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Last issue of DRACHME - A forerunner of ETHNO NEWS

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Essay<br />

23<br />

---------<br />

in Berlin war, fragte ich ihn nach dem Fazit, dem Sinn<br />

des Lebens. Darauf erwiderte er: „Ach, scheiß drauf,<br />

mein Kleines. Was immer Du auch machst, Du bist und<br />

bleibst ‚Der Grieche‘, ‚Der Fremde‘.“<br />

Ich konnte diese Aussage damals nicht zuordnen.<br />

Kostas bekam 2012 das Verdienstkreuz am Bande der<br />

Bundesrepublik Deutschland, engagiert sich u.a. in Bereichen<br />

wie der „Flüchtlingshilfe“ und gilt in der Öffentlichkeit<br />

immer noch nur als der Lindenstraßenstar,<br />

der Wirt Panajotis Sarikakis. Warum diese Einschränkung,<br />

die − in diesem Kontext − auch als eine Art Unterschätzung<br />

empfunden werden kann?<br />

„Fremd ist der Fremde nur in der Fremde“<br />

Eine Zeichnung des Künstlers Günter Wangerin,<br />

der massiver als viele Griechen in der Diaspora<br />

gegen die fatale Politik in Hellas protestiert.<br />

Karl Valentins Zitat könne man stundenlang versuchen<br />

zu interpretieren; anschließend ist man doch<br />

nicht schlauer. Kernproblem: Wie lässt sich der Begriff<br />

‚Fremde‘ definieren?<br />

Meines Erachtens ist der Mensch dort fremd, wo<br />

er sich nicht wohl fühlt.<br />

„In der Fremde bin ich der Grieche, in Griechenland<br />

der Fremde“<br />

Das ist ein traditionelles Lied aus Pontos, mit dem<br />

sich viele GastarbeiterInnen damals identifiziert haben.<br />

Und viele pflegen auch heutzutage zu sagen, dass es so<br />

ist. Quatsch… Ich erinnere mich nie, in Griechenland<br />

– abgesehen von meiner Kindheit, wo ich öfters als Hitlers<br />

Nachkomme von Gleichaltrigen beschimpft wurde<br />

− ernsthaft als deutsche Frau wahrgenommen worden<br />

zu sein... Ich bin eine Auslandsgriechin, basta.<br />

Über Identität und den diktierten Stolz<br />

„Fühlst Du dich deutsch, oder griechisch“?<br />

Ehrliche Antwort: „Egal, was ich darauf antworte,<br />

hast du dein Urteil bereits anhand meines Aussehens,<br />

meines Namens und dessen, was du von mir zu wissen<br />

behauptest, gefällt“. Statt vergeblich zu versuchen, die<br />

Frage zu beantworten, kann ich vielleicht ein paar Zusatzinformationen<br />

zum Nachdenken liefern:<br />

Als Familie haben wir seit 1962 − als meine analphabetische<br />

Oma als Gastarbeiterin in Hannover ankam<br />

– Wurzeln geschlagen. Meine Eltern, Geschwister,<br />

Neffen und Nichten leben seitdem fast kontinuierlich<br />

in Deutschland.<br />

„Ja, aber Du bist und musst dich Griechisch fühlen,<br />

stolz auf Deine Herkunft und damit verbunden<br />

sein“ wäre eine mögliche Reaktion. An diesem Punkt<br />

erlaube ich mir zu fragen, wer derjenige ist, der mir<br />

diktiert, wie ich mich zu fühlen habe.<br />

Selbstverständlich fühle ich mich „Griechisch“, im<br />

Sinne der Bildung, die ich genoss. Bildung, gr. Παιδεία<br />

war in der Antike synonym mit «Πολιτισμός»: Zivilisation,<br />

Kultur. Und darauf kann ich echt stolz sein. Aber<br />

ich möchte nunmehr auch auf Dinge stolz sein, die ich<br />

selbst auf die Beine gestellt habe und nicht auf das, w<strong>of</strong>ür<br />

andere für mich – und ohne mich – entschieden<br />

haben. Aber dieser Wunsch kann mich nicht davon abbringen,<br />

wie ein kleines Kind zu weinen, wenn ich die<br />

griechische Nationalhymne oder ein Lied aus der Heimat<br />

meiner Eltern mitsinge. Genauso wehmütig wie<br />

ich die „Laternenlieder“ aus meiner herrlichen Zeit im<br />

deutschen Kindergarten höre.<br />

Der Körper hier, die Gedanken dort.<br />

Kommen wir nun zu den Sachen, die ich für mich<br />

entschieden habe:<br />

Januar 2017, Migrationsbeiratswahl. Es geht um<br />

die demokratische Abstimmung der MigrantiInnen,<br />

die uns im Migrationsbeirat (ehemals Ausländerbeirat)<br />

repräsentieren. Ich entschied mich als bewusste Internationalistin,<br />

die Liste mit KandidatInnen aus Afrika,<br />

Lateinamerika, Türkei, Griechenland, dem Iran etc. zu<br />

unterstützen.<br />

Fehlanzeige! Auch hier spielt fast nur meine Herkunft<br />

die entscheidende Rolle. Meine politischen Ansichten?<br />

Wenn ich Panastastiou zitieren darf: „Scheiß<br />

drauf!“. Ich bin die Griechin. Einfach nur die Griechin.<br />

OK, im besten Fall bin ich nach ‘Alexander, dem Gro-

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