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FOCUS-MONEY_2022-20

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moneymarkets<br />

aktionär bei der Deutschen Bank und anderen europäischen<br />

Instituten zurückgezogen. Das war keine Entscheidung gegen<br />

uns – sondern gegen Europa und gegen den hiesigen Bankensektor.<br />

Natürlich spielte da die aktuelle geopolitische Unsicherheit<br />

eine Rolle, aber auch unabhängig davon sehen Investoren<br />

derzeit große Defizite: Europas Kapitalmarkt mit seinen<br />

27 Einzelmärkten kann einfach nicht mit den USA mithalten.<br />

Welche Folgen hat das?<br />

Achleitner: Das kann zum Beispiel dazu führen, dass langfristig<br />

orientierte Investoren als Aktionäre durch andere Akteure<br />

wie Hedge-Fonds ersetzt werden. Und die agieren nun<br />

mal sehr kurzfristig. Das bringt eine Volatilität mit, mit der<br />

wir leben müssen. Wenn dadurch der Kurs fällt, selbst wenn<br />

wir sehr gute Ergebnisse vorlegen, ist das natürlich frustrierend<br />

– aber dagegen können wir nicht viel tun.<br />

Selbst die große altehrwürdige Deutsche Bank ist folglich ein Spielball<br />

von Spekulanten?<br />

Achleitner: Das ist Ihre Wortwahl. Fakt ist: Außereuropäische<br />

Investoren haben einen relativ großen Einfluss, weil es<br />

Europa nicht geschafft hat, eigene Großinvestoren aufzubauen.<br />

Versicherungen zum Beispiel dürfen nur noch sehr begrenzt<br />

Aktien halten. Ich halte das für einen Fehler. Das schadet<br />

auch Europas Unternehmen und Banken.<br />

Es gibt schon lange die Furcht, dass die Deutsche Bank irgendwann in<br />

die Fänge chinesischer Großinvestoren gerät. Wie groß ist diese<br />

Gefahr heute?<br />

Achleitner: Banken sind systemrelevant und daher stark reguliert.<br />

Deswegen haben Aufsichtsbehörden und Politik im<br />

Zweifel Einfluss darauf, wer in unserer Branche die Kontrolle<br />

übernimmt.<br />

Ihr Vorstandschef Christian Sewing hat stets gesagt, die Bank müsse<br />

erst mal profitabel werden, dann könne man über Zusammenschlüsse<br />

reden. Nähert sich dieser Zeitpunkt?<br />

Achleitner: Wir haben immer betont: Wir möchten so aufgestellt<br />

sein, dass wir Akteur sein können und nicht Getriebener.<br />

Dies hat die Deutsche Bank erreicht. Ob und wann man in<br />

Richtung Fusionen aktiv wird, müssen dann Vorstand und<br />

Aufsichtsrat entscheiden. Dazu müssen auch die Rahmenbedingungen<br />

stimmen.<br />

Wie oft waren Sie in der Vergangenheit kurz davor, übernommen zu<br />

werden? Das Interesse der Schweizer UBS ist gut dokumentiert.<br />

Achleitner: Da will ich die Spekulationen nicht anheizen.<br />

Klar ist: Im Jahr <strong>20</strong>16, als das US-Justizministerium von der<br />

Deutschen Bank in einem ersten Schritt 14 Milliarden Dollar<br />

an Zahlungen forderte, waren wir sehr getroffen. So etwas<br />

würde jedes Unternehmen belasten. Gerade bei einer Bank<br />

aber wirkt sich das sofort aufs Rating und die Finanzierungskosten<br />

aus. Entsprechend stark hat das die Deutsche Bank erschüttert.<br />

Der Existenzkampf war Ihnen damals förmlich anzusehen, wie knapp<br />

stand es da um die Bank?<br />

Achleitner: Ich will das nicht dramatisieren, aber ja, das war<br />

eine Situation, die an die Substanz gegangen ist. Entscheidend<br />

ist: Wir haben diese schwierige Situation bewältigt.<br />

Aber die Not war so groß, dass Sie sich der Rückendeckung im Kanzleramt<br />

versichert haben?<br />

Achleitner: Letztlich haben wir die Probleme aus eigener<br />

Kraft gelöst und heute steht die Deutsche Bank ganz anders da.<br />

Ein deutliches Indiz dafür: Wenn wir in der jetzigen Situation<br />

mit Regierung und Politik sprechen, dann drehen sich die Gespräche<br />

nicht darum, wie es der Bank geht. Dann geht es um<br />

unseren Rat und darum, wie wir die wirtschaftlichen Folgen<br />

der aktuellen Lage einschätzen oder wie man Sanktionen erfolgreich<br />

umsetzen kann. Das zeigt: Um die Deutsche Bank<br />

muss sich heute keiner Sorgen machen. Das konnte man vor<br />

einigen Jahren nicht immer behaupten.<br />

Wie viele Milliarden hat die Gier der Investmentbanker mit ihren<br />

kriminellen Ausfwüchsen den Konzern am Ende gekostet, haben Sie<br />

die Zahl im Kopf?<br />

Achleitner: Natürlich gab es Auswüchse und sie sind die Bank<br />

auch teuer zu stehen gekommen. Ich wehre mich aber dagegen,<br />

deshalb das Investmentbanking pauschal zu verteufeln.<br />

Ohne ein erstklassiges Kapitalmarktgeschäft wären wir keine<br />

relevante Bank für viele unserer Kunden – insbesondere nicht<br />

für mittlere und größere Unternehmen.<br />

Trotzdem hat die Deutsche Bank unter Sewing das Investmentbanking<br />

zusammengestrichen. Schmerzt Sie das, da Sie selbst einst Investmentbanker<br />

waren?<br />

Achleitner: Überhaupt nicht, die Strategie ist genau richtig.<br />

Heute konzentriert sich die Deutsche Bank auf den Teil des Investmentbankings,<br />

in dem wir echten Mehrwert für unsere<br />

Kunden schaffen und nicht irgendein beliebiger Wettbewerber<br />

sind.<br />

Die Deutsche Bank hat lange gebraucht, um zu dieser Erkenntnis zu<br />

gelangen.<br />

Achleitner: Was man leicht übersieht: Die Restrukturierung<br />

eines Hauses von der Größe der Deutschen Bank braucht Zeit.<br />

In den zehn Jahren, in denen ich Aufsichtsratschef war, haben<br />

wir die Bilanz der Deutschen Bank um fast eine Billion Euro<br />

verkleinert und damit die Risiken enorm reduziert. Das machen<br />

Sie nicht von einem Tag auf den anderen.<br />

Zwischendurch haben Sie zweimal die Chefs ausgewechselt. Was kann<br />

Christian Sewing, woran seine Vorgänger gescheitert sind?<br />

Achleitner: Ich unterteile den Umbau der Deutschen Bank in<br />

drei Phasen. Als Erstes kam die Reformphase. Damals hat man<br />

noch gedacht: Wir sind erfolgreich, wir sind gut durch die Finanzkrise<br />

gekommen – es bedarf lediglich ein paar Reformen,<br />

aber das fundamentale Geschäftsmodell ist in Ordnung. Das<br />

hat nicht nur der Vorstand so gesehen, auch die Investoren haben<br />

dem Kurs vertraut, sonst hätten sie nicht <strong>20</strong>14 bei der<br />

größten Kapitalerhöhung in der Geschichte der Deutschen<br />

Bank mitgezogen. Auch im Aufsichtsrat haben wir dann aber<br />

feststellen müssen: Ganz so einfach ist es nicht – das Geschäftsmodell<br />

hat ein Problem, weil die Basis der Bank weniger stark<br />

war als gedacht und weil sich das Umfeld nach der Finanz krise<br />

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