio. Euro bereit. Die Helmholtz-Gemeinschaft will künftig 35 Mio. Euro jährlich in die Digitalisierung der Forschung investieren und etabliert dazu vier Plattformen. Unter Beteiligung des KIT und des DKFZ entstand eine davon, die Helmholtz Information & Data Science Academy (HIDA). www.kit.edu Bild: Markus Breig, KIT Als der Spezialist im Gesundheitswesen bieten wir Ihnen individuelle Finanzierungslösungen für Ihren nachhaltigen Erfolg. Telefon: +49 211 5998 2222 E-Mail: firmenkunden@apobank.de www.apobank.de/firmenkunden 06/2018 medizin&tec hn i k 21

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