Jahresbericht 1994 - Senckenberg Deutsches Entomologisches ...
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Unter dem Gewicht und der Fülle der Tagesaufgaben ist es kaum ins Bewußtsein gedrungen,<br />
daß das Deutsche Entomologische Institut (DEI) <strong>1994</strong> das 30. Jahr seines Bestehens am<br />
Standort Eberswalde vollendete. Zum Anlaß hat es keine Feiern gegeben; der Status einer<br />
Projektgruppe - der gegenwärtigen „Form“ des DEI - scheint dafür wenig geeignet. K. ROHLFIEN<br />
hat sich deshalb dieses Aspektes in einem „Leitartikel“ besonders angenommen. Ich selbst<br />
habe dieses Institut - obwohl ich ihm während fast all dieser Jahre verbunden war - aus der<br />
Nähe ganz neu erlebt. Man kann ihm offenbar nur gerecht werden, wenn man versucht, es aus<br />
der Interferenz der äußeren, eher kurzlebigen Bedingungen mit dem historisch gewachsenen<br />
Selbstverständnis des Hauses, dem über ein Jahrhundert durchgängig beständigen Element,<br />
zu begreifen.<br />
Daß das DEI über eine solche institutionelle Philosophie verfügt, die man nicht vernachlässigen<br />
darf, ohne einen ernsthaften Fehler zu machen, gehörte zu meinen ersten wesentlichen Erfahrungen<br />
im Amt des Leiters. Hier waltet spürbar ein Genius loci. Mit dem DEI verhält es sich<br />
anders als bei manchen der „modernen” Forschungsinstitute, die man bei Bedarf gründen und<br />
dann auch wieder schließen kann, ohne daß ein Verlust bleibt. Ich empfand mich vielmehr<br />
unmittelbar in das Kontinuum einer ebenso altehrwürdigen wie lebendigen Wissenschaft gestellt,<br />
die sich, ohne ihren grundsätzlichen Sinn zu ändern, von der einstigen scientia amabilis<br />
zu einem Kernstück der Umweltwissenschaften gewandelt hat.<br />
Im Berichtsjahr waren, im Gefolge dieses anhaltenden Wandels, vor allem Entscheidungen für<br />
Neues vorzubereiten. Die Veränderungen dürften kaum weniger Anlaß zur Sorge geben, als<br />
1963/64 der recht willkürliche und bestimmt höchst unpopuläre Beschluß, mit dem DEI nach<br />
Eberswalde zu ziehen. Zumal nach 1970 war das weltläufige Institut bis zur fast unkenntlichen<br />
„Abteilung“ degradiert und in einer übermächtigen Forschungsorganisation nachgerade versteckt<br />
worden. Kaum aber entfiel der äußere Zwang, da fügten sich seine dissoziierten Bestandteile<br />
in der historischen Zweckbestimmung erneut zusammen. Diese bewahrte Fähigkeit<br />
zur Selbstorganisation ist der am meisten ermutigende Umstand unserer gegenwärtigen<br />
schwierigen Erneuerungssituation. Auch wenn die Historie im DEI ein stets gegenwärtiger Gedanke<br />
ist, so ging es schon den Neugründern 1990 nicht darum, einen Urzustand zu restaurieren.<br />
Vielmehr war die Gründung mit sehr tiefgehenden Überlegungen verbunden, welcher Sinn<br />
der Entomologie am DEI nach Leistungsvermögen und Zeitgeist gegeben werden muß und<br />
kann. All dieses war bei meinem Eintritt vorgedacht und vorbereitet.<br />
Wir sind noch mitten in diesem Bestimmungsprozeß, obwohl inzwischen - nach dem Besuch<br />
einer Arbeitsgruppe des Wissenschaftsrates im Februar 1995 - die Vorentscheidungen gefallen<br />
sein dürften. Mit den Materialien zur Evaluierung kam zum Jahresende eine gute Bilanz zusammen,<br />
die uns für diese unbequeme Prozedur rüstete, wie sie auch als Teil der nun<br />
108jährigen Geschichte des Hauses erscheint. Eines der wesentlichsten Ergebnisse dieses<br />
Jahres dürfte die Rückbesinnung auf Studien am lebenden Insekt sein, wie sie ähnlich WALTER<br />
HORN in der schwierigen Phase der Umstrukturierung des Museums zum Forschungsinstitut<br />
vollzogen haben muß. Heute, wo Kenntnisse zur Rolle der Insekten als Produzenten, Konsumenten<br />
und Regulatoren im ökologischen Beziehungsgefüge zur Tagesfrage geworden sind,<br />
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