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Einfžhrung i n die Astrophysik Teil 1

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H. Heintzmann<br />

Institut für theoretische Physik<br />

Universität zu Köln<br />

( 12. September 2003)


Vorwort<br />

Das Ende eines Jahrhunderts, welches gleichzeitig mit dem Ende eines Jahrtausends zusammenfällt,<br />

ist ✬eine<br />

gute Gelegenheit, einen✩ Blick zurück zu werfen auf das erreichte und gleichzeitig einen Blick<br />

in <strong>die</strong> Zukunft auf das nun mögliche zu riskieren. Die <strong>Astrophysik</strong> und<br />

Der Krieg ist der Vater aller Dinge,<br />

hier ganz besonders <strong>die</strong> Kosmologie sind hiefür hervorragend geeig-<br />

<strong>die</strong> Mutter ist <strong>die</strong> Wissenschaft und<br />

<strong>die</strong> Kinder sind Bomben net: nirgendwo ist der Fortschritt gewaltiger (im wahrsten Sinne des<br />

oder bombige Entdeckungen. Wortes) als hier. Vergleichbar, was <strong>die</strong> Expansion der Vorstellung über<br />

Heraklit plus Eigenzitat <strong>die</strong> Natur betrifft, ist allenfalls das 17te Jahrhundert (mit Descartes,<br />

✫<br />

✪Huygens,<br />

Newton und Leipniz) und der Beginn des 20ten Jahrhunderts<br />

(mit Einstein, Heisenberg, Schrödinger und Dirac). Ähnlich wie damals ist das außerordentlich<br />

große Interesse der Öffentlichkeit an den Entdeckungen.<br />

• BEISPIEL (INTERESSE DER ÖFFENTLICHKEIT)<br />

Folgende Szene stammt aus einem (absurden) polnischen Film. Die Redaktion eines Pop (Musik) Senders hat sich vorgenommen<br />

ihren Hörern zu erläutern, daß alles mit allem zusammenhängt.<br />

Ein Reporter berichtet, er habe soeben erfahren (breaking news), daß das Universum sich ausdehnt. Sein Umfang nimmt<br />

unaufhörlich zu.<br />

Eine Reporterin pflichtet ihm bei, alles hängt mit allem zusammen: auch <strong>die</strong> Armut auf der Welt breitet sich aus. Die Zahl<br />

der Armen nimmt ebenfalls unaufhörlich zu.<br />

Nach einer Weile ruft ein Hörer an: Das mit der Ausdehnung des Universums hat ihm gut gefallen. Seine Freundin dehnt<br />

sich auch unaufhörlich aus. Er hat Angst, daß sie platzt. Kann das Universum platzen? (Es kann).<br />

War damals <strong>die</strong> Theorie führend, so stehen nunmehr <strong>die</strong> Beobachtung und <strong>die</strong> Probleme der damit<br />

verbundene Datenverarbeitung im Zentrum der Forschung.<br />

Im Vordergrund <strong>die</strong>ser Darstellung sollen nun nicht <strong>die</strong> Menge der neuen Entdeckungen stehen (<strong>die</strong>s<br />

ist also kein Guiness Buch der Rekorde, obwohl Rekorde als solche aufgeführt werden, wenn daraus<br />

etwas zu lernen ist), sondern ihr Beitrag zu einer Vereinheitlichung der Physik.<br />

Theorie als ordnendes Prinzip, Experiment als verifizierendes Korrektiv und alles, was sich dem<br />

✤nicht<br />

unterordnet in den Orkus: ✜<strong>die</strong>se<br />

Maxime sind zwar letztendlich Früchte der Aufklärung,<br />

gegen sie wurde (und wird) jedoch immer wieder verstossen. Überlichtgeschwindi<br />

Experiment ohne Theorie ist<br />

(Tachyonen oder Tunneleffekt), und ermüdendes Licht (bei der Rot-<br />

Zoologie, Theorie ohne Experiment<br />

ist Philosophie.<br />

verschiebung von Quasaren), Gravitationswellen von Pulsaren und<br />

W. Pauli von Supernovae (nachgewiesen im Labor wohlgemerkt!), sogar ein<br />

✣<br />

✢magnetischer<br />

Monopol, <strong>die</strong> Liste jüngster Sünden ließe sich beliebig<br />

fortsetzen. Und das nicht nur im Kosmos, wie Polywasser, wie <strong>die</strong> fünfte Kraft (entdeckt u. a. im<br />

Weinkeller vom Baron Eötvös) und wie <strong>die</strong> kalte Fusion gezeigt haben.<br />

In der <strong>Astrophysik</strong> kommt noch als Erschwerung hinzu, daß Experimente normalerweise durch Beobachtungen<br />

(Astronomie) ersetzt werden müßen. Da aber (im Gegensatz zum Experimentator) der<br />

Beobachter <strong>die</strong> Anfangsbedingungen nicht unter Kontrolle hat, kann es lange dauern (oft viele Generationen)<br />

bis genügend Daten gesammelt sind, um zu verläßlichen Aussagen zu gelangen.<br />

So hat etwa Halley das Erscheinen seines korrekt vorhergesagten Kometen nicht mehr erlebt. Die in<br />

sich konsistente Beschreibung der Bewegung der Planeten im Sonnensystem hat <strong>die</strong> Astronomen und<br />

<strong>Astrophysik</strong>er bis heute beschäftigt (und nebenbei <strong>die</strong> klassische Mathematik hervorgebracht).<br />

3


Für den Astronomen ist es allerdings dann oft noch der Normalfall, daß er Dinge beobachtet, <strong>die</strong> zum<br />

Zeitpunkt der Erstbeobachtung noch nicht verstanden sind.<br />

• ZUSATZ (KLASSISCH UNLÖSBARE FÄLLE)<br />

Bekannte Fälle, wo <strong>die</strong> Erklärung nicht möglich war, da <strong>die</strong> notwendige Physik noch nicht existierte, sind <strong>die</strong> folgenden<br />

astronomischen Objekte:<br />

1. Sterne<br />

Kernfusion anstatt Kelvi-Helmholtz Schrumpfen,<br />

2. Weiße Zwerge<br />

Paulischer Entartungsdruck der Elektronen anstatt klassischer – Eddingtonscher – Thermodynamik,<br />

3. Neutronensterne<br />

Paulischer Entartungsdruck der Neutronen.<br />

Ein auch nach mehr als 30jähriger Beobachtung aktuelles Beispiel aus der Kosmologie sind <strong>die</strong> Quasare.<br />

Dieses Acronym (von H.Y. Chiu) steht für quasi stellar radio source und bezeichnet ein sternartiges<br />

Objekt, d. h. eine Quelle, <strong>die</strong> zur Zeit ihrer Entdeckung auch mit dem damals besten Teleskop nicht<br />

aufgelöst werden konnte.<br />

• ZUSATZ (PARADIGMA QUASARE: EMPIRIE UND THEORIE)<br />

Zwei wichtige Fragen sind mittlerweile geklärt: <strong>die</strong> der Identität und <strong>die</strong> der Entfernung.<br />

1. Identität<br />

Es ist gelungen, <strong>die</strong> Aussenbereiche bei einigen starken Quellen in Sterne aufzulösen. Es handelt sich bei Quasaren<br />

demnach um <strong>die</strong> leuchtstarken Kerne von Galaxien.<br />

2. Entfernung<br />

Es ist klar geworden, daß Quasare wirklich so weit weg sind, wie immer angenommen wurde und wie ihre Rotverschiebung<br />

erwarten läßt. Einige von ihnen sind nämlich Quelle einer Gravitationslinse (in bekannter Entfernung),<br />

d. h. sie liegen hinter der Linse und erscheinen mehrfach bei gleicher Rotverschiebung.<br />

Was nicht klar ist, ob <strong>die</strong> heutige Physik bereits ausreicht, <strong>die</strong> Quasare zu erklären. Die Strahlung ist nichtthermisch und hat<br />

ihr Maximum im Gamma Bereich, <strong>die</strong> Energie ɛ = hν der Photonen beträgt einige MeV. Das Standardmodell nimmt an,<br />

daß es sich bei einem Quasar um ein akkretierendes, massives Schwarzes Loch handelt. Was akkretiert wird, Sterne oder<br />

Gas, ist nicht klar.<br />

Mit der kosmologischen Entfernung ergibt sich zunächst folgendes Energie Problem. Ein Stern wie <strong>die</strong> Sonne hat in etwa<br />

3 Kiloparsec (10 22 cm) Entfernung <strong>die</strong> gleiche scheinbare Leuchtkraft wie ein typischer Quasar in einer Entfernung von<br />

etwa 3 Giga Parsec (10 28 cm), nämlich mV = 18. Das liefert für <strong>die</strong> wahren (optischen) Leuchtkräfte LQuasar = 10 12 L⊙.<br />

Zum Vergleich: <strong>die</strong> Milchstraße und <strong>die</strong> Andromeda Galaxie (M31) haben eine wahre Leuchtkraft von etwa<br />

L∗ = 2.5 · 10 10 L⊙ = 10 44<br />

erg s −1<br />

und <strong>die</strong> leuchstärksten Ereignisse, <strong>die</strong> wir aus unserer Nachbarschaft aus Beobachtung kennen, sind Supernova Explosionen,<br />

mit etwa LSupernova = 10 9 L⊙ (im Maximum von L). Der Quasar 3C 273 hat <strong>die</strong> (bolometrische) Gesamt-Leuchtkraft<br />

L ≈ 10 3 L∗ und <strong>die</strong> stärksten Quellen erreichen ein dex mehr, L ≈ 10 4 L∗.<br />

Darüber hinaus ist von einigen Quasaren beobachtet (<strong>die</strong> extremsten Fälle von dem Quasar 3C 279 finden sich auf historischen<br />

Aufnahmen aus den Jahren 1937 und 1943 des Harvard College Observatory), daß sie ihre Leuchtkraft kurzzeitig<br />

(innerhalb von Monaten) um einen Faktor bis zu 25 erhöhen können (und damit fast LQuasar = 10 14 L⊙ erreichen).<br />

Zwischen dem Minimum der Leuchtkraft von Lmin = 40 · L∗ und dem Maximum von Lmax = 1 · 10 4 L∗ beim Quasar 3C<br />

279 liegen nur zwei Jahre. Demnach müßten in zwei Jahren etwa eintausend Supernovae explo<strong>die</strong>rt sein, um <strong>die</strong> Leuchtkraftänderung<br />

zu erklären. Um das Zeitintervall einzuhalten, müßen <strong>die</strong>se in einem Radius (vom Zentrum) von weniger als<br />

1 pc stattfinden.<br />

Neben <strong>die</strong>sem Problem, welches auf einer reinen Energiebetrachtung beruht, ist in neuerer Zeit eine zweite Schwierigkeit<br />

aufgetaucht. Aus spektroskopischen Beobachtungen folgt, daß auch bei den ältesten Quasaren (also denen mit der größten<br />

Rotverschiebung z) bereits alle schweren Elemente (mit Sonnenhäufigkeit) bis zu Fe und sogar Moleküle vorhanden sind.<br />

Da Fe nur in Supernovae erzeugt werden kann, muß <strong>die</strong> eigentliche Phase der Supernovae bereits vorbei sein. Tatsächlich<br />

stimmt das Spektrum der Supernovae mit denen der Quasare nicht überein, das Maximum der Leuchtkraft liegt bei Quasaren<br />

im MeV Bereich, bei den Supernovae im optischen und bei ihren Überresten im Röntgen Bereich.<br />

Damit sind <strong>die</strong> rein astronomischen Beobachtungsmöglichkeiten ausgeschöpft. Jetzt hilft empirisch nur noch <strong>die</strong> Statistik<br />

weiter. Ein Katalog mit allen beobachtbaren Eigenschaften wird anlegt. Mittlerweile sind es mehr als zehn Tausend Objekte<br />

4


(0.2 Quasare pro Quadratgrad), aber der Rosetta Stein, der alles erklären könnte, ist nicht dabei. Die Verteilung scheint sehr<br />

isotrop zu sein, Doppelquasare sind selten (falls es sie überhaupt gibt).<br />

Die räumliche Dichte beträgt (bei besonders sorgfältiger, d. h. bei sehr zeitaufwendiger Analyse) etwa ein Quasar pro (100<br />

Mpc) 3 im Intervall z = 1.8 . . . 3.4. Insgesamt sind das etwa 1 · 10 5 Quasare im beobachtbaren Universum, vergleichbar<br />

mit der Anzahl der Galaxienhaufen. Daraus kann ein wichtiger Schluß gezogen werden. Da wir (d. h. <strong>die</strong> Milchstraße)<br />

selbst zu einem Galaxienhaufen gehören (dem Virgohaufen) und da sich dort keine Quasare befinden, müßen <strong>die</strong>se eine<br />

Lebensdauer haben, <strong>die</strong> deutlich unterhalb dem Alter des Universums liegt. Der nächste Quasar (mit z = 0.05) liegt<br />

außerhalb des Virgosuperhaufens und ist etwa 8 · 10 8 Lichtjahre entfernt.<br />

Damit kommt ein neuer Aspekt ins Spiel, <strong>die</strong> zeitliche Entwicklung von astronomischen Objekten. Quasare scheinen sich<br />

bei z = 2 zu häufen, d. h. sie wurden zu <strong>die</strong>ser Zeit geboren. Einer Rotverschiebung von z = 2 entspricht ein Alter des<br />

Universums von etwa 1/3 des heutigen Alters für ein nahezu leeres und von etwa 1/5 für einen Kosmos mit kritischer<br />

Dichte. Wir blicken also in den Frühzustand der Strukturbildung des Universums (Kosmogonie) zurück. Die Quasare in<br />

unserer kosmologisch nahen Umgebung sind demnach längst ausgegangen. Was ist aus ihnen geworden?<br />

Zeitlich parallel zu den Beobachtungen geschieht folgendes. Ein Modell wird entwickelt, welches <strong>die</strong> wichtigsten Beobachtungsdaten<br />

erklärt. Das heute am meisten diskutierte Modell für Quasare hat ein Schwarzes Loch als Zentralmaschine,<br />

welches aus der Akkretion von Sternen oder Gas gespeist wird.<br />

Im günstigsten Fall führt ein solches Modell zu einer neuen Theorie. Neu heißt hier, daß in ihr (beobachtbare) Elemente<br />

enthalten sind, <strong>die</strong> noch nicht bekannt waren. Das ist das Beeindruckendste und Schönste, was eine Theorie überhaupt<br />

zu leisten vermag: <strong>die</strong> korrekte Vorhersage eines bisher völlig unbekannten physikalischen Phänomens, welches durch<br />

Beobachtung anschließend bestätigt wird.<br />

Einige berühmte Beispiele der jüngeren Vergangenheit sind (aus der Laborphysik) <strong>die</strong> neutralen Ströme<br />

(der Weinberg-Salam Theorie) oder das top Quark und (aus der ART) <strong>die</strong> Lichtablenkung im Schwerefeld<br />

(1918), <strong>die</strong> (trotz der Gamowschen Theorie noch zufällige) Entdeckung der kosmischen Hintergrundstrahlung<br />

(1965, endgültig 1992) und der Neutronensterne (Vorhersage von Landau bzw. Baade<br />

und Zwicky) in Form von Pulsaren (1967). Ein interessanter Sonderfall ist <strong>die</strong> Perihelverschiebung der<br />

Merkurbahn: hier wurde lange vergeblich nach einem 10ten Planeten (Vulkan) gesucht, <strong>die</strong> Erklärung<br />

der Bahnstörung von Merkur folgt aus der ART. Diese wurde aber nicht deshalb entwickelt.<br />

Umgekehrt kann ein Labor Experiment eine völlig neue Theorie erzwingen. Ein berühmtes Beispiel ist<br />

hier <strong>die</strong> Aufspaltung der Natrium D Linie. Erst <strong>die</strong> Entdeckung des halbzahligen Spins des Elektrons<br />

lieferte <strong>die</strong> Erklärung dafür. Einige bekannte Beispiele seien hier (ohne Bewertung der Rangfolge)<br />

aufgeführt: <strong>die</strong> Paritätsverletzung und <strong>die</strong> CP-Verletzung. Ferner Supraleitung und Superfluidität. Alle<br />

<strong>die</strong>se Erkenntnisse finden ihren Niederschlag in der <strong>Astrophysik</strong>.<br />

Je nach Stand der Forschung kann dabei <strong>die</strong> Theorie führend sein (wie z. B. <strong>die</strong> Quantenmechanik bis<br />

zur Entdeckung der Superfluidität und Supraleitung oder wie <strong>die</strong> ART bis heute) oder das Experiment<br />

bzw. <strong>die</strong> Beobachtung, was in der <strong>Astrophysik</strong> praktisch <strong>die</strong> Norm ist. Zu allen Zeiten haben Astronomen<br />

Objekte beobachtet, <strong>die</strong> sie nicht verstehen konnten, weil <strong>die</strong> Theorie dazu noch fehlte. Neueste<br />

Beispiele in der <strong>Astrophysik</strong> sind <strong>die</strong> Gammaburst Quellen und einige extreme Supernovae, manchmal<br />

als Hypernovae bezeichnet und in der Kosmologie Dunkelmaterie und Vakuumenergie.<br />

• ANMERKUNG<br />

Allgemeine Regeln zum Auffinden neuer Theorien oder neuer Objekte gibt es nicht. Die Geschichte lehrt, was nützlich sein<br />

kann:<br />

Baden:<br />

Archimedes entdeckte den Auftrieb beim Baden. Sein Modell vom Kosmos war eine Scheibe, <strong>die</strong> auf dem Wasser<br />

schwimmt. Damit das Wasser nicht wegfließt, postulierte er einen Rand.<br />

Kirchbesuch:<br />

Galilei fand <strong>die</strong> Pendelgesetze beim Betrachten des schwingenden Kirchleuchters.<br />

Gartenbesuch:<br />

Newton fand <strong>die</strong> Gravitationsgesetze durch einen fallenden Apfel im Garten seiner Tante.<br />

Spaziergang (insbesondere über Brücken)<br />

Euler entdeckte dabei das Königsberger Brückenproblem.<br />

5


Mariotte kam auf dem Pont Neuf in Paris auf <strong>die</strong> Idee, <strong>die</strong> Niederschlagsmenge an Regen mit der Durchflussmenge<br />

der Seine zu vergleichen.<br />

Hamilton fand seine Quaternionen an der Brougham Bridge in Dublin.<br />

Reisen:<br />

Kekulé kam auf <strong>die</strong> Struktur von Benzol beim betrachten des Verkehrs am Picadilly Circus.<br />

Neugierde:<br />

Einstein wollte bereits als Kind wissen, wie es ist, wenn man Licht überholt. Er fand, daß <strong>die</strong>s nicht möglich ist.<br />

Fahrstuhlfahren:<br />

Einstein erläuterte <strong>die</strong> Äquivalenz von Raumkrümmung und Beschleunigung anhand eines Fahrstuhls.<br />

Das kosmologische Modell des Archimedes wurde merkwürdigerweise nicht überprüft, obwohl das<br />

leicht möglich gewesen wäre. Die Geometrie auf einer Scheibe ist Euklidisch, <strong>die</strong> Winkelsumme im<br />

Dreieck auf der Erde wurde erst von Gauß bestimmt.<br />

Galileis Pendelgesetze waren für Huygens <strong>die</strong> Grundlage zum Bau einer Uhr, <strong>die</strong> (über 1/2 Jahr hinweg)<br />

genau genug ging, daß Ole Römer damit <strong>die</strong> Lichtgeschwindigkeit messen konnte.<br />

6


Einleitung<br />

Ein Hase sitzt auf einer Wiese<br />

des Glaubens, niemand sähe<br />

<strong>die</strong>se.<br />

Doch im Besitze eines Zeißes,<br />

betrachtet voll gehaltnen Fleißes<br />

vom vis-à-vis gelegnen Berg<br />

ein Mensch den kleinen<br />

Löffelzwerg.<br />

Ihn aber blickt hinwiederum<br />

ein Gott von fern an, mild und<br />

stumm. Ch. Morgenstern<br />

Die Entdeckung mikroskopischer und makroskopischer Hierarchien und <strong>die</strong> Bestimmung der wahren<br />

Größendimensionen unseres Universums sind das herausragende Ergebnis der Physik und Astronomie<br />

des 20ten Jahrhunderts. Das Fundament wurde zu Beginn des Jahrhunderts gelegt. Die Welt besteht<br />

aus Atomen, welche mit der Quantenmechanik beschrieben werden. Der Kosmos fliegt seit dem Urknall<br />

auseinander, was durch <strong>die</strong> Allgemeine Relativitätstheorie beschrieben werden kann. Die Fülle<br />

wesentlicher Entdeckungen und ihre Bedeutung für das Gesamtbild von unserem Universum ist dabei<br />

so groß, daß eine Auswahl und eine Beschränkung auf das wesentliche notwendig sind.<br />

In <strong>die</strong>sem <strong>Teil</strong> 1 der Darstellung behandeln wir <strong>die</strong> Grundlagen der <strong>Astrophysik</strong>, ohne <strong>die</strong> ein Verständnis<br />

unsers Kosmos nicht möglich ist: <strong>die</strong> Astronomie, welche Aussagen über Inhalt und Aufbau liefert und<br />

<strong>die</strong> Physik, <strong>die</strong> es erlaubt, Alter und Temperatur zu bestimmen. Dabei betrachten wir im Überblick<br />

nacheinander <strong>die</strong> vier Grundeinheiten:<br />

Zentimeter, Gramm, Sekunde und Grad Kelvin.<br />

Das Grad Kelvin (Temperatur) wandeln wir explizit mit der Boltzmann Konstanten k B in eine Energie<br />

um.<br />

• ZUSATZ (DIE GRUNDGEBIETE DER ASTROPHYSIK)<br />

Mit der <strong>Astrophysik</strong> sind <strong>die</strong> folgenden Grundgebiete verknüpft:<br />

1. <strong>die</strong> Euklidische (bzw. Riemannsche Differential) Geometrie. Längenmessung (Einheit: cm),<br />

2. <strong>die</strong> Newtonsche Gravitationstheorie (bzw. <strong>die</strong> Einsteinsche Allgemeine Relativitätstheorie). Massenbestimmung<br />

(Einheit: g),<br />

3. <strong>die</strong> Kernphysik. Gamowscher Tunneleffekt, Sternentwicklung. Altersbestimmung. (Einheit: s),<br />

4. <strong>die</strong> Elektro- und Thermodynaik. Temperaturbestimmung (Einheit: Kelvin).<br />

Die benutzten Einheiten (Gauß) sind natürlich (nämlich dem Vorstellungsvermögen des Menschen<br />

angepasst), aber nicht fundamental. Fundamental und invariant sind dagegen:<br />

<strong>die</strong> Lichtgeschwindigkeit c, das Plancksche Wirkungsquantum h, <strong>die</strong> elektrische Ladung<br />

e und <strong>die</strong> Gravitationskonstante G.<br />

7


<strong>Teil</strong> 2 der Darstellung behandelt <strong>die</strong> Physik der klassischen <strong>Astrophysik</strong>, auf der unsere Erkenntnis<br />

vom Kosmos und seinen <strong>Teil</strong>en beruht.<br />

<strong>Teil</strong> 3 der Darstellung behandelt <strong>die</strong> Mathematik und Physik der relativistischen <strong>Astrophysik</strong>, also <strong>die</strong><br />

Allgemeine Relativitätstheorie und <strong>die</strong> Kosmologie.<br />

Erkenntnis ist das höchste Ziel der Wissenschaft. Grundlage der Erkenntnis ist das Wissen.<br />

Allerdings gilt, daß nicht alles, was Wissen schafft, deshalb auch Wissenschaft ist.<br />

Forschung nützt oft nur dem Fortkommen der Wissenschaftler, statt dem Fortschritt der<br />

Wissenschaft. Ein wichtiger Gesichtspunkt ist deshalb <strong>die</strong> adäquate Auswahl, um Wesentliches<br />

vom Unwesentlichen zu trennen: in <strong>die</strong>sem Sinne kann Ignoranz oder Ignorieren<br />

sogar von Nutzen sein.<br />

Dies gilt ganz besonders für <strong>die</strong> älteste Disziplin der Naturwissenschaften, <strong>die</strong> Astronomie. Hier ist im<br />

Laufe der Jahrhunderte eine kaum überschaubare Sammlung von Fakten und Beobachtungen zusammengetragen<br />

worden. Heute wächst <strong>die</strong> Datenflut derart, daß ihre Archivierung — ganz zu schweigen<br />

von einer adäquaten Auswertung — größte Schwierigkeiten macht.<br />

Bei der Auswahl des Materials haben wir uns von dem Prinzip leiten lassen, daß nicht <strong>die</strong> Fakten,<br />

sondern ihr Verständnis im Vordergrund stehen soll und damit <strong>die</strong> Physik, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Grundlage des Verstehens<br />

liefert. Der Stoff ist deshalb i.w. auf <strong>die</strong> klassische <strong>Astrophysik</strong> — <strong>die</strong> Physik der Sterne —<br />

beschränkt. Von den 3 Sta<strong>die</strong>n Geburt, Leben und Tod ist das zweite heute im wesentlichen verstanden,<br />

– auch wenn es hier noch Überraschungen geben kann – <strong>die</strong> beiden anderen sind aktuelle Forschungsschwerpunkte<br />

und deshalb von besonderem Interesse.<br />

Geburt, Leben und Tod von Galaxien oder gar von der gesamten Struktur des Kosmos sind weit weniger<br />

gut verstanden — mit einer wesentlichen Ausnahme: <strong>die</strong> Erzeugung der ersten Elemente. Im<br />

Anschluß an den Urknall wird im Kosmos selbst nach gängiger Anschaung nur Helium erzeugt, Wasserstoff<br />

wird nicht erzeugt sondern bleibt übrig, zunächst in Form von Protonen und Elektronen. Alle<br />

anderen Elemente — <strong>die</strong> sog. schweren Elemente, <strong>die</strong> Astronomen oft einfach als Metalle bezeichnen<br />

— werden im Innern von Sternen gekocht und dann an den interstellaren Raum zurückgegeben. Falls<br />

Galaxien nicht alle zum gleichen Zeitpunkt entstanden sind, sollte ihre chemische Zusammensetzung<br />

deshalb ein Indikator für ihr Alter sein.<br />

Grundlage unserer Kenntnis vom Universum sind Messungen und Beobachtungen, im einfachsten Fall<br />

betreffen sie Längen und Winkel (Entfernungen), Gewichte (Massen von Sternen) und Zeiten (Alter<br />

von Sternen). Zu <strong>die</strong>sen drei physikalischen Grundgrößen Länge, Masse und Zeit kommt noch <strong>die</strong><br />

Temperatur, welche wir als eigenständige Einheit betrachten. In einem ersten Überblick werden wir<br />

<strong>die</strong> Bestimmung <strong>die</strong>ser Größen an astronomischen Objekten behandeln. Wir werden dabei, falls nicht<br />

ausdrücklich anders vermerkt, das c-g-s-System von Gauß benutzen, zusammen mit dem Grad Kelvin<br />

als Temperatur-Einheit (c g s K). Die Schreibweise N57 bedeutet, daß N in (c-g-s) Einheiten von 10 57<br />

zu nehmen ist und T2 ist dasselbe wie 100 ◦ K.<br />

Diese Masseinheiten sind natürlich (nämlich den Bedürfnissen der Menschen auf der Erde) angepasst,<br />

aber nicht fundamental.<br />

Fundamental sind, wie bereits erwähnt, <strong>die</strong> Lichtgeschindigkeit c, das Plancksche Wirkungsquantum<br />

h und <strong>die</strong> Gravitationskonstante G bzw. <strong>die</strong> elektrische Ladung e. Aus <strong>die</strong>sen physikalischen Fundamentalkonstanten<br />

läßt sich keine brauchbare Längeneinheit konstruieren und so hat jeder Zweig der<br />

Physik seine eigenen ’natürlichen’ Einheiten.<br />

1. Entfernung<br />

Die natürliche Entfernungseinheit im Sonnensystem ist <strong>die</strong> astronomische Einheit, AE, (Erde -<br />

Sonne), in unserer Milchstrasse das Parsec (oder, alternativ, das Lichtjahr). Durch moderne Radarmessungen<br />

(aktiv und passiv) ist unser Sonnensystem bis auf Meter genau vermessen. Wie<br />

8


wir sehen werden, sind Entfernungsbestimmungen kosmischer Objekte in unserer Galaxis und<br />

darüber hinaus außerordentlich schwierig. Ihre Genauigkeit nimmt mit der Anzahl der Zwischenschritte<br />

etwa exponentiell ab und so kann man heute nicht sagen, wie groß das beobachtbare<br />

Universum ist, auch wenn optimistische Abschätzungen hier ’nur’ noch um einen Faktor 7/5 =<br />

1.4 voneinander abweichen.<br />

2. Masse<br />

Die Bestimmung der Massen kosmischer Objekte geht mithilfe des Virialsatzes (erstmals für<br />

Galaxien 1933 von Zwicky am Virgo-Galaxienhaufen durchgeführt)<br />

2Ekin + Epot = 0 oder v 2 = GM<br />

R<br />

und ist meist noch ungenauer, da sie <strong>die</strong> Kenntnis der Entfernungen voraussetzt. Die Allgemeine<br />

Relativitätstheorie liefert zwei bemerkenswerte Ausnahmen, welche ihre Genauigkeit nichtlinearen<br />

Termen der Theorie verdanken. Es sind <strong>die</strong>s einerseits Doppelsterne und von <strong>die</strong>sen wieder<br />

einige Binärpulsare, <strong>die</strong> mithilfe der Keplerschen Gesetze bzw. deren allgemein relativistischer<br />

Version direkt gewogen werden können. Die relative und absolute Genauigkeit beträgt hier wenige<br />

Promille und wächst mit der Zeitspanne der Beobachtung.<br />

Andrerseits kann <strong>die</strong> Masse und evtl. <strong>die</strong> Entfernung (über <strong>die</strong> Laufzeitverzögerung von Explosionsereignissen)<br />

von Gravitationslinsen geometrisch bestimmt werden.<br />

Die Masse des beobachtbaren Universums ist unsicher, wobei <strong>die</strong> Unsicherheit nicht einmal<br />

quantifiziert werden kann (Faktor 10?). Es ist möglich, daß 90% der gravitierenden Materie noch<br />

unentdeckt sind.<br />

3. Alter und Zeit<br />

Ähnlich ungenau ist <strong>die</strong> Altersbestimmung kosmischer Objekte. Das Universum selbst ist seit<br />

Hubbles ursprünglicher Bestimmung um etwa einen Faktor 10 älter geworden. Wie wir sehen<br />

werden, gibt es 4 unabhängige Methoden, das Alter kosmischer Objekte und damit Grenzen für<br />

das Weltalter zu bestimmen. Es ist befriedigend, daß, im Rahmen der Ungenauigkeiten, heute alle<br />

Methoden übereinstimmende Ergebnisse liefern: das Weltalter beträgt etwa 12 bis 15 Milliarden<br />

Jahre, vergleichbar mit den ältesten Sternhaufen unserer Galaxis und älter als das Sonnensystem<br />

(4.5 Milliarden Jahre). Es gibt seitens der Beobachtung keine Objekte, <strong>die</strong> seitens der Theorie z.<br />

B. 50 Milliarden Jahre alt sein sollten. Das ist keineswegs selbstverständlich.<br />

4. Temperatur<br />

Im Gegensatz zu Radius, Masse und Alter des beobachtbaren Universums ist seine Temperatur<br />

sehr genau bestimmt. Das Universum ist im Grossen von einer thermischen Strahlung von<br />

Planckschem Charakter und hoher Isotropie angefüllt. Die Geauigkeit der Realisierung und Bestimmung<br />

(des Planckschen Charakters) übertrifft (dank COBE) <strong>die</strong> besten Labormessungen<br />

und beträgt heute etwa 2.73 ◦ K. Die Temperaturbestimmungen bei Sternen und Wolken sind<br />

wesentlich ungenauer und haben darüber hinaus manchmal nur formalen Charakter: <strong>die</strong> formale<br />

Strahlungstemperatur ist nicht thermisch (und kann T ≈ 10 30 ◦ K bei Pulsaren erreichen) oder<br />

sie ist sogar negativ (Maser und evtl. LASER).<br />

9


Kapitel 1<br />

Geometrie: Entfernungsbestimmung<br />

1.1 Die kosmischen Hierarchien<br />

Wir beginnen mit einem Überblick über <strong>die</strong> Längenhierarchie des Universums in Zehnerpotenzen.<br />

• DEFINITION (DAS GAUSSSCHE MASSSYSTEM)<br />

Anhand des c-g-s-Systems von Gauß, erweitert um K (Grad Kelvin), werden wir im folgenden <strong>die</strong> wichtigsten astronomischen<br />

Objekte und <strong>die</strong> sie charakterisierenden physikalischen Prozesse besprechen. Dabei werden wir normalerweise so<br />

vorgehen, daß zunächst <strong>die</strong> notwendigen Variablen aufgesucht werden, <strong>die</strong> das Problem beschreiben. Aus einer Dimensionsanalyse<br />

folgt dann <strong>die</strong> Form und <strong>die</strong> Größenordnung der Gleichung. Dabei werden alle dimensionsbehafteten Variablen<br />

explizit (d. h. mit ihren korrekten Dimensionen im Gaußschen c-g-s-System) aufgeführt. Die Endformel wird in <strong>die</strong>sen<br />

Variablen formuliert, mit einem dimensionslosen Faktor f ∗ . Bei der schrittweisen Herleitung kann <strong>die</strong>ser noch Indizes<br />

erhalten: f ∗ i .<br />

Die beiden wichtigsten Entdeckungen des 20ten Jahrhunderts waren:<br />

in der Astronomie <strong>die</strong> Erkenntnis (Hubble) der wahren Entfernungen im grossen,<br />

in der Physik <strong>die</strong> der gequantelten im kleinen, d. h. <strong>die</strong> Entdeckung des Atoms (Schrödinger und<br />

Heisenberg) und des Photons (Einstein).<br />

Daraus folgt (mithilfe der Allgemeine Relativitätstheorie) in der Kosmologie, daß das beobachtbare<br />

Universum räumlich und zeitlich endlich ist. Der Anfangszustand ist mit den Mitteln der heutigen<br />

Physik nicht beschreibbar.<br />

Die diskrete Natur der Physik im kleinen äussert sich durch eine Quantelung bestimmter Übergänge<br />

(Energie, Frequenz) in atomaren und subatomaren Systemen. Diese Systeme (Atome und ihre Kerne)<br />

sind im gesamten Universum (modulo Rotverschiebung) identisch. Die kosmologische Rotverschiebung<br />

ändert <strong>die</strong> Wellenlänge nämlich ab in der folgenden Form: λempf = (1 + z)λsend. Daraus folgt,<br />

daß <strong>die</strong> Quotienten universell sind, in Übereinstimmung mit allen Beobachtungen.<br />

Wir beginnen mit unserem Überblick über <strong>die</strong> Längenhierarchie anhand ausgewählter Objekte. Die<br />

wichtigsten (weil heute weitgehend verstandenen) sind im Mikrokosmos Atome und Moleküle, im<br />

Makrokosmos Sterne und (mit Einschränkung) Galaxien. In der Natur haben Objekte, <strong>die</strong> zur gleichen<br />

Klasse gehören, offenbar <strong>die</strong> Tendenz, sich zu neuen Einheiten höherer Ordnung zusammenzuschließen.<br />

Quarks bilden Atomkerne, <strong>die</strong>se (zusammen mit Elektronen) Atome, <strong>die</strong>se wieder Moleküle.<br />

Dann folgt, wenn wir <strong>die</strong> Biologie überspringen, Staub in Dimensionen bis zu Wolken, ferner Planeten<br />

und Sterne. Diese wieder bilden Galaxien und Galaxienhaufen. Ob es subatomare <strong>Teil</strong>chen unterhalb<br />

der Quarks (oder ein universelles Elementarfeld wie das Higgs Feld) gibt, oder ob es Superhaufen<br />

(kosmische Strings) ist zur Zeit eine spannende aber unbeantwortbare Frage.<br />

• DEFINITION (ZUM NACHSCHLAGEN)<br />

An atomaren Grundgrößen benutzen wir für Längen:<br />

1


2 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />

1. Fermi: 1 f = 1 · 10 −13 cm. Beispiel: Kernradius R = 1.4A 1/3 f.<br />

2. ˚Angstrøm: 1 ˚A = 1 · 10 −8 cm. Beispiel: Atomradius von H R = 0.5 ˚A.<br />

3. Mikrometer: 1µ = 1 · 10 −4 cm. Beispiel: gal. Staub, Wellenlänge von IR Licht. (1µ = 10 4 ˚A)<br />

und für Massen (<strong>die</strong> de Broglie Wellenlänge des Elektrons ist λ = ¯h/mv):<br />

1. Masse des Elektrons. me = 9.11 · 10 −28 g.<br />

2. Masse des Protons. mp = 1.67 · 10 −24 g.<br />

Größen, <strong>die</strong> sich auf <strong>die</strong> Sonne beziehen, erhalten den Index ⊙.<br />

1. Radius der Sonne R⊙ = 6.9 · 10 10 cm<br />

2. Masse der Sonne, M⊙ = 1.989 · 10 33 g<br />

3. Die entsprechende Anzahl von Baryonen, N⊙ = M⊙/mp = 1 · 10 57 , <strong>die</strong>nt als dimensionslose Richtgröße für<br />

Sterne.<br />

4. Leuchtkraft der Sonne, L⊙ = 3.9 · 10 33 erg s −1 .<br />

Zwei wichtige natürliche Größen in der <strong>Astrophysik</strong> sind <strong>die</strong> gravische Feinstrukturkonstante αG (dimensionslos)<br />

αG = Gm2 p<br />

¯hc<br />

= 5.9 · 10 −39<br />

und <strong>die</strong> Compton-Wellenlänge des Elektrons λe (natürliche Länge für relativistisch entartete Materie)<br />

λ = ¯h<br />

mc<br />

Damit läßt sich <strong>die</strong> kritische <strong>Teil</strong>chenzahl für entartete Sterne angeben<br />

NCh = 0.75(2Z/A) 2 α −3/2<br />

G = 1.4(2Z/A)2 N⊙ (1.3)<br />

und für <strong>die</strong> dazu gehörende Grenzmasse, <strong>die</strong> Chandrasekhar Masse, gilt<br />

MCh = 0.75(2Z/A) 2 mpα −3/2<br />

G = 1.456(2Z/A)2 M⊙ (1.4)<br />

Die Eddingtonsche Grenzleuchtkraft für Sterne ist <strong>die</strong> maximale Leuchtkraft, bei der <strong>Teil</strong>chen der Masse mH noch gravisch<br />

von einem Objekt (Stern oder Galaxienkern) der Masse M an der Oberfläche zurückgehalten werden können:<br />

LEdd = 4πGmHMc<br />

σT h<br />

(1.1)<br />

(1.2)<br />

= 10 4.5<br />

� �<br />

M<br />

L⊙ = 1.3 · 10<br />

M⊙<br />

38<br />

� �<br />

M<br />

mH erg s<br />

M⊙<br />

−1 (1.5)<br />

Als wichtige Anwendung erhalten wir hieraus LEdd für akkretierende entartete Sterne (der Masse MCh) in Fundamentalkonstanten:<br />

LEdd =<br />

9<br />

2α √ αG<br />

2 c<br />

mec = 2 · 10<br />

re<br />

38<br />

erg s −1 (1.6)<br />

Eine weitere universelle Obergrenze für für gravisch erzeugte Strahlung (Akkretion oder Gravitationswellen) ist<br />

in Zahlen<br />

LG = c5<br />

G<br />

LG = c5<br />

G<br />

= 3.63 · 1059<br />

Größen, <strong>die</strong> sich auf <strong>die</strong> Milchstraße beziehen, erhalten den Index ∗.<br />

(1.7)<br />

erg s −1 (1.8)<br />

1. Radialentfernung der Sonne zum Zentrum der Milchstraße D∗ = 2 · 10 22 cm = 8 kpc.<br />

Radius (der leuchtende Anteil) R∗ = 4 · 10 22 cm = 12.5 kpc. Dicke h∗ = 2 · 10 21 cm = 0.6 kpc.<br />

2. Die Masse der gesamten Milchstraße, M∗, beträgt 1.9 · 10 11 M⊙, bestimmt aus dem Keplerschen Gesetz.<br />

3. Alter der Milchstraße, A∗ = 12.7 Gyr.


1.1. DIE KOSMISCHEN HIERARCHIEN 3<br />

Erst <strong>die</strong> Photographie erlaubt es, Photonen aufzuad<strong>die</strong>ren, was das menschliche Auge nicht kann. Der Dopplereffekt liefert<br />

für <strong>die</strong> beobachtete Wellenlänge λ und <strong>die</strong> als bekannt vorausgesetzte Ruhlänge λo <strong>die</strong> Geschwindigkeit der Quelle (bei<br />

bekanntem Winkel Θ zwischen Geschwindigkeit v und Visionsrichtung) in Einheiten der Lichtgeschwindigkeit β := v/c:<br />

1 + β cos Θ<br />

λ = λo �<br />

1 − β2 Der Dopplereffekt wurde 1842 von Doppler für Sterne vorhergesagt, von Fizeau genauer für Linienspektren für nachweisbar<br />

erachtet (Sterngeschwindigkeiten sind viel zu klein für einen Nachweis am Kontinuum) und von Huggins 1868 mit<br />

Photoplatte an den H Linien des Sirius entdeckt. Mittlerweile bestimmt man tatsächlich <strong>die</strong> größten Rotverschiebungen<br />

(mithilfe von Modellannahmen) am Kontinuum von ganzen Galaxien (z > 6).<br />

Für <strong>die</strong> Rotverschiebung einer bewegten Quelle, <strong>die</strong> sich radial vom Beobachter weg bewegt, gilt <strong>die</strong> Doppler Formel<br />

1 + z =<br />

mit der Umkehrung<br />

�<br />

1 + β<br />

1 − β<br />

β = (1 + z)2 − 1<br />

(1 + z) 2 + 1<br />

= z<br />

1 + z<br />

2<br />

1 + z(1 + z<br />

2 )<br />

Ähnlich den Menschen kennt auch <strong>die</strong> Natur eine strenge Hierarchie mit ausgesprochenem Klassenbewusstsein.<br />

So hat z. B. <strong>die</strong> Klasse der Sterne einen eng begrenzten Massebereich von einem Zehntel<br />

bis zu Hundert Sonnenmassen, (genauer: 0.08 . . . 120 M⊙), <strong>die</strong> Klasse der Berge hat eine maximale<br />

Höhe, d. h. Berge werden nicht beliebig hoch (auf der Erde etwa 8 km, auf dem Mars 24 km) und <strong>die</strong><br />

Klasse der Atome bzw. der Atomkerne ist endlich: sie werden weder beliebig klein (Atomradius: ˚A<br />

und Kernradius: f, Fermi) noch beliebig groß. Das gilt auch dann noch, wenn sie durch <strong>die</strong> Gravitation<br />

in Form von Neutronensternen zusammengehalten werden.<br />

Damit ist noch nicht gesagt, daß es auch eine kleinste oder größte Länge gibt. Tatsächlich hat <strong>die</strong><br />

Hoffnung, am Ende der Hierarchie angekommen zu sein, bisher jedesmal getrogen. Das Proton ist<br />

nicht elementar (es besteht aus Quarks), vielleicht nicht einmal stabil. Selbst für den Kosmos sind<br />

<strong>die</strong> Grundbausteine (zunächst Sterne, dann Galaxie, mittlerweile Haufen von Galaxien) immer größer<br />

geworden. Das beobachtbare Universum ist zwar endlich und diskret, da <strong>die</strong> Lichtgeschwindigkeit c<br />

endlich ist und da, wie wir zeigen werden, das Alter des Universums endlich ist. Damit ist dann auch<br />

<strong>die</strong> Anzahl aller quantenmechaischer Prozesse seit Geburt (Urknall) in ihm endlich. Das Universum<br />

als Ganzes kann aber sehr wohl unendlich ausgedehnt sein.<br />

• ANMERKUNG (DAS UNIVERSUM IM ÜBERBLICK)<br />

Nach heutiger Kenntnis gilt für das beobachtbare Universum:<br />

1. Radius RUniv ≈ 10 28 cm, Volumen VUniv ≈ 10 85 cm 3<br />

2. Baryonenzahl Nb,Univ ≈ 10 79 , Masse MUniv ≈ 10 22 M⊙ in etwa 10 11 Galaxien zu 10 11 Sternen von 1M⊙.<br />

3. Alter AUniv ≈ 10 10 Jahre (10 bis 15 Gyr).<br />

4. Temperatur TUniv ≈ 2.735 Kelvin; Photonenzahl Nγ,Univ ≈ 10 88 .<br />

Dabei ist erstaunlich, daß wir <strong>die</strong> Temperatur des Universums viel genauer kennen als z. B. unsere eigene Körpertemperatur,<br />

ganz zu schweigen von der im Zentrum der Erde. Die Temperatur des Universums wird bestimmt von einer universellen (d.<br />

h. unpolarisierten, homogenen und isotropen) Hintergrundstrahlung von etwa 2.7 Grad Kelvin. Die einzigen verbliebenen<br />

Ausnahmen in <strong>die</strong>ser streng diskreten Hierarchie bilden (bisher jedenfalls):<br />

1. Das Elektron.<br />

Formal kann man dem Elektron zwar leicht einen Radius re zuschreiben. Dazu definiert man<br />

Eel ≡ e2<br />

re<br />

= mec 2 ≡ Erest<br />

Das ist der sog. klassische Elektronenradius,<br />

re = e2<br />

mec 2<br />

(1.9)<br />

(1.10)<br />

(1.11)<br />

(1.12)


4 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />

also derjenige Radius bei dem potentielle (elektrostatische) Energie und Ruhmassenenergie des Elektrons gleich<br />

groß sind. Wir erwarten also<br />

rel = f ∗ re = 2.82 · 10 −13 f ∗<br />

cm<br />

mit f ∗ ≈ 1. Unklar ist aber bei <strong>die</strong>ser Abschätzung, warum das Elektron überhaupt zusammenhält. Das Analogon<br />

(für das Proton, welches aus Quarks besteht) in der Quantenchromodynamik bildet das Problem des Einschlusses<br />

(confinement). Die Streuexperimente zeigen tatsächlich, daß beim Elektron etwas fundamentales in unserer<br />

Abschätzung noch fehlt, denn der wahre Ladungsradius ist bisher unmessbar klein. Quantitativ gilt bisher:<br />

rel ≪ 10 −15<br />

cm (1.13)<br />

2. Die Raumzeit.<br />

Länge und Zeit werden als kontinuierlich angenommen, da sie bisher nicht quantisiert werden können.<br />

Wir geben zum Nachschlagen im Anhang <strong>die</strong> wichtigsten Naturkonstanten im<br />

c-g-s-System von Gauß, erweitert um K (Grad Kelvin)<br />

und eine Formelsammlung. Als Einheiten für grosse Zeiträume (yr = year) benutzen wir, wie in der<br />

angloamerikanischen Literatur üblich, <strong>die</strong> folgenden Abkürzungen (Kilo, Mega und Giga)<br />

kyr = 10 3 yr = 1000 Jahre, Myr = 10 6 Jahre und Gyr = 10 9 Jahre.<br />

Die gesamte Längen - Hierarchie vom Mikrokosmos zum Makrokosmos umspannt demnach mindestens<br />

42 Zehnerpotenzen;<br />

RUniv<br />

re<br />

≈ 10 42<br />

(1.14)<br />

wenn man nämlich von einer noch ausstehende Quantisierung der Gravitation mit der Planck-Länge<br />

�<br />

¯hG<br />

lP = � 1.6 · 10−33 cm (1.15)<br />

c3 absieht, sonst sogar etwa 61 Zehnerpotenzen!<br />

RUniv<br />

l P<br />

≈ 10 61<br />

Einige ausgewählte Längen bzw. Entfernungen sind in Tabelle (1.1) zusammengestellt. Analoge Tabellen<br />

werden wir noch für <strong>die</strong> Massen kosmischer Objekte, deren Temperaturen und Alter angeben.<br />

Dabei sollte man sich aber der Vorläufigkeit solcher Angaben stets bewusst sein. Die Entfernung zum<br />

galaktischen Zentrum z. B. ist in vielen Lehrbüchern und Tabellen noch mit 10 kpc angegeben; sie<br />

ist in den letzten Jahrzehnten um 20% geschrumpft und dann (nach Messungen mit dem Astrometrie<br />

Satelliten Hipparcos) wieder um 10% gewachsen. Sie liegt jetzt bei etwa 8 ± 1 kpc, der von der IAU ∗<br />

vorgeschlagene Wert beträgt 8.5 kpc. Es sieht so aus, als ob mit einer neuen Generation von Beobachtungsintrumenten<br />

nun eine Phase der Konsoli<strong>die</strong>rung beginnt: verschiedene, unabhängige Methoden<br />

der Entfernungsbestimmung ergeben übereinstimmende Ergebnisse.<br />

Dabei ist bemerkenswert, daß eine typische Galaxie 10 11 Sterne und das Universum etwa 10 11 Galaxien<br />

enthält! Zum Vergleich und zum Merken: das menschliche Gehirn enthält ebensoviel Neuronen.<br />

An Masse scheint im Universum etwa 10mal mehr vorhanden zu sein als man leuchten sieht (Dunkelmaterie),<br />

während das Alter der ältesten Objekte in etwa mit dem Alter des Kosmos übereinstimmt.<br />

∗ International Astronomical Union. Dachorganisation der nationalen astronomischen Gesellschaften. Zu Beginn des<br />

20ten Jahrhunderts gab es etwa 500 (Berufs) Astronomen, zum Ende mehr als 10 000.


1.1. DIE KOSMISCHEN HIERARCHIEN 5<br />

Obwohl eine typische Galaxie 10 11 Sterne enthält, heißt das noch nicht, daß <strong>die</strong> Masse etwa 10 11<br />

Sonnenmassen beträgt. Die Masse ist (einheitlich für massive Galaxien) um einen Faktor 10 (ein dex)<br />

größer. Die Standarderklärung dafür lautet: es gibt Dunkelmaterie unbekannter Art (und Ursprungs).<br />

Kann man dann überhaupt hoffen, über 42 Zehnerpotenzen hinweg <strong>die</strong> Natur mit Hilfe der Physik<br />

richtig zu beschreiben (wenn das meiste noch gar nicht gesehen ist)? Grundpostulat muß sein:<br />

Die Grundgesetze der Physik, wie sie im Labor bzw. im Planetensystem der Sonne überprüft<br />

worden sind, gelten unverändert zu jeder Zeit und an jedem Ort im ganzen Kosmos.<br />

Eine wichtige Frage ist dabei, inwieweit <strong>die</strong> Grundkonstanten der Physik wirklich überall den gleichen<br />

Wert haben bzw. zeitlich konstant sind.


6 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />

Die folgende Tabelle gibt einige ausgewählte Längen in Gaußschen und den üblichen Einheiten. Die<br />

Formeln für <strong>die</strong> Fundamentallängen der Quanten Gravitation, Kernphysik und Atomphysik sind im<br />

Anhang nochmals zusammengestellt.<br />

Objekt Länge L Abk. L/c Name /<br />

cm s Bemerkung<br />

Planck-Länge 1.6·10 −33 6·10 −44 l P<br />

Atomkern 10 −13 fm 3·10 −24 s Fermi<br />

Atomhülle 10 −8 ˚A 3·10 −19 s ˚Angstrøm<br />

Staub 10 −4 µ 3·10 −15 s Mikrometer<br />

Mensch 10 2 m Meter<br />

Erde 6·10 8 R⊕ Eichstandard<br />

Erde-Mond 4·10 10 1 s<br />

Sonne 7·10 10 R⊙ 2 s<br />

Erde-Sonne 1.5·10 13 AE 500 s astronomische Einheit<br />

Erde-Pluto 6.5·10 14 6 h<br />

Parsec 3·10 18 pc 3 yr Erdbahnradius unter ′′<br />

α-Centauri 1 pc 4 yr nächster Stern<br />

Milchstraße 5·10 22 15 kpc 50 kyr Radius<br />

LMC 1.5·10 23 50 kpc 150 kyr Große Maghellansche Wolke<br />

Lokale Gruppe 3·10 24 1 Mpc 3 Myr Mega Parsec<br />

Virgo (Haufen) 6·10 25 20 Mpc 60 Myr Eichstandard<br />

Grosse Mauer 1·10 26 30 Mpc 100 Myr max. Struktur im Kosmos<br />

Coma 3·10 26 110 Mpc 250 Myr Eichstandard<br />

Quasar 3C273 3·10 27 1 Gpc 3 Gyr Giga Parsec<br />

Universum 10 28 4 Gpc 12 Gyr<br />

Abb. 1.1: Längenhierarchie<br />

Als abgeleitete Größe geben wir einige Anzahldichten des Kosmos:<br />

-15<br />

-10<br />

-5<br />

0<br />

5<br />

10<br />

15<br />

20<br />

25<br />

30<br />

✻<br />

re<br />

Mensch<br />

Erde<br />

Galaxis<br />

Universum<br />

1. Die <strong>Teil</strong>chendichte (von H) beträgt für <strong>die</strong> kritische Dichte, nc, 1 <strong>Teil</strong>chen pro Kubikmeter:<br />

nc = 10 −6 cm −3 .<br />

2. Dem entspricht 1 Galaxie (mit 10 11 Sternen) pro Kubik Mega Parsek.<br />

3. Die mittlere Sterndichte in Sonnennähe beträgt 0.2 Sterne (mit einer halben Sonnenmasse) pro<br />

Kubik Parsec.<br />

4. Dem entspricht eine mittlere Anzahldichte in Sonnennähe von 7 <strong>Teil</strong>chen pro Kubik Zentimeter.<br />

5. Die mittlere Gasdichte in Sonnennähe beträgt 1 H Atom pro Kubik Zentimeter.<br />

Solche Dichten sind im Labor unerreichbar. Zum Vergleich: <strong>die</strong> <strong>Teil</strong>chenzahldichte der Luft (unter<br />

Normalbegingungen) beträgt 10 19 <strong>Teil</strong>chen pro Kubik Zentimeter.<br />

• ZUSATZ (WAS SIND GRUNDGESETZE IN DER PHYSIK?)<br />

Wir wollen darunter – etwas unscharf – <strong>die</strong> grossen physikalischen Theorien wie Thermodynamik, Mechanik bzw. Quantenmechanik,<br />

Maxwellsche Theorie der Elektrodynamik bzw. Quantenfeldtheorie und Newtonsche bzw. Einsteinsche Gravitationstheorie<br />

(ART) verstehen. Quantenchromodynamik und schwache Wechselwirkung haben heute noch Modellcharakter,<br />

gehören aber dazu.<br />

Es entfallen aber z. B. bei der Beschreibung der Kosmos als Ganzes (also bei der Kosmologie) Inflation (Guth, Linde)<br />

oder eine veränderliche Gravitationskonstante (Jordan - Brans - Dicke Theorie) oder Einsteins kosmologische Konstante<br />

(modern: Vakuumenergie). Es werden ferner keine neuen Gesetze eingeführt, wie etwa bei der ’steady state’ Theorie<br />

(Materieerzeugung).


1.1. DIE KOSMISCHEN HIERARCHIEN 7<br />

Zur Beschreibung des Universums als ganzes (Kosmologie) benötigt man <strong>die</strong> Einsteinsche Allgemeine<br />

Relativitätstheorie (ART), <strong>die</strong> Newtonsche Gravitationstheorie ist dazu nicht ausreichend. Damit<br />

sind wir aber vor ein ganz neues, in der sonstigen Physik unbekanntes Problem gestellt: wir müssen<br />

<strong>die</strong> Raumzeit, in der wir leben, erst bestimmen, und das zunächst aus lokalen Messungen. Daß <strong>die</strong>s<br />

überhaupt möglich ist, liegt daran, daß wir (jedenfalls heute) in einen Kosmos mit hoher Ordnung und<br />

Symmetrie leben.<br />

Für alle anderen Objekte, Galaxien, Sterne usw. kann man einen dimensionslosen Parameter σg definieren,<br />

der besagt, wie stark <strong>die</strong> Newtonsche Gravitationstheorie von der ART abweicht,<br />

σg = Rs<br />

R<br />

= 2GM<br />

c 2 R<br />

(1.16) Rs = 2GM<br />

c 2<br />

(1.17)<br />

wobei M <strong>die</strong> gravitierende Masse, R ein Radius oder eine typische Entfernung und c <strong>die</strong> Lichtgeschwindigkeit<br />

ist. Die Größe Rs heißt Schwarzschild - Radius. Im Limes σg → 0 geht <strong>die</strong> ART in <strong>die</strong><br />

Newtonsche Gravitationstheorie über.<br />

Der Zweig der <strong>Astrophysik</strong>, der sich mit den Phänomenen beschäftigt, <strong>die</strong> für nicht verschwindendes<br />

σg auftreten, heißt relativistische <strong>Astrophysik</strong>. Hierzu gehören neben der Kosmologie und den klassischen<br />

Tests (der ART) im Sonnensystem noch weiße Zwerge, Neutronensterne und schwarze Löcher.<br />

Ein Geschenk des Himmels im wahrsten Sinne des Wortes ist hier der Hulse - Taylor Binär - Pulsar.<br />

Es handelt sich dabei um ein Doppelsternsystem (mit der Bezeichnung PSR 1913+16), welches aus<br />

zwei sich umkreisenden Neutronensternen besteht und welches so eng ist, daß es in der Sonne Platz<br />

hat. An ihm können <strong>die</strong> wichtigsten Phänomene der ART direkt nachgewiesen werden, indirekt sogar<br />

<strong>die</strong> bereits von Einstein vorhergesagte Emission von Gravitationswellen.<br />

Für massive <strong>Teil</strong>chen kann man einen zweiten, dimensionslosen, (speziell) relativistischen Parameter<br />

wie folgt definieren<br />

γ = E<br />

=<br />

mc2 1<br />

√ 1 − β 2<br />

(1.18)<br />

wobei jetzt β = v <strong>die</strong> Geschwindigkeit in Einheiten der Lichtgeschwindigkeit c, E <strong>die</strong> (Gesamt)<br />

c<br />

Energie eines <strong>Teil</strong>chens und m seine (Ruh) Masse ist. <strong>Teil</strong>chen mit Rumasse Null (z. B. Photonen)<br />

sind immer relativistisch.<br />

Das Hauptgebiet der relativistischen <strong>Astrophysik</strong> macht jedoch das Studium von Prozessen aus, an<br />

denen Elementarteilchen mit γ ≫ 1 beteiligt sind. Hierher gehört <strong>die</strong> kosmische Strahlung (mit γ<br />

bis zu ≈ 1015 ), Paarerzeugung und Vernichtung (im Zentrum der Galaxis) und <strong>die</strong> γ - Strahlung der<br />

sog. Gamma Burster, aber auch <strong>die</strong> kohärente Radio - Strahlung der Pulsare. Erzeugt werden solche<br />

<strong>Teil</strong>chenenergien in starken (oder grossräumigen) elektromagnetischen Feldern (nicht etwa in starken<br />

Gravitationsfeldern).<br />

Der überwiegende <strong>Teil</strong> des Kosmos – Galaxien, Sterne und Gaswolken – kann durch Newtonsche<br />

Gravitationstheorie ausreichend genau beschrieben werden. Für <strong>die</strong> (mikroskopische) Behandlung der<br />

Materie selbst reicht <strong>die</strong> Schrödinger Gleichung.<br />

Die meisten Objekte des Universums werden durch ihre elektromagnetisch Strahlung nachgewiesen,<br />

wozu <strong>die</strong> Maxwellsche Elektrodynamik zusammen mit der Thermodynamik <strong>die</strong> Grundlage liefern.<br />

Das Universum selbst ist heute extrem kalt – 2.73◦ Kelvin – und liefert mit seiner Hintergrundstrahlung<br />

eine untere Grenze für <strong>die</strong> Temperatur seiner Objekte. Zum kalten Universum gehören ferner <strong>die</strong><br />

Molekülwolken mit Temperaturen von 10 bis 300 ◦K. Wesentlich heißer – und damit für das menschliche Auge sichtbar – sind <strong>die</strong> (nichtentarteten) Sterne,<br />

bei denen <strong>die</strong> (gemessenen) Temperaturen an ihrer Oberfläche von etwa 3000 bis 50000 ◦K reichen. In<br />

der Temperatur zwischen Wolke und Stern gelegen, gibt es noch <strong>die</strong> Protosterne, Sterne bei denen das<br />

Wasserstoffbrennen noch nicht gezündet hat, <strong>die</strong> von der schützenden Wolke noch verdeckt werden


8 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />

(sich aber bereits durch einen Infrarot Exzess bemerkbar machen) und seit kurzem <strong>die</strong> sog. Braunen<br />

Zwerge.<br />

Grundlage zum Studium <strong>die</strong>ser Objekte ist ihre Kontinuumstrahlung. In gröbster Näherung entspricht<br />

<strong>die</strong>se der des schwarzen Körpers (Plancksches Strahlungsgesetz) mit der Sonne als Paradigma. Diese<br />

Strahlung heißt thermisch. Sie ist inkohärent und rührt meist aus der Translations - Energie der Atome<br />

bzw. Moleküle her; Sender sind <strong>die</strong> bei Stößen beschleunigten Elektronen. Einen Sonderfall bildet der<br />

Staub, der wie ein Festkörper erhitzt wird und thermisch strahlt.<br />

Beide, Wolken und Sterne, kann man allerdings wesentlich detaillierter durch ihre Linienstrahlung<br />

untersuchen. Dazu benötigt man <strong>die</strong> Atom- und Molekülphysik, also <strong>die</strong> Quantenmechanik (nichtrelativistisch<br />

und – etwa bei der Feinstruktur und der 21 cm Linie – relativistisch erweitert).<br />

Die verschiedenen Dimensionen von Energie E (erg), Temperatur T (Kelvin) und Frequenz ν (Hertz)<br />

bzw. Wellenlänge λ (cm) werden wie folgt ineinander umgerechnet<br />

E = kT = hν = h c<br />

λ<br />

(1.19)<br />

Wieder mit dimensionslosen Parametern und den Grundeinheiten geschrieben, hat man es für Atome<br />

und Moleküle mit den folgenden physikalischen Prozessen zu tun:<br />

1. elektronische Anregung (Grundeinheit); Bereich: optisch bis UV oder Röntgen<br />

Eel ≈ 1<br />

2 Z2 α 2 mec 2<br />

Für Z = 1 (Wasserstoff) ist <strong>die</strong> übliche Einheit Eel = 13.6 eV.<br />

2. Vibration; Bereich: IR bis optisch<br />

Evib ≈<br />

� me<br />

Amp<br />

Eelekt<br />

3. Feinstruktur; Bereich: IR bis optisch<br />

Efs ≈ α Eelekt<br />

4. Rotation; Bereich: Radio und sub – mm Bereich<br />

Erot = ¯h2<br />

2I<br />

me<br />

≈ Eel<br />

Amp<br />

5. Hyper - Feinstruktur; Bereich: Radio und sub – mm Bereich<br />

Ehfs ≈ me<br />

α<br />

mp<br />

2 Eel<br />

Damit kann man das kalte und das warme Universum hervorragend untersuchen.<br />

• ANMERKUNG (QUANTENMECHANISCHE GRUNDLAGEN)<br />

Alle Felder (und <strong>Teil</strong>chen als Felder aufgefasst) haben einen diskreten, inneren Freiheitsgrad, Spin genannt. Fermionen<br />

(Quarks und Leptonen) haben halbzahligen Spin, Bosonen (Gluonen, Photon und Weakonen) haben ganzzahligen Spin.<br />

Die Natur scheint mit Spin 1/2¯h für Fermionen und Spin 1¯h für Bosonen auszukommen. Die Gravitation bildet (mit Spin<br />

2¯h) <strong>die</strong> einzige Ausnahme, ist aber bisher unquantisiert.<br />

Die natürliche Einheit des Bahn-Drehimpulses J ist für Bosonen und für Fermionen ist<br />

J = n¯h mit n = 0, 1, 2, . . .<br />

Der Bahndrehimpuls kann klassisch verstanden werden und darf verschwinden.<br />

Für Photonen ist auch der Spin S ganzzahlig: S = ¯h. Jedes Photon, welches in einem Strahlungsprozeß erzeugt wird, hat<br />

mindestens den (diskreten) Drehimpuls S = 1 × ¯h plus eventuell einen Bahndrehimpuls. Der Spin kann klassisch nicht<br />

verstanden werden.


1.1. DIE KOSMISCHEN HIERARCHIEN 9<br />

Der Spins S des Elektrons ist<br />

S = 1<br />

2 ¯h<br />

Deutet man den Spin klassisch, dann bedeutet <strong>die</strong>s, daß ein Elektron oder Photon stets drehen muß. (Ein Elektron steht<br />

nach einer Drehung um 360 Grad sogar auf dem Kopf).<br />

Die natürliche Einheit der Energie ist für <strong>die</strong> elektromagnetische Wechselwirkung <strong>die</strong> Ruhmassenenergie des Elektrons<br />

Erest = mec 2<br />

Der dimensionslose Parameter, der <strong>die</strong> Energieniveaus bestimmt, ist <strong>die</strong> Sommerfeldsche Feinstrukturkonstante<br />

α = e2<br />

¯hc<br />

Dabei ist es wesentlich für das Aussehen unserer Welt, daß α ≈ 1<br />

eines Atoms der Ladung Z kann wie folgt geschrieben werden:<br />

Etot = Erest + Ekin + Epot = mec 2 + p2<br />

2me<br />

− Ze2<br />

r<br />

137<br />

(1.20)<br />

klein ist. Die Gesamtenergie des Elektrons im Feld<br />

Die Bindungsenergie Ebin = Etot − Erest ist eine Funktion von α und es gilt für <strong>die</strong> Ableitung E ′ bin = 0, d. h. Ebin hängt<br />

in niedrigster Näherung nur von α 2 ab.<br />

Der zweite dimensionslose Parameter ist das Massenverhältnis von Elektron und (reduzierter) Masse der Atomkerne des<br />

Moleküls. Damit ergibt sich eine Überlappung von Vibration- und Feinstruktur bzw. von Rotation- und Hyper - Feinstruktur<br />

Niveaus. Anregung – und damit Strahlung – findet statt, wenn <strong>die</strong> thermische Energie kT ausreicht, d. h. falls kT ≈ E.<br />

Somit kann man mit Molekülen das kalte Universum untersuchen, mit Atomen <strong>die</strong> heißen Sternhüllen. Bei Molekülen<br />

beobachtet man nur el. Dipol - Strahlungsübergänge, während man bei atomarem Wasserstoff sogar wegen seiner Häufigkeit<br />

den (im Labor extrem verbotenen, weil durch Stöße unterdrückten) Hyper - Feinübergang eines Elektronen - Spinflips (21<br />

cm Linie) beobachten kann. Bei optisch dünnen Me<strong>die</strong>n sieht man <strong>die</strong> Linien meist in Emission, sonst in Absorption.<br />

Damit hat man über den gesamten Spektralbereich (Radio bis UV und weiches Röntgengebiet) hervorragende<br />

Thermometer zur Verfügung. Aus der Intensität der Linien kann man darüber hinaus über<br />

<strong>die</strong> relative Häufigkeit der chemischen Elemente Aussagen gewinnen. Diese (Atomkerne) wurden<br />

bzw. werden bis auf H und He alle im Innern von Sternen erzeugt. Der wichtigste Prozeß im Innern<br />

der Sterne und, bei akkretierenden Neutronensternen (Röntgen - Pulsaren) sogar an deren Oberfläche,<br />

ist <strong>die</strong> Nukleosynthese, welche durch <strong>die</strong> Kernphysik mithilfe der Schrödinger Gleichung und<br />

phänomenologischem Kernpotential beschrieben wird. Neben der elektromagnetisch benötigt man dazu<br />

noch <strong>die</strong> starke und schwache Wechselwirkung.<br />

Der interstellare Raum ist mit einem heißen Gas angefüllt, welches durch Sterne und ihre Explosionen<br />

(Novae und Supernovae) geheizt bzw. nachgefüllt wird. Die heißeste Komponente bildet das Gas in<br />

Supernova Überresten. Hier handelt es sich bereits um ein extrem nichtthermisches Plasma (mit Synchrotronstrahlung):<br />

<strong>die</strong> kosmische Strahlung gehört ebenfalls dazu und wird eventuell dort erzeugt.<br />

Diese nichtthermische Komponente erzeugt ihrerseits ein galaktisches Magnetfeld, in dem <strong>die</strong> relativistischen<br />

Elektronen Synchrotronstrahlung erzeugen, welche dann im Radiobereich nachgewiesen<br />

werden kann. Die verschiedenen Komponenten sind zwar im zeitlichen und räumlichen Mittel im thermodynamischen<br />

Gleichgewicht, womit man grob ihre Struktur erklären kann. Die genauere Analyse<br />

hat aber gerade erst begonnen, es ist denkbar, daß von Zeit zu Zeit sich Instabilitäten bilden und explo<strong>die</strong>ren<br />

in Form von Jets oder Bursts. Diese heizen ein dünnes, thermisches Gas, welches <strong>die</strong> Galaxien<br />

(wie ein Halo) umgibt und welches im Röntgenbereich nachgewiesen wurde.<br />

Wir betrachten als Einführung den Makrokosmos und zwar in <strong>die</strong>ser Reihenfolge<br />

1. Längenhierarchie (Geometrie)<br />

2. Massenhierarchie (Newtonsche Gravitationstheorie, ART)<br />

3. Alter (Kernphysik)<br />

4. Temperatur (Thermodynamik und Elektrodynamik)


10 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />

• ANMERKUNG (DIE FUNDAMENTALEN KONSTANTEN DER PHYSIK)<br />

Die vier Grundgrößen der Physik<br />

1. c Lichtgeschwindigkeit 3. e Ladung des Elektrons<br />

2. h Plancksches Wirkungsquantum 4. G Gravitationskonstante<br />

sind nicht unabhängig, es gilt für sie <strong>die</strong> Sommerfeldsche Relation<br />

α = e2<br />

¯hc<br />

Mit der Feinstrukturkonstanten α können wir jetzt für den wahren Ladungsradius des Elektrons<br />

rel = f ∗ re mit f ∗ ≈ α<br />

schreiben. Um eine natürliche Längeneinheit definieren zu können, benötigt man eine natürliche Masse. Die Massen der<br />

heute bekannten Elementarteilchen werden als nicht fundamental angesehen (dafür gibt es zu viele davon), <strong>die</strong> Planck-<br />

Länge<br />

�<br />

¯hG<br />

l P =<br />

� 1.6 · 10−33<br />

c3 (1.21)<br />

cm (1.22)<br />

ist nicht natürlich (nämlich viel zu klein, lP/re = 10 −20 ).<br />

Zum Schluß betrachten wir <strong>die</strong> dimensionslosen Verhältnisse der verschiedenen Längen, <strong>die</strong> sich ergeben, wenn wir eine<br />

spezielle Masse wählen und erhalten <strong>die</strong> sog. Diracschen grossen Zahlen. Für den Aufbau der Planeten spielt<br />

D1 = e2<br />

≈ 1036<br />

Gm2 ; m = mp (1.23)<br />

<strong>die</strong> entscheidende Rolle. Für relativistische Materie ist e2 durch ¯hc zu ersetzen, D1 = αD2.<br />

D2 = ¯hc<br />

≈ 1038<br />

Gm2 ; m = mp (1.24)<br />

In groben Zahlen beträgt <strong>die</strong> Gesamtzahl der Baryonen im beobachtbaren Universum Nb,Univ ≈ 10 79 . Zwei weitere grosse<br />

dimensionslose Zahlen erhält man, wenn man den Radius des Universums R = 10 28 cm ins Verhältnis zum Elektronenradius<br />

re = 10 −13 cm setzt:<br />

D0 = RUniv<br />

re<br />

≈ 10 41<br />

Grössenordnungsmäßig ergibt sich dann <strong>die</strong> Dirac Relation<br />

Nb,Univ = D0 × D2<br />

wobei bisher niemand weiß, ob es sich hierbei um Zufall oder eine tiefliegende Naturerkenntnis handelt.<br />

1.2 Längen: Ra<strong>die</strong>n und Entfernungen<br />

Die Bestimmung von Ra<strong>die</strong>n und Entfernungen im Sonnensystem sind mittlerweile (durch Radarpeilung<br />

an Planeten und durch Pulsankunftsmessung bei Pulsaren) so präzise bestimmbar, daß man genau<br />

definieren muß, welche Größe überhaupt gemeint ist (Oberfläche, Schwerpunkt). Eine wichtige Frage<br />

ist dabei <strong>die</strong> Konstanz <strong>die</strong>ser Größen in Bezug auf eine durch Atomuhren definierte Zeit.<br />

Einige ausgewählte Längen bzw. Entfernungen haben wir bereits in Tabelle 1.1 zusammengestellt. Die<br />

nebenstehende Tabelle fasst einige nunmehr klassische bzw.<br />

neuer Ergebnisse (vom Astrometrie Satelliten Hipparcos) der<br />

Entfernungsbestimmung, <strong>die</strong> weiter unten abgeleitet werden,<br />

zusammen.<br />

Die Entfernung Erde-Mond ist bis auf cm genau vermessen<br />

(Lunar ranging experiment), sie schwankt aufgrund der Gezeiten<br />

mit einer Amplitude von etwa einem Meter. Der Entfernung<br />

Erde-Mond (etwa 400 000 km) entspricht eine Lichtlaufzeit<br />

von 1.3 Sekunden. Der Durchmesser der Erdbahn,<br />

also 2 AE, ist 3·10 13 cm oder 1000 Sekunden Lichtlaufzeit<br />

(Ole Römer). Der Wert 1 pc = 3.0856 · 10 18 cm entspricht<br />

Grundlängen der Milchstraße<br />

(1.25)<br />

(1.26)<br />

D bzw. R Wert Bez.<br />

Erde 6 378 km R⊕<br />

Erde-Mond 60.2R⊕ DE-M<br />

Erde-Sonne 2.3 · 10 4 R⊕ AE<br />

Sonne-Hyaden 46.34 ± 0.27 pc GE<br />

Sonne-Gal.Zen. 8.0 ± 0.5 kpc RG<br />

Sonne-LMC 50 ± 0.5 kpc<br />

Tab. 1.1: Grundlängen


1.2. LÄNGEN: RADIEN UND ENTFERNUNGEN 11<br />

3.26 Lichtjahre. Die theoretische Berechnung der Mondbahn ist auch heute noch zu kompliziert. Der<br />

französische Astronom Charles Delaunay hat <strong>die</strong> Bahn des Mondes im Feld der Erde und der Sonne<br />

mithilfe einer Störungstheorie 1847 berechnet. Er brauchte 20 Jahre dazu. Eine elegante Diskussion<br />

findet sich in Klein und Sommerfeld: Theorie des Kreisels.<br />

Die Bestimmung der Entfernung Sonne-Galaktisches Zentrum, mit 8.5 ± 0.5 kpc ist immer noch im<br />

Fluß. Der Wert 8 kpc stammt von H2O-Maser Messungen (Trigonometrie und Dopplereffekt an der 1.3<br />

cm Linie, Genauigkeit 1 km s −1 ). Beobachtungen an Radio und Röntgen Pulsaren ergeben dagegen 7.5<br />

kpc. Die beste Bestimmung mit Hipparcos lieferte 8.5 kpc.<br />

Die Große Maghellansche Wolke, mit einer Entfernung von 1.5·10 23 cm (entspr. 50 kpc oder 150 kyr<br />

Lichtlaufzeit), ist da wesentlich genauer vermessen. Aufgrund der Supernova im Jahre 1987 ist auch<br />

hier eine trigonometrische Entfernungsbestimmung möglich. Diese ist genauer als <strong>die</strong> des Galaktischen<br />

Zentrums, da <strong>die</strong> Expansionsgeschwindigkeit viel größer ist als <strong>die</strong> eines Masers.<br />

1.2.1 Entfernungen im Sonnensystem<br />

Heute sind <strong>die</strong> Entfernungen im Sonnensystem dank Raumfahrt und Pulsaren so genau bekannt, daß<br />

<strong>die</strong> Spezielle Relativitätstheorie und <strong>die</strong> Allgemeine Relativitätstheorie damit getestet werden können.<br />

Das Ausmessen unserer nächsten Umgebung, d. h. des Systems Erde - Mond und des Sonnensystems<br />

(mit immer wachsender Zahl an Planeten), hat lange gedauert, praktisch bis<br />

ins 19. Jahrhundert.<br />

Aristarch von Samos hatte als erster um 280 vor Chr. das heliozentrische<br />

Weltbild vertreten; Kopernikus hat <strong>die</strong>se Hypothese (laut Galilei) nur wiederbelebt<br />

und bekräftigt, keinesfalls erfunden (und das auch nur, wie böse<br />

Zungen behaupten, weil ihm <strong>die</strong> Epizyklen des Ptolomäus zu unverständlich<br />

waren). Aristarch war auch der Erste, der erkannte, daß <strong>die</strong> Erde sich am Tag<br />

einmal um ihre Achse und im Jahr einmal um <strong>die</strong> Sonne dreht. Aristarch<br />

hielt bereits <strong>die</strong> Sterne für andere Sonnen und schloß aus der Abwesenheit<br />

einer beobachtbaren Parallaxe (bei der Erdbewegung um <strong>die</strong> Sonne), daß<br />

<strong>die</strong> Sterne sehr viel weiter entfernt sein müßten als <strong>die</strong> Sonne. Er nahm ferner<br />

an, daß es Leben auf anderen Planeten (um andere Sonnen) gebe.<br />

Daß es 1800 Jahre dauerte bis — mit Kopernikus — wieder jemand solche<br />

Gedanken äusserte, lag daran, daß schon <strong>die</strong> Zeitgenossen Aristarchs, <strong>die</strong><br />

Abb. 1.2: Erdbahnparallaxe bereits bei der Vorstellung, <strong>die</strong> Sonne sei so groß wie der Pelepones, außer<br />

sich gerieten, seine Aburteilung wegen Häresie forderten (wie schon vorher bei Anaxagoras und später<br />

bei Giordano Bruno und Galileio Galilei).<br />

In der Abbildung ist π <strong>die</strong> Parallaxe des Sterns. Basislänge ist der Radius der Erdbahn, Re, bei ihrer<br />

jährlichen Bewegung um <strong>die</strong> Sonne. Aus der Abwesenheit einer beobachtbaren Parallaxe (bei der<br />

Erdbewegung um <strong>die</strong> Sonne) schloß man konsequenterweise auf <strong>die</strong> Richtigkeit des geozentrischen<br />

Modells mit einem Fixsternhimmel (sic!).<br />

Insbesondere Aristoteteles hat seine gesamte Philosophie auf <strong>die</strong>se eine fehlende Beobachtung gestützt<br />

und damit einer rationalen Weiterentwicklung des Naturbildes enorm geschadet.<br />

Merke: absence of evidence is not evidence of absence!<br />

Ein schönes Beispiel von evidence of absence ist <strong>die</strong> Verdopplung des Universums durch Baade (durch<br />

eine Neueichung der Entfernungsskala). In Anerkennung seiner Leistung und zum Merken das einge-


12 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />

✛<br />

✘<br />

rahmte Zitat. Die einzelnen Schritte, <strong>die</strong> später genauer erläutert werden,<br />

The Lord made the universe sind wie folgt. Auf der Entfernungsleiter ganz unten sind <strong>die</strong> RR Lyrae<br />

but Baade doubled it. Sterne. An ihnen wurden <strong>die</strong> Cepheiden geeicht. Dazu <strong>die</strong>nte <strong>die</strong> Kleine<br />

Anonymus<br />

Maghellansche Wolke, genauer <strong>die</strong> Cepheiden (vom Typ II) in deren Ku-<br />

✚<br />

✙<br />

gelsternhaufen. Daran angeschlossen wurden <strong>die</strong> Cepheiden (vom Typ I) in<br />

Andromeda (M31) und als Entfernung wurde 250 kpc von Hubble bestimmt. Bei einer Entfernung von<br />

nur 250 kpc zu M31 (der heutige Wert beträgt 770 kpc) hätten dort aber RR Lyrae Sterne direkt beobachtet<br />

werden müßen (und zwar bei m = 22m mit dem Palomar 5m Spiegel). Evidence of absence<br />

führte Baade in <strong>die</strong>sem Falle zur Entdeckung der Populationen I und II bei Cepheiden (1944).<br />

Nicht alle waren mit ihrer Entdeckung so erfolgreich wie Baade. Der umgekehrte Fall, wo <strong>die</strong> Evidenz<br />

da war, aber <strong>die</strong> Zeitgenossen sie nicht glauben konnten (oder wollten), ist recht häufig vorgekommen.<br />

Frühe Beispiele sind <strong>die</strong> Bestimmung der Lichtgeschwindigkeit durch Ole Römer, 1650, oder Michells<br />

Entdeckung der Doppelsterne, 1767, (von seiner Hypothese des schwarzen Lochs ganz zu scheigen).<br />

Die Ablehnung Eddingtons der Arbeiten Chandrasekhars über Weiße Zwerge gehört zur neueren Geschichte.<br />

Einsamer Höhepunkt: <strong>die</strong> Ablehnung der Einsteinschen Relativitätstheorie seitens der Nazi<br />

Physiker.<br />

• ZUSATZ (DER RADIUS DER ERDE ALS GRUNDLÄNGE)<br />

Eratosthenes (300 vor Chr) hatte als erster eine halbwegs richtige Vorstellung von der Größe (heute: R⊕ = 6 378 km<br />

am Äquator) und Form der Erde (Kugel). Allerdings konnte sich sein Weltmodell nicht durchsetzen. Die tatsächliche und<br />

erfolgreiche Erkundung der Erde beginnt mit Kolumbus. Damit war auch <strong>die</strong> Frage des sich Zurechtfindens auf dem Globus<br />

von fundamentalem (Überlebens)Interesse.<br />

Die moderne Geodäsie geht auf Snellius (1617) zurück. Dabei wird eine (kurze) Strecke genau vermessen. Der Rest sind<br />

Winkelmessungen (incl. Polhöhendifferenz). Daß <strong>die</strong> Erde aufgrund ihrer Rotation ein (an den Polen) abgeplattetes Ellipsoid<br />

(Newton: Gleichgewicht von Zentrifugalkraft und Gravitationskraft liefert 230:229) sein müsse, sagten erstmals<br />

Huygens und Newton voraus. Picard führte 1669/70 bei Paris <strong>die</strong> erste moderne Gradmessung der Erde durch. Diese Messungen<br />

wurden von Jaques Cassini (und anderen) in Europa fortgesetz mit dem Ergebnis (1720), daß <strong>die</strong> Erde <strong>die</strong> Gestalt<br />

einer Zitrone hatte.<br />

Es entspann sich dann ein Steit zwischen Newtonianern (England) und Kartesianern (Frankreich — Descartes hatte eine<br />

eigene Theorie mit Wirbelkräften). Um <strong>die</strong> Form der Erde endgültig zu bestimmen, sah man ein, mussten weiter auseinanderliegende<br />

Meridiangrade gemessen werden und so wurden im Auftrag Ludwig XV. von der Pariser Akademie<br />

zwei Expeditionen ausgerüstet, eine nach Peru (1736-1743), <strong>die</strong> andere nach Lappland (unter der Leitung von Maupertuis<br />

1736/37). Das Ergebnis bestätigte <strong>die</strong> Newtonsche Gravitationstheorie: Die Abplattung war unstrittig, der Wert leider<br />

nicht (Um den Ruhm einheimsen zu können, wurden <strong>die</strong> Messungen in Lappland von Maupertuis in größter Eile — gemeinsam<br />

mit Clairault und Celsius — durchgeführt und ergaben einen Wert für <strong>die</strong> Abplattung, der doppelt so groß wie<br />

der aus der Peru Expedition war). Endgültig wurde er (nach einer Wiederholung der Messungen in Lappland, wobei sich<br />

<strong>die</strong> Richtigkeit der sorgfältigeren Messung in Peru ergab) 1803 bestimmt. Heute erhält man aus Satelliten-Messungen :<br />

(Re − Rp)/Re = 1/298.25 mit Index e für Äquator und p für Pol.<br />

Die Entfernung zum Mond<br />

• ZUSATZ<br />

Der Öffnungswinkel des Mond Durchmessers beträgt Θ ≈ 0. ◦ 5. Damit ist<br />

DMond<br />

DE-M<br />

= sin Θ = 1<br />

2<br />

π<br />

180<br />

und damit DMond = 0.27D⊕. Hipparchus, der beim Vergleich von historischen Beobachtungen mit seinen eigenen <strong>die</strong><br />

Präzession der Äquinoxien entdeckte, konnte Winkel von etwa 240 arc sec mit der Armillasphäre messen. Die ersten<br />

Präzisionsmessungen (auf 6 Stellen Genauigkeit) wurden von Bradley durchgeführt. Er bestimmte dazu sogar Temperatur<br />

und Luftdruck.<br />

Bis heute ist das System Erde - Mond von grossem physikalischen Interesse (Gezeitenreibung). Die<br />

Parallaxe π = R⊕/D Erde-Mond = 3 422 ′′ (Winkelgrad) kann direkt gemessen werden. Die Methode des<br />

Aristarch, der <strong>die</strong> Abbildung des Erdradius auf den Mond betrachtete, ist sogar noch genauer. Legen<br />

wir den Erdradius R⊕ = 6 400 km als natürliche Grundeinheit für Längenmessungen zugrunde, dann


1.2. LÄNGEN: RADIEN UND ENTFERNUNGEN 13<br />

dann beträgt <strong>die</strong> Entfernung Erde-Mond: D E-M = 60.2R⊕ (Eratosthenes, der als erster <strong>die</strong> Entfernung<br />

zum Mond bestimmte, erhielt 64R⊕). Bei bekanntem Öffnungswinkel des Mondes hat man damit auch<br />

den Radius bestimmt: R = 1 738 km oder R = 0.27R⊕. Damit ist unser Mond größer als Pluto.<br />

Erst Picards Wert des Erdradius war genau genug, Newtons Erklärung der Mondanziehung zu bestätigen<br />

(s.u.). Newton behandelte auch als erster <strong>die</strong> Gezeitenkräfte im Erde - Mond - Sonne System.<br />

Mit Lagrange und Laplace beginnt <strong>die</strong> systematische Behandlung des Keplerproblems mehrerer Körper<br />

und damit <strong>die</strong> analytische Geometrie mit ihren Invarianten der Bewegung. Laplace gelingt es so, gewisse<br />

Diskrepanzen, <strong>die</strong> Halley aus der Prüfung alter und neuer Mondfinsternisse erschlossen hatte (der<br />

Mond lief früher langsamer um <strong>die</strong> Erde um, Jupiter schien in <strong>die</strong> Sonne zu fallen, Saturn das Sonnensystem<br />

zu verlassen), als säkulare (langzeitige) Störungen des Planetensystems zu erklären. Aus Ebbe<br />

und Flut Beobachtungen (<strong>die</strong> er einige Jahre in Brest anstellen ließ) bestimmte er (als erster direkt) <strong>die</strong><br />

Masse des Mondes zu (M⊕/M Mond = 80/1). Der moderne Wert beträgt 81.3.<br />

M⊕<br />

M Mond<br />

= 81.3<br />

Die Mondbahn ist um i = 5◦9 ′ gegen <strong>die</strong> Erdbahnebene (Ekliptik) geneigt. Die Bahn hat eine Exzentrizität<br />

von e = 0.0549. Vom Schwerpunkt des Erde<br />

- Mond Systems aus gemessen heißt <strong>die</strong> kleinste<br />

Entfernung Perigäum, <strong>die</strong> größte Apogäum. Der<br />

mittlere Bahnradius beträgt D = 384 400 km und<br />

<strong>die</strong> Umlaufgeschwindigkeit v = 1.01 km s−1 Daten des Erde - Mond Systems<br />

.<br />

Perigäum Rp = a(1 − e) = 356.410 km d = 33 ′ 31 ′′<br />

Apogäum Ra = a(1 + e) = 406.697 km d = 29 ′ 22 ′′<br />

Tab. 1.2: Erde - Mond System<br />

Mondumlauf und Rotation sind synchron, des-<br />

halb sieht man von der Erde aus stets <strong>die</strong> gleiche Seite des Mondes.<br />

Die Geometrie der Bewegung Erde – Mond – Sonne sieht etwa folgendermassen aus:<br />

D E-M = 60R⊕ und D E-S = 23 000R⊕<br />

Daraus ergibt sich eine Kernschattentiefe hinter der Erde von 217R⊕. Bei einer Sonnenfinsternis beträgt<br />

der Kernschatten bei größter Mondannäherung 264 km im Durchmesser. Er wandert mit einer<br />

Geschwindigkeit von 35 km/min über <strong>die</strong> Erde, <strong>die</strong> maximale Dauer (an festem Ort) beträgt 265/35 =<br />

7.57 Minuten.<br />

Die Daten für <strong>die</strong> Sonnenfinsternis von 1999: maximale Dauer 2 Minuten 23 Sekunden, Kernschattenradius<br />

100 km. Nur bei wolkenlosem Himmel wird es im Kernschatten wirklich dunkle Nacht, bei<br />

starker Bewölkung nur neblig grau.<br />

Die Astronomische Einheit<br />

Für <strong>die</strong> Sonne allerdings beträgt <strong>die</strong> Parallaxe<br />

π = R⊕/D Erde-Sonne = 8.8 ′′<br />

was unmessbar ist. Eratosthenes, der als erster <strong>die</strong> Entfernung zur Sonne bestimmte, erhielt 1 160R⊕,<br />

Tycho Brahes Mauerquadrant erlaubte Messungen mit einer Genauigkeit von 25 ′′ . Man kann leider nur<br />

abschätzen, daß <strong>die</strong> Sonne ’sehr weit’ entfernt ist.<br />

Aus der Größe des Erdschattens auf dem Mond bei einer Mondfinsternis schloß Aristarch, daß <strong>die</strong><br />

Sonne viel größer als <strong>die</strong> Erde sein müsse. Bis zu Newtons Zeit war <strong>die</strong> Entfernung zur Sonne nur<br />

sehr ungenau bekannt. Um trozdem zum Ziel zu kommen, verwendet man ein in der Astronomie gebräuchliches<br />

Verfahren und legt einen Zwischenschritt ein: man bestimmt zunächst <strong>die</strong> Entfernung zu<br />

einem Planeten (und dessen Umlaufperiode P um <strong>die</strong> Sonne).


14 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />

Nach dem 3. Keplersche Gesetz gilt dann für <strong>die</strong> Entfernung Erde-Sonne:<br />

� �2/3<br />

P⊕<br />

DErde−Sonne = DErde-Planet. PPlanet Diese Methode wurde 1672 von Cassini am Mars und 1835 von Encke an der Venus (nach dem Vorschlag<br />

von Halley, 1716, in Absorption vor der Sonne) angewandt, mit dem Ergebnis:<br />

1AE = D Erde-Sonne = 2.3 · 10 4 R⊕ = 1.49 · 10 13 cm<br />

Die genauesten Messungen (Fehler am Fernrohr 2 ′′ ) stellte am Anfang des 18. Jahrhunderts Bradley<br />

an, der, im Bemühen Sternparallaxen zu messen,<br />

1. <strong>die</strong> Aberration des Lichts (1728) und<br />

2. <strong>die</strong> Nutation der Erde (1747 s.u.)<br />

entdeckte. Bradley kann als Begründer der Präzisionsmessungen gelten. Er erreichte als erster sechsstellige<br />

Genauigkeit und setzte damit den Standard für Beobachtung und Rechnung für künftige Generationen<br />

(Laplace, Bessel, Gauß und Poincaré). Seine Bestimmungen der Aberration des Lichts waren<br />

der erste direkte Nachweis, daß <strong>die</strong> Erde sich um <strong>die</strong> Sonne bewgegt.<br />

Der Aberrationswinkel α ist in einfachster Näherung gegeben durch<br />

tan α = v⊥<br />

c<br />

(1.27)<br />

wobei v⊥ <strong>die</strong> Komponente senkrecht zur Visionsrichtung ist. Die Umlauf - Geschwindigkeit der Erde<br />

um <strong>die</strong> Sonne beträgt etwa 30 km s −1 , was für v/c etwa 10 −4 ergibt. Ausgedrückt als Winkel sind das<br />

20.47 ′′ . Jeder in der Bahnebene gelegene Stern beschreibt eine Linie, jeder senkrecht auf der Ekliptik<br />

stehender Stern einen Kreis mit <strong>die</strong>ser Amplitude.<br />

Die Parallaxe, auch der nächsten Sterne, ist sehr viel kleiner. Proxima Centauri hat π = 0.77 ′′ bei<br />

r = 1.3 pc Entfernung (s.u.).<br />

• ZUSATZ (ENTDECKUNG DER PLANETEN UND GENAUIGKEIT IHRER BAHNEN)<br />

Mit dem Bau immer leistungsfähigerer Teleskope, der auch heute noch nicht abgeschlossen ist, wurden immer neue Objekte<br />

entdeckt.<br />

Eine der (bis heute unbeantworteten) Urfragen (Kepler) an <strong>die</strong> Kosmogonie war <strong>die</strong> Frage, ob es eine Gesetzmäßigkeit beim<br />

Aufbau des Planetensystems der Sonne gibt. Nach dem Titius-Bode Gesetz (1772) kann man <strong>die</strong> Entfernung der Planeten<br />

von der Sonne rp durch folgende Formel beschreiben:<br />

rp(n) = 0.1 × (4 + 3 × 2 n ) AE mit n = −∞, 0, 1 . . . 7 (1.28)<br />

Dieses ’Gesetz’, das keines ist, war jedenfalls eine Orientierungshilfe beim Entdecken neuer Objekte im Sonnensystem. Es<br />

waren <strong>die</strong>s unter anderem:<br />

1. Uranus: Herschel, der größte Astronom der Neuzeit, entdeckt ihn 1781 durch Zufall.<br />

2. Piazzi in Italien entdeckt den ersten Asteroiden (Ceres). Die Anzahl von Piazzis Beobachtungen und <strong>die</strong> damalige<br />

Mathematik reichten nicht aus, um <strong>die</strong> Bahn zu bestimmen. Die Entdeckung drohte verloren zu gehen. Davon hörte<br />

Gauß und im November 1801 lieferte er <strong>die</strong> allgemeine Lösung. Der Asteroid wurde daraufhin wiedergefunden.<br />

3. Neptun wurde von Leverrier (1846) berechnet und von Galle (in Berlin) sofort gefunden.<br />

4. Pluto wurde von Lowell (1930) bestimmt und von Tombaugh entdeckt. Neuerdings wird Pluto nicht mehr zu den<br />

Planeten gezählt, er ist das größte Mitglied (Asteroid) im Kuiper Gürtel.<br />

Begleitet wurden <strong>die</strong> Himmelsbeobachtungen durch <strong>die</strong> Ausarbeitung einer Himmelsmechanik – der Lehre von der Bewegung<br />

der Himmelskörper – durch Lagrange und Laplace und ihre Schüler. Laplace konnte so aus den Störungen der<br />

Planetenbahnen <strong>die</strong> Masse der Sonne (ähnlich wie beim Mond!) direkt bestimmen. Diese Rechnungen wurden durch seine<br />

Schüler immer weiter vervollkommnet und gipfelten in der korrekten Vorhersage (Herschel hatte Uranus noch durch Zufall<br />

gefunden!) der Position zweier Planeten (aufgrund von Bahnstörungen): Neptun wurde von Leverrier (1846) berechnet und<br />

von Galle (in Berlin) sofort gefunden; Pluto wurde von Lowell (1930) bestimmt und von Tombaugh entdeckt.


1.2. LÄNGEN: RADIEN UND ENTFERNUNGEN 15<br />

Die Rechnungen Leverriers stimmten mit den Beobachtungsdaten hervorragend überein, mit einer Ausnahme: bei Merkur<br />

ergab sich eine Abweichung im Voreilen des Perihels um 43 ′′ (von insgesamt 5599 ′′ ). Leverrier vermutete daraufhin einen<br />

weiteren Planeten als Grund der Störung und berechnete seine Position (näher an der Sonne als Merkur, deshalb am besten<br />

in Absorption vor der Sonne zu beobachten). Vulkan, wie Leverrier seinen Planeten nannte, wurde nie gefunden (trotz vieler<br />

gegenteiliger Behauptungen). Daß es sich nicht um Beobachtungsfehler handelte, zeigte Einstein in seiner Arbeit (1915)<br />

’Erklärung der Perihelbewegung des Merkur aus der allgemeinen Relativitätstheorie’. Bis heute halten sich Spekulationen,<br />

daß im Sonnensystem ein zweiter unsichtbarer Stern (mit Namen Nemesis) verborgen sein könnte.<br />

In neuerer Zeit haben Oort (Oortsche Wolke) und Kuiper (Asteroidengürtel) auf das Vorhandensein weiterer Ansammlungen<br />

von Materie (Kometen Reservoir) hingewiesen.<br />

Bis 1961 waren Messungen am Asteroiden Eros, einem erst 1898 entdeckten ziegelähnlicher Brocken<br />

mit den Abmessungen 22 km (Länge) mal 6 km (Durchmesser), <strong>die</strong> genauesten, da Eros sich bis auf<br />

0.12 AE der Erde nähert. Die Reduktion der Daten zwischen 1901 und 1945 ergab π = 8.8 ′′ . Seitdem<br />

haben Radarmessungen <strong>die</strong> Genauigkeit so weit gesteigert, daß Entfernungen im Sonnensystem heute<br />

auf etwa 1 km genau sind:<br />

1AE = 149597892 km (1.29)<br />

dabei sind 1 km etwa durch <strong>die</strong> Unebenheiten der Planeten gegeben.<br />

• ZUSATZ (DATEN ZUR ERDBAHN)<br />

Für <strong>die</strong> Erdbahn ergibt sich folgendes:<br />

Periheldistanz Rp = a(1 − e) = 147 · 10 6 km; vp = 30.3 km s −1 Periheldurchgang: Anfang Januar<br />

Apheldistanz Ra = a(1 + e) = 152 · 10 6 km; va = 29.3 km s −1 Apheldurchgang: Anfang Juli<br />

Damit beträgt <strong>die</strong> lineare Dopplerverschiebung β = v/c ≈ 10 −4 .<br />

1.2.2 Die nächste Umgebung der Sonne<br />

Normalerweise versteht man unter der nächsten Umgebung der Sonne, rein phänomenologisch, <strong>die</strong>jenige<br />

Entfernung, <strong>die</strong> noch mit geometrischen Mitteln (Parallaxe) direkt bestimmt werden kann. Dazu<br />

zählten bis vor kurzem einzelne Sterne mit bis zu 25 pc Entfernung und Sternhaufen mit bis zu maximal<br />

1 kpc Distanz. Für weitergehende Entfernungsbestimmungen musste ein kompliziertes System<br />

von Eichkerzen verwendet werden. Messungen mit dem Astrometrie Satelliten Hipparcos haben hier<br />

enorme Fortschritte gebracht.<br />

Der enorme technische Forschritt, zusammen mit einigen (für den Astronomen glücklichen) Ereignissen<br />

(wie der Supernova 1987A), ermöglicht neuerdings (seit mit VLBI im radio und mit dem HST im<br />

optischen Bereich Präzisionsmessungen auf einer Skala von µas bzw. mas zu Verfügung stehen) auch<br />

kinematische Entfernungsbestimmungen bis zu 4 Mpc! Dabei wird <strong>die</strong> Expansion einer Kugel einerseits<br />

direkt über <strong>die</strong> Winkeländerung (Parallaxe), andererseits über <strong>die</strong> Dopplerverschiebung bestimmt.<br />

Die Änderung des Radius ist dann gegeben durch R = vt = ∆θd.<br />

Relevante Beispiele, wo <strong>die</strong>se Methode bereits Ergebnisse gebracht hat, sind:<br />

1. H2O-Maser (Orion, gal. Zentrum).<br />

2. Nova mit Planetarem Nebel (stingray nebula).<br />

3. Supernovae mit Supernova Überresten (SN 1987A in LMC und SN 1993J in M81).<br />

Diese erlauben mittlerweile Entfernungsbestimmungen zu ausgewählten Gebieten mit einer formalen<br />

Genauigkeit von weniger als 1% über grosse Entfernungen hinweg.<br />

Wir fassen im folgenden zunächst kurz <strong>die</strong> klassischen Ergebnisse zusammen. Betelgeuze und Rigel<br />

sind sehr bekannte Sterne im Sternbild Orion. Sie gehören zu den scheinbar und absolut hellsten Sternen<br />

unserer Milchstraße und sie werden uns noch häufiger beschäftigen.


16 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />

• ANMERKUNG (FRÜHE VORSTELLUNG VON DER ENTFERNUNG ZUM NÄCHSTEN STERN)<br />

Roger Bacon (1214 - 1294, nicht zu verwechseln mit Francis Bacon) zitiert (den arabischen Philosophen) Alfar’abi (870<br />

- 950) in seinen ’Opus Majus’, der <strong>die</strong> Entfernung zur Fixsternsphäre mit d = 130 715 000 römischen Meilen (zu 1000<br />

rechten Füßen) bestimmte. Das ist 0.2 AE, also etwa 10 −6 der Entfernung zum nächsten Stern und 10 −10 zum galaktischen<br />

Zentrum!<br />

Eine realistische Bestimmung der Entfernung zum nächsten Stern hat naturgemäß am längsten gebraucht.<br />

Die Sterne der Sonnenumgebung haben keinen gemeinsamen Ursprung. Es handelt sich also um eine<br />

zufällige Ansammlung irgendwelcher Sterne, welche sich wahllos relativ zueinander bewegen. In<br />

einigen Myr (1Myr = 10 6 Jahre) werden es ganz ande-<br />

re Sterne sein. Allerdings ist <strong>die</strong> Lage der Sonne insofern<br />

ausgezeichnet, als sie sich nur 500 pc von einem<br />

massiven Wolkenkomplex entfernt befindet (dem Orion<br />

Nebel mit dem Trapezium Komplex). Exotische Objekte<br />

wie Geminga oder massive Schnellläufer könnten von<br />

dort gekommen sein.<br />

In der nebenstehenden Tabelle bedeutet D Distanz von<br />

der Sonne; ly: Lichtjahr, 1 ly = 9.4605 · 10 17 cm (1 pc<br />

Name D π mv<br />

ly ′′ mag<br />

Sonne −26.72<br />

Proxima Cen 4.22 0.772 11.05<br />

α–Cen (A,B) 4.35 0.75 −0.01<br />

Barnards Stern 5.98 0.545 9.54<br />

Sirius 8.65 0.377 −1.46<br />

= 3.26 ly = 3.0856 · 1018 cm); und π: Parallaxe in Bogensekunden<br />

(π/1 ′′ = 1pc<br />

Arkturus 36 0.1 −0.20<br />

Wega 26 0.125 0.03<br />

). Die scheinbare visuelle Hel-<br />

D Betelgeuze 310 0.012 0.10<br />

ligkeit mv ist in Magnituden angegeben. Aufgeführt sind Canopus 600 0.006 -0.73<br />

<strong>die</strong> nächsten (mit gemessener Parallaxe) bzw. <strong>die</strong> hell-<br />

Rigel 900 0.003 0.15<br />

sten Sterne. Barnards Stern hat <strong>die</strong> größte Eigenbewegung.<br />

Mit µ = 10.25 Bogensekunden pro Jahr, was mit<br />

Tab. 1.3: Bekannte Sterne<br />

v = µ/π einer (orthogonal) Geschwindigkeit von 89 km s−1 entspricht, hat <strong>die</strong>ser Stern fast schon <strong>die</strong><br />

Geschwindigkeit von Pulsaren. Betelgeuze (α Ori) und Rigel (β Ori) sind viel langsamer und liegen<br />

im Sternbild Orion, letzterer gehört (mit vielen anderen Sternen von Kopf, Gürtel und Schwert) auch<br />

physisch zu Orion.<br />

Wega (α Lyrae) liegt im Sternbild Leier und Canopus (α Car) im Sternbild Carina. Es handelt sich um<br />

besonders leuchtstarke Sterne, Canopus hat <strong>die</strong> absolute Helligkeit von M = −8.5, was L = 105L⊙ entspricht. Wega ist nur 8 pc entfernt und wird mittlerweile als Eichstern benutzt.<br />

Betelgeuze (M = −5.28; L = 104L⊙) ist der erste Stern (außer der Sonne), dessen Radius direkt (also<br />

nicht interferometrisch oder über Spekle Interferometrie) gemessen wurde (1996, mit dem HST).<br />

Die nächsten Sterne<br />

Eine erste Vorstellung von der relativen Entfernung bekam bereits Huygens dadurch, daß er <strong>die</strong> Helligkeit<br />

der Sonne (deren Entfernung er allerdings nicht genau kannte) mit der des Sirius verglich. Dazu<br />

bohrte er Löcher in eine Messingplatte und schwächte das Sonnenlicht weiter durch eine Glasperle.<br />

Er kam so zu der Auffassung, daß Sirius etwa 27 664mal so weit entfernt sei wie <strong>die</strong> Sonne, was einer<br />

Entfernung von 1/2 Lichtjahr entspricht. Tatsächlich ist Sirius 8.8 Lichtjahre entfernt (und heller als<br />

<strong>die</strong> Sonne).<br />

Durch eine geniale (Variante der Huygenschen) Idee des schweizer Astronomen Jean-Philippe Löys de<br />

Chéseaux (1744) war es <strong>die</strong>sem möglich <strong>die</strong> Entfernung zum nächsten Stern zu bestimmen, 100 Jahre<br />

bevor Bessel eine direkte Messung gelang: <strong>die</strong> Entfernung zwischen Erde und Mars ändert sich und<br />

damit <strong>die</strong> relative Helligkeit des Mars. Chéseaux kannte D = Entfernung Erde-Mars, R = Entfernung<br />

Mars- Sonne und b = Radius von Mars. Die scheinbare Helligkeit des Mars ist dann gegeben (bei<br />

idealer Reflektion) durch<br />

f Mars = (πb 2 )<br />

�<br />

L⊙<br />

4πR2 � �<br />

1<br />

4πD2 �<br />

(1.30)


1.2. LÄNGEN: RADIEN UND ENTFERNUNGEN 17<br />

Die Gleichung ist folgendermassen zu verstehen: Wie im Abschnitt Eichung der Sternhelligkeiten ausgeführt,<br />

wird mit Leuchtkraft, L, Einheit: erg s −1 , der totale Energieverlustrate eines Sterns, L = ˙ E,<br />

bezeichnet. Bei isotroper Abstrahlung kommt im Abstand D (bei Euklidischer Geometrie) ein Strahlungsfluß<br />

f beim Beobachter an, also<br />

f = L<br />

4πD 2<br />

(1.31)<br />

Der Strahlungsfluß f (Einheit: erg cm −2 s −1 ) ist also das Maß zur Bestimmung der Leuchtkraft L des<br />

Sterns, wenn man seine Entfernung D kennt. Im Falle Sonne Mars ist der einfallende Strahlungsfluß<br />

fein also fein = L⊙/4πR 2 . Die Fläche senkrecht zum Einfall ist πb 2 . Bei idealer Refektion beträgt<br />

dann <strong>die</strong> Leuchtkraft L Mars = (πb 2 )(L⊙/4πR 2 ). Auf dem Weg zur Erde wird sie nochmals reduziert um<br />

den letzten Faktor. Setzt man <strong>die</strong>se gleich der scheinbaren Helligkeit des Sterns, f = (Ls/4πd 2 ), so<br />

folgt unter der Annahme Ls = Sternhelligkeit = Sonnenhelligkeit = L⊙ für den unbekannten Abstand<br />

d zum Stern:<br />

d = 2 RSonne−Mars<br />

DErde−Mars<br />

bMars<br />

(1.32)<br />

Chéseaux erhielt so einige Lichtjahre (in Übereinstimmung mit der wahren Entfernung der nächsten<br />

Sterne), allerdings war seine Annahme über <strong>die</strong> Leuchtkraft des nächsten Sterns nicht korrekt (gleiches<br />

gilt für den Refektionskoeffizienten des Mars). Beide Fehler heben sich in etwa auf. Die Formel von<br />

Chéseaux ist mittlerweile wieder hochaktuell, wie folgende Anmerkung zeigt.<br />

• ANMERKUNG (DIREKTER NACHWEIS VON EXTRASOLAREN PLANETEN)<br />

Der Nachweis extrasolarer Planeten beruht bisher darauf, <strong>die</strong> Dopplerverschiebung an möglichst vielen Linien des Primärsterns<br />

zu messen. Neuerdings kennt man auch Fälle, wo der Primärstern seine Planeten verschlingt (Kannibalismus).<br />

Zum direkter Nachweis von extrasolaren Planeten kann man versuchen, das am Planeten reflektierte Licht eines Primärsterns<br />

zu beobachten. In der Form<br />

fPlanet = A(πb 2 )<br />

� LStern<br />

4πR 2<br />

� �<br />

1<br />

4πD2 �<br />

wobei A der Reflexionskoeffizient (<strong>die</strong> Albedo) ist, kann <strong>die</strong> Chéseaux Formel als Grundlage <strong>die</strong>nen, zur Abschätzung der<br />

Möglichkeit, ob das reflektierte Licht eines extrasolaren Planeten direkt von der Erde aus nachgewiesen werden kann. Das<br />

Licht des Zentralsterns muß dazu ausgeblendet werden.<br />

Aus seinen Messungen konnte Bradley schließen, daß Fixsternparallaxen kleiner als 1 ′′ sein müßten.<br />

Beim Vergleich seiner Positionsbestimmungen von Sirius, Procyon und Arcturus mit denen von Hipparch<br />

stellte Halley (1718) fest, daß <strong>die</strong>se keineswegs fix sind, sondern eine Pekuliarbewegung aufweisen.<br />

• BEISPIEL (STERNE MIT GROSSER PEKULIARBEWEGUNG)<br />

Die größte Pekuliarbewegung (also meßbare Parallaxe) haben<br />

1. Kapteyns Stern (D = 4 pc) hat 8 ′′ , 89 yr −1 (entspricht v = 245 km s −1 und<br />

(1.33)<br />

2. Barnards Stern (D = 1.5 pc) hat 10 ′′ , 3 yr −1 (entspricht v = −108 km s −1 . Es handelt sich hierbei um Schnellläufer.<br />

Es handelt sich hiebei um besonders nahe Sterne.<br />

Pulsare sind schnell, allerdings nicht unbedingt nah. Der Pulsar PSR J0633+1746 (Geminga) ist der nächst gelegene (Entfernung<br />

D = 157 pc) γ−ray Pulsar mit einer Periode von P = 237 ms und einem formalen Alter von 30 kyr. Seine<br />

Pekuliarbewegung ist messbar<br />

µα = 0.138 ′′ yr −1 , µδ = 0.097 ′′ yr −1<br />

Die Pekuliargeschwindigkeit beträgt damit v = 122 km s −1 .


18 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />

Auf dem Wege zur Parallaxenbestimmung wurden auch noch eine Klasse besonders wichtiger Sterne<br />

entdeckt: <strong>die</strong> Doppelsterne (bzw. Mehrfach - Sternsysteme). Erstmals beschrieben wurde mit<br />

Omikron Ceti (1596) von David Fabricius ein<br />

veränderlicher Stern. Riccioli löste 1650 Mizar<br />

Daten zu Algol (βPer)<br />

(Zeta Ursae Majoris, der vorletzte Stern in der Parameter Primärstern Begleiter<br />

Deichsel des grossen Wagens) in zwei Kom- Masse 6.54·10<br />

ponenten auf (was Indianer Nordamerikas mit<br />

blossem Auge konnten und als Sehtest benutzten).<br />

Der im Jahre 1667 von dem Bologneser Astronomen<br />

Gemiani Montanari als veränderlich beschriebene<br />

Algol (Beta Persei) wurde 1782 von<br />

John Goodricke als Kurzzeit Bedeckungsveränderlicher<br />

33 g 1.64·1033 g<br />

Radius 2.51·1011 cm 2291·1011 cm<br />

Sp Typ B8V K2III<br />

Leuchtkraft 5.95·1035 erg s−1 2.44·1034 erg s−1 Rotationsperiode 2.8673 d 2.8673 d<br />

Abstand 1.02·1012 cm; Orbitalperiode 2.8673 d<br />

Tab. 1.4: Algol<br />

(Periode: 2.86 Tage, Dauer der Bedeckung: 9.8 Stunden) erkannt. Ein weiteres Jahrhundert verging,<br />

bis man seiner Deutung Glauben schenkte.<br />

Heute weiß man, daß Algol ein Tripel System ist, der dritte Stern hat eine Periode von 1.9 Jahren.<br />

Algol ist ein wichtiger Vertreter und Namensgeber für aktive halbgetrennte Systeme, da es ein naher<br />

Bedeckungsveränderlicher ist. Alle Bahnparameter können sehr genau bestimmt werden. Algol ist sogar<br />

ein Radio und Röntgen Stern, mit starken Ausbrüchen in beiden Frequenzbereichen (etwa alle zwei<br />

Bahnumdrehungen). Die Änderungen im optischen kommen dagegen rein geometrisch zustande. Die<br />

Röntgenleuchtkraft beträgt im Maximum eines Ausbruchs LX = 3 · 1032 erg s−1 gesamten Leuchtkraft des Begleiters, Algol B.<br />

, das sind 1% der<br />

Wir wollen das Doppelsternsystem Alcor (arab: das Reiterchen) und Mizar genauer betrachten. Das<br />

menschliche Auge kann Winkel von 1’ gerade noch auflösen. Bei genauerer Analyse mit dem Teleskop<br />

stellt sich heraus, daß <strong>die</strong> beiden Sterne nur zufällig zusammenstehen (Zufallsprojektion). Es handelt<br />

sich um einen optischen Doppelstern (optical double) oder optisches Binärsystem (Abstand 11’).<br />

Mizar ist allerdings dennoch, wie man im Teleskop entdeckt, ein enges Doppelsternsystem, bestehend<br />

aus Mizar A und Mizar B. Hier können beide Komponenten getrennt und spektroskopiert werden, es<br />

handelt sich um ein visuelles Doppelsternsystem (Abstand 14”5, Periode 3 kyr). Schaut man sich <strong>die</strong><br />

Dopplerverschiebung genauer an, dann ist jeder der beiden nochmals ein Doppelsternsystem (Periode<br />

von Mizar A 20.5 d)). Da der Begleiter hier nur über <strong>die</strong> Dopplerverschiebung erkennbar ist, handelt<br />

es sich um ein spektroskopisches Doppelsternsystem. Insgesamt handelt es sich demnach ein hierarchisches<br />

Quadrupelsystem und falls Alcor dazu gehört (gleiche Geschwindigkeit), dann sogar um ein<br />

in Auflösung begriffenes Quintupel.<br />

Aufgrund statistisch korrekter Überlegungen interpretierte J. Michell 1767 solche und viele andere<br />

als physische Doppelsterne, d. h. gravisch gebundene Systeme. Von Christian Mayer wurden <strong>die</strong>se<br />

ab 1777 systematisch beobachtet (welche er in einem Katalog mit 80 sogenannten ’Fixsterntrabanten’<br />

veröffentlichte), aber niemand glaubte daran, insbesondere William Herschel (der bedeutendste<br />

Beobachter der Neuzeit) nicht.<br />

Aufgrund 25-jähriger Beobachtungen (um <strong>die</strong> jährliche Parallaxe der erdnächsten zu bestimmen) wurde<br />

Herschel 1803 zu der Erkenntnis gezwungen, daß es sich bei vielen scheinbar zusammenstehenden<br />

Sternen tatächlich um physische (d. h. gravisch gebundene) Doppelsterne handelte. So konnte er an<br />

Castor (α Geminorum) <strong>die</strong> Separation von 4, ′′ 58 direkt messen und ihre zeitliche Änderung feststellen.<br />

Damit war <strong>die</strong> Existenz von Doppelsternen etabliert. Mittlerweile kennt man schon Doppelsterne<br />

mit Planeten.<br />

Bessel hat dann 1839 an 61 Cygni <strong>die</strong> erste Parallaxenbestimmung vorgenommen, mit dem Ergebnis<br />

π = 0.296 ′′ . Solche Messungen benutzen <strong>die</strong> Erdbahn als Grundlinie (1 AE = 1.5·10 13 cm) und sind<br />

Relativmessungen (bezogen auf <strong>die</strong> Fixsterne).


1.2. LÄNGEN: RADIEN UND ENTFERNUNGEN 19<br />

• ANMERKUNG<br />

Um <strong>die</strong> Leistung von Bessel zu ermessen, mache man sich folgendes klar: Das theoretische Auflösungsvermögen eines<br />

Teleskops mit Durchmesser D beträgt für Licht der Wellenlänge λ:<br />

Θmin = 1.22 λ<br />

D und 1′′ =<br />

2π<br />

360 · 60 · 60 =<br />

1<br />

≈ 4.85 · 10−6<br />

206 265<br />

also können auch <strong>die</strong> größten Teleskope (D = 10 m) bei einer Wellenlänge von λ = 5000 ˚A = 5 · 10 −5 cm bestenfalls<br />

Θmin ≈ 10 −7 ≈ 0.02 ′′ auflösen. Die Auflösung des HST (D = 2.4 m) beträgt 0.1”, im UV 0.05”.<br />

Dabei setzt <strong>die</strong> (Turbulenz der) Erdatmosphäre eine Grenze – das sog. seeing – von 0.01 ′′ für kurzzeitige Beobachtung und<br />

von 1 ′′ für lange Zeiten). Um <strong>die</strong> Parallaxe von 61 Cyg zu messen, benötigt man ein Teleskop mit 35 cm Durchmesser.<br />

Tatsächlich kann man man Winkel natürlich nicht mit absoluter Genauigkeit messen, sondern nur relativ zu echten Fixsternen<br />

und zwar mit einem Mikrometer im Strahlengang. Man benötigt also einen Fundamentalkatalog, dessen Positionen<br />

vorher durch Sterndurchgang bestimmt wurden.<br />

Umgekehrt würde ein Stern mit Radius 1 AE (roter Riese) im Teleskop auf 1” abgebildet, falls er 1 Parsec entfernt ist. Der<br />

nächste rote Riese ist allerdings 100 pc entfernt (Betelgeuze = α Ori im Sternbild Orion), somit kann man Sterne gerade<br />

(von der Erde aus) nicht auflösen, sie sind Punktquellen. Mit Interferometrie oder mit dem HST ist das aber möglich.<br />

Es ist in der Astronomie üblich, <strong>die</strong> Namen von Objekten, <strong>die</strong> (wie <strong>die</strong> Sterne) nicht aufgelöst werden können mit der<br />

Endsilbe ar zu versehen: Quasar, Pulsar, Blasar . . .<br />

Dabei ist ein Pulsar (oder Magnetar) wirklich ein Stern (dazu noch mit Radius 10 km), ein Quasar (oder Blasar) jedoch eine<br />

Galaxie in kosmologischer Entfernung.<br />

Als neue Grundeinheit haben wir so das Parsec, pc, (Parallaxen Sekunde).<br />

Ein Parsec ist <strong>die</strong> Entfernung unter der <strong>die</strong> Astronomische Einheit, AE, (also der Bahnradius!)<br />

unter einem Winkel πo von einer Bogensekunde erscheint:<br />

sinπo = AE/pc = 1/206 265<br />

Der Wert 1 pc = 3.0856·10 18 cm entspricht 3.26 Lichtjahre.<br />

Erscheint umgekehrt der Durchmesser D eines Objekts unter einem Winkel α Bogensekunden und<br />

kennt man <strong>die</strong> Entfernung d, dann gilt zunächst<br />

D = αd<br />

206 265<br />

oder in Parsec, Astronomischen Einheiten und Bogensekunden<br />

D<br />

pc<br />

= 2α d<br />

AE<br />

Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts war eine Bogensekunde <strong>die</strong> Auflösungsgrenze der Teleskope und<br />

demnach <strong>die</strong> Entfernung der allernächsten Sterne gerade messbar. Der nächste Stern, Proxima Centauri,<br />

ist 270.000 AE von der Sonne entfernt!<br />

Zur Bestimmung der Parallaxe eines Sterns wird <strong>die</strong>ser im Abstand von 1/2 Jahr fotografiert, und seine<br />

Position mit echten Fixsternen (d. h. sehr weit entfernten Sternen) verglichen. Die besten (langbrennweitigen)<br />

Instrumente bilden immer noch mehr als 13 ′′ pro Millimeter ab, sodaß <strong>die</strong> Auflösung bei<br />

0.04 ′′ (entsprechend 25 pc) liegt. Die scheinbare Eigenbewegung senkrecht zur Blickrichtung erhält<br />

man nach mehreren Jahren, während <strong>die</strong> Radialgeschwindigkeit mithilfe des Dopplereffekts gemessen<br />

werden kann.<br />

Damit erhält man ein vollständiges Bild der Dynamik der (sichtbaren) Sterne in Sonnennähe. Unter<br />

den 5776 mit blossem Auge sichtbaren Sterne sind weniger als 400 sonnennah (Entfernung < 25 pc).<br />

Mehr als <strong>die</strong> Hälfte aller (entdeckten) Sterne in Sonnenumgebung sind Doppelsterne, viele Begleiter<br />

sind Weiße Zwerge.<br />

Die beiden Sterne mit den größten Eigenbewegungen sind nicht nur nah sondern auch noch besonders<br />

schnell (Schnellläufer = engl. runaway stars). Es stellt sich damit <strong>die</strong> Frage, wieviel sonnennahe Sterne<br />

gibt es wirklich, d. h. wieviele hat man bis jetzt übersehen (Dunkelsterne)?<br />

(1.34)


20 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />

Synopsis: Sonnennahe Sterne<br />

Sonnennahe Sterne sind seit der Entdeckung von Planeten um einige von ihnen wieder von besonderem<br />

Interesse. Dabei muß berücksichtigt werden, daß es sich bei <strong>die</strong>sen nur um Sterne mit nachweisbaren<br />

(also hinreichend massiven und kurzperiodischen) Trabanten handelt. Typische Abstände sind 10 pc<br />

und mehr, der nächste ist Gliese 876 in einer Entfernung von 4.7 pc (der erste, 51 Peg, ist 15.4 pc<br />

entfernt).<br />

Name Entfernung Helligkeit Farbindex Spekt.Typ<br />

Bezeichnung Lichtjahr mv Mv B-V<br />

zum Vergleich<br />

Sonne 1.5 · 10 −5 -26.72 4.85 0.65 G2<br />

Mond -12.7<br />

Venus -4.07<br />

Die nächsten Sterne<br />

Proxima Centauri 4.22 11.05 15.49 1.97 M5<br />

α–Centauri A † 4.35 −0.01 4.37 G2<br />

α–Centauri B † dito 1.33 5.71 K6<br />

Barnards Stern 5.98 9.54 13.22 M5<br />

Die hellsten (mv) Sterne der Galaxis<br />

Sirius A ‡ 8.65 −1.46 1.4 0.00 A1<br />

Sirius B ‡ DA<br />

Canopus 200 −0.73 −4.6 F0 I<br />

Arkturus 36 −0.06 0.1 K0<br />

Wega 26 0.03 0.5 0.00 A0<br />

Rigel 900 0.1 −7.0 B8<br />

Deneb 1800 1.26 −7.2 A2<br />

Die historisch ersten Parallaxen<br />

π/ ′′ Entdecker Jahr<br />

61 Cygni 11.2 5.2 0.29 Bessel 1838<br />

Wega 26 0.03 0.12 Struve 1839<br />

α–Centauri 4.35 -0.01 0.76 Henderson 1840<br />

Die größten Eigenbewegungen<br />

π( ′′ /y) v(km/s)<br />

Kapteyns Stern 12.7 8.8 0.256 8.89 245 ♯<br />

Barnards Stern 5.98 9.54 0.552 10.31 −108 ♯<br />

† : Doppelstern; ‡ Weißer Zwerg Begleiter: ♯ : Schnellläufer (runaway)<br />

Der Stern Wega (alternative Bezeichnungen: α Lyrae = BD +38 3238 = HD 172 167) ist ein wichtiger<br />

Eichstern. Er wird später noch genauer betrachtet.<br />

Castor (α Geminorum), einer der hellsten Sterne der Galaxis, ist ein 6faches Sternsystem. Es handelt<br />

sich dabei um ein hierarchisches Tripelsystem. Die beiden hellsten Komponenten laufen mit einer


1.2. LÄNGEN: RADIEN UND ENTFERNUNGEN 21<br />

Periode von etwa 300 Jahren umeinander, und um <strong>die</strong>se läuft <strong>die</strong> dritte Komponente in 10 000 Jahren<br />

um. Jede <strong>die</strong>ser Komponenten ist selbst wieder ein Doppelstern.<br />

Vermutlich handelt es sich hier, wie zuerst von Ambartzumian diskutiert, um ein Überbleibsel von einem<br />

offenen Sternhaufen. Die Erzeugung solcher hierarchischer Multisysteme ist sehr selten, normalerweise<br />

laufen solche Sternsysteme nach einigen Myr auseinander, wie Komputersimulationen gezeigt<br />

haben (s. Trapezium Sterne).<br />

Betelgeuze (α Ori) im Sternbild Orion<br />

Ein Stern von beträchtlichem Interesse ist der Rote Überrriese Betelgeuze (engl: Betelgeuse). Er liegt<br />

im Sternbild Orion und bildet den Schulterstern des Jägers (gr. Orion). Direkt messbar sind <strong>die</strong> folgenden<br />

klassischen Daten:<br />

1. Koordinaten (1900) : α = 5 h 49.8, δ = 7 ◦ 7 ′ .23. Liegt räumlich vor Orion.<br />

2. Parallaxe. Sie beträgt π = 0.047 ′′ , was eine Entfernung von d = 100 pc liefert.<br />

3. Eigengeschwindigkeit. Es ist µ = 0.032 ′′ yr −1 , oder v = µd = 15 km s −1 .<br />

4. Die scheinbare Helligkeit beträgt mV = 0.7. (MV = −4.1).<br />

Neu sind <strong>die</strong> folgenden beobachteten Eigenschaften des Sterns selbst. Alle Parallaxen werden wir hier<br />

in mas (MilliArcSec) angeben. Im UV ( λ = 2 550 ˚A) kann das HST <strong>die</strong> Chromosphäre auflösen. Der<br />

Durchmesser beträgt 113 mas. Gleiches gilt für Radiobeobachtungen mit dem VLA (Beamsize: 45<br />

mas, bei λ = 7 mm). Bei einer Entfernung von D = 100 pc ist das ein Radius von 370 R⊙ (Marsbahn).<br />

Die Chromosphäre reicht (im UV) sogar bis 800 R⊙ (Jupiterbahn).<br />

Die Leuchtkraft beträgt (Entfernung D = 100 pc) L = 10 4 L⊙ oder (MV = −4.1), <strong>die</strong> Oberflächentemperatur<br />

ist 3200 Kelvin. Der Stern ist deutlich deformiert, und zwar ist er in einfachster<br />

Näherung eine Ellipse. Er zeigt (für sein geschätztes Alter extrem) starken Massenverlust, <strong>die</strong> Rate<br />

beträgt ˙ M = 2 · 10 −7 M⊙ yr −1 . Der Stern oszilliert, der Anregungsmechanismus dafür ist unbekannt.<br />

Die spektroskopische Klassifizierung ist M2 Iab. Die aktuelle Masse kann damit zu M = 9M⊙ abgeschätzt<br />

werden. Nach Modellrechnungen von I. Iben braucht ein solcher Stern 21 Myr bis zum<br />

Verlassen der Hauptreihe und nochmals 0.6 Myr bis zur Entwicklung des Roter Riese Stadiums in dem<br />

er sich jetzt befindet. In 27 Myr kann Betelgeuze mit 15 km s −1 = 15 pc Myr −1 bequem <strong>die</strong> Differenz<br />

zwischen 500 pc (Entfernung zu Orion) und aktueller Entfernung D = 100 pc zurücklegen.<br />

Orion (der Jäger) enthält vermutlich vier Generationen von Sternen:<br />

1. Betelgeuze (α Ori) und andere, <strong>die</strong> Orion bereits verlassen haben. Alter etwa 30 Myr.<br />

2. Rigel (β Ori, blauer Riese) und <strong>die</strong> drei Gürtelsterne (δ, ɛ und ζ Ori) und viele andere haben ein<br />

geschätztes Alter von etwa 5 Myr.<br />

3. Die Schnellläufer (engl. runaway stars) µ Columbae, AE Aurigae und 53 Arietis sind (nach<br />

Blauw) vor etwa 3 Myr aus Orion hervorgegangen. Die Pekuliargeschwindigkeiten betragen bis<br />

zu 200 km s −1 . Nach einem Vorschlag von Zwicky könnten sie aus einem engen Vielfachsystem<br />

nach einer Supernova Explosion hervorgegangen sein.<br />

4. θ 1 Orionis (im Schwert) ist der hellste der vier Trapezium Sterne. Alter etwa 2 Myr. Auflösung<br />

des Systems in einigen Myr.<br />

Sterneigenbewegung und<br />

der Local Standard of Rest<br />

Betrachtet man <strong>die</strong> Sterne der Sonnenumgebung, so kann man keinerlei physikalische Gemeinsamkeiten<br />

feststellen. Es handelt sich also um eine zufällige Begegnung irgendwelcher Sterne, welche sich<br />

wahllos relativ zueinander bewegen.


22 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />

Daß sich <strong>die</strong> Sonne relativ zu weit entfernten Sternen (Fixsterne) bewegt, hat als erster (1783) W.<br />

Herschel gemessen. Sein Ergebnis wurde von Argelander in Bonn (1837) anhand eines viel umfangreicheren<br />

Materials bestätigt. Typische Eigengeschwindigkeiten belaufen sich auf 30 km/sec oder 30<br />

pc/Myr (relativ zur Sonne), sodaß <strong>die</strong> Sterne der Sonnenumgebung nach etwa einer Million Jahre ganz<br />

andere sein werden.<br />

In einer Kugel mit dem Radius 5 pc um <strong>die</strong> Sonne als Zentrum sind bisher 62 Objekte entdeckt: nämlich<br />

32 Einzelsterne, 12 Doppelsterne und 2 Tripelsterne. Dem entspricht eine Anzahldichte von 0.12 Sterne<br />

pro pc 3 . Schätzt man deren Massen (s.u.), dann erhält man für <strong>die</strong> lokale, gesehene Massendichte etwa<br />

ρlokal = 0.1M⊙pc −3 . Der Literaturwert der gesehen Masse beträgt<br />

ρlum = 0.09M⊙ pc −3<br />

Der beste Wert der von Hipparcos (aufgrund der Stellardynamik sonnennaher Sterne) ermittelt wurde<br />

ist sogar kleiner: ρdyn = 0.076M⊙ pc −3 . Dem entspricht in cgs Einheiten ρ = 10 −23 g cm −3 , was (mit<br />

einem mittleren Molekulargewicht von µ = 2 · 10 −24 ) eine <strong>Teil</strong>chendichte von n = 5 cm −3 ergibt.<br />

ρdyn = 10 −23<br />

g cm −3 , ndyn = 5 cm −3 (1.35)<br />

Der Wert vor Hipparcos war ρdyn = 0.12M⊙ pc −3 , sodaß 30% Dunkelmaterie bereits in allernächster<br />

Sonnenumgebung impliziert wurde.<br />

Da nun <strong>die</strong> Sonne kein ausgezeichneter Stern ist, legt <strong>die</strong>s nahe, ein lokales Ruhsystem zu definieren<br />

(local standard of rest, LSR). Dazu werden besonders ausgewählte, sonnennahe Sterne herangezogen<br />

und ihr Geschwindigkeitschwerpunkt als LSR genommen. Im LSR hat <strong>die</strong> Sonne eine Pekuliargeschwindigkeit<br />

von 20 km s −1 . Der Wert, der vom Satelliten Hipparcos neuerdings ermittelt wurde, ist<br />

(nur unwesentlich) kleiner: 14 km s −1 .<br />

Sterne mit Planeten<br />

Wenn es stimmt, daß Einzelsterne Planeten benötigen, in denen (wie bei der Sonne) der Drehimpuls<br />

gespeichert wird, dann sollte es um alle (Einzelsterne) Trabanten geben. Eventuell werden bei der<br />

Bildung einige das System verlassen (interstellare Planeten). Wie können <strong>die</strong>se nachgewiesen werden?<br />

Aktuelle Grundlage zum Nachweis extrasolarer Planeten ist der Dopplereffekt. Über <strong>die</strong> statistische<br />

Messung sehr vieler Linien und ihrer Dopplerverschiebung kann man damit noch Massen bis zu einer<br />

halben Jupitermasse herab bestimmen. Entdeckt werden mittlerweile immer mehr (27 Sterne mit<br />

Planeten, 2 Pulsare und 3 Sterne mit Planet und Staubscheibe. Stand: 22 Okt. 1998).<br />

Es stellt sich dann, bei so vielen positiven Entdeckungen, <strong>die</strong> Frage, ob es auch Sterne ohne Planeten<br />

gibt. Die Antwort ist ja, bei 21 Sternen (mit gleicher Methode) konnten keine Dopplerverschiebung<br />

gefunden werden. Das heißt aber nicht, daß hier keine sind. Zur Erinnerung: absence of evidence is not<br />

evidence of absence!<br />

Synopsis: Die lokale Entfernungsskala<br />

Die Griechen um 300 BC hatten bereits das richtige, nämlich ein heliozentrisches, Weltbild. Die Entfernungen<br />

stimmten allerdings nicht.<br />

Aristarch nahm <strong>die</strong> Entfernung zur Sonne (AE: Astronomische Einheit) zu 20 EM (Entfernung<br />

Erde-Mond) an. Bei Archimedes ist um 215 BC <strong>die</strong> Sonne im Zentrum eines statischen, sphärischen


1.2. LÄNGEN: RADIEN UND ENTFERNUNGEN 23<br />

Universums. Erde und Planeten umkreisen <strong>die</strong><br />

Sonne, <strong>die</strong> Sterne sind fest. Eratosthenes misst<br />

den Durchmesser der Erde. Damit gibt es erstmals<br />

eine natürliche Länge in <strong>die</strong>ser Kosmologie.<br />

Der Grund, warum das richtige Modell<br />

wieder aufgegeben wurde, war das Fehlen einer<br />

messbaren Parallaxe, d. h. <strong>die</strong> vollkommen<br />

falschen Vorstellungen von den wahren Entfernungen.<br />

Dies ändert sich erst für <strong>die</strong> Entfernung<br />

zur Sonne (AE) mit Christian Huygens<br />

und Ole Römer (1650) und für <strong>die</strong> Entfernung<br />

zum nächsten Stern mit Friedrich Wilhelm<br />

Bessel (1839).<br />

In der zusammenfassenden Tabelle bedeuten:<br />

RE: Radius der Erde (6.378 km), EM: Entfernung<br />

Erde-Mond (60.3 RE), AE: Astronomische<br />

Einheit (23.455 RE = 390EM), pc: Par-<br />

sec als Maß zu den nächsten Sternen (206.265<br />

Die lokale Entfernungsskala<br />

Jahr Autor RE EM AE pc<br />

-300 Aristarch 0.5 0.05<br />

-250 Eratosthenes 0.95<br />

-140 Hipparchos 1.1 0.9<br />

140 Ptolemäus 0.95 1.05 0.05<br />

1250 Bacon 10 −8<br />

1532 Kopernicus 0.95 1.05 0.06<br />

1596 Kepler 0.95 1.04 0.12<br />

1650 Huygens 1 0.13<br />

1671 Picard 0.9999<br />

1673 Cassini 0.99 0.98<br />

1744 Chéseaux 0.9<br />

1835 Encke 0.99 0.99<br />

1839 Bessel 1.01<br />

Tab. 1.5: Entfernungs<br />

AE). Angegeben ist der Quotient f := (damaliger Wert/heutiger Wert).<br />

Hipparchos kann bereits Sonnenfinsternisse berechnen (129 BC). Die Fixsterne werden erstmals von<br />

Hipparchos katalogisiert. Ptolomäus führt <strong>die</strong>se Arbeit fort. Sein Katalog enthält etwa 1000 Sterne.<br />

Er (oder aber bereits Hipparchos, so klar ist das nicht) führen wieder das geozentrische Weltbild ein,<br />

welches von Aristoteles favorisiert wird und welches bis Kopernikus bestehen bleibt.<br />

Das Weltbild des Kopernikus (mit Epizyklen) wird von Galilei populär gemacht, Alternativmodelle<br />

stammen von Tycho Brahe (geozentrisch, <strong>die</strong> anderen Planeten umkreisen jedoch <strong>die</strong> Sonne) und<br />

Johann Kepler (heliozentrisch, Ellipsenbahnen). Ein wichtiger Punkt betrifft <strong>die</strong> Bewegung der Himmelskörper.<br />

Nach Aristoteles kommt ein Körper (vermittels Reibung) zum Stillstand. Damit <strong>die</strong>s nicht<br />

geschieht, muß also ständig eine Kraft wirken (und Arbeit leisten). Galilei fand mit seinen Roll und<br />

Gleitexperimenten heraus, daß ein reibungsfreier Körper sich stetig bewegt. Dies ist Grundlage für<br />

Newtons erstes (Bewegungs) Axiom. Es lautet:<br />

Jeder Körper beharrt in seinem Zustand der Ruhe oder der gleichförmigen Bewegung,<br />

wenn er nicht durch einwirkende Kräfte gezwungen wird, seinen Zustand zu ändern.<br />

Zu Newtons Zeit gab es drei wichtige, rivalisierende Weltmodelle: das von Descartes (Wirbel), von<br />

Leibniz (Monaden) und Newton (Fernwirkung). Alle enthielten explizit Gott als Schöpfer und Lenker.<br />

Insbesondere Leibniz meinte, daß <strong>die</strong>se Welt <strong>die</strong> beste aller möglichen Welten sei (worüber Voltaire<br />

sich in senem Candide lustig macht). Bei Newton ist Gott nur noch dafür zuständig, dafür zu sorgen,<br />

daß seine Schöpfung nicht in Unordnung gerät. Seine Aufgabe bestand darin, von Zeit zu Zeit<br />

einzugreifen, um Feinreparaturen vorzunehmen.<br />

Kant und Laplace waren <strong>die</strong> ersten Weltenschöpfer, <strong>die</strong> ohne Gott auskamen (Urnebel Hypothese). Die<br />

Abplattung der Milchstraße erklärten sie mit der Rotation der Galaxis (in Analogie zum Sonnensystem).<br />

Auf <strong>die</strong> Frage Napoleons, wo denn in seiner Welt Gott vorkomme, antwortet Laplace mit den Worten:<br />

Diese Annahme benötige ich nicht, Sire und von Kant stammt der Ausspruch: Gebt mir Materie und<br />

ich will euch <strong>die</strong> Welt daraus machen.<br />

Bis zum 18ten Jahrhundert gab es keinen Anlaß zu glauben, das Universum als Ganzes (Sterne inklusive)<br />

sei nicht statisch (Newtons kosmisches Ruhsystem bzw. sein absoluter Raum, dessen Existenz er<br />

mit dem Eimerversuch nachwies). W. Herschel war der erste, der in der Lage war, Eigenbewegungen


24 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />

von Sternen zu messen. Und das nur, weil er nicht glauben konnte, daß es Doppelsterne gibt, wie von<br />

Michell behauptet. Die Expansion des Weltalls wurde von Hubble um 1930 etabliert (allerdings um 1<br />

dex zu schnell) und wird heute Hubble Flucht genannt. Die logische Konsequenz <strong>die</strong>ser Fluchtbewegung<br />

ist der Urknall: vor etwa 10 Gyr war das Universum sehr klein (und sehr heiß).


1.2. LÄNGEN: RADIEN UND ENTFERNUNGEN 25<br />

1.2.3 Die Milchstraße, unsere Heimat-Galaxie<br />

Was <strong>die</strong> Sonne für <strong>die</strong> Erde und <strong>die</strong> Milchstraße für <strong>die</strong> Sonne, das ist der Virgo Haufen für <strong>die</strong> Milchstraße<br />

bzw. für <strong>die</strong> gesamte Lokale Gruppe. Dabei liegen wir ziemlich am Aussenrand (20 Mpc entfernt)<br />

und das gravische Zentrum des Virgo Haufens ist vermutlich nicht allein für <strong>die</strong> Anziehung<br />

verantwortlich: eine ’Grosser Attraktor’ genannte (aber nicht gesehene) Massenkonzentration in Richtung<br />

Hydra-Centaurus Superhaufen in etwa 50 Mpc Entfernung liefert einen wesentlichen Anteil. Der<br />

Grosse Attraktor wird später noch genauer besprochen.<br />

Die Milchstraße und <strong>die</strong> Andromeda Galaxie (M31) sind <strong>die</strong> zentralen Objekte der Lokalen Gruppe<br />

(Abstand der Zentren: etwa 770 kpc; Relativgeschwindigkeit der Zentren: etwa −120 km s −1 ; für den<br />

LSR ist vpec = −299 km s −1 ). Diese selbst besteht aus mehr als 40 (meist leuchtschwachen) Zwerggalaxien<br />

und befindet sich am Rande des Virgo Haufens, der von der Zentralgalaxie M87 (Abstand etwa<br />

20 Mpc) dominiert wird. Die wichtigsten (d. h. hellsten und massivsten) Begleiter der Milchstraße sind<br />

<strong>die</strong> Große Maghellansche Wolke und <strong>die</strong> Kleine Maghellansche Wolke. Ihnen entspricht bei der Andromeda<br />

Galaxie das Paar M33 (entspricht LMC) und M32 (gleicht SMC). Die beiden Zentren (von<br />

Milchstraße und M31) bewegen sich auf langgestreckten Ellipsen (oder auf Hyperbeln?) aufeinander<br />

zu, vermutlich ein Indiz dafür, daß das System noch nicht relaxiert ist (Kreisbahn).<br />

Da sich in den Zentren einiger (eventuell aller) Galaxien je ein supermassives Schwarzes Loch befindet,<br />

welches in einigen Frequenzbereichen direkt nachgewiesen werden kann, ist <strong>die</strong> Entfernung<br />

(langfristig jedenfalls) sehr genau bestimmbar.<br />

Neben der Milchstraße (mit M = 2.6 · 10 6 M⊙) sind NGC 205 und M32 <strong>die</strong> bisher besten Schwarz-<br />

Loch-Kandidaten mit vergleichbarer Masse.<br />

Das Zentrum vom Virgo Haufen wird von M87 gebildet, der massivsten Galaxie mit M = 3 · 10 13 M⊙<br />

Dunkelmaterie. Diese E0 Galaxie (M87 = NGC 4486 = Virgo A) enthält im Zentrum den bisher<br />

massivsten, galaktischen Schwarz-Loch-Kandidaten mit einer Masse von M = 5 · 10 9 M⊙. M87 ist<br />

damit <strong>die</strong> bisher einzige Galaxie im Virgo Haufen, <strong>die</strong> früher einmal ein Quasar gewesen sein kann.<br />

Neuere Ergebnisse der Entfernungsbestimmung im Überblick<br />

Die Andromeda Galaxie (M31), <strong>die</strong> Große Maghellansche Wolke (LMC) und <strong>die</strong> Kleine Maghellansche<br />

Wolke (SMC) bilden, zusammen mit der Entfernung zum Zentrum der Milchstraße, <strong>die</strong> Grundlage<br />

für <strong>die</strong> Eichung der wichtigsten Längenskalen bis hinaus in den gesamten Kosmos.<br />

Diese Skala, <strong>die</strong> auf den lokalen Eigenschaften der Sterne (UnterZwerge) unserer Umgebung beruht,<br />

wird <strong>die</strong> kurze Entfernungsskala genannt, <strong>die</strong> lange benutzt <strong>die</strong> Eigenschaften der RR Lyrae Sterne<br />

(und damit <strong>die</strong> Entfernung zur LMC).<br />

Im Gegensatz dazu gibt es <strong>die</strong> kosmologische Entfernungsskala, <strong>die</strong> Eigenschaften von Objekten grosser<br />

Rotverschiebung (und demnach früherer Entstehung) benutzt, welche jedoch wieder in unserer<br />

Umgebung geeicht werden (Cepheiden in Virgo, Supernovae vom Typ Ia).<br />

Die Messungen des Astrometrie Satelliten Hipparcos und Beiträge des HST (Hubble Space Teleskop)<br />

haben <strong>die</strong>se auf eine neue, gut gesicherte Basis gestellt, mit dem Fazit: <strong>die</strong> lokalen Entfernungen sind<br />

um 10 % größer als Vor-Hipparcos Bestimmungen, <strong>die</strong> Alter der Kugelsternhaufen um 10 % jünger<br />

(nämlich etwa 13 Gyr).<br />

Die wichtigsten Daten sind:<br />

DGC = 8 kpc, Entfernung zum Galaktischen Zentrum<br />

und als neue, gesicherte Eichstandards <strong>die</strong> Entfernung zu den Maghellanschen Wolken<br />

DLMC = 50 kpc, DSMC = 57 kpc<br />

und zur Andromeda Galaxie (M31)


26 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />

DM31 = 770 kpc.<br />

• ZUSATZ (MASSIVE SCHWARZ-LOCH-KANDIDATEN IM ZENTRUM EINER GALAXIE)<br />

Die Kugelsternhaufen einer Galaxie zeigen eine Konzentrationszunahme zu ihrem Zentrum hin. Die Anzahldichte fällt mit<br />

dem Abstand vom Zentrum, r, wie r−3 ab. Gleiches gilt für Sterne der Population II und für Röntgenquellen.<br />

Es ist wahrscheinlich, daß das Zentrum der Galaxie und <strong>die</strong> Kugelsternhaufen zusammen enstanden sind (nach einem Modell<br />

entsteht der Bulge (zentrale Auswölbung) sogar aus der Verschmelzung<br />

solcher Kugelsternhaufen). Ursprünglich nahm man deshalb an, daß<br />

<strong>die</strong> Zentren der Andromeda Galaxie und der Milchstraße nur alte Sterne<br />

enthalten, ganz so, wie <strong>die</strong> Kugelsternhaufen. Eine Korrelation zwischen<br />

Schwarz-Loch-Kandidaten, Masse einer<br />

Galaxie und Zahl ihrer Kugelsternhaufen<br />

den drei in der nebenstehenden Liste aufgeführten Parametern wäre dann<br />

verständlich.<br />

Die Liste von massiven Schwarz-Loch-Kandidaten im Zentrum einer Galaxie<br />

zeigt, daß <strong>die</strong> Anzahl der Kugelsternhaufen korreliert ist mit der<br />

Name<br />

M87<br />

gal. Masse<br />

M⊙<br />

2 · 10<br />

SLK Masse<br />

M⊙<br />

N<br />

KGH<br />

Masse der gesamten Galaxie und mit der Masse des zentralen Schwarzen<br />

Lochs. Die in der Liste zugrunde gelegte Anzahl an Kugelsternhaufen<br />

bezieht sich auf <strong>die</strong> nach einheitlichen Kriterien optisch entdeckten Objekte.<br />

MWG bedeutet Milchstraße= Milky Way Galaxy und M31 ist <strong>die</strong><br />

Andromeda Galaxie. Bei beiden ist nur <strong>die</strong> Halo Masse berücksichtigt<br />

(nicht <strong>die</strong> viel größere Korona Masse).<br />

13 5 · 109 6000<br />

M31 4 · 1011 3 · 107 325<br />

MWG 2 · 1011 2.6 · 106 LMC 2 · 10<br />

130<br />

10 2 · 105 SMC 3 · 10<br />

? 14<br />

9 3 · 104 ? 1<br />

Tab. 1.6: gal. Schwarz-Loch-Kandidaten<br />

Sollte sich herausstellen, daß <strong>die</strong> Anzahl der Kugelsternhaufen einer Ga-<br />

laxie mit ihrer Masse korreliert ist, dann stellt <strong>die</strong>s eine weitere entfernungsunabhängige Methode der Massenbestimmung<br />

dar.<br />

Eine weitere Größe, <strong>die</strong> mit der Anzahl der Kugelsternhaufen korreliert ist, ist <strong>die</strong> Röntgen Leuchtkraft der LMXB, nicht<br />

aber <strong>die</strong> Leuchtkraft der Zentralquelle. Im Falle der MWG ist nur im Radiobereich <strong>die</strong>se Leuchtkraft auffällig: <strong>die</strong> Zentralquelle<br />

ist SgrA ⋆ mit Lradio = 10 29 erg s −1 .<br />

Die Zentralquelle SgrA ⋆ hat ihr Leuchtkraft-Maximum im IR mit LIR = 10 36 erg s −1 . Mittlerweile ist auch <strong>die</strong> Röntgenleuchtkraft<br />

von Chandra bestimmt worden: LX = 10 32 erg s −1 .


1.2. LÄNGEN: RADIEN UND ENTFERNUNGEN 27<br />

Die klassischen Daten<br />

Harlow Shapley hat erstmals (1918) <strong>die</strong> Lage des Zentrums unserer Galaxis korrekt bestimmt. Ihm<br />

<strong>die</strong>nte dazu <strong>die</strong> Verteilung der Kugelsternhaufen. Er fand, daß sich in Richtung des Sternbildes Schütze<br />

(Sagittarius) etwa 30% aller damals bekannten Kugelsternhaufen befanden (in einer Fläche, <strong>die</strong> nur 2%<br />

der Himmelssphäre ausmacht). Die Sonne liegt ziemlich genau in der galaktischen Ebene (20 Parsec<br />

oberhalb) und zwar zwischen zwei Spiralarmen, dem Sagittarius-Carina Arm und dem Perseus Arm,<br />

am Innenrand eines dritten, sehr kleinen Spiralarms, dem Orion Arm.<br />

Das Zentrum der Galaxis ist optisch nicht zu sehen (<strong>die</strong> Absorption durch Staub schwächt <strong>die</strong> Strahlung,<br />

abhängig vom Weg durch Staubwolken, um bis zu 20 dex = 100 Magnituden), es liegt in Richtung<br />

Sagittarius (Schütze) etwa 8.5 kpc entfernt. Von der Nordhalbkugel aus ist es im Sommer sichtbar, im<br />

Winter ist das Antizentrum mit Orion (und der Perseus Arm) zu sehen. Der Sagittarius Arm und der<br />

Perseus Arm sind jeweils etwa 2 kpc von der Sonne entfernt, der Durchmesser des Orion Arms beträgt<br />

gut 500 Parsec. Die Namen erhalten <strong>die</strong> Spiralarme nach den Konstellationen (Sternbild s. u.), in denen<br />

sich ihre Segmente befinden. Die genaue Erforschung der Topologie <strong>die</strong>ser Spiralarme ist noch nicht<br />

abgeschlossen. In ihnen ist <strong>die</strong> Sterndichte höher als außerhalb (Dichtewellen Theorie von Ch. Lin und<br />

F. Shu), sodaß hier bevorzugt Sterne (aus molekularen Gaswolken) entstehen.<br />

• DEFINITION (DIE NAMEN DER KONSTELLATIONEN UND DER STERNE)<br />

Die Himmelssphäre wird heute in insgesamt 88 Konstellationen (lat. von con stella = Sternbild) eingeteilt. Viele davon<br />

gehen auf Mythen und Sagen zurück, andere wurden später hinzu erfunden, insbesondere am Südhimmel, um <strong>die</strong> Lücken<br />

am Himmel auszufüllen. Ursa Major ist <strong>die</strong> größte und Crux <strong>die</strong> kleinste Konstellation. Die Bezeichnung Milchstraße (lat.<br />

via lactae) kommt aus der griechischen Mythologie. Hera, Schwester und Gemahlin des Zeus, soll in der Hochzeitsnacht in<br />

Samos <strong>die</strong> Milch verspritzt haben (als Nahrung für <strong>die</strong> Erde?).<br />

Berühmt sind <strong>die</strong> 12 Konstellationen des Zodiak (griechisch: Tierkreis), <strong>die</strong> auch heute noch gebräuchlichen sog. Tierkreiszeichen.<br />

Sie stehen beiderseits nahe (über oder unter) der Ekliptik. Von der<br />

Erde aus gesehen, durchläuft <strong>die</strong> Sonne <strong>die</strong> Tierkreiszeichen in der hier angebenen<br />

Reihenfolge innerhalb eines Jahres, beginnend am Frühlingspunkt (heute<br />

mit Aquarius) und – ein halbes Jahr später – im Herbstpunkt (heute Leo). Nach<br />

Beobachtungen der alten Babylonier hat <strong>die</strong> Stellung der Sonne im Zodiak zum<br />

Zeitpunkt der Geburt Einfluß auf das Schicksal und den Charakter des dann<br />

Geborenen. Welchen Einfluß genau, das sagt <strong>die</strong> Astrologie (bzw. der Astrologe<br />

gegen Entgelt). Ferner war noch der Aszendent wichtig. Vor 2000 Jahren,<br />

als <strong>die</strong> Astrologie ihre endgültige Fassung erhielt, lag der Frühlingspunkt allerdings<br />

im Sternbild des Schützen (Aries). Da sich also <strong>die</strong> Stellung der Sonne<br />

im Zodiak in den letzten zwei Jahrtausenden entscheidend (um zwei Sternbilder)<br />

geändert hat, ist <strong>die</strong> Astrologie zumindest überholungsbedürftig. Merke<br />

für <strong>die</strong> Astrologie: Aus Stier mach Krebs.<br />

Anmerkung: Saturn war (frühem Aberglauben zufolge) der verderblichste aller<br />

Planeten. Deshalb war ursprünglich Samstag = Saturntag der Ruhetag (Sabbath).<br />

Der Brauch, den Sonntag zum Ruhetag zu wählen, wurde offiziell erst<br />

im Jahr 321 eingeführt. Eine self-fulfilling prophecy ist eine Prophezeiung, <strong>die</strong><br />

deshalb wahr wird, weil der Betroffene daran glaubt (nicht weil das Schicksal<br />

es so will).<br />

Konstellationen im Zodiak<br />

Aquarius Aqu Wassermann<br />

Pisces Pis Fische<br />

Aries Ari Widder<br />

Taurus Tau Stier<br />

Gemini Gem Zwillinge<br />

Cancer Can Krebs<br />

Leo Leo Löwe<br />

Virgo Vir Jungfrau<br />

Libra Lib Waage<br />

Scorpius Sco Skorpion<br />

Sagittarius Sag Schütze<br />

Capricornus Cap Steinbock<br />

Tab. 1.7: Tierkreiszeichen<br />

Die bekanntesten Persönlichkeiten der Geschichte, <strong>die</strong> solch einer Prophezeiung zum Opfer fielen, waren Tschingis-Khan<br />

(1226, weil Jupiter dabei war, Saturn zu überholen, was Unglück bedeutet, brach er seinen Eroberungsfeldzug ab) und<br />

Wallenstein (1634, ihm wurde für <strong>die</strong>ses Jahr von Johannes Kepler grosse Unordnung vorhergesagt, was Wallenstein in<br />

derart tiefe Depressionen stürzte, daß er von seinen Offizieren, <strong>die</strong> fürchteten den Krieg zu verlieren, ermordet wurde).<br />

Die Namen der Sterne in den Konstellationen sind ein Muster archaischer Methodologie. Viele besonders helle Sterne tragen<br />

noch arabische Namen. Der grosse Wagen (Ursa Major) besteht aus den folgenden 7 hellsten Sternen: Dubhe, Merak,


28 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />

Phecda, Megrez, Mizar und Alkaid. Johann Bayer ersann 1603 ein rationaleres<br />

System, welches kleine griechische Buchstaben und den Namen<br />

der Konstellation benutzt. Der hellste kommt normalerweise zuerst: also<br />

α Ursae Majoris (grosser Bär = großer Wagen). So ist α Librae sicher<br />

sinnvoller als Zubenebelgenubi.<br />

Da das griechische Alfabet aber nur 24 Buchstaben hat, kann man damit<br />

nur <strong>die</strong> hellsten Sterne bezeichnen. Weniger helle bekommen Zahlen<br />

anstatt griechischer Buchstaben. Um auch <strong>die</strong> schwachen Sterne zu eindeutig<br />

zu kennzeichnen, wurden im Laufe der Zeit umfangreiche Sternkataloge<br />

angelegt. Die Sterne wurden dann nach der Katalognummer<br />

bezeichnet, oder nach ihren Himmelskoordinaten.<br />

So von F. W. Argelander <strong>die</strong> Bonner Durchmusterung (1859/62) mit<br />

ihren BD Nummern von 320 000 Einträgen. Diese wurde für den<br />

Südhimmel durch <strong>die</strong> Südliche Bonner Durchmusterung (SD) und<br />

durch <strong>die</strong> Cordoba Durchmusterung (<strong>die</strong> CD mit 580 000 Einträgen)<br />

ergänzt. Hier werden Sterne nach steigender Rektaszension gradweise<br />

eingeteilt. Der Stern α Lyrae = Wega hat <strong>die</strong> Bezeichnung BD +38<br />

3238. Der Henry Draper Katalog ist mit seinen HD Nummern (durchlaufend<br />

gezählt, geordnet ebenfalls nach Rektaszension) fast noch gebräuchlicher.<br />

Wega hat hier <strong>die</strong> Bezeichnung HD 172 167. Neben der<br />

Bezeichnung spielt auch <strong>die</strong> genaue Position eines Sterns eine wichtige<br />

Rolle.<br />

Konstellationen am Nordhimmel<br />

Andromeda And Andromeda<br />

Aquila Aql Adler<br />

Cassiopeia Cas Cassiopeia<br />

Coma Berenices Com Haar der Berenice<br />

Cygnus Cyg Cygnus<br />

Hercules Her Hercules<br />

Lacerta Lac Leopard<br />

Ophiuchus Oph Schlangenträger<br />

Perseus Per Perseus<br />

Ursa Major UMa Grosser Bär<br />

Konstellationen am Südhimmel<br />

Canis Major CMa Grosser Hund<br />

Carina Car Schiffskiel<br />

Circinus Cir Kompass<br />

Doradus Dor Schwertfisch<br />

Fornax For Chemischer Ofen<br />

Monoceros Mon Einhorn<br />

Orion Ori Jäger<br />

Puppis Pup Schiffsheck<br />

Vela Vel Schiffssegel<br />

Tab. 1.8: Konstellationen<br />

• DEFINITION (DIE FUNDAMENTALKATALOGE: MODERNE BEZEICHNUNG DER STERNE)<br />

Beginnend mit Bessel, der 1818 den ersten Fundamentalkatalog (FK) mit dem Titel Fundamenta Astronomiae herausgab,<br />

wurden dazu ausgewählte Sterne besonders genau absolut vermessen. Die Nachfolger hießen FK 1, FK 2 . . . und mittlerweile<br />

ist FK 5 (im Astronomischen Rechen-Institut Heidelberg) in Arbeit.<br />

Bezogen auf <strong>die</strong>se Sterne kann man dann <strong>die</strong> restlichen differentiell vermessen, was sehr viel einfacher ist. Ein wichtiges<br />

Hilfsmittel ist ferner der Palomar Observatory Sky Survey (POSS). Er wurde (ab 1950 in mehreren Jahren) aufgenommen<br />

und enthält auf 579 Doppelseiten (mit Blau und Rotfilter) den vollständigen Nordhimmel bis herunter zur Deklination<br />

δ = −33 ◦ in Segmenten von 6 ◦ × 6 ◦ . Dieser wurde nach 1980 nochmals aufgenommen, sodaß Sterneigenbewegungen<br />

(innerhalb von 30 Jahren) stu<strong>die</strong>rt werden können.<br />

Mittlerweile ist man teilweise dazu übergegangen, astronomische Objekte strikt nach ihren astronomischen Koordinaten<br />

zu bezeichnen. Das geht eine Weile gut, da aber alle 50 Jahre <strong>die</strong> Äquinoktien neu angepasst werden müßen, führt <strong>die</strong>se<br />

Methode auch nicht zum Ziel einer dauernden, einheitlichen Bezeichnung.<br />

Der Pulsar, der in 1950er Koordinaten <strong>die</strong> Bezeichnung PSR B0458+46 trägt, hat in den neuen (Äquinoktium 2000)<br />

Koordinaten <strong>die</strong> Bezeichnung J0502+4654, sodaß er kaum wiederzuerkennen ist.<br />

Bei den Bezeichnungen des Äquinoktiums steht B für Bessel, J für Julianischer Kalender. Langfristig wird man zu extragalaktischen<br />

Koordinaten übergehen, <strong>die</strong> etwa in Quasaren verankert werden können.<br />

• ANMERKUNG (HISTORISCHE FEHLBEZEICHNUNGEN BEI STERNEN)<br />

Viele Objekte, offene Sternhaufen, Kugelsternhaufen und sogar Galaxien sind in einer Zeit, da <strong>die</strong> Auflösung der Teleskope<br />

unzureichend waren, mit Bezeichnung versehen worden, <strong>die</strong> für Sterne reserviert sind. Dazu gehören <strong>die</strong> folgenden,<br />

wichtigen Objekte, <strong>die</strong> weiter unten aufgeführt sind: τ CMa und h-χ Per (Offene Sternhaufen), 47 Tuc und ω Cen (Kugelsternhaufen).<br />

Weitere Beispiele finden sich im Katalog von Charles Messier.<br />

Bevor Galaxien als solche erkannt werden konnten, wurden allgemein diffuse Objekte als Nebel (oder<br />

Wolken) bezeichnet, da man annahm, daß es sich bei ihnen um eine Ansammlung von leuchtendem<br />

Gas handelte. Die Bezeichnungen für solch diffuse (und zum <strong>Teil</strong> spektakuläre) Objekte gehen auch<br />

heute noch auf <strong>die</strong> ersten Kataloge zurück. Dabei steht<br />

1. M für den Katalog von Charles Messier (einem Kometenforscher aus Frankreich, 1784), mit 109<br />

Objekten<br />

2. NGC für ’New General Catalogue’ von dem dänischen Astronomen Johan L. E. Dreyer (publiziert<br />

in Irland, 1888, hervorgagangen aus dem Katalog der Herschels, Vater Sir William und<br />

Sohn Sir John, 1864) mit 7840 Objekten<br />

3. IC <strong>die</strong> Fortsetzung des NGC. IC steht für ’Index Catalogue’. Er enthält zusätzlich 5086 Objekte.


1.2. LÄNGEN: RADIEN UND ENTFERNUNGEN 29<br />

• ZUSATZ (OBJEKTE AUS DEM KATALOG VON CHARLES MESSIER)<br />

Hier seien einige wichtige Beispiele (mit kurzer Erläuterung, worum es sich dabei wirklich handelt) angeführt. Sie sind<br />

aus dem Katalog von Ch. Messier, der sie notiert hat, da es sich nicht um Kometen handelte (er sie als Kometenforscher<br />

füglich ignorieren durfte). Es handelt sich um Bezeichnungen von Objekten, <strong>die</strong> später noch betrachtet werden. Die Zahl<br />

steht dabei für <strong>die</strong> Nummer (des Eintrags im Katalog). Der Krebsnebel, M1, hat <strong>die</strong> Nummer eins.<br />

der Krebsnebel M1 = NGC 1952, ein Supernova Überrest mit Neutronenstern<br />

der Orion Nebel M42 = NGC 1976, <strong>die</strong> nächste massive Molekülwolke<br />

der Ring Nebel M57 = NGC 6720, ein Nova Überrest in Lyra mit weißem Zwerg<br />

der Adler Nebel M16 = NGC 6611, offener Sternhaufen in Serpens<br />

<strong>die</strong> Plejaden M45, offener Sternhaufen (Eichstandard) mit Reflektionsnebel<br />

der offene Sternhaufen M67 = NGC 2682, (ältester offener Haufen, A = 5 Gyr)<br />

der Kugelsternhaufen M3 = NGC 5272, (sehr alt, A = 15 Gyr)<br />

der Andromeda Nebel M31 = NGC 224, Nachbargalaxie<br />

der Triangulum Nebel M33 = NGC 598, Nachbargalaxie, M = 5 · 10 10 M⊙<br />

Whirlpool Galaxy M51 = NGC 5194, Nachbar-Doppelgalaxie in Canes Venatici<br />

<strong>die</strong> Sombrero Galaxie M104 = NGC 4594 in Virgo<br />

M106 = NGC 4258 ist der bisher beste, galaktische Schwarz-Loch-Kandidat mit einer Masse von M = 3.9 · 10 7 M⊙<br />

innerhalb von einem Radius von R = 0.12 pc.<br />

M61 = NGC 4303 Galaxie in Virgo mit Supernova im Jahre 1961<br />

der Virgo Haufen (wird dominiert von M84 = NGC 4374, M86 = NGC 4406 und M87)<br />

M87 = NGC 4486 = Virgo A ist der bisher massivste, galaktische Schwarz-Loch-Kandidat mit einer Masse von M =<br />

5 · 10 9 M⊙.<br />

M82 = NGC 3034 ist eine nahe Starburst-Galaxie.<br />

M101 = NGC 5457 ist <strong>die</strong> nächste (D = 7 Mpc) Riesengalaxie.<br />

M92 ist ein naher Kugelsternhaufen, D = 8 kpc, geeignet zur Parallaxenbestimmung mit Hipparcos. (Sehr alt, A = 16<br />

Gyr)<br />

Es handelt sich also um eine Sammlung extrem verschiedener Objekte.<br />

Die Bezeichnung Nebel wird heute nur noch benutzt für<br />

1. Dunkelwolke (dark nebula)<br />

2. Emissionsnebel (z. B. der Orionnebel),<br />

3. planetare Nebel bzw.<br />

4. Supernova Überreste<br />

5. und Reflektionsnebel (z. B. der Electra Nebel um <strong>die</strong> Plejadensterne Electra (17 Tau) oder NGC 6888 mit dem<br />

Wolf-Rayet Stern HD 192 163).<br />

Da <strong>die</strong>selben Objekte auch im New General Catalogue von J. L. E. Dreyer und auch in anderen Katalogen (Radio oder<br />

Röntgen) verzeichnet sind, gibt es gelegentlich Schwierigkeiten, ein bestimmtes Objekt wiederzuerkennen.<br />

Die Verteilung der Sterne<br />

Für <strong>die</strong> Beobachtung unserer Galaxis sind drei Drehimpulsvektoren bestimmend: der Spin der Erde,<br />

�S⊕, der des Planetensystems (Umlauf der Planeten in der Ekliptikebene um <strong>die</strong> Sonne, Bahndrehimpuls<br />

der Erde � J⊕) und der unserer Milchstraße, � G. Ob <strong>die</strong> Galaxis als ganzes, also mit Halo, einen<br />

Drehimpuls hat, ist nicht klar.<br />

Der Stern in Richtung des Spins der Erde heißt Polaris (Polarstern). Der Inklinationswinkel zwischen<br />

dem Spin der Erde, � S⊕, und dem Bahndrehimpuls der Erde � J⊕ beträgt 23.5 ◦ und der mit dem unserer<br />

Galaxis (galaktischer Nordpol), � G beträgt δp = 62.6 ◦ .<br />

Alle drei Drehimpulsvektoren stehen jeweils senkrecht auf einer Ebene. Diese heißen<br />

1. Erdäquator Ebene (Spin der Erde, � S⊕),<br />

2. Ekliptik Ebene (Bahndrehimpuls der Erde � J⊕) und<br />

3. galaktische Äquator Ebene (galaktischer Nordpol, � G).


30 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />

Zwei Ebenen schneiden sich jeweils in einer Geraden. Diese wird benutzt um den Nullpunkt der Rektaszension<br />

zu definieren. Die Bahn der Sonne, projeziert auf <strong>die</strong> Erdäquator Ebene, heißt Ekliptik,<br />

<strong>die</strong> beiden Schnittpunkte sind der Frühlingspunkt (oder Widderpunkt genannt) und der Herbstpunkt<br />

(Löwe). Die Rektaszension wird vom Frühlingspunkt aus gezählt, für den galaktischen Nordpol beträgt<br />

sie αp = 192.5 ◦ . Die Deklination δ wird vom Himmelsäquator aus gemessen.<br />

Da sich der Frühlingspunkt aufgrund der Präzession der Erde im Feld des Mondes und der Sonne<br />

retrograd um 50·(360/26000) = 40 ′ pro 50 Jahre verschiebt, muß das Referenzjahr angegeben werden.<br />

Diese Anpaßung wird alle 50 Jahre vorgenommen. Ältere Kataloge haben als Referenz das Jahr 1900,<br />

<strong>die</strong> meisten Angaben beziehen sich auf 1950, neuerdings ist es der Beginn des Jahres 2000 (zum<br />

Zeitpunkt 1. Jan. um 0 h .00). In 1950-er Koordinaten gilt für den galaktischen Nordpol (Index gp)<br />

αgp = 12 h 49 m ; δgp = 27 ◦ 24 ′<br />

(1.36)<br />

Der Winkel zwischen Himmelsnordpol (Polaris) und galaktischem Nordpol beträgt demnach γp =<br />

90 − δp = 62.6 ◦ . Für den Nullpunkt der galaktischen Länge gilt (Index gl)<br />

αgl = 17 h 42 m 26.603 ′′<br />

; δgl = −28 ◦ 55 ′ 0.45 ′′<br />

(1.37)<br />

Zur Umrechnung von Stundenwikel t in Rektaszension α wird <strong>die</strong> Sternzeit Θ = Θ(t) benötigt, d. h.<br />

der Stundenwinkel des Frühlingspunktes. Die Rektaszension α ist wie folgt definiert:<br />

t = Θ − α<br />

• DEFINITION (ASTRONOMISCHE KOORDINATENSYSTEME)<br />

Die hier vorgestellten Koordinatensysteme stellen wir mit ihren Eigenschaften und Bezeichnungen tabellarisch zusammen.<br />

Koordinatensysteme<br />

System Grundkreis Nullpunkt Koordinaten<br />

Horizontal Horizont Meridian Azimut A, Höhe h<br />

Äquatorial fix Äquator Meridian Stunde t, Dekl. δ<br />

Äquatorial var Äquator Frühlingspunkt Rektas. α, Dekl. δ<br />

Ekliptikal Ekliptik Frühlingspunkt Länge λ, Breite β<br />

Galaktisch gal. Äquator gal. Zentrum Länge l, Breite β<br />

Erst mit der Bestimmung der Entfernungen der Sterne erhalten wir ihre wahre räumliche Verteilung in<br />

unsere Galaxis. Wie wir sehen werden, sind <strong>die</strong> Sterne, abgesehen von dem optischen Phänomen der<br />

Spiralarme, nicht gleichmäßig verteilt. Man unterscheidet zwischen echten gravischen Verdichtungen,<br />

Haufen genannt und Ansammlungen seltener Sterne, den sog. Assoziationen (wo <strong>die</strong> Sterne zusammen<br />

sind, da sie gemeinsam geboren wurden, <strong>die</strong> aber langsam auseinander laufen):<br />

1. OB, W-R und T Tauri Assoziationen (sehr jung, etwa 100 Objekte bekannt)<br />

2. offene Sternhaufen (etwa 100 Mitglieder bekannt, bis 2 Myr alt)<br />

3. Kugelsternhaufen (sehr alt, etwa 200 Mitglieder bekannt)<br />

Dieser Anordnung entsprechen in etwa Alter und Anzahl der Sterne. Die Kugelsternhaufen sind <strong>die</strong><br />

ältesten bisher gefundenen Objekte im Kosmos, daher das grosse Interesse an ihnen. Im Gegensatz<br />

dazu gehören OB und T Tauri Assoziationen (neben planetaren Nebeln und Supernova Überresten)<br />

zu den jüngsten Objekten. Eine OB Assoziation noch ohne Wolf Rayet Sterne ist etwa 1 bis 2 Myr<br />

alt, mit W-R Sternen ist sie etwa 3 bis 4 Myr alt. Als extremes Gegenbeispiel sind RR Lyrae Sterne<br />

in Kugelsternhaufen bis zu 12 Gyr alt, bestimmt aus dem Abknickpunkt auf dem Hauptast des<br />

Hertzsprung-Russel-Diagramms.


1.2. LÄNGEN: RADIEN UND ENTFERNUNGEN 31<br />

Die Hyaden und <strong>die</strong> Plejaden<br />

Die Hyaden sind der sonnennächste offene Sternhaufen. Die Entfernung zu den Hyaden, GE (46 pc),<br />

hat damit (ähnlich wie <strong>die</strong> astronomische Einheit, AE, für das Sonnensystem) <strong>die</strong> Bedeutung eines<br />

Eichmasses für <strong>die</strong> Galaxie als ganzes. Zum galaktischen Zentrum ist es dann ’nur noch’ etwa 200 GE<br />

weit; zum Vergleich sind es zum nächsten Stern immerhin 270.000 AE. Der moderne Wert für GE ist<br />

46 pc, mit einer Unsicherheit von nur 0.27 pc (zum Schwerpunkt der Hyaden, nach Messungen vom<br />

Astrometrie Satelliten Hipparcos):<br />

GE = 46.34 ± 0.27 pc<br />

Die Bedeutung der Hyaden liegt darin, daß es der einzige Sternhaufen ist, der einerseits eine messbare<br />

Parallaxe aufweist und andererseits genügend reich (an Sternen) ist, daß noch Sterne der Spektralklassen<br />

G bis A (einheitlich) überdeckt werden. Die Geschwindigkeitsdispersion beträgt nur<br />

σv = 0.3 km s −1<br />

Bezogen auf den Schwerpunkt der Hyaden konnte keine systematische Expansion festgestellt werden.<br />

Die halbe Masse ist innerhalb eines Radius von 6 pc konzentriert, der Kernradius beträgt 2.7 pc. Chemie<br />

und Alter: Y = 0.26 (Helium), Z = 0.024 (Metalle) und Alter 625 Myr.<br />

Da <strong>die</strong> Hyaden keine O und B Sterne enthalten, nimmt man noch <strong>die</strong> Plejaden als zweiten Eichstandard<br />

hinzu. Die Entfernung zu den Plejaden (M45) beträgt:<br />

D = 116.34 ± 3.3 pc<br />

ebenfalls nach Messungen vom Astrometrie Satelliten Hipparcos.<br />

Die offenen Sternhaufen<br />

Ein (unverstandenes aber willkommenes) Phänomen war (und ist) <strong>die</strong> Existenz von offenen Sternhaufen<br />

(von denen viele schon Messier und W. und J. Herschel entdeckt hatten).<br />

Man kennt heute etwa 1000 offene Sternhaufen. Einige bekanntere davon sind bereits in Messiers<br />

Katalog verzeichnet. Die meisten Haufen sind mehr als 1 kpc von der Sonne entfernt. Eini-<br />

ge der bekannteren sind in der nebenstehenden Tabelle aufgeführt.<br />

Die Einträge haben folgende Bedeutung: Θ ist der Öffnungswinkel<br />

in Bogenminiuten, ( ′ ), unter dem der Haufen von der Erde aus<br />

erscheint. D ist <strong>die</strong> Entfernung in Parsec (pc) zum Schwerpunkt<br />

und N ist <strong>die</strong> Anzahl der Sterne im Haufen. T ist der<br />

Logaritmus des Alters des Haufens in Jahren. Dabei ist Alter<br />

≈ Relaxationszeit ≈ Entwicklungszeit der Sterne gesetzt und<br />

Te ist der Logaritmus der Evaporationszeit (in Jahren), d. h.<br />

<strong>die</strong> Zeit zum Verdampfen des gesamten Haufens.<br />

Die Namen sind wie folgt: UMa Cl. = Ursae Majoris Cloud,<br />

<strong>die</strong> Hyaden heißen auch Taurus Cloud (Wolke), <strong>die</strong> Plejaden<br />

Name Θ<br />

′<br />

D<br />

pc<br />

N T<br />

yr<br />

Te<br />

yr<br />

Einzelhaufen<br />

UMa Cl. 1000 22 100 8.2 9<br />

Hyaden 400 46 218 8.8 9<br />

Plejaden 120 116 120 7.8 10<br />

Praesepe 90 158 100 8.4 10<br />

τ CMa 7 1500 30 6.1 9<br />

M67 18 830 80 9.6 10<br />

Doppelhaufen<br />

h-χ Per 30 2360 240 7.1<br />

Tab. 1.9: Offene Sternhaufen<br />

= M45, Praesepe = M44 und τ CMa = τ Canis Majoris (der jüngste Haufen). Der Doppelhaufen h-χ<br />

Perseus ist mit T = 10 Myr einer der jüngsten (er enthält noch Sterne mit fast 20 Sonnenmassen), M67<br />

der älteste, er reicht an den Kugelsternhaufen M3 heran.<br />

Die Daten sind, falls nicht durch Hipparcos vermessen, (Ref. [Kov98]), nach Trümpler (1930), von<br />

dem <strong>die</strong> ursprüngliche Untersuchung stammt, zusammengestellt. Zu finden in den Standard Referenzen:<br />

Lang, (Ref. [Lan78], Table 55) und Allen (Ref. [All73] §130).


32 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />

Die hier benutzte Formel für <strong>die</strong> Evaporationszeit, d. h. <strong>die</strong> Zeit, <strong>die</strong> der Sternhaufen mit Radius R und<br />

mittlerer Geschwindigkeit v zum verdampfen benötigt, lautet<br />

tEvap =<br />

� �<br />

8R N<br />

v ln(N/2)<br />

(1.38)<br />

Die Größe 2R/v ist <strong>die</strong> Zeit, <strong>die</strong> ein Stern benötigt, den Haufen zu durchqueren (crossing time). Diese<br />

Formel werden wir später ableiten.<br />

Die Bezeichnung Sternstrom geht auf Kapteyn (1904) zurück und <strong>die</strong> erste Parallaxenbestimmung an<br />

einem Sternstrom wurde von Boss (dessen ’Preliminary General Catalogue’ von 1910 lange Zeit das<br />

Standardwerk für Örter und Bewegungen der helleren Sterne war) an den Hyaden (1915) vorgenommen.<br />

Boss hatte nämlich (1908) entdeckt, daß (nach Korrektur der Erd- und Sonnenbewegung) <strong>die</strong><br />

Mitglieder der Hyaden (Taurus Strom) sich alle parallel zueinander bewegen. Die eigentliche Parallaxe<br />

liegt dabei mit π = 0.024 ′′ an der Grenze des Messbaren. Die neue Idee ist, daß man <strong>die</strong> Änderung<br />

∆Θ des scheinbaren Winkel-Durchmessers Θ über mehrere Jahre t hinweg (relativ zu den Fixsternen)<br />

misst. Es gilt dann für <strong>die</strong> Entfernung (und kleine Winkeländerung)<br />

tan Θ<br />

d = vt<br />

∆Θ<br />

Nach 10 Jahren hat man so einen Faktor 10 in der Auflösung gewonnen. In Zahlen:<br />

d = 1<br />

4.74<br />

v<br />

kms −1<br />

(t/yr)<br />

(1.39)<br />

tan Θ<br />

∆Θ/ ′′ pc (1.40)<br />

Die nebenstehende Abbildung zeigt <strong>die</strong> Geometrie zur Sternstromparallaxe an einem offenen Sternhaufen. Der<br />

Einfachheit halber sei <strong>die</strong> Geschwindigkeit rein tangential vom Beobachter<br />

weg gerichtet und das bei senkrechter Aufsicht. Der Beobachter<br />

sieht einen Kreis, dessen Radius im Winkelmaß relativ zur den dahinter<br />

liegenden Fixsternen im Laufe der Zeit kleiner wird. Der wahre Radius<br />

des offenen Sternhaufens ändert sich während der Beobachtungszeit<br />

nicht.<br />

Die Seitenansicht erläutert <strong>die</strong> räumliche Situation. In der Zeit t entfernt<br />

sich der Sternhaufen um σ = vt. Die Winkeländerung beträgt<br />

Abb. 1.3: Sternstromparallaxe<br />

∆θ = θ − θ ′ , dabei ist θ der Öffnungswinkel des offenen Sternhaufens<br />

zu Beginn der Beobachtung. Daraus folgt für <strong>die</strong> Winkelgeschwindigkeit µ für kleine Zeiten ∆θ = µt.<br />

Verbindet man <strong>die</strong> zu einem Stern gehörenden Örter mit einer Geraden, so schneiden sich alle Geraden der verschiedenen<br />

Sterne in einem Punkt, dem Fluchtpunkt. Im hier betrachteten Fall ist das das Zentrum des offenen<br />

Sternhaufens.<br />

Möglich wurde <strong>die</strong>se Bestimmung erst durch zwei technische Entwicklungen, welche <strong>die</strong> Astronomie<br />

ähnlich revolutionierten wie <strong>die</strong> Erfindung des Teleskops:<br />

1. <strong>die</strong> Benutzung der Photoplatte (H. Draper, 1840; Whipple, 1850) und<br />

2. <strong>die</strong> Anwendung des Dopplerprinzips zur Messung von Radialgeschwindigkeiten (W. Huggins,<br />

der dabei <strong>die</strong> Linien-Spektroskopie der Sterne entscheidend weiterentwickelte).<br />

Die Photographie erlaubt es, Photonen aufzuad<strong>die</strong>ren, was das menschliche Auge nicht kann. Der<br />

Dopplereffekt liefert für <strong>die</strong> beobachtete Wellenlänge λ und <strong>die</strong> als bekannt vorausgesetzte Ruhlänge<br />

λo <strong>die</strong> Geschwindigkeit der Quelle (bei bekanntem Winkel Θ zwischen Geschwindigkeit v und Visionsrichtung)<br />

in Einheiten der Lichtgeschwindigkeit β := v/c:<br />

1 + β cos Θ<br />

λ = λo √<br />

1 − β2 (1.41)


1.2. LÄNGEN: RADIEN UND ENTFERNUNGEN 33<br />

An den galaktischen Sternhaufen hat Trümpler <strong>die</strong> Standardkerzen der Galaxis geeicht und dabei nebenbei<br />

(1930) <strong>die</strong> interstellare Absorption AV durch Staub bestätigt! Diese war bereits 1847 von Struve<br />

aus Sternzählungen deduziert worden (mit der korrekten Größenordnung für <strong>die</strong> mittlere Extinktion<br />

von Av ≈ 1 m pro kpc), wurde aber erst durch <strong>die</strong> Arbeiten von Trümpler allgemein anerkannt.<br />

Eichung der Sternhelligkeiten<br />

Mit Leuchtkraft, L, Einheit: erg s −1 , bezeichnet man <strong>die</strong> totale Energieverlustrate eines Sterns, L = ˙ E.<br />

Für isotrope Abstrahlung kommt im Abstand D (bei Euklidischer Geometrie) ein Strahlungsfluß f an,<br />

f = L<br />

(1.42)<br />

4πD2 Der Strahlungsfluß f (Einheit: erg cm−2 s−1 ) ist also das Maß zur Bestimmung der Leuchtkraft L des<br />

Sterns, wenn man seine Entfernung D kennt, und weiß, daß <strong>die</strong> Strahlung isotrop ist<br />

L = 4πD 2 f (1.43)<br />

Der Strahlungsfluß wird oft auch mit S bezeichnet (Poyntingfluß).<br />

Die astronomischen Bezeichnungen für <strong>die</strong>selben Größen sind <strong>die</strong> wahre und scheinbare bolometrische<br />

Helligkeit, Mbol und mbol, allerdings werden sie mit anderen Masseinheiten angegeben (nämlich so, s.<br />

u., daß der optische Astronom leicht erkennen kann, ob ein Objekt noch mit blossem Auge erkennbar<br />

ist oder ob er ein besonders gutes Teleskop benötigt).<br />

Die Strahlung eines Sterns kann (jedenfalls in einfachster Näherung) durch <strong>die</strong> Plancksche Schwarzkörperstrahlung<br />

approximiert werden: Es sei L <strong>die</strong> Leuchtkraft, R der Radius, T <strong>die</strong> Temperatur und σ <strong>die</strong> Stefan-<br />

Boltzmann Konstante, dann gilt näherungsweise<br />

L = 4πR 2 σT 4<br />

(1.44)<br />

Die Größe Φ = σT 4 ist der Gesamtstrahlungsstrom an der Oberfläche des Sterns. Die Energiedichte<br />

der Strahlung (im Innern des Sterns) ist u und es gilt der folgende Zusammenhang<br />

u = aT 4<br />

; B = c<br />

c<br />

u ; Φ = u (1.45)<br />

4π 4<br />

mit der Strahlungsenergiedichte-Konstante<br />

15¯h 3 c3 = 7.56 · 10−15 erg cm −3 K −4<br />

(1.46)<br />

Wir greifen vor und geben hier bereit <strong>die</strong> Spektralverteilung für einen Stern mit Radius R, welcher<br />

Schwarzkörperstrahlung der Temperatur T emittiert. Sie sieht wie folgt aus:<br />

a = π2 k 4<br />

Iν = Bν(T ) = 2hν3<br />

c2 1<br />

ehν/kT − 1<br />

Φ = σT 4<br />

L = 4πR 2 Φ<br />

und Φν(R) = πBν<br />

• ZUSATZ (STERNHELLIGKEITEN BEI HIPPARCH UND PTOLOMÄUS)<br />

Der Katalog von Hipparch enthält 1022 Sterne mit geschätzten (visuellen) Helligkeiten. Dieser Katalog wurde von Ptolomäus<br />

ergänzt und durch eigene Beobachtungen verbessert. Seine Eintragungen wurden von Pogson so geeicht, daß sich<br />

Übereinstimmung bei der 6. Größenklasse (den schwächsten und damit den meisten Sternen) ergab. Pogson nahm an, daß<br />

<strong>die</strong> Empfindlichkeit des Auges exakt dem Weber-Fechnerschen Gesetz folgt, also daß<br />

1 m = 1<br />

5√ 100 = 10 −0.4 = 1 : 2.512 Magnitude<br />

gilt, was nicht stimmt. Da es sehr viel mehr leuchtschwache m = 6 Sterne gibt, hat man <strong>die</strong> Anschlusseichung bei <strong>die</strong>sen<br />

vorgenommen, um möglichst viele antike Beobachtungen korrekt zu übernehmen. Einige der leuchtstarken Sterne sind<br />

dann allerdings falsch. So kommt es, daß Sirius sogar eine negative Magnitude von −1.4 hat.


34 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />

Die Einteilung der Sternhelligkeiten in ’Größen’ geht auf Hipparch zurück, der <strong>die</strong><br />

Sterne in 6 Klassen einteilte: <strong>die</strong> hellsten Sterne als 1. Größe und <strong>die</strong> schwächsten als<br />

6. Größe.<br />

Dieses System wurde auch nach Erfindung des Fernrohrs i.w. beibehalten, um den<br />

Anschluß an historische Beobachtungen nicht zu verlieren, es wurde nach der Aufdeckung<br />

der Zusammenhänge beim physiologischen Sehen im Weber-Fechnerschen<br />

Gesetz (1834) auf Vorschlag von Pogson (1854) so geeicht, daß einem Unterschied<br />

von 1 Größenklasse (Magnitude) das Intensitätsverhältnis 1:2.512 mit dem Logarithmus<br />

0.4 entspricht:<br />

1 m = 10 −0.4 = 1 : 2.512 Magnitude<br />

Zur Fixierung des Nullpunkts der Größenskala wurde ursprünglich der Polarstern<br />

gewählt, bis man entdeckte, daß <strong>die</strong>ser veränderlich ist, dann <strong>die</strong> Polsequenz ausgewählter<br />

polnaher Sterne und heute besondere Eichsterne (z. B. Wega, s. u.). Der<br />

Polarstern hat nach <strong>die</strong>ser Eichung eine visuelle scheinbare Helligkeit von m = 2.12.<br />

Der grosse Vorteil <strong>die</strong>ser Methode, Sterne zu klassifizieren ist der, daß man nur noch<br />

Relativmessungen durchzuführen hat, der grosse Nachteil, daß man <strong>die</strong> Entfernung<br />

nicht kennt und damit nichts über <strong>die</strong> primäre Größe, <strong>die</strong> Leuchtkraft, aussagen kann.<br />

Deshalb ist man bemüht, eine Methode zu finden, <strong>die</strong> es gestattet, unabhängig von der<br />

Kenntnis der Entfernung <strong>die</strong> Leuchtkraft zu bestimmen. Eine solche Klassifikation der<br />

Sterne liefert <strong>die</strong> Harvard Spektral - Klassifikation.<br />

Moderne Teleskope erreichen mvis = 20 als visuellen Grenzwert (Beobachtung mit<br />

dem Auge), mph = 24 (mit der Photoplatte nach langer Belichtung) und mph = 27<br />

(mit CCD) und mR = 29 (mit HST nach 10 Tagen Belichtung).<br />

Tab. 1.10: Klassifikation der Sternhelligkeiten<br />

-25<br />

-20<br />

-15<br />

-10<br />

-5<br />

0<br />

5<br />

10<br />

15<br />

20<br />

25<br />

Sonne<br />

Vollmond<br />

Venus<br />

Sirius<br />

✛<br />

Polarstern<br />

Auge<br />

Fernglas<br />

Pluto<br />

Teleskop vis<br />

Teleskop ph<br />

Galilei war der erste, der ein (selbst gebautes) Teleskop an den Himmel richtete und damit <strong>die</strong> Vorstellungen<br />

über <strong>die</strong> Objekte des Kosmos revolutionierte. Newton, Huygens, Fraunhofer und Herschel<br />

haben alle ihre Teleskope selbst gebaut. Mit dem Aufkommen neuer Techniken und dem Bau immer<br />

leistungsfähigerer (und teurerer) Teleskope wurde der Schwerpunkt astronomischer Beobachtung (und<br />

als Folge astrophysikalischer Forschung) immer stärker in <strong>die</strong> USA verlagert. Pickering (ab 1880) stellte<br />

<strong>die</strong> Photometrie auf eine exakte Grundlage und vermisst dazu mit dem Meridianphotometer 80 000<br />

Sterne. Unter seiner Leitung wurde der ’Henry Draper Catalogue’ (HD) geschaffen, der auf einer halben<br />

Million Platten <strong>die</strong> Grundlage einer Klassifikation der Sterne (Harvard Klassifikation) lieferte.<br />

Solche Sternkataloge gibt es mittlerweile in digitalisierter Form (für ROSAT und HST). Sie benötigen<br />

etwa 600 Giga Byte Speicher.<br />

Die Einordnung der Sternspektren wurde, basierend auf Secchis Arbeiten, zunächst von Miss A. Maury<br />

übernommen, dann von Miss Annie Cannon weitergeführt und revi<strong>die</strong>rt. Die Klassifizierung wurde versucht<br />

zu einer Zeit, wo <strong>die</strong> Physik der Sterne nicht existent war, musste also nach rein phänomenologischen<br />

Gesichtspunkten geschehen. Die Klassifikation wurde dabei so vorgenommen, daß man <strong>die</strong> Spektren<br />

in einer linearen Sequenz so anordnete, daß von einem zum nächsten Spektrum möglichst wenig<br />

Änderungen auftraten. Da <strong>die</strong> Beschreibung der einzelnen Klassen von Miss Mauri bereits festlag (im<br />

wesentlichen nach abnehmender Temperatur geordnet) geriet bei der endgültigen Sequenz das Alfabet<br />

etwas durcheinander:<br />

O B A F G K M R N S<br />

Ein zweites Hindernis (neben der fehlenden Physik) war, daß auch <strong>die</strong> Entfernungen der Sterne unbekannt<br />

waren. Der entscheidende Durchbruch, Sterne zu eichen, wurde erst möglich, als genügend<br />

Sterne einheitlicher Entfernung (bzw. genau vermessener Parallaxe) gefunden werden konnten. Hertzsprung<br />

(1905 –an Riesen- und Zwergsternen) und Russel (1913 –an von ihm selbst besonders genau


1.2. LÄNGEN: RADIEN UND ENTFERNUNGEN 35<br />

trigonometrisch vermessenen Sternen) fanden so den Zusammenhang zwischen Temperatur (astron.:<br />

Spektraltyp oder Farbe) und Leuchtkraft (astron.: Helligkeit). Er wird Hertzsprung-Russel-Diagramm<br />

oder kurz H-R-Diagramm, allgemeiner Farben-Helligkeits-Diagramm genannt und stellt ein wichtiges,<br />

wahrscheinlich das wichtigste Arbeitsmittel des (optischen) Astronomen dar.<br />

Mit Karl Schwarzschild, der 1904 <strong>die</strong> photographische Sternphotometrie mit der ’Göttinger Aktinometrie’<br />

begründete, beginnt <strong>die</strong> moderne <strong>Astrophysik</strong>. Schwarzschild versucht, <strong>die</strong> Quantenmechanik<br />

auf <strong>die</strong> Physik der Sterne anzuwenden und erkennt, daß der Farbindex ein Maß für <strong>die</strong> Temperatur<br />

darstellt (Theorie des Strahlungsfeldes der Sternatmosphäre). Sieht man von der chemischen Zusammensetzung<br />

der Sternmaterie einmal ab, dann bedeutet <strong>die</strong> Aussage des H-R-Diagramms, daß ein Stern<br />

auf der Hauptreihe durch einen einzigen Parameter bestimmt ist, z. B. seine effektive Temperatur. Daraus<br />

folgen alle anderen Größen wie Radius, Masse und Leuchtkraft.<br />

Der holländische Astronom Kapteyn vermisst an der Südhalbkugel insgesamt 455 000 Sterne (in 12jähriger<br />

Arbeit) und macht (1922) ein Modell der Galaxis: Das sog. Kapteynsche (Insel) Universum (auf dem<br />

auch das hierarchische Universum von Charlier basiert) mit der Sonne im Zentrum.<br />

Wie aus dem H-R-Diagramm folgt, kann man nicht alle Sterne mit einem einzigen Parameter, T , klassifizieren.<br />

Diese Möglichkeit gilt nur für <strong>die</strong> Hauptreihensterne, also für <strong>die</strong> überwiegende Mehrzahl, allerdings<br />

auch dafür nur bei Vernachläßigung ihrer chemischen Entwicklung. Kohlschlütter und Adams<br />

entdeckten <strong>die</strong> Leuchtklasse (d. h. <strong>die</strong> Leuchtkraft L) als zweiten Parameter zur Sternklassifikation.<br />

Morgan, Keenan und Kellman führten schließlich (1943) <strong>die</strong> Leuchtklasse (I bis V) als zweiten Parameter<br />

zur Sternklassifikation in ihrem ’Atlas of Stellar Spectra’ ein. Die Klassen sind nach fallender<br />

Leuchtkraft L der Sterne geordnet.<br />

Man erhält den zusätzlichen Parameter, <strong>die</strong> Klasse, ebenfalls rein spektroskopisch: aus der Breite,<br />

Schärfe oder Unschärfe bestimmter Eichlinien. Die Genauigkeit der Bestimmung liegt bei etwa 0.1<br />

Gößenklassen bei den Klassen III bis V.<br />

Baade entdeckt dann noch (1944, zunächst an der Galaxie Andromeda) den Unterschied zwischen<br />

alten (Population II) und jungen (Population I) Sternen, <strong>die</strong> er Populationen nennt. Sie unterscheiden<br />

sich in ihren Metallhäufigkeiten (Chemische Entwicklung der Galaxis). Er findet so (1952), daß es<br />

in der Milchstraße zwei Typen von Cepheiden gibt, δ-Cephei Sterne (jung, Metallhäufigkeit solar,<br />

konzentriert in der galaktischen Ebene) und W-Virginis Sterne (alt, Metalle stark unterhäufig, im Halo),<br />

deren Leuchtkräfte sich um einen Faktor 4 unterscheiden.<br />

Damit ist das rein empirisch gewonnene Bild der optischen Sternklassifikation vollständig. An ihm<br />

hat sich bis heute nichts mehr geändert, es ist allerdings mit wachsendem Verständnis der zugrunde<br />

liegenden Sternentwicklung verfeinert worden.<br />

Mittlerweile geht man daran, ein analoges Klassifikationsschema für Galaxien (zunächst nach ihrer<br />

Farbe und zusätzlich nach ihrer Form) zu erstellen. Wichtige Stationen auf dem Weg dahin sind <strong>die</strong><br />

jüngsten und ältesten Bestandteile der Milchstraße, <strong>die</strong> Molekülwolken und <strong>die</strong> in ihnen geborenen<br />

massiven Sterne bzw. <strong>die</strong> Kugelsternhaufen und <strong>die</strong> in ihnen verbliebenen RR Lyrae Sterne.<br />

Das Hertzsprung-Russel-Diagramm<br />

Bei bekannter Entfernung D und gemessener scheinbarer Helligkeit, m, kann <strong>die</strong> absolute Helligkeit<br />

M eines Sterns bestimmt werden.<br />

� �2 D<br />

M = m − 2.5 log<br />

(1.47)<br />

10pc<br />

Als Grundlage zur Eichung <strong>die</strong>nen <strong>die</strong> hellsten Sterne bekannten Spektraltyps in Sonnenumgebung mit<br />

messbarer Parallaxe π<br />

5 log π = M − m − 5 (1.48)


36 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />

oder Sterne gleicher Entfernung (offene Sternhaufen, Kugelsternhaufen). Die stillschweigende Annahme,<br />

<strong>die</strong> hier eingeht, ist <strong>die</strong>, daß <strong>die</strong> Sterne in Sonnenumgebung nicht nur typisch für <strong>die</strong> Milchstraße<br />

sind, sondern auch für weit entfernte Galaxien.<br />

Die offenen Sternhaufen haben den Vorteil, daß alle Mitglieder praktisch bei gleicher Entfernung gesehen<br />

werden, daß man also <strong>die</strong> Entfernung nur einmal bestimmen muß. Ferner sind <strong>die</strong> Sterne alle<br />

chemisch gleich, da sie aus dem gleichen Wolkenmaterial<br />

entstanden sind.<br />

Die Einträge in der nebenstehenden Tabelle haben<br />

folgende Bedeutung:<br />

Nbek ist <strong>die</strong> Anzahl bekannter Objekte,<br />

Ntot deren geschätzte Gesamtzahl,<br />

T ist das Alter in Jahren (yr), Pop. ist <strong>die</strong> Sternpopulation,<br />

met. bedeutet hier ausnahmsweise <strong>die</strong><br />

Häufigkeit an Elementen schwerer als O,<br />

M ist <strong>die</strong> mittlere Sternmasse (in Einheiten der<br />

Parameter offene Kugel OB<br />

Sternhaufen Sternhaufen Assoziationen<br />

Nbek 1039 125 70<br />

Ntot 3000 10 5 − 10 6 300<br />

T 10 6 − 10 9 10 10 10 6 − 10 7<br />

Pop. I II I<br />

met. reich arm extrem reich<br />

M/M⊙ 1 M⊙ 0.5 M⊙ 5 M⊙<br />

Ort Scheibe Halo Scheibe<br />

Tab. 1.11: Haufencharakteristika<br />

Sonnenmasse M⊙), Ort gibt <strong>die</strong> räumliche Verteilung an.<br />

Trägt man nun, wie Trumpler es zuerst (1930) getan hat, mB − mV gegen M auf, d. h. 1/T gegen L,<br />

so stellt man fest, daß <strong>die</strong> Sterne in einen schmalen Band liegen. Die Größe mB − mV (meist B − V<br />

abgekürzt) ist unabhängig von der Entfernung, <strong>die</strong>se wird nur zur Bestimmung von M benötigt.<br />

Die Bandbreite ist i. w. bestimmt durch <strong>die</strong> chemische Zuammensetzung und durch nichtaufgelöste<br />

Doppelsterne, (s. u.). Vergleicht man nun einen offenen Sternhaufen der scheinbaren Helligkeit mo mit<br />

einem Eichhaufen mit Helligkeit me (z. B. den Hyaden mit gut bekannter Entfernung), so kann man im<br />

H-R-Diagramm den einen vertikal so lange verschieben bis seine Hauptreihe mit der des Eichhaufens<br />

zur Deckung kommt. Die Differenz in scheinbarer Helligkeit ∆m = mo − me heißt Entfernungsmodul.<br />

Damit kann man dann <strong>die</strong> Entfernung (in Einheiten der Entfernung zum Eichhaufen) bestimmen.<br />

Einem Faktor von z. B. 100 in der Leuchtkraft, ∆m = 5, entspricht ein (Do/De) 2 = 10 2 , ein Faktor<br />

10 in der Entfernung, Do = 10De.<br />

• BEISPIEL (WEGA ALS EICHSTERN ZU A0)<br />

Die Entfernung beträgt 8 pc. Damit unterscheiden sich scheinbare, m, und absolute Helligkeit, M, um etwa eine halbe<br />

Magnitude: m − M = 5 log(0.8) = −0.48.<br />

Astronomische Daten : Wega<br />

Mv B − V BC Te Tc Mb L R M<br />

0.7 0.00 −0.7 0.97 1.5 0.0 90L⊙ 3R⊙ 3M⊙<br />

Mv: absolute visuelle Helligkeit, entspricht 3600 Jy im V Band; Mb: absolute bolometrische Helligkeit,<br />

B − V Farb Index, BC bolometrische Korrektion,<br />

Te effektive Temperatur, Tc Farb - Temperatur in Einheiten 10000 K.<br />

Da <strong>die</strong> Hyaden keine O und B Sterne enthalten, nimmt man noch <strong>die</strong> Plejaden als zweiten Eichstandard<br />

hinzu. Ein prinzipiell unlösbares Problem ist allerdings noch, daß –selbst bei vorausgesetzter chemischer<br />

Homogenität– <strong>die</strong> Sterne nicht eine eindeutig bestimmte Leuchtkraft mV bei gegebener Temperatur<br />

(B − V ) besitzen. Das liegt daran, daß es viele unaufgelöste Doppelsterne gibt. Damit kommt<br />

man entfernungsmäßig bereits durch <strong>die</strong> ganze Galaxie. Es ergibt sich jedoch eine Schwierigkeit: <strong>die</strong><br />

interstellare Absorption A. Diese verschiebt <strong>die</strong> Hauptreihe horizontal und es gilt näherungsweise<br />

m − M = 5 log (D/10pc) + A (1.49)<br />

Empirisch stellte Baade (1944) so fest, daß es zwei Typen von Sternen gibt, welche er mit Population I<br />

und Population II bezeichnete. Insbesondere Cepheiden der Population I sind in der Milchstraße wegen<br />

der starken interstellaren Absorption in der Scheibe schwer zu finden.


1.2. LÄNGEN: RADIEN UND ENTFERNUNGEN 37<br />

1. Population I, wozu <strong>die</strong> Sonne gehört, umfasst <strong>die</strong> hellen (jungen) Sterne der galaktischen Scheibe.<br />

Diese Sterne haben ’normale’ chemische Häufigkeiten (metallreich wie <strong>die</strong> Sonne) und befinden<br />

sich in der mit Gas und Staub durchsetzten Scheibe der Galaxis. Die Population I wird<br />

manchmal nochmals unterteilt in Spiralarm- und Scheiben-Population.<br />

2. Population II Sterne sind leuchtschwächer (und metallarm und masseärmer), weshalb sie erst<br />

später entdeckt wurden (daher <strong>die</strong> Bezeichnung II). Sie befinden sich (hauptsächlich) im Bulge,<br />

im Halo und in Kugelsternhaufen.<br />

Neben <strong>die</strong>sen beiden beobachteten Populationen vermutet man noch eine bisher nicht gesehene Population<br />

III, welche Sterne aus reinem H und He beinhalten sollten (kosmisches Ursprungsmaterial).<br />

Bisher sind jedoch keine Anzeichen dafür vorhanden, daß es einmal eine Phase im Universum ohne<br />

schwere Elemente gegeben hat. Selbst Eisen, Fe, (oder sgar Moleküle wie CO) sind immer schon<br />

vorhanden, wenn auch in geringerer Häufigkeit (im Vergleich zur Sonne 2 dex bis 3 dex weniger).<br />

Eine feinere Aufteilung der beiden Grund-Populationen und ihre physikalischen Eigenschaften enthält<br />

<strong>die</strong> nebenstehende Tabelle.<br />

Z ist der Betrag des Abstands von der galaktischen<br />

Ebene und ˙ Z ist <strong>die</strong> Komponente<br />

der Geschwindigkeit senkrecht zur galaktischen<br />

Ebene. M ist der geschätzte Massenanteil<br />

der Komponente.<br />

Zur extremen Stern Population I kommt noch<br />

<strong>die</strong> Komponente des interstellaren Gases hinzu,<br />

mit einer Masse von je etwa 109 Astronomische Feineinteilung der Populationen<br />

mit ihren physikalischen Eigenschaften<br />

Population Z Z˙ M A<br />

pc km s<br />

M⊙ für<br />

neutralen H und für H2. Hierher gehören <strong>die</strong><br />

Progenitoren der Supernovae vom Typ II (und<br />

Ib). Ferner <strong>die</strong> massivsten Sterne der Milch-<br />

−1 109M⊙ Gyr<br />

extreme Pop I 120 8 3 < 0.1<br />

ältere Pop I 160 10 10 0.1 . . . 1<br />

Scheibenpopulation 400 16 40 2 . . . 6<br />

jüngere Pop II 700 25 40 6 . . . 9<br />

extreme Pop II 2000 75 20 10 . . . 12<br />

Tab. 1.12: Populationen<br />

straße.<br />

Die Scheibenpopulation enthält den Hauptteil der (sichtbaren) Sterne, <strong>die</strong> Zentralsterne der planetaren<br />

Nebel und <strong>die</strong> Novae.<br />

Zur extremen Population II gehören <strong>die</strong> RR Lyrae Sterne und <strong>die</strong> Progenitoren der Supernovae vom<br />

Typ Ia. Ferner <strong>die</strong> Sterne in Kugelsternhaufen und <strong>die</strong> ms Pulsare.<br />

Ein weiteres wichtiges Kriterium ist <strong>die</strong> Metallhäufigkeit der einzelnen Populationen. Sie nimmt mit<br />

wachsendem Alter ab.<br />

Die Kugelsternhaufen<br />

• DEFINITION (EIN MASS FÜR DIE METALLHÄUFIGKEIT)<br />

Die numerische Häufigkeit eines Elements wie Fe sei n(Fe) und das von Wasserstoff sei n(H). Die relative Häufigkeit von<br />

Fe bezogen auf H ist dann n(Fe)/n(H). Dies wird ins Verhältnis gesetzt zu den Werten der Sonne. Der Logaritmus davon<br />

wird mit [Fe/H] bezeichnet.<br />

[Fe/H] = log[n(Fe)/n(H)] − log[n(Fe)/n(H)]⊙<br />

In Kugelsternhaufen ist [Fe/H] ein Maß für ihr Alter. Der Wert für [Fe/H] reicht von -2.19 (bei M92) bis -0.40 (NGC 6838).<br />

• DEFINITION (KING FUNKTION)<br />

Die Massenverteilung wird bei gravischen Systemen wie Kugelsternhaufen wie folgt approximiert (King Modell)<br />

n = no<br />

�<br />

1 + r2<br />

a2 �b<br />

; b = 3β<br />

2<br />

Die King Funktion hat drei freie Parameter: no, <strong>die</strong> Dichte im Zentrum; a, der effektive Radius und β (bzw. b) für <strong>die</strong><br />

Konzentration. Diese Parameter sind nicht direkt beobachtbar.<br />

(1.50)


38 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />

Neben den offenen Sternhaufen (mittelalt) gibt es noch <strong>die</strong> Kugelsternhaufen (sehr alt). Sie unterscheiden<br />

sich durch <strong>die</strong> in den Tabellen (1.11) und (1.9) gegebenen physikalischen Parameter. Abgesehen<br />

von der Möglichkeit lokale Eichkerzen zu vermessen, sind sie wichtig zur Altersbestimmung.<br />

Die Kugelsternhaufen enthalten <strong>die</strong> für <strong>die</strong> Galaxis wichtigsten lokalen Eichkerzen: RR Lyrae Sterne<br />

(alt) und Cepheiden (vom Typ II). Sie haben zwar den Vorteil, daß alle Mitglieder praktisch bei<br />

gleicher Entfernung gesehen werden, daß man also <strong>die</strong><br />

Entfernung nur im Mittel bestimmen muß, aber <strong>die</strong><br />

Sterne sind nicht alle chemisch gleich, obwohl <strong>die</strong> Kugelsternhaufen<br />

vermutlich aus dem gleichen Urmaterial<br />

entstanden sind.<br />

Die Kugelsternhaufen stammen aus der Frühzeit der<br />

Galaxis, denn 10 5 bis 10 6 Sterne werden heute in unserer<br />

Galaxis selbst in den massivsten Wolken nicht mehr<br />

geboren. Einige vermuten, daß <strong>die</strong> Kugelsternhaufen<br />

sogar vor den Galaxien gebildet wurden. Die einfachste<br />

Erklärung für <strong>die</strong> beobachtete chemische Inhomo-<br />

genität der Haufen ist <strong>die</strong>, daß <strong>die</strong> Sterne in ihnen in<br />

NGC Name Entfernung log(L/ Anzahl<br />

Nr kpc L⊙) Veränderl.<br />

6121 M4 2.2 5 43<br />

6656 M22 3.2 6.8 24<br />

6752 4.1 1<br />

104 47 Tuc 4.5 11<br />

5139 ω Cen 4.8 164<br />

5904 M5 7.0 5 97<br />

5272 M3 9.2 6.3 187<br />

7006 48.0 40<br />

2419 58.0 36<br />

Tab. 1.13: Eichhaufen<br />

mehreren Perioden (und damit aus unterschiedlich stark angereichertem Urmaterial) entstanden sind.<br />

Heute enthalten sie allerdings kein Gas mehr, obwohl noch Sternentwicklung stattfindet.<br />

Ihre Durchmesser betragen zwischen 15 und 150 pc. Ihre Gesamtmasse in Scheibe und Halo wird auf<br />

nur M = 5 · 10 7 M⊙ geschätzt. In der Tabelle sind einige ausgewählte Eich - Exemplare aufgeführt,<br />

mit Leuchtkräften L (in Einheiten der Sonnenleuchtkraft, L⊙ = 3.9 · 10 33 erg s −1 ) und der Anzahl<br />

gefundener Veränderlicher.<br />

Nach heutiger Vorstellung nehmen Kugelsternhaufen nicht an der galaktischen Rotation teil, gemessen<br />

ist das aber noch nicht (Dopplereffekt). Sie bewegen sich auf langgestreckten Tauchbahnen (Ellipsen)<br />

und gehören damit zur Halo Population. Einige (z. B. ω Cen, NGC 6522 und NGC 6528) durchqueren<br />

gerade <strong>die</strong> galaktische Ebene. Etwa hundert Kugelsternhaufen befinden sich im Halo (zwischen 20 und<br />

220 kpc vom Zentrum der Galaxis entfernt) und ebenso viele liegen in oder in der Nähe der Scheibe.<br />

Die Verteilung der Kugelsternhaufen bestimmt somit das Zentrum der Galaxis (falls wir nämlich nicht<br />

uns selbst zum Zentrum machen).<br />

Der hellste Kugelsternhaufen in der Nähe der Sonne ist Omega Centauri (ω Cen) in einer Entfernung<br />

von 4.8 kpc. Er enthält einige Hunderttausend Sterne innerhalb von einem Radius von nur 15 Parsec.<br />

Zum Vergleich (s. u.): Der Schwarz-Loch-Kandidat im Zentrum der Galaxis hat einen Radius von RZ<br />

von 0.005 pc bei einer Masse von M = 2.6 · 10 6 M⊙.<br />

Die der Sonne am nächsten gelegenen Kugelsternhaufen sind etwa 2 bis 3 kpc entfernt (NGC 6397 mit<br />

2.2 kpc ist der nächste).<br />

Man erhält mithilfe der Kugelsternhaufen als<br />

Entfernung zum Zentrum D = 8.5 ± 1.5 kpc<br />

(früher D = 10 kpc, Tendenz fallend).<br />

• ANMERKUNG (ENTFERNUNGSBESTIMMUNG DER KUGELSTERNHAUFEN)<br />

Die Bestimmung der Entfernungen der Kugelsternhaufen (und ihrer Bewegung um das Zentrum) ist von zentraler astrophysikalischer<br />

Bedeutung, da <strong>die</strong> Ausdehnung (<strong>die</strong> linearen Abmessungen) Rückschlüße auf <strong>die</strong> zeitliche Entwicklung<br />

derselben erlauben. In insegesamt 46 Kugelsternhaufen sind etwa 1200 RR Lyrae Sterne nachgewiesen, das sind ein Drittel<br />

aller bekannten.<br />

Kennt man <strong>die</strong> Entfernungen der Kugelsternhaufen, dann ist es möglich, ihre (Anzahl und Massen) Dichte zu bestimmen.<br />

Für <strong>die</strong> Milchstraße hat man eine Verteilung n(r) der Form<br />

n(r) = no (Ro/r) 3


1.2. LÄNGEN: RADIEN UND ENTFERNUNGEN 39<br />

gefunden, was auch auf <strong>die</strong> RR Lyrae Sterne zutrifft.<br />

Genauer unterscheiden wir zwischen<br />

1. Bulge (mit einem Radius von Ro = 2.5 kpc),<br />

2. Feld (Ro < r < 15 kpc),<br />

3. Halo (r bis etwa 30 kpc) Population.<br />

Der Radius ist bezogen auf das Zentrum der Galaxis. Dazu kommt <strong>die</strong> Korona mit Kugelsternhaufen, Zwerggalaxien und<br />

Wolken (high velocity clouds).<br />

Eine bessere Approximation des Dichteverlaufs ist <strong>die</strong> sog. King Profilfunktion:<br />

n = no<br />

�<br />

1 + r2<br />

a2 �b<br />

; b = 3β<br />

2<br />

wobei in unserem Fall Ro = a und β = 1 zu setzen ist.<br />

Übersichtartikel dazu: [San86] und [VBS96].<br />

Ein bisher unverstandenes Phänomen ist, neben der bereits erwähnten chemischen Inhomogenität, daß<br />

Objekte in Kugelsternhaufen auftreten, <strong>die</strong> eigentlich dort nicht mehr sein sollten.<br />

Dazu gehören <strong>die</strong> Blauen Nachzügler, (engl.: ’blue straggler’). Das sind Sterne, oberhalb des Abknickpunkts<br />

(turn off point) im H-R-Diagramm. Vermutlich handelt es sich um reanimierte<br />

Binärobjekte oder verschmolzene Sterne.<br />

Dazu zählen sogar Radiopulsare, Gamma- und Röntgensterne. Der erste Radiopulsar, der in einem<br />

Kugelsternhaufen endeckt wurde, war PSR J1824-2452 in M28 mit einer Periode von nur 3 ms.<br />

1987 wurde er sogar als Röntgenpulsar von ROSAT nachgewiesen.<br />

• ANMERKUNG (DIE ’BLUE STRAGGLER’ IN KUGELSTERNHAUFEN)<br />

Entdeckt wurden sie von Sandage (1953) in M3. Es sind Sterne, <strong>die</strong> 2 bis 2.5 Magnituden oberhalb des Abknickpunkts<br />

(turn off point) im H-R-Diagramm liegen. Bisher ist nur ein ’blue straggler’ als Variabler, also als Doppelstern, (in ω Cen)<br />

bekannt.<br />

(1.51)


40 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />

Das Zentrum der Galaxis<br />

In bis zu 3 Parsec Abstand vom Zentrum der Galaxis finden sich <strong>die</strong> dichtesten Sternansammlungen<br />

und <strong>die</strong> massivsten H II Regionen (Molekülwolken) der Galaxis. Auch <strong>die</strong> Kugelsternhaufen haben<br />

hier ihr Dichtemaximum. Gleiches gilt für Röntgenpulsare und Röntgenburster.<br />

• BEISPIEL (DER ARCHES HAUFEN)<br />

In 25 pc Entfernung vom Zentrum der Galaxis liegt der Sternhaufen G0.121+0.017, der Arches Haufen (Bogenhaufen).<br />

Dieser enthält etwa 100 bis 120 massive O Sterne (mit einer Einzelmasse M > 20M⊙), <strong>die</strong> zusammen eine Masse von<br />

5 · 10 3 M⊙ haben. Extrapoliert man (mithilfe der IMF) auf nicht gesehene, masseärmere Sterne, so erhält man eine Gesamtmasse<br />

von bis zu 6 · 10 4 M⊙. Das ist <strong>die</strong> Masse eines kleinen Kugelsternhaufens (und nicht ganz vergleichbar mit dem<br />

Zentrum von 30 Doradus mit dem Sternhaufen R136). Dabei ist das Alter des Arches Haufens nur einige Myr (vergleichbar<br />

mit 30 Dor) und der Kernradius beträgt nur 0.23 pc (entspricht 6 ′′ bei D = 8 kpc Entfernung).<br />

• BEISPIEL (DER QUINTUPLET HAUFEN)<br />

Ähnlich wie der Arches Haufen, aber nicht so kompakt, ist der Quintuplet Haufen. Er enthält den Pistol Stern, den hellsten<br />

Stern der Milchstraße. Das Alter beträgt etwa 6 Myr und damit sind <strong>die</strong> massivsten Mitglieder alle kurz davor zu<br />

explo<strong>die</strong>ren.<br />

Das Zentrum der Galaxis (SgrA ⋆ ) ist damit einzigartig in der Milchstraße: Es ist nicht nur ein Ort alter<br />

Sterne, sondern gleichzeitig massivster Sternbildung. Sgr B2 ist ein massiver Wolkenkomplex (Masse<br />

3 · 10 6 M⊙, Durchmesser 35 pc) mit H2O Masern.<br />

• ANMERKUNG (ZENTRUM DER GALAXIS: DATEN DER UMGEBUNG)<br />

Für <strong>die</strong> Grobeinteilung benutzen wir zentraler Bulge (Auswölbung), Core (Kern) und Zentrum mit den folgenden Werten.<br />

1. Bulge: erscheint von der Erde aus unter einem Öffnungswinkel von etwa 23 ◦ , was einem Durchmesser von D ≈<br />

1.5 · 10 22 cm bzw. einem Radius von 2.5 kpc entspricht. Masse M = 2 · 10 10 M⊙. Im Kernbereich des Bulge mit<br />

Radius von 1 kpc ist <strong>die</strong> Masse M = 1 · 10 10 M⊙.<br />

2. Kern: Öffnungswinkel etwa 2 ◦ , Durchmesser D ≈ 1.3 · 10 21 cm bzw. Radius von 220 pc. Masse M = 1 · 10 8 M⊙.<br />

Hauptsächlich molekular.<br />

3. Zentrum der Galaxis: Winkel etwa 0.1 ′′ , Radius RZ ≈ 1.2 · 10 16 cm bzw. 0.005 pc, Masse M = 2.6 · 10 6 M⊙.<br />

Damit ein Schwarzes Loch.<br />

Das Zentrum der Galaxis liegt in SgrA ⋆ in D = 8 kpc Entfernung, der Winkel zwischen Zentrum und den nächsten noch<br />

aufgelösten Sternen beträgt etwa 0.1 ′′ , was einem Radius von nur RZ ≈ 1.2 · 10 16 cm (oder 5 Lichttagen) entspricht. Die<br />

Keplergeschwindigkeit erreicht hier 1500 km s −1 , was eine Zentral - Masse von M = 2.6 · 10 6 M⊙ ergibt. Es ist damit ein<br />

guter, wenn auch leuchtarmer, Schwarz-Loch-Kandidat.<br />

Zum Vergleich: Der Kugelsternhaufen Omega Centauri enthält ein Zehntel an Sternen innerhalb des 50fachen Radius. Die<br />

Andromeda Galaxie hat in einem Radius von 0.5 pc etwa halb so viele Sterne.<br />

Wenn <strong>die</strong> Galaxis ein wohldefiniertes gravisches Zentrum besitzt, dann sollte <strong>die</strong> Materie, also Sterne,<br />

Gas etc. um <strong>die</strong>ses Zentrum kreisen. Das ist aber bei der Milchstraße nicht der Fall: <strong>die</strong> Hauptmasse<br />

steckt im Halo bzw. in ungesehener Form in der Korona.<br />

Trozdem ist das Zentrum der Milchstraße ausgezeichnet: es gibt dort ein (und nur ein) Schwarzes Loch,<br />

ferner junge, massive Sterne (aber viel zu wenig Röntgenstrahlung).<br />

Die geometrische Definition des Zentrums der Galaxis und <strong>die</strong> damit verbundene Erkenntnis, daß <strong>die</strong><br />

Sonne nicht selbst das Zentrum der Galaxis ist, geht auf den amerikanischen <strong>Astrophysik</strong>er Harlow<br />

Shapley zurück. Er benutzte <strong>die</strong> Verteilung der Kugelsternhaufen (und <strong>die</strong> Cepheiden als Eichkerzen)<br />

und fand das geometrische Zentrum in Sagittarius, in einer Entfernung von etwa 13 kpc von der Sonne.<br />

Dieser Wert ist im Laufe der Zeit mehrfach revi<strong>die</strong>rt worden und liegt jetzt bei 8 kpc.<br />

Die Entfernung zum Zentrum der Galaxis, also zu SgrA ⋆ und IRS16, kann man zwar bisher nicht<br />

direkt messen, mit der Quelle Sgr B2 kommt man aber sehr nahe (0.3 pc). H2O - Maser sind heu-


1.2. LÄNGEN: RADIEN UND ENTFERNUNGEN 41<br />

te das genaueste Mittel um Entfernungen in unserer Galaxis zu<br />

bestimmen. Über <strong>die</strong> Dopplerverschiebung erhält man den Radialanteil<br />

der Bewegung der Maser, <strong>die</strong> beiden senkrechten Komponenten<br />

bestimmt man aus der Eigenbewegung (Einheit in Mikro-<br />

Bogensekunden pro Jahr). Die Genauigkeit beträgt bei VLBI etwa<br />

10 −6 ′′ , bezogen auf ein Feld mit einem Durchmesser von 3 ′′ .<br />

Man findet, daß Maser etwa einen Durchmeßer von einer AE, also<br />

etwa 10 13 cm, haben und sich geradlinig von einem neu geborenen,<br />

heißen, anregenden Stern weg entfernen. Die erste solche<br />

Eich-Messung an IRc2 in Orion ergab, mithilfe eines einfachen<br />

Modells für <strong>die</strong> Expansion, eine Entfernung von 480 ± 80 pc, in<br />

Übereinstimmung mit bisherigen Bestimmungen.<br />

Die Entfernung zu Sgr B2 wurde von Reid et al. 1988 zu 7.2±0.7<br />

Entfernung zum Zentrum der Galaxis<br />

Methode Entfernung<br />

[kpc]<br />

H2O - Maser 7.2 ± 0.7<br />

RR Lyrae 7.8 ± 0.4<br />

Kugelsternhaufen 8.0 ± 0.8<br />

Cepheiden 8.0 ± 0.5<br />

IR Sterne 8.4 ± 0.4<br />

Pulsare 8.5 ± 0.7<br />

Hipparcos 8.5 ± 0.4<br />

Tab. 1.14: Entfernung gal. Zentrum<br />

kpc bestimmt, und von Gwinn et al. wurde <strong>die</strong> Entfernung zum bisher stärksten H2O - Maser der<br />

Galaxis, in W49, zu 11.1 ± 1.2 kpc gemessen. Dieser liegt zwar nicht im Zentrum der Galaxis,<br />

(l, v) = 0. ◦ 66, 55 km s −1 , man kann aber seine kinematische Geschwindigkeit benutzen, <strong>die</strong> Entfernung<br />

zum Zentrum abzuschätzen: sie erhalten 8.1 ± 1.1 kpc.<br />

Damit erhält man für <strong>die</strong> Umlaufgeschwindigkeit der Sonne um das galaktische Zentrum ˙ Θ = 220 km<br />

s −1 und als Entfernung zur LMC d = 49.4 kpc. Die Relativgeschwindigkeit zwischen LSR und LMC<br />

ist zufällig vergleichbar, nämlich etwa v = 270 km s −1 . Zwischen dem Zentrum der Galaxis und LMC<br />

dagegen gilt v = 140 km s −1 .<br />

• ZUSATZ (VORGRIFF: DIE ZENTREN ANDERER GALAXIEN)<br />

Das Standard Modell für einen Quasar ist eine massive Galaxie mit einem Schwarzes Loch im Zentrum. Was ist <strong>die</strong> Evidenz<br />

bisher für ein solches Modell?<br />

Nach der Bestimmung der Entfernung, D, zum Zentrum unserer Galaxis und damit ihrer Masse, M, vergleichen wir<br />

hier noch zum Abschluß <strong>die</strong> Eigenschaften<br />

einiger galaktischer Zentren, im Hinblick auf<br />

mögliche Schwarz-Loch-Kandidaten, und zwar<br />

Schwarz-Loch-Kandidaten im Zentrum einer Galaxie<br />

geordnet nach ihrer Entfernung. Die Bestim- Name alternativ Distanz Masse Radius Dichte<br />

mung von M ist analog, <strong>die</strong> Bestimmung von<br />

Entfernung D und Radius, R, ist wesentlich<br />

schwieriger.<br />

M⊙ pc M⊙ pc<br />

Die ersten beiden Galaxien sind im Virgo<br />

Haufen gelegen und besitzen ebenfalls H2O<br />

- Maser. Die Ra<strong>die</strong>n wurden mit VLBI bestimmt.<br />

Wie ersichtlich, sind sowohl Entfernung<br />

und Radius als auch Masse und Entfernung<br />

korreliert, was aber unverständlich ist.<br />

−3<br />

M87 NGC 4258 20 Mpc 5 · 109 3 5 · 107 M106 NGC 4258 7 Mpc 3.9 · 107 0.12 4 · 109 Andromeda M31 770 kpc 3 · 107 0.05 5 · 10 10<br />

Milchstraße 8 kpc 2.6 · 106 0.005 5 · 1012 Stern-Dichte: (Masse/Volumen)<br />

Tab. 1.15: gal. Schwarz-Loch-Kandidaten<br />

Vermutlich sind <strong>die</strong> Ra<strong>die</strong>n und Massen nur<br />

eine obere Grenze.<br />

Besonders deutlich wird <strong>die</strong>s bei der abgeleiteten Größe der der Stern-Dichte, ρ = Masse/Volumen.<br />

Da <strong>die</strong> Bestimmung der Masse, M, von galaktischen Schwarz-Loch-Kandidaten <strong>die</strong> Kenntnis ihrer<br />

Entfernung D voraussetzt, (Bestimmung von R nach Kepler III)<br />

und<br />

R = GM<br />

v 2<br />

tan Θ = R<br />

D<br />

wird sich hier im Laufe der weiteren Entwicklung (der Interferometrie) noch einiges ändern. Wir halten<br />

uns an <strong>die</strong> Empfehlung der IAU (oder nehmen für <strong>die</strong> Entfernung zum Zentrum der Galaxis D den<br />

Mittelwert der Tabelle) und verwenden im folgenden


42 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />

Entfernung zum Zentrum der Galaxis D = 8 kpc.<br />

Umlaufgeschwindigkeit der Sonne Θ = 220 km s −1 .<br />

Dauer eines Umlaufs T = 225 Myr.<br />

Eingeschlossene Masse M = 1 · 10 11 M⊙.<br />

als geeignete Mittelwerte (sehr unterschiedlicher Bestimmungen).<br />

Fenster aus der Galaxis<br />

Die Verteilung der ISM in der Galaxis ist stark inhomogen. Je nach Frequenz (Radio, optisch, Röntgen)<br />

gibt es Löcher, durch <strong>die</strong> man weitgehend ungehindert aus der Galaxis herausschauen kann. Im verallgemeinerten<br />

Sinne wollen wir darunter auch <strong>die</strong>jenigen Felder am Himmel verstehen, wo ’nichts<br />

zu sehen’ ist. Mittlerweile berühmte Beispiele sind <strong>die</strong> beiden Hubble Felder: das Hubble Deep Field<br />

(North) und und das Hubble Deep Field (South).<br />

• BEISPIEL (BAADES FENSTER)<br />

Da <strong>die</strong> Wolken stark geklumpt sind, gibt es auch bei niedrigen Breiten b Löcher, durch <strong>die</strong> man durch <strong>die</strong> Galaxis hindurchsehen<br />

kann (mit einer Extinktion AV < 2). Das zentrumnächste Fenster (Baades Fenster) liegt bei l = 0 ◦ .9 und b = −3 ◦ .9,<br />

der Sehstrahl passiert das Zentrum der Galaxis im Abstand von 700 pc. Die Flächengröße beträgt ein Viertel Quadratgrad,<br />

etwa 100 mal 100 Parsec in Zentrumsnähe. Im Sehstrahl liegen der Kugelsternhaufen NGC 6522 (Entfernung 6.5 kpc) und<br />

insgesamt etwa 120 RR Lyrae Sterne (<strong>die</strong> meisten in der Nähe des Zentrums).<br />

Für <strong>die</strong> Anzahldichte der RR Lyrae Sterne folgt daraus zu n = 120(100) −3 = 10 −4 pc −3 . Am Ort der Sonne folgt daraus<br />

mit n ∝ D −3 etwa n < 10 −7 pc −3 . Der Literaturwert beträgt n = 10 −8 pc −3 .<br />

Die Anzahl der RR Lyrae Sterne in der Milchstraße ist dann<br />

N = 4π10 −8 (10 4 ) 3 ln(10 3 ) = 10 6<br />

Frühere Schätzungen, <strong>die</strong> den Anstieg zum Zentrum unberücksichtigt ließen, ergaben nur 10 5 . Dies sind alles Feldsterne,<br />

weniger als 1% befindet sich in Kugelsternhaufen. Mit einer Lebensdauer von 10 7 yr müßen insgesant 1000mal soviel<br />

Sterne durch <strong>die</strong>se Phase gegangen sein: also insgesamt 10 9 Sterne.<br />

• BEISPIEL (LOCKMANS LOCH)<br />

Das absolute Minimum der interstellaren Säulendichte und damit der Absorption im Röntgenbereich liegt in Richtung<br />

Grosser Wagen. Lockmans Loch ( l = 149 ◦ b = 53 ◦ ) ist wichtig für <strong>die</strong> Röntgenbeobachtung der Hintergrundstrahlung.<br />

Die Säulendichte beträgt hier N (H) = 0.6 · 10 20 cm −2 , sie ist damit um 1 dex niedriger als im Mittel in der Milchstraße.<br />

Am Nord-Ekliptikalen Pol beträgt sie z. B. N (H) = 4 · 10 20 cm −2 und bis zum Galaktischen Zentrum N (H) = 2 · 10 21<br />

cm −2 .<br />

Damit ist Lockmans Loch am besten geeignet für Langzeitmessungen am Röntgenhintergrund. Eine solche Messung mit<br />

ROSAT von 150 ks hat etwa 1200 Quellen in 10 Quadratgrat gefunden. Mehr als 90 % der Quellen sind extragalaktisch (was<br />

allerdings nur durch Folgeuntersuchungen im Radio und optischen Bereich gefunden werden kann). Über <strong>die</strong> Verteilung<br />

logN (Anzahl) logS (Leuchtkraft) kann man nach Abzug der identifizierten Quellen eine Aussage über eine mögliche<br />

kosmologische Restkomponente erhalten.<br />

Mit seiner Messung am Lockman Loch konnte ROSAT (für <strong>die</strong>se Richtung jedenfalls) den Anteil einer mögliche kosmologischen<br />

Komponente an der diffusen Hintergrundstrahlung auf maximal 25% beschränken (Aschenbach, 1992).<br />

• BEISPIEL (PLAUTS FENSTER)<br />

Plauts Fenster bei (l = 0 ◦ b = −8 ◦ ) markiert den Übergang zwischen Bulge und Kern der Milchstraße und verläuft<br />

etwa 1 kpc unterhalb der galaktischen Ebene. Falls es gelingt, für <strong>die</strong> Sterne in <strong>die</strong>ser Zwischenschicht <strong>die</strong> Hauptreihe zu<br />

bestimmen, dann kann man Aussagen über das Alter und über <strong>die</strong> Bildung des Kerns gewinnen.<br />

• BEISPIEL (DAS HUBBLE DEEP FIELD (NORTH))<br />

Das Hubble Deep Field (North) bei (l = 125.9 ◦ b = 54.8 ◦ ) wurde während 10 Tage Dauerbelichtung vom HST aufgenommen.<br />

Die Grenzleuchtkraft betrug im optimalen Fall 30 Magnituden.<br />

• BEISPIEL (DAS HUBBLE DEEP FIELD (SOUTH))<br />

Das Hubble Deep Field (South) enthält mehr Quellen als das nördliche Pendant.


1.2. LÄNGEN: RADIEN UND ENTFERNUNGEN 43<br />

Sternassoziationen (OB Assoziationen)<br />

Die OB Assoziationen (entdeckt 1947 von Ambartsumian) sind Gruppierungen von sehr jungen, leuchtstarken<br />

O und B Sternen mit ausgeprägter Konzentration in der galaktischen Scheibe, s. Tabelle (1.9),<br />

und dort wieder in den Spiralarmen. Im Gegensatz zu den Sternhaufen handelt es sich bei den Assoziationen<br />

nicht um eine Verdichtung an Sternen, sondern um eine sphärische Ansammlung seltener<br />

(massiver, leuchtstarker) Sterne. Beispiele sind:<br />

1. Orion Ori OB1 (Entf. D = 500 pc, 1000 Sterne)<br />

2. Perseus (α Persei = Per OB2)<br />

3. Sco-Cen (Sco OB2 ist mit D = 160 pc <strong>die</strong> nächste Assoziation)<br />

Sie fliegen mit etwa 10 bis 15 km/sec auseinander, sie sind sehr jung (Entwicklungsalter < 10 Myr) und<br />

meist noch mit der Molekülwolke assoziiert (dynamisches Alter), in der sie entstanden sind. Spektroskopisch<br />

und dynamisch kann man obere Altersgrenzen angeben, <strong>die</strong> einige Myr nicht überschreiten.<br />

Besonders interessant sind hier <strong>die</strong> Schnellläufer. Da bei ihnen Richtung und Geschwindigkeit messbar<br />

sind, können sie zur Ursprungswolke zurück extrapoliert werden. (Beispiel Orion: AE Aurigae und µ<br />

Columbae). Man kennt etwa 10 2 Assoziationen mit 10 bis 10 3 Mitgliedern. Auf ihre Bedeutung für <strong>die</strong><br />

Kosmogonie hat erstmals Ambartsumian (1947) hingewiesen. Sie sind bisher der direkteste Nachweis<br />

dafür, daß auch heute noch Sterne geboren werden.<br />

RR Lyrae Sterne<br />

RR Lyrae Sterne sind wichtige Eichkerzen (konstanter Leuchtkraft, SpTyp A2 bis F2, im Mittel MV =<br />

0.6) zur Entfernungsbestimmung und zur Altersbestimmung. Sie gehören zur Population II (Halo mit<br />

Konzentration zum galaktischen Zentrum) und kommen sowohl als Feldsterne als auch in Kugelsternhaufen<br />

vor. Es handelt sich um massearme Sterne, 0.6M⊙ < Masse < 0.9M⊙, <strong>die</strong> sich vom Hauptast<br />

des Hertzsprung-Russel-Diagramms fortentwickelt haben (bis zum Horizontalast, wo sie im Zentrum<br />

He zu C verbrennen) und mit Perioden zwischen 0.05 und 1.1 Tage (1.5 bis 25 h) pulsieren.<br />

Da ein Stern mit weniger als einer Sonnenmasse mehr als 10 Gyr Jahre (also länger als das Universum<br />

alt ist) auf der Hauptreihe verbringt, ergibt sich ein Problem, das noch bei vielen anderen Sternen<br />

auftritt: der Stern muß beträchtlich Masse verloren haben, um heute in einem derart fortgeschrittenen<br />

Stadium angekommen zu sein. Wie er dort hingekommen ist (oder ob er schon einmal in <strong>die</strong>ser Phase<br />

war) ist ihm aber nicht anzusehen. Starker Masseverlust wird bisher nur bei Sternen beobachtet, <strong>die</strong> <strong>die</strong><br />

Hauptreihe bereits verlassen haben (Riesen und Überriesen). Diese Entwicklung ist aber sehr schnell<br />

im Vergleich zur Verweildauer bein H Brennen. Somit kann über <strong>die</strong> Vorläufer (Progenitoren) nichts<br />

gesagt werden: man schätzt für Feldsterne (aufgrund ihrer Häufigkeit) 1.5M⊙ < Masse < 2M⊙. Für<br />

Sterne in Kugelsternhaufen kann der Weg direkt aus dem Hertzsprung-Russel-Diagramm abgelesen<br />

werden. Sie verbrennen He im Innern, müßen also genügend He angesammelt haben zum Zünden<br />

(etwa 0.5M⊙) und den He Zündvorgang (He Flash) überlebt haben ohne zerrissen zu werden.<br />

Beim Zünden gilt (nach Rechnungen von Iben und Renzini) für <strong>die</strong> minimale Masse an Helium<br />

Mcore = 0.476 − 0.221(Y − 0.3) − 0.009(3 + log Z) − 0.023(M − 0.8) (1.52)<br />

Die Massen sind hier in Einheiten von M⊙ zu nehmen, Y ist der Massenanteil an Helium und Z der an<br />

Metallen. Ein typischer Wert für RR Lyrae Sterne ist Mcore = 0.5. Das liefert <strong>die</strong> untere Massengrenze.<br />

Die Dauer auf dem Horizontalast (horizontal branch, index HB) kann wie folgt abgeschätzt werden<br />

log(tHB/yr) = 7.74 − 2.2(Mcore − 0.5) (1.53)


44 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />

Die Pulsation wird, wie bei Cepheiden, durch den Eddingtonschen Kappa Mechanismus ermöglicht.<br />

Empirisch gilt für <strong>die</strong> Periode (<strong>die</strong> Näherungsformel, <strong>die</strong> van Albada und Baker 1973 bestimmten)<br />

log(Π/d) = 0.84(log(L/L⊙) − 0.68(log(M/M⊙) − 3.48(log(Teff) (1.54)<br />

Etwa 1200 RR Lyrae Sterne sind in Kugelsternhaufen bekannt, es gibt jedoch auch isolierte Feldsterne<br />

(mehr als 3200). Diese sind stark zum galaktischen Zentrum hin konzentriert. RR Lyrae Sterne entwickeln<br />

sich im H-R-Diagramm von rechts nach links aufgrund von starkem Massenverlust, der bis<br />

zu ˙ M = 10 −4 M⊙ yr −1 erreichen kann. Ein massearmer Weißer Zwerg ist <strong>die</strong> Endstation der immer<br />

schneller verlaufenden Entwicklung.<br />

Als theoretische Näherungsformel für Sternpulsationen von RR Lyrae Sternen gilt allgemein (nach<br />

Rechnungen von Iben) für <strong>die</strong> Fundamentalmode<br />

log(Π/d) = −0.34 + 0.825(log(L/L⊙) − 1.7) (1.55)<br />

−3.34(log(Teff) − 3.85) (1.56)<br />

−0.63(log(M/M⊙) + 0.19) (1.57)<br />

Dabei ist Π <strong>die</strong> Periode in Tagen. Daraus kann anhand der Beobachtungsdaten <strong>die</strong> untere und <strong>die</strong> obere<br />

Grenzmasse (aller RR Lyrae Sterne) bestimmt werden.<br />

Die physikalischen Parameter eines typischen RR Lyrae Sterns sind in der folgenden Tabelle zusammengestellt.<br />

RR Lyrae Sterne sind wegen ihrer konstanten Leuchtkraft ideale<br />

Standardkerzen in der Galaxis, leider aber auch praktisch nur<br />

dort. Die hellsten erreichen scheinbare bolometrische Helligkeiten<br />

von mV = 7m , sind also gerade nicht mehr mit naktem<br />

Auge sichtbar. Der Namensgeber RR Lyrae variiert zwischen<br />

mV = 7m .1und8m RR Lyrae Sterne: Daten<br />

Periode P 12 h<br />

.0.<br />

RR Lyrae Sterne wurden zuerst von S. Bailey (1895) in Kugelsternhaufen<br />

entdeckt und sie wurden anschließend von Shapley<br />

Masse M<br />

Radius R<br />

Temperatur Teff<br />

Puls-Amplitude<br />

Leucht-Amplitude<br />

0.6M⊙<br />

4M⊙<br />

log(Teff ) = 3.85<br />

∆R/R = 0.1<br />

∆L/L = 1.<br />

(1918) benutzt, um <strong>die</strong> Entfernungen der Kugelsternhaufen zu<br />

bestimmen (nach Eichung mit Hilfe der Cepheiden).<br />

Tab. 1.16: RR Lyrae Daten<br />

Es gilt (heutiger Wert) für <strong>die</strong> absolute Leuchtkraft MB im blauen bzw. <strong>die</strong> gesamte Leuchtkraft L<br />

MB = 0.8 ± 0.15 d. h. L = 100L⊙ (1.58)<br />

Mit RR Lyrae Sternen war es erstmals möglich, eine realistische Vorstellung über den Aufbau unserer<br />

Milchstraße zu gewinnen. Absorption kannte man allerdings damals<br />

noch nicht. Aus der Definition des Entfernungsmoduls,<br />

∆m = m − M = 5 log (D/10pc),<br />

entnehmen wir, wann <strong>die</strong> Grenzempfindlichkeit für <strong>die</strong> in der Tabelle<br />

gegeben Beispiele erreicht wird. IC 5152 ist <strong>die</strong> bisher am weitesten<br />

entfernte Zwerggalaxie der Lokalen Gruppe.<br />

Unter der Annahme MV = 0m und mV = 22m (für ein gutes Teleskop)<br />

kommt man 250 kpc weit, und das reicht für <strong>die</strong> beiden Maghellanschen<br />

Wolken (<strong>die</strong> Große Maghellansche Wolke mit m − M = 18. m5 und <strong>die</strong><br />

Kleine Maghellansche Wolke mit m − M = 18. m9), <strong>die</strong> Andromeda<br />

Galaxie (M31) ist allerdings 770 kpc entfernt (m − M = 24. m43). Nur<br />

<strong>die</strong> hellsten Sterne können hier noch aufgelöst werden.<br />

Einige wenige RR Lyrae Sterne sind tatsächlich in den Maghellanschen<br />

Wolken gefunden worden (Relativgeschwindigkeit v = 275 km s−1 Entfernungsmodul<br />

zu Nachbargalaxien<br />

Name m − M Dist<br />

mag<br />

GC 14.52 8 kpc<br />

15 10 kpc<br />

LMC 18.45 50 kpc<br />

20 100 kpc<br />

M31 24.43 770 kpc<br />

25 1 Mpc<br />

IC 5152 26.01 1.6 Mpc<br />

),<br />

und zwar 10 in LMC und 3 in SMC. Die Übereinstimmung mit anderen<br />

Methoden der Entfernungsbestimmung ist für RR Lyrae Sterne nicht gut.<br />

Tab. 1.17: Entfernungsmodul


1.2. LÄNGEN: RADIEN UND ENTFERNUNGEN 45<br />

Cepheiden<br />

Cepheiden sind periodisch Veränderliche (SpTyp F6 bis K2, Periode 1 bis 50 d) mit besonders grosser<br />

Leuchtkraft (von MV = −6 bis etwa 0). Etwa ein Dutzend sind in unserer Galaxis mit blossem<br />

Auge sichtbar. Sie wurden in der SMC (Kleine Maghellansche Wolke) von Miss Henrietta Leavitt als<br />

mögliche Standardkerzen (1912) entdeckt. Sie fand eine Korrelation zwischen scheinbarer Helligkeit,<br />

m und Periode, P : je größer <strong>die</strong> Periode, um so größer <strong>die</strong> Leuchtkraft. Auch hier war <strong>die</strong> entscheidende<br />

Entdeckung nur möglich, weil Sterne einheitlicher Entfernung gefunden werden konnten. Wichtig<br />

war hier noch das Fehlen von Staub (Absorption, wie in LMC).<br />

Leider gibt es zwei Klassen von Cepheiden (was man bei ihrer Entdeckung nicht wusste, sondern von<br />

W. Baade erst 1952 endgültig herausgefunden wurde): Population I und Population II. Sie unterscheiden<br />

sich in der Leuchtkraft um einen Faktor 4 (und in der Konstanz der Periode). Die zwei Typen von<br />

Cepheiden sind<br />

1. <strong>die</strong> δ-Cephei Sterne (jung) und<br />

2. W-Virginis Sterne (alt).<br />

In der Milchstraße sind <strong>die</strong> δ-Cephei Sterne auf <strong>die</strong> galaktische Ebene (und dort auf <strong>die</strong> Spiralarme)<br />

konzentriert, Skalenhöhe etwa |z| = 100 Parsec. Die W-Virginis Sterne haben eine Verteilung (Halo<br />

Sterne) wie <strong>die</strong> Kugelsternhaufen, in denen sie auch vorkommen.<br />

Sie liefern eine von Absorption unverfälschte Leuchtkraftbestimmung durch ihre Periode - Leuchtkraft<br />

Beziehung. Misst man bei verschiedenen Frequenzen, so kann man <strong>die</strong> Absorption herauskorrigieren.<br />

Man unterscheidet Cepheiden der Population I (junge Sterne mit extremer Konstanz der Periode, konzentriert<br />

in der galaktischen Ebene) und solche der Population II (alte Sterne in Kugelsternhaufen,<br />

welche ursprünglich zur Anschlusseichung benutzt wurden) an der Form der Lichtkurve.<br />

Es gilt empirisch MV = −1.67 − 2.54 log(P/day) oder, grob genähert, für <strong>die</strong> bolometrische Helligkeit<br />

LI = 500L⊙(P/day) (1.59)<br />

Genauer gilt (für <strong>die</strong> visuelle Helligkeit)<br />

MV = −2.47 − 3.53 log (P/day) + 2.647(B − V ) (1.60)<br />

und ebenfalls grob genähert für <strong>die</strong> bolometrische Helligkeit der Cepheiden der Population II, <strong>die</strong> W-<br />

Virginis Sterne<br />

LII = 125L⊙(P/day) (1.61)<br />

Cepheiden werden heute geeicht anhand der offenen Sternhaufen, (s. (1.9)), welche selbst wieder durch<br />

’main sequence fitting’ an <strong>die</strong> Hyaden angeschlossen werden.<br />

Die Bestimmung an 220 Cepheiden mit Hipparcos lieferte (Feast und Catchpole, 1997)<br />

MV = −1.43 − 2.81 log(P/day) (1.62)<br />

Empirisch weichen einzelne Objekte um ± 1/2 Magnitude vom Mittelwert ab, man muß also viele<br />

Objekte messen, um verläßliche Werte zu erhalten.<br />

Beispiele klassischer Cepheiden sind RS Puppis (mit P = 41 d , 38 in Pup OB III) und Namensgeber δ<br />

Cephei (mit mV = 3 m .6 . . . 4 m .4 und einer Periode von 5.37 Tagen).<br />

Die Zahlen für <strong>die</strong> Maghellanschen Wolken sind: Beide enthalten jeweils mehre Tausend Objekte. Im<br />

Falle von LMC wurden zur Eichung Cepheiden in offenen Sternhaufen ausgesucht, 14 in NGC 2031,<br />

9 in NGC 1866 und 3 in NGC 2157.


46 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />

• ANMERKUNG (RADIENBESTIMMUNG)<br />

Rechnet man <strong>die</strong> Helligkeitsschwankungen um in Temperatur- und Radiusschwankungen, dann kann man den Radius direkt<br />

bestimmen. Aus<br />

L = 4πR 2 σT 4<br />

folgt für adiabatische Änderungen (P = nkT und P ∝ n 5/3 ) zunächst T ∝ n 2/3 ∝ R 2 und daraus L ∝ R 10 . Genauer<br />

kann man aus<br />

m1 − m2 = −2.5 log(R 2 1Φ1/R 2 2Φ2)<br />

mithilfe der Wienschen Näherung der Planck Formel<br />

Φ ∝ exp(−hν/kT )<br />

differentiell, d. h. für gegebene Frequenz ν, für <strong>die</strong> beiden Zustände 1 und 2<br />

m1 − m2 = 1.086 hν<br />

�<br />

1<br />

−<br />

k T1<br />

1<br />

�<br />

− 5 log(R1/R2)<br />

T2<br />

erhalten. Daraus kann der Radius bestimmt werden.<br />

Für δ Cephei ergibt sich R = R⊙ und eine Amplitudenschwankung des Radius von<br />

R − Rmin<br />

∆ = = 0.1.<br />

Rmax<br />

Dies gilt allgemein für Cepheiden der Population I. Bei anderen Variablen können <strong>die</strong> relativen Amplitudenschwankung<br />

aber wesentlich größer sein. Für W Virginis z. B. ist ∆ = 0.5 beobachtet.<br />

In unserer Galaxis gilt für <strong>die</strong> hellsten Vertreter Pmax = 45 d (für SV Vul in Vul OB1), während in<br />

der Galaxie M31 (Andromeda) Pmax = 150 d gilt. Beispiele von Typ II Cepheiden (auch W Virginis<br />

Veränderliche genannt) sind neben W Virginis noch RV Tauri und Mira Ceti (welche bei genauerer<br />

Klassifizierung wieder Unterklassen darstellen).<br />

Mira Sterne<br />

Eine Besonderheit weisen <strong>die</strong> langperiodischen Mira Sterne auf. Ihre absolute Helligkeit ist nahezu<br />

konstant. Mira z. B. hat Mbol ≈ −5, das entspricht L = 7.7 · 10 3 L⊙, ihre visuelle Helligkeit, d. h. ihr<br />

optisches Erscheinungsbild, schwankt dagegen stark, mit einer typischen Amplitude von ∆mV = 3 m .<br />

Mira Ceti (Omicron Ceti = o Cet) selbst variiert sogar um ∆mV = 7 m , d. h. Mira ist ein Stern der<br />

periodisch (alle 11 Monate) am Himmel erscheint (mit mV = 3 ist er mit blossem Auge gut sichtbar),<br />

um dann wieder zu verschwinden (mit mV = 10 ist er selbst mit Feldstecher unsichtbar). Das war im<br />

Altertum ein unverständliches Phänomen, deshalb der Name Mira = der Wunderbare.<br />

Die genaue Klassifizierung von Mira ist M6e III, ein roter Riesenstern mit extremen Daten. Seine<br />

Strahlung hat ihr Maximum im Infraroten bei 1µ, mit Schwankungen zwischen 0.69 µ (T = 2000 K)<br />

und 1.44 µ (T = 3000 K). Da das Maximum im Infraroten liegt, bekommt das Auge wenig von den<br />

eigentlichen Schwankungen mit, es sieht den Wienschen Ast.<br />

Dementsprechen groß ist der Radius. Er kann (als einer der ganz wenigen Sternra<strong>die</strong>n) interferometrisch<br />

bestimmt werden: R = 390R⊙ (also 2AE!).<br />

Die Oberflächentemperatur von o Cet schwankt maximal zwischen 2100 und 2700 K. Es handelt sich<br />

um einen Doppelstern, dadurch kann sogar seine Masse bestimmt werden: M = 1 · R⊙. Die Oszillationen<br />

sind nicht streng periodisch, was sich damit erklären läßt, daß Mira Sterne konvektiv sind.<br />

Es gibt etwa so viele Mira Sterne wie RR Lyrae Sterne. Der SpTyp reicht von M0e bis M10e. Dazu<br />

kommen <strong>die</strong> Typen N, R, S. Das kleine e bedeutet, daß Mira Sterne Emissionslinien (z. B. von dem<br />

Molekül TiO) zeigen, einige haben zirkumstellare Hüllen. Die Verteilung ist jedoch anders. Mira Sterne<br />

befinden sich auf dem Weg, ein Weißer Zwerg zu werden.<br />

(1.63)


1.2. LÄNGEN: RADIEN UND ENTFERNUNGEN 47<br />

Die hellsten Sterne<br />

Klassifikation: Variable Sterne<br />

Name Periode Pop SpTyp MV<br />

RR Lyrae 1.5 – 25 h II A2 – F2 0.6<br />

δ Cephei 1 – 50 d I F6 – K2 −6 bis −0.5<br />

W Virginis 2 – 45 d II F2 – G6 −3 bis 0<br />

RV Tauri 205 – 150 d II G – K −3<br />

Mira 100 – 700 d I und II M,N,R,S −3 bis −1<br />

Die Oszillationen sind radial. Miras sind konvektiv.<br />

Für <strong>die</strong> hellsten RR Lyrae Sterne haben wir unter der Annahme MV = 0 m und mV = 22 m als Maximalentfernung<br />

250 kpc bestimmt. Eine Cepheide (vom Typ I) hat für P = 20 Tage etwa MV = −5,<br />

damit kommt man bei gleicher Annahme über <strong>die</strong> Teleskop-Empfindlichkeit mit<br />

D1<br />

D2<br />

= 10 0.2(M2−M1)<br />

(1.64)<br />

einen Faktor 10 weiter, also bis 2.5 Mpc.<br />

Als Maximalhelligkeit (für P = 150 Tage) gilt etwa MV = −7 und damit Dmax = 4 Mpc.<br />

Kosmologisch interessante Entfernungen liegen jedoch jenseits von 100 Mpc. Cepheiden reichen demnach<br />

nicht aus, um den entscheidenden Schritt zur kosmologischen Entfernungsbestimmung zu vollziehen.<br />

Hubble benutzte deshalb <strong>die</strong> hellsten Sterne einer ganzen Galaxie (einige waren allerdings H<br />

II Regionen bzw. unaufgelöste Sternhaufen). Er fand MV = −6 m , 1, was etwa L = 10 4 L⊙ entspricht.<br />

Heute gilt dagegen MV = −8 m , 5 und für<br />

blaue Überriesen MV = −9 m , 3 ± 0.1 (1.65)<br />

In unserer Galaxie gehören zu den hellsten Sternen:<br />

1. HD 97950, ein Stern mit MV = −7 m , 9; vom SpTyp O3, Masse ≈ 80M⊙ in NGC 3603.<br />

2. Eta Carinae, ein Stern vom SpTyp O3, Masse ≈ 100M⊙.<br />

3. ζ Pup und χ Vel ein Doppelsternsystem mit MV = −7 m , 3; SpTyp O5.<br />

Zu unserer nächsten Nachbarschaft gehört <strong>die</strong> Große Maghellansche Wolke. Die hellsten Sternen dort<br />

sind:<br />

1. Mk42, ein Stern mit SpTyp O3, Masse ≈ 110M⊙, T = 42000 K, L = 2.3 · 10 6 L⊙ (MV =<br />

−7 m , 1).<br />

2. R136a1, ein Stern mit SpTyp O3, Masse ≈ 100M⊙ im Sternhaufen R136 im Zentrum des 30-<br />

Doradus-Nebels.<br />

3. R127 = HDE 269858, ein variabler Stern mit SpTyp OIafpe und mit bipolarem Ausfluß (im<br />

Zentrum des 30-Doradus-Nebels).<br />

Die Entfernung zu <strong>die</strong>sen Sternen ist damit gut bekannt. Es ist allerdings fraglich, ob <strong>die</strong>se Sterne<br />

wirklich als Eichstandards zu gebrauchen sind. Sie sind nicht mehr im hydrostatischen Gleichgewicht,<br />

sie pulsieren und verlieren Masse mit einer Rate von bis zu ˙ M = 3 · 10 −4 M⊙ yr −1 . Die Massenverlust-<br />

Rate ist hier so groß, daß <strong>die</strong> Entwicklungszeit von 1 Myr für solche Sterne deutlich unterschritten<br />

wird, <strong>die</strong> Leuchtkraft wird damit eine Funktion der Zeit. Der Stern R127 = HDE 269858 war 1989 der<br />

hellste in LMC.<br />

Hier können (langfristig) Typ Ia Supernovae weiterhelfen. Sie haben<br />

Typ Ia Supernovae MV = −19 m ; Dmax = 250 Mpc<br />

damit kann dann <strong>die</strong> Hubble Konstante bestimmt werden.


48 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />

• FORMELN (INDIKATOREN ERSTER ORDNUNG)<br />

Die derzeit wichtigsten Indikatoren erster Ordnung sind in der folgenden Tabelle zusammengestellt.<br />

Die Eichklassen erster Ordnung sind in der Tabelle nach Reichweite geordnet. RR<br />

Lyrae Sterne und Cepheiden vom Typ I sind auch in den Maghellanschen Wolken<br />

vermessen worden. Dort entfällt eine Unsicherheit: Es sind alle Sterne gleich weit<br />

entfernt und es ist sogar möglich, zwischen Feldsternen und Sternen in Kugelsternhaufen<br />

zu unterscheiden. Es zeigt sich, daß <strong>die</strong>se keineswegs gleiche Helligkeit besitzen.<br />

Gleiches gilt für Novae. Insgesamt kennt man (bis 1991) 18 Novae in den<br />

Maghellanschen Wolken, 14 in LMC und 4 in SMC. Ihre Eigenschaften sind vergleichbar<br />

mit denen der Milchstraße. Wichtige Ausnahme ist <strong>die</strong> Nova 1991 in LMC<br />

mit Mv = −9 m im Maximum, eine Magnitude heller als <strong>die</strong> hellsten Novae in der<br />

Milchstraße.<br />

Primäre Eichstandards<br />

Sternklasse Mv Dmax<br />

RR Lyrae 0 m .5 200 kpc<br />

Cepheiden −7 m 4 Mpc<br />

Überriesen −7 m 2 Mpc<br />

Novae −8 m 4 Mpc<br />

Supernovae −19 m 250 Mpc<br />

Tab. 1.18: Eichklassen<br />

Eine interessante Fragestellung, <strong>die</strong> nunmehr mit den zur Verfügung stehenden Beobachtungsinstrumenten geklärt werden<br />

kann, ist <strong>die</strong> Abhängigkeit der Leuchtkraft vom Ort des Eichstandards (chemische Zusammensetzung). Da es sich um <strong>die</strong><br />

jeweils hellsten Objekte einer Klasse handelt, ist hier <strong>die</strong> Malmquist Verfälschung besonders zu berücksichtigen.<br />

Ein gutes Beispiel dafür ist der bereits erwähnte 30-Doradus-Nebel in der Große Maghellansche Wolke. Ursprünglich (Feast<br />

et al. 1960), als <strong>die</strong>ser noch nicht aufgelöst werden konnte, wurde als Modell ein supermassiver Stern von M = 2 · 10 4 M⊙<br />

vorgeschlagen. Um 1990 war der Kern in 111 OBA Sterne aufgelöst, der Kern R139 enthielt aber immer noch etwa <strong>die</strong> gleiche<br />

Masse. Erst mit dem Hubble Space Teleskop konnte R139 aufgelöst werden. Das Ergebnis wird später weiter diskutiert<br />

werden.<br />

Von den Eichklassen erster Ordnung sind <strong>die</strong> wichtigsten, nämlich <strong>die</strong> Supernovae, noch am wenigsten gut verstanden (weil<br />

sie so selten bzw. so weit weg sind).<br />

1.2.4 Daten einiger wichtiger Nachbargalaxien<br />

Mit den primären Eichstandards kommen wir bequem bis M31. Wir geben hier einen kleinen Ausblick, <strong>die</strong> eigentliche Behandlung<br />

der Entfernungsbestimmung in unserer Metagalaxie verschieben wir, bis wir Galaxien bei anderen als optischen<br />

Frequenzen behandelt haben.<br />

Die Andromeda Galaxie (M31, mit ihren beiden Begleitern M32 und M33) bildet zusammen mit der Milchstraße (plus<br />

LMC und SMC) ein Doppelgalaxie System. Solche Systeme sind häufig in Galaxienhaufen. Das Gesamtsystem wird zur<br />

Lokalen Gruppe zusammengefasst. Weitere Gruppen in unserer Nähe (wie M81 mit M82 und NGC 2403 oder <strong>die</strong> Maffei<br />

Gruppe mit NGC 6946) werden wir später kennenlernen.<br />

Wir beschließen <strong>die</strong>sen Überblick mit einer Tabelle von Daten der wichtigsten Nachbargalaxien und Literatur für genauere<br />

Angaben.<br />

Die Koordinaten der folgenden Tabelle enstammen der SIMBAD Datenbank. Die Gesamtmasse der lokalen Gruppe, mit<br />

nunmehr insgesamt 40 Mitgliedern, wird in <strong>die</strong>sem<br />

Modell zu<br />

MLG = 5 · 10 12 M⊙<br />

angenommen. Die Rektaszension α in Spalte 2<br />

und <strong>die</strong> Deklination δ in Spalte 3 beziehen sich<br />

auf das Jahr 2000. Spalte 4 und 5 geben <strong>die</strong> galaktischen<br />

Koordinaten l und b in Grad. Die letzte<br />

Spalte gibt <strong>die</strong> Beträge der Entfernungen Dist<br />

(in Mpc). Sie sind hier auf den Schwerpunkt der<br />

lokalen Gruppe bezogen. Die angegebenen Geschwindigkeiten<br />

V⊙ (in km s −1 ) sind dagegen<br />

bezogen auf den LSR (local standard of rest).<br />

Der Einflussbereich der lokalen Gruppe reicht<br />

bis etwa 1.8 Mpc vom Schwerpunkt, Galaxien,<br />

<strong>die</strong> weiter entfernt sind, gehören zum Virgo Haufen.<br />

Die Masse des Virgo Haufens beträgt in <strong>die</strong>sem<br />

Daten der wichtigsten Nachbargalaxien<br />

Name α δ l b V⊙ Dist<br />

J2000 J2000 deg deg Mpc<br />

MWG 17 h 45 m .7 −29 ◦ 00 0.00 0.00 16 0.440<br />

LMC 05 h 23 m .6 −69 ◦ 45 280.46 −32.89 278 0.469<br />

SMC 00 h 52 m .6 −72 ◦ 48 302.80 −44.30 158 0.468<br />

M31 00 h 42 m .7 41 ◦ 16 121.18 −21.57 −301 0.329<br />

M32 00 h 42 m .7 40 ◦ 52 121.15 −21.98 −200 0.326<br />

M33 01 h 33 m .8 30 ◦ 39 133.61 −31.33 −181 0.436<br />

Geschwindigkeit V⊙ (in km s −1 ) bezogen auf LSR<br />

Dist (in Mpc) bezogen auf Schwerpunkt<br />

Tab. 1.19: Nachbargalaxien<br />

Modell etwa MV irgo = 1 · 10 15 M⊙. Wir kommen auf <strong>die</strong> Bestimmung später zu sprechen.<br />

• LITERATUR (FÜR GENAUERE ANGABEN)<br />

Marcy, G. W. und R. P. Butler, [MB98] Detection of extrasolar Planets.<br />

Woolf, N. und J. R. Angel, [WA98] Astronomical Searches for Earth-like Planets ans Signs of Life.<br />

J. Kovalevski, [Kov98] First Results from Hipparcos.<br />

T.R. Geballe, [Geb85] Das Zentrum der Milchstrasse.


1.2. LÄNGEN: RADIEN UND ENTFERNUNGEN 49<br />

B.J. Bok, [Bok85] Die Milchstrassengalaxie.<br />

B. Westerlund, [Wes97] The Magellanic Clouds.<br />

P.W. Hodge, [Hod85] Die Andromedagalaxie.<br />

M. Rowan-Robinson, [RR85] The cosmological distance ladder.<br />

E. K. Grebel, [Gre97] Star Formation Histories of Local Group Galaxies.<br />

M. Mateo, [Mat98] Dwarf Galaxies of the Local Group.<br />

D. Branch, [Bra98] Type Ia Supernovae and the Hubble constant.


50 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />

1.3 Galaxien bei anderen Frequenzen<br />

1.3.1 Entdeckung neuer Objekte<br />

Jeder neu erschlossene Frequenzbereich und jede wesentliche Verbesserung bei der Untersuchung<br />

(wie spektrale Auflösung, Nachweisempfindlichkeit oder Positionsgenauigkeit) des elektromagnetisch<br />

Spektrums hat einerseits bisherige Vorstellungen in der <strong>Astrophysik</strong> bestätigt und präzisiert, hat aber<br />

darüber hinaus auch zur Entdeckung völlig neuer Objekte geführt, <strong>die</strong> zunächst nicht verstanden wurden.<br />

Darunter sind einige Quellen, <strong>die</strong> im gesamten heute zugänglichen Frequenzbereich, der mittlerweile<br />

von 10 6 Hz bis zu 10 25 Hz reicht, beobachtbar sind und damit für den Beobachter den Status von<br />

Standards erhalten haben (ähnlich wie <strong>die</strong> Sonne). Dazu gehört der Krebsnebel mit seinem Pulsar<br />

(galaktisch, D = 2 kpc ) und der Quasar 3C 273 mit seinem Jet (extragalaktisch, z = 0.158 entspricht<br />

etwa 0.9 Gpc).<br />

Hier ein kurzer Abriss der Entwicklung der Astronomie in Frequenzbereichen außerhalb des optischen.<br />

Viele der entdeckten Quellen sind in kosmologischer Entfernung, d. h. ihre optischen Linien, <strong>die</strong> ein<br />

Beobachter (Index o) misst, sind um<br />

1 + z = λo<br />

λe<br />

= ωe<br />

ωo<br />

(1.66)<br />

gegenüber der des Emitters (Index e) verschoben. Das führt bereits auf das bisher ungelöste Problem<br />

der kosmologischen Entfernungsbestimmung.<br />

Was wir sehen, besser, was wir bisher (in kosmologischer Entfernung) gesehen haben, ist nur <strong>die</strong><br />

Spitze des Eisbergs. Manches werden wir nie sehen können, selbst wenn wir alle möglichen Beiträge<br />

des Sonnensystems berücksichtigen.<br />

Der Grund dafür ist folgender: Als Beobachter sitzen wir am Innenrand eines hellen Spiralarms. Das<br />

ist so, als wenn wir aus einem erleuchteten Zimmer heraus den Sternhimmel betrachteten. Quantitativ<br />

gibt es dafür eine universelle Flussgrenze,<br />

flim = 10 −12 erg s −1<br />

was 1 Jy im Radio (100 GHz) entspricht. Von Quellen, deren Fluß wesentlich kleiner ist als flim, muß<br />

man <strong>die</strong> Position genau kennen und lange messen.<br />

Zusätzlich zu <strong>die</strong>sem Hintergrundrauschen kommt im Bereich von 0.1 eV bis 10 keV <strong>die</strong> Absorption<br />

des H Atoms. Für ein Gas kosmischer Häufigkeiten und einer Dichte von 1 <strong>Teil</strong>chen pro cm 3 fällt<br />

<strong>die</strong> Absorptionslänge von 10 24 cm (300 kpc) auf 10 22 cm (3 kpc) kurz vor 10 eV (Lyα) um dann auf<br />

10 17 cm (0.03 pc) zu springen. Im UV kann man also nicht einmal <strong>die</strong> nächste Umgebung der Sonne<br />

betrachten. Bis 10 keV wächst <strong>die</strong> Absorptionslänge wieder auf 10 24 cm.<br />

1.3.2 Probleme der Bestimmung grosser Entfernungen<br />

Definitionen und Formeln<br />

Zum Nachschlagen vorweg einige Definitionen und Formeln, mit denen wir uns dabei behelfen müßen<br />

und <strong>die</strong> hier nur zur Illustration benutzt werden. Sie werden später hergeleitet, wobei <strong>die</strong> hier angegebenen<br />

Beispiele untersucht werden.<br />

• FORMELN (PARAMETER DER HUBBLE EXPANSION)<br />

Mit den Bezeichnungen H = Ho für <strong>die</strong> Hubble Konstante (der Index o erinnert an Observer und den heutigen Zeitpunkt)<br />

und c für <strong>die</strong> Lichtgeschwindigkeit gilt, für nicht zu grosse Rotverschiebungen, das lineare Hubble Gesetz<br />

z = H<br />

r (1.67)<br />

c


1.3. GALAXIEN BEI ANDEREN FREQUENZEN 51<br />

für ein Objekt in der Entfernung r vom Ursprung, wo der Beobachter sitzt. In Zukunft wollen wir r = D für <strong>die</strong> Entfernung<br />

setzen. Hat man erst einmal H bestimmt, dann kann man <strong>die</strong> Gleichung umkehren und<br />

D = c<br />

Ho<br />

z = 6 1<br />

z Gpc (1.68)<br />

2h<br />

zur Entfernungsbestimmung benutzen. Die Größe h ≈ 0.5 ist <strong>die</strong> natürliche, dimensionslose Entfernungs - Masseinheit<br />

(Hubble Parameter) für Kosmologen und wird später erklärt. Es gilt dann<br />

Hubble Konstante, H<br />

Als Einheiten wählt man gewöhnlich für <strong>die</strong> Geschwindigkeit v 100 km s −1 und für <strong>die</strong> Entfernung l das Mpc,<br />

sodaß H = v/l <strong>die</strong> Einheit<br />

H100 ≡ 100 km s −1 Mpc −1 (1.69)<br />

hat. Es ist dann üblich<br />

H = h H100 oder H = 1<br />

(2h) H100<br />

(1.70)<br />

2<br />

zu definieren, sodaß h eine dimensionslose Einheit für H ist (und wobei <strong>die</strong> zweite Version berücksichtigt, daß<br />

2h ≈ 1 ist).<br />

In Zahlen:<br />

1<br />

H = 19.56(2h)−1 Gyr = 6 · 10 17 (2h) −1<br />

und (wenn wir c = 3 · 10 5 km s −1 setzen)<br />

Dichteparameter Ω<br />

c<br />

H = 6(2h)−1 Gpc = 1.85 · 10 28 (2h) −1<br />

Ω = κρa2<br />

3˙a 2<br />

Dezelerationsparameter q:<br />

q = − äa<br />

˙a 2<br />

Für Λ = 0 (keine kosmologische Konstante) gilt für den Dichteparameter Ω<br />

Ω = ρ<br />

ρc<br />

= κρc2<br />

3H 2<br />

und den Dezelerationsparameter q <strong>die</strong> einfache Relation Ω = 2q.<br />

s (1.71)<br />

cm (1.72)<br />

Die Größe a ist ein nicht meßbarer Skalenfaktor (’Radius des Universums’), der durch beobachtbare Größen ersetzt<br />

werden muß. Er hängt wie folgt<br />

1 + z = ao<br />

=<br />

ae<br />

� �2/3 to<br />

te<br />

mit dem Alter des Universums zum jeweiligen Zeitpunkt zusammen.<br />

Die Größe 1<br />

H = 20 (2h)−1 Gyr ist <strong>die</strong> obere Grenze für das Alter des Universums.<br />

• FORMELN (ENERGIE, LEUCHTKRAFT UND FLUSS I)<br />

Mit <strong>die</strong>sen Definitionen gilt für den Zusammenhang zwischen beobachtetem Fluß fo einer Quelle und ihrer Leuchtkraft Le<br />

zum Zeitpunkt der Emission<br />

Le = 4πr 2 A(1 + z) 2 fo<br />

Die Größe rA ist ebenfalls ein nicht meßbarer Skalenfaktor, der durch beobachtbare Größen ersetzt werden muß. Wie wir<br />

zeigen werden, kann hier<br />

(1.73)<br />

(1.74)<br />

(1.75)<br />

(1.76)<br />

Dl = rA(1 + z) (1.77)


52 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />

als Leuchtdistanz interpretiert werden. Die Formel lautet dann<br />

Le = 4πD 2 l fo<br />

Im folgenden werden wir zeigen, wie rA aus der Rotverschiebung z und der Hubble Konstanten, H, in den einfachen Fällen<br />

bestimmt werden kann, wo das kosmologische Modell mit dem Dezelerationsparameter q bestimmt ist.<br />

Die Größe � fodto wird als fluence bezeichnet und spielt bei den Gamma Bursts eine wichtige Rolle. Wir bezeichnen sie<br />

mit<br />

�<br />

E = fodto<br />

Mit der wichtigen Rotverschiebungs Relation für <strong>die</strong> Eigenzeit dt und Frequenz ν<br />

dte(1 + z) = dto bzw. νe = (1 + z)νo<br />

kann aus ihr auf <strong>die</strong> Gesamtenergie Ee geschlossen werden<br />

Ee = 4πD 2 �<br />

1<br />

l fodto<br />

1 + z<br />

Für <strong>die</strong> besonders einfachen Fälle, q = 0, (Milne-Schücking)<br />

rA = c<br />

�<br />

1<br />

1 −<br />

2H (1 + z) 2<br />

�<br />

und q = 1/2, (EdS)<br />

rA = 2c<br />

H<br />

�<br />

1 −<br />

�<br />

1<br />

√<br />

1 + z<br />

kann rA geschlossen analytisch angegeben werden. In beiden Fällen gilt für kleine z <strong>die</strong> Näherung<br />

(1.78)<br />

(1.79)<br />

(1.80)<br />

(1.81)<br />

rA = c<br />

z (1.82)<br />

H<br />

<strong>die</strong> wir meistens benutzen werden. Die allgemeine Form ist auch noch für Λ = 0 und p = 0 möglich, (Mattig, 1958)<br />

rA = H −1 q −2 (1 + z) −2 {zq + (1 − q)[(1 + 2qz) 1/2 − 1]} (1.83)<br />

Für den Entfernungsmodul m(z) − M ergibt sich allgemein<br />

m − M = 5 log10Dl(z) − 5 (1.84)<br />

und daraus in zweiter Näherung<br />

z<br />

m − M = 42.38 + 5 log10<br />

h + 1.086(1 − q0)z + . . . (1.85)<br />

wobei 1.086 = 2.5<br />

ln10 ist.<br />

Beispiel<br />

Moderne Werte für MB sind: MB − 5log(2h) = −19.78, −17.18 und −16.19 für Supernovae vom Typ Ia, Ib und Ic.<br />

Mit m = 25 und z = 1 ergibt sich, falls wir MB = −19.78 und 2h = 1 akzeptieren: 44.78 = 43.89 + 1.086(1 − qo) und<br />

damit etwa qo = 0.1.<br />

• FORMELN (ENERGIE, LEUCHTKRAFT UND FLUSS II)<br />

Die Energiedichte der Strahlung, u, ändert sich wie folgt: <strong>die</strong> Anzahl der Photonen ist erhalten na 3 = const, jedes Photon<br />

wird rotverschoben, insgesamt also<br />

uo = ue<br />

� �4 ae<br />

ao<br />

=<br />

ue<br />

(1 + z) 4<br />

Gleiches gilt damit für <strong>die</strong> Strahlungsintensität der Quelle<br />

Io = Fo<br />

Ω<br />

= c<br />

4π uo<br />

(1.86)<br />

(1.87)


1.3. GALAXIEN BEI ANDEREN FREQUENZEN 53<br />

Die jeweilige Spektral-Komponente hat einen Faktor (1 + z) mehr, da durch <strong>die</strong> Frequenz zu teilen ist.<br />

Io,ν = Ie,ν<br />

(1 + z) 3<br />

Für <strong>die</strong> Fläche folgt<br />

A = a 2 eσ 2 (u)Ω = a2 oσ 2 (u)Ω<br />

(1 + z) 2<br />

und mit Io = Fo/Ω gilt<br />

und<br />

fo =<br />

fo,ν =<br />

Le<br />

4πD2 Le<br />

=<br />

(1 + z) 2 4πD2 l<br />

(1 + z)Le,ν<br />

4πD 2 l<br />

Benutzte kosmologische Formeln<br />

bei der Entfernungsbestimmung<br />

In konkreten Fällen werden wir das nahezu leere Universum mit q = 0, (Milne-Schücking) und, falls<br />

nicht anders angegeben, h = 0.5 zur Berechnung der Entfernung aus der Rotverschiebung z benutzen.<br />

Dl = 6 1 1 + 0.5z<br />

z<br />

2h 1 + z<br />

und mit in fo erg cm −2 s −1<br />

Le = 4 · 10 57 foz 2<br />

(1.88)<br />

(1.89)<br />

(1.90)<br />

(1.91)<br />

Gpc (1.92)<br />

� �2 1 + 0.5z<br />

1 + z<br />

erg s −1 (1.93)<br />

Zum Umrechnen von bolometrischen Magnituden Mb in Leuchtkräfte L gilt<br />

L = 10 10 dex(0.4[−M − 20.3])L⊙<br />

(1.94)<br />

Die Milchstraße hat etwa Mb = −21 oder LMWG = 4 · 10 10 L⊙ und <strong>die</strong> Leuchtkraft der Sonne beträgt<br />

L⊙ = 3.9 · 10 33 erg s −1 .<br />

Die hellste Galaxie im Shapley-Ames Katalog, NGC 1961, hat Mb = −23.7 oder <strong>die</strong> optische Leuchtkraft<br />

L = 3 · 10 11 L⊙ und eine Masse M = 2 · 10 11 L⊙. Solche Galaxien, wo <strong>die</strong> gesamte Masse wie<br />

<strong>die</strong> Sonne leuchtet, sind insgesamt sehr selten. Es gibt sie auch im Radio- und Röntgenbereich.


54 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />

1.3.3 Radio-Astronomie<br />

So wie es aussieht hat jeder Frequenzbereich, Radio, IR, Optisch, Röntgen und Gamma seine spezifischen<br />

Quellen, <strong>die</strong> nur in <strong>die</strong>sem Bereich leuchten. In der Radio-Astronomie sind das mit Sicherheit<br />

<strong>die</strong> Pulsare, eventuell auch spezielle Galaxien. Die meisten Pulsare sind sogar nur in einem winzigen<br />

Unterbereich der Radiofrequenz Skala (vornehmlich um 400 MHz oder 75 cm) nachweisbar.<br />

Die Radio-Astronomie untersucht einerseits das kalte Universum, wobei <strong>die</strong> kosmologische Hintergrundstrahlung<br />

allgegenwärtig ist, andererseits <strong>die</strong> heißesten Objekte, <strong>die</strong> Supernova Überreste und<br />

<strong>die</strong> Radiopulsare. Alle Strahlungsarten kommen vor: kohärent und inkohärent, polarisiert und unpolarisiert,<br />

Kontinuum und Linienstrahlung, thermisch und nichtthermisch, nichtrelativistisch und relativistisch<br />

erzeugt. Eine neue, unverstandene Klasse sind <strong>die</strong> (reinen) Radio Supernovae. In NGC 6052 =<br />

Mrk 297 (eine nahe Starburst-Galaxie) wurde 1979 eine solche Supernova entdeckt.<br />

In der Regel ist <strong>die</strong> Energie der Strahlung unbedeutend, Ausnahme sind <strong>die</strong> kalten Molekülwolken, <strong>die</strong><br />

nur mit CO und Staub kühlen können, was für <strong>die</strong> Sternbildung (und Planeten) wichtig ist. Punktquellen<br />

sind in der Radio Astronomie <strong>die</strong> Ausnahme (Pulsare und Maser), <strong>die</strong> häufigsten Quellen sind Galaxien<br />

in grosser Entfernung (Median Rotverschiebung: z = 0.8). Die starke Polarisation der Strahlung weist<br />

auf das Vorhandensein entweder starker (Pulsare) oder grossräumiger (Galaxien) Magnetfelder hin.<br />

Wie <strong>die</strong>se Felder einmal entstanden sind ist unklar, sicher ist nur, daß, falls sie erst einmal existieren,<br />

sie nicht so schnell (Pulsare) oder gar nicht (Galaxien) zerfallen.<br />

Die (geschätzte) Radio Leuchtkraft der Milchstraße ist mit Lradio = 10 38 erg s −1 bescheiden, für M31<br />

wird sie auf Lradio = 10 40 erg s −1 veranschlagt. Das Spektrum ist bei den meisten Quellen ein typisches<br />

Synchrotron Spektrum von der Form<br />

Φν ∝ ν α<br />

; α = 0.75 ± 0.2 (1.95)<br />

<strong>die</strong> Milchstraße hat α = 0.7.<br />

Die grossen, ausgehnten Radioquellen (Ausdehnung bis zu Mpc) sind wesentlich leuchtstärker und<br />

erreichen <strong>die</strong> optische Leuchtkraft Lopt: Cygnus A (stärkste Radioquelle s. u.) hat Lradio = Lopt = 10 45<br />

erg s −1 .<br />

Der Beginn der Radio-Astronomie<br />

• ZUSATZ (DIE PIONIERE DER RADIO-ASTRONOMIE)<br />

Die Amerikaner Karl Jansky und Grote Reber sind <strong>die</strong> Pioniere der Radio Astronomie. Jansky (ein Ingenieur bei Bell Labs)<br />

fand <strong>die</strong> Radio Strahlung (λ etwa 10 Meter) zufällig beim Versuch, das Antennenrauschen zu unterdrücken, im Jahr 1931.<br />

Frühere Versuche, Radio Strahlung von der Sonne nachzuweisen, waren wegen ungenügender Empfindlichkeit der Apparatur<br />

fehlgeschlagen (Nordmann, 1901, auf dem Mt Blanc). Jansky dagegen entdeckte eine atmosphärische Komponente in<br />

Richtung Sagittarius. Reber war der erste, der ein richtiges Radio Teleskop (λ etwa 1.87 Meter) baute. Er fand <strong>die</strong> Strahlung<br />

der Milchstraße, hauptsächlich in der galaktischen Ebene konzentriert. Die Radio Strahlung von der Sonne konnte er erst<br />

1943 nachweisen, <strong>die</strong> Galaxis strahlt im Meterwellenbereich stärker als <strong>die</strong> Sonne. Diese frühen Entdeckungen blieben ohne<br />

grosse Resonanz seitens der Astronomen, der eigentliche Aufschwung der Radio-Astronomie kommt nach dem Zweiten<br />

Weltkrieg (zunächst in England und Australien, mit 20 Jahren Verzögerung dann auch in den USA).<br />

Zu Beginn der Radio-Astronomie war der Charakter einer Radio Quelle natürlich nicht klar. So kommt<br />

es, daß <strong>die</strong> besonders starken Quellen, ähnlich wie im optischen bei Messier, verschiedene Arten von<br />

astronomischen Objekten erfassen (Sterne, Supernova Überreste und Galaxien). Sie wurden am Anfang<br />

nach dem Sternbild, in dem sie gefunden wurden und mit grossen Buchstaben in der Reihenfolge<br />

ihrer Entdeckung bezeichnet. Cen A ist also <strong>die</strong> erste Radio Quelle, <strong>die</strong> in Centaurus gefunden wurde<br />

(von Hey, Parsons und Phillips, 1945 in England und 1948 von Bolton, Stanley und Slee in Australien).<br />

Bolton, Stanley und Slee identifizierten <strong>die</strong> ersten drei mit Taurus A (NGC 1952 = Krebsnebel), Centaurus<br />

A (NGC 5128) und Virgo A (NGC 4486). Diese Identifizierungen wurden zunächst mit Skepsis<br />

aufgenommen, das änderte sich erst mit den Arbeiten von Baade und Minkowski.


1.3. GALAXIEN BEI ANDEREN FREQUENZEN 55<br />

Cen A (Typ dE) ist auch überhaupt <strong>die</strong> erste und damit <strong>die</strong> hellste extragalaktische Radio Quelle am<br />

Himmel. Das ist erstaunlich, es handelt sich hierbei nämlich um eine 4 Mpc entfernte Radio Galaxie.<br />

Ihr optisches Pendant war bis dahin unbekannt, es wurde erst 1953 von Baade und Minkowski als<br />

peculiar galaxy identifiziert. Im optischen ist Cen A etwa 100 kpc langgestreckt mit Andeutung von<br />

Materieauswurf, im Radio ist <strong>die</strong> Ausdehnung sogar 700 kpc lang. Die Leuchtkraft im Radio (von 10<br />

MHz bis 10 GHz) beträgt L = 10 42 erg s −1 .<br />

Radio Galaxien mit vergleichbarer Leuchtkraft, L = 10 42 erg s −1 , sind Fornax A (NGC 1316, Typ cD)<br />

und Perseus A (3C 84, NGC 1275).<br />

Der zweite Radio Stern und der scheinbar hellste überhaupt war Cas A, 1947 entdeckt von Ryle und<br />

Smith und von Minkowski später als Supernova Überrest identifiziert (3C 361 = 3U 2321 + 58).<br />

Cygnus A (stärkste Radioquelle, 1954 optisch entdeckt von Baade und Minkowski) mit<br />

Lradio = Lopt = 10 45<br />

erg s −1<br />

und Virgo A (M 87, 1949 endeckt von Bolton et al.) sind weitere bekannte Beispiele für Radio Galaxien.<br />

Die Bezeichnung Tau A (3C 144), der dritthellste im 3C Katalog, im Falle des Krebsnebels ist<br />

nicht mehr üblich, Cas A und Puppis A für <strong>die</strong> entsprechenden Supernova Überreste sind aber noch<br />

gebräuchlich (mangels anderer Namen).<br />

Entdeckung neuartiger Quellen<br />

Cen A in einer Entfernung von 4 Mpc und Cyg A (z = 0.0562) in einer Entfernung von 340 Mpc<br />

sind typische Beispiele leuchtstarker Radio Galaxien, <strong>die</strong> einfach mit optischen Quellen identifiziert<br />

werden konnten. Die Identifizierung der Quasare war wesentlich schwieriger.<br />

• ZUSATZ (AUF DEM WEG ZUR IDENTIFIZIERUNG DER QUASARE)<br />

Zu Beginn der Radio-Astronomie (1950) waren <strong>die</strong> Positionen nicht mit genügender Genauigkeit bekannt, um sie mit<br />

optischen Objekten identifizieren zu können. Ein wichtiger Fortschritt war hier der dritte Cambridge Katalog (1960). Die<br />

bisher genannten Galaxien konnten identifiziert werden:<br />

1. Vir A = NGC 4486 = M87 = 3C 274<br />

2. Cen A = (keine M Nummer, da von Paris aus nicht zu sehen) = NGC 5128<br />

3. Cyg A = (keine NGC Nummer, neuer Typ) = 3C 405<br />

Am Anfang der sechziger Jahre konnte durch Interferometrie <strong>die</strong> Genauigkeit in der Positionsbestimmung im Radiobereich<br />

so verbessert werden (Matthews, 1960 an 3C 48), daß <strong>die</strong> ersten optischen Identifikationen mit scheinbar = quasi stellaren<br />

Objekten möglich wurde. Es zeigte sich, daß Quellen wie 3C 48 vorher optisch nicht untersucht bzw. bekannt waren.<br />

Sandage fand (1961) das optische Gegenstück zu 3C 48. Es handelte sich um eine neue Kategorie von Quellen, bei 3C<br />

48 um einen Stern 16ter Größe mit völlig unbekanntem Spektrum, und dazu noch variabel. Bis 1963 wurden eine Reihe<br />

weiterer Objekte optisch mit Punktquellen unverständlichen Spektrums identifiziert.<br />

• ZUSATZ (DER QUASAR 3C 273)<br />

Die Identifizierung der Rotverschiebung gelang anhand der heute berühmtesten Quelle 3C 273. Diese wird vom Mond<br />

bedeckt und somit konnte eine extrem genaue Radio (Hazard, 1963) und optische Position bestimmt werden. M. Schmidt<br />

fand dann am bereits früher aufgenommenen Spektrum <strong>die</strong>ses Sterns 13ter Größe, daß <strong>die</strong> Linien Hɛ, Hδ, Hγ und Hβ alle <strong>die</strong><br />

gleiche Rotverschiebung aufwiesen: z = 0.158. Die Hα Linie wird bereits bei <strong>die</strong>ser Rotverschiebung ins IR verschoben,<br />

sie wurde später von Oke (1963) bestätigt. Die Quellen wurden Quasar, für Quasi stellar radio source benannt (Acronym<br />

von H.Y. Chiu).<br />

Wenden wir unserer Gleichung (1.92) auf 3C 273 an, dann erhalten wir Dl = 0.9 Gpc, also etwa ein Giga Parsec. Für 3C<br />

48 ist z = 0.368 und das liefert etwa das Doppelte, Dl = 2.2 Gpc.<br />

• ZUSATZ (ENTDECKUNG DER BL LAC OBJEKTE)<br />

1969 wurde (zufällig, bei einem Hochfrequenz Survey) eine neue Klasse von Radio Galaxien entdeckt: <strong>die</strong> BL Lac Objekte,<br />

<strong>die</strong> später Blasars genannt wurden (E. Spiegel). In <strong>die</strong>ses Jahr fällt auch <strong>die</strong> Entdeckung der Radiopulsar durch J. Bell. Der<br />

erste Linsen Quasar wurde bei einem 960 MHz Survey in Jodrell Bank entdeckt.


56 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />

In nicht einmal 20 Jahren hat damit <strong>die</strong> Radio-Astronomie durch <strong>die</strong> Entdeckung völlig neuer Objekte<br />

wie<br />

Quasare, Pulsare, BL Lac und Gravitationslinsen<br />

<strong>die</strong> Astronomie revolutioniert. Die meisten bisher entdeckten Radio Quellen sind weit entfernt. Von 40<br />

Tausend Quellen mit f > 25 mJy bei 4.85 GHz sind weniger als 1 % mit Galaxien innerhalb von 100<br />

Mpc korreliert. Die median Rotverschiebung der Radio Quellen liegt bei z = 0.8, d. h. am Rande des<br />

Universums (Dl = 5 Gpc).<br />

Die 21cm Linie des neutralen Wasserstoff stellt ein wichtiges Hilfsmittel der Entfernungsbestimmung<br />

dar in den Fällen, wo ein optisches Spektrum fehlt (Staub). So findet man <strong>die</strong> Entfernung zu den<br />

riesigen IR Quellen (und damit ihre Massen von bis zu 10 11 M⊙).<br />

Die Entdeckung der kosmischen Hintergrundstrahlung<br />

Wie wir mittlerweile wissen, geschah <strong>die</strong> erste Entdeckung der kosmischen Hintergrundstrahlung, wie<br />

sie von Gamow vorhergesagt worden war, anhand von (optischen) Absorptionsmessungen an dem<br />

Radikal CN (Klemperer, 1941). Sie wurde damals von den Chemikern nicht verstanden und bei den<br />

Astronomen war sie unbekannt.<br />

Beim Versuch, eine rauscharme Übertragung im Mikrowellenbereich zu ermöglichen, finden Penzias<br />

und Wilson (1964) unerwartet eine universelle Schwarzkörper Hintergrundstrahlung von 2.7 K. Den<br />

definitiven Nachweis, daß <strong>die</strong>se Strahlung der Überrest des Urknalls ist, lieferte allerdings erst COBE.<br />

Auf den Beitrag von COBE zur Aufklärung des Planckschen Charakters der Hintergrundstrahlung<br />

kommen wir später zurück. Wir erwähnen ihn hier, weil als Alternative auch ein galaktischer Ursprung<br />

<strong>die</strong>ser Strahlung (von Layzer) diskutiert wird. Die Röntgen-Astronomie hat hier ein Problem: es gibt<br />

ebenfalls einen (im Rahmen der Auflösung) isotropen Röntgenhintergrund.


1.3. GALAXIEN BEI ANDEREN FREQUENZEN 57<br />

1.3.4 Röntgen-Astronomie<br />

Die Röntgen-Astronomie untersucht das heiße Universum. Die Strahlung der beobachteten Quellen<br />

kann ✗ thermisch ✔ (Bremsstrahlung) und nichtthermisch (Synchrotron) sein. Von den neuartigen Quellen,<br />

<strong>die</strong> nur im Röntgenbereich entdeckt werden, sind <strong>die</strong> wichtigsten <strong>die</strong> Burster (ein neu-<br />

Bereit sein<br />

er Typ kataklysmischer Variabler) und das heiße intracluster Gas. Eine Besonderheit der<br />

ist alles.<br />

Hamlet Röntgenquellen ist <strong>die</strong> extreme Variabilität, <strong>die</strong> bis zu Millisekunden bei den Neutronen-<br />

✖ ✕sternen<br />

und zu bis zu 30 Sekunden bei ganzen Galaxien (AGNs) herunter reicht. Ein Film<br />

aus der Anfangszeit der Röntgen-Astronomie zeigt den Himmel (im Zeitraffer), wie er im Hochenergiebereich<br />

blitzt und funkt. Er wurde von Terrell und Priedhorsky aus den Militär Daten des Vela Satelliten<br />

aus den Jahren 1969 bis 1979 zusammengestellt. Optisch ist davon allerdings nichts zu bemerken.<br />

In der Röntgen-Astronomie ist es üblich, Frequenzen in Energien auszudrücken. Weiche Röntgen-<br />

Strahlung reicht von etwa 100 eV bis einige keV. Eine nützliche Umrechnung für ɛ in keV, λ in<br />

˚Angstrøm und ν in Hertz ist<br />

ɛ = 12.4<br />

λ = 4.13 · 10−18 ν (1.96)<br />

• BEISPIEL (RÖNTGENEMISSION DER SONNE)<br />

Die Solarkonstante, also der auf der Erde gemessene Strahlungs Fluß beträgt f⊙ = 1.36·10 6 erg cm −2 s −1 . Die Röntgenemission<br />

der Korona der ruhigen Sonne beträgt dagegen nur fX = 0.1 erg cm −2 s −1 . Das ist mehr als 7 dex weniger als im optischen:<br />

fopt/fX > 7 dex.<br />

Aus der Leuchtkraft der Sonne L⊙ = 4πD 2 f⊙ = 3.85 · 10 33 erg s −1 wird somit LX = 3 · 10 26 erg s −1 . Das Maximum<br />

liegt bei 400 eV, was 30 ˚A entspricht. Die Leuchtkraft der Sonne im harten Röntgenbereich beträgt nur 10 −5 davon.<br />

In Flares (Dauer etwa 10 3 s) kann <strong>die</strong> Sonne bis zu 3 dex mehr emittieren, also LX = 3 · 10 29 erg s −1 . Sogar Gamma<br />

Strahlung ensteht in solchen Flares. Die Gesamtenergie eines Flares beträgt etwa 10 32 erg.<br />

• BEISPIEL (RÖNTGEN FLARES VON ALGOL)<br />

Algol ist der Prototyp eines halbgetrennten, weiten Systems mit Eklipse (Typ EA). Typische Flares dauern auf der Sonne<br />

etwa 15 Minuten, das Maximum liegt bei 400 eV. Bei Algol dagegen dauert ein Flare (des Begleiters) 8 Stunden, mit<br />

dem Energiemaximum bei etwa 1 keV. Die Eisenlinie (bei 6.7 keV) ist extrem stark (und breit). Die maximale Röntgen<br />

Leuchtkraft (in einem Flare von Algol B) beträgt LX = 3 · 10 32 erg s −1 , <strong>die</strong> Gesamtenergie des gesamten Flares beträgt<br />

etwa EX = 1.5 · 10 37 erg.<br />

• BEISPIEL (RÖNTGEN FLARES VON UX ARIETIS)<br />

UX Ari = HD 21242 ist vom RS CV Typ, ein Binärsytem (G5V + K0IV) im Abstand von 50 Parsec mit einer Umlaufperiode<br />

von 6.44 d. Die Dauerleuchtkraft beträgt etwa LX = 1 · 10 31 erg s −1 , in Flares 1.3 dex mehr. Besonderheit:<br />

hartes Spektrum, bis 15 keV nachgewiesen. Die weiteren Daten für UX Ari sind: Dauer der Flares 13 h, Gesamtenergie<br />

EX > 5 · 10 36 erg.<br />

Zu den Punktquellen gehören zunächst zwei Klassen von Sternen, <strong>die</strong> auch vor dem Beginn der<br />

Röntgen-Astronomie bekannt waren.<br />

1. Leuchtkräftige, normale Sterne, <strong>die</strong> Röntgenstrahlung aus ihrer Korona mit Leuchtkräften von<br />

etwa Lx = 10 28 erg s −1 bis Lx = 10 33 erg s −1 emittieren.<br />

2. Weiße Zwerge in Binärsystemen, hauptsächlich kataklysmische Variable (also mit entwickeltem<br />

Begleitstern).<br />

Neu als Klasse sind:<br />

1. Die Neutronensterne, <strong>die</strong> praktisch zweimal unabhängig von einander entdeckt wurden, einmal<br />

als Radiopulsar zum andern als Röntgenpulsar.<br />

2. Und schließlich <strong>die</strong> Schwarz-Loch-Kandidaten. Es mag sich bei ihnen tatsächlich um ein Schwarzes<br />

Loch handeln oder, falls nicht, um etwas neues.


58 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />

Die Quellen leuchten im Röntgenbereich, weil sie akkretieren, jedenfalls ist das der Normalfall. Materie,<br />

<strong>die</strong> auf Weiße Zwerge oder Neutronensterne fällt, wird spätestens an ihrer Oberfläche gestoppt und<br />

bringt <strong>die</strong>se zum Leuchten. Die Eddingtonsche Grenzleuchtkraft für Sterne ist <strong>die</strong> maximale Leuchtkraft,<br />

bei der <strong>Teil</strong>chen der Masse mH noch gravisch an der Oberfläche gelangen können:<br />

LEdd = 4πGmHMc<br />

= 10 4.5<br />

� �<br />

M<br />

L⊙ = 1.3 · 10 38<br />

� �<br />

M<br />

mH erg s−1 (1.97)<br />

σT h<br />

M⊙<br />

Akkretiert wird Wasserstoff (Masse mH) und typische Temperaturen, <strong>die</strong> dabei entstehen, sind einige<br />

keV für Neutronensterne. Ein Schwarzes Loch hat aber keine Oberfläche, deshalb muß hier <strong>die</strong><br />

Strahlung aus der Akkretionsscheibe stammen.<br />

Eine eher lästige Erfahrung, <strong>die</strong> man gleich zu Beginn der Röntgen-Astronomie gemacht hat, war <strong>die</strong>,<br />

✤daß<br />

manche Quellen ✜eine<br />

Zeit lang sehr stark sein können, anschließend aber nicht mehr nachweisbar<br />

sind. Dies stand im krassen Gegensatz zu dem, was man vom optischen Verhalten<br />

Wer zu spät kommt,<br />

von Sternen gewohnt war und kam auch bei Radio Sternen bis dahin kaum vor. Da<br />

den bestraft das<br />

Leben.<br />

<strong>die</strong> ersten Beobachtungen mit Ballonen oder Raketen gemacht wurden, bedeutete<br />

M. Gorbatschow das für den Beobachter, daß alles umsonst war, wenn der Start außerhalb des Zeit-<br />

✣<br />

✢fensters<br />

lag. Ein bekanntes Beispiel ist hier Her X-1, eine Bedeckungsveränderliche<br />

mit Präzession.<br />

Eine weitere neue Klasse von Röntgen Punktquellen, galaktisch und extra galaktisch, wurde erst relativ<br />

spät, von ROSAT, entdeckt: <strong>die</strong> supersoft Röntgensterne, mit riesiger Leuchtkraft (Lx = 5 · 1038 erg<br />

s−1 ), aber mit Spektren im Bereich von 20 bis 60 eV. Bei ihnen könnte es sich um akkretierende Weiße<br />

Zwerge (mit massivem Begleiter) handeln.<br />

Die bisher entdeckten Punktquellen gehorchen dem Gesetz der Malmquist Verfälschung: je weiter<br />

entfernt, desto leuchstärker sind sie (Super Eddington Leuchtkräfte mit Lx > 1038 erg s−1 ).<br />

Zu den ausgedehnte Quellen in der Milchstraße gehören <strong>die</strong> Supernova Überreste. Viele liegen um<br />

<strong>die</strong> galaktische Ebene herum, mit Leuchtkräften von etwa Lx = 1 · 1035 erg s−1 bis Lx = 5 · 1038 erg s−1 (Cas A). Ein wichtiger Beitrag der Röntgen-Astronomie war (mit ROSAT), bisher unentdeckte<br />

Supernova Überreste gefunden zu haben. Allerdings wurde kein wirklich junger (viel jünger als Cas<br />

A) Supernova Überrest gefunden.<br />

Zu den ausgedehnten, leuchtstarken Röntgen Quellen gehören besondere Typen von Galaxien (AGN)<br />

und, erstaunlicherweise, ganze Galaxienhaufen. Bei normalen Galaxien<br />

kommt <strong>die</strong> Strahlung vornehmlich aus dem Kern und den<br />

Supernova Überresten.<br />

Um <strong>die</strong> Galaxien herum (in der Korona) hat man eine ausgedehnte,<br />

thermische Halo Strahlung gefunden, <strong>die</strong> auch in Galaxienhaufen<br />

nachgewiesen werden kann. Sie stammt von einem extrem<br />

dünnen, heißen Elektronengas. Die dazu (aus Neutralitätsgründen<br />

gehörenden) Protonen haben eine Masse, <strong>die</strong> mit der der gesamten<br />

Galaxie vergleichbar ist. Diese Intergalactic Matter (IGM), oder<br />

von uns auch mit Intracluster Gas bezeichnet, liefert auch wertvolle<br />

Information über <strong>die</strong> Chemie der Korona. Die Daten der Tabelle<br />

stammen vom Einstein Satelliten.<br />

Zum Umrechnen: L38 = 1038 erg s−1 Weitere Daten der Lokalen Gruppe<br />

Name D Lopt L38<br />

kpc L⊙ erg s<br />

entspricht der Eddington<br />

−1<br />

MWG 8 2.5 · 10 10 30<br />

LMC 50 3 · 109 66<br />

SMC 57 6 · 108 0.6<br />

M31 770 4 · 109 360<br />

M32 710 3 · 108 0.5<br />

M33 730 2.5 · 10 10 110<br />

Tab. 1.20: Die Lokale Gruppe<br />

Leuchtkraft eines Sterns mit einer Sonnenmasse, L = 2.5 · 104L⊙. Setzt man den Wirkungsgrad mit<br />

0.1 der Ruhmassenenergie an, dann entspricht <strong>die</strong>ser Leuchtkraft eine Massen-Akkretionsrate ˙ M von<br />

˙M = 1018 g s−1 , das sind etwa ˙ M = 10−8M⊙ yr−1 .<br />

Mit der Röntgen-Astronomie beginnt <strong>die</strong> hektische Phase der Astronomie. Als Paradigma hat sich<br />

herausgestellt: Je höher <strong>die</strong> Energie, desto kürzer <strong>die</strong> Zeitspanne, in der sie vom Beobachter nachgewiesen<br />

werden kann. Die entscheidende Beobachtungs Größe für solche Kurzzeitphänomene hat im<br />

M⊙


1.3. GALAXIEN BEI ANDEREN FREQUENZEN 59<br />

Englischen den Namen ’fluence’. Sie ist das Integral von Leuchtkraft und Zeit (Dimension erg cm−2 ).<br />

Viele Phänomene (Aktivität genannt) spielen sich innerhalb von Stunden oder gar Minuten ab, und das<br />

oft nur ein einziges Mal: Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.<br />

Bei den Gamma Bursts, <strong>die</strong> teilweise harte (100 keV bis 1 MeV) Röntgen Bursts sind, ist <strong>die</strong> Situation<br />

noch extremer: viele sind kürzer als eine Sekunde.<br />

Solche Gamma Bursts werden klassifiziert nach dem Flussintegral, engl. ’fluence’ genannt. Die Größe<br />

’fluence’, Energie pro Fläche,<br />

�<br />

E = fodto<br />

hat bisher kein eigenes Symbol, mangels besserem wird es hier mit E bezeichnet.<br />

Die Entdeckung der ersten Quellen<br />

Die erste (von H. Friedmann) untersuchte Quelle von Röntgenstrahlung war natürlich <strong>die</strong> Sonne. Der<br />

mittlere Röntgen Fluß in der Entfernung der Erde beträgt 10 6 Photonen pro cm 2 und Sekunde. Abgesehen<br />

davon und analog zur Radio-Astronomie beginnt auch <strong>die</strong> Röntgen Astronomie mit der völlig<br />

unerwarteten Entdeckung einzelner starker Quellen unbekannter Art. Sterne wie <strong>die</strong> Sonne wären bereits<br />

in 1 Parsec Entfernung nicht mehr beobachtbar gewesen (mit der damaligen Technologie).<br />

• DEFINITION (NOMENKLATUR)<br />

Die Röntgen Astronomie beginnt mit Ballon und Raketenbeobachtungen im weichen Röntgenbereich. Hier wurde als Nomenklatur<br />

z. B. für <strong>die</strong> erste Quelle, <strong>die</strong> in der Konstellation Scorpius entdeckt wurde, Sco X-1 gewählt. Analoges gilt für<br />

<strong>die</strong> erste Quelle in Herkules, Her X-1 und <strong>die</strong> Quellen in Cygnus wurden mit Cyg X-1, Cyg X-2 und Cyg X-3 bezeichnet.<br />

Da das Alfabet dafür bekanntlich nicht geeignet ist, hat man anschließend <strong>die</strong> frühe Pulsar Nomenklatur (α, δ) mit individueller<br />

Katalogbezeichnung, <strong>die</strong> den Namen des Instruments bzw. der Beobachter erkennen läßt, gewählt.<br />

Im harten Röntgenbereich und im Gammabereich, wo <strong>die</strong> Positionsgenauigkeit wesentlich geringer ist, hat man allerdings<br />

anstatt (α, δ) <strong>die</strong> galaktischen Koordinaten l und b gewählt. Besonders viele Quellen wurden in der Nähe des galaktischen<br />

Zentrums gefunden: Sie erhielten Bezeichnungen, <strong>die</strong> in Andeutung der gal. Koordinaten gewählt wurden, wie GX9+1<br />

oder GX5−1.<br />

Die eigentliche Entdeckung (akkretierender Neutronensterne) kam mehr aus Neugier, <strong>die</strong> mögliche<br />

Existenz von Röntgenquellen, <strong>die</strong> mit der damaligen Technologie hätte nachgewiesen werden können,<br />

war theoretisch nicht vorhergesehen und als Extrapolation der Sonnendaten auch nicht zu erwarten<br />

gewesen. Pulsare waren 1960 noch nicht entdeckt.<br />

Die Pioniere der Röntgen Astronomie waren Bruno Rossi (MIT und AS&E), Herbert Friedmann (NRL)<br />

und, als Entdecker der ersten Röntgen Quelle, Riccardo Giacconi (AS&E) und seine Gruppe von Mitarbeitern.<br />

Die erste Röntgen Quelle, <strong>die</strong> (mit einer Raketenbeobachtung und zwei Geiger Zählern) 1961 gefunden<br />

wurde, war unerwartet stark. Sie ist <strong>die</strong> bis heute <strong>die</strong> hellste, persistente<br />

Röntgen Quelle in der Milchstraße und liegt in der Konstellation Scorpius.<br />

Ausgerechnet <strong>die</strong> stärkste Quelle ist ein extremer Ausnahmefall. Erst<br />

1975 gelang <strong>die</strong> endgültige und eindeutige optische Identifizierung mit<br />

dem Veränderlichen Stern V818Sco (als Begleiter).<br />

Die meisten Punkt Quellen in der Milchstraße sind mittlerweile mit akkretierenden<br />

Neutronensternen identifiziert, <strong>die</strong> ausgedehnten mit Supernova<br />

Überresten. Eine wichtige Grobeinteilung der Punkt Quellen ist<br />

nach der Masse des Begleiters, eine andere nach dem Alter und dem Magnetfeld<br />

des Neutronensterns. Viele starke Punkt Quellen sind Pulsare.<br />

Die hellste, persistente Röntgen Quelle, Sco X-1, hat einen Fluß von<br />

spektral fν ≈ 20.000 µJy und integral f = 3 · 10−7 erg cm−2 s−1 Daten zu Sco X-1<br />

Sco X-1 = 3U 1617−15<br />

= X 1617−155 = V818Sco<br />

l Grad 359.09<br />

b Grad 23.77<br />

D pc 800<br />

fν mJy 20<br />

Lx erg s<br />

. Die<br />

Entfernung beträgt nur D ≈ 800 pc, was eine Röntgen Leuchtkraft von<br />

−1 3 · 1037 Lx/Lopt<br />

500<br />

Porb d 0.787<br />

Tab. 1.21: Sco X-1


60 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />

Lx ≈ 3 · 10 37 erg s −1 , also fast ein drittel der Eddington Leuchtkraft (für eine Sonnenmasse) ergibt.<br />

Die Bahnperiode beträgt 0.787 d. Der Begleiter ist ein massearmer, entwickelter Stern. Die optische<br />

Leuchtkraft stammt wahrscheinlich von der Akkretionsscheibe, und nicht vom Begleiter.<br />

Da <strong>die</strong> extragalaktischen Quellen (scheinbar) wesentlich schwächer sind, ist es bei ihrer Benennung<br />

aber nicht zu Verwechselungen des Charakters gekommen.<br />

Die extragalaktischen Quellen<br />

Die hellsten Punkt Quellen in der Milchstraße sind akkretierende Neutronensterne. Die hellsten davon<br />

wieder liegen in ihrem Zentrum, mit Eddington Leuchtkraft und darüber. Die leuchtkräftigsten, ausgedehnten<br />

Quellen sind <strong>die</strong> Supernova Überreste mit vergleichbarer Leuchtkraft. Solche Objekte sind<br />

noch bis M31 nachweisbar. Überrascht hat allerdings zunächst, daß auch ganze Galaxien und sogar<br />

Galaxienhaufen gesehen wurden.<br />

• ZUSATZ (ERSTE EXTRAGALAKTISCHE QUELLEN)<br />

Bereits bei den ersten Raketen und Ballonbeobachtungen ergab sich, daß auch ausgedehnte, extragalaktische Quellen im<br />

Röntgenbereich nachweisbar sein könnten. Am 12. Dezember 1970 wurde der erste Röntgen Satellit (von Giacconi gebaut)<br />

von der NASA in den Weltraum gebracht. Ein früher Katalog, nach dem viele Quellen heute benannt werden, ist der daraus<br />

resultierende Uhuru Katalog. Starke extragalaktische Quellen sind hierin<br />

1. Cen A = NGC 5128 = 3U 1322 − 42<br />

2. Cyg A = 3C 405 = 3U 1957 + 40<br />

3. Vir A = NGC 4486 = M87 = 3C 274 = 3U 1228 + 12<br />

Vir A hat eine Röntgenleuchtkraft von LX = 1 · 10 10 L⊙.<br />

Normale Galaxien haben dagegen Röntgen Leuchtkräfte (s. Tab. (1.33), L⊙ = 3.9 · 10 33 erg s −1 , Leuchtkraft der Sonne)<br />

im Bereich 2.5 · 10 8 L⊙ > LX > 2.5 · 10 4 L⊙, erreichen also nur wenige % der optischen Leuchtkraft. Die Milchstraße<br />

liegt im median, M31 im oberen Bereich.<br />

Die Große Maghellansche Wolke und <strong>die</strong> Kleine Maghellansche Wolke, unsere beiden Nachbargalaxien, enthalten beide<br />

viele Röntgen Punkt Quellen. LMC ist sogar stärker als MWG. Sie wurden zunächst (in der Reihenfolge ihrer Entdeckung)<br />

mit LMC X-1 . . . bzw. SMC X-1 . . . bezeichnet. Der Zwillingspulsar zum Krebs wurde zuerst im Röntgenbereich gefunden.<br />

Bis M31 konnten noch Röntgen Punkt Quellen (M31 X-1 . . . ) nachgewiesen werden, Perioden allerdings bisher nicht. Dazu<br />

reicht <strong>die</strong> Empfindlichkeit nicht.<br />

Eine besonders leuchtstarke Galaxie ist IRAS 13224 − 3809 mit fast LX = 10 11 L⊙, noch 10mal heller als Vir A. Die<br />

Rotverschiebung beträgt z = 0.06 (Entfernung D = 360 Mpc). Sie variiert um einen Faktor zwei in der Leuchtkraft und<br />

das in 800 Sekunden. Die IR Leuchtkraft ist mit LIR = 5 · 10 11 L⊙ = 1.5 · 10 45 erg s −1 noch 5mal größer.<br />

Vom isotropen Röntgenhintergrund sind mittlerweile zwei drittel des Beitrags geklärt: ein drittel stammt<br />

von lokalen Quellen der Milchstraße und ein weiteres drittel von den Halos und Koronen der Galaxien.<br />

Neuere Röntgen Satelliten<br />

Neuere Röntgen Satelliten nach UHURU und EINSTEIN sind:<br />

GINGA (Jap. Galaxie) mit Gamma Ray Burst Detector.<br />

ROSAT (Röntgen Satellit).<br />

ASCA (Advanced Satellite for Cosmology and Astrophysics).<br />

RXTE (Rossi X-ray Timing Explorer).<br />

BeppoSAX (Beppo Satellite di Astronomia X).<br />

CHANDRA (ursprünglich AXAF: Advanced X-ray Astronomical Facility).<br />

NEWTON (MMX: multi mirror X-ray) Satellite


1.3. GALAXIEN BEI ANDEREN FREQUENZEN 61<br />

Eine Beschreibung der wichtigsten Eigenschaften erfolgt an der Stelle, wo sie benötigt werden und im<br />

Glossar.<br />

Ein wichtiger physikalischer Effekt, der Photoeffekt mit dem Compton Streuquerschnitt, erlaubt es,<br />

Entfernungen Röntgen-spektroskopisch zu bestimmen und chemische Elemente (insbesondere Fe)<br />

nachzuweisen.


62 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />

1.3.5 Infrarot Astronomie<br />

Meilenstein der Infrarot Astronomie war IRAS, der Infrared Astronomical Satellite, eine holländischenglisch-amerikanische<br />

Kollaboration für den IR Messbereich [100 µm bis 10 µm].<br />

Bereits bei der ersten Eichmessung (Januar 1983) an Wega (ein A0 V Hauptreihenstern in 8 pc Entfernung<br />

mit einem Alter von 1 Gyr) wurde eine Staubscheibe (gedeutet als Planetensystem bei der<br />

Bildung) entdeckt.<br />

• BEISPIEL (NEUE TYPEN VON IR QUELLEN)<br />

Viele Entdeckungen, <strong>die</strong> (seit 1984) im IRAS Survey katalogisiert wurden, sind noch nicht mit anderen Objekten identifiziert.<br />

Unter den 600 Tausend Quellen des IRAS Katalogs befinden sich über 20 Tausend neue (d. h. vorher nicht bekannte)<br />

IR Galaxien. Diese werden klassifiziert in<br />

1. Hyper Luminous IR Galaxy, HyLIG, falls LIR > 10 13 L⊙,<br />

2. Ultra Luminous IR Galaxy, ULIG, falls LIR > 10 12 L⊙,<br />

3. Luminous IR Galaxy, LIG, falls LIR > 10 11 L⊙, ferner<br />

4. normale (Sb bis Sd Galaxien, median LIR/Lopt = 0.4) bis<br />

5. schwache (elliptische Galaxien, LIR/Lopt < 0.1) IR Quellen sonst.<br />

Die klassischen Starburst-Galaxien M82 (LIR = 10 10.3 L⊙) und NGC 253 (LIR = 10 10.8 L⊙, D = 3 Mpc, mV = 8.04)<br />

haben etwa LIR/Lopt 3 und 5.<br />

Hyligs sind selten (5 Objekte im ersten IRAS survey), z. B. IRAS 15307+3252 und IRAS 10214+4724;<br />

ULIGs sind etwa so häufig wie optische Quasare, z. B. Arp 220 und NGC 6240;<br />

LIGs sind so häufig wie Seyfert Galaxien, z. B. Mrk 231 und IRAS 13224 − 3809, <strong>die</strong> wir schon kennengelernt haben.<br />

Neun IR Quellen haben LIR/Lopt > 50 und sind bis heute nicht identifiziert.<br />

Ref.: [SM96], Sanders, D. B. and Mirabel, I. F., Luminous infrared galaxies, Ann.Rev.A.A. Vol34, (1996), 749<br />

Zu den bemerkenswertesten Entdeckungen von IRAS gehören <strong>die</strong> Megamaser und Gravitationslinsen<br />

mit CO in kosmologischer Entfernung.<br />

• ZUSATZ (MASER UND MEGAMASER)<br />

Das Molekül OH hat zwei starke Maserlinien bei den Frequenzen 1665 und 1667 MHz (mit ∆F = 0 und zwei schwache<br />

bei 1612 und 1720 MHz mit ∆F = ±1). Es handelt sich um <strong>die</strong> Hyperfeinaufspaltung eines l = 18 cm Übergangs (Λ<br />

Verdopplung des 2 Π 3/2 Grundzustands). Die stärksten Quellen mit Linienstrahlung sind <strong>die</strong> sog. Megamaser. Die (isotrope)<br />

Leuchtkraft in extra galaktischen Quellen kann L = 10 4 L⊙ erreichen. Das ist etwa 1 Million mal <strong>die</strong> Leuchtkraft<br />

galaktischer Quellen: deshalb der Name Megamaser. Der erste Hydroxyl Megamaser wurde 1982 in der Galaxie Arp 220<br />

gefunden (Baan, Wood und Haschick).<br />

Mehr als 20 Mega-Maser hat man mittlerweile in Galaxien mit starkem IR Exzess gefunden.<br />

Bei dem Objekt III Zw 35 konnte mithilfe der OH Maserlinie ein Kerngebiet von nur 15 pc Radius aufgelöst werden.<br />

Interpretiert man <strong>die</strong> Linienbreite als Rotation, dann beträgt <strong>die</strong> dynamische Masse M = 1 · 10 9 M⊙. Die Entfernung<br />

beträgt bei z = 0.03 etwa 170 Mpc und vrot = 450 km s −1 .<br />

Ein Beispiel für einen H2O Maser in kosmologisch interessanter Entfernung ist IRAS 22265-1826 mit z = 0.025 (entspr<br />

D = 150 Mpc bei h = 0.5 nach der Formel D = 6(2h) −1 z Gpc) und einer Leuchtkraft von L = 6 · 10 3 L⊙.<br />

Der H2O Maser in M106 (NGC4258) erlaubt eine rein geometrische Bestimmung aller relevanten Größen, wie der Entfernung<br />

zum Zentrum, D = 7.2 Mpc, dem Inklinationswinkel i = 82 Grad und der Zentrumsmasse,<br />

MZentrum = 3.9 · 10 7 M⊙<br />

�<br />

D sin(i)<br />

7.2Mpc sin(82)<br />

�2 Der stärkste OH Maser, IRAS 20100-4156, hat eine kosmologische Fluchtgeschwindigkeit von 38650 km s −1 (Rotverschiebung<br />

z = 0.129). Bei einer Flussdichte von 200 mJy entspricht das einer (isotropen) Leuchtkraft von L = 10 4 L⊙ in<br />

einer Linie der Dopplerbreite 1500 km s −1 ! Die Gesamt IR-Leuchtkraft beträgt L = 3 · 10 12 L⊙.<br />

• ZUSATZ (GRAVITATIONSLINSEN)<br />

Vollkommen unerwartet war 1991 Entdeckung einer Protogalaxie, Quelle F10214+4724 im IRAS Katalog, mit einer Rotverschiebung<br />

von z = 2.286. Gesehen wird hier der CO(3 → 2) Rotationsübergang, welcher von λr = 850µm nach λ = 3<br />

mm verschoben ist. Mittlerweile gibt es eine ganze Reihe von Kandidaten und drei weitere Quellen mit CO: das Kleeblatt<br />

(s.u.), MG0414 + 0534 mit z = 2.64 und der Linsenbogen BR1202 − 0725 mit z = 4.69.


1.3. GALAXIEN BEI ANDEREN FREQUENZEN 63<br />

Folgeuntersuchungen wurden bzw. werden von folgenden Satelliten durchgeführt<br />

1. COBE<br />

Bei Wellenlängen länger als 100 µm hat DIRBE (Diffuse Infrared Background Experiment an<br />

Bord von COBE) von 1989 bis 1995 <strong>die</strong> Staubstrahlung des Universums untersucht.<br />

2. ISO<br />

Danach hat ISO, das Infrared Space Observatory (1995 - 1998) der ESA <strong>die</strong> Beobachtungen im<br />

IR fortgeführt. ISO war ein auf 2 Kelvin gekühlter Satellit mit 60 cm Teleskop. Bereich: Infrarot<br />

[240 µm . . . 2.5 µm]. Die Winkel Auflösung betrug 17 ′′ .<br />

3. SIRTF<br />

Geplant für das Jahr 2002 ist SIRTF, <strong>die</strong> Space Infrared Telescope Facility, das nach Comptel,<br />

Hubble und Chandra noch fehlende Grossinstrument für den IR Bereich der NASA.<br />

4. FIRST<br />

Geplant (von der ESA) für das Jahr 2005 ist FIRST (zusammen mit dem PLANCK surveyor),<br />

das Far InfraRed Space Telescope.<br />

• BEISPIEL (IR QUELLEN MIT STAUB)<br />

Einige Quasare mit grosser Rotverschiebung (maximal z = 4.693) sind starke IR Quellen mit Staub. In einigen Fällen wird<br />

zusätzlich CO entdeckt.<br />

Typische Staubtemperaturen liegen bei 50 K und <strong>die</strong> Masse des Staubs beträgt etwa 3 · 10 7 M⊙. Dauraus schließt man auf<br />

eine molekulare Masse von etwa M(H2) = 3 · 10 9 M⊙.<br />

Die Gesamt IR-Leuchtkraft beträgt wie bei ULIGs etwa L = 3 · 10 12 L⊙. Der Fluß bei 1.25 mm beträgt einige Milli Jansky.<br />

• BEISPIEL (IR QUELLEN MIT CO)<br />

Bei einem 5 − 4 Übergang beträgt <strong>die</strong> Ruhfrequenz ν = 576 GHz. Diese wird bei z = 4.3 nach ν = 106 GHz verschoben.<br />

Der über <strong>die</strong> Linienbreite (von etwa 200 km s −1 ) integrierte Fluß bei 3 mm (Frequenz um ν = 106 GHz) beträgt einige<br />

[Jansky km s −1 ].<br />

1.3.6 UV Astronomie<br />

Nicht nur <strong>die</strong> Erdatmosphäre sondern auch <strong>die</strong> ISM absorbiert stark (Photoeffekt an H und He).<br />

Man unterscheidet FUV (far ultraviolet) und EUV (extreme ultraviolet) nach physikalischen Gesichstpunkten:<br />

FUV ist der Bereich von 6 bis 13.6 eV, EUV oberhalb von 13.6 eV (etwa 80 nm) bis etwa<br />

200 eV (6 nm), dem Beginn des Röntgenbereichs.<br />

• ZUSATZ (MISSIONEN)<br />

Folgende Missionen wurden durchgeführt:<br />

1. TD-1; (von 1968 bis 1973) all sky survey mit 31215 Quellen. Bereich 150 nm bis 280 nm.<br />

2. Copernicus, OAO 3; UV Satellit (1972 bis 1982); Untersuchung diffuser Wolken (ISM).<br />

3. EUVE Extreme Ultraviolet Explorer (1991 bis 1994) Bereich: 7 nm bis 70 nm (18 bis 170 eV).<br />

Die Mehrzahl der identifizierten Objekte von EUVE sind G, K und M Sterne. Nur 17 % sind Weiße Zwerge. Keine extragalaktische<br />

Quelle wurde bisher im EUV entdeckt.


64 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />

1.3.7 Gamma Astronomie<br />

Die frühen Entdeckungen<br />

• ZUSATZ (DIE ZIVILE FRÜHPHASE)<br />

Vor 1967 wurde nicht ein einziges extrasolares Photon mit einer Energie jenseits von 100 keV (harte Röntgenstrahlung)<br />

detektiert. Auch <strong>die</strong> Gamma Astronomie beginnt mit Ballon und Raketenbeobachtungen um 1967 und am Anfang wurden<br />

<strong>die</strong> einzelnen Photonen, nicht <strong>die</strong> Quellen, gezählt. Das änderte sich erst 1972 mit SAS-2 (mit 8000 Photonen und 4 Punkt<br />

Quellen) und besonders 1975 mit COS B, dem ESA Satelliten (der insgesamt bereits 10 5 Photonen, 4 identifizierte und 20<br />

nicht identifizierte Quellen nachweisen konnte) für Energien jenseits von 100 MeV (harte Gammastrahlung).<br />

Weiche Gammastrahlung konnte (mangels geeignetem Satelliten) bis zum Start von HEAO-4 (1977 bis 79) und Compton<br />

Observatory (1991 bis auf weiteres) nur mit Ballon und Raketenbeobachtungen untersucht werden, was bei variablen Quellen<br />

frustrierend sein kann, wenn der Start in eine Phase fällt, wo <strong>die</strong> Quelle ein Minimum durchläuft. Eine variable Quelle<br />

im galaktischen Zentrum (GX1+4 = 4U 1728 − 24 = V2116 Oph ?) bereitete besondere Schwierigkeiten, sie wurde bei<br />

der Zerstrahlungsenergie von Elektron und Positron bei 511 keV zwischen 1970 und 1990 wahlweise entdeckt (1970 bis<br />

1980; 1988 bis 1990) oder auch nicht (1981 bis 1988 und seit dem Start von Compton Observatory).<br />

In geheimer Mission wurde der Röntgen und Gammabereich von Spähsatelliten im Rahmen des Atom<br />

Teststop Abkommens (engl. Outer Space Treaty) zwischen den USA (Vela 5A und 5B) und der UdSSR<br />

(Konus) von beiden Seiten ab 1968 untersucht. Hier wurden erstmals <strong>die</strong> Gamma Bursts entdeckt. Die<br />

Daten sind später (1973) freigegeben worden und enthalten einige interessante Beobachtungen hoher<br />

Qualität, <strong>die</strong> in Zeiten fallen, wo kein ziviler Satellit Beobachtungen angestellt hat. Auch <strong>die</strong> Quantität<br />

der Daten übertrifft <strong>die</strong> zivilen Möglichkeiten der damaligen Zeit.<br />

Einige der besonders interessanten Beobachtungen:<br />

1. der Burst GRB790613<br />

war einer der kürzesten überhaupt mit einer (nicht aufgelösten) Anstiegszeit tr < 20 ms und<br />

einer Dauer von nur ∆t = 0.5 s.<br />

2. <strong>die</strong> Bursts GRB730721 und 730725<br />

mit einer Dauer von ∆t = 8 s und ∆t = 4 s stammen vermutlich aus derselben Quelle. Sie waren<br />

damit der insgesamt längste Puls überhaupt, mit verschwindender Amplitude zwischendrin, oder<br />

es handelt sich um einen Wiederholungstäter (engl. repeater).<br />

3. <strong>die</strong> Radio Galaxie Cen A<br />

war in der Zeit von 1973 bis 75 besonders hell und aktiv, sie könnte damit ein Blasar sein.<br />

4. Bei Cyg - X1<br />

wurde neben der Bahnperiode von 5.6 Tagen noch eine weitere Periode von 294 Tagen erstmals<br />

entdeckt.<br />

Nach <strong>die</strong>sen frühen Entdeckungen, <strong>die</strong> bereits zeigten, wie wichtig <strong>die</strong> Hochenergie <strong>Astrophysik</strong> für<br />

das Verständnis wesentlicher Aspekte der Stern und Galaxien Entwicklung ist, beginnt 1991 eine neue<br />

Phase mit dem Start des Compton Observatory der NASA und seinen 4 Instrumenten.<br />

Das Compton Observatory<br />

• ZUSATZ (KURZBESCHREIBUNG: DAS COMPTON OBSERVATORY)<br />

Start April 1991. An Bord des Compton Observatory befinden sich<br />

1. BATSE das Burst and Transient Source Experiment [15 keV . . . 2 MeV], 0.6 sterad,<br />

2. COMPTEL das Compton Imaging Teleskop [1 MeV . . . 30 MeV], 1 sterad,<br />

3. OSSE das Oriented Scintillation Spectrometer Experiment [0.1 MeV . . . 10 MeV] 4 ◦ ×11 ◦<br />

4. EGRET das Energetic Gamma Ray Experiment [20 MeV . . . 30 GeV].<br />

Die Abbildungsgenauigkeit beträgt etwa 1 Quadratgrad.


1.3. GALAXIEN BEI ANDEREN FREQUENZEN 65<br />

Jedes der vier Instrumente an Bord des Compton Observatory hat wesentliche Entdeckungen gemacht,<br />

<strong>die</strong> ohne es nicht möglich gewesen wären. Es zeigt sich aber, daß Astronomie ganz wesentlich bisher<br />

auf optischer Identifizierung aufgebaut ist.<br />

EGRET:<br />

Das Energetic Gamma Ray Experiment<br />

EGRET, das Hochenergie Gamma Experiment hat bei seiner Himmelsdurchmusterung gezeigt, daß es<br />

Quellen gibt, <strong>die</strong> auch noch bei 30 GeV strahlen. Beispiele dafür sind der Krebsnebel in der Milchstraße<br />

und der Quasar 3C 273 in kosmologischer Entfernung (z = 0.158). Insgesamt 50 Punktquellen in der<br />

(Ebene der) Milchstraße mit Strahlung oberhalb von 100 MeV wurden entdeckt, aber nur 6 konnten<br />

identifiziert werden. Es sind <strong>die</strong>s klassische Pulsare, <strong>die</strong> vorher schon bekannt waren, und <strong>die</strong> in der<br />

Tabelle, (1.23), bei COMPTEL mit aufgeführt sind.<br />

Die Leuchtkraft der Milchstraße (MWG) oberhalb 100 MeV beträgt insgesamt L = 10 39 erg s −1 oder<br />

2.5 · 10 5 L⊙. Das ist nur 10 −5 der optischen Leuchtkraft.<br />

MWG: Lγ = 10 −5 Lopt<br />

Beeindruckend ist im Vergleich dazu, daß <strong>die</strong> Leuchtkraft bei einigen AGN im Gammabereich ein dex<br />

höher ist als im optischen.<br />

Ebenfalls in (Ebene der) Milchstraße gibt es eine diffuse Hintergrundstrahlung, <strong>die</strong> gut mit der Gasverteilung<br />

korreliert. Quelle <strong>die</strong>ser extrem hochenergetischen Strahlung sind unterhalb von 150 MeV<br />

Elektronen der kosmischen Strahlung (Bremsstrahlung an Atomen)<br />

und oberhalb <strong>die</strong> Protonen (Nukleon - Nukleon Wechselwirkung) der Grenzempfindlichkeit<br />

kosmischen Strahlung.<br />

einiger Surveys<br />

Die nebenstehende Tabelle gibt <strong>die</strong> Grenzempfindlichkeit einiger Name log ν [Hz] νIν [cgs]<br />

wichtiger Surveys. FIRST steht für ’Faint Images of the Radio Sky FIRST 9 −17<br />

at Twenty Centimeters’, ein Radio Katalog mit dem VLA. POSS ist IRAS 13 −11<br />

der ’Palomar Observatory Sky Survey’.<br />

POSS I 14.5 −13.5<br />

Ferner wurden 40 AGN von EGRET (AGN = active galactic nucleus) ROSAT 17.5 −14.5<br />

entdeckt, alle vom Blasar Typ und in kosmologischer Entfernung. EGRET 23.5 −10.5<br />

Die hochenergetische Strahlung wird vermutlich durch inverse Compton<br />

Streuung von optischen Photonen an relativistischen Elektronen Tab. 1.22: Surveys<br />

in den AGN erzeugt. Beeindruckend ist auch hier wieder, daß <strong>die</strong> Leuchtkraft bei einigen AGN ein dex<br />

höher ist als im optischen. Die Radio Galaxie PKS 0528 + 134 hat im Gammabereich eine Leuchtkraft<br />

von Lγ = 1011L⊙. • BEISPIEL (AGN ENTDECKT VON EGRET)<br />

Bei Gamma Energien E > 100 MeV wurden insgesamt 40 Quellen von EGRET entdeckt. Von <strong>die</strong>sen gibt <strong>die</strong> folgende<br />

Tabelle einige wichtige Beispiele. Bestimmt wird jeweils der spektrale Photonenfluß, den wir mit ˜ f bezeichnen wollen, mit<br />

hν = E:<br />

˜f = dfν/dν<br />

Ein Maß für <strong>die</strong> Leuchtkraft ist<br />

ν 2 ˜ f = νfν = f<br />

Typische Werte bei 1 GeV (2 × 10 23 Hz), <strong>die</strong> EGRET spektral nachweisen kann, sind 10 −7 [Photonen cm −2 s −1 GeV −1 ].<br />

Jedes Photon hat 10 −3 erg und für <strong>die</strong> Flussdichte f ergibt sich als typische Einheit f = 10 −10 cm −2 s −1 (entspr 10 13<br />

JyHz).<br />

Der erste Eintrag in der Tabelle ist ein Quasar aus dem Parkes Katalog von Radio Quellen, PKS 0208 − 512. Sein spektraler<br />

Fluß von 10 MeV bis 30 GeV ist ein reines Potenzgesetz, mit Spektralindex α = −1.7<br />

˜f = 10 −7 (E/GeV) −1.7 .


66 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />

Für den Quasar PKS 0528 + 134 gilt ganz analog ein reines Potenzgesetz, mit gleichem Fluß bei 1 GeV und mit ˜ f =<br />

10 −7 (E/GeV) −2.4 .<br />

Wo liegt das Maximum der Emission? Für PKS 0208 − 512 ist <strong>die</strong> Antwort einfach und erstaunlich: das Maximum liegt<br />

am oberen Ende der Nachweismöglichkeit von EGRET, bei 30 GeV. Die beiden Quasare 3C 273 und 3C 279 haben kein<br />

so einfaches Potenzgesetz und hier ist COMPTEL zuständig. Der Quasar 3C 273 hat sein Maximum der Leuchtkraft bei 1<br />

MeV (2 × 10 20 Hz), 3C 279 bei 10 MeV.<br />

AGN bei E > 100 MeV entdeckt von EGRET<br />

Name alt. l b f−6 α z L48 Rem<br />

Bez. Grad Grad cm −2 s −1 erg s −1 Rem<br />

0208 − 512 PKS 276 −62 0.4 −1.7 1.00 2 a)<br />

0528 + 134 PKS 191 −11 0.4 −2.4 2.06 4 b)<br />

1226 + 023 3C 273 290 +64 0.3 −2.4 0.158 0.008 c)<br />

1253 − 023 3C 279 305 +57 0.6 −1.8 0.54 0.3 d)<br />

1633 + 382 4C+38.41 61 +42 0.4 −2.0 1.81 3 e)<br />

Der Photonenfluß, f−6, ist in 10 −6 cm −2 s −1 angegeben. Dem entspricht der Energiefluß 10 −10 erg cm −2 s −1 .<br />

Anmerkungen zur Tabelle:<br />

a) stark variable (f−6 von 0.4 bis 0.9) Radio Quelle mit hartem Spektrum.<br />

b) stark variable (f−6 von 0.4 bis 1.6) Radio Quelle mit weichem Spektrum; L48(max) = 13.<br />

c) als einziger Quasar von COS B vor 1991 entdeckt.<br />

d) stark variabler (f−6 von 0.4 bis 4.9) Quasar mit hartem bis flachem Spektrum und variablem Index (α von −1.7 bis<br />

−1.98).<br />

e) stark variabler (f−6 von 0.4 bis 1.4) Quasar; L48(max) = 11.<br />

Der extremste Fall von Variabilität liegt beim Quasar 3C 279 vor: Innerhalb von Tagen variiert <strong>die</strong> Leuchtkraft (fast um<br />

einen Faktor 7) zwischen L = 3 × 10 47 erg s −1 und L = 2 × 10 48 erg s −1 , dabei variiert der Spektralindex α zwischen<br />

α = −1.98 und α = −1.7. Ein solcher Strahlungsausbruch (wie der vom 16 bis 28 Juni 1991) setzt eine Energie von<br />

2 × 10 48 × 10 5 erg oder 0.1M⊙c 2 im harten Gamma Bereich frei. Die Energie in den Bursts ist vergleichbar, nicht aber <strong>die</strong><br />

Zeitskala oder das Spektrum.<br />

COMPTEL:<br />

Das Compton Teleskop<br />

Die Ergebnisse der Himmelsdurchmusterung sind ähnlich für COMPTEL und EGRET. Zusätzlich kann<br />

COMPTEL allerdings Linien im Bereich 1 bis 30 MeV spektroskopieren. Für niedrigere Energien ist<br />

dagegen OSSE zuständig.<br />

Zwei radioaktive Elemente wurden entdeckt: 26 Al bei 1.809 MeV und 44 Ti bei 1.156 MeV. Die Halbwertszeit<br />

von 26 Al beträgt 0.770 Myr (e-folding time: 1 Myr) und <strong>die</strong> von 44 Ti nur 90 yr. Mit seiner<br />

grossen Halbwertszeit kann 26 Al benutzt werden, <strong>die</strong> Anreicherung der ISM aus Supernovae mit<br />

schweren Elementen wie 26 Al zu untersuchen. 44 Ti ist dagegen ein Indikator für junge Supernova<br />

Überreste. Tatsächlich findet man 26 Al entlang der galaktischen Ebene, in Richtung Orion und in Richtung<br />

der Spiralarme, 44 Ti wurde zuerst in Cas A entdeckt.<br />

• ZUSATZ (DIE 44 TI LINIEN)<br />

Der Zerfall von 44 Ti, bei dem 3 Linien entstehen, sieht folgendermassen aus<br />

44 T i K 44 Sc I K 44 Ca<br />

Dabei bedeutet K Konversion (Elektron Einfang) und I Isomerie (Emission eines Photons). 44 Ti hat zwei (Konversions)<br />

Linien bei 78.4 keV und 67.9 keV. Die Zerfallszeit beträgt τ = 85 yr. Im Gammabereich ist eine (Isomerie) Linie bei 1.156<br />

MeV (mit einem τ etwa 5.7 yr).<br />

Die 44 Ti Gamma- Linie (bei 1.156 MeV mit einem Gesamt - τ von etwa 90 yr) ist 1994 im Supernova Überrest Cas A und<br />

1998 in einem bis dahin unbekannten Supernova Überrest RX J0852.0 - 4622 gefunden worden. Die beobachtete Menge<br />

von 10 −4 M⊙ stimmt mit theoretischen Rechnungen, <strong>die</strong> vor der Entdeckung liegen, überein.


1.3. GALAXIEN BEI ANDEREN FREQUENZEN 67<br />

Eine der ersten Quelle, <strong>die</strong> von COMPTEL 1991 untersucht wurden, war Cen A. Beim Vergleich mit<br />

Messungen aus dem Jahre 1981 mit COS B zeigte sich, daß der Fluß sowohl variabel in der Intensität<br />

als auch im Spektralindex α ist.<br />

˜f = 10 −4 (E/MeV) α<br />

[Photonen cm −2 s −1 MeV −1 ]<br />

Die frühen Messungen ergaben α = −1, COMPTEL fand dagegen α = −7/4, das ist fast der doppelte<br />

Wert.<br />

Die Identifizierung von Quellen, deren Positionsgenauigkeit nur ein Quadrat Grad am Himmel beträgt,<br />

ist nur möglich, falls sie variabel sind, und das am besten simultan in verschiedenen Frequenzbereichen<br />

(Radio oder optisch). Wie <strong>die</strong> folgende Tabelle zeigt, sind von insgesamt 16 Radiopulsaren, <strong>die</strong> sonst<br />

noch außerhalb des Radio Bereichs strahlen, insgesamt 7 im Gamma Bereich über ihre Pulsperiode<br />

eindeutig nachgewiesen. Der Gamma Pulsar GRO J1744−28 ist dabei ein Sonderfall: seine Periode<br />

wurde sogar anhand der Gamma Daten gefunden. Wir kommen später auf ihn zurück.<br />

Die Identifizierung von extragalaktischen Quellen ist dagen sehr viel schwieriger, da <strong>die</strong>se keine reguläre<br />

Variabilität zeigen. Hier helfen Multiwellenlängen Beobachtungen weiter, wie wir bei BATSE<br />

besprechen werden.<br />

• ZUSATZ (IDENTIFIZIERTE QUELLEN)<br />

Ein extremes Beispiel, das zeigt, wie schwer es ist, eine mit dem Compton Observatory gefundene Quelle zu identifizieren,<br />

ist Geminga, der einzige isolierte Neutronenstern, der bisher aufgrund seiner Gammastrahlung entdeckt wurde. Die<br />

Quelle wurde erstmals 1975 mit dem SAS-2 Satelliten als Gamma Punktquelle (damals mit der Bezeichnung γ195 + 5)<br />

nachgewiesen. Die Periode wurde 1991 von ROSAT gefunden und von EGRET (nicht von COMPTEL) bestätigt.<br />

Der Pulsar PSR J0633+1746 (Geminga) ist der nächst gelegene (Entfernung D = 157 pc) γ−ray Pulsar mit einer Periode<br />

von P = 237 ms und einem formalen Alter von 30 kyr. Er ist mittlerweile in allen Frequenzbereichen nachgewiesen. Es<br />

handelt sich hierbei um einen nahen (<strong>die</strong> Parallaxe von 6 ′′ .4 · 10 −3 entspricht D = 157 pc), isolierten Neutronenstern, von<br />

dem nach 20 Jahren heroischer Anstrengungen alle astronomisch relevanten Daten gemessen sind.<br />

α = 06 : 33 : 54, δ = +17 : 46 : 11; (l = 195 ◦ b = 4.27 ◦ ) µα = 0.138 ′′ yr −1 , µδ = 0.097 ′′ yr −1<br />

Die Pekuliargeschwindigkeit beträgt v = 122 km s−1 , seine Periode von P = 237 ms ändert sich um ˙ P = 1.099 · 10−14 s<br />

s−1 . Für das Alter, τ = P/2 ˙ P , ergibt das 30 kyr. Dem entspricht ein Rotationsenergieverlustrate von Lrot = 3.2 · 1034 erg<br />

s −1 und eine Magnetfeldstärke von B = 1.5 · 10 12 Gauß. Die Verlustrate ist um 4 dex geringer als <strong>die</strong> des Krebspulsars,<br />

Geminga ist einer der schwächsten Pulsare.<br />

Die Leuchtkraft im Gamma Bereich beträgt, unter der Annahme isotroper Abstrahlung, Lγ = 1.5·10 34 erg s −1 . Vermutlich<br />

ist <strong>die</strong> Strahlung gebeamt (azimutal auf einen kleinen Öffnungswinkel konzentriert), da sonst der Wirkungsgrad der Umsetzung<br />

von Rotationsenergie in Gamma Energie unwahrscheinlich hoch wäre (Drehimpulstransport). Im optischen beträgt<br />

<strong>die</strong> bolometrische Leuchtkraft Lbol = 1 · 10 31 erg s −1 , was einer Temperatur von Teff = 2.5 · 10 5 K entspricht.<br />

Vollkommen unverstanden ist, warum Geminga praktisch keine Radiostrahlung hat, nachgewiesen wurde ein stark variabler<br />

Fluß bisher nur bei 102 MHz (extrapoliert auf 400 MHz ergibt das L400 = 0.1 mJy·kpc 2 oder L400 = 1 · 10 24 erg s −1 ).<br />

Eine Möglichkeit wäre <strong>die</strong> sehr spezielle Blickrichtung des Beobachters: Puls und Interpuls sind um exakt 180 auseinander,<br />

und wir scheinen es hier mit einem exakt orthogonalen Rotator zu tun zu haben.<br />

Die 16 Radiopulsare, für <strong>die</strong> Multiwellenlängen Nachweise außerhalb des Radiobereichs existieren, sind in der nebenste-


68 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />

henden Tabelle aufgeführt. Es handelt sich bei allen Objekten der<br />

Tabelle um isolierte Neutronensterne (keine Akkretion). Die Ein- Liste der 16 Multiwellenlängen PSRs<br />

träge sind nach dem Alter vorgenommen. Die jüngsten Pulsare PSR B opt EUV X X γ γ<br />

sind der Krebspulsar und sein Zwilling in LMC (LMC = Große 1950 soft hard soft hard<br />

Maghellansche Wolke).<br />

0531+21 P P P P P<br />

P bedeutet gepulst, D steht für Dauerquelle (wahrscheinlich ther- 0540-69 P P<br />

mische Strahlung). Alle sind also mindestens im Radio und im 1509-58 D P P P<br />

weichen Röntgenbereich nachgewiesen.<br />

0833-45 P P P P<br />

Der Gamma Pulsar PSR J0633+1746 = Geminga ist ein Sonder- 1706-44 D P<br />

fall. Er wurde 1975 als hellste γ-ray Quelle vom Compton Tele- 1800-21 D<br />

skop (Compton Observatory) entdeckt. Es dauerte dann bis 1995, 1823-13 D<br />

bis der Pulsar als nächst gelegene γ-ray Quelle auch optisch iden- 2334+61 D<br />

tifiziert werden konnte.<br />

1951+32 D P<br />

Die optischen Nachweise, <strong>die</strong> mit H gekennzeichnet sind, stam- 0656+14 H D P P<br />

men vom Hubble Space Teleskop (HST), <strong>die</strong> Röntgennachweise Geminga H P P P<br />

von ROSAT und Einstein.<br />

1055-52 P P<br />

Geminga ist auch im extremen UV von EUVE und im Röntgenbereich0355+54<br />

D<br />

als gepulste Quelle nachgewiesen, drei weitere sind Dauerquel- 1929+10 H D P<br />

len. Ob damit eine neue KLasse von Neutronensternen entdeckt 0823+26 D<br />

wurde (mit hoher räumlicher Dichte), muß sich erst noch zeigen. 0950+08 H D D<br />

Ganz neu ist <strong>die</strong> Entdeckung des Radiopulsars J1124−5916 mit<br />

einer Periode von 135 ms (und einem nominellen Alter τ=2.9 Tab. 1.23: 16 Multiwellenlängen PSR<br />

kyr) im Supernova Überrest G292+1.8 (Expansionsalter 1.6 kyr). Dieser Pulsar war vorher als Röntgen Punktquelle (von<br />

Chandra) entdeckt worden.<br />

BATSE:<br />

das Burst and Transient Source Experiment<br />

BATSE, mit einem Energiebereich von 15 keV bis 2 MeV, wurde speziell zur Untersuchung der Gamma<br />

Bursts gebaut, <strong>die</strong> in <strong>die</strong>sem Energiebereich ihr Maximum haben.<br />

Mehrere Tausend Bursts sind mittlerweile registriert, <strong>die</strong> Rate beträgt 1 bis 2 pro Tag.<br />

Es scheint mindestens drei verschiedene Klassen von Gamma Burst Quellen zu geben: soft Repeater<br />

(bisher drei an der Zahl, <strong>die</strong> hier in der Tabelle<br />

aufgeführt sind), ein echter Gamma Pulsar mit Pe-<br />

Daten zu den Gamma Repeatern<br />

riode P = 467 ms und, bisher jedenfalls, alle et-<br />

und zum Gamma Pulsar<br />

wa 2000 anderen Einzel Bursts. Die Einzel Bursts Name Bemerkung D<br />

können nochmals in kurze und lange unterteilt wer- SGR 0525−66 SNR N49 in LMC 50 kpc<br />

den (wobei <strong>die</strong> langen mit der Ebene der Supergala- SGR 1806−20 SNR G10.0−0.3 17 kpc<br />

xie korreliert sind).<br />

SGR 1900+14 SNR + GRS 1915 + 105<br />

Hier nur einige kurze Anmerkungen zu den soft<br />

Repeatern vorweg. Bei <strong>die</strong>sen handelt es sich nach<br />

Tab. 1.24: γ Repeater<br />

gängiger Meinung um Neutronensterne in Supernova Überresten. SGR 0525−66 in LMC ist <strong>die</strong> Quelle<br />

vom berühmten (5. März 79) Burst, einem der scheinbar hellsten überhaupt (mit periodischer Struktur<br />

von 8 s). Der eigentliche Burst dauerte nur 0.2 Sekunden, das gepulste Nachglühen etwa 200 s.<br />

Eine Analyse im Jahre 1995 von Fenimore (mit grossem Komputeraufwand) ergab ein typisches Burst<br />

Spektrum mit < E > = 200 keV. Insgesamt 17 Burst wurden von SGR 0525−66 nachgewiesen.<br />

Die beiden anderen soft Repeater Quellen sind in der Milchstraße ziemlich weit weg gelegen. Für <strong>die</strong><br />

Leuchtkräfte gilt als grobe Abschätzung (für nicht kosmologische Quellen) Lγ = 1 · 1039 (D/1kpc) 2<br />

erg s−1 . Die Leuchtkräfte liegen damit zwischen Lγ = 1 · 1041 und Lγ = 1 · 1043 erg.<br />

Der Gamma Pulsar GRO J1744−28 liegt in Richtung galaktisches Zentrum und ist etwa 8 kpc entfernt.<br />

Diese transiente harte Röntgenquelle (Energie: 20 bis 75 keV) wurde am 2ten Dezember 1995 anhand<br />

eines Ausbruchs von BATSE entdeckt, ist also als Gamma Burster zu klassifizieren. Es handelt sich<br />

dabei um einen neuen Typ von Röntgen-Transient, den ersten echten (Hochenergie) Röntgenpulsar mit


1.3. GALAXIEN BEI ANDEREN FREQUENZEN 69<br />

einer Periode von P = 467 Milli Sekunden, der gleichzeitig Bursts (vom Typ II) hat. Die Drehfrequenz<br />

wurde schneller (Akkretion mit Drehimpuls Übertrag) im Beobachtunszeitraum, ˙ν = 9.22·10 −12 s s −1 ,<br />

nach etwa 60 Tagen war eine deutliche Abflachung zu erkennen. Auch <strong>die</strong> Orbitalperiode konnte (von<br />

Finger et al., 1996) aus den Gamma Daten bestimmt werden: Porb = 11.8 d. Aus den Binärdaten (asini<br />

= 2.6 lt sec und f(m) = 1.3 · 10 −4 M⊙) folgt, daß der Begleitstern eine Masse von mindestens 1M⊙<br />

gehabt haben muß, um den Roche Lobe füllen zu können. Der optische Begleiter ist bisher noch nicht<br />

identifiziert.<br />

Letztere, <strong>die</strong> normalen Bursts und ihre kosmologischen Quellen (also <strong>die</strong> non Repeater), wollen wir im<br />

weiteren nur noch betrachten (weil sie evtl. in kosmologischer Entfernung liegen).<br />

Drei wichtige Punkte konnten mithilfe von BATSE geklärt werden:<br />

1. keine Wiederholung der Bursts innerhalb von 20 Jahren,<br />

2. <strong>die</strong> vollkommene Isotropie der Bursts und<br />

3. <strong>die</strong> Verteilung im Raum über logN - logf.<br />

Die Quellen konnten aber nicht identifiziert werden, d. h. es wurde kein Wirt (Galaxie oder Stern)<br />

in einem anderen Frequenzbereich gefunden. <strong>Astrophysik</strong>alisch ist <strong>die</strong>s eine interessante (und häufig<br />

anzutreffende) Situation. Eine neue Klasse von Objekten wird entdeckt, für <strong>die</strong> eine physikalische<br />

Erklärung fehlt. Hier hilft dann nur <strong>die</strong> Statistik weiter. Eine Frage, <strong>die</strong> schnell geklärt ist, ist <strong>die</strong> der<br />

Winkelverteilung der Quellen. Sind <strong>die</strong> Quellen isotrop verteilt? Falls ja, wie in <strong>die</strong>sem Falle, kommen<br />

praktisch nur drei Erklärungen infrage, <strong>die</strong> im Laufe der Zeit alle versucht wurden:<br />

1. das kosmologische Modell (relativistischer Feuerball)<br />

2. das galaktische Halo Modell (tote Neutronenstern)<br />

3. das solare Modell (unbekannte Objekte in der Oortschen Wolke).<br />

Wirkliche Isotropie ist dabei nur beim kosmologischen Modell gewährleistet. Beim Halo Modell stört<br />

<strong>die</strong> Andromeda Galaxie <strong>die</strong> beobachtete Isotropie, von der Verteilung der Kometen in der Oortschen<br />

Wolke ist zu wenig bekannt. Gegen das kosmologische Modell spricht hauptsächlich <strong>die</strong> Energiebilanz:<br />

Bei einer Leuchtkraft von<br />

Lγ = 1 · 10 39 (D/1kpc) 2<br />

erg s −1 (1.98)<br />

erhält man für einen typischen Burst mit 1 s Dauer und isotroper Strahlung<br />

Eγ = 1 · 10 40 (D/1kpc) 2<br />

erg s −1 (1.99)<br />

Bei einer kosmologischen Entfernung führt <strong>die</strong>s (D = 10 7 kpc) zu extremen Anforderungen an den<br />

Burst Mechanismus. Die freigesetzte Energie entspricht etwa M⊙c 2 , was schwierig zu bewerkstelligen<br />

ist, insbesondere bei Abwesenheit eines sichtbaren Wirts.<br />

Der 28 Februar 1997 brachte mithilfe von BeppoSAX (Beppo Satellite di Astronomia X) einen ersten<br />

Durchbruch bei der Identifizierung eines Gamma Bursts: GRB970228. BeppoSAX ist ein Gamma und<br />

Röntgen Beobachtungssatellit, der speziell auf das Aufspüren solcher Quellen konzipiert wurde: neben<br />

einem Gamma Detektor (Weitwinkel) hat er eine extrem genaue Röntgenkamera (Auflösung etwa 1 ′ )<br />

für <strong>die</strong> Untersuchung eines etwaigen Röntgennachglühens. In den in der Tabelle (1.25) aufgeführten<br />

Fällen ist es damit 1997 gelungen, anhand von Folgeuntersuchungen, <strong>die</strong> Quellen der Ausbrüche optisch<br />

und im Radiobereich zu identifizieren und damit das kosmologische Modell zu bestätigen.<br />

Der 23 Januar 1999 brachte mithilfe von ROTSE den zweiten Durchbruch bei der Identifizierung eines<br />

Gamma Bursts: GRB990123. Das Robotic Optical Transient Search Experiment beinhaltet 4 zusammengeschaltete<br />

opt. Teleskope mit CCD, <strong>die</strong> innerhalb 3 Sekunden jeden Punkt am Himmel erreichen<br />

können. Die Grenzhelligkeit beträgt 15 Magnituden.


70 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />

• ZUSATZ (GAMMA BURSTS)<br />

Gamma-ray bursts (GRB) sind einmalige Ausbrüche hochenergetischer Gamma Strahlung, sie werden nach dem Datum<br />

ihrer Registrierung katalogisiert.<br />

Beispiel: GRB970228 ist der Ausbruch vom 28. Februar 1997.<br />

Gamma Bursts wurden erstmals 1969 von Militärs registriert und ihre Existenz 1973 veröffentlicht. Die primären Gamma<br />

Bursts bestehen aus Photonen mit Energien zwischen 0.1 und 1 MeV.<br />

Der Ausbruch vom 28. Februar 1997 markiert eine erste Wende, im Versuch herauszufinden, woher <strong>die</strong> GRBs kommen.<br />

Mithilfe des BeppoSAX wurde zunächst <strong>die</strong> dem Gamma Burst zugeordnete Röntgen Quelle entdeckt, und mit <strong>die</strong>ser<br />

Position wurde dann das optische Gegenstück gefunden.<br />

Zur Illustration der Leuchtkraft und Energie Verhältnisse betrachten wir den bisher energetischsten, den Gamma Burst<br />

GRB990123, mit einer Absorptions Rotverschiebung von z = 1.6. Es<br />

ist der letzte Eintrag in nebenstehender Tabelle.<br />

Im optischen wäre er mit mV = 8.86 mit einfachem Feldstecher (allerdings<br />

nur wenige Minuten lang) zu sehen gewesen. Auf <strong>die</strong> Entfernung<br />

von 11 Gpc umgerechnet (was z = 1.6 bei 2h = 1 entspricht), sind<br />

das im optischen Lopt = 5·10 49 erg s −1 . Dem entspricht eine optische<br />

Leuchtkraft von mehr als Lopt = 10 16 L⊙. Das Maximum im optischen<br />

war um 700 Sekunden zeitversetzt zum Gamma Burst. Dieser wurde<br />

von ROTSE bereits 20 Sekunden nach dem Ausbruch im Gamma Bereich<br />

(also noch auf dem im optischen ansteigenden Ast) entdeckt.<br />

Im Radio konnte GRB990123 ebenfalls nachgewiesen werden. Der<br />

Fluß betrug allerdings nur f = 2 · 10 −4 Jy bei etwa 8 GHz, was derzeit<br />

an der Nachweisgrenze liegt.<br />

Das Energie Maximum liegt allerdings im Gamma Bereich. Starke<br />

Gamma Bursts wie <strong>die</strong>ser, haben Flüsse von fγ = 4 · 10 −6 erg cm −2<br />

Daten zu optisch<br />

identifizierten Gamma-ray bursts<br />

Burst E−7 z E<br />

Datum erg cm −2 erg<br />

GRB970508 20 0.835 2 · 10 51<br />

GRB971214 100 3.418 1 · 10 53<br />

GRB980425 40 0.0085 7 · 10 47<br />

GRB980703 500 0.966 1 · 10 53<br />

GRB990123 40 1.6 4 · 10 54<br />

Tab. 1.25: opt. GRBs<br />

s −1 und Fluß Energien (engl. fluence) von E = f · ∆t = 3 · 10 −4 erg cm −2 . Für eine Dauer von etwa 100 Sekunden war<br />

<strong>die</strong> Leuchtkraft bei Lγ = 2 · 10 52 erg s −1 oder Lγ = 10 19 L⊙. (Im Verhältnis zum optischen mit Lopt = 5 · 10 49 erg s −1<br />

oder Lopt = 10 16 L⊙ ist das ein Promille). Etwa 20 Sekunden nach Ausbruch betrug Lγ sogar (etwa 5 Sekunden lang)<br />

Lγ = 10 20 L⊙, das ist mehr als alle Galaxien des Universums im optischen ausstrahlen. Die Gesamtenergie belief sich auf<br />

Eγ = 3 · 10 54 erg (oder auf E = 1.5M⊙c 2 ) am Ort der Quelle.<br />

Das Nachglühen des Gamma Bursts GRB990123 wurde im Radio (bei 4.8 GHz und 15 GHz), im optischen und im Röntgen<br />

Bereich nachgewiesen. Der mittlere Spektralindex für den Fluß, fγ ∝ ν β , zwischen Radio (ab 100 GHz), optisch und<br />

Gamma beträgt β = −0.671.<br />

Der GRB980425 in einer Entfernung von nur 50 Mpc (z = 0.0085) mit einer Energie von E = 7·10 47 erg ist ein Sonderfall,<br />

wie aus der Tabelle hervorgeht.<br />

• ZUSATZ (NACHGLÜHEN DER GAMMA BURSTS)<br />

Die Dauer des Gamma Bursts GRB990123 ist energieabhängig. Sie betrug etwa 40 Sekunden bei der höchsten Energie, im<br />

Kanal 320 keV bis 1.8 MeV, und 100 Sekunden im Kanal 25 bis 230 keV.<br />

Das Nachglühen im optischen, um 700 Sekunden zeitversetzt zum Gamma Burst, kann für <strong>die</strong>sen Burst beschrieben werden<br />

durch eine Funktion der Form<br />

m = mo(t/to) α<br />

; α = −1.14 ; to = 1 d ; mo = 21<br />

• ZUSATZ (AUSFÜHRLICHE RECHNUNG ZUR KOSMOLOGIE: ENERGIE DER GAMMA BURSTS)<br />

Die Gesamt Fluß Energie (fluence) des Gamma Pulses beträgt<br />

E = f · ∆t = 3 · 10 −4<br />

erg cm −2<br />

(2 MeV cm −2 ), etwa 0.3% der optische Anteil, und der Fluß ist<br />

fγ = 4 · 10 −6<br />

erg cm −2 s −1<br />

Umgerechnet auf <strong>die</strong> Entfernung<br />

Dl = (1 + z) zc<br />

H = 5 · 1028 (2h) −1<br />

beträgt demnach <strong>die</strong> Leuchtkraft im Maximum<br />

Lobs = 4πfoD 2 l = 1 · 10 53<br />

erg s −1<br />

cm = 11 Gpc


1.3. GALAXIEN BEI ANDEREN FREQUENZEN 71<br />

Mit unserer Formel für <strong>die</strong> Gesamtenergie und obigem Dl = 11 Gpc ergibt sich<br />

Ee = 4πD 2 �<br />

1<br />

l<br />

1 + z<br />

fodto = 3 · 10 54<br />

erg<br />

Überträgt man <strong>die</strong>ses Ergebnis auf GRB als astronomische Klasse, dann reichen, wie Pachynski vorhergesagt hat, <strong>die</strong><br />

Energien sogar darüber hinaus, was wichtig ist für ein mögliches Erklärungsmodell.<br />

OSSE:<br />

Das Oriented Scintillation Spectrometer Experiment<br />

Mit einem Spektralbereich von [0.1 MeV bis 10 MeV] und einer Winkelauflösung von (4 ◦ ×11 ◦ ) ist<br />

OSSE das am noch besten geeignete Instrument zum Nachweis der Positronium Vernichtungslinie bei<br />

0.511 MeV.<br />

Am 25 November 1970 wurde erstmals in Richtung Galaktisches Zentrum <strong>die</strong> Positronium Vernichtungslinie<br />

bei 0.511 MeV nachgewiesen. Der Fluß an Gamma Quanten betrug etwa 10 −2 cm −2 s −1 (bei<br />

einem Hintergrund von etwa der Hälfte <strong>die</strong>ser Rate). Mit leichten Intensitätsschwankungen (Maximum<br />

1977) wurde <strong>die</strong> Quelle bis zum 20 November 1981 in 7 Messungen von unabhängigen Gruppen nachgewiesen.<br />

Von <strong>die</strong>sem Datum an, wo <strong>die</strong> Quelle erstmals verschwunden war, blieb sie bis zum 1 Mai<br />

1988 bei drei Messungen unentdeckt. Danach war sie bis zur letzten Messung am 29 Oktober 1988<br />

aktiv, allerdings bei reduzierter Rate (nämlich von 1.46·10 −2 cm −2 s −1 auf 0.99·10 −2 cm −2 s −1 ).<br />

Seit dem Start des Compton Observatory im Jahr 1991 ist <strong>die</strong> Quelle inaktiv. Was nachgewiesen wird,<br />

mit besserer spektraler Auflösung und besserer Richtgenauigkeit ist eine ausgedehnte, diffuse Linienstrahlung<br />

• ZUSATZ (DIE 26 AL LINIE)<br />

Der Zerfall von 26 Al, bei dem eine Gamma Linie von 1.81 MeV entsteht, sieht in 82 % der Fälle folgendermassen aus:<br />

26 Al β + 26 Mg ∗<br />

I<br />

26 Mg<br />

Dabei bedeutet I Isomerie (Emission eines Photons). Die Zerfallszeit beträgt τ = 0.74 Myr.


72 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />

1.4 Die Metagalaxie<br />

1.4.1 Die 3 Stufen der Hierarchie im Überblick<br />

Die Milchstraße heißt ab jetzt MWG und <strong>die</strong> Andromeda Galaxie M31. Die nächsten Stufen der Hierarchie,<br />

<strong>die</strong> wir betrachten werden, sind<br />

1. <strong>die</strong> Lokale Gruppe mit MWG und M31 als Zentren (mit einem Radius R = 1.8 Mpc),<br />

2. der Virgo Haufen (R = 20 Mpc) mit (M49, M58, M60, M84, M86, M87, M100, M101) und<br />

3. der Virgo Superhaufen (R = 60 Mpc).<br />

Das führt bereits auf das bisher ungelöste Problem der kosmologischen Entfernungsbestimmung.<br />

1.4.2 Superhaufen<br />

Die größte bisher gefundene (Dichte) korrelierte Volumeneinheit haben <strong>die</strong> Superhaufen mit einer<br />

Abmessung von etwa (100 Mpc) 3 = 10 6 Mpc 3 . Dabei kann ein Superhaufen sowohl einen positiven<br />

Dichtekontrast gegenüber seiner Umgebung aufweisen, als auch einen negativen: man spricht dann im<br />

letzteren Fall von Leerraum (engl. void). Um solche Räume aufzufinden, reicht es nicht, zwei dimensionale<br />

(2D) Korrelationen zu betrachten (wie das früher nur möglich war), sondern <strong>die</strong> Rotverschiebung<br />

muß als dritte Dimension hinzukommen. Das bedeutet, es müßen Spektren bestimmt werden (von ohnehin<br />

schwachen Quellen, nämlich von Sternen in Galaxien oder von der 21 cm H Gas Linie). Eines<br />

der Grossprojekte ist hier der Sloan Digital Sky Survey, SDSS, der von 200 Millionen Sternen Position<br />

und Leuchtkraft in 5 Frequenzbändern bestimmt, mit Rotverschiebungen von 1 Million Objekten.<br />

Das ist zeitaufwendig, erste Ergebnisse (von sehr kleinen Himmelsausschnitten) liegen aber bereits<br />

vor. Der Durchmesser des Virgo Superhaufens, bei dem wir als Mitglied am Rande liegen, beträgt<br />

etwa 120 Mpc. So weit reichen lokale Methoden der Entfernungsbestimmung (noch) nicht, <strong>die</strong> hellsten<br />

Cepheiden kann man noch bis zum Virgo Haufen in etwa 20 Mpc Entfernung nachweisen.<br />

1.4.3 Daten und Kataloge<br />

Optische Kataloge<br />

Einige Kataloge optischer Quellen haben wir schon im Zusammenhang mit der Entfernungsbestimmung<br />

innerhalb der Milchstraße kennengelernt. So <strong>die</strong> Bonner Durchmusterung (1859/62) von F. W.<br />

Argelander mit ihren BD Nummern. Für den Südhimmel <strong>die</strong> Südliche Bonner Durchmusterung (SD)<br />

und <strong>die</strong> Cordoba Durchmusterung (CD). Ferner der Henry Draper Katalog mit seinen HD Nummern.<br />

Hierbei handelt es sich um Sternkataloge. Ferner den berühmten Katalog von Messier, der nebelartige<br />

Objekte enthält, <strong>die</strong> bis zum Virgo Haufen reichen.<br />

• ANMERKUNG (BEZEICHNUNGEN UND KATALOGE)<br />

Viele der bekannteren (optischen) Kataloge sind mittlerweile historisch. Mit M werden <strong>die</strong> Objekte im Katalog von Messier<br />

bezeichnet. M33 (Triangulum Nebel) ist das Objekt mit der Nummer 33 in <strong>die</strong>sem Katalog und wirklich ein Nebel. Messier<br />

war Kometenforscher und der Katalog war eine Zusammenstellung von nebelartigen Objekten, <strong>die</strong> er nicht zu beachten<br />

brauchte, da es sich nicht um Kometen handelte.<br />

M1 ist der Krebsnebel in der Milchstraße, M32 und M33 sind Begleitgalaxien zu Andromeda (M31) im Abstand von etwa<br />

700 kpc.<br />

Auch der Virgo Haufen im Abstand von R = 20 Mpc ist mit M49, M58, M60, M84, M86, M87 vertreten. Das Zentrum<br />

wird von M87 gebildet.<br />

Weitere berühmte (optische) Kataloge (für Galaxien = Nebel) sind<br />

1. GC für ’General Catalogue’, ein Katalog von (Vater und Sohn) Herschel.


1.4. DIE METAGALAXIE 73<br />

2. NGC für ’New General Catalogue’ von J. L. E. Dreyer (Irland, 1888)<br />

3. IC für ’Index Catalogue’, <strong>die</strong> Fortsetzung von NGC.<br />

Daneben gibt es (optische) Spezialkataloge, z. B. von Abell und Zwicky (Galaxienhaufen) und von Arp<br />

(peculiar galaxies), <strong>die</strong> selbst wieder auf früheren Katalogen beruhen (plus eigenen Beobachtungen).<br />

Der Hubble Atlas of Galaxies (Sandage, 1961). Der Reference Catalogue of Bright Galaxies. (G. de<br />

Vaucouleurs, A. de Vaucouleurs und G. Corwin, 1976)<br />

Der Shapley-Ames Catalog (SA) enthält 1249 Galaxien heller als 13te Magnitude, also <strong>die</strong> hellsten Galaxien.<br />

Sandage und Tammann haben ihn überarbeitet und erneut herasgegeben als Revised Shapley-<br />

Ames Catalog (RSA), mit einem Appendix von weiteren 827 Galaxien. Anhand des Shapley-Ames<br />

Catalogs, der 1932 erstellt wurde, hat de Vaucouleurs den Virgo Superhaufen identifiziert. Die Milchstraße<br />

liegt auch hier am Rande. Ähnlich wie wir in Richtung galaktisches Zentrum mehr Sterne sehen<br />

als in Rischtung Antizentrum, so sieht man in Richtung Virgo Superhaufen mehr helle Galaxien als in<br />

Gegenrichtung.<br />

Anhand von 342 Galaxien des Shapley-Ames Katalogs, <strong>die</strong> alle zum Virgo Haufen gehören und deren<br />

Blauhelligkeiten mB < 16 erfüllen, haben van den Berg und Tammann, [VT91], (bis 1991) folgende<br />

Mittelwerte für Leuchtkraft<br />

L = 2.5 · 10 10 L⊙(B) (1.100)<br />

und Supernova Raten R bestimmt:<br />

R = 25[100yr10 10 L⊙(B)] −1<br />

(1.101)<br />

Das liefert 80 Supernovae pro Jahr für alle 342 Galaxien. Die Aufteilung in <strong>die</strong> verschiedenen Typen<br />

ist wie folgt<br />

II:Ib/c:Ia 4.0:0.8:1.8<br />

Ein wichtiges Hilfsmittel ist ferner der Palomar Observatory Sky Survey (POSS). Er wurde (ab 1950<br />

in mehreren Jahren) aufgenommen und enthält auf 579 Doppelseiten (mit Blau und Rotfilter) den<br />

vollständigen Nordhimmel bis herunter zur Deklination δ = −33 ◦ in Segmenten von 6 ◦ × 6 ◦ . Dieser<br />

wurde nach 1980 nochmals aufgenommen, sodaß Sterneigenbewegungen (innerhalb von 30 Jahren)<br />

stu<strong>die</strong>rt werden können.<br />

Der POSS war <strong>die</strong> Grundlage für Abell (1958, mit 2712 Einträgen) und für Zwicky et al. (1961 bis<br />

1968, mit 9134 Einträgen) bei der Zusammenstellung ihrer Kataloge von Galaxienhaufen. Abell wählte<br />

Rotverschiebungen im Bereich 0.02 < Z < 0.2, was ein Volumen von fast 10 9 Mpc 3 ergibt.<br />

Radio Kataloge<br />

Stellvetretend für <strong>die</strong> vielen Radio Kataloge seien 2 nunmehr historische und 2 moderne Kataloge von<br />

Radioquellen erwähnt<br />

1. 3C für ’Third Cambridge Catalogue’ (Nordhalbkugel, 1959), 471 Quellen bei 177 MHz mit<br />

I > 9 Jy.<br />

2. PKS, ditto von Parkes (Südhalbkugel);<br />

3. NVSS (NRAO/VLA Sky Survey) mit 2 Millionen Einträgen,<br />

4. FIRST (Faint Images of the Radio Sky at 20 cm Catalog) mit 270 Tausend Einträgen.<br />

Röntgen Kataloge<br />

Die historischen Kataloge von Röntgenquellen, nach denen <strong>die</strong> stärksten ihre Namen haben, sind<br />

1. 3U für ’Third Uhuru Catalogue’<br />

2. 2E Einstein


74 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />

Moderne Kataloge<br />

Die ESA Mission (von 1989.85 bis 1993.21) des Astrometrie Satelliten Hipparcos hat zwei Kataloge<br />

erbracht: den Hipparcos Catalogue ( J. Kovalevski, [Kov98] ’First Results from Hipparcos’)<br />

mit 120 000 Einträgen besonders genau vermessener Sterne und den Tycho Catalogue mit 1 052 031<br />

Einträgen. Die Positionsgenauigkeit des Hipparcos Catalogue beträgt 2 mas für 117 955 Sterne mit<br />

m < 8.5 Magnitude, bei den hellsten ist sie besser als 1 Milli Bogensekunde (mas). Die mittlere Sterndichte<br />

(an Referenzsternen) beträgt mit dem Hipparcos Catalogue 3 Sterne pro Quadratgrad. Etwa 10%<br />

sind visuelle Doppelsterne (12 195). Für den Tycho Catalogue lauten <strong>die</strong> Daten: Positionsgenauigkeit<br />

(im Mittel) 26 mas mit m < 11.5 Magnitude.<br />

• LITERATUR (EIN KATALOG DER KATALOGE)<br />

Einen Überblick über moderne Kataloge findet man im IAU Symp. Nr. 179, (abgehalten in Baltimore, 1996) mit dem Titel<br />

’New Horizons from multi-wavelength sky surveys’; [MG98].<br />

Die ADC Datenbank enthält Zugang zu mehr als 300 Katalogen.<br />

Der HST Guide Star Catalog (GSC) enthält 40 Millionen Sternpositionen, Genauigkeit 0.25 arcsec.<br />

Der USNO-A1.0 Katalog (des U. S. Naval Observatory) enthält 488 006 860 Einträge.<br />

Der Palomar Observatory Sky Survey liegt mittlerweile in digitalisierter Form vor.<br />

Neu und sehr nützlich ist<br />

1. Skyview, ein Internet Zugang zu verschiedenen Archiven unter http:<br />

skyview.gsf.nasa.gov mit Daten von IRAS, ROSAT, COBE, EUVE und EGRET.<br />

2. Die Milchstraße in verschiedenen Frequenzen unter http:<br />

adf.gsfc.nasa.gov/adf/adf.html als Poster.<br />

Galaxienklassifizierung<br />

Die ursprüngliche Galaxienklassifizierung von Hubble kannte 4 Typen:<br />

1. normal elliptisch (E), Unterteilung (E0) bis (E7),<br />

2. lenticular (L), später aufgeteilt und in (S0) bzw. (SB0) umbenannt,<br />

3. Spiralsysteme mit den beiden Klassen<br />

(a) normale Spiralsysteme (S),<br />

(b) Balken Spiralsysteme (SB),<br />

jede nochmals mit der Fein Unterteilung (Sa) bis (Sc),<br />

4. irreguläre Systeme (I).<br />

Wir führen sie hier auf, da sie häufig noch zur groben Klassifizierung benutzt werden.<br />

• ZUSATZ (ELLIPTIZITÄT (En) BEI ELLIPTISCHEN GALAXIEN)<br />

Die Elliptizität bei normal elliptisch (En) Galaxien ist definiert durch<br />

n =<br />

a − b<br />

a<br />

wobei a <strong>die</strong> grosse Halbachse, b <strong>die</strong> kleine Halbachse der Ellipse sind. In guter Näherung sind solche elliptische Galaxien<br />

Rotationsellipsoide, welche unter dem Inklinationswinkel i gesehen werden. Flachere Ellipsoide als n = 7 (E7) sind<br />

nicht bekannt. Eine wichtige Eigenschaft, <strong>die</strong> Auskunft über <strong>die</strong> Entwicklung gibt, ist: elliptische Galaxien haben kein<br />

(nachweisbares) Gas und keine jungen (massiven) Sterne.


1.4. DIE METAGALAXIE 75<br />

• ZUSATZ (BEDEUTUNG DES KERNS BEI SPIRALSYSTEMEN)<br />

Die Bedeutung des Kerns nimmt bei Spiralsystemen von S0 → Sc ab, <strong>die</strong> der Spiralarme nimmt zu.<br />

Der Buchstabe B in (SB) bedeutet Balken. SB-Galaxien haben zusätzlich zum Spiralsystem noch einen Balken im Zentrum.<br />

(S0) und (SB0) Galaxien haben ebenfalls kein (nachweisbares) Gas und keine jungen (massiven) Sterne.<br />

Ab (Sa) gibt es Gas und junge (massive) Sterne in den Galaxien, <strong>die</strong> irregulären Systeme (I) und (IB)<br />

werden von jungen Sternen dominiert. Der Gasanteil (in Form von HI) in verschiedenen Galaxientypen<br />

wächst von Null (E und S0 Typ) auf etwa 20% bei irregulären. MWG (Gasanteil 5%) und Andromeda<br />

wurden von Hubble als (Sb) klassifiziert, LMC und SMC als (Im).<br />

Die Hubble Sequenz teilt sich ab E7 auf in Spiralgalaxien ohne und mit Balken<br />

E0 . . . E3 . . . E7<br />

S0 - Sa - Sb - Sc - I<br />

SB0 - SBa - SBb - SBc - IB<br />

Dieses grundlegende Schema der Galaxienklassifizierung wurde von Hubble in seinem Buch The<br />

Realm of the Nebulae erstmals vorgestellt. Die Vorstellung war <strong>die</strong> einer Entwicklung (analog der der<br />

Sterne), Galaxien ganz links wurden als frühe, solche ganz rechts als späte Typen bezeichnet. Die Einordnung<br />

des Typs (S0) ist problematisch. Tatsächlich gibt es Eigenschaften, <strong>die</strong> sich längs der Hubble<br />

Sequenz stetig ändern:<br />

1. Der Gasanteil nimmt von (E0) nach (Im) zu.<br />

2. Die Supernova-Rate nimmt ebenfalls zu.<br />

3. Die Radio bzw. Röntgen Leuchtkräfte nehmen (von links nach rechts) zu.<br />

4. Die Alter der Objekte nehmen ab.<br />

Die <strong>die</strong>ser Galaxienklassifizierung zugrunde liegenden Photoplatten wurden posthum von Sandage im<br />

The Hubble Atlas of Galaxies veröffentlicht. Im Shapley-Ames Catalog (SA) sind alle Galaxien von<br />

Sandage und Tammann nach <strong>die</strong>sem Hubble Schema klassifiziert.<br />

In Konkurrenz dazu gibt es Galaxienklassifizierungen von G. de Vaucouleurs, von Morgan (Yerkes<br />

Klassifizierung) und von S. van den Bergh (DDO Klassifizierung).<br />

• ZUSATZ (BAADES KONZEPT DER POPULATIONEN)<br />

1943 gelang es Baade erstmals, bestimmte Sternklassen in M31 und den Begleitgalaxien M32, NGC 147, 185 und 205<br />

aufzulösen. Er fand, daß verschiedene Galaxientypen verschiedene Typen von Sternen beherbergen, <strong>die</strong> er Populationen<br />

nannte.<br />

Population I<br />

beinhaltet junge, massereiche Sterne (Typ O und B) oder Überriesen (Typ K und M). Sie kommen in irregulären<br />

Systemen und in den Armen von Spiralsystemen vor. Sie sind <strong>die</strong> Progenitoren der Supernovae vom Typ II und Ib/c.<br />

Population II<br />

enthält alte, massearme Sterne im Riesenstadium (Typ G5 bis K5). Sie kommen in normal elliptischen (E) und<br />

lenticularen (S0) Galaxien, in den Kernen von Spiralsystemen vom Typ Sa und Sb und in den Kugelsternhaufen der<br />

Milchstraße vor. Sie sind <strong>die</strong> Progenitoren der Supernovae vom Typ Ia.<br />

Ausnahmen von der Regel sind junge Sterne in den Kernen von Spiralsystemen vom Typ Sa und Sb (z. B. im Zentrum der<br />

Milchstraße) und Pulsare bzw. ’blue straggler’ (vermutlich junge Objekte) in (alten) Kugelsternhaufenen. Dazu gehören<br />

ferner Supernovae vom Typ II und massive Röntgensysteme weit weg von der Galaktischen Ebene. Hier bietet sich als<br />

Erklärung an, daß <strong>die</strong>se durch Schnellläufer (Binärsysteme nach einer ersten Supernova Explosion) dorthin transportiert<br />

wurden (wie z. B. im Falle des Krebsnebels plus Pulsar).<br />

Neben <strong>die</strong>sen 4 Hubble-Typen, mit denen der Grossteil der Galaxien abgedeckt wird, gibt es noch Son-


76 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />

derfälle, engl. peculiar galaxies. Diese sind besonders interessant, es handelt<br />

sich um gestörte Galaxien (Kollision oder Verschmelzung). Sie geben (heute<br />

noch) Auskunft über <strong>die</strong> Wechselwirkung und Dynamik von Galaxien unter<br />

extremen physikalischen Bedingungen, wie sie bei der Urbildung im Kosmos<br />

geherrscht haben mögen.<br />

Die extremsten Exemplare in der Metagalaxie (bis zu 100 Mpc Entfernung<br />

von der Milchstraße) sind <strong>die</strong> elliptischen cD Galaxien, <strong>die</strong> sich im Zentrum<br />

von Galaxienhaufen befinden (c = cluster), mit einer riesenhaft ausgedehnten<br />

Hülle (D = diffus), deren Radius etwa 1 Mpc erreicht (mit einer Masse von<br />

bis zu 1 · 1013M⊙). Das A hinter dem Namen des Galaxien-Haufen bedeutet,<br />

daß <strong>die</strong> Galaxie als starke Radio Quelle bekannt ist. Typische Radioleuchtkräfte<br />

sind 1042 erg s−1 Typ cD Galaxien<br />

NGC Galaxien<br />

Nummer Haufen<br />

253<br />

4486<br />

5128<br />

1316<br />

4881<br />

1265<br />

Sculptor<br />

Virgo A<br />

Centaurus A<br />

Fornax A<br />

Coma A<br />

Perseus A<br />

.<br />

Tab. 1.26: cD Galaxien<br />

Die Tabelle enthält einige bekannte Galaxien Haufen und <strong>die</strong> NGC Nummer der Zentralgalaxie vom<br />

Typ cD.<br />

NGC 253 ist eine nahe, gut untersuchte Starburst-Galaxie mit einem beträchtlichen Anteil an Gas und<br />

Staub. Sie ist <strong>die</strong> dominierende elliptische Galaxie der Sculptor Gruppe.<br />

• FORMELN (UMRECHNUNG WAHRE HELLIGKEIT)<br />

Zum Umrechnen von Magnituden M in optische Leuchtkräfte L gilt genähert für Galaxien<br />

L = 10 10 dex(0.4[−M − 20.3])L⊙<br />

(1.102)<br />

Eine einfache Begründung <strong>die</strong>ser empirischen Formel folgt.<br />

Für <strong>die</strong> Milchstraße mit ihren N∗ = 1011 leuchtenden Sternen ist <strong>die</strong> Sonne ein typischer Vertreter. Ihre Daten sind der<br />

nebenstehenden Tabelle zu entnehmen. U − B ist eine abgekürzte Schreibweise für<br />

mU − mB.<br />

Für <strong>die</strong> Klassifizierung von ganzen Galaxien nach Leuchtkräften und Farbe ist <strong>die</strong><br />

astronomische Daten der Sonne<br />

Sonne und ihr Spektrum demnach für Galaxien (vom Typ der Milchstraße) eine geeignete<br />

Grundlage für <strong>die</strong> einfachste Näherung, in der alle Sterne gleich sind. Um<br />

nach Morgan das integrierte Spektrum alle N∗ Sterne der Galaxis zu erhalten, werden<br />

wir also annehmen, daß für <strong>die</strong> Leuchtkraft der gesamten Galaxie<br />

L⊙ 3.9·1033 erg s−1 f⊙ 1.36·106 erg cm−2 s−1 V⊙ −26.78<br />

MV 4.79 BC = −0.07<br />

L∗ = N∗ × L⊙<br />

gilt und daß das Spektrum mit dem der Sonne übereinstimmt. In nächster Näherung U − B = 0.10; B − V = 0.62<br />

kann man dann Korrekturen, je nach Galaxientyp, für Blau- und Rot-Helligkeit anbringen,<br />

<strong>die</strong> nicht mit denen der Sonne übereinstimmen müßen.<br />

Tab. 1.27: Sonne<br />

Für <strong>die</strong> Umrechnung Leuchtkraft L aus absoluter Helligkeit M gilt (mit den Werten der Tabelle)<br />

L = 3.02 · 10 35 · 10 −0.4M erg s −1 (1.103)<br />

mit der Umkehrung<br />

Mbol = 4.72 m − 2.5 m lg(L/L⊙) (1.104)<br />

und Analoges für <strong>die</strong> verschiedenen Farbhelligkeiten. Für <strong>die</strong> Umrechnung wahre Helligkeit f aus scheinbarer Helligkeit<br />

m gilt<br />

f = 2.52 · 10 −5 · 10 −0.4m erg cm −2 s −1 (1.105)<br />

• FORMELN (DIE GALAKTISCHE LEUCHTKRAFTFUNKTION Φ(L))<br />

Achtung: mit M ist hier Magnitude, nicht Masse, gemeint.<br />

Die galaktische Leuchtkraftfunktion Φ(M) ist <strong>die</strong> Anzahldichte (von Galaxien) im Magnituden-Intervall [M, M + dM].<br />

Die Normierung ist also<br />

�<br />

Φ(M)dM = (N/V )<br />

Dabei ist N <strong>die</strong> Anzahl der Galaxien im Volumen V . In guter Näherung gilt <strong>die</strong> von Schechter (1976) gefundene Funktion<br />

Φ(M) = Φ ∗ (0.4ln10) exp(−dex[0.4(M ∗ − M)]) (1.106)


1.4. DIE METAGALAXIE 77<br />

mit empirischen Konstanten Φ ∗ und M ∗ . Äquivalent dazu gilt für <strong>die</strong> Leuchtkraft<br />

Φ(L) = (Φ ∗ /L ∗ )(L ∗ /L) exp(−L/L ∗ ) (1.107)<br />

Diese Verteilung muß irgendwo für kleine L abbrechen, da das Integral logaritmisch divergiert; <strong>die</strong> Leuchtkraft ist allerdings<br />

endlich.<br />

= −20.3 +5log(2h) mit<br />

Für <strong>die</strong> Blau-Helligkeit sind <strong>die</strong> empirischen Konstanten Φ∗ = 5 · 10−3 (2h) 3 Mpc−3 und M ∗ B<br />

den Beobachtungen des SA-Katalogs verträglich. Einem M ∗ B = −20.3 entspricht L∗B = 5 · 1010L⊙. Besser geeignet sind <strong>die</strong> IR Werte, da hier <strong>die</strong> Mehrzahl der Sterne einer Galaxie strahlt. Man findet für das K-Band<br />

identische Werte für Φ∗ = 5 · 10−3 (2h) 3 Mpc−3 und für M ∗ K = −24.6 +5log(2h). Galaxien sind zwar intrinsisch rot, <strong>die</strong><br />

Blau-Helligkeit ist aber ebenfalls zur Charakterisierung geeignet.<br />

Wir haben bewusst vereinfacht, der Ansatz für <strong>die</strong> allgemeine Schechter Funktion lautet<br />

Φ(L) = (Φ ∗ /L ∗ )(L/L ∗ ) α exp(−L/L ∗ ) (1.108)<br />

Neurere, wesentlich umfangreichere Beobachtungen, haben gezeigt, daß selbst <strong>die</strong>ser Ansatz für <strong>die</strong> Leuchtkraft Funktion<br />

insbesondere für den leuchtschwachen Anteil (MR > −17.5) ungeeignet ist. Die Daten des Las Campanas Redshift Survey<br />

(1996) von 19 Tausend Galaxien liefern darüber hinaus α = −0.7 (anstatt α = −1) für MR < −17.5.


78 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />

• ANMERKUNG (DIE GALAXIENKLASSIFIZIERUNG VON HUBBLE)<br />

Ein Versuch, Galaxien zu klassifizieren, ist nach morphologischem Galaxientyp (Hubble und Zwicky: Aussehen auf der<br />

Photoplatte) und nach Leuchtkräften bzw. Farbe (Morgan: integrierte Spektren der Sterne). Nach Morgan werden irreguläre<br />

Systeme mit Typ a (Sternspektren B, A, F) bezeichnet. Elliptischen Galaxien, S0-Galaxien und <strong>die</strong> Kerne von Sa-Galaxien<br />

haben Typ k (Sternspektren wie K-Riesen). Daneben gibt es Zwischentypen af, f, fg, g und gk. Dem entspricht eine Variation<br />

der Farbe von Blau nach Rot.<br />

Die Tabelle gibt repräsentive Beispiele für <strong>die</strong> 4 Typen der Galaxienklassifizierung von Hubble. Angegeben sind NGC<br />

Klassifizierung und numerische Verschlüsselung der Galaxientypen<br />

Morphologischer Kode vis. H. Radius Bsp. Masse<br />

Galaxientyp Hubble de Vauc. T MV kpc NGC M⊙<br />

extrem kompakt elliptisch cE −6<br />

zwergenhaft elliptisch dE E −5 −17.5 147<br />

normal elliptisch En −4 4486 4 · 10 12<br />

riesenhaft elliptisch E + / cD S0 − −3 1000 4881 1 · 10 13<br />

Spiralsysteme S0/a S0 + 0 4976 4 · 10 12<br />

Scheiben mit Spiralarmen Sa Sa 1 15 2811 2 · 10 12<br />

Sa-b Sab 2 (1291)<br />

(ohne: S bzw. mit: SB Sb Sb 3 −21.9 20 2841 6 · 10 11<br />

Balken) Sb-c Sbc 4 (1300)<br />

Sc Sc 5 −21.5 30 628 3 · 10 11<br />

Sc-d Scd 6 (7741)<br />

Sd Sd 7 7793<br />

Sc-Irr Sdm 8 1 · 10 10<br />

Sm 9<br />

irreguläre Systeme Irr Im 10 −16.5 1 · 10 9<br />

irreguläre kompakte Systeme cI 11<br />

vis. Helligkeit MV (Sonne) = 4.79; Hubble Konstante 2h = 1<br />

Beispiele in Klammern: Galaxien mit Balken<br />

Tab. 1.28: Galaxientypen<br />

Nummern für jeweils <strong>die</strong> Haupttypen, in Klammern sind Galaxien mit Balken aufgeführt.<br />

Die Werte für <strong>die</strong> Ra<strong>die</strong>n und Massen in der Tabelle sind Mittelwerte für 2h = 1. Bei den Scheiben mit Spiralarmen ist <strong>die</strong><br />

leuchtende Masse gemeint.<br />

Die Leuchtkraftklassen reichen von I (gut ausgeprägte Spiralstruktur, hohe Flächenhelligkeit) bis V (Zwergsysteme).<br />

Galaxien, deren absolute Helligkeit M < −15 erfüllt (entspricht etwa L > 10 8 L⊙) haben ausgeprägte Kerne (Gebiete<br />

hoher Sterndichte), weniger helle haben keine Kerne.


1.4. DIE METAGALAXIE 79<br />

1.4.4 Überblick: Komponenten der Metagalaxie<br />

Die Bezeichnung Metagalaxie ist heute nicht mehr gebräuchlich. Wir benutzen sie hier für den Bereich,<br />

der noch mit der Newtonsche Gravitationstheorie beschrieben werden kann, bis z = 0.3. Das ist gerade<br />

der Bereich, der durch <strong>die</strong> klassischen Kataloge abgedeckt wird. Bis hierher reicht auch <strong>die</strong> 21cm H-<br />

Linie zur Entfernungsbestimmung.<br />

Vergleichsquellen<br />

Zwei Quellen haben den Status universeller Prototypen erlangt, auf <strong>die</strong> Messungen an anderen Objekten<br />

oft bezogen werden: Der Krebsnebel in einer Entfernung von 2 kpc und der radio-laute Quasar 3C<br />

273 in einer Entfernung von 0.9 Gpc. Sie sind dadurch ausgezeichnet, daß sie besonders stark sind und<br />

im gesamten bisher überhaupt nachgewiesenen elektromagnetisch Spektrum lückenlos aktiv sind.<br />

Von 10 12 Hz bis 10 21 Hz verläuft das Spektrum bei beiden praktisch parallel, an den beiden Enden, bei<br />

10 8 Hz und bei 10 24 Hz, gewinnt der Quasar 1 dex.<br />

Von historischen Aufnahmen ist bekannt, daß beide Quellen stark variabel sind. Im Krebsnebel werden<br />

<strong>die</strong> Klumpungen, <strong>die</strong> da leuchten, wisps genannt und deren zeitliche Änderung activity (Aufleuchten).<br />

Bei 3C 273 hat man erstmals zeitliche Änderungen in einem jet (Strahl) mit Überlichtgeschwindigkeit<br />

gefunden. Die Zeitskala der Intensitäts- Änderungen beträgt Wochen bis Jahre, <strong>die</strong> Amplitude 0.3 dex.<br />

• ZUSATZ (DER KREBSNEBEL)<br />

Bei einer Entfernung von 2 kpc gilt für <strong>die</strong> Gesamtstrahlung des Nebels (optisch plus Röntgen)<br />

L Crab = 10 38<br />

erg s −1 = LEdd(M⊙) (1.109)<br />

Das entspricht der Eddingtonschen Grenzleuchtkraft für einen akkretierenden Neutronenstern. Die Synchrotron Strahlung<br />

des Nebels im Röntgenbereich, wo das Maximum liegt, wird erzeugt von relativistischen Elektronen. Diese haben eine<br />

Lebensdauer, <strong>die</strong> viel geringer ist, als das Alter des Nebels. Relativistische Elektronen müßen also ständig nachgeliefert<br />

werden. Das war ursprünglich ein Problem, da <strong>die</strong> Quelle nicht bekannt war. Heute wissen wir, daß <strong>die</strong> Leuchtkraft aufrecht<br />

erhalten wird durch den Verlust an Rotationsenergie des Radiopulsars<br />

L Crab = ˙ Erot = IΩ ˙ Ω ; Erot =<br />

�<br />

I<br />

2 Ω2<br />

�<br />

(1.110)<br />

Die Größen Ω = 2π/P und ˙ Ω sind direkt meßbar, das Trägheitsmoment von etwa I ≈ M⊙R2 = 1045 g cm2 folgt aus der<br />

Theorie der Neutronensterne.<br />

Der Krebsnebel (M1 = NGC 1952), ist ein Supernova Überrest aus dem Jahr 1054 mit einem Neutronenstern als Radiopulsar<br />

im Zentrum. Der Krebsnebel ist dabei im optischen fast mit blossem Auge zu sehen, mV<br />

starke Quelle. Die Radioleuchtkraft (bis 10 GHz) des Nebels ist 3 dex<br />

= 8, ist also eine extrem<br />

kleiner, L10GHz = 1 · 1035 erg s−1 .<br />

Der Pulsar im Nebel ist ebenfalls extrem stark (und mit einem guten<br />

Spektrum des Krebsnebels<br />

UKW Empfänger zu empfangen). Im Radiobereich ist der Pulsar un- von bis Φν Index<br />

terhalb von 100 MHz sogar stärker als der gesamte Krebsnebel, im (Hz) (Hz) Jansky n<br />

Röntgenbereich beträgt <strong>die</strong> gepulste Komponente etwa 10% des Nebels,<br />

ab etwa 1 MeV sind 100% gepulst. Die Ränder des Spektrums<br />

werden also durch den Pulsar bestimmt.<br />

Das Spektrum reicht bis VHE (very high energy, GeV) und UHE (ultra<br />

high energy, TeV). Diese Photonen werden mit atmosphärischen<br />

107 1012 1040 · (ν/109 ) n 2 · 10<br />

−0.30<br />

13 3 · 1015 1.8 · (ν/1015 ) n 10<br />

−0.85<br />

16 1019 1.2 · (ν/1018 ) n −1.15<br />

Schauer Experimenten anhand der erzeugten Čerenkov-Strahlung<br />

Tab. 1.29: Krebsnebelspektrum<br />

nachgewiesen. Die TeV Komponente ist mit L TeV = 2 · 10 34 erg s −1 noch enorm hoch, sie erreicht 10% der gesamten<br />

Radioleuchtkraft des Nebels.<br />

Der Quasar 3C 273 ist im Radiobereich eine Doppelquelle, <strong>die</strong> durch einen jet verbunden ist. Der Anfang<br />

(Komponente B) fällt mit dem optischen Quasar zusammen, das Ende (Komponente A) mit der<br />

Radio Quelle. Die Radio Leuchtkraft der Komponente A ist 4mal stärker als <strong>die</strong> optische (Komponente


80 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />

B). Beide Komponenten scheinen sich mit zehnfacher Lichtgeschwindigkeit voneinander wegzubewegen.<br />

Diese beobachteten (scheinbaren) Überlichtgeschwindigkeiten stellten zunächst ein grosses Problem<br />

dar, da <strong>die</strong> Spezielle Relativitätstheorie solches nicht erlaubt, jedenfalls nicht als Signalgeschwindigkeit.<br />

Die heute allgemein akzeptierte Erklärung des Phänomens lautet denn auch, daß es sich um eine<br />

relativistische Phasengeschwindigkeit entlang eines Strahls handelt. Beobachtet wird das Aufleuchten<br />

des jet, was senkrecht zur Sichtlinie zu einer Winkeländerung der Quelle von<br />

dθ = dte(v/re) sin θ und zu dx = re∆θ = dte(v sin θ)<br />

wobei re der Abstand zwischen Quelle und Beobachter ist. Die dazu benötigte Zeit ist <strong>die</strong> aus der<br />

Hertzschen Lösung bekannte retar<strong>die</strong>rte Zeit<br />

to = te + re<br />

c mit ∆to = ∆te + ∆re<br />

c = ∆te(1 − β cos θ)<br />

Damit wird <strong>die</strong> Phasengeschwindigkeit<br />

vo = dx<br />

dto<br />

β sin θ<br />

= c<br />

1 − β cos θ<br />

Falls β und θ geeignet gewählt werden, kann dabei vo ≫ c erreicht werden.<br />

• ZUSATZ (DER QUASAR 3C 273)<br />

Er wurde als Radioquelle entdeckt, da war seine Entfernung allerdings noch nicht bekannt<br />

L 10GHz = 1 · 10 44<br />

3C 273 ist mit mV = 13 der hellste optische Quasar<br />

f 3C273<br />

vis<br />

= 1 · 10 −10<br />

erg s −1 (1.111)<br />

erg s −1 cm −2<br />

Im Gegensatz zum Krebsnebel ist er aber nur von grossen Observatorien aus nachweisbar (etwa COMPTEL im Gamma Bereich<br />

oder IRAS im Infraroten). Mit z = 0.158 beträgt seine Entfernung 0.9 Gpc. Daraus folgt für <strong>die</strong> optische Leuchtkraft<br />

etwa<br />

Lopt = 10 46<br />

erg s −1 (1.112)<br />

Das ist <strong>die</strong> Leuchtkraft von etwa 10 9 Krebsnebeln. (Ähnlich wie beim Krebsnebel gibt es auch einen IR Exzess.) Die<br />

Röntgen Leuchtkraft, [1. . . 10] keV, ist etwa doppelt so groß<br />

LX = 2.5 · 10 46<br />

erg s −1 (1.113)<br />

Der Quasar 3C 273 hat sein Maximum der Leuchtkraft jedoch erst bei Eγ = 1 MeV, was ν = 2 × 10 20 Hz entspricht.<br />

Lγ = 10 47<br />

erg s −1 (1.114)<br />

Das ist an beiden Enden des Spektrum <strong>die</strong> Leuchtkraft von etwa 10 11 Krebsnebeln.<br />

Das aktuelle Modell der Milchstraße<br />

Im folgenden gilt, daß Größen, <strong>die</strong> sich auf <strong>die</strong> Milchstraße beziehen, den Index ∗ erhalten. Bisher<br />

haben wir <strong>die</strong> Milchstraße in zwei Komponenten aufgeteilt: <strong>die</strong> stark abgeplattete Scheibe mit ihren<br />

Spiralarmen, (hauptsächlich Sterne der Population I, Höhe je nach Sternklasse bis zu 1 kpc), mit einem<br />

Radius von etwa 10 kpc und den sphärischen Halo (Sterne der Population II) mit einem Radius von<br />

etwa 20 kpc. Diese Vorstellung galt bis etwa zur der Mitte des 20ten Jahrhundert, das Konzept der<br />

Sternpopulationen wurde von Baade zunächst an Andromeda entdeckt und dann auf <strong>die</strong> Milchstraße<br />

übertragen. Bis etwa 1976 glaubte man, daß der direkte gravische Einfluß unserer Galaxis höchstens


1.4. DIE METAGALAXIE 81<br />

bis etwa 50 kpc reicht, also nicht bis zu den beiden Maghellanschen Wolken, LMC und SMC. Diese<br />

selbst wurden als eigenständige, nicht mehr an <strong>die</strong> Milchstraße gebundene Galaxien angesehen.<br />

Der Bereich jenseits 20 kpc bis etwa 200 kpc wird jetzt Korona (um ihn vom Halo zu unterscheiden)<br />

genannt und es wurde frühzeitig spekuliert, daß hier ein grosser <strong>Teil</strong> der Dunkelmaterie versteckt sein<br />

könnte. Aus der sichtbaren (d. h. leuchtenden) Materie, mit einer Leuchtkraft von etwa<br />

L∗ = 2.5 · 10 10 L⊙ = 10 44<br />

erg s −1<br />

innerhalb einem Radius von etwa 10 kpc, kann man nämlich nur auf eine Masse von maximal<br />

M∗ = 2 · 10 11 M⊙<br />

schließen. Es ist üblich, <strong>die</strong> Masse M auf <strong>die</strong> spezifische Leuchtkraft zu normieren und <strong>die</strong>se auf<br />

<strong>die</strong>jenige der Sonne (M⊙/L⊙) zu beziehen, also für <strong>die</strong> Milchstraße innerhalb einem Radius von etwa<br />

10 kpc<br />

M∗/L∗ = 8(M⊙/L⊙)<br />

Dieses Verhältnis nimmt nach außen um 1 dex zu. Nach der dazu gehörenden Dunkelmaterie der Korona<br />

wird intensiv gesucht.<br />

Die direkte Methode, schwach leuchtende Objekte zu finden, besteht darin, eine Langzeitbeobachtung<br />

an ausgewählten Stellen am Himmel durchzuführen. Beispiele solcher Untersuchungen sind<br />

1. das Hubble Deep Field (North)<br />

2. das Hubble Deep Field (South) im optischen und<br />

3. Lockmans Loch mit ROSAT.<br />

Eine (indirekte) Methode, unsichtbare gravitierende Objekte aufzuspüren, bietet das Mikrolensing (Abbildung<br />

von starken optischen Hintergrundquellen durch Sterne im Halo oder in der Korona der Milchstraße).<br />

Seitdem findet man aber immer weiter entfernte Kugelsternhaufen und Satelliten (Zwerggalaxien), deren<br />

Pekuliargeschwindigkeiten (bezogen auf das galaktische Zentrum) Keplersch sind. Etwa hundert<br />

Kugelsternhaufen befinden sich im Halo zwischen 20 und 220 kpc<br />

vom Zentrum der Galaxis entfernt, und zwischen 100 und 220 kpc<br />

sind es immerhin noch vier Zwerggalaxien und zwei Kugelsternhaufen.<br />

Um <strong>die</strong>se noch gravisch zu dominieren, muß an Dunkelmaterie etwa<br />

20mal soviel (im Halo bzw. in der Korona) vorhanden sein, also<br />

etwa M = 2 · 10 12 M⊙, davon M = 4.5 · 10 11 M⊙ innerhalb von 50<br />

kpc (LMC), Tendenz steigend.<br />

Das aktuelle Modell der Milchstraße sieht damit wie in der Tabelle<br />

Modell der Milchstraße<br />

Komponente Radius Masse<br />

kpc 10 11 M⊙<br />

Scheibe 10 1<br />

Halo 20 2<br />

Korona 250 20<br />

Tab. 1.30: Modell der MWG<br />

angegeben aus. Die Höhe der Scheibe beträgt etwa 1 kpc, <strong>die</strong> Masse der Korona ist bestimmt an 12<br />

Zwerggalaxien.<br />

Unter Metagalaxie verstehen wir im folgenden alles, was über unsere Galaxis (MWG = milky way<br />

galaxy) hinausgeht und noch als Sternansammlung aufgelöst (und spektoskopisch vermessen) werden<br />

kann.<br />

Nachbargalaxien<br />

Zur Metagalaxie zählen wir hier zunächst <strong>die</strong> Lokale Gruppe (MWG plus SMC, LMC und Andromeda<br />

= M31 plus M32 und M33). Ferner alle Galaxien bzw. Galaxiengruppen bis zum Zentrum des Virgo<br />

Haufens (M84, M86, M87).


82 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />

Die Milchstraße ist, ebenso wie <strong>die</strong> Andromeda Galaxie, Zentralgalaxie der Lokalen Gruppe, welche<br />

mittlerweile aus mindestens 40 weiteren Galaxien besteht (es werden auch hier immer neue, leuchtschwache<br />

Zwerggalaxien entdeckt).<br />

• BEISPIEL (DIE WICHTIGSTEN NACHBARGALAXIEN: DIE LOKALE GRUPPE)<br />

Im folgenden geben wir einige Daten der wichtigsten Galaxien der Lokalen Gruppe. Die vielen leuchtschwachen Zwerggalaxien<br />

spielen bei der Dynamik keine Rolle, sie sind ideale Testmassen zum Ausmessen des Gravitationsfeldes. Erstaunlicherweise<br />

unterscheiden sich <strong>die</strong> Zwerggalaxien sehr stark in ihrer Chemie; das gilt mittlerweile auch für <strong>die</strong> Kugelsternhaufen.<br />

Die bekanntesten Exemplare der Lokalen Gruppe sind in der nebenstehenden Tabelle aufgeführt. Es handelt sich um <strong>die</strong><br />

nach Leuchtkraft L und Masse M wichtigsten Mitglieder<br />

der Lokalen Gruppe: wir = MWG und M31 plus jeweils<br />

zwei nahe Satelliten. Alle anderen bisher bekannten Mitglieder<br />

sind Zwerggalaxien.<br />

Die Masse, M, der Galaxie ist hier in Einheiten von<br />

M⋆ = 10 9 M⊙ angegeben, das ist <strong>die</strong> typische Einheit<br />

für Zwerggalaxien. Gleiches gilt für <strong>die</strong> Leuchtkraft: L ist<br />

in Einheiten von L⋆ = 10 8 L⊙ angegeben.<br />

D ist der Durchmesser in kpc und Dist ist <strong>die</strong> Entfernung<br />

in kpc. und h der Abstand von der gemeinsamen Ebene<br />

(welche senkrecht zum Gesamt Drehimpuls steht) in<br />

kpc. Die Lokale Gruppe ist physisch praktisch eine Doppelgalaxie,<br />

<strong>die</strong> dominanten Mitglieder sind wir (MWG =<br />

Milchstraße) und M31 (Andromeda), mit einem Abstand<br />

von etwa 770 kpc. Allerdings handelt es sich vermutlich<br />

nicht um eine Kreisbahn, auf der <strong>die</strong> beiden Zentren sich<br />

Daten der Lokalen Gruppe<br />

Name Typ M D Dist MV L h<br />

M⋆ kpc kpc L⋆ kpc<br />

MWG Sb 200 30 – −20.5 250 0<br />

LMC Irr 20 7 50 −18.8 30 3<br />

SMC Irr 2 3 57 −16.8 6 −60<br />

M31 Sb 400 30 725 −21.2 250 0<br />

M32 E3 2 8 725 −16.4 3 +35<br />

M33 Sc 40 14 795 −19.1 40 +160<br />

M⋆ = 10 9 M⊙; L⋆ = 10 8 L⊙<br />

Tab. 1.31: Nachbargalaxien<br />

bewegen, sondern eher um einen zentralen Stoß (Relativgeschwindigkeit der Zentren: etwa 120 km s −1 ).<br />

Mit Typ ist hier <strong>die</strong> Klassifizierung von Hubble gemeint (S steht für spiral und E für elliptisch). Für <strong>die</strong> zwei Maghellanschen<br />

Wolken ist hier noch Irr = irregulär angegeben, eine neuere Klassifikation ist für LMC: Sb(s)m und für SMC:<br />

Sb(s)mp.<br />

Weitere, hier nicht aufgeführte, Mitglieder der Milchstraße sind: Sagittarius, Ursa Minor, Draco, Sextans, Sculptor, Carina,<br />

Fornax, Leo II, Phoenix und NGC 6822. Beide, Milchstraße und M31 haben jeweils 12 Satelliten. Dazu kommen noch<br />

leuchtschwache, isolierte Zwerggalaxien wie Leo I, Tucana, Pegasus.<br />

Die Milchstraße hat zwei größere, nahe Satelliten: <strong>die</strong> Große Maghellansche Wolke (LMC) und <strong>die</strong> Kleine Maghellansche<br />

Wolke (SMC). (Relativgeschwindigkeit LSR - LMC v = 275 km s −1 ). Dem entsprechen bei Andromeda (M31) <strong>die</strong><br />

Satelliten M32 und M33. Die Masse von Andromeda ist etwa doppelt so groß wie <strong>die</strong> der Milchstraße, auch <strong>die</strong> Zahl<br />

der bekannten Kugesternhaufen ist doppelt so groß (355 im Vergleich zu 150).<br />

Die Mitglieder der Lokale Gruppe liegen praktisch in einer Ebene. Wir (d. h. das Zentrum der Milchstraße)<br />

bewegen uns mit etwa 120 km s −1 (ältere Abschätzungen geben 90 km s −1 ) auf Andromeda<br />

zu (Relativgeschwindigkeit der beiden Schwerpunkte), was eine Zeit von etwas weniger als 5 Gyr bis<br />

zur Kollision ergibt (das allerdings nur, falls <strong>die</strong> Bewegung wirklich hauptsächlich radial ist). Diese<br />

Geschwindigkeit ist jedoch nicht direkt bestimmbar, für den LSR ist vpec = −299 km s −1 .<br />

Die Große Maghellansche Wolke, <strong>die</strong> Kleine Maghellansche Wolke, Andromeda (M31) mit M32 und<br />

Triangulum (M33) sind heute das, was <strong>die</strong> offenen Sternhaufen und <strong>die</strong> Kugelsternhaufen einmal für<br />

Sterne waren (und jetzt für Pulsare sind): Sie sind ideal geeignet zur Eichung und zum Vergleich<br />

(Chemie, zeitliche Entwicklung) iher astronomischen Mitglieder, da ihre Entfernungen gut bekannt<br />

und für alle Mitglieder gleich sind. Es reichen dann Vergleichsmessungen.<br />

• ZUSATZ (WICHTIGE NEUERE ENTDECKUNGEN)<br />

Die folgende Liste ist, um einen ersten Eindruck zu vermitteln, eine nicht repräsentative Aufzählung wichtiger neuerer<br />

Entdeckungen an Objekten und an Eigenschaften von Objekten in unserer nächsten Nachbarschaft, <strong>die</strong> zeigen, wie wichtig<br />

<strong>die</strong>se für <strong>Astrophysik</strong> (und Kosmologie) sind (eine systematische Darstellung folgt):<br />

1. Kleine Maghellansche Wolke: Erstentdeckung einer neuen Klasse von Röntgensternen: den supersoft sources (SSS).<br />

Die erste SSS, <strong>die</strong> als solche (von ROSAT) erkannt wurde, war RX J0048.4−7332. Auch <strong>die</strong> erste Röntgenquelle<br />

in SMC, SMC X-1, gehört dazu. Eine weitere (RX J0058.6−7146) wurde beobachtet, wie sie innerhalb eines Tages<br />

anging.


1.4. DIE METAGALAXIE 83<br />

2. Große Maghellansche Wolke: Erste Supernova seit Kepler (1604), <strong>die</strong> mit unbewaffnetem Auge ( m = 4.74) 1987<br />

etwa 124 Tage lang (Maximum, mit m = 3, am 86ten Tag) beobachtbar war. Und damit möglich: Erste rein geometrische<br />

Entfernungsbestimmung anhand der Expansion der Schale des Supernova Überrests von SN 1987A. D = 50<br />

kpc. Erster extragalaktischer Neutrino Nachweis. Erster Nachweis radioaktiver Elemente und Entdeckung von Gamma<br />

Linienstrahlung.<br />

3. Andromeda: (Entfernung 770 kpc. Entfernungsmodul m − M = 24.48.) Letzte Supernova 1885. Wichtigste Begleitgalaxien<br />

sind M32 und M33. Weitere 9 Satelliten sind bekannt. In bzw. um M31 kennt man (Stand 1999) 335<br />

Kugelsternhaufen, 403 offene Sternhaufen (Assoziationen) und 150 Röntgenquellen. Auch <strong>die</strong> Masse des Zentrums<br />

von M31 hat man versucht zu bestimmen. Es wird vermutet, daß auch hier im Zentrum ein Schwarz-Loch-Kandidat<br />

vorhanden ist, mit einer Masse von 3 · 10 7 M⊙ (früher 2 · 10 8 M⊙).<br />

4. M32: Sogar <strong>die</strong> kleine Begleitgalaxie M32 ist ein Schwarz-Loch-Kandidat, allerdings mit einer Masse von 8 ·<br />

10 6 M⊙.<br />

5. M33: In M33 (Triangulum Nebel) wurde das erste extragalaktiche Molekül entdeckt, H2O. Mithilfe von H2O Masern<br />

wurde erstmals eine extragalaktische Entfernung geometrisch (interferometrisch) bestimmt.


84 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />

1.4.5 Die Lokale Gruppe<br />

Überblick<br />

Die wichtigsten Mitglieder der Lokalen Gruppe haben wir in Tabelle (1.31) bereits kennengelernt.<br />

Die beiden uns am nächsten benachbarten Galaxien sind:<br />

1. <strong>die</strong> Große Maghellansche Wolke, (LMC = large magellanic cloud)<br />

Masse: M = 2 · 10 10 M⊙; Modul: m − M = 18. m 5, Entfernung D = 50 kpc.<br />

2. <strong>die</strong> Kleine Maghellansche Wolke, (SMC = small magellanic cloud)<br />

Masse: M = 2 · 10 9 M⊙; m − M = 18. m 9, Entfernung D = 57 kpc.<br />

Die SMC, mit etwa 10 % an Masse von LMC, ist selbst Satellit von LMC (also gravisch an sie gebunden)<br />

und nur etwa 7 kpc weiter (von unserem LSR) entfernt. Die Entfernungsangabe bezieht sich<br />

auf das jeweilige Zentrum der Galaxie. Dies wird, je nach Autor und Bestimmungsmethode, etwas<br />

unterschiedlich angegeben, dadurch ergeben sich auch heute noch kleine Abweichungen für <strong>die</strong> Entfernungsangaben<br />

in der Literatur (und in unserer Darstellung).<br />

• ANMERKUNG (BEZEICHNUNGEN UND KATALOGE)<br />

Die Maghellanschen Wolken wurden bereits von Herschel (1847) untersucht und ihre Objekte (meist Sternhaufen) katalogisiert.<br />

Sein New General Catalogue of Nebulae and Clusters, NGC, enthält 919 für LMC und 214 für SMC. Moderne<br />

Spezialkataloge gibt es für fast alle Arten von astronomisch interessanten Objekten: Sternhaufen, Sterne und Supernova<br />

Überreste.<br />

1.a. Sternhaufen<br />

Moderne Kataloge von Sternhaufen gibt es von<br />

1. Kron (1956) K<br />

2. Lindsay (1958) L<br />

3. Brück (1975, 1976) Br<br />

4. Shapley und Lindsay (1963) SL<br />

5. Lynga und Westerlund (1963) LW<br />

6. Hodge (1988) H<br />

Die ersten drei beziehen sich auf SMC und enthalten zusammen etwa 601, <strong>die</strong> letzten drei auf LMC mit 2000 Sternhaufen.<br />

Der neueste, umfassende Katalog von Sternhaufen von LMC stammt von Kontizas (1990) mit 1762 Sternhaufen.<br />

1.b. OB Stern Assoziationen<br />

Der Katalog von Lucke und Hodge ist <strong>die</strong> Standardreferenz für OB Stern Assoziationen in LMC<br />

1. Lucke und Hodge (1970) LH<br />

mit 122 Objekten. Die Ra<strong>die</strong>n der Assoziationen liegen zwischen 1’ und 20’, was bei D = 50 kpc etwa 15 und 300 pc<br />

entspricht. Die Identifizierung der Assoziationen ist hier im Vergleich zur Milchstraße wesentlich erleichtert. Helle, blaue<br />

Sterne sind selten und ihr Dichtekontrast kann sehr gut bestimmt werden. Das Alter der Assoziationen ist nur für wenige<br />

bestimmt worden und liegt zwischen 2 (für LH10) und 5 Myr (für LH9 und LH58).<br />

Für SMC gibt es nichts vergleichbares, da <strong>die</strong> Anzahl der OB Stern Assoziationen gering ist. Die Identifizierungen gehen<br />

noch auf Shapley (1956) zurück (NGC 346, NGC 456-460-465 und NGC 602). Das Alter liegt zwischen 5 und 10 Myr. Das<br />

Tripel NGC 456-460-465 könnte ein Beispiel für sequentielle (d. h. getriggerte) Assoziationenbildung (auf einer Zeitskala<br />

von 10 Myr) sein.<br />

2. Sterne<br />

Ein wichtiger Katalog für Sterne ist von Feast et al. (1960) erstellt worden, mit der Bezeichnung R (Radcliffe Observatorium)<br />

für seine Objekte.<br />

1. Feast et al. (1960) R<br />

2. Sanduleak, Nicholas (1969) Sk<br />

Der Stern Sk−69 ◦ 202 (also Stern Nr. 202 im Katalog Sanduleak) ist der Progenitor der Supernova SN 1987A in LMC.<br />

3.Röntgenquellen<br />

Ein wichtiger Katalog für (ursprünglich 97) Röntgenquellen (Sterne und Supernova Überreste), basierend auf den Daten des<br />

Einstein Satelliten, stammt von Long, Helfand und Grabelsky (1981), [LHG81],. Er wurde von Wang und Helfand (1991),<br />

[WH91], überarbeitet und auf 105 Einträge erweitert. Diese tragen <strong>die</strong> Bezeichnungen CAL (Columbia Astrophysical<br />

Laboratory) für seine 105 Objekte. Viele neue Quellen wurden von ROSAT (Röntgen Satellit) gefunden.


1.4. DIE METAGALAXIE 85<br />

Es handelt sich hier (bei den Maghellanschen Wolken) um eigenständige Galaxien mit von unserer<br />

Milchstraße stark abweichender chemischer Entwicklungsstufe, eigenständiger Sternbildung, Molekülwolken,<br />

Pulsaren etc. und deren Alter. Selbst Kugelsternhaufen werden hier anscheinend noch<br />

geboren, wie in M31 auch.<br />

Ein Gasstrom, der sog. Magellanic Stream, entdeckt 1974 von Mathewson et al. und mit einer geschätzten<br />

H - Masse von M = 10 8 M⊙, reicht in seiner Länge etwa bis zur Milchstraße, ist aber entgegengesetzt<br />

gerichtet (Schwanz). Das derzeit beste Modell erklärt <strong>die</strong>sen als Auswirkung der Gezeitenkraft<br />

der Milchstraße auf <strong>die</strong> beiden Wolken. Der in <strong>die</strong>sem Modell zu erwartende Kopfstrom wurde 1998<br />

von Putman und 25 weiteren Radioastronomen, [PGBa98], mithilfe der 21 cm Emission von neutralem<br />

Wasserstoff (HI) entdeckt und vermessen. Die Säulendichte beträgt NH = 10 18 cm −2 und <strong>die</strong><br />

geschätzte Masse beträgt 1/25 vom Stream (Schwanz).<br />

Das zeigt, daß Milchstraße, Große Maghellansche Wolke und Kleine Maghellansche Wolke in starker<br />

Wechselwirkung begriffen sind (ein echtes, hierarchisches 3-Körper System). In einem Modell von Lin<br />

und Lynden-Bell (1977) bilden LMC und SMC ein lose gebundenes System, welches <strong>die</strong> Galaxis auf<br />

einer elliptischen Bahn umläuft. Die größte Annäherung (Perigalaktikon) beträgt 50 kpc, <strong>die</strong> größte<br />

Entfernung 125 kpc. Der Maghellansche Strom ist in <strong>die</strong>sem Modell Gas, welches <strong>die</strong> Kleine Maghellansche<br />

Wolke an <strong>die</strong> Große Maghellansche Wolke durch Gezeitenkräfte verloren hat. Dieser Strom<br />

ist dann durch unsere Galaxis zu ihr hin abgelenkt worden. Die Umlaufzeit beträgt etwa 4.5 Gyr und<br />

<strong>die</strong> Masse der Galaxis, <strong>die</strong> innerhalb von 50 kpc liegt und damit <strong>die</strong> Bewegung bestimmt, beträgt in<br />

<strong>die</strong>sem Modell M = 7 · 10 11 M⊙.<br />

• LITERATUR (ORIGINAL)<br />

1. D.N. Lin und D. Lynden-Bell, [LL77c],<br />

Simulation of the Magellanic Stream to estimate the total mass of the Milky Way.<br />

2. Gardiner, L.T. und Noguchi, M., [GN96],<br />

N-body Simulations of the Small Magellanic Cloud and the Magellanic Stream.<br />

3. Putman, M.E., Gibson, B.K. und 24 weitere Autoren, [PGBa98]<br />

Tidal disruption of the Magellanic Clouds by the Milky Way.<br />

Der Kugelsternhaufen 47 Tuc mit (l,b) = (305.92, −44.89) liegt räumlich<br />

vor SMC mit (l,b) = (303.5, −43.8). Dadurch ist ein direkter Vergleich der Eigenschaften ihrer Objekte<br />

(wie Sterne, Pulsare etc.) möglich.<br />

Die Große Maghellansche Wolke<br />

Die uns am nächsten liegenden Galaxie ist <strong>die</strong> Große Maghellansche Wolke (LMC). Mit einer Masse<br />

von 2 · 10 10 M⊙ hat LMC etwa 10% der leuchtenden Masse, und etwa 4% der gravitierenden Gesamtmasse<br />

der Milchstraße. Dabei ist hier mit Gesamtmasse <strong>die</strong> gravitierende Masse der Milchstraße, also<br />

inklusive Halo, bis zur Entfernung der LMC, D = 50 kpc, gemeint.<br />

Es ist deshalb erstaunlich, daß 1987 dort eine Supernova explo<strong>die</strong>rte (und nicht etwa in der Milchstraße<br />

mit 10-mal mehr Masse oder in Andromeda mit 20-mal mehr Masse).<br />

Die Koordinaten des Zentrums von LMC sind von van den Bergh<br />

anhand von Novae zu 5 h 28 m Rektaszension und −69 ◦ 06 ′ Deklination<br />

bestimmt. Andere Objekte (wie Kugelsternhaufen) geben etwas<br />

abweichende Daten.<br />

Mit i ist hier der Inklinationswinkel der Scheibe relativ zur Milchstraße<br />

gemeint. Beide sind fast parallel, während SMC senkrecht<br />

dazu steht. Die Fläche der LMC beträgt etwa 100 deg 2 und <strong>die</strong><br />

Flächenhelligkeit B = 0.9 Magnituden. Der Öffnungswinkel Θ, un-<br />

ter dem LMC erscheint, beträgt 10 Winkelgrad, was einem Durchmesser<br />

von d = 9 kpc entspricht.<br />

Steckbrief der LMC<br />

α 25:24:8 l 280.5<br />

δ −69:06 b −32.9<br />

Vp 275 i 40 Grad<br />

D 50 kpc M 2 · 10 10 M⊙<br />

Θ 10 Grad d 9 kpc<br />

Tab. 1.32: LMC: Daten


86 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />

LMC hat mindestens 8 Kugelsternhaufen als Begleiter: NGC 1466, NGC 1786, NGC 1835, NGC 1841,<br />

NGC 2210, NGC 2257, Hodge 11 und Reticulum. Weitere Kandidaten sind NGC 1754, NGC 1898,<br />

NGC 1916, NGC 2005 und NGC 2019. Das Alter beträgt mehr als 10 Gyr und alle haben RR Lyrae<br />

Sterne. Die Radialgeschwindigkeiten (im LSR) <strong>die</strong>ser Kugelsternhaufen liegen zwischen 200 und 280<br />

km s−1 .<br />

Bezogen auf das Zentrum von LMC (lokaler Schwerpunkt) sind <strong>die</strong> Radialgeschwindigkeiten der Mitglieder<br />

von LMC klein, v < 50 km s−1 . Mithilfe der SN1979A als Hintergrundquelle konnte z. B. <strong>die</strong><br />

Relativgeschwindigkeit (mit v = 220 km s−1 ) sogar an Molekülen (CH und CH + ) gemessen werden.<br />

Eine Besonderheit der LMC, <strong>die</strong> es in <strong>die</strong>ser extremen Form nicht in unserer Milchstraße nicht gibt, ist<br />

eine riesige HII Region: 30 Doradus (der Name kommt von dem Sternkatalog<br />

des ersten Astronomer Royal, John Flamsteed aus dem Jahr 1712), auch<br />

der Tarantula Nebel genannt, mit einer Gesamtmasse von Mtot = 5·106M⊙. Im Zentrum von 30 Doradus gibt es einige extrem helle Sterne, der hellste<br />

mit der Bezeichnung HD38268 = R136. Um 1900 hielt man ihn für einen<br />

supermassiven O Stern. Mittlerweile ist er in etwa 5 · 106 30 Doradus<br />

Mtot 5 · 10<br />

Sterne (Sonnen)<br />

aufgelöst. Der Durchmesser beträgt 18 Bogenminuten, was bei einer Entfernung<br />

von 50 kpc etwa 270 pc entspricht. Der Kern (Radius 4 pc) enthält<br />

6M⊙ M 1.5 · 104M⊙ L 7.8 · 107L⊙ ρc 1.9 · 104M⊙ pc−3 Tab. 1.33: R136 Daten<br />

165 Sterne, <strong>die</strong> massiver als 10 Sonnenmassen sind. Von <strong>die</strong>sen ist R136a besonders bemerkenswert.<br />

Auch <strong>die</strong>sen hielt man lange für einen supermassiven Stern, mit einer Masse von M = 2·103M⊙. Auch<br />

R136a ist weiter aufgelöst worden, in R136a1 und R136a2 (1984) und R136a1 . . . R136a5 (1998). Die<br />

Masse von R136a1 ist immer noch mit M = 750M⊙ zu hoch. Es handelt sich nochmals um 8 Sterne<br />

von jeweils M = 100M⊙.<br />

Der Haufen muß sehr jung sein, da viele massive Sterne in ihrer Entwicklung noch nicht auf der<br />

Hauptreihe angekommen sind. Das geschätzte Alter beträgt 3 Myr, er enthält mit R136a5 einen O3<br />

Stern (mit einer Massenverlustrate von ˙ M = 2 · 10−5M⊙ yr−1 ). Die Supernova SN1979A ist (18’ West<br />

und 10’ Süd) etwa 300 pc von 30 Doradus entfernt explo<strong>die</strong>rt.<br />

In LMC kennt man 32 Supernova Überreste mit Durchmessern von 2 pc bis 100 pc. Davon sind 27<br />

im Röntgenbereich nachgewiesen, in zweien steht ein Pulsar. Einer (PSR B0540−69) ist dem Krebs<br />

Pulsar sehr ähnlich (P = 50 ms), der andere (PSR J0537−6910) hat mit 16 ms <strong>die</strong> kürzeste Periode<br />

eines normalen (also jungen, nicht recycled) Pulsars. Sein formales Alter beträgt allerdings 5 kyr. Der<br />

jüngste (PSR J1846−0258, ebenfalls im Röntgenbereich erstmals nachgewiesene) Pulsar ist nur 700 yr<br />

alt, hat aber eine Periode von 325 ms! Die Radioleuchtkräfte unterscheiden sich gewaltig, <strong>die</strong> beiden<br />

stärksten sind <strong>die</strong> in LMC.<br />

Die Kleine Maghellansche Wolke<br />

Die Kleine Maghellansche Wolke (SMC) ist nur unwesentlich weiter als LMC von uns entfernt. Mit<br />

einer Masse von 2 · 109M⊙ hat SMC sogar nur 1% der Masse der Milchstraße. Ein besonderes Kennzeichen<br />

(abgesehen vom zerquetschten Aussehen) sind <strong>die</strong> vielen blauen Sterne.<br />

Ein wesentlicher Unterschied zwischen LMC und SMC besteht im Gasanteil: LMC hat einen Massenanteil<br />

von etwa 8% HI, SMC dagegen 30 %. Der molekulare Anteil (Masse von H2 über CO bestimmt)<br />

beträgt 20 % (oder M = 1.4 · 108M⊙) für LMC, der von SMC nur 5<br />

% (M = 3 · 107M⊙). Die Bestimmung des Massen - Anteils an Staub<br />

(Bestimmung warm: IRAS bzw. kalt: mm) ist schwierig (ungenau)<br />

und liegt zwischen M = 1 · 106M⊙ und M = 1 · 107 Steckbrief der SMC<br />

α 0:51:0 l 302.8<br />

M⊙ im Verhältnis δ −73:1 b −44.3<br />

1:10 für warm und kalt. Dabei enthält SMC trotz der kleineren Masse Vp 148 i 90<br />

absolut mehr warmen Staub als LMC. Im Vergleich haben beide etwa D 57 kpc M 2 · 10<br />

dreimal so viel Gas wie Milchstraße.<br />

Mit i ist hier wieder der Inklinationswinkel der Scheibe relativ zur<br />

9M⊙ Tab. 1.34: SMC: Daten


1.4. DIE METAGALAXIE 87<br />

Milchstraße gemeint. Die Fläche der SMC beträgt etwa 12 deg 2 und <strong>die</strong> Flächenhelligkeit ist B = 2.9<br />

Magnituden.<br />

SMC hat mindestens einen Kugelsternhaufen als Begleiter: NGC 121.<br />

1.4.6 Andromeda<br />

Überblick<br />

Die Frage, ob es außerhalb der Milchstraße weitere Galaxien gebe, wurde erst 1929 von Hubble definitiv<br />

beantwortet. Hier <strong>die</strong> wichtigsten logischen Schritte.<br />

1. Auch vor Hubble waren schon viele Anzeichen, <strong>die</strong> dafür sprachen, daß der Andromeda Nebel<br />

ebenfalls eine Galaxie war, von anderen bemerkt worden. Das wiederholte Aufleuchten von<br />

’Novae’ — und sogar einer von Baade und Zwicky später so genannten ’Supernova’ im Jahre<br />

1885 — in einem so kleinen Raumgebiet, wie dem des Andromeda Nebels, ist einmalig am<br />

Nordhimmel, konnte demnach kein Zufall sein.<br />

2. Hubble entdeckte an NGC 6822, einer Zwerggalaxie der Lokalen Gruppe, daß es sich dabei um<br />

Sterne und nicht um einen Nebel handelte. Daß er das konnte (und nicht jemand in Europa, das<br />

bis dato in der Astronomie führend war), lag daran, daß er das beste Teleskop (und bald auch <strong>die</strong><br />

besten Fotoplatten) besaß.<br />

3. Es gelang ihm, <strong>die</strong> Spiralstruktur des Andromedanebels, also <strong>die</strong> Aussenpartien von M31, teilweise<br />

in Sterne aufzulösen. 1929 veröffentlichte er seine Arbeit ’Ein Spiralnebel als Sternsystem’,<br />

in der gezeigt wird, daß Andromeda eine eigenständige Galaxie darstellt. Es gelang ihm,<br />

<strong>die</strong> Entfernung zum Andromedanebel (mithilfe von Cepheiden) zu bestimmen. Dazu bedurfte es<br />

wahrhaft heroischer Anstrengungen: 80 Stunden Belichtungszeit photographischer Platten waren<br />

vor der Entwicklung heutiger CCD Techniken keine Seltenheit. Damit war klar, daß in der<br />

Umgebung unserer Galaxis weitere Galaxien existieren (Metagalaxie).<br />

Die Andromeda Galaxie hat bisher eine wichtige Rolle gespielt bei der Entdeckung der wahren Entfernungen<br />

im Universum. Die wichtigsten Schritte waren dabei<br />

1. Hartwig entdeckt 1885 eine leuchtstarke (Super-) Nova. Es folgen viele schwächere Novae.<br />

2. Hubble kann 1923 <strong>die</strong> Sterne im Aussenbereich auflösen. Es sind leuchtstarke O und B Sterne.<br />

Die Entfernungsbestimmung mit Cepheiden ergibt 250 kpc.<br />

3. Baade und Zwicky erfinden 1933 <strong>die</strong> Supernova anhand von S Andromeda.<br />

4. Baade kann 1944 <strong>die</strong> Sterne im Innenbereich auflösen. Es sind Rote Riesen.<br />

5. Baade entdeckt 1952, daß <strong>die</strong> Roten Riesen in M31 leuchtschwächer sind als Cepheiden, in der<br />

Milchstraße sind sie jedoch scheinbar gleich.<br />

6. Baade entdeckt in M31 den Ort der Sternentstehung: <strong>die</strong> Spiralarme, etwa 10 kpc vom Zentrum<br />

entfernt. Das Zentrum von M31 enthält dagegen nur alte Sterne.<br />

Dieses Bild, welches man von M31 leichter erhalten kann, weil man von außen auf <strong>die</strong> Galaxie schaut,<br />

wurde auf <strong>die</strong> Milchstraße (wo wir in einem Spiralarm sitzen) erfolgreich übertragen. Es gibt jedoch<br />

auch einige gravierende Unterschiede, <strong>die</strong> wir später behandeln werden. Es ist sicher, daß M31 =<br />

Andromeda auch weiterhin eine wichtige Rolle spielen wird.


88 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />

• ZUSATZ (EINIGE DATEN)<br />

In der griechischen Mythologie ist Andromeda <strong>die</strong> Tochter der Cassiopeia.<br />

Daten der Andromeda Galaxie<br />

Bezeichnungen: Andromeda, M31 (NGC 224)<br />

α δ l b V⊙ M Dist<br />

J2000 J2000 deg deg M⊙ kpc<br />

00 h 42 m .7 41 ◦ 16 121.18 −21.57 −300 4 · 10 11 770<br />

Der Öffnungswinkel von M31 beträgt 3 Grad, sechsmal soviel wie der Mond. Die Entfernung beträgt etwa 0.7 Mpc, und<br />

damit der Duchmesser 42 kpc. Die sichtbare Masse wird auf M = 2 . . . 4 · 10 11 M⊙ geschätzt. Bezogen auf den LSR ist<br />

V⊙ = vpec = −299 km s −1 , <strong>die</strong> Relativgeschwindigkeit der beiden Zentren ist (Stand: 1998) vrel = −130 km s −1 .<br />

Supernova Überreste in M31<br />

Obwohl Andromeda (M ≈ 4·10 11 M⊙) etwa doppelt so massiv wie <strong>die</strong> Milchstraße ist, hat man in M31<br />

keine weitere Supernova seit 1885 (Hartwig in Dorpat) entdeckt. Von S Andromeda abgesehen, hat man<br />

auch keinen jungen Supernova Überrest gefunden. Der Supernova Überrest von SN 1885a wurde im<br />

Radiobereich sogar erst 1989 (von Fesen et al.) entdeckt. Insgesamt nur 7 Supernova Überreste hat<br />

man in M31 optisch gefunden, im Radiobereich (wo sie in der Milchstraße gefunden werden) gehen<br />

sie im Rauschen unter. Die Röntgen-Astronomie kann hier wichtige Beiträge liefern.<br />

M31 im Röntgenlicht<br />

In M31 kennt man etwa 150 starke Röntgen Quellen, 400 weitere sind Kandidaten (d. h. assoziiert im<br />

Feld von M31). 21 sind Bulge Quellen, davon 2 superweiche mit Eddington Röntgen Leuchtkraft. Die<br />

Gesamt Röntgen Leuchtkraft beträgt, ähnlich der Milchstraße, nur LX ≈ 2 · 10 9 L⊙.<br />

1.4.7 Galaxienhaufen<br />

Galaxienhaufen sind <strong>die</strong> größten gravisch gebundenen, (mehr oder weniger) relaxierten Materieansammlungen.<br />

Ihre Bedeutung liegt, abgesehen von der Frage der Kosmogonie (Entstehung) darin, daß<br />

sie, wie wir sehen werden, ideal zur Massenbestimmung geeignet sind.<br />

Galaxienhaufen werden ähnlich wie Galaxien klassifiziert: von früh (kompakt) bis spät (irregulär).<br />

Frühe Galaxienhaufen haben grosse Radio- und Röntgenleuchtkräfte, späte nur geringe.<br />

Massive Galaxienhaufen haben etwa 10 3 Galaxien<br />

als Mitglieder, Masse Mtot beträgt typisch 10M⋆ =<br />

10 15 M⊙. Für <strong>die</strong> Volumen Anzahldichte gilt, daß ein<br />

Galaxienhaufen in (100 Mpc) 3 vorkommt. Es gibt<br />

Anzeichen dafür, daß Galaxienhaufen durch Verschmelzen<br />

mit anderen Galaxienhaufen wachsen.<br />

Der Abell Cluster of Galaxies A2256 und der Coma<br />

Haufen (A1656) haben beide einen Subcluster, der<br />

mit ihnen zu verschmelzen (merging) scheint. Solche<br />

Strukturen sind nicht direkt sichtbar, sie erschei-<br />

Röntgen Daten zu massiven Galaxienhaufen<br />

Name Zentral kTX LX RX Mgrav<br />

Galaxie keV L⋆ Mpc M⋆<br />

Virgo M87 2.4 0.3 2 8<br />

Perseus NGC 1275 5.3 14 3 16<br />

A2256 6.9 8.2 4 28<br />

Coma NGC 4839 7.5 8.5 4 30<br />

L⋆ = 10 44 erg s −1 ; M⋆ = 10 14 M⊙<br />

nen erst, wenn man von den Gesamtdaten ein glattes<br />

Tab. 1.35: Galaxienhaufen<br />

Modell abzieht (Kontrastmethode). Nur so kann man noch Verdichtungen, <strong>die</strong> nur 10 % über dem Mittel<br />

liegen, sichtbar machen.<br />

Die (aufintegrierte Flächen) Leuchtkraft von einigen L⋆ = 2.5 · 10 10L⊙ = 1044 erg s−1 . ist erstaunlich<br />

hoch. Sie stammt von heißem (10 bis 100 Millionen Grad) Zwischenhaufen Gas (IGM). In der Tabelle


1.4. DIE METAGALAXIE 89<br />

ist kTX in Einheiten von keV angegeben, was 10 7 K entspricht. Dieses Gas erlaubt eine unabhängige<br />

Massenbestimmung (Röntgenbild, s.u.) und ist erstaunlich massiv: es beträgt bei allen hier (von RO-<br />

SAT) vermessenen Galaxien bis zu 50 % der Virialmasse, Mgrav.<br />

Die Masse MGas beträgt typisch einige M⋆ = 10 14 M⊙. Damit hat sich das Problem der Dunkelmasse<br />

erheblich reduziert (ähnlich wie in Sonnennähe).<br />

Die Daten der Tabelle stammen vom ROSAT All Sky Survey (U. Briel, 1992).<br />

• FORMELN (MASSENBESTIMMUNG MITHILFE VON RÖNTGENBILDERN)<br />

Das Zwischenhaufen Gas (Inter Galactic Medium = IntraCluster matter = ICM) sitzt in den Potentialmulden des Gravitationsfeldes.<br />

Ausgehend von<br />

GmM<br />

r 2<br />

= −p′<br />

ergibt sich für <strong>die</strong> grav. Masse<br />

M(r) = − rkBT (r)<br />

Gm<br />

; p = nkBT<br />

� �<br />

d ln n d ln T<br />

+<br />

d ln r d ln r<br />

Dabei ist m <strong>die</strong> Masse des Atoms.<br />

Die Massenverteilung wird nun wie folgt approximiert (King Modell)<br />

n = no<br />

�<br />

1 + r2<br />

a2 �b<br />

; b = 3β<br />

2<br />

(1.115)<br />

Sie hat drei freie Parameter: no, <strong>die</strong> Dichte im Zentrum; a, der effektive Radius und β (bzw. b) für <strong>die</strong> Konzentration. Diese<br />

Parameter sind nicht direkt beobachtbar.<br />

Mehrfachsysteme<br />

Galaxien sind häufig zu mehreren (20 . . . 100), nur etwa 25% sind einzeln oder in kleinen Gruppen,<br />

zusammen. Ein berühmtes Beispiel für eine benachbarte Doppelgalaxie ist M51 = NGC 5194, im englischen<br />

Whirlpool Galaxy genannt. Diese etwa 4 Mpc entfernte Galaxie war das erste Objekt (damals<br />

als Nebel bezeichnet) an dem eine Spiralstruktur entdeckt wurde (1845 von William Parson, 3. Earl<br />

of Rosse, von dem auch <strong>die</strong> erste Beschreibung der Filamente des Krebs Nebels stammt). Ferner ist<br />

Andromeda ein (enges) Triplett (mit M32 und NGC 205) und eine lose Gruppe u.a. mit M33, NGC<br />

147 und NGC 15. Wir selbst bilden eine lose Gruppe mit LMC und SMC. Berühmt sind z. B. Stephens<br />

Quintett oder Seyferts Sextett. Einen Spezialkatalog solcher Mehrfachsysteme (peculiar galaxies) hat<br />

H. Arp aufgestellt. Das interessante an <strong>die</strong>sen engen Mehrfachsystemen ist (neben dem beeindruckenden<br />

Aussehen) <strong>die</strong> Tatsache, daß <strong>die</strong>se keinesfalls ihre Konfiguration über mehr als 1 Gyr beibehalten<br />

können. Was also passiert mit ihnen in Zukunft (z. B. stossen hier Galaxien zusammen) und wie alt<br />

sind <strong>die</strong>se Mehrfachsysteme?<br />

Galaxiengruppen und Galaxienhaufen<br />

Als Gruppe bezeichnet man eine räumlich begrenzte Ansammlung von bis zu 50 Galaxien und massive<br />

Galaxienhaufen können einige Tausend Galaxien enthalten. Kriterium für <strong>die</strong> Zugehörigkeit ist <strong>die</strong><br />

gravische Bindung und der räumliche 3dim Dichtekontrast.<br />

Weitere solche nahe Gruppen sind sind in der nebenstehenden Tabelle aufgeführt, alle Entfernungen<br />

sind hier in Mpc angegeben. Die (räumlich) nächsten Galaxiengruppen (Galaxienhaufen) sind M81,


90 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />

<strong>die</strong> Sculptor und <strong>die</strong> Ursa Major Gruppe in einer<br />

Entfernung von etwa 2.5 Mpc. Bis hierher reichten<br />

<strong>die</strong> Teleskope der Vor Kek und HST Ära mithilfe<br />

der Typ I Cepheiden.<br />

In einem Radius von etwa 20 Mpc befinden sich<br />

(mehr als) 50 solcher Haufen, gravisch werden<br />

sie dominiert vom Virgo Haufen (Entfernung 16<br />

Mpc, mit den Mitgliedern M84, M86 und M87)<br />

und dem Grossen Attraktor in Richtung Hydra-<br />

Name Mitglieder D<br />

Lokale Gruppe s.o. 0.4<br />

Sculptor NGC 55, 247, 253 2.4<br />

U Ma (Cam) Maffei (1, 2), NGC (4736, 4258) 3.3<br />

M81 NGC 3031, 2403 3.63<br />

U Ma II NGC 4051, 5053 5.2<br />

Leo NGC 3368, 3623 6.6<br />

Tab. 1.36: Galaxiengruppen<br />

Centaurus Superhaufen, etwa 50 Mpc entfernt. Anhand <strong>die</strong>ser Galaxienhaufen werden neue Standardkerzen<br />

geeicht.<br />

Die Faber-Jackson (optisch) und <strong>die</strong> Tully-Fisher (Radio, 21 cm) Relation werden wir ausführlich besprechen.<br />

Auch Typ I Supernovae können hier angeschlossen werden. Die Entfernung zu dem Mitglied<br />

M81 ist neuerdings mithilfe von Cepheiden mit dem HST und direkt (v = 2.42 ± 0.15 µas d −1 entspr.<br />

v = 18000 ± 1000 km/s) anhand der Expansionsgeschwindigkeit der Supernova SN 1993J zu<br />

d = 3.63 ± 0.34 Mpc gemessen worden.<br />

Der Virgo Haufen<br />

Die uns am nächsten gelegene massive Konzentration von Galaxien ist der Virgo Haufen, zu dem wir<br />

selbst gravisch noch gehören. Wir liegen am Aussenrand, etwa 20 Mpc vom Zentrum (M87) entfernt.<br />

Der Kern nimmt eine Fläche von 10 × 12 Grad am Himmel ein und enthält mehr als 1000 Galaxien mit<br />

einer (Virial) Masse von insgesamt M = 2 . . . 8·10 14 M⊙. Bei einer Entfernung von 18 Mpc beträgt der<br />

Radius des Haufenkerns R ≈ 1 Mpc. Die mittlere Geschwindigkeit beträgt 1500 km s −1 , woraus <strong>die</strong><br />

Abschätzung für <strong>die</strong> Masse nach dem Virialsatz folgt. Für <strong>die</strong> Stosszeit zweier Galaxien im Haufenkern<br />

ergibt sich damit tcol = 1 Gyr.<br />

Der Virgo Haufen wird gravisch dominiert von den Mitgliedern M84, M86 und M87. Eichgalaxie<br />

für <strong>die</strong> Entfernung ist M100 (mit ihren Cepheiden). Allerdings<br />

scheint auch der Hydra-Centaurus Superhaufen (bzw. der Grosse<br />

Attraktor) für <strong>die</strong> weiter außen liegenden Galaxien (wie für <strong>die</strong><br />

Milchstraße) einen wesentlichen gravischen Einfluß auszuüben.<br />

Die Galaxie M87 in Virgo ist der bisher massivste (galaktische)<br />

Schwarz-Loch-Kandidat mit einer Masse von M = 5 · 109M⊙, <strong>die</strong> Gesamtmasse von M87 beträgt dabei M = 3 · 1013M⊙. Die<br />

Leuchtkraft ist dagegen bescheiden, L = L∗ = 1 · 1011 Daten zu Virgo A<br />

Vir A = M87 = NGC 4486 = 3C 274<br />

L⊙.<br />

z<br />

Lradio<br />

Lopt<br />

LX<br />

0.003<br />

0.01·L∗<br />

1 · L∗<br />

0.1 · L∗<br />

Um M87 hat man 6000 Kugelsternhaufen entdeckt, viele davon<br />

Tab. 1.37: Vir A<br />

sind bereits aufgelöst. Mit einer Gesamtleuchtkraft aller 6000 Kugelsternhaufen von L = 3 · 109L⊙ erreichen sie nur 3% der Leuchtkraft von M87.<br />

1.4.8 Der Lokale Superhaufen<br />

Der Virgo Superhaufen<br />

Alle <strong>die</strong>se Gruppen und Haufen (beginnend mit den nahen Haufen M81, M101, M51 . . . ) werden zum<br />

Lokalen Superhaufen (local supercluster) gerechnet, der vom Virgo Haufen (mit etwa 2500 Galaxi-


1.4. DIE METAGALAXIE 91<br />

en und M/L = 20(M⊙/L⊙) dominiert wird und etwa tausend<br />

Gruppen und Haufen enthält, mit einem Durchmesser von 30<br />

Mpc.<br />

Wir selbst befinden uns ziemlich am Rande vom Virgo Haufen<br />

und fallen mit 200 km s −1 (vom LSR aus etwa 500 km s −1 ) in<br />

den Schwerpunkt des Virgo-Haufens hinein.<br />

Die Daten der Tabelle stammen von Sandage und Tammann<br />

(1982). Sie erhielten für <strong>die</strong> Entfernung zum Zentrum des Virgo<br />

Haufens DV irgo = 21 Mpc. Der HST Wert beträgt 16 Mpc.<br />

Damit ergibt sich für <strong>die</strong> lokale Bestimmung des Hubble Para-<br />

Hellste Galaxien in Nachbarhaufen<br />

Name m − M MV v<br />

mag mag km s −1<br />

Leo 31.50 −23.24 926<br />

Dorado 31.21 −22.71 950<br />

Virgo 31.32 −23.09 1019<br />

Fornax 31.21 −22.69 1527<br />

Tab. 1.38: Nachbarhaufen<br />

meters h = 0.5 (bzw. HST: h = 0.8) und als Abstandsgesetz D = DV irgo(v/1000), wobei v in km s −1<br />

aus der Tabelle entnommen werden kann.<br />

Die direkte Entfernungsbestimmung zum Kern (Zentrum des Virgo Haufens) ist 1994 erstmals mit<br />

Cepheiden geglückt.<br />

1. Bestimmung mit dem Kek Teleskop (Mauna Kea) von Pierce et al.<br />

(a) Galaxie NGC 4571<br />

(b) Entfernung d = 14.9 ± 1.2 Mpc.<br />

(c) H = 87 ± 7 km s −1 Mpc −1<br />

(d) Basis: 3 Cepheiden<br />

2. Bestimmung mit dem HST von Freedman et al.<br />

(a) Galaxie M100<br />

(b) Entfernung d = 17.1 ± 1.8 Mpc.<br />

(c) H = 80 ± 17 km s −1 Mpc −1<br />

(d) Basis: 20 Cepheiden mit Perioden zwischen 20 und 65 Tagen<br />

Daraus folgt für den Durchmesser des Haufenkerns D ≈ 2 Mpc. Zum Umrechnen geben wir folgende<br />

Relation<br />

1000 km s −1 = 1 kpc (Myr) −1 = 1 Mpc (Gyr) −1<br />

Mit Relativgeschwindigkeiten der Mitglieder von maximal 1000 km s −1 kann der Virgo Superhaufen<br />

(selbstbei einem Alter des Universums von etwa 15 Gyr) nicht virialisiert sein. Superhaufen sind<br />

also gerade im Begriff sich gravisch zu organisieren. Die kausale Entstehung von Strukturen der<br />

Größenordnung 100 Mpc ist damit aus Störungen der Dichte im Ortsraum (Rayleigh-Jeans) nicht<br />

möglich.<br />

Der Grosse Attraktor<br />

Der Grosse Attraktor wurde entdeckt (1986 von Dressler et al., den sog. 7 Samurai) aufgrund einer<br />

Anomalie im Strömungsfeld der Galaxien im und um den Virgo Haufen. Er liegt in Richtung<br />

der Hydra-Centaurus Superhaufen, etwa 50 Mpc entfernt und hat eine Masse von M = 1 · 10 17 M⊙.<br />

Der Durchmesser des Virgo Superhaufens beträgt etwa 120 Mpc. Er ist damit eine der bisher größten<br />

(kausal) zusammenhängenden Ansammlung von massiven Objekten (an nicht gesehenen Galaxien) im<br />

Kosmos. Vergleichbar damit sind nur noch <strong>die</strong> Grosse Mauer, <strong>die</strong> größte bisher optisch nachgewiesene<br />

Struktur im Kosmos (mit R ≈ 180 Mpc und Ngal ≈ 3962 an gesehenen Galaxien) und wenige, weiter<br />

entfernt gelegene Superhaufen.


92 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />

Sekundäre Eich-Normale<br />

Bis hierher, D = 20 Mpc, reichen noch hellste Sterne zur Bestimmung der Entfernung, danach müßen<br />

neue Kerzen benützt (und mit den bereits besprochenen geeicht) werden. Diese sind <strong>die</strong> klassischen,<br />

rein phänomenologisch gefundenen, Indikatoren hellste Kugelsternhaufen mit einer maximalen visuellen<br />

Helligkeit MV = −9.8 mit einer Reichweite von bis zu 20 Mpc und <strong>die</strong> hellsten H II Regionen<br />

(Riesen Molekülwolken) mit bis MV = −12 mit einer Reichweite von bis zu 30 Mpc. Diese Objekte<br />

können noch direkt an <strong>die</strong> primären Eich-Normalen angeschossen werden.<br />

Noch weiter kommt man mit Indikatoren dritter Ordnung. Dazu zählen <strong>die</strong> hellste Galaxien (ScI) eines<br />

Haufens. Mit MV = −21.68 kommt man dann etwa 1 Gpc weit. Vielversprechend, weil qualitativ<br />

physikalisch verstehbar, sind <strong>die</strong> folgenden neueren Methoden.<br />

1. Die Tully-Fisher Methode<br />

Nach Brent Tully und Richard Fisher (1977) ist <strong>die</strong> Breite der 21 cm HI Linie einer ganzen<br />

Spiralgalaxie ein Maß für <strong>die</strong> Radio Leuchtkraft. Es gilt <strong>die</strong> Tully-Fisher Relation<br />

M = −3.5 − 6 log(W/ sin i) (1.116)<br />

Dabei ist W <strong>die</strong> mittlere Breite der 21-cm Radio Linie in elliptischen Galaxien in km/sec und i<br />

der Inklinationswinkel der Galaxie.<br />

Es ist (zum Umrechnen): m − M = 5 log(D/10pc), also m − M = 30 entspricht D = 10 Mpc.<br />

Mit L⋆ = 10 10 L⊙ kann <strong>die</strong>s auch wie folgt<br />

vc = 220(L/L⋆) 0.22<br />

km s −1 (1.117)<br />

geschrieben werden. Dabei ist vc <strong>die</strong> Rotationsgeschwindigkeit des H-Gases außerhalb des Kerns<br />

der Galaxie. Damit kommt man etwa 200 Mpc weit, entsprechend einer Hubble Fluchtgeschwindigkeit<br />

von 10 4 km s −1 .<br />

2. Die Faber-Jackson Methode<br />

Nach Sandra Faber und Jackson (1976) gilt im Zentralteil der Galaxie <strong>die</strong> Faber-Jackson Relation<br />

vc = 220(L/L⋆) 0.25<br />

für <strong>die</strong> Breite der optischen Linien-Strahlung.<br />

km s −1 (1.118)<br />

3. Supernovae (vom Typ Ia)<br />

Diese werden wir noch ausführlich besprechen. Mit einer Leuchtkraft (im visuellen, wo das<br />

Maximum liegt) von MV = −19.3 (entspr. 10 10 L⊙) kommt man damit fast 1 Gpc weit. Die<br />

Messungen an Supernovae (vom Typ Ia) liefern für <strong>die</strong> dimensionslose Hubble Konstante h<br />

MV = −19.3 + 5 log(h/0.6)<br />

Sie sind an nahen Galaxien (z. B. an Virgo), deren Entfernung bereits bekannt ist, geeicht. (Ref.:<br />

D. Branch, [Bra98]).<br />

Für <strong>die</strong> Grenzempfindlichkeit wurde bei unseren obigen Abschätzungen mv = 22 zugrunde gelegt.<br />

Mittlerweile kommt man aber mit den besten Teleskopen 5 Magnituden (also einen Faktor 100) weiter,<br />

und damit durch das ganze Universum hindurch, bis zu kosmologischen Rotverschiebungen (z = 1).


1.4. DIE METAGALAXIE 93<br />

• FORMELN (DIE WICHTIGSTEN INDIKATOREN)<br />

Hier zunächst eine Zusammenfassung aller besprochenen Indikatoren:<br />

hellste Kugelsternhaufen MV = −9.8 (Reichweite bis 40 Mpc),<br />

hellste H II Regionen MV = −12 (Reichweite bis 100 Mpc),<br />

<strong>die</strong> Tully-Fisher Relation (W : mittlere Breite der 21-cm Radio Linie)<br />

M = −3.5 − 6 log(W/ sin i) (1.119)<br />

oder, mit L⋆ = 10 10 L⊙ und vc Rotationsgeschwindigkeit<br />

vc = 220(L/L⋆) 0.22<br />

<strong>die</strong> Faber-Jackson Relation (vc Rotationsgeschwindigkeit)<br />

vc = 220(L/L⋆) 0.25<br />

Supernovae (vom Typ Ia) mit MV = −20. (Reichweite bis 800 Mpc),<br />

hellste Galaxien (ScI) MV = −23 (Reichweite bis 1 Gpc),<br />

Gravitationslinse mit Lauzeitdifferenz,<br />

der Sunyaev - Zeldovich Effekt.<br />

km s −1 (1.120)<br />

km s −1 (1.121)<br />

Allen Indikatoren ist gemeinsam, daß sie <strong>die</strong> Leuchtkraft L als Entfernungsnormal für <strong>die</strong> Entfernung<br />

D nach der Formel L = 4πD 2 f benutzen, wobei f der gemessene Fluß ist. Ein Fehler in der Entfernung<br />

D eines Indikators pflanzt sich quadratisch für alle folgenden fort. Eventuelle Absorption oder<br />

Rötung muß separat herauskorrigiert werden.<br />

Wir können zwei verschiedene Skalen unterscheiden : <strong>die</strong> kurze (lokal), mit einer Basislänge von etwa<br />

100 Mpc (Eichnormale: Virgo und Coma) und <strong>die</strong> weite (kosmologisch), mit einer Basislänge von<br />

mehr als 1 Gpc (Eichnormale: Supernovae, Gravitationslinsen und Sunyaev - Zeldovich Effekt).<br />

Die wichtigsten lokalen Eichnormale, <strong>die</strong> mit geometrischen Mitteln verifiziert sind, sind <strong>die</strong> Große<br />

Maghellansche Wolke mit 50 kpc und <strong>die</strong> Andromeda Galaxie (M31) mit 770 kpc Entfernung.<br />

Deshalb ist es wichtig, im nächsten Schritt (bis zum Coma Haufen) möglicht viele Objekte mit Überschneidungen<br />

der einzelnen Intervalle zu haben. Ein grosses Manko war z. B. bisher, daß in den wichtigsten Eichnormalen<br />

der Zwischenschritte, wie sie in der folgenden Tabelle aufgeführt sind, keine Supernovae (vom<br />

Typ Ia) beobachtet wurden.<br />

Was man mit <strong>die</strong>sen Indikatoren findet sind zunächst einmal Entfernung und Durchmesser der Objekte.<br />

Man findet eine Hierarchie von Galaxienhaufen und sogar Haufen von Haufen, Superhaufen<br />

genannt.<br />

In der Tabelle ist D <strong>die</strong> Distanz in Mega Parsec (vom<br />

Zentrum der Milchstraße aus gerechnet, bis zum Zentrum<br />

des Galaxien-Haufens), L <strong>die</strong> optische Gesamtleuchtkraft<br />

in Einheiten von L⋆ = 10 10 L⊙ (mit L⊙ = 3.9 · 10 33 erg<br />

s −1 , Sonnenleuchtkraft) und R der Radius (bestimmt aus<br />

Öffnungswinkel und Distanz D). Die letzte Spalte, v3, ist <strong>die</strong><br />

Fluchtgeschwindigkeit (mittlere Rotverschiebung der Galaxien<br />

im Haufen) in Einheiten von 10 3 km s −1 .<br />

Virgo und Coma sind <strong>die</strong> bereits besprochenen Eich-Haufen<br />

(zum Vergleich). Für Hydra ergibt sich bereits 1/5 der Licht-<br />

Name D L R v3<br />

Mpc L⋆ Mpc km s −1<br />

Virgo 19 120 1.07 1.2<br />

Perseus 97 100 1.00 5.5<br />

Coma 110 490 2.63 6.5<br />

Centaurus 250 13.7<br />

Ursa Major 270 71 1.31 15.0<br />

Boötes 675 39.0<br />

Hydra 1080 61.0<br />

geschwindigkeit und <strong>die</strong> daraus bestimmte Hubble Konstan- Tab. 1.39: Galaxienhaufen<br />

te hat den Wert 61 km s−1 Mpc−1 . Die Daten (und viele mehr) wurden von Alan Sandage und Gustav<br />

Tammann gewonnen. Der Mittelwert der aus der Tabelle bestimmten Hubble Konstante hat sogar den<br />

Wert von nur 50 km s−1 Mpc−1 , also 2h = 1.<br />

Nimmt man <strong>die</strong> Entfernung (Rotverschiebung) als dritte Dimension mit hinzu (was außerordentlich<br />

zeitaufwendig ist), dann löst sich das, was auf zweidimensionalen Bildern von Galaxien wie verstreutes<br />

Salz auf einem Blatt Papier aussieht, auf in langgezogene Fäden (Spinnennetz) mit viel Dunkelraum<br />

dazwischen. Superhaufen von Galaxien sind also weder kugelförmig (was etwa <strong>die</strong> Jeans Instabilität


94 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />

in naivster Vorstellung über das Anwachsen von Dichteschwankungen liefern würde) noch pfannkuchenartig<br />

(sog.. ’Blini’, wie Zeldovich als erster aufgrund theoretischer Überlegungen gefunden hat)<br />

sondern fadenförmig.<br />

Solche fadenförmigen Strukturen (Strings) können nur sehr schwer aufgrund gravischer Instabilitäten<br />

erklärt werden, evtl. handelt es sich hier um <strong>die</strong> verstärkten Überbleibsel (Phasenübergänge als topologische<br />

Defekte) des frühen Universums. Superhaufen sind bisher <strong>die</strong> größten, gravisch gebundenen<br />

bzw. statistisch korrelierten Gebilde im Universum, <strong>die</strong> wir kennen. Ihre Mitglieder nehmen nicht an<br />

der Expansion des Universums teil.<br />

In der nebenstehenden Tabelle sind <strong>die</strong> bisher gefundenen Beispiele von Superhaufen aufgeführt. Superhaufen<br />

werden meist nach den wichtigsten, d. h. den massivsten Mitgliedern bezeichnet: z. B. der<br />

Coma-A1367 Superhaufen nach dem Coma Haufen und dem<br />

Haufen Abell 1367 (A1367) in einer Entfernung von etwa 100<br />

Mpc.<br />

Sie haben gewaltige Ausmasse an der Himmelskugel. Das Band<br />

des Pisces-Perseus Superhaufens z. B. reicht über fast ein Drittel<br />

der Himmelskugel, was bei der Entfernung etwa einer Länge<br />

von 60 Mpc (und einer Beite von 10 Mpc) ausmacht. In der Tabelle<br />

ist D <strong>die</strong> Distanz (von der Milchstraße aus bis zum geo-<br />

metrischen Zentrum des Superhaufens)In der letzten Spalte ist<br />

Name D v3<br />

Mpc km s −1<br />

Pisces-Perseus 100 5.0<br />

Coma-A1367 130 6.5<br />

Hydra-Centaurus<br />

Herkules<br />

Tab. 1.40: Superhaufen<br />

v3 <strong>die</strong> Fluchtgeschwindigkeit (mittlere Rotverschiebung der Haufen) in Einheiten von 10 3 km s −1 .<br />

Neben den Superhaufen (als Ansammlung von Haufen von Galaxien) gibt es auch grosse Gebiete, wo<br />

<strong>die</strong> Materie fehlt: Leerräume (engl. voids), <strong>die</strong> ebenfalls Abmessungen von einigen 100 Mpc erreichen<br />

können. Ein bekanntes Beispiel ist in Richtung Boötes, <strong>die</strong> Rotverschiebungs-Lücke reicht hier von<br />

v3 = 12 bis v3 = 18 km s −1 , was etwa einer Tiefe von 120 Mpc entspricht.<br />

Supernovae, <strong>die</strong> leuchtkräftigsten Entfernungsindikatoren<br />

Nach einem Paradigma, welches allerdings langsam an Gültigkeit verliert, ist ein astronomisches Objekt<br />

erst dann vollständig determiniert, wenn es optisch (mit Spektrum) nachgewiesen ist. Also, im<br />

wahrsten Sinne des Wortes, wenn man es gesehen hat. Jedenfalls ist dann <strong>die</strong> Position hinreichend<br />

genau bestimmt.<br />

Gammaburst Quellen, Quasare und Supernovae sind, in <strong>die</strong>ser Reihenfolge, <strong>die</strong> leuchtkräftigsten Objekte<br />

im Universum und demnach auch bei grosser Rotverschiebung noch gut zu beobachten (nicht<br />

unbedingt aber zu spektroskopieren). Gammaburst Quellen mit gemessener Rotverschiebung sind allerdings<br />

noch zu selten, als daß etwas über ihre Eignung als Entfernungsindikatoren gesagt werden<br />

könnte und Quasare sind bisher als Entfernungsindikatoren ungeeignet, da ihre Leuchtkräfte um mehr<br />

als 2 dex für gegebenes z variieren.<br />

Gleiches gilt zwar auch für <strong>die</strong> maximalen optischen Leuchtkräfte der Supernovae als ganzes, d. h. für<br />

Typ I und II zusammen genommen. Es ist allerdings gelungen, eine rein empirische (nämlich spektroskopische)<br />

Unterteilung der optischen Supernovae in zwei verschiedene Typen mit weiteren Unterklassen<br />

vorzunehmen, <strong>die</strong> auch theoretisch verstehbar erscheint. Von <strong>die</strong>sen besitzt der Typ Ia <strong>die</strong> besten<br />

Eigenschaften für eine Standardkerze, seine Progenitoren sind allerdings am wenigsten verstanden.<br />

Statistisch läßt sich zunächst folgendes sagen: jede Sekunde explo<strong>die</strong>rt im beobachtbaren Universum<br />

(bis z = 5) eine Supernova, jeden Tag wird der Blitz einer Gammaburst Quelle entdeckt. Die Zahl der<br />

beobachtbaren Quasare wird auf eine Million geschätzt (im Vergleich zu 10 11 Galaxien). Es handelt<br />

sich also um sehr seltene Phänomene, <strong>die</strong> hier als Standardkerzen <strong>die</strong>nen sollen, evtl. liegen <strong>die</strong>sen<br />

sogar extrem zeit- und ortsabhängige physikalische Prozesse zugrunde.<br />

Moderne Werte für <strong>die</strong> absolute Helligkeit im Blauen, MB, sind für Supernovae der verschiedenen


1.4. DIE METAGALAXIE 95<br />

Typen:<br />

−19.78 Ia (1.122)<br />

MB − 5log(2h) = −17.18 I(b,c) (1.123)<br />

−16.19 II(P,L) (1.124)<br />

−15.50 IIb (1.125)<br />

Ein rein empirisches Klassifikationsschema wurde erstmals von Minkowski (1941) eingeführt und von<br />

ihm zusammen mit Baade und Zwicky im Laufe der Zeit modifiziert. Sie gaben auch <strong>die</strong> theoretische<br />

Begründung: in jedem Fall wird in einer Supernova ein Neutronenstern geboren. Diese Deutung wird<br />

heute allgemein akzeptiert. Das Hauptunterscheidungsmerkmal der Klasseneinteilung ist <strong>die</strong> Abwesenheit<br />

(Typ I) bzw. Anwesenheit (Typ II) von Wasserstoff Linien in den Spektren. Die Theorie erklärt<br />

<strong>die</strong>s dadurch, daß<br />

1. beim Typ Ia ein Weißer Zwerg geringer Masse und mit wasserstoffarmer Atmosphäre,<br />

2. beim Typ II ein massiver O oder B Stern, mit einer Masse von mehr als 8 M⊙ und mit viel H in<br />

der ausgedehnten Hülle,<br />

explo<strong>die</strong>rt. In beiden Fällen entsteht radioaktives 56 Ni und der Zerfall des Tochterelements 56 Co (Halbwertszeit<br />

78 d) bestimmt <strong>die</strong> Lichtkurve.<br />

Diese klassische Einteilung (von Baade) in nur zwei Typen kann empirisch nicht mehr aufrecht erhalten<br />

werden, was seitens der Theorie mittlerweile auch verständlich ist. Auch massive (Wolf Rayet)<br />

Sterne können, wie man aus Beobachtung plus Komputersimulationen weiß, ihre Wasserstoff Hülle<br />

(und nicht nur <strong>die</strong>se) verlieren, sodaß H im Spektrum fehlt. Hinzu kommt nunmehr beim Typ I Abbzw.<br />

Anwesenheit von He Linien (und als zusätzliches Kriterium evtl. sogar Ab- bzw. Anwesenheit<br />

von Fe).<br />

Um Supernovae als Standardkerzen benützen zu können, muß folgendes gewährleistet sein:<br />

1. Die Leuchtkraft L(t) der Supernova muß bereits vor dem Maximum bekannt sein, um das Maximum<br />

Lmax der Leuchtkraft bestimmen zu können.<br />

2. Dieses Lmax sollte empirisch als Funktion der Entfernung (d. h. der Fluchtgeschwindigkeit cz)<br />

eindeutig sein.<br />

Bei beiden Typen wird seitens der Theorie das Maximum Lmax der Leuchtkraft bestimmt aus der<br />

Menge an radioaktivem 56 Ni, welches in der Supernova erzeugt wurde. Beim Typ Ia ist <strong>die</strong> Masse des<br />

explo<strong>die</strong>renden Sterns eindeutig: <strong>die</strong> kritische Chandrasekhar Masse von M = Mch = 1.4M⊙ = 2.8 ·<br />

10 33 g muß bei der Akkretion erreicht werden, damit es zum Kollaps kommt. Bei den anderen Typen<br />

liegen auf <strong>die</strong>sem Kern mit kritischer Masse noch weitere Massenschalen plus einer ausgedehnten<br />

Hülle. Die erzeugte Menge an radioaktivem 56 Ni hängt jedoch von der Chemie und damit von der<br />

Vorgeschichte des Sterns bis zur Explosion ab.<br />

Nach bisherigen Beobachtungen (und nach der Theorie) kommen am ehesten Supernovae vom Typ<br />

Ia in Frage. Hier schwankt <strong>die</strong> erzeugte Masse an radioaktivem 56 Ni (modellabhängig) zwischen 0.49<br />

und 0.67 M⊙. Um Übereinstimmung mit den empirischen Daten zu erhalten, MB = −19.5, erfordert<br />

<strong>die</strong>ses Modell eine Masse von 0.6 M⊙ an 56 Ni für das dazu gehörende Lmax. Zum Vergleich: in SN<br />

1987A ist an radioaktivem 56 Ni etwa 0.075M⊙ freigesetzt worden.<br />

Supernovae vom Typ Ia sind durch folgende Eigenschaften charakterisiert:<br />

1. Spektrum<br />

kein H, P Cygni Profil mit starker Absorption bei λ = 6150 ˚A.


96 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />

2. Vorkommen<br />

in allen Galaxien und dort überall (im Zwischenarm Bereich und im Halo).<br />

3. Explosionsgeschwindigkeit der ausgeworfenen Materie<br />

vex ≥ 10 4 km s −1 .<br />

4. Lichtkurve und absolute Helligkeit<br />

steiler Anstieg, Abfall um ∼ 0 m .1 d −1 <strong>die</strong> ersten 30 Tage, dann expontieller Abfall um ∼ 0 m .02<br />

d −1 . Maximal bis MV = −20 m (homogenes Erscheinungsbild).<br />

5. Keine Radiostrahlung im ersten Jahr.<br />

Alle 5 Kriterien sind wichtig. Das Vorkommen in allen Galaxien und dort wieder überall, im Zwischenarm<br />

Bereich und im Halo, erlaubt praktisch nur massearme Sterne als Vorläufer. Das folgende<br />

Modell ist theoretisch einleuchtend, empirisch aber bisher nicht verifiziert: ein Weißer Zwerg geringer<br />

Masse wird von einem Begleitstern mittels Masseüberfluß über <strong>die</strong> kritische Chandrasekhar Masse<br />

Mch gebracht. Möglich sind<br />

1. ein Hauptreihenstern<br />

(Masse ≈ 2.5M⊙) in engem Orbit, Porb = 0.3 bis 3 d,<br />

2. ein entwickelter Stern<br />

(Roter Riese mit Masse ≈ 1M⊙) in weitem Orbit, Porb = 100 bis 1000 d,<br />

3. ein weiterer Weißer Zwerg<br />

mit Verschmelzung aufgrund von Gravitationsstrahlung.<br />

Das breite Absorptionsminimum bei λo = 6150 ˚A wird gedeutet als blau verschobenes Si II (einfach<br />

ionisiertes Si mit λrest = 6355 ˚A), was vex ≥ 104 km s−1 liefert, sollte es sich jedoch um C II<br />

(λrest = 6580 ˚A) handeln, dann wäre <strong>die</strong> Blauverschiebung etwa doppelt so groß, vex ≥ 2 · 104 km<br />

s−1 .<br />

In der Milchstraße selbst hat es seit Kepler keine Supernova mehr gegeben, deshalb kann nur noch<br />

der Ort (nicht aber mehr der Typ) bestimmt werden. Falls der Supernova Überrest in der galaktischen<br />

Ebene (und dort in einem Spiralarm) liegt, dann kann es sich<br />

um Typ II handeln, in allen anderen Fällen ist Typ Ia nahelie-<br />

Nahe SNe vom Typ Ia<br />

gend.<br />

NGC Konstel- SN<br />

Mit der wachsenden Zahl an untersuchten Supernovae ist <strong>die</strong> Nr lation Jahr<br />

Einteilung in Typen komplexer geworden. Beim Typ Ib und Ic 3627 Leo Gruppe 1989B<br />

ist das räumliche Vorkommen in Sternentstehungsgebieten wie 4639 Virgo 1990N<br />

beim Typ II, es fehlt zusätzlich das Absorptionsminimum bei 1380 Fornax 1992A<br />

λo = 6150 ˚A und beim Typ Ic fehlt auch noch He im Spek- 4526 Virgo 1994D<br />

trum.<br />

extreme SN vom Typ Ic<br />

In der nebenstehenden Tabelle sind Beispiele von besonders<br />

ESO184-G82 D = 40 Mpc 1998bw<br />

gut untersuchten, besonders nahen Supernovae vom Typ Ia aufgeführt.<br />

Für <strong>die</strong>se gibt es auch unbhängige Entfernungsbestim-<br />

Tab. 1.41: Typ Ia SNe<br />

mungen mittels Cepheiden, sodaß <strong>die</strong> Anschlusseichung gewährleistet ist (mit dem Ergebnis h = 0.5).<br />

Zwei Ausnahmen, <strong>die</strong> nicht ins Konzept (von Standardkerzen) passen, sind SN1991bg in NGC 4374<br />

(in Virgo) und NGC 5128 = Cen A mit SN 1986G. Diese waren zu schwach und zu rot (also eine Art<br />

Fehlzündung). Spektroskopische Besonderheit von SN1991bg war das Auftreten von Ti II Absorptions<br />

Linien (bei 4200 ˚A. Diese Ausnahmen werden nunmehr als peculiar, alle anderen Supernovae vom Typ<br />

Ia als normal bezeichnet.


1.4. DIE METAGALAXIE 97<br />

Eine weitere Klasse sind <strong>die</strong> Hypernovae, <strong>die</strong> am ehesten zum Typ Ic passen, <strong>die</strong> allerding <strong>die</strong> hellsten<br />

Supernovae überhaupt darstellen, also viel zu hell für ihren Typ sind (und damit das genaue Gegenteil<br />

einer Fehlzündung darstellen). Als mögliche Deutung wurde hier ein Schwarzes Loch als Endprodukt<br />

angenommen, wobei für <strong>die</strong> Bildung ein Begleiter massgeblich gewesen sein kann. Als Beispiel wird<br />

in der Tabelle Supernova 1998bw aufgeführt (in der Galaxie mit der Bezeichnung ESO184-G82, im<br />

Abstand D = 40 Mpc). Ein Beispiel für einen Supernova Überrest mit Schwarz-Loch-Kandidat, der<br />

aus einer Hypernova hervorgegangen sein könnte, wird GRO J1655 − 40 = Nova Scorpii 1994, aufgrund<br />

seiner chemischen Anomalien diskutiert. Hier fehlt Fe, welches ein Schwarzes Loch schlucken<br />

kann, ein Neutronenstern jedoch nicht.<br />

In der Milchstraße ist, bei einer geschätzten Supernova-Rate von einer Explosion pro (50 bis 100)<br />

Jahre, <strong>die</strong> Anzahl der tatsächlich beobachteten jungen Überreste (ganz zu schweigen von den Supernovae,<br />

<strong>die</strong> mittlerweile auch über ihre Neutrinos nachgewiesen werden können) gering. Selbst bis zur<br />

Andromeda Galaxie gibt es nur zwei Supernovae, <strong>die</strong> mit dem Teleskop (also mit modernen Mitteln)<br />

untersucht wurden. Beide waren vom Typ II, also für <strong>die</strong> Eichung ungeeignet. Um zu statistisch relevanten<br />

Aussagen zu kommen, ist man also gezwungen, weit entfernte Supernovae zu untersuchen.<br />

• ANMERKUNG (DAS LINEARE HUBBLE GESETZ FÜR SUPERNOVAE)<br />

Für nicht zu grosse Rotverschiebungen gilt das lineare Hubble Gesetz<br />

z = H<br />

r (1.126)<br />

c<br />

welches wir mit Supernovae als Entfernungsindikatoren überprüfen wollen.<br />

Aus historischen Gründen wird bei Supernovae oft noch <strong>die</strong> Fluchtgeschwindigkeit cz als Variable (und Dl als Leucht-<br />

Entfernung) benützt.<br />

v = cz = HDl<br />

Für den Entfernungsmodul m(z) − M ergibt sich allgemein für eine Standardkerze im linearen Bereich<br />

in Zahlen<br />

m − M = 5log(Dl/10pc) = 5 log(cz/10H) (1.127)<br />

m − M = 43.89 + 5 log(z/2h) (1.128)<br />

wobei 2h = 1 <strong>die</strong> im folgenden Beobachtungen an Supernovae in etwa wiedergibt.<br />

Supernovae vom Typ Ia haben MV = −19.78 und damit (nach unserer Formel mit 2h = 1), falls man mv = 20 zugrunde<br />

legt, m − M = 4.11 + 5 log(z). Das liefert z = 0.14, was einer Reichweite von 0.8 Gpc entspricht. Die besten Teleskope<br />

(z. B. das Keck Teleskop) erreichen mv = 25, sodaß sogar kosmologische Entfernungen erreicht werden.<br />

Zwei Gruppen von Astronomen,<br />

1. Pierce et al., Projektname ’The High−z Supernova Search Team’ (hochauflösende Kamera am Keck Teleskop) und<br />

2. Freedman et al., ’The Supernova Cosmology Project’ (HST)<br />

haben Cepheiden im Virgo Haufen entdeckt und vermessen.<br />

Die ersten Messungen ergaben zu große Werte für <strong>die</strong> Hubble Konstante H.<br />

1. Pierce et al., (1994) erdgebundene Bestimmung an NGC 4571 liefert H = 87 km s −1 Mpc −1 .<br />

2. Freedman et al., (1994) Bestimmung an M100 mit dem Hubble Space Telescope liefert H = 80 km s −1 Mpc −1 .<br />

Das endgültige Ergebnis lautet H = 72 km s −1 Mpc −1 .<br />

Die aus der Beobachtung von Cepheiden in 18 Galaxien gewonnenen Daten kombinierten Freedman und ihre Kollegen mit<br />

verschiedenen anderen Messungen. Nach der Auswertung, <strong>die</strong> das Team (2001 im ’Astrophysical Journal’) veröffentlichte,<br />

beträgt <strong>die</strong> Hubble-Konstante 72 Kilometer pro Sekunde und Megaparsec - und liegt damit ziemlich genau in der Mitte der<br />

früheren Schätzungen.<br />

Basierend auf <strong>die</strong>sen lokalen Eichmessungen haben<br />

zwei Gruppen, The Supernova Cosmology Project (geleitet von S. Perlmutter) und The High−z Supernova Search Team<br />

(Teamchef Brian Schmidt) haben Typ Ia Supernovae entdeckt und vermessen, <strong>die</strong> zu einer Zeit explo<strong>die</strong>rt sind, z = 0.83,


98 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />

wo das Universum nur halb so alt war wie heute. Damit kann dann <strong>die</strong> Dichte des Universums bestimmt werden. 1998<br />

haben sie ihre ersten Ergebnisse (Sources and Detection of Dark Matter in the Universe) veröffentlicht.<br />

Ref.: [PAm98], Perlmutter, S. and Aldering, G. and 14 more authors, Discovery of a supernova at half the age of the<br />

Universe, Nature 391, 51 (1998)<br />

und<br />

Maesurements of Ω and Λ from 42 High-redshift Supernovae, Ap. J. 517, 565 (1999)<br />

Supernovae haben ihr Maximum der Leuchtkraft im sichtbaren Bereich (und nicht etwa im UV). Dies<br />

weiß man von den Supernovae in kosmologischer Entfernung über ihre Rotverschiebung. Der UV<br />

Blitz beim Ausbruch der Photonen aus der opaken Hülle ist bisher nur indirekt über sein Lichtecho<br />

nachgewiesen.<br />

Radioaktives 56 Ni zerfällt wie folgt in stabiles Eisen:<br />

56 Ni (νβ + )<br />

� �� �<br />

6.1d<br />

56 Co (νβ + )<br />

� �� �<br />

77d<br />

56 Fe (1.129)<br />

mit (aus dem Labor bekannten) Halbwertszeiten. Die mittlere Energie (Wärmetönung) beim Zerfall<br />

von 56 Ni beträgt ∆E1 = 1.72 MeV, bei 56 Co sind es ∆E2 = 3.59 MeV.<br />

Die Menge an zerfallenden Atomkernen (der Spezies i = 1 oder 2)<br />

Ni(t) = m −1<br />

p M( 56 Ni) exp(−t/τi) (1.130)<br />

liefert mit der beim radioaktiven Zerfall freigesetzten Energie ∆Ei <strong>die</strong> Energie(verlust)rate<br />

˙Ei = ∆Ei ˙ Ni<br />

(1.131)<br />

Für <strong>die</strong> Leuchtkraft liefert unser einfaches Modell Li = − ˙ Ei, wobei angenommen ist, daß <strong>die</strong> Gamma<br />

Photonen im Plasma des Supernova Überrests geeignet degada<strong>die</strong>rt werden:<br />

Li(t) = τ −1<br />

i ∆EiNi(t) (1.132)<br />

Auch <strong>die</strong> Zeitdilatation an der Lichtkurve<br />

τo = (1 + z)τe<br />

ist für Supernovae mit z > 0.1 gut bestätigt.<br />

(1.133)


1.5. GEOMETRIE DER RAUMZEIT 99<br />

1.5 Geometrie der Raumzeit<br />

Das folgende Kapitel ’Konventionen und Definitionen’ ist zum Nachschlagen der wichtigsten Begriffe<br />

und Formeln gedacht.<br />

1.5.1 Konventionen und Definitionen (SRT und ART)<br />

Die Spezielle Relativitätstheorie<br />

Die Spezielle Relativitätstheorie wird im folgenden mit SRT und <strong>die</strong> Allgemeine Relativitätstheorie<br />

mit ART abgekürzt. Die Metrik der SRT ist<br />

ds 2 = ηikdx i dx k = c 2 dt 2 − (dx 2 + dy 2 + dz 2 ) (1.134)<br />

Hier wird <strong>die</strong> Summationskonvention benutzt:<br />

ds 2 =<br />

3� 3�<br />

ηikdx<br />

i=0 k=0<br />

i dx k<br />

d. h. über doppelt vorkommende Indizes (einer ko- und einer kontravariant) wird summiert. Die Komponenten<br />

des Tensors ηik sind:<br />

ηik = diag ( + 1, − 1, − 1, − 1) (1.135)<br />

sind. Die Vorzeichen, mit denen Zeit und Raumkomponenten eingehen,<br />

(+ − − −) (1.136)<br />

heißen Signatur der Metrik.<br />

Für <strong>die</strong> Norm der 4-er Geschwindigkeit folgt, nach Division von ds 2<br />

dx<br />

ηik<br />

i dx<br />

ds<br />

kds = ηiku i u k = u 2 = 1 (1.137)<br />

und entsprechendes für den 4-er Impuls<br />

p i = meu i<br />

oder kurz p = meu<br />

eines massiven <strong>Teil</strong>chens mit Ruhmasse me<br />

p 2 = m 2 ec 2<br />

• BEISPIEL (KOVARIANTE FORMULIERUNG DER MAXWELLSCHEN GLEICHUNGEN I)<br />

In 3-er Schreibweise lauten <strong>die</strong> Maxwellschen Gleichungen:<br />

1. Die inhomogenen Gleichungen.<br />

Quelle des Feldes sind q, <strong>die</strong> Ladungsdichte im 3-dim. Raum und der Strom, für eine einzelne Ladung durch �j :=<br />

q(d�x/dt) gegeben<br />

div � E = 4πq (1.138)<br />

1 ∂<br />

c<br />

� E<br />

∂t = rot � B − 4π<br />

c �j (1.139)<br />

2. Die homogenen Gleichungen.<br />

div � B = 0 (1.140)<br />

− 1 ∂<br />

c<br />

� B<br />

∂t = rot � E (1.141)


100 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />

3. Ladungserhaltung.<br />

Aus den Maxwellschen Gleichungen folgt <strong>die</strong> Ladungserhaltung, welche durch den Strom wie folgt gewährleistet<br />

wird:<br />

∂q<br />

∂t + div�j = 0 (1.142)<br />

Eine relativistische Bewegung wird kovariant mithilfe der Weltlinie x i = x i (s) beschrieben, wobei s <strong>die</strong> Eigenzeit des<br />

Punktteilchens ist. Die Komponenten der 4-Geschwindigkeit sind<br />

u i = dxi<br />

ds<br />

u i u k gik = 1 (1.143)<br />

Die relativistischen Bewegungs - Gleichungen, also Lorentzkraft, K i , und 4–Beschleunigung, a i = ˙u i , lauten für ein<br />

Elektron mit Masse me<br />

K i = eF ik uk Lorentzkraft (1.144)<br />

me ˙u i = 1<br />

c Ki Bewegungsgleichung ˙u i = dui<br />

dτ<br />

In 3-Schreibweise, nichtrelativistisch, reduziert sich das auf<br />

�<br />

d�ve<br />

me = e �E +<br />

dt �ve<br />

c × � �<br />

B<br />

Die Ladung beschreiben wir mit der Weltlinie x i = x i (T ) und der 4–er Stromdichte<br />

j i �<br />

(X) = ec<br />

(1.145)<br />

(1.146)<br />

δ 4 (X − x(T ′ ) dxi<br />

dT ′ dT ′ = ecδ 3 ( � X − �x(T ))β i (T ) (1.147)<br />

wobei wir β i = u i /u 0 definiert haben. Diese Form der Darstellung der Quellfunktion für <strong>die</strong> Ladung ist besonders geeignet<br />

zur Untersuchung relativistischer Bewegungen. Kovariant geschrieben lauten <strong>die</strong> Maxwellschen Gleichungen in gleicher<br />

Reihenfolge<br />

1. Die inhomogenen Gleichungen.<br />

F ik ,k = − 4π<br />

c ji<br />

2. Die homogenen Gleichungen.<br />

(1.148)<br />

∗ F ik ,k = 0 (1.149)<br />

Mit dem zu F dualen Pseudotensor<br />

∗ F ik = 1<br />

2 ɛiklm Flm<br />

Man erhält den dualen Tensor ∗ F durch <strong>die</strong> Substitution E → −H und H → E. Der 4er Tensor ɛ iklm ist der<br />

(vollständig antisymmetrische) Levi-Civita Pseudotensor<br />

ɛ iklm = ±1 ; ɛ 0123 = +1<br />

3. Ladungserhaltung.<br />

j i ,i = 0<br />

Die homogenen Gleichungen sind automatisch erfüllt über den Potential-Ansatz<br />

Fik = Ak,i − Ai,k<br />

Die Wellen–Gleichung für das 4-er Potential A, in der Lorentz-Eichung<br />

(1.150)<br />

A i ,i = 0 (1.151)<br />

lautet für jede Komponente A i = f<br />

also<br />

✷f = −∆f + ∂2 f<br />

∂t 2<br />

✷A i = 4π<br />

c ji<br />

(1.152)


1.5. GEOMETRIE DER RAUMZEIT 101<br />

Grundlage der klassischen Mechanik ist <strong>die</strong> Existenz eines Inertialsystems. Kräftefreie Körper bewegen<br />

sich in ihm geradinig und mit konstanter Geschwindigkeit. Eine geradinige Bewegung ist<br />

äquivalent mit einer Geodäten im Euklidischen Raum. Kartesische Koordinaten sind also dadurch ausgezeichnet,<br />

daß sie Geodäten darstellen. Jedes Bezugsystem, das sich zu einem Inertialsystem mit<br />

konstanter Geschwindigkeit bewegt, ist selbst ein Inertialsystem.<br />

• BEISPIEL (HERLEITUNG AUS DEM HAMILTONSCHEN WIRKUNGSPRINZIP)<br />

Wir beginnen mit den nichtrelativistischen Bewegungs - Gleichungen, formulieren <strong>die</strong>se anschließend kovariant um und<br />

betrachten schließlich den Übergang vom <strong>Teil</strong>chen zum Feld.<br />

Nichtrelativistisch wird <strong>die</strong> Bahn des <strong>Teil</strong>chens durch x(t) beschrieben. Die Wirkung S ist durch <strong>die</strong> Lagrange-Funktion L<br />

L = T − V = m<br />

2 �v2 − V (x) (1.153)<br />

bestimmt. Die nichtrelativistische Lagrange-Funktion ist <strong>die</strong> Differenz von T (kinetische Energie) und V (potentielle Energie).<br />

S =<br />

� T<br />

0<br />

L(�x, .<br />

�x, t) dt (1.154)<br />

Die Bewegungsgleichungen, <strong>die</strong> Euler-Lagrange Gleichungen, folgen aus der Variation der Wirkung S nach der Bahn x(t)<br />

bei festgehaltem Anfangs- und Endpunkt.<br />

δS = 0 (1.155)<br />

durch Nullsetzen derselben.<br />

δS =<br />

Sie lauten für<br />

∂L<br />

∂�v δ�x<br />

�<br />

�<br />

�<br />

�<br />

Ende �<br />

Anfang<br />

Ende<br />

Anfang<br />

�<br />

− d<br />

� �<br />

∂L ∂L ∂L<br />

+ δ�x dt +<br />

dt ∂�v ∂�x<br />

∂�v δ�x<br />

�Ende Anfang<br />

= 0<br />

also z. B. für δ�x = 0 am Anfangs- und Endpunkt<br />

�<br />

d ∂L<br />

dt ∂ .<br />

�<br />

=<br />

�x<br />

∂L<br />

∂�x<br />

Die Bewegungsgleichungen lauten explizit<br />

m d<br />

�v = −∂V<br />

dt ∂�x<br />

V = 0 ist <strong>die</strong> Lagrange-Funktion des freien Massenpunktes und<br />

(1.156)<br />

(1.157)<br />

�v = �vo ; �x = �vot (1.158)<br />

ist <strong>die</strong> Bahn. Mit drei geeignet gewählten Bahnen kann ein (inertiales) Kartesisches System realisiert werden.<br />

Analog zur Galileischen Mechanik gehen wir wieder von einem Hamiltonschen Wirkungsprinzip aus mit der Wirkung<br />

S und mit der Lagrange-Funktion L. Daraus folgen wieder Bewegungsgleichungen und Feldgleichungen. Für ein freies<br />

<strong>Teil</strong>chen ist <strong>die</strong> Wirkung gegeben durch den einzig möglichen Lorentz–Skalar: <strong>die</strong> Eigenzeit, τ, des <strong>Teil</strong>chens.<br />

S = −mc 2<br />

�<br />

�<br />

dτ = −<br />

mc<br />

�<br />

ηik<br />

dx i<br />

dλ<br />

dxk dλ (1.159)<br />

dλ<br />

Hier ist λ = s = cτ und kann durch einen beliebigen affinen Parameter zur Beschreibung der <strong>Teil</strong>chenbahn ersetzt werden.<br />

Die Variation ergibt<br />

d ∂L ∂L<br />

=<br />

dλ ∂u ∂x<br />

(1.160)


102 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />

Für ein freies <strong>Teil</strong>chen ist<br />

u = uo ; x = uoτ<br />

<strong>die</strong> Bahn. Mit drei geeignet gewählten Bahnen kann ein (inertiales) Minkowski System realisiert werden.<br />

Der 4-Impuls ist<br />

p i = mcu i in Komponenten: (E/c, �p) (1.161)<br />

wobei m = me <strong>die</strong> Ruhmasse ist und<br />

E = meγc 2<br />

und �p = meγ�v<br />

<strong>die</strong> nichtrelativistischen Komponenten sind.<br />

Die Lagrange-Funktion bzw. Dichte für <strong>die</strong> Kopplung zwischen geladenem <strong>Teil</strong>chen und el. mag. Feld kann nicht durch<br />

Invarianzforderungen bestimmt werden, sie beruht auf experimenteller Erfahrung.<br />

Der folgende Ansatz berücksichtigt <strong>die</strong> Beobachtung, daß es el. Ladungen gibt, aber keine mag. Monopole:<br />

S = − e<br />

c<br />

�<br />

Ai ˙x i dτ = − 1<br />

c<br />

� �<br />

Aij i d 3 xdt<br />

mit der 4-Stromdichte ji für eine Punkt - Ladung. Für <strong>die</strong> Maxwellschen Gleichungen ist demnach <strong>die</strong> Gesamt - Wirkung<br />

S gegeben durch<br />

S = −mc 2<br />

�<br />

dτ − e<br />

�<br />

Aidx<br />

c<br />

i − 1<br />

�<br />

(FikF<br />

16π<br />

ik )d 3 xdt (1.162)<br />

bzw. wenn wir <strong>die</strong> Wechselwirkung als Dichte schreiben<br />

S = −mc 2<br />

�<br />

dτ − 1<br />

�<br />

(Aij<br />

c<br />

i )d 3 xdt − 1<br />

�<br />

16π<br />

Die Lagrange-Dichte der elektromagnetischen Feldes ist<br />

Λem = − 1 ik<br />

FikF<br />

16π<br />

(FikF ik )d 3 xdt (1.163)<br />

(1.164)<br />

der einzige Lorentz Skalar, der zu linearen Gleichungen führt.<br />

Die Bewegung der Elektronen ergibt sich aus der Variation der Bahn x(τ), mit u(τ) = ˙x(τ) und mit δA i (x) = A i k δxk<br />

nach partieller Integration zu<br />

� �<br />

δS = δxi mcú i − e<br />

c F ik �<br />

uk<br />

und liefert <strong>die</strong> kovariante Form der Lorentzkraft und <strong>die</strong> Bewegungsgleichung.<br />

Die Allgemeine Relativitätstheorie<br />

(1.165)<br />

Die logische Erweiterung der SRT ist <strong>die</strong> Riemannsche Differential-Geometrie. Die Metrik wird hier<br />

zum Feld und <strong>die</strong> Feldkomponenten gik = gik(x) sind jetzt ortsabhängig<br />

ds 2 = gikdx i dx k<br />

(1.166)<br />

Das Feld kann (in einem gekrümmten Raum) nicht mehr global (d.h. für alle x) auf Diagonalform mit<br />

konstanten Koeffizienten gebracht werden, wohl aber noch in einem Punkt (punktal).<br />

Die Einsteinschen Feldgleichungen folgen, wie jede gute Theorie, aus einem Wirkungsprinzip<br />

δS = 0 ; S = 1<br />

�<br />

Λ<br />

c<br />

√ −gdΩ ; dΩ = d 4 x = cdtdV (1.167)<br />

wobei <strong>die</strong> Wirkung S <strong>die</strong> Summe aus den verschiedenen Feldanteilen ist. Alle Felder tragen (in linearer<br />

Superposition) bei<br />

�<br />

S = (Λg + Λm + Λv) √ −g dΩ<br />

(1.168)<br />

c<br />

Wir geben hier vorerst nur drei Felder explizit an:


1.5. GEOMETRIE DER RAUMZEIT 103<br />

1. das metrische Feld<br />

Λg = − 1<br />

R (1.169)<br />

2ˆκ<br />

2. das elektromagnetischen Feld<br />

Λem = − 1 ik<br />

FikF<br />

16π<br />

3. das ’Vakuum’, mit Λv = const<br />

Sv = − 1<br />

�<br />

ˆκ<br />

√ dΩ<br />

Λv −g<br />

c<br />

(1.170)<br />

(1.171)<br />

mit dem Index g für Geometrie, em für elektromagnetisch und mit dem Index v für Vakuum.<br />

Die Materie (mit Index m) wird meist phänomenologisch als Staub behandelt. Die Größen Λv (Einsteins<br />

Kosmologische Konstante) und R (Ricci Skalar) haben <strong>die</strong> Dimension eines inversen Längenquadrats,<br />

<strong>die</strong> metrischen Koeffizienten gab sind dimensionslos. Die dimensionelle Umrechnung auf <strong>die</strong> Energiedichte<br />

Λem geschieht mit ˆκ<br />

κ = 8πG<br />

= 1.86 · 10−27<br />

c2 cm g−1 ; ˆκ = κ<br />

= 2 · 10−48<br />

c2 cm 3 g −1 s −2 (1.172)<br />

anstelle der Gravitationskonstanten G. Die Wirkung S ist ein Skalar, was garantiert, daß das Plancksche<br />

Wirkungsquantum h der Quantisierung unabhängig vom Bewegungszustand ist.<br />

Die Einsteinschen Feldgleichungen lauten, mit der Gravitationskonstanten der ART (relativistische<br />

Kopplungskonstante ˆκ)<br />

Gab = ˆκTab<br />

Der Energie-Impulstensor des Vakuums erscheint auf der rechten Seite als:<br />

Tab = 1<br />

ˆκ Λvgab<br />

(1.173)<br />

(1.174)<br />

Bei Einstein (in seinem statischen Universum) war er auf der linken Seite als −R −2<br />

E gab.<br />

Im isotropen Kosmos gilt folgendes: im mitbewegten System ist der gesamte Energie-Impulstensor<br />

(Materie plus Photonen) diagonal mit Komponenten<br />

T i k = diag(ɛ, − p, − p, − p) (1.175)<br />

Das (Robertson-Walker) Linienelement, ds 2 , ist von der Form:<br />

ds 2 = gikdx i dx k = c 2 dt 2 − a(t) 2 dl 2 (k) (1.176)<br />

dl 2 (k) = dχ 2 + σk(χ) 2 (dΘ 2 + sin 2 Θdφ 2 ) (1.177)<br />

Damit lauten <strong>die</strong> (einzigen nichttrivialen) Einsteinschen Gleichungen<br />

G 0 �<br />

′ a<br />

0 = 3<br />

a<br />

G 1 1 = 2 a′′<br />

a +<br />

�<br />

′ a<br />

a<br />

� 2<br />

� 2<br />

� �2 1<br />

+ 3k<br />

a<br />

� �2 1<br />

+ k<br />

a<br />

= ˆκT 0 0 = ˆκɛ (1.178)<br />

= ˆκT 1 1 = −ˆκp (1.179)<br />

Sie wurden erstmals von Friedmann aufgestellt und gelöst (Urknall) und von Lemaître (Atome primitif)<br />

auf den Kosmos angewandt.


104 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />

• FORMELN (DAS FRIEDMANN - LEMAÎTRE UNIVERSUM)<br />

Die Isotropie des Raums führt auf das Robertson-Walker Linienelement, ds 2 :<br />

ds 2 = gikdx i dx k = c 2 dt 2 − a(t) 2 dl 2 (k) (1.180)<br />

dl 2 (k) = dχ 2 + σk(χ) 2 (dΘ 2 + sin 2 Θdφ 2 ) (1.181)<br />

Daraus folgen <strong>die</strong> Friedmannschen Gleichungen<br />

� ′ a<br />

3<br />

a<br />

2 a′′<br />

a +<br />

� ′ a<br />

a<br />

� 2<br />

� 2<br />

�<br />

1<br />

+ 3k<br />

a<br />

�<br />

1<br />

+ k<br />

a<br />

� 2<br />

� 2<br />

= ˆκɛ (1.182)<br />

= −ˆκp (1.183)<br />

Setzt man <strong>die</strong> kosmologische Konstante gleich Null, so erhält man das Friedmann-Lemaître Universum. Es ist heute das<br />

Standardmodell (F-L Modell) für den Kosmos. Zur Beschreibung definiert man zwei dimensionslose Parameter, den Dichteparameter<br />

Ω<br />

Ω = κρa2<br />

3˙a 2<br />

und den Dezelerationsparameter q:<br />

q = − äa<br />

˙a 2<br />

(1.184)<br />

(1.185)<br />

Beide Parameter sind in Wahrheit zeitabhängig, ebenso <strong>die</strong> Hubble Konstante. Ihre Bestimmung zum heutigen Zeitpunkt,<br />

Index o, legt das Standard F-L Modell eindeutig fest. Gewöhnlich benutzt man <strong>die</strong> direkt messbare Hubble Konstante H<br />

Ω = ρ<br />

ρc<br />

= κρc2<br />

3H 2<br />

und eine kritische Dichte ρcr:<br />

ρc = 3H2<br />

c 2 κ<br />

Der Zusammenhang zwischen den Parametern q, k und H ist<br />

(1.186)<br />

(1.187)<br />

kc 2<br />

a 2 = (2q − 1)H2 = H 2 (Ω − 1) (1.188)<br />

• BEISPIEL (KOVARIANTE FORMULIERUNG DER MAXWELLSCHEN GLEICHUNGEN II)<br />

Die inhomogenen Gleichungen lauten explizit<br />

F ik ;k = − 4π<br />

c ji<br />

(1.189)<br />

dabei bedeutet das Semikolon <strong>die</strong> kovariante Ableitung. Da F ik ein anti-symmetrischer Tensor (2ter Stufe) ist, gilt eine<br />

besonders einfache Form<br />

F ik ;k = 1 �√ ik √ −gF<br />

−g<br />

�<br />

= −4π<br />

,k c ji<br />

Daraus folgt <strong>die</strong> kovariante Form der Ladungserhaltung<br />

(1.190)<br />

1 �√ k √ −gj<br />

−g<br />

�<br />

= 0 (1.191)<br />

,k


1.5. GEOMETRIE DER RAUMZEIT 105<br />

1.5.2 Kosmologie und Geometrie<br />

Der Euklidische Raum<br />

Bisher haben wir stillschweigend angenommen, daß der Raum, in dem wir Längenmessungen durchführen,<br />

ein Euklidischer Raum ist und daß <strong>die</strong> Messungen instantan sind (was unendliche Signalgeschwindigkeit<br />

beim synchronisieren der Uhren voraussetzt).<br />

• ANMERKUNG (DIE FÜNF AXIOME DER EUKLIDISCHEN GEOMETRIE)<br />

Euklid (330 - 270 vor Chr) benötigt zum Aufbau seiner Geometrie nur fünf Axiome. Diese bestimmen also <strong>die</strong> Geometrie<br />

eindeutig.<br />

Die fünf Axiome seiner Geometrie lauten original:<br />

1. Daß man von jedem Punkt nach jedem Punkt <strong>die</strong> Strecke ziehen kann.<br />

2. Daß man eine begrenzte Linie zusammenhängend gerade verlängern kann.<br />

3. Daß man mit jedem Mittelpunkt und Abstand den Kreis ziehen kann.<br />

4. Daß alle rechten Winkel einander gleich sind.<br />

5. Daß es zu einer Geraden g und einem Punkt P nur eine Gerade durch <strong>die</strong>sen Punkt P gibt, der <strong>die</strong> Gerade g nirgends<br />

schneidet. (Parallelenaxiom).<br />

Zwei weitere Axiome waren für Euklid selbstverständlich und wurden nicht einmal erwähnt, nämlich:<br />

1. Daß man ein ebenes Gebilde frei von einem Ort zum andern bewegen kann, ohne seine Form zu ändern (Bewegungsgeometrie).<br />

2. Daß gleich-ortigkeit gleich-zeitig (d. h. instantan) feststellbar ist, d. h. daß Signalübermittlung mit unendlicher<br />

Geschwindigkeit stattfindet.<br />

Diese fünf Axiome hatten mehr als 2000 Jahre ihre Gültigkeit behaupten können. In <strong>die</strong>ser Zeit hat es zahllose ’Beweise’<br />

gegeben, daß man ohne das Parallelenaxiom auskommen kann, daß also vier Axiome zur Bergründung der Geometrie<br />

ausreichen.<br />

Läßt man das Parallelenaxiom fallen, dann gibt es genau drei verschiedene Geometrien, welche durch<br />

<strong>die</strong> ersten vier Axiome bestimmt werden: <strong>die</strong> Flächen konstanter Krümmung (Gauß, Bolay und Lobatschewski).<br />

Übertragen auf den 3dim Raum gelangen wir so zu den Räumen konstanter Krümmung.<br />

Räume konstanter Krümmung<br />

Solche Räume sind in der Kosmologie von besonderem Interesse: sie erfüllen das kosmologische<br />

Prinzip (Einstein), welches verlangt, daß kein Raumpunkt vor dem anderen ausgezeichnet sei. Infinitesimal<br />

gilt dabei stets <strong>die</strong> Minkowskische Raum-Zeit (ds 2 = ηikdx i dx k mit Euklidischer Geometrie),<br />

lokal wird <strong>die</strong> Geometrie durch einen Riemannschen Raum (Differential-Geometrie mit Metrik<br />

ds 2 = gikdx i dx k ) beschrieben.<br />

Das kosmologische Prinzip führt (in der ART) zwingend auf <strong>die</strong> Homogenität und Isotropie des Raums.<br />

Diese wiederum führt eindeutig auf das Robertson-Walker Linienelement, ds 2 :<br />

ds 2 = gikdx i dx k = c 2 dt 2 − a(t) 2 dl 2 (k) (1.192)<br />

dl 2 (k) = dχ 2 + σk(χ) 2 (dΘ 2 + sin 2 Θdφ 2 ) (1.193)<br />

mit dem Raum-Linienelement a(t) 2 dl 2 (k). Es beschreibt <strong>die</strong> Metrik eines Raums örtlich konstanter,<br />

dl 2 (k), (aber durch den Vorfaktor zeitlich veränderlicher) Raumkrümmung mit Radius a(t) und mit der<br />

topologischen Invarianten k. Diese ist (in der ART) diskret, k = 0 oder k = ±1 mit der dazugehörigen<br />

Massstabsfunktion σk(χ):<br />

σ1(χ) = sin χ (1.194)<br />

σ0(χ) = χ (1.195)<br />

σ−1(χ) = Sinhχ (1.196)


106 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />

wobei k = 1 ein geschlossenes Universum, k = 0 ein flaches (Minkowski) und k = −1 ein offenes<br />

Universum konstanter negativer Raumkrümmung ergeben. Zu verschiedenen Zeiten können <strong>die</strong><br />

Raumschnitte (der Krümmungsradius a(t)) verschieden sein. Es wird im Standardmodell, d. h. den<br />

Friedmannschen Lösungen der ART realisiert. Im Rahmen der ART kann der Charakter einer Raumzeit<br />

nicht geändert werden, k ist eine topologische Invariante.<br />

Bestimmung der Raumkrümmung<br />

Tatsächlich ist aber Geometrie (Raum) nichts Absolutes, wie etwa Galilei und Newton annahmen noch<br />

folgt sie aus philosophischen Prinzipien. Die Allgemeine Relativitätstheorie Einsteins zeigt, daß <strong>die</strong><br />

Geometrie durch <strong>die</strong> Verteilung der Masse verbogen wird und es ist nötig (und möglich), durch Messungen<br />

(von Längen und Winkeln) im Grossen (D > 1000 Mpc) festzustellen, in welcher Geometrie<br />

wir wirklich leben. Das kosmologische Prinzip findet seine beste Stütze in der Isotropie der Hintergrundstrahlung.<br />

• FORMELN (TESTS DER GEOMETRIE)<br />

Der einfachste Test, herauszufinden, in welcher Geometrie wir leben, ist, <strong>die</strong> Winkelsumme im Dreieck zu bestimmen. Ein<br />

solches Dreieck sollte allerdings als Basislänge von einigen Gigaparsec haben (Gauß versuchte 1827 eine solche Bestimmung<br />

am Brocken im Harz). Alternativen sind Anzahlmessungen von Standardkerzen, N(z), oder scheinbare Durchmesser<br />

von Standardlängen als Funktion der Rotverschiebung z.<br />

1. N(< z) = nV ∝ z3 .<br />

2. logN - logf Anzahl N von Objekten der Leuchtkraft L bis zum Fluß f.<br />

N(> f) = nV = 4π<br />

3 r3n = 4π<br />

3 n<br />

� �3/2 L<br />

4π<br />

oder<br />

(1.197)<br />

N(< m) ∝ dex(0.6m) (1.198)<br />

3. Öffnungswinkel α(z) einer Standardlänge d<br />

d(1 + z)<br />

α(z) =<br />

Dl<br />

∝ 1<br />

z<br />

Ob <strong>die</strong> Geometrie allerdings vollständig durch <strong>die</strong> Massenverteilung bestimmt wird, wie zuerst von<br />

Newton vermutet (Eimerversuch), dann von Ernst Mach postuliert und schließlich von Einstein in<br />

seinem ersten Modell vom Kosmos realisiert, ist im Rahmen der ART eine offene Frage. Denkbar und<br />

erlaubt ist z. B. ein Universum, welches von Gravitationswellen in der Frühphase dominiert wird. Das<br />

ist möglich da <strong>die</strong> Anfangsbedingungen des Universums unbekannt sind.<br />

Newtonsche Kosmologie<br />

Kosmologie ist <strong>die</strong> physikalische Beschreibung der Welt als Ganzes, also des Universums (lat. ’Alles’)<br />

bzw. des Kosmos (gr. ’das Schöne’, ’das Wohlgeordnete’).<br />

Eine Kosmologie, <strong>die</strong> <strong>die</strong>sen Namen ver<strong>die</strong>nt, gibt es erst seit Beginn <strong>die</strong>ses Jahrhunderts. Die mathematische<br />

Beschreibung geschieht mithilfe der Riemannschen Differential Geometrie. Die Grundgleichungen<br />

wurden von Einstein (1915) als Allgemeine Relativitätstheorie (ART) bezeichnet. Damit wird<br />

betont, daß <strong>die</strong> ART als <strong>die</strong>jenige Erweiterung der Spezielle Relativitätstheorie zu verstehen ist, <strong>die</strong> es<br />

erlaubt, <strong>die</strong> Gravitation mit einzubeziehen.<br />

Die Einsteinsche Gravitation führt keine neue Fundamentalkonstante ein, sie übernimmt <strong>die</strong> Lichtgeschwindigkeit<br />

c von der SRT und <strong>die</strong> Gravitationskonstanten G<br />

G = 6.6732 · 10 −8<br />

der Newtonschen Gravitation.<br />

cm 3 g −1 s −2 (1.199)


1.5. GEOMETRIE DER RAUMZEIT 107<br />

Für <strong>die</strong> Kosmologie ist folgendes wichtig. Es handelt sich um Differentialgleichungen 2ter Ordnung,<br />

bestimmt wird der dynamische <strong>Teil</strong> der Metrik. Wir definieren dazu <strong>die</strong> relativistischen Kopplungskonstanten<br />

κ = 8πG<br />

= 1.86 · 10−27<br />

c2 cm g−1 ; ˆκ = κ<br />

= 2 · 10−48<br />

c2 cm 3 g −1 s −2 (1.200)<br />

anstelle der Gravitationskonstanten G.<br />

Die (heutigen) Anfangsbedingungen für den Raum, Homogenität und Isotropie, wurden ebenfalls von<br />

Einstein erstmals formuliert und werden heute noch in <strong>die</strong>ser Form akzeptiert.<br />

In Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie ist das Gravitationsfeld ein metrisches Tensorfeld gab (vom<br />

Spin 2) mit der Energie–Impuls Tensordichte Tab als Quelle. Es kann lokal (etwa in einem frei fallenden<br />

Fahrstuhl) wegtransformiert werden, für <strong>die</strong> anderen Felder gilt dann <strong>die</strong> Spezielle Relativitätstheorie,<br />

d. h. <strong>die</strong> Feldgleichungen haben punktal <strong>die</strong> Minkowski Form (wie in einem Raum ohne Gravitation).<br />

Wir werden hier <strong>die</strong> Newtonsche Form der Einsteinschen Kosmologie betrachten.<br />

Der Grund dafür, daß es eine sinnvolle Newtonsche Näherung der Kosmologie überhaupt gibt, liegt<br />

darin, daß bei sphärischer Symmetrie der Materieverteilung so wie bei Newton auch in der ART <strong>die</strong><br />

Materie außerhalb einer Kugelschale keinen Beitrag zur Kraft innerhalb derselben liefert (Birkhoffscher<br />

Satz). Beschränkt man sich demnach auf genügend kleine Unterbereiche des Kosmos, dann sollte<br />

<strong>die</strong> Dynamik Newtonsch zu beschreiben sein.<br />

Wir benutzen <strong>die</strong> während der Expansion des Universums erhaltene Masse M<br />

M = 4πρ<br />

3 r3<br />

(1.201)<br />

als Referenz für den Radius r. Der Index o bezieht sich auf den heutigen Zeitpunkt und Beobachter.<br />

Aus der Massenerhaltung folgt für alle Zeiten t<br />

ρr 3 = 3M<br />

4π = ρor 3 o<br />

(1.202)<br />

Da nach dem kosmologischen Prinzip <strong>die</strong> Materiedichte ρ nur eine Funktion der Zeit sein kann, folgt,<br />

daß <strong>die</strong> Bewegung jeder Massenschale homolog verlaufen muß:<br />

� �1/3 ρo<br />

r(t) = ro = f(t)ro<br />

(1.203)<br />

ρ(t)<br />

mit f(to) = 1. Für <strong>die</strong> Geschwindigkeit ˙r erhält man<br />

˙r = ˙<br />

fro = ( ˙<br />

f/f)r = Hr (1.204)<br />

Damit haben wir das Hubble Gesetz erhalten: für jedes r gilt zum Zeitpunkt t für <strong>die</strong> Bewegung<br />

˙r = H(t) r (1.205)<br />

Unser nächstes Ziel ist es, in <strong>die</strong>ser Newtonsche Kosmologie <strong>die</strong> Funktion H(t) zu bestimmen.<br />

Bei Kugelsymmetrie lautet <strong>die</strong> Bewegungsgleichung des Radius a<br />

ä = − GM<br />

= −4πG ρa (1.206)<br />

a2 3<br />

Zu einem gegebenen Zeitpunkt ist <strong>die</strong> rücktreibende Beschleunigung proportional zum Abstand. Zur<br />

Integration gehen wir aus von der konstanten Masse M mit räumlich konstanter Dichte ρ = ρ(t). Die<br />

Bewegung hat das erste Integral mit der willkürlich so normierten Integrationskonstanten −kc2 :<br />

˙a 2 = 2GM<br />

− kc2<br />

(1.207)<br />

a<br />

welches unschwer als Energiesatz der ART wiedererkannt werden kann, falls man a geeignet wählt.


108 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />

• ANMERKUNG (ZEITVARIABLE)<br />

Es ist üblich in der ART Dimensionen zu benutzen, wo G = c = 1 ist. Aus didaktischen Gründen wollen wir <strong>die</strong><br />

Abhängigkeit von den Fundamentalkonstanten (zur bequemeren Nachprüfbarkeit) stets vollständig angeben. Wir definieren<br />

stattdessen ξ = ct für <strong>die</strong> Zeitvariable, sodaß ′ <strong>die</strong> Ableitung nach ξ = ct bedeutet. Damit schreibt sich obiger Energiesatz<br />

der ART in pseudo Einsteinscher Form<br />

(a ′ ) 2 + k = 2GM<br />

c 2 a = κρa2 = ˆκɛ 2<br />

Hier ist ɛ = ρc 2 <strong>die</strong> Energiedichte. Sie enthält in der ART jegliche Form an Energie.<br />

Der 1. Hauptsatz der Thermodynamik (für <strong>die</strong> Energie und Materie im Universum) lautet:<br />

T k<br />

i ;k = 0 ; (ɛa 3 ) ′ = −3pa 2 a ′<br />

oder in bekannter Form<br />

(1.208)<br />

(1.209)<br />

˙E = (ɛa 3 )˙ = −p(a 3 )˙ = −p ˙ V (1.210)<br />

In der ART folgt er notwendig aus den Einsteinschen Feldgleichungen.<br />

• ZUSATZ (DIE EINSTEINSCHEN FELDGLEICHUNGEN)<br />

Die Einsteinschen Feldgleichungen lauten<br />

Gab = ˆκTab<br />

(1.211)<br />

Im isotropen Kosmos ist der gesamte Energie-Impulstensor (Materie plus Photonen) im mitbewegten System diagonal mit<br />

Komponenten<br />

T i k = diag(ɛ, − p, − p, − p) (1.212)<br />

Damit lauten <strong>die</strong> (einzigen nichttrivialen) Einsteinschen Gleichungen<br />

G 0 0 = 3<br />

G 1 1 = 2 a′′<br />

a +<br />

� a ′<br />

a<br />

� ′ a<br />

a<br />

� 2<br />

� 2<br />

�<br />

1<br />

+ 3k<br />

a<br />

�<br />

1<br />

+ k<br />

a<br />

� 2<br />

� 2<br />

= ˆκT 0 0 = ˆκɛ (1.213)<br />

= ˆκT 1 1 = −ˆκp (1.214)<br />

Einfache Umformungen liefern <strong>die</strong> folgenden nützlichen, expliziten Relationen für den Skalenfaktor a:<br />

(a ′ ) 2 = −k + ˆκ<br />

3 ɛa2<br />

(1.215)<br />

a ′′ = − ˆκ<br />

(ɛ + 3p)a (1.216)<br />

6<br />

(a 2 ) ′′ = −2k + ˆκ<br />

(ɛ − 3p)a2<br />

3<br />

(1.217)<br />

Die erste Gleichung enthält den Druck überhaupt nicht. Sie ist formal identisch mit der Newtonschen. Der Druck steckt<br />

implizit über den 1. Hauptsatz der Thermodynamik in der Bewegung von a(t). Geeignet uminterpretiert geht sie in <strong>die</strong><br />

Newtonsche Bewegungsgleichung über und zwar kann sie dort als Energiesatz des Kosmos bezeichnet werden.<br />

Die zweite Gleichung kann als Kraftgleichung (Beschleunigungsgleichung des Kosmos) interpretiert werden: sie enthält<br />

<strong>die</strong> Kombination ɛ + 3p, also auch den Druck, als aktive gravitierende Masse (fehlt bei Newton, stammt aus der SRT) und<br />

ist unabhängig von der 3er-Geometrie k.<br />

Bei bekannter Zustandsgleichung können <strong>die</strong> Gleichungen leicht gelöst werden.<br />

Oft wird anstelle von a(t) <strong>die</strong> Bezeichnung R(t) für den Radius der Raumkrümmung benutzt. Der Hubble Expansionsparameter<br />

H und <strong>die</strong> kritische Dichte des Universums wird damit wie folgt definiert:<br />

H = ˙ R<br />

R<br />

; ρc = 3<br />

8πG H2<br />

; Ω = ρ<br />

ρc<br />

= 8πG<br />

3 ρH−2<br />

(1.218)


1.5. GEOMETRIE DER RAUMZEIT 109<br />

Wir sehen, daß es drei fundamental verschiedene Bewegungen gibt, welche durch <strong>die</strong> Gesamtenergie,<br />

bei Einstein durch <strong>die</strong> Geometrie<br />

Etot = Ekin + Epot<br />

des Systems bestimmt werden:<br />

1. Etot < 0 (gebundenes System, k = +1).<br />

Die Expansion verläuft bis zu einem maximalen Radius, dem Schwarzschild Radius Rs der Masse<br />

M,<br />

a = amax<br />

ct =<br />

(1 − cos η)<br />

2<br />

(1.219)<br />

amax<br />

(η − sin η)<br />

2<br />

(1.220)<br />

amax = 2GM<br />

c2 = Rs (1.221)<br />

und rekollabiert dann (wieder in eine Singularität).<br />

2. Etot > 0 (ungebundenes System, k = −1).<br />

Im Falle positiver Gesamtenergie expan<strong>die</strong>rt das System für alle Zeiten mit von Null verschiedener<br />

Grenzgeschwindigkeit: ˙a(∞) = c.<br />

Dabei ist<br />

a = a1(cosh η − 1) (1.222)<br />

ct = a1(sinh η − η) (1.223)<br />

a1 = GM 1<br />

=<br />

c2 2 Rs<br />

(1.224)<br />

3. Etot = 0 (indifferentes System, k = 0).<br />

Im Grenzfall verschwindender Gesamtenergie ist <strong>die</strong> Lösung besonders einfach. Die Bewegungsgleichung<br />

(Energiesatz) lautet:<br />

˙a 2 = 2GM<br />

a<br />

Mit der Lösung<br />

a =<br />

= c2 Rs<br />

a<br />

�<br />

3√<br />

�2/3<br />

2GM t =<br />

2<br />

8πGρ<br />

= a<br />

3<br />

2 = H 2 a 2<br />

�<br />

3�<br />

�2/3<br />

Rsct<br />

2<br />

Das System expan<strong>die</strong>rt für alle Zeiten, allerdings mit Grenzgeschwindigkeit Null: ˙a(∞) = 0.<br />

(1.225)<br />

(1.226)<br />

In unserer Näherung ist ein kosmologisches Modell durch zwei Parameter eindeutig bestimmt, welche<br />

zu beliebigem Zeitpunkt gemessen werden können. Diese sind z. B.<br />

1. <strong>die</strong> Hubble Konstante H(to) = Ho und<br />

2. <strong>die</strong> Dichte ρo = ρ(to).


110 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />

Die für k = 0 auftretende Dichte<br />

ρc = 3H2<br />

c 2 κ<br />

(1.227)<br />

stellt eine kritische Dichte dar: ein Kosmos mit höherer Dichte rekollabiert wieder (in unserer jetzigen<br />

Näherung). In Zahlen<br />

ρc = 3H2<br />

8πG = 5 · 10−30 (2h) 2<br />

gcm −3<br />

Wir definieren damit den dimensionslosen Dichteparameter Ω = Ω(t)<br />

Ω = ρ<br />

ρc<br />

= κρc2<br />

3H 2<br />

(1.228)<br />

(1.229)<br />

Damit ist demnach ein kosmologisches Modell eindeutig durch <strong>die</strong> dimensionslosen Parameter h und<br />

Ω zum heutigen Zeitpunkt festgelegt. Wir wollen im folgenden versuchen, <strong>die</strong> Parameter h(to) und<br />

Ω(to) zu bestimmen, wir werden dabei den Index weglassen, falls keine Missverständnisse möglich<br />

sind. Dazu definieren wir zunächst nützliche Einheiten für Masse und Leuchtkraft (von Galaxien und<br />

Galaxienhaufen).<br />

• ANMERKUNG (DIE ZUSTANDSGLEICHUNG DES KOSMOS)<br />

Die Bestimmung der Zustandsgleichung aller Komponenten eines Universums extrem hoher spezifischer Entropie, nγ/nb ≈<br />

10 8 . . . 10 10 ist besonders einfach. Jedenfalls gilt <strong>die</strong>s für <strong>die</strong> sichtbare Materie. Die Bestimmung gelingt weitgehend mit<br />

den Hauptsätzen der Thermodynamik. Die genauere Behandlung folgt später. Hier geben wir <strong>die</strong> einfachsten Anteile.<br />

Sowohl <strong>die</strong> Sterne (oder <strong>die</strong> Galaxien) als ganzes als auch das Plasma aus Protonen und Elektronen (plus kleiner Beimengungen)<br />

kann als eine ideale Flüssigkeit approximiert werden. Insbesondere ist heute P = 0 vollkommen ausreichend.<br />

Für Zustandsgleichung und Entropiedichte s der Photonen gilt<br />

p = 1<br />

3<br />

ɛ ; s =<br />

3 4<br />

ɛ<br />

T<br />

Dabei ist ɛ <strong>die</strong> Energiedichte und p der Druck.<br />

Die Zustandsgleichung des Vakuums ist p = −ɛ = const.<br />

Wir betrachten <strong>die</strong> allgemeine Zustandsgleichung der Form p = γɛ. Dafür wird Glchg. (1.210)<br />

(ɛa 3 ) ′ = −γɛ(a 3 ) ′ mit ɛ = ɛo<br />

Für alle drei Grenzfälle<br />

� �<br />

ao<br />

3(1+γ)<br />

a<br />

1. p = 0, d. h. γ = 0, (Näherung für heute, Staubuniversum)<br />

� �<br />

ao<br />

3<br />

ɛ = ɛo<br />

a<br />

2. P = ɛ/3, d. h. γ = 1/3, (frühes Universum, strahlungsdominiert)<br />

� �<br />

ao<br />

4<br />

ɛ = ɛo<br />

a<br />

3. P = −ɛ, d. h. γ = −1, (Vakuum, dominiert <strong>die</strong> Zukunft)<br />

ɛ = ɛo<br />

können <strong>die</strong> Einsteinschen Gleichungen geschlossen gelöst werden.<br />

(1.230)<br />

(1.231)


1.5. GEOMETRIE DER RAUMZEIT 111<br />

Kosmologisch geeignete Einheiten für Masse und Leuchtkraft<br />

Wir werden im folgenden <strong>die</strong> Hubble Relation zur Entfernungsbestimmung<br />

Dl = 6 1 1 + 0.5z<br />

z<br />

2h 1 + z<br />

und für <strong>die</strong> Leuchtkraft<br />

Le = 4πD 2 l fo<br />

Gpc (1.232)<br />

(1.233)<br />

benutzen. Der Index o bezieht sich auf den Beobachter, fo ist der (der direkt messbare) Fluß (einer<br />

Linie), z ist <strong>die</strong> Rotverschiebung und h ist <strong>die</strong> natürliche, dimensionslose Entfernungs - Masseinheit<br />

(Hubble Parameter) für Kosmologen. Sie wird später erklärt.<br />

Mit h = 0.5 als Richtwert ergibt sich<br />

Le = 4 · 10 57 foz 2<br />

� �2 1 + 0.5z<br />

erg s<br />

1 + z<br />

−1 (1.234)<br />

Eigentlich sollte <strong>die</strong>se Relation erst ab D = 100 Mpc verwendet werden (also ab z = v/c = 1/30 oder<br />

v = zc = 10 4 km s −1 für <strong>die</strong> Fluchtgeschwindigkeit), sie <strong>die</strong>nt mangels besserem hier als Richtwert<br />

und scheint durchaus geeignet zur Entfernungsbestimmung ab Virgo Haufen (z = 1/150).<br />

Wir nehmen an, daß <strong>die</strong> Milchstraße typisch für Galaxien ist, ähnlich wie <strong>die</strong> Sonne für Sterne. Für das<br />

folgende führen wir damit neue, praktische Einheiten ein<br />

1. für <strong>die</strong> Gesamtleuchtkraft<br />

L∗ = 2.5 · 10 10 L⊙ = 10 44<br />

2. und <strong>die</strong> Gesamtmasse (Dunkelmasse inklusive)<br />

erg s −1 (1.235)<br />

M∗ = 1 · 10 12 M⊙ = 2 · 10 45 g (1.236)<br />

Für <strong>die</strong> Milchstraße und für M31 gilt dann L ≈ L∗ und (inklusive Dunkelmasse) M ≈ M∗. Der<br />

Quasar 3C 273 hat dagegen L ≈ 10 3 L∗ und <strong>die</strong> stärksten Quellen erreichen ein dex mehr, L ≈ 10 4 L∗<br />

an Dauerleuchtkraft. Allerdings liegt das Maximum der Strahlung im Gammabereich.<br />

1.5.3 Galaxien<br />

Für <strong>die</strong> Kosmologie sind Galaxienhaufen <strong>die</strong> Grundbausteine, sie folgen nicht der kosmologischen<br />

Expansion. Ob Galaxien oder einzelne ihrer Objekte (wie Sterne, Novae, Supernovae usw.) als Standardkerzen<br />

taugen, hängt letztlich davon ab, ob sie physikalisch verstanden werden können.<br />

Direkt beobachtbar an Galaxien sind <strong>die</strong> Flächenhelligkeit (bzw. aufintegriert ihre Leuchtkraft), <strong>die</strong><br />

Dopplerverschiebung, <strong>die</strong> Breite von Linien und <strong>die</strong> chemische Häufigkeit der Elemente.<br />

• ANMERKUNG (INTEGRALE EIGENSCHAFTEN DER GALAXIEN)<br />

Bisher haben wir Galaxien betrachtet, wie sie in unserer näheren Umgebung vorkommen. Das Hauptanliegen war, ihre<br />

Entfernung zu bestimmen und daraus, wenn möglich, neue Eichkerzen zu finden.<br />

Wir geben zunächst eine tabellarische Zusammenfassung der integralen Eigenschaften für <strong>die</strong> Galaxien unserer näheren<br />

Umgebung, wie wir sie leicht ableiten können, falls <strong>die</strong><br />

Entfernung bekannt ist.<br />

D ist hier der optische Durchmesser der Galaxie, das<br />

Klasse Mv(min) Mv(max) Dmin Dmax<br />

Doppelte des sog. Holmberg Radius. Dieser ist definiert<br />

mag mag kpc kpc<br />

durch den Abfall der Flächenhelligkeit auf einen phänomenologischen Elliptisch −16 −22 10 50<br />

Festwert. Die nach dem Virialsatz bestimmten Massen reichen<br />

von M = 1 · 10 10 M⊙ bis etwa M = 1 · 10 12 M⊙, der<br />

Rekord beträgt dabei M = 3 · 10 13 M⊙ für M87. In <strong>die</strong>sen<br />

Massen ist <strong>die</strong> Dunkelmaterie enthalten.<br />

Zwerg Galaxien sind nochmals leichter. Über Dunkelmaterie<br />

ist bei ihnen nichts bekannt. Sie bilden den Übergang<br />

Spirale −16 −21 10 30<br />

Irregulär −14 −18 5 20<br />

Zwergsystem −10 −16 1 10<br />

Tab. 1.42: Galaxien-Eigenschaften


112 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />

zu den Kugelsternhaufen, für <strong>die</strong> entsprechendes gilt.<br />

Eine cD Galaxie ist eine (vorangestelltes c bedeutet cluster) riesenhaft elliptische Galaxie mit hellem Kern und diffusem<br />

(D) Rand. Ein Galaxienhaufen hat meist eine cD Galaxie im Zentrum. Man nimmt an, daß solche Galaxien durch Kannibalismus<br />

so groß geworden sind, damit dürfte <strong>die</strong> Leuchtkraft von der Umgebung und der Vorgeschichte abhängen. Als<br />

Standardkerze scheiden cD Galaxien damit aus. Eine cE Galaxie ist eine extrem kompakte Galaxie, eine dE Galaxie ist<br />

zwergenhaft elliptisch.<br />

• BEISPIEL (OBJEKTE DES VIRGO HAUFENS)<br />

In der näheren Umgebung des Virgo Haufens mit der Lokalen Gruppe am Rand (in einem Radius von maximal 50 Mpc)<br />

befinden sich, neben vielen Gruppen<br />

1. der grosse Attraktor und gegenüberliegend<br />

2. der Pisces-Perseus Haufen,<br />

3. <strong>die</strong> grosse Mauer und<br />

4. ein Leerraum von 100 Mpc.<br />

Diese Objekte sind alle erst kürzlich als solche erkannt worden (hauptsächlich über <strong>die</strong> dritte Dimension: <strong>die</strong> Bestimmung<br />

der Rotverschiebung an vielen Mitglieds Galaxien).<br />

Es zeigt sich aber, daß es darüberhinaus noch weite Objekte (und Strukturen) gibt, wahrscheinlich<br />

Galaxien in einem anderen Entwicklungszustand, <strong>die</strong> in unserer Nähe nicht vorkommen. Es handelt<br />

sich zwar nur um eine sehr geringe Anzahl (etwa 2%) solcher Objekte, dafür sind ihre Charakteristika<br />

um so erstaunlicher.<br />

Kolli<strong>die</strong>rende Galaxien<br />

Die Kollision (Zusammenstoss) von zwei Sternen ist selbst in Kugelsternhaufen so selten, daß kein einziges<br />

Ereignis bisher beobachtet wurde. Ganz anders sieht es bei Galaxien in Galaxienhaufen aus. Es<br />

mag deshalb überraschen, daß es viele Beispiele von kolli<strong>die</strong>rende Galaxien gibt, den sog. Starburst-<br />

Galaxien, (engl. burst: Schwall, Ausbruch). Gemeint sind allgemein Sterngeburten mit extrem hoher<br />

Rate, <strong>die</strong> nach bisheriger Interpretation durch einen Stoß getriggert wurden. Obwohl es direkte optische<br />

Evidenz für kolli<strong>die</strong>rende Galaxien seit langer Zeit gibt, so haben doch erst moderne Beobachtungstechniken<br />

im Radio- und vor allem im Röntgen-Bereich zu einem befriedigenden und eindeutigen<br />

Gesamtbild geführt. Ursprünglich wurden Galaxien <strong>die</strong>ses Typs als explo<strong>die</strong>rende Galaxien<br />

von Ambartsumian interpretiert. Typisch für stossende Galaxien sind gravische Verformung, Jets und<br />

Starbursts.<br />

• DEFINITION (STARBURST)<br />

Nach Larson und Tinsley versteht man unter einer Starburst-Galaxie eine Galaxie, in der ein Burst (Ausbruch) an Sternbildung<br />

von einer Dauer von 10 bis 100 Myr abläuft, bei dem mehr als 5% der Masse der Galaxie umgesetzt wird. Analoges<br />

gilt für einen Starburst in einer massiven Molekülwolke.<br />

Der Starburst kommt hier praktisch durch den Zentralstoß zweier Galaxien zustande (auf kleinerer<br />

Skala sind auch Wolken denkbar). Wichtig ist dabei das Massenverhältnis der Stosspartner, wie man<br />

aus Komputersimulationen schließen kann. Jets entstehen, falls eine Galaxie <strong>die</strong> Masse der anderen<br />

dominiert, M1 ≫ M2. Nachgewiesen sind Jets, <strong>die</strong> aus Sternen und solche, <strong>die</strong> aus leuchtendem Gas<br />

bestehen. Bei vergleichbaren Massen, M1 ≈ M2, verschmelzen <strong>die</strong> beiden Galaxien zu einer Riesengalaxie<br />

(engl. merger).<br />

Ein noch dramatischeres Szenario ist folgendes. Falls eine solche Riesengalaxie (meist vom Typ cD)<br />

in einem dichten Galaxienhaufen eingebettet ist, kann es zu Kannibalismus kommen, wobei <strong>die</strong> Riesengalaxie<br />

ganze Galaxien des Haufens verschlingt, sodaß ihre Masse wächst.<br />

• BEISPIEL (GALAXIEN IN KOLLISION)<br />

Viele Beispiele von Galaxien in Kollision bzw. im Stadium der Verschmelzung (engl. merger) sind von IRAS gefunden<br />

worden<br />

Ein wichtiges Ergebnis der IRAS Mission war dabei <strong>die</strong> Erkenntnis, daß <strong>die</strong>se Galaxien extren leuchtstark sind, mit IR


1.5. GEOMETRIE DER RAUMZEIT 113<br />

Leuchtkräften L ≈ 10 12 L⊙. Solch hohe Leuchtkräfte kann entweder<br />

durch das Vorhandensein vieler (insgesamt etwa 10 Mio)<br />

massiver Sterne mit Leuchtkräften L ≈ 10 5 L⊙ oder aber eines<br />

AGN erklärt werden.<br />

Die Galaxie NGC 253 ist (wie M82) eine nahe, gut untersuchte<br />

Starburst-Galaxie mit einem beträchtlichen Anteil an Gas und<br />

Staub. Sie ist <strong>die</strong> dominierende elliptische Galaxie der Sculptor<br />

Gruppe, <strong>die</strong> sonst nur noch viele Zwerggalaxien enthält. Mit 1 ′′<br />

kann man noch Strukturen von 15 Parsec auflösen. Man kann<br />

so einzelne Regionen von Sternentstehungsgebieten mit extremer<br />

Geburtsrate auflösen. Sie enthalten mehr Sterne (mehrere<br />

Tausend mit Leuchtkräften L > 10 5 L⊙) im Volumen als 30<br />

Dor in LMC. Die Supernova Rate ist entsprechend hoch, etwa<br />

1 SN in 5 Jahren. Diese Sternentstehungsgebiete liegen in einem<br />

Abstand von etwa 200 pc um <strong>die</strong> beiden Kerne von NGC<br />

253 herum. Der Abstand der Kerne beträgt etwa 10 kpc, ihre<br />

Leuchtkräfte jeweils L = 10 11 L⊙ und <strong>die</strong> Stossgeschwindig-<br />

keit (Relativgeschwindigkeit der beiden Kerne) beträgt 150 km s −1 .<br />

Antennae ist eine Starburst-Galaxie mit starker Radio und Röntgen Emission.<br />

In NGC 6052 = Mrk 297 wurde 1979 eine Radio-Supernova entdeckt.<br />

NGC 7252 wird interpretiert als Stoß zweier Galaxien mit Jets.<br />

Galaxien (mit AGN) in Kollision<br />

NGC alternative D Bemerkung<br />

Nummer Bezeichnung Mpc<br />

253 3 Starburst-Galaxie<br />

3034 M82 3 Starburst-Galaxie<br />

1068 20 Seyfert 2<br />

1316 Fornax A 26 Verschmelzung<br />

2623 Antennae 58 Starburst-Galaxie<br />

6052 Mrk 297 100 Starburst-Galaxie<br />

6240 140 Starburst-Galaxie<br />

7252 Stoß (mit Jets)<br />

Tab. 1.43: Galaxien in Kollision<br />

• BEISPIEL (M82 UND NGC 253)<br />

Diese klassischen Beispiele einer Galaxie mit AGN wurden ursprünglich als explo<strong>die</strong>rende Galaxie interpretiert. Die<br />

Strömungsgeschwindigkeit des H Gases vom Zentrum weg, ließ auf eine Explosion vor etwa 2 Myr schließen (Burbidge,<br />

1964).<br />

Mittlerweile werden sie als Prototypen einer neuen Klasse interpretiert: Starburst-Galaxieen.<br />

NGC 3034 = M82 und NGC 253 sind beide auch eine starke Radio Galaxie (3C231). Das legte schon früh den Verdacht<br />

nahe, daß <strong>die</strong> Strahlung nichtthermisch ist.<br />

M82 war <strong>die</strong> erste Galaxie, bei der Polarisation im optischen (von Sandage und Miller, 1964) nachgewiesen werden konnte.<br />

Damit war der nichtthermische Charakter im gesamten Frequenzbereich <strong>die</strong>ser Klasse von Quellen etabliert.<br />

M82 (LIR = 10 10.3 L⊙) und NGC 253 (LIR = 10 10.8 L⊙, D = 3 Mpc, mV = 8.04) haben etwa LIR/Lopt 3 und 5.<br />

In NGC 253 ist erstmals (von BeppoSAX 1998) <strong>die</strong> Fe XXV K-Linie bei 6.7 keV (Breite 300 eV) nachgewiesen worden.<br />

Die Röntgen Leuchtkraft beträgt im Imtervall [0.2 . . . 10] keV LX = 10 6.6 L⊙ = 10 40 erg s −1 . Für M82 gelten ähnliche<br />

Werte.<br />

Im Gamma Bereich ist NGC von OSSE nachgewiesen.<br />

• BEISPIEL (FORNAX)<br />

Ein besonders gut untersuchtes Beispiel für eine bereits abgeschlossene Galaxien Verschmelzung ist Fornax A (NGC 1316,<br />

PKS 0320 − 37, Arp 154).<br />

Es handelt sich hier um eine der am nächsten gelegenen und hellsten (scheinbare Helligkeit) Radio-Galaxien, Lradio =


114 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />

2 · 10 42 erg s −1 . NGC 1316 liegt am Rande des armen Fornax Haufens (arm = arm an<br />

Galaxien) in 24 Mpc Entfernung. Diese Situation ist vergleichbar mit der Milchstraße<br />

plus M31 am Rande des Virgo Haufens (mit der Zentralgalaxie M87).<br />

In der nebenstehenden Tabelle sind Daten zum Fornax Haufen gesammelt. Die Haufen<br />

Koordinaten (1950) sind:<br />

α = 03:20:47.2, δ = −37 : 23 : 08.<br />

Die Fluchtgeschwindigkeit beträgt 1422 km s −1 , was einem z = 5 · 10 −3 entspricht.<br />

Die Tabelle gibt <strong>die</strong> Mitglieder im Zentrum. Zentralgalaxie ist NGC 1399 mit einer<br />

Masse von M = 6 · 10 12 M⊙ und einer Gas Masse (im Halo bis 125 kpc) von M ≈<br />

1.6 · 10 11 M⊙. Die Röntgenleuchtkraft beträgt LX = 4 · 10 41 erg s −1 .<br />

NGC 1317 ist eine 6 ′′ entfernte Begleitgalaxie zu Fornax A und liegt praktisch am Rand<br />

von NGC 1316. Beide haben viele Kugelsternhaufen um sich. Optisch ist NGC 1316<br />

eine cD Galaxie mit einem schwachen AGN Kern. AGNs werden weiter unten erklärt.<br />

Bei einem Abstand von D = 23 Mpc beträgt <strong>die</strong> Auflösung für eine Bogensekunde<br />

100 pc. Der Abstand der beiden Radio Ohren beträgt 30 ′ , was 240 kpc entspricht. Die<br />

Radio Emission ist polarisiert und kommt aus Filamenten, <strong>die</strong> korreliert (ausgerichtet)<br />

sind. Das optische Gegenstück, NGC 1316, ist eine D Galaxie (MB ≈ −22.7) in<br />

der Mitte zwischen den beiden Radio Ohren. Der morphologische Typ passt in kein<br />

Klassifikationsschema. Der Kern der Galaxie NGC 1316 ist aktiv in praktisch allen<br />

Frequenzbereichen (optisch, UV, Röntgen). Er ist von einem Röntgen Halo geringer<br />

Ausdehnung umgeben (geschätzte Gas Masse allerdings nur M ≈ 1 · 10 9 M⊙ bei einer<br />

Temperatur von 1 · 10 7 K). Die Röntgenleuchtkraft beträgt LX = 2 · 10 41 erg s −1 .<br />

Radio-Galaxien<br />

Daten zum Fornax Haufen<br />

NGC Nr MB Typ<br />

1399 −21.35 E1<br />

1374 −19.89 E0<br />

1375 −18.81 S0<br />

1379 −20.03 E0<br />

1380 −20.98 S0/Sa<br />

1380A −18.56 Spiral<br />

1381 −19.44 S0(10)<br />

1382 −18.09 E<br />

1386 −19.78 Sa<br />

1387 −20.20 SB0<br />

1389 −19.46 S0/SB0<br />

1404 −21.35 E2<br />

1427 −20.09 E5<br />

1427A −18.63 Irr<br />

Tab. 1.44: Fornax<br />

Galaxien strahlen, von wenigen Ausnahmen abgesehen, hauptsächlich im optischen Bereich. Für <strong>die</strong><br />

optische Gesamtleuchtkraft typischer Galaxien hatten wir<br />

L∗ = 2.5 · 10 10 L⊙ = 10 44<br />

definiert und für <strong>die</strong> Gesamtmasse (Dunkelmasse inklusive) ist<br />

erg s −1 (1.237)<br />

M∗ = 1 · 10 12 M⊙ = 2 · 10 45 g (1.238)<br />

<strong>die</strong> Einheit.<br />

Die Radiostrahlung aus dem Kernbereich der Galaxien ist gering, der Hauptbeitrag kommt zudem von<br />

nichtthermischen Quellen (Synchrotron Strahlung von relativistischen Elektronen, erkennbar am Spektralindex<br />

und an der Polarisation). Als Beispiel sei hier M31 (Andromeda) angeführt. Im optischen Bereich<br />

gilt (genauer als vorher angegeben) Lopt(M31) = 2.5Lopt(MW G) = L∗. Die Radioleuchtkraft<br />

beträgt nur 10 38 erg s −1 , d. h. Lrad(M31) = 2.5 · 10 −6 Lopt(MW G).<br />

Es war deshalb eine Überraschung, daß es Galaxien gibt, <strong>die</strong> fast ausschließlich im Radiobereich strahlen<br />

und <strong>die</strong> dazu noch extrem ausgedehnt sind. Es handelt sich dabei meist um eine Doppelstruktur:<br />

zwei riesige Ohren (engl. lobes) strahlen, im Zentrum sitzt eine (oft auch optisch nachweisbare) Punktquelle<br />

als Sender. Prototyp ist Cen A, eine nahe aktive Galaxie, <strong>die</strong> sowohl im Radio als auch im<br />

Röntgenbereich (seit 1961) gut untersucht ist.<br />

• DEFINITION ( N-GALAXIEN )<br />

Zur Klasse der Radio-Galaxien gehören <strong>die</strong> von Morgan so bezeichneten N-Galaxie (N steht für Nukleus = Kern).<br />

Es handelt sich (im optischen) um AGN Galaxien, mit hellem Kern und deutlich schwächerer Umgebung.


1.5. GEOMETRIE DER RAUMZEIT 115<br />

Zu <strong>die</strong>sem morphologischen Typ gehören verschiedene Klassen von<br />

Galaxien,<br />

Seyferts wie 3C382 und<br />

Galaxien mit (M82 und NGC 1275) ohne Linienspektrum (NGC<br />

4782-83).<br />

In der nebenstehenden Tabelle sind einige Röntgen Daten angegeben.<br />

Der Unterschied zu echten Quasaren ist nicht sehr groß. Zum<br />

Vergleich: QSR 3C351 hat bei einer Rotverschiebung z = 0.371<br />

eine Röntgen Leuchtkraft Log(LX/erg s −1 ) = 44.96 und QSR<br />

PKS1510−089 hat z = 0.361 mit Log(LX/erg s −1 ) = 45.32. Beide<br />

Daten zu N-Galaxien<br />

Name Rotverschiebung Log(LX)<br />

z erg s −1<br />

3C445 0.057 42.83<br />

3C227 0.085 43.30<br />

PKS1417 − 190 0.119 44.50<br />

3C109 0.306 45.23<br />

rahmen damit <strong>die</strong> N-Galaxie 3C109 ein.<br />

Tab. 1.45: N-Galaxien<br />

Seyfert Galaxien sind im Mittel etwas schwächer, BL Lacs und Quasare etwas stärker.<br />

Grosse Galaxienhaufen sind starke Radio- und Röntgen-Emitter. Wir selbst sind Mitglied des Virgo<br />

Haufens.<br />

Die uns am nächsten gelegene Radio-Galaxie, Cen A = NGC 5128, ist etwa 4 Mpc entfernt und hat<br />

Lrad = 7 · 10 41 erg s −1 . Sie kann noch gut aufgelöst werden. Sie besteht aus drei Doppelquellen<br />

(aufgereiht wie Perlen auf einer Schnur) mit einer Gesamtausdehnung von etwa 1 Mpc.<br />

Weitere bekannte nahe Haufen sind Perseus und Cygnus (Schwan). Perseus enthält <strong>die</strong> stärkste bisher<br />

gefundene Röntgenquelle (NGC 1275).<br />

• BEISPIEL (CYGNUS A)<br />

Cygnus ist mit 8400 Jy <strong>die</strong> stärkste bisher gefundene Radioquelle (Cygnus A). Selbst bis z = 1 gibt es neuerdings nur eine<br />

Radioquelle (3C 280 mit Lradio = 4·L∗), <strong>die</strong> (absolut) stärker ist als Cyg A. Die Radioquelle 8C1435+635 hat L ≈ 10 1 L∗<br />

im Radiobereich.<br />

Das Erstaunliche an der Radio-Galaxie Cygnus A ist, bei der grossen scheinbaren Helligkeit, ihre Entfernung, welche sich<br />

auf D = 340 Mpc beläuft. Bei <strong>die</strong>ser Entfernung beträgt <strong>die</strong> Auflösung für eine Bogensekun-<br />

de 1.5 kpc (d. h. es gilt 1 ′′ � 0.75h −1 kpc und wir benutzen h = 0.5).<br />

Mit VLBI sind noch 10 −3 einer Bogensekunde, 1 mas, mit 1 mas � 1.5h −1 Parsec (bei starken<br />

Quellen wie Cygnus A) möglich. Der Durchmesser beträgt R = 206 kpc.<br />

Die Leuchtkraft L∗ enthält noch den Faktor h −2 , sodaß in der Tabelle L∗ = 2.5 · 10 10 L⊙ =<br />

10 44 erg s −1 noch mit um <strong>die</strong>sen Faktor zu korrigieren ist, falls h von 0.5 verschieden ist. Die<br />

Galaxie wird im gesamten Spektrum nachgewiesen, im IR beträgt der Fluß (bei 60 µ) 2.85<br />

Jy.<br />

Daten zu Cygnus A<br />

Cyg A NGC 5128<br />

z 0.0562<br />

Lradio<br />

LX/Lopt 0.8<br />

20 · L∗<br />

LX 24 · L∗<br />

• BEISPIEL (NAHE RADIO-GALAXIEN)<br />

Tab. 1.46: Cygnus A<br />

Ein besonders gut untersuchtes Beispiel für das den Zusammenstoß von zwei Galaxien im Frühstadium ist Antennae (NGC<br />

4038/39). Dieses System ist Prototyp und Namensgeber einer ganzen Klasse von Starburst-Galaxien und liegt im Abstand<br />

von D = 29 Mpc vom Zentrum der Lokalen Gruppe (Index LG). Die Fluchtgeschwindigkeit beträgt vLG = 1439 km<br />

s−1 , was mit h = 0.5 eine Entfernung von 29 Mpc ergibt. Es handelt sich hier um eine der am nächsten gelegenen,<br />

hellen (scheinbare Helligkeit) Galaxien (mit Emission im gesamten elektromagnetisch Spektrum, von Radio bis Röntgen),<br />

LX = 1 · 1041 erg s−1 .<br />

Bei einem Abstand von D = 29 Mpc beträgt <strong>die</strong> Auflösung für eine Bogensekunde 140 pc und einer Bogenminute entspricht<br />

8.4 kpc. Der Ausdehnung der beiden Radio Antennen (Jets) beträgt 20 ′ , was 240 kpc entspricht. Die beiden optische<br />

Galaxien, NGC 4038 und NGC 4039, sind 15 kpc voneinander entfernt und jeweils von einem Ring H II Plasma mit eingelagerten<br />

hellen optischen Knoten (MV ≈ −16) umgeben, <strong>die</strong> Gesamtleuchtkraft beträgt MB ≈ −22.4). Die Gas Masse<br />

beträgt M(H) ≈ 4 · 109M⊙ und steckt hauptsächlich in den Antennenflügeln (Ende der Jets).<br />

Der morphologische Typ ist Sc/Sc mit Gezeitenverformung (Klassifikation von Sandage und Tammann). Mit dem HST<br />

können <strong>die</strong> optischen Knoten aufgelöst werden. Ein Knoten besteht typisch aus einem Dutzend Sternhaufen (Sternentstehung<br />

mit einer Intensität <strong>die</strong> 30 Doradus im Tarantula Nebel weit übertrifft). Diese sind in molekulares Gas (nachgewiesen<br />

über CO) von insgesamt M(H2) ≈ 4 · 109M⊙ eingebettet. Die Kerne der beiden Galaxien NGC 1316 sind aktiv (d. h.<br />

sie zeigen Emissionslinien und sind variabel) in praktisch allen Frequenzbereichen (optisch, UV, Röntgen). Sie haben eine<br />

geschätzte Masse von jeweils nur M ≈ 7 · 10 10M⊙. Weitere wichtige Beispiele sind:<br />

1. M82 = NGC 3034 Starburst-Galaxie in einer Entfernung von D = 3 Mpc.<br />

2. Centaurus A = NGC 5128 D = 4 Mpc.<br />

3. Fornax A = NGC 1316 D = 23 Mpc. (s. o. merger). Lradio = 2 · 10 42 erg s −1 .<br />

4. Arp 244 = VV245 = Antennae = NGC 4038/39 Starburst-Galaxie im Frühstadium. D = 29 Mpc.


116 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />

5. Cygnus A D = 170h −1 Mpc.<br />

6. Super Antennae = IRAS 19254−7245; ULIG mit L ≈ 50L∗ = 10 12 L⊙ und M(H2) ≈ 4 · 10 10 M⊙.<br />

7. Arp 220 = IC4553/4554 Mit D = 77 Mpc nächste ULIG, sonst wie Super Antennae.<br />

Die meisten Radio-Galaxien sind allerdings in kosmologischer Entfernung.<br />

Sie stellen hier eine wichtige Unterklasse der<br />

Quasare, <strong>die</strong> sog. radio-lauten Quasare. Zwei<br />

wichtige Kataloge, nach denen <strong>die</strong> Radio Quellen<br />

bezeichnet werden sind der dritte Cambridge<br />

Katalog für den Nordhimmel (Code 3C, mittlerweile<br />

bei 8C) und der Parkes Katalog (Code<br />

PKS) für den Südhimmel.<br />

Die hier aufgeführten Radio-Galaxien werden<br />

PKS Nr alt. z mV LX<br />

Name erg s −1<br />

0305 + 03 NGC 1218 0.029 13.84 3 · 10 42<br />

0625 − 35 OH 342 0.055 16.50 5 · 10 43<br />

1648 + 05 Her A 0.154 18.50 3 · 10 44<br />

Tab. 1.47: Radio-Galaxien<br />

wir weiter unten genauer besprechen.<br />

Starke Radio Galaxien (Lradio > 1 · 10 41 erg s −1 (mit Fluß Φradio > 1 · 10 32 erg s −1 Hz −1 am Ort der<br />

Quelle bei 1 GHz) und QSOs haben Eigenschaften, <strong>die</strong> denen der ULIGs ähneln.<br />

• BEISPIEL (STARKE RADIO GALAXIEN)<br />

Ein berühmtes Beispiel für eine explo<strong>die</strong>rende Galaxie ist NGC 1275. Weitere Beispiele sind:<br />

1. NGC 326 (Dumbbell Galaxy),<br />

2. Mrk 1014,<br />

3. QSO 3C 48,<br />

4. PKS 1345+12.<br />

Mrk steht hier für Markarian.<br />

• BEISPIEL (NGC 326, DIE HANTEL GALAXIE)<br />

NGC 326, (engl. Dumbbell Galaxy), ist <strong>die</strong> hellste Galaxie im Zwicky Haufen Zw 0056.9+2636. Die Rotverschiebung<br />

beträgt z = 0.047, was mit h = 0.5 eine Entfernung von etwa 300 Mpc ergibt.<br />

Daraus folgt für <strong>die</strong> Leuchtkräfte im Röntgen<br />

LX = 6 · 10 9 L⊙ = 1.6 · 10 43 erg s −1 und im Radio<br />

Lradio = 2 · 10 41 erg s −1 .<br />

Röntgen-Galaxien<br />

Gewöhnliche Galaxien haben Leuchtkräfte von einigen 10 39 erg s −1 , was mit 10 hellen Röntgensternen<br />

der Eddingtonleuchtkraft erreicht wird (s. Tab. 1.33). Sie liegen im Bereich 2.5 · 10 8 L⊙ > LX ><br />

2.5 · 10 4 L⊙ und erreichen also nur wenige % der optischen Leuchtkraft. Die Milchstraße liegt im<br />

median, M31 im oberen Bereich.<br />

Die leuchtstärksten Galaxien in Virgo und Coma haben Leuchtkräfte von einigen 2.5 · 10 8 L⊙ = LX =<br />

10 41 erg s −1 .<br />

Der Blasar PKS 0528+134 (mit z = 2.07) ist stark variabel, im Maximum erreicht er 2.5 · 10 16 L⊙ =<br />

Lγ = 10 49 erg s −1 und zwar im Bereich MeV bis GeV.<br />

1.5.4 AGN:<br />

Aktive Galaxien Kerne<br />

Das Acronym AGN steht für Active Galactic Nucleus. Zu den Aktiven Galaxien(kernen) gehören Seyfert<br />

Galaxien (Typ I und Typ II), BL Lac Objekte (Blasare) und Quasare (QSRs und QSOs). Die ersten<br />

Quellen wurden als Radio Galaxien entdeckt, heute unterteilt man <strong>die</strong> verschiedenen AGN zusätzlich<br />

in radio-laut und leise.<br />

Daneben gibt es noch Übergangs Stufen wie Markarian Galaxien und <strong>die</strong> Klasse der LINER (low ionization<br />

nuclear emission region) Objekte, eine Untergruppe der Seyfert Galaxien. Die verschiedenen


1.5. GEOMETRIE DER RAUMZEIT 117<br />

Typen sind entweder nach ihren Entdeckern (Carl Seyfert, USA und Markarian, Armenien) oder nach<br />

Prototypen wie BL Lac oder mit Kunstnamen (Quasar, Blasar) benannt. Aktivität bedeutet hier variabler<br />

Energieausstoß, am besten polarisiert (also keine Sternstrahlung). Dieser wird nach nunmehr<br />

50jähriger Anstrengung, <strong>die</strong> Zentralmaschine des AGN Phänomens zu verstehen, mit einem vereinheitlichten<br />

Modell erklärt. Danach wird <strong>die</strong> Energie durch Akkretion auf ein supermassives Schwarzes<br />

Loch erzeugt. Vermutlich können Typen alle mit <strong>die</strong>sem Einheitsmodell beschrieben werden, wenn<br />

man annimmt, daß <strong>die</strong> Blickrichtung der entscheidende Parameter ist.<br />

• ZUSATZ (ABSCHÄTZUNG DER LEUCHTKRAFT)<br />

Eine einfache Abschätzung der Leuchtkraft erhält man wie folgt: <strong>die</strong> Gravitationsenergie Egrav und <strong>die</strong> Einfallgeschwindigkeit<br />

vinf beträgt etwa<br />

2 GM<br />

Egrav = −<br />

R<br />

; v 2 inf = GM<br />

R<br />

wobei M <strong>die</strong> Masse und R der Abstand ist. Für <strong>die</strong> Leuchtkraft ergibt sich (eine skaleninvariante Relation)<br />

Lgrav = vinf<br />

R (−Egrav) = v5 inf<br />

G<br />

mit der universellen Obergrenze<br />

LG = c5<br />

G<br />

(1.239)<br />

Die Bezeichnungen und Namen stammen noch aus der Zeit, da <strong>die</strong> Objekte nicht verstanden wurden<br />

(BL Lac = BL Lacertae selbst ist also kein variabler Stern, wie man nach der Bezeichnung vermuten<br />

würde, sondern eine Galaxie, <strong>die</strong> bei geringer Auflösung punktförmig erscheint). Als Oberbegriff hat<br />

sich AGN eingebürgert.<br />

Aktive Galaxien (AGN) sind genauer Galaxien, <strong>die</strong> wenigstens zwei der folgenden Kriterien erfüllen:<br />

der helle Kern überstrahlt den Rest der Galaxie,<br />

Emissionslinien nichtstellaren Ursprungs,<br />

variable Leuchtkraft auf einer Zeitskala von 10 4 bis 10 6 Sekunden,<br />

nichtthermische Emission aus dem Kern.<br />

Viele Quasare, Seyfert Galaxien und Radio Galaxien sind bekannt, <strong>die</strong> alle Kriterien erfüllen und das<br />

bei verschiedenen Frequenzen. Manche zeigen Jets in denen sich Knoten mit scheinbaren Überlichtgeschwindigkei<br />

vom Zentrum wegbewegen.<br />

Seyfert Galaxien<br />

Die ersten Linienspektren wurden an extragalaktischen Objekten (ohne es zu wissen) 1907 von Fath an<br />

NGC 1068 und 1917 von Slipher am gleichen Objekt mit besserer Spektralauflösung gemacht. Slipher<br />

bemerkte <strong>die</strong> grosse Breite der Spektrallinien (und erklärte sie mit Druckverbreiterung im Nebel).<br />

1943 gab Seyfert <strong>die</strong> erste Liste von 12 Galaxien mit breiten Spektrallinien (300 bis 3000 km s −1 )<br />

heraus.


118 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />

Die nebenstehenden Exemplare aus <strong>die</strong>ser Liste (waren im nachhinein korrekt und)<br />

erfüllen <strong>die</strong> folgenden, von Seyfert aufgestellten, empirischen Kriterien über das Linienspektrum:<br />

es gibt Emissionslinien von He II und [Ne V], <strong>die</strong> besonders hohe<br />

Anregungsenergien verlangen. Ferner findet man <strong>die</strong> verbotenen Linien von [O II],<br />

[Ne III], [N II], [S II] und [O III] (wie sie auch in planetaren Nebeln vorkommen).<br />

Die Arbeiten von Carl Seyfert wurden zunächst weitgehend ignoriert. Das Interesse<br />

wuchs erst mit der Untersuchung von Radiogalaxien. Zwei Objekte in Seyferts Liste<br />

(hier mit RG = Radiogalaxie gekennzeichnet) gehören dazu: NGC 1068 = 3C71 mit<br />

Lradio = 1 · 10 40 erg s −1 und NGC 1275 = 3C 84 = Per A mit Lradio = 3 · 10 42 erg<br />

s −1 . Die Besonderheiten der breiten Spektrallinien wurden aber immer noch ignoriert.<br />

Das änderte sich erst mit den Arbeiten von Morgan über N-Galaxie und endgültig mit<br />

der Entdeckung der Quasare.<br />

Seyferts sind heute per Difinitionem Galaxien mit hellen Kernen und Emissionsli-<br />

nien. Etwa 1 % aller hellen Galaxien sind Seyfert Galaxien. Die Leuchtkräfte von<br />

Erste Seyferts<br />

NGC Rem<br />

1068 RG<br />

1275 RG<br />

3227<br />

3516<br />

4051<br />

4141<br />

5548<br />

7469<br />

Tab. 1.48: Seyferts<br />

Seyfert Galaxien liegen zwischen 10 42 erg s −1 und 10 45 erg s −1 . Die bisher kürzeste Zeitskala für Intensitätsvariationen<br />

bei Seyferts wurden bei NGC 6814 mit 800 Sekunden und bei NGC 4051 mit 10 3<br />

Sekunden gemessen. Die Seyfert Galaxie M106 = NGC 4258 ist der bisher beste, galaktische Schwarz-<br />

Loch-Kandidat mit einer Masse von M = 3.9 · 10 7 M⊙ innerhalb von einem Radius von R = 0.12 pc.<br />

Ihre zeitliche Veränderlichkeit im harten Röntgenbereich skaliert mit 7.3 dex ähnlich wie <strong>die</strong> Masse<br />

mit dem besten stellaren Schwarz-Loch-Kandidat, Cyg X-1.<br />

Seyfert Galaxien werden nochmals (rein spektroskopisch) unterteilt in zwei Typen.<br />

Seyfert I haben erlaubte, breite Linien (entspr. von 1000 bis 5000 km s −1 Linienhalbwertsbreite) und<br />

Seyfert II haben erlaubte und verbotene, schmale Linien (entspr. 300 bis 1000 km s −1 Linienhalbwertsbreite).<br />

Im Standardmodell werden <strong>die</strong> beiden Typen wie folgt gedeutet. Bei Seyferts vom Typ 1 sieht man direkt ins Zentrum. Die<br />

Säulendichte NH ist normal. Dort befindet sich ein Schwarzes Loch<br />

mit einer Masse von dex(6 - 9)M⊙. Um das Zentrum, im Abstand<br />

von einigen Parsec, befindet sich ein Torus aus undurchsichtigem<br />

Gas (optisch dick). Bei Seyferts vom Typ 2 sieht man auf <strong>die</strong>sen<br />

Torus. Die Säulendichte NH ist anormal groß. Der Kern bleibt unsichtbar,<br />

seine Existenz folgt aus einer Energiebilanz. Eine ähnliche<br />

Einteilung gilt für Radio Galaxien mit AGN.<br />

Die Tabelle gibt Beispiele von leuchtschwachen Radio Galaxien,<br />

wo man vermutlich den Torus sieht, den Kern aber nicht. Bei PKS<br />

0305+03 handelt es sich um eine isolierte Galaxie mit heißer Korona,<br />

<strong>die</strong> anderen Quellen sind alle Mitglieder eines Galaxienhau-<br />

fens.<br />

Radio Galaxien mit Dunkelkern<br />

PKS Nr alt. Bez. z mV<br />

0305 + 03 3C78, NGC 1218 0.029 13.84<br />

0620 − 52 0.051 15.50<br />

0625 − 53 0.054 15.54<br />

0625 − 35 OH 342 0.055 16.50<br />

1648 + 05 3C58, Her A 0.154 18.50<br />

Tab. 1.49: AGN Kerne<br />

Die Röntgen Leuchtkraft, LX, beträgt im Extremfall für Her A 3 · 10 44 erg s −1 . NGC 1218 hat LX = 3 · 10 42 erg s −1 und<br />

OH 342 hat LX = 5 · 10 43 erg s −1 .<br />

• BEISPIEL<br />

Neben den reinen Typen Seyfert 1 mit breiten Linien und Seyfert 2 mit schmalen Linien, gibt es als<br />

Sonderfälle Seyfert 1 mit schmalen Linien und Seyfert Galaxien mit beidem: gleichzeitig schmale und<br />

breite Linien. Ein Beispiel für letzteren Typ ist NGC 4151.<br />

• BEISPIEL (SEYFERTS I)<br />

Eine besonders leuchtstarke Seyfert 1 Galaxie ist IRAS 13224 − 3809 mit fast LX = 10 11 L⊙, <strong>die</strong> wir schon kennen. Die<br />

Rotverschiebung beträgt z = 0.06 (Entfernung D = 360 Mpc). Sie variiert um einen Faktor zwei in der Leuchtkraft und<br />

das in 800 Sekunden. Die IR Leuchtkraft ist mit LIR = 5 · 10 11 L⊙ = 1.5 · 10 45 erg s −1 noch 5mal größer als im Röntgen.


1.5. GEOMETRIE DER RAUMZEIT 119<br />

• BEISPIEL (SEYFERTS II)<br />

Eine besonders leuchtstarke Seyfert 2 Galaxie ist NGC 1068. Der Fluß beträgt im IR bis sub mm Bereich etwa f(30µ) =<br />

10 −8 erg cm −2 s −1 , etwa 2 dex mehr als 3C273 in <strong>die</strong>sem Bereich.<br />

Ein weiteres Beispiel ist Mrk 3 (z = 0.0135). Die Wasserstoff Säulendichte beträgt NH = 10 24 cm −2 . Die Quelle ist stark<br />

variabel (High/Low = 1.5dex) und hat eine extrem starke und breite Fe Röntgen Linie.<br />

LINER:<br />

Die Low Ionization Nuclear Emission Regionen<br />

Als Untergruppe der Seyfert Galaxien haben LINER stark variablen Fluß und Emissionslinien. Es handelt<br />

sich um normale Sternsysteme, wobei <strong>die</strong> Emissionslinien allerdings nicht von Sternen stammen.<br />

Etwa 1/3 aller AGN gehören zu <strong>die</strong>sem Typ.<br />

• BEISPIEL (DIE SOMBRERO GALAXIE M104)<br />

Die Sombrero Galaxie M104 sei hier als Beispiel einer Galxie mit Low Ionization Nuclear Emission Regionen vorgestellt.<br />

Sie ist ein besonders gut untersuchter, massiver Schwarz-Loch-Kandidat.<br />

Zur Klasse der LINER gehört <strong>die</strong> (wegen ihres Aussehens) berühmte Sombrero Galaxie.<br />

Ihre Bezeichnungen lauten M104 = NGC 4594. Sie gehört zum Virgo Haufen. Sie ist eine<br />

leuchtstarke Sa Galaxie,<br />

Lopt = 2 · 10 11 L⊙,<br />

von der Kantenseite gesehen in einer Entfernung von D = 18 Mpc.<br />

Der Kern von M104 ist ein Schwarz-Loch-Kandidat mit geschätzter Masse von<br />

MBH = 5 · 10 8 M⊙.<br />

Die Röntgen Leuchtkraft des LINER von M104 beträgt etwa<br />

LX = 10 7 L⊙ = 3.5 · 10 40 erg s −1 .<br />

Die dazu notwendige Akkretionsrate ist sehr gering (falls nicht der Hauptteil absorbiert wird):<br />

er beträgt nur 10 −7 der kritischen Eddington Rate,<br />

˙M = 10 20 g s −1 .<br />

Daten zu M104<br />

D 18 Mpc<br />

α 12:39:59<br />

δ −11 : 37 : 23<br />

Lopt 2 · 10 11 L⊙<br />

LX<br />

10 8 L⊙<br />

Tab. 1.50: M104<br />

Das ist ungewöhnlich niedrig, es scheint, daß M104 eine Hungerperiode durchmacht (ähnlich wie das Zentrum unserer<br />

Milchstraße).<br />

• BEISPIEL (DIE GALAXIEN NGC 4528 UND NGC 3998)<br />

Eine mit M104 vergleichbare Galaxie ist NGC 4528. Die Daten sind hier<br />

LX = 10 7 L⊙ = 4 · 10 40 erg s −1 und MBH = 1.4 · 10 7 M⊙.<br />

Weitere LINER sind <strong>die</strong> Galaxie Fornax A, <strong>die</strong> wir schon besprochen haben, und <strong>die</strong> S0 Galaxie NGC 3998 in 35 Mpc<br />

Entfernung. Diese hat eine Gesamt Leuchtkraft von LX = 2 · 10 8 L⊙ = 8 · 10 41 erg s −1 und und einen Kern (AGN<br />

im Röntgen) mit LX = 1 · 10 41 erg s −1 . Falls der Kern mit der kritischen Eddington Rate gefüttert wird, dann muß<br />

MBH = 1 · 10 4 M⊙ sein.<br />

Damit variieren <strong>die</strong> geschätzten Massen der Schwarz-Loch-Kandidaten um 4 dex allein bei den LINER<br />

Galaxien.<br />

BL Lac Galaxien<br />

Die BL Lac Galaxien gehören zu den extremsten Objekten, <strong>die</strong> man bisher gefunden hat. BL Lac selbst<br />

ist ein sternähnliches Objekt (optische Punktquelle) ohne Spektrallinien (weder in Emission noch in<br />

Absorption) mit starker (aperiodischer) Variabilität der Leuchtkraft (∆Lopt = 1 dex). Andere BL Lac<br />

Galaxien können sogar um ∆Lopt = 2 dex variieren.<br />

• BEISPIEL (BL LAC OBJEKTE)<br />

BL Lac und AP Librae (mit LX = 10 43 erg s −1 ) sind <strong>die</strong> bekanntesten Beispiele für zunächst nicht erkannte, stark variable<br />

Galaxien.<br />

Daß BL Lac kein variabler Stern ist, wurde eher 1969 zufällig entdeckt.


120 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />

Bis dahin galt BL Lac als ein Stern ohne Linienspektrum<br />

(ähnlich wie Baades south preceding star im Krebsnebel). Man<br />

fand, daß <strong>die</strong>ser mit einem Objekt in einem Radio Katalog (des<br />

Vermilion River Observatory) übereinstimmte. Es handelte sich<br />

dabei um eine polarisierte Radio Quelle mit extrem flachen<br />

Spektrum. Damit konnte BL Lac kein Stern sein.<br />

Ein weiteres bekanntes aber zunächst nicht erkanntes Beispiel<br />

ist AP Librae. Erst wesentlich später wurde <strong>die</strong>se Quellen auch<br />

anhand schwacher Linien identifiziert. Es handelt sich um einen<br />

Blasar mit z = 0.05 bzw. z = 0.069. Bei einigen anderen<br />

Blasars hat man bis heute noch keine Linien finden können (und<br />

damit ist ihre Entfernung unbestimmt. Beispiel: 4C20.29).<br />

Die in der Tabelle aufgeführten BL Lac Galaxien (Blasars) sind<br />

leuchtstark praktisch im gesamten Frequenzbereich, 10 13 Hz bis<br />

BL Lac Objekte<br />

Name z mV fradio fX<br />

Jy 10 −12<br />

AP Lib 0.050<br />

BL Lac 0.069 14.9 4.8 9.8<br />

PKS 2005 − 489 0.071 14.4 1.2 105<br />

PKS 1144 − 379 1.048 17.4 1.6 5.8<br />

fradio bei 5 GHz; fX in [0.1 bis 10] keV<br />

Tab. 1.51: Blasars<br />

10 18 Hz, wie <strong>die</strong> Tabelle an ausgewählten Exemplaren zeigt. Der spektrale Radiofluß, fradio ist bei 5 GHz in Jansky und<br />

der Röntgenfluß, fX im Intervall [0.1 bis 10] keV in Einheiten von 10 −12 erg cm −2 s −1 angegeben. Das Maximum liegt<br />

im IR (bei 5·10 13 Hz) und ist dort (also im IR) für BL Lac selbst mit der Leuchtkraft von 3C 273 vergleichbar.<br />

Die folgenden drei Eigenschaften:<br />

1. stellares Aussehen (optische Punktquelle),<br />

2. Variabilität und Polarisation (im optischen Bereich) und<br />

3. starke Radioquelle mit flachem Spektrum.<br />

wurden zum Kennzeichen einer ganzen Klasse von Objekten, <strong>die</strong> schnell als extragalaktisch erkannt<br />

wurden.


1.5. GEOMETRIE DER RAUMZEIT 121<br />

• BEISPIEL (TEV BLASARS)<br />

Bei den Blasars Mkn 501, Mkn 421 und 1ES2344+514 reicht das Spektrum sogar bis in den TeV Bereich. Sie wurden in<br />

<strong>die</strong>ser Reihenfolge von EGRET entdeckt.<br />

• BEISPIEL (EXTREM VARIABLE GALAXIEN)<br />

Das BL Lac Objekt H0323+022 hat mit 30 Sekunden <strong>die</strong> bisher kürzeste Zeitskala für Intensitätsvariationen bei AGN.<br />

Blasars sind wesentlich seltener als Quasare.<br />

Röntgen und optische Daten für Blasars<br />

Objekt mV fo(V ) fo(X) L(V ) L(X) L(X)/L(V )<br />

Name mag. f∗ f∗ L∗ L∗<br />

PKS0548 − 322 15.5 1.32 4.05 2.70 8.31 3<br />

Mrk 501 13.8 6.31 3.82 3.14 1.90 0.6<br />

Mrk 421 13.5 8.32 4.20 3.22 1.62 0.5<br />

3C 371 14.9 2.29 0.96 2.47 1.03 0.4<br />

PKS0521 − 365 16.0 0.83 0.89 1.08 1.16 1<br />

PKS0537 − 441 15.5 1.32 0.64 0.5<br />

PKS2155 − 304 14.5 4.25 10.3 2.4<br />

f∗ = 10 −10 erg cm −2 s −1 ; L∗ = 10 44 erg s −1<br />

Tab. 1.52: Blasars<br />

Die Tabelle (1.52) vergleicht Röntgen und optische Daten für besonders starke Blasars. Bei den beiden<br />

letzten Objekten ist <strong>die</strong> Entfernung nicht bekannt (keine Linien).


122 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />

Quasare: radio-laut und leise<br />

QSR und QSO<br />

Mit Quasar im strengen Sinne werden <strong>die</strong> Quasi stellar radio sources, QSRs, also radio-laute Objekte<br />

und mit QSO <strong>die</strong> Quasi stellar optical sources bezeichnet. Quasare sind <strong>die</strong> stärksten Dauerquellen im<br />

Kosmos mit Leuchtkräften im IR, optischen und Röntgen von 1047 erg s−1 und mehr, das Maximum<br />

liegt im Gamma Bereich.<br />

Die untere Grenze für QSO liegt bei MV<br />

bezeichnet.<br />

= −23, AGN mit MV > −23 werden meist als Seyferts<br />

Oft wird Quasar aber verallgemeinernd für alle sternartigen Objekte Emissionslinien von Quasaren<br />

grosser Rotverschiebung gebraucht.<br />

Atom λ Rem.<br />

Die lange Kontroverse, ob Quasare lokaler Natur sein können, ist zugun-<br />

Angst.<br />

sten der kosmologischen Erklärung beendet. Die grosse Rotverschie- OIII 5007 *<br />

bung bedeutet demnach grosse Fluchtgeschwindigkeit. Die folgenden Hβ 4861<br />

beiden Indizien, Gravitationslinsen und der Lα forest, liefern den Beweis.<br />

Für den Nachweis gibt <strong>die</strong> Tabelle einige ausgewählte Emissionslinien<br />

von Quasaren. In manchen Quasaren findet man keine verbotenen Linien<br />

(in der Tabelle mit * gekennzeichnet). Sie sind schwächer als <strong>die</strong><br />

NeIII<br />

MgII<br />

CIV<br />

Lyα<br />

3869<br />

2798<br />

1549<br />

1216<br />

*<br />

stark<br />

stark<br />

stark<br />

erlaubten, ähnlich den Seyfert Galaxien.<br />

Tab. 1.53: Linien von QSR<br />

Das Erstaunlichste ist, daß <strong>die</strong> aus den Linienstärken abgeschätzten Häufigkeiten mit denen der Sonne<br />

übereinstimmen.<br />

• ZUSATZ (ERSTES INDIZ: GRAVITATIONSLINSEN)<br />

Das Auffinden von (immer mehr) Gravitationslinsen mit Quasaren als Leuchtquelle im Hintergrund, erlaubt es, <strong>die</strong> Entfernung<br />

der Linse größenordnungsmäßig abzuschätzen, da <strong>die</strong> Entfernung der Linse (meist ein Galaxienhaufen) bekannt ist.<br />

Selbst <strong>die</strong> Laufzeitdifferenz längs der beiden verschiedenen Wege konnte in einigen Fällen bestimmt werden.<br />

• ZUSATZ (ZWEITES INDIZ: DER Lα FOREST)<br />

Quasare sind wegen ihrer enormen Leuchtkraft ideale Punktquellen, um das dazwischen liegende Medium (IGM) über<br />

kosmologische Entfernungen hinweg zu untersuchen. Dieses Gas ist, wie man findet, nicht homogen verteilt.<br />

Das Element mit der größten Häufigkeit im Universum ist Wasserstoff, H. Zwei Energien des H Atoms sind wichtig: <strong>die</strong><br />

Ionisationsenergie (13.6 eV) und <strong>die</strong> Energie beim Übergang 1s nach 2p, Absorption, oder 2p nach 1s, Emission. Diese<br />

Linie heißt Lα.<br />

Quasare haben jeweils (mindestens) eine rotverschobene Emissionslinie, Lα, bei λα = (1 + z)1215.67 ˚Angstrøm (entspr.<br />

10.2 eV im Ruhsystem) und (oft) eine Vielzahl von Absorptionslinien (<strong>die</strong> alle bei kleineren Rotverschiebungen liegen).<br />

Daß <strong>die</strong> stärkste Emissionslinie <strong>die</strong> Lyman α Linie ist, ist dank der Häufigkeit von H im Universum verständlich. Gleiches<br />

gilt für <strong>die</strong> Vielzahl von Absorptionslinien: <strong>die</strong> nachgewiesene Anzahl ist mittlerweile so groß, daß sie mit Lα forest<br />

bezeichnet wird.<br />

In wenigen Fällen hat man <strong>die</strong> absorbierende Wolke gefunden und damit <strong>die</strong> Entfernung bestimmen können.<br />

Eine wichtige, von der Beobachtung nunmehr zu beantwortende Frage ist, ob Quasare mit anderen<br />

Objekten in Verbindung gebracht werden können, ob sie etwa eine besondere Entwicklungsphase von<br />

speziellen Galaxien darstellen.<br />

Das Auffinden von Quasaren ist, darin sind sie den Pulsaren ähnlich, bis heute eine Kunst geblieben.<br />

QSR sind radio-laute Objekte und können aus Radio Katalogen extrahiert werden, bei genügend genauen<br />

Positionsangaben durch einen Abgleich mit optischen Katalogen. QSO sind radio-leise Objekte<br />

und können an spektralen Besonderheiten (UV-Exzess, Polarisation oder besonders breiten Linien)<br />

entsprechenden Katalogen heraus gefiltert werden. Quasare sind ferner starke Röntgen und Gamma<br />

Strahler, auch hiermit hat man neue Quasare finden können.<br />

Die bisherige Suche hat (anhand von etwa 10 Tausend gefundenen AGN Objekten) ergeben, daß bei<br />

z = 2 ein deutliches Maximum in der Quasarverteilung N(z) liegt, mit steilem Abfall bis z ≈ 5.


1.5. GEOMETRIE DER RAUMZEIT 123<br />

Der nächste Quasar, 2S 0241+622 liegt 250 Mpc entfernt (z = 0.04), also bereits weit außerhalb<br />

unseres lokalen Superhaufens. Er wurde erst 1978 (und zwar als Röntgenquelle) entdeckt. Seit 1991<br />

wurde kein Quasar mit größerer Rotverschiebung als der von PC1247+3406 mit z = 4.897 gefunden.<br />

Damit liegen Quasare im Intervall 0.04 ≤ z ≤ 5. Für festes z variieren ihre Leuchtkräfte um etwa 2<br />

dex. Die meisten Objekte im Kosmos gibt es doppelt, in kleinen Gruppen oder in Haufen.<br />

• BEISPIEL (DOPPEL-QUASAR KANDIDATEN)<br />

Machen Quasare eine Ausnahme? Gibt es Doppel-Quasare oder gar Quasarhaufen?<br />

Wie <strong>die</strong> Tabelle zeigt, gibt es tatsächlich Doppel-Quasare (jedenfalls Kandidaten). Die nebenstehende Tabelle gibt den Na-<br />

men (d. h. <strong>die</strong> Koordinaten) der beiden Quasare, ihre Rotverschiebung Ze und<br />

den maximalen Winkelabstand ∆θ (in Bogensekunden).<br />

Auch bei mehr als N = 10 000 bekannten Quasaren ist es statistisch unwahrscheinlich,<br />

daß zwei von ihnen um weniger als 10 Bogensekunden bei nahezu<br />

gleichem Abstand (d. h. bei gleichem z = Ze) zusammenstehen. Die Kugeloberfläche<br />

enthält 5 · 10 11 arcsec 2 und eine Dopplerdifferenz von 100 km s −1<br />

entspricht einer Radiusdifferenz von ∆r/R = 1/3000. Damit ist <strong>die</strong> Wahrscheinlichkeit,<br />

zufällig zwei Quasare innerhalb der angegeben Volumengrenzen<br />

Doppel-Quasar Kandidaten<br />

Name Ze ∆θ<br />

QSO 1343 + 164 2.03 9.5<br />

QSO 1145 − 071 1.35 4.2<br />

QSO 1146 + 111 1.01 157<br />

QSO 1548 + 114 1.90 (0.44) 4.8<br />

zu finden, W = N(∆V/V ) ≈ 5 · 1011 .<br />

Tab. 1.54: Doppel-Quasare<br />

Beim Doppel-Quasar QSO 1145 − 071 mit z = 1.35 ist einer radio-laut der andere nicht.<br />

• ANMERKUNG (DIE LEUCHTKRAFT DER QUASARE)<br />

Die scheinbare visuelle Helligkeit von den bekannten Quasaren liegt zwischen mV = 13 und mV = 20. Erstaunlicherweise<br />

ist für <strong>die</strong> nächsten (mit Rotverschiebungen logz < −1.2) <strong>die</strong> Variation in der (optischen) Helligkeit, sie variieren im<br />

gesamten Intervall (von mV = 13 bis mV = 20). Als Standardkerzen sind sie damit denkbar ungeeignet.<br />

Die visuellen Leuchtkräfte von den bekannten Quasaren liegen zwischen 10 45 erg s −1 und 10 49 erg s −1 oder in Magnituden<br />

−24 > MV > −32. Zur Erinnerung:<br />

Die Leuchtkraft der Milchstrasse beträgt etwa LGal = 2.5 · 10 10 L⊙ = 10 44 erg s −1 .<br />

Die Leuchtkraft von L = 10 49 erg s −1 muß etwa t = 1 Myr (3·10 13 ) aufrecht erhalten werden, das liefert für <strong>die</strong> benötigte<br />

Energie:<br />

E = Lt ≈ 3 · 10 63<br />

erg, oder E ≈ 1.5 · 10 9 M⊙c 2<br />

(1.240)<br />

Setzt man grosszügig als Wirkungsgrad 10% an, dann muß zum Schluß das Schwarzes Loch im Zentrum eine Masse von<br />

10 10 M⊙ besitzen.<br />

• ANMERKUNG (GESCHICHTE DER ROTVERSCHIEBUNGSREKORDE)<br />

Bei Galaxien und Quasaren sind neue Rotverschiebungsrekorde meist mit Fortschritten bei der technologischen Entwicklung<br />

verbunden gewesen.<br />

Hubble hatte mit dem 100-inch Teleskop auf dem Mount Wilson das größte Teleskop zur Verfügung. In seiner<br />

Veröffentlichung von 1929 ist das Maximum von cz 1200 km s −1 (entspricht formal<br />

z = 4.5 · 10 −3 ), was als Entfernung das Zentrum vom Virgo Haufen liefert. Hubble<br />

kam bis cz 6000 km s −1 , bis zur Entfernung zum Zentrum vom Coma Haufen. Humason<br />

und Mayall konnten das Maximum bis auf cz = 6000 km s −1 im Jahre 1935<br />

steigern. Dann folgt ein Quantensprung der Rotverschiebung mit der Inbetrienahme<br />

des 200-inch Teleskops auf dem Mount Wilson. 1950 war cz = 60000 km s −1 oder<br />

z = 0.2 erreicht. (Ref. Humason, Mayall und Sandage; Ap.J.61, 97, 1956). 1965 lag<br />

z für Galaxien bei 0.5 und 1970 bei 1.<br />

Die ersten QSR wurden 1961 gefunden (Sandage fand das optische Gegenstück zu<br />

3C 48). Die Identifizierung der Rotverschiebung gelang M. Schmidt 1963 anhand der<br />

Quelle 3C 273 (mit z = 0.158). Für 3C 48 ist z = 0.368. Ab jetzt dominieren Quasare<br />

<strong>die</strong> Rotverschiebungsrekorde, wie <strong>die</strong> Tabelle zeigt. Von anfänglich einer Hand<br />

voll, auf über 1500 im Jahr 1977 und 7300 im Jahr 1993 ist <strong>die</strong> Gesamtzahl bis auf<br />

Rotverschiebungsrekorde<br />

Galaxien<br />

Name z Jahr<br />

G1 und G2 4.92 1997<br />

6C0140+326 4.41 1996<br />

8C1435+635 4.25 1994<br />

4C41.17 3.8 1991<br />

F10214+4724 2.286 1991<br />

3C 472.1 1.175 1982<br />

über 10 Tausend im Jahr 1998 gestiegen.<br />

Tab. 1.55: Rotverschiebung I<br />

Das grosse Interesse an ihnen beruht nicht zuletzt darin, <strong>die</strong> Hubble Konstante mit ihnen vielleich bestimmen zu können<br />

(Entdeckung neuer Standardkerzen) und den Anfang der Stern- oder Galaxienbildung zu finden.<br />

Quasare hatten lange Zeit <strong>die</strong> größten Rotverschiebungen, wie aus der nebenstehenden Tabelle hervorgeht. Der letzte<br />

Rekord stammt allerdings aus dem Jahr 1991 und wurde von Schneider D.P., Schmidt, M. und Gunn, J.E. aufgestellt.


124 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />

Ref. Astr.J. 102, 837-840 (1991). Mittlerweile unterscheiden sie sich nicht mehr so<br />

stark wie früher in ihrem maximalen z von Galaxien, im Gegenteil. Der extremste<br />

Fall ist der des Galaxienhaufens MS1358 (als Linse), entdeckt von Frankx (1997).<br />

Die beiden Bilder, G1 und G2, im Abstand von 1 ′′ Rotverschiebungsrekorde<br />

haben eine Rotverschiebung von<br />

Quasare<br />

4.92.<br />

Name z<br />

Vollkommen unerwartet war 1991 <strong>die</strong> Entdeckung einer Protogalaxie, Quelle F10214+4724<br />

im IRAS Katalog, mit einer Rotverschiebung von z = 2.286. Ref. Solomon et PC1247+3406 4.897<br />

Jahr<br />

1991<br />

al Nature 356, 318 (1992). F10214+4724 ist eine der hellsten Galaxien überhaupt<br />

4.43 1987<br />

(verstärkt durch eine Gravitationslinse). Gesehen wird hier der CO(3 → 2) Rotationsübergang,<br />

welcher von λr = 850µm nach λ = 3 mm verschoben ist.<br />

Die Radio Galaxie aus dem 6ten Cambridge Katalog, 6C, mit den Koordinaten<br />

0140+326, ist ebenfalls verstärkt durch eine Gravitationslinse und noch extremer.<br />

PKS2000+330<br />

OQ 172<br />

PKS0237 − 23<br />

3.78<br />

3.53<br />

2.23<br />

1982<br />

1971<br />

1970<br />

Sie hat eine Rotverschiebung von z = 4.41. Sie wurde von Rawlings, S. et al. entdeckt.<br />

Ref. Nature 383, 502 (1996). Es handelt sich um eine Radio Galaxie ohne<br />

Tab. 1.56: Rotverschiebung II<br />

Kontinuum Strahlung im optischen Bereich, also ohne Sterne. Gesehen werden lediglich einzelne (rotverschobene) Linien,<br />

wie Lyα, C IV und O [II].<br />

1.5.5 Das kosmologische Entfernungsnormal<br />

✛Für<br />

nicht zu grosse✘Entfernung D existiert (nach Vorhersage der ART und nach Beobachtung) ein<br />

linearer Zusammenhang zwischen D und der Fluchtgeschwindigkeit v einer Ga-<br />

Kosmologen irren oft,<br />

laxie, wie sie mithilfe der Rotverschiebung z = v/c = β bestimmt wird. Diese<br />

aber zweifeln nie.<br />

L.D. Landau von Hubble erstmals bestimmte Konstante ist <strong>die</strong> Basis der Entfernungsmessung<br />

✚<br />

✙in<br />

der Kosmologie.<br />

Die Allgemeine Relativitätstheorie, oder besser Einsteins Gravitation, erlaubt es erstmals, eine selbstkonsistente<br />

Kosmologie zu formulieren. Die weitreichendste Aussage der Einsteinschen Gravitation<br />

betrifft den Anfang des Kosmos. Dieser war räumlich singulär (<strong>die</strong> Dichte war formal unendlich) vor<br />

endlicher Zeit (etwa 20 Gyr). Diese Aussage wird durch mehrere Entdeckungen, <strong>die</strong> teilweise vorhergesagt<br />

wurden, gestützt.<br />

Bestimmung kosmolgischer Entfernungen<br />

Mit den Bezeichnungen H für <strong>die</strong> Hubble Konstante und c für <strong>die</strong> Lichtgeschwindigkeit gilt, wenn wir<br />

D = r für nicht zu grosse Entfernungen setzen<br />

z = H<br />

r (1.241)<br />

c<br />

Hat man erst einmal H bestimmt, dann kann man <strong>die</strong> Gleichung umkehren und<br />

D = c<br />

Ho<br />

z = 6 1<br />

z Gpc (1.242)<br />

2h<br />

zur Entfernungsbestimmung benutzen. Die Größe h ist <strong>die</strong> natürliche, dimensionslose Entfernungs -<br />

Masseinheit (Hubble Parameter) für Kosmologen und wird später erklärt.<br />

• BEISPIEL (ENTFERNUNGSBESTIMMUNG VON CYGNUS A)<br />

Mit v3 haben wir früher <strong>die</strong> Fluchtgeschwindigkeit in Einheiten von 10 3 km s −1 definiert. Damit (und mit c = 3 · 10 5 km<br />

s −1 ) gilt<br />

D = 20 v3<br />

2h<br />

Mpc (1.243)<br />

Die Radio Galaxie Cygnus A hat eine Rotverschiebung von z = 0.0562. Dem entspricht nach obiger Formel eine Entfernung<br />

von D = 340(2h) −1 Mpc, was für <strong>die</strong> Auflösung für eine Bogensekunde etwa 0.4(2h) −1 kpc liefert, d. h.<br />

1 ′′ � 0.75h −1 kpc.


1.5. GEOMETRIE DER RAUMZEIT 125<br />

• BEISPIEL (EISEN IN ABELL 370)<br />

Zur Erinnerung: unsere Haufen Masseneinheit ist M⋆ = 10 14 M⊙, <strong>die</strong> der (Flächen) Leuchtkraft ist L⋆ = 2.5 · 10 10 L⊙ =<br />

10 44 ) erg s −1 und <strong>die</strong> Temperatur wird in keV = 10 4 K gemessen.<br />

Der Haufen A370 ist eine Gravitationslinse mit einer Rotverschiebung von z = 0.37. Die (Virial) Masse beträgt (bei einer<br />

Geschwindigkeits Dispersion von 1350 km s −1 ) Mvir = 15M⋆ (innerhalb von 2.25 Mpc). Die Temperatur des intracluster<br />

Gases wurde von ASCA (1994) zu 9 keV bestimmt. Die Leuchtkraft innerhalb eines Radius von 5’ = 2 Mpc beträgt 10L⋆<br />

und innerhalb von 12.5’ = 4.5 Mpc etwa 13L⋆. Das Verhältnis von Gasmasse zu Virialmasse ist 0.21.<br />

Die Fe Linienemission ergibt eine Masse an Fe von MFe = 2 · 10 11 M⊙. Dies ist der bisher früheste Nachweis von Eisen im<br />

intracluster Gas und ist ein Beweis für massiver Sternentstehung (mit zusammen mit Supernovae vom Typ II). Der Haufen<br />

A370 enthält überproportional viele blaue Galaxien. Butcher-Oemler Effekt.<br />

Der Coma-Haufen<br />

Der letzte Eichstandard ist der Coma-Haufen.<br />

Coma (Abell A1656) mit z = 0.023.<br />

Seine Bedeutung für <strong>die</strong> Kosmologie liegt darin, daß er einerseits noch<br />

nah genug ist, um in einzelne Galaxien aufgelöst werden zu können, andererseits<br />

ist er aber weit genug enternt, sodaß man annehmen darf, daß<br />

seine Fluchtgeschwindigkeit kosmologischen Ursprungs ist.<br />

Die Mitglieder von Coma in der Tabelle sind geordnet nach ihrer optischen<br />

Leuchtkraft, <strong>die</strong> Röntgendaten stammen von ROSAT (1993). Die<br />

beiden ersten Galaxien sind supergiant.<br />

Die Koordinaten des Zentrums (α = 12:54:05.7, δ = 28:08:59) beziehen<br />

sich auf das Äquinoktium 1950 und fallen zusammen mit NGC 4889.<br />

Um von Virgo zu Coma zu kommen, müßen sekundäre Eichnormale be-<br />

Mitglieder von Coma<br />

Nummer LX,40<br />

NGC 4889 20<br />

NGC 4874 30<br />

NGC 4839 29<br />

NGC 4911 16<br />

NGC 4848 8<br />

α = 12:54:05.7, δ = 28:08:59<br />

nutzt werden. Zwei physikalisch verstehbare Methoden sind Supernovae Tab. 1.57: Coma<br />

vom Typ Ia und <strong>die</strong> Tully-Fisher Relation für <strong>die</strong> Breite der 21 cm Radiolinie. Beide liefern in etwa<br />

übereinstimmende Ergebnisse.<br />

Der Entfernungsmodul ∆m beträgt für Virgo und Coma ∆m = 3.7 oder<br />

DComa = 5.5DVirgo<br />

(1.244)<br />

Daraus folgt (nach Pierce) für Coma eine Entfernung D = 82 Mpc (und einem Durchmesser d = 8<br />

Mpc, m − M = 35.27, m = 14.7). Wenn wir h = 0.5 setzen und DVirgo = 20 Mpc benutzen, erhalten<br />

wir dagegen DComa = 110 Mpc. Dies ist der Wert, den wir in Zukunft zugrunde legen werden.<br />

Bzw. (nach Freedman) D = 94 Mpc. Der gemessenen Rotverschiebung entspricht eine Fluchtgeschwindigkeit<br />

von v = 7 146 km s −1 .<br />

Die (geschätzte) Masse M = 4·10 15 M⊙ liefert ein Masse/Leuchtkraftverhältnis M/L = 400(M⊙/L⊙).<br />

Rotverschiebung: Das Hubble Gesetz<br />

Wir definieren <strong>die</strong> Rotverschiebung z durch<br />

λe<br />

= ωe<br />

ωo<br />

(1.245)<br />

wobei λo <strong>die</strong> Ruhwellenlänge (observiert im Laborsystem) und λe <strong>die</strong> emittierte Wellenlänge (der<br />

1 + z = λo<br />

Galaxie) ist. Dem entspricht in der SRT<br />

�<br />

1 + β<br />

1 + z =<br />

1 − β<br />

oder umkehrt<br />

β = (1 + z)2 − 1<br />

(1 + z) 2 + 1<br />

= z<br />

1 + z<br />

2<br />

1 + z(1 + z<br />

2 )<br />

(1.246)<br />

(1.247)


126 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />

1929 publizierte Hubble sein Gesetz über den linearen Zusammenhang von Entfernung r und Rotverschiebung<br />

z (unter Benutzung der Messungen der Rotverschiebung z von Slipher, gestützt auf <strong>die</strong><br />

Beobachtungen seines Mitarbeiters Humason und geleitet von Vorhersagen der Einsteinschen allgemeinen<br />

Relativitätstheorie, ART):<br />

oder<br />

z = H<br />

r (1.248)<br />

c<br />

v = Hr (1.249)<br />

Die Größe H heißt Hubble Konstante, v ist <strong>die</strong> Flucht–Geschwindigkeit der Galaxie und c ist <strong>die</strong><br />

Lichtgeschwindigkeit. H −1 hat <strong>die</strong> Dimension einer Zeit und ist ein Maß für das Alter des Kosmos (s.<br />

u.). Als Einheiten wählt man gewöhnlich für v 100 km/sec und für <strong>die</strong> Entfernung r das Mpc, sodaß H<br />

<strong>die</strong> ’natürliche’ Einheit H = (100 km/sec)/Mpc oder<br />

H −1 = 0.98 · 10 10<br />

hat. Die entsprechende Längeneinheit ist<br />

cH −1 = 0.9 · 10 28<br />

yr = 9.8 Gyr (1.250)<br />

cm = 2.6 · 10 9<br />

pc (1.251)<br />

Trotz vielfacher Anstrengungen in den letzten 50 Jahren konnte <strong>die</strong> Hubble Konstante H bestenfalls<br />

bis auf einen Faktor zwei bestimmt werden, man schrieb deshalb<br />

Ho = hH mit 0.5 < h < 1.0<br />

Selbst <strong>die</strong> erste Bestimmung mit dem HST ergab einen viel zu grossen Wert. Mit der Entfernung<br />

D = 82 Mpc (für den Coma-Haufen) und v = 7 146 km/sec (z ≈ 7/300) liefert das H0 = v/D = 87<br />

km s −1 Mpc −1 , d. h.<br />

h = 0.87 (1.252)<br />

entsprechend einem Alter des Kosmos von etwa 10 Gyr (s. u.).<br />

• ZUSATZ (ANMERKUNGEN)<br />

Hubbles ursprünglicher Wert von h war 5 und damit das Alter des Universums nur 1.5 Gyr, kleiner als das Alter der Erde<br />

(nach Berechnungen der Geologen damals). Hubble hat seinen zu kleinen Wert dennoch vertreten.<br />

Nimmt man das Standardmodell des Kosmos, dann ist das Alter, welches aus h = 0.87 folgt, t = 2<br />

3h H−1 und das liefert<br />

nur 7.5 Gyr, wesentlich weniger als 10 Gyr, <strong>die</strong> man für ein offenes Modell erhält.<br />

Mithilfe der Rotverschiebung z kann man (im linearen Bereich z ≪ 1 jedenfalls) <strong>die</strong> Entfernung eines<br />

Objekts angeben, falls z gemessen ist. Quasare haben lange Zeit (als Klasse) <strong>die</strong> größten gemessenen<br />

Rotverschiebungen, insbesondere für z > 1 gehabt. Aber auch <strong>die</strong> lichtschwächeren Galaxien<br />

erreichen mittlerweile z = 5, einzelne (durch eine Linse verstärkte) übertreffen sogar <strong>die</strong> Quasare.<br />

Indirekt kann man sogar mittlerweile <strong>die</strong> Existenz von Galaxien mit z ≈ 5 . . . 6 nachweisen (über ihre<br />

Leuchtkraft und ihre Farbe).<br />

Vollkommen unerwartet war 1991 Entdeckung einer Protogalaxie, Quelle F10214+4724 im IRAS Katalog,<br />

mit einer Rotverschiebung von z = 2.286. Gesehen wird allerdings der CO(3 → 2) Rotationsübergang,<br />

welcher von λr = 850µm nach λ = 3 mm verschoben ist. Erste Abschätzungen ergaben,<br />

daß <strong>die</strong> gesamte bolometrische Leuchtkraft der Quelle im IR sich auf L ≈ 10 14 L⊙ belaufen müßte.<br />

Dem würde ein vollkommen neuer Typus von Galaxie (im Urzustand?) entsprechen. Mittlerweile weiß<br />

man aber, daß <strong>die</strong> Strahlung durch eine Gravitationslinse gebündelt (um einen Faktor von etwa 10<br />

. . . 30 verstärkt) wird.


1.6. SYNOPSIS UND AUSBLICK 127<br />

1.6 Synopsis und Ausblick<br />

Wir haben gesehen, wie sich <strong>die</strong> Vorstellung von Größe und Beschaffenheit des Universums im Laufe<br />

der Jahrhunderte geändert hat. Die Erde ist aus ihrer zentralen Rolle verdrängt. Sie kreist im Abstand 1<br />

AE in einem Jahr um <strong>die</strong> Sonne, <strong>die</strong>se im Abstand von 8000×206 265 AE (= 8 kpc) in 250 Myr um das<br />

Galaktische Zentrum. Dieses wieder kreist um den Schwerpunkt Milchstraße - Andromeda (Abstand<br />

700 kpc, Periode 5 Gyr). Die Bewegung <strong>die</strong>ses Schwerpunkts selbst wird vom (ungesehenen) Grossen<br />

Attraktor bestimmt, <strong>die</strong> Milchstraße fällt mit etwa 200 bis 250 km s −1 ins Zentrum des Virgo Haufens.<br />

Die Bewegung des Schwerpunkts Virgo plus Grossem Attraktor hat eine vergleichbare Geschwindigkeit<br />

(von etwa 300 km s −1 , in Richtung auf Hydra-Centaurus hin). Insgesamt bewegt sich <strong>die</strong> Lokale<br />

Gruppe mit etwa 600 km s −1 (<strong>die</strong> direkt messbare Geschwindigkeit des LSR beträgt dagegen 370 km<br />

s −1 ).<br />

Der grosse Attraktor bewegt sich im Feld des Virgo Haufens. Dieser wiederum gehört zu einem Superhaufen.<br />

Damit ist <strong>die</strong> Dimension lokaler Verdichtungen auf 100 Mpc angewachsen und <strong>die</strong> Masse auf<br />

10 15 M⊙. Eines der Hauptziele beim Bau des Hubble Space Teleskops war <strong>die</strong> verläßliche Bestimmung<br />

<strong>die</strong>ser Entfernungen anhand von Eichstandards. Nach anfänglichen Schwierigkeiten konvergieren <strong>die</strong><br />

Messdaten (besser: ihre Interpretation) nunmehr in Richtung einer Hubblekonstanten von H = 50 km<br />

s −1 , entsprechend h = 0.5.<br />

Ähnliche Werte liefert eine unabhängige Methode, <strong>die</strong> Entfernungen quer durch das Universum mithilfe<br />

von Supernovae vom Typ Ia als Eichstandards benutzt. Dabei stellt sich heraus, daß alle in unserer<br />

näheren Umgebung entdeckten Objekte wie Atome (im Plasma und Sternatmosphären), Moleküle (in<br />

Wolken), Sterne (in Galaxien) usw. bereits zu sehr früher Zeit, wo das Universum noch sehr viel jünger<br />

war, vorhanden sind. Die eigentliche Geburt muß demnach sehr schnell verlaufen sein.<br />

Bis zu Entfernungen von 100 Mpc ist <strong>die</strong> Newtonsche Gravitationstheorie eine adäquate Beschreibung<br />

der Dynamik. Damit ergeben sich neue Möglichkeiten, Entfernungen zu bestimmen. Gleichzeitig liefert<br />

<strong>die</strong> Dynamik aber auch Zeitskalen. Diese sind, wie später genauer gezeigt wird, meist zu kurz.<br />

Daraus folgt das (nicht neue) Altersproblem des Universums: der Kosmos scheint Objekte zu beherbergen,<br />

<strong>die</strong> älter sind als er selbst zu der Zeit, da <strong>die</strong> Objekte ihre Strahlung ausgesandt haben.<br />

Ein Beispiel ist <strong>die</strong> Radiogalaxie 53W091, <strong>die</strong> etwa doppelt so alt ist (4 Gyr) wie das Universum zu<br />

der Zeit, <strong>die</strong> der Rotverschiebung (2 Gyr bei z = 1.55) entspricht.<br />

• LITERATUR (RADIOGALAXIE 53W091)<br />

1. Dunlop, J. and Peacock, J. and Spinrad, H. and 4 authors, [DPSa96]<br />

A 3.5 Gyr-old galaxy at redshift 1.55, Nature 381, 581 - 584, 1996<br />

2. Kennicutt, R.C., [Ken96]<br />

An old galaxy in a young Universe, Nature 381, 555 - 556, 1996<br />

3. Kennicutt, R.C.<br />

A meeting of Hubble constants, Nature 381, 555, 1996<br />

Auch <strong>die</strong> Einmaligkeit der Erde ist aufgehoben, niemand zweifelt mehr an der Existenz extrasolarer<br />

Planeten mit erdähnlicher Beschaffenheit. Neben <strong>Astrophysik</strong> und Astrochemie gibt es deshalb<br />

mittlerweile eine eigenständige Astrobiologie (und ein Programm ’SETI at home’ für <strong>die</strong> Suche nach<br />

extraterrestrischem Leben).<br />

1.6.1 Synopsis<br />

Die Entfernungshierarchie in lokalen Einheiten<br />

Zum Schluß betrachten wir <strong>die</strong> Entfernungshierarchie nochmals vom Standpunkt der Erde aus.<br />

Wir gehen zurück auf <strong>die</strong> Erde mit ihrem Radius und ihrer Atmosphäre. Vergleicht man nun


128 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />

<strong>die</strong> lokale Entfernungsskala (Grundmaß Erdradius<br />

R⊕ = 6.378 · 108 cm) mit der kosmischen Entfernungs-Vergleich in lokalen Einheiten<br />

Entfernungsskala (Grundmaß Parsec, pc, abgeleitet<br />

von der Bahn der Erde um <strong>die</strong> Sonne und<br />

dem Auflösungsvermögen von Teleskopen aufgrund<br />

der Erdatmoshäre), so stellt man erstaunliche<br />

(aber zufällige) Parallelen fest. Anstelle der<br />

Grundmasse Erdradius R⊕ und Parsec kann man<br />

auch <strong>die</strong> beiden Bahnra<strong>die</strong>n Umlauf der Erde um<br />

<strong>die</strong> Sonne (AE) und Umlauf der Sonne um das<br />

Grundmaß<br />

R⊕<br />

Mond<br />

Sonne<br />

Maßzahl<br />

60<br />

2·10<br />

Grundmaß<br />

Parsec<br />

Hyaden<br />

Maßzahl<br />

50<br />

Zentrum der Galaxis (8 kpc) benutzen: <strong>die</strong> nächsten<br />

4 gal. Zentrum 104 Oort- Virgo Haufen 2·107 Wolke 108 Coma Haufen 108 Stern 6·109 Radius Universum 4·109 Tab. 1.58: Entfernungs-Vergleich<br />

Sterne haben <strong>die</strong>selbe Parallaxe von der Erdbahn aus gesehen wie <strong>die</strong> entferntesten Quasare von der<br />

Sonnenbahn aus gesehen. Leider dauert der Umlauf der Sonne um das Galaktische Zentrum 250 Myr.<br />

Die Stufen der kosmischen Entfernungsleiter<br />

• FORMELN (DIE KOSMISCHE ENTFERNUNGSLEITER)<br />

1. Primäre Standards<br />

Grundeinheit: Erdradius RE = 6.4 · 10 8 cm.<br />

Entfernung Erde-Mond DErde−Mond = 60.2 RE (Eratosthenes).<br />

Die Astronomische Einheit: Entfernung Erde-Sonne<br />

1 AE := DErde−Sonne = 1.49 · 10 13 cm<br />

Theorie zur Bestimmung:<br />

DErde−Sonne = (PErde/PP lanet) 2/3 DErde−P lanet<br />

Messung: 1672 von Cassini am Mars und 1835 von Encke an der Venus<br />

Ergebnis: 1 AE = (damals) 23.000 RE (heute, Radar)<br />

1AE = 149 597 892 km<br />

Die Erdbahn als Basis der Parallaxensekunde liefert das Parsec, pc<br />

1pc = 206 265 AE<br />

wobei der Umrechnungsfaktor (360·60·60/2π) ist. Die Entfernung zum nächsten Stern beträgt etwa 270.000<br />

AE.<br />

2. galaktische Entfernungseinheit, GE<br />

Die Entfernung zu den Hyaden. 1 GE = 46 pc. (enthält keine Veränderlichen Sterne)<br />

main sequence fitting an den Plejaden und an Praesepe liefert Entfernungsmodule bis D = 180 pc.<br />

RR Lyrae Sterne haben L = const mit L = 100L⊙.<br />

Cepheiden (I und II). Standardkerze LI = 500L⊙(P/day) und LII = 125L⊙(P/day).<br />

3. Sekundäre Standards (bis zum Virgo Haufen)<br />

Die hellsten Sterne<br />

Hubble benutzte M = −6.1 heute M = −9.3.<br />

hellste Kugelsternhaufen haben MV = −9.8.<br />

hellste Galaxien (ScI Galaxien) haben MV = −21.68<br />

4. moderne Alternativen


1.6. SYNOPSIS UND AUSBLICK 129<br />

<strong>die</strong> Tully-Fisher Relation<br />

benutzt <strong>die</strong> Breite der 21 cm HI Linie einer ganzen Spiralgalaxie. Es gilt empirisch<br />

M = −3.5 − 6 log(W/ sin i) (1.253)<br />

Hier ist W <strong>die</strong> mittlere Breite der 21-cm Radio Linie in elliptischen Galaxien in km s −1 und i der Inklinationswinkel<br />

der Spiralgalaxie. Damit kommt man etwa 200 Mpc weit, entsprechend einer Hubble Fluchtgeschwindigkeit<br />

von 10 4 km s −1 bei h = 0.5.<br />

Faber-Jackson Relation<br />

optisches Analogon zur Tully-Fisher Relation.<br />

5. kosmologische Standards<br />

Der Coma-Haufen<br />

Der letzte Eichstandard (kurze Skala) ist der Coma-Haufen. Entfernung D = 140 Mpc, v = 7.000 km/sec,<br />

(z = 7/300 = 0.025). Durchmesser d = 8 Mpc, m − M = 35.27, m = 14.7. Die Rotverschiebung entspricht<br />

einer Fluchtgeschwindigkeit von v = 7.000 km/sec.<br />

Rotverschiebung<br />

das kosmologische Entfernungsnormal, Def.:<br />

1 + z = λo<br />

λe<br />

= ωe<br />

ωo<br />

z = Hr/c oder v = Hr. (H : Hubblekonstante; c : Lichtgeschwindigkeit).<br />

(1.254)<br />

das Alter des Kosmos, H −1 .<br />

(Einheiten v: 100km/sec; r : Mpc; H : (100km/sec)/Mpc). Obige Entfernung für den Coma-Haufen liefert<br />

H = 7000/140 = 50 km/secMpc entsprechend einem Alter des Kosmos von 20 Gyr (für ein nahezu leeres<br />

Universum).<br />

1.6.2 Ausblick<br />

Die beiden Hauptziele beim Bau des Hubble Space Teleskops waren<br />

1. Bestimmung kosmolgischer Eichstandards,<br />

2. Nachweis der Dunkelmaterie.<br />

Beide Ziele wurden nicht erreicht, was nicht am HST liegt, sondern an Erkenntnissen, <strong>die</strong> erst im<br />

Nachhinein verständlich werden.<br />

Bestimmung kosmolgischer Eichstandards<br />

Nachweis der Dunkelmaterie


130 KAPITEL 1. GEOMETRIE


Kapitel 2<br />

Gravitation: Grundlage der <strong>Astrophysik</strong><br />

2.1 Einleitung<br />

Mechanik und Gravitation wurden als erste physikalische Theorien konzipiert und als Himmelsmechanik<br />

ausgearbeitet. Mit <strong>die</strong>sen werden wir uns im folgenden befassen. Sie sind auch heute noch Grundlage<br />

der Massenbestimmung kosmischer Objekte wie Kometen, Planeten, Sterne und sogar Galaxien.<br />

Endziel solcher Beobachtungen ist es, das Universum als Ganzes zu wiegen, d. h. seinen Masseninhalt<br />

nebst Hierarchie zu bestimmen.<br />

Sieht man von den beiden Disziplinen Mechanik und Gravitation einmal ab, dann hat es bis zur Jahrhundertwende<br />

keine richtige <strong>Astrophysik</strong> gegeben. Das ist nicht verwunderlich, da zum Verständnis<br />

der Sterne <strong>die</strong> Quantenphysik unabdingbar ist.<br />

• ANMERKUNG (ARCHAISCHE BEZEICHNUNGEN IN DER ASTRONOMIE)<br />

So ist es verständlich, aber nicht nur für Studenten außerordentlich hinderlich, daß <strong>die</strong> Astronomie einen Wust archaischer<br />

Bezeichnungen und falscher physikalischer Begriffe mit sich herumschleppt. Hier eine kleine Liste:<br />

• Anomalie.<br />

Wahre und exzentrische Anomalie sind zwei Beispiele aus der Urzeit der Planetenbewegung. Sie sind ein Maß für<br />

<strong>die</strong> Abweichung von der Kreisbahn, welche als normal (genauer als wünschenswert bzw. perfekt) angesehen wurde.<br />

• Verbotene Linien.<br />

Solche Linien im Spektrum bedeuten keinesfalls, daß hier gegen Gebote der Physik verstossen wird, sondern, daß<br />

sie empirisch unter Laborbedingungen nicht auftreten.<br />

• Präzession und Nutation.<br />

Die erzwungene Präzession der Erde im Feld des Mondes heißt Nutation, während <strong>die</strong> freie Nutation der Erde<br />

Chandler Wobble genannt wird.<br />

• Galaxie und galaktisch.<br />

Bis zum Beginn des 20ten Jahrhundert waren <strong>die</strong> Bezeichnungen Milchstraße (Milch der gr. Göttin Hera) und Galaxie<br />

synonym. Heute unterscheidet man zwischen Galaxis = Milchstraße und (einer extragalaktischen) Galaxie.<br />

Beim Adjektiv galaktisch versagt <strong>die</strong>se Möglichkeit, in älteren Darstellungen wird manchmal galaxisch (engl. galaxian)<br />

verwendet.<br />

Super-Novae, Pulsare, kosmische Maser, Quasare und kosmische Ausbrüche von γ - Strahlung, (engl.<br />

γ–ray bursts), sind aktuelle Beispiele von Objekten bzw. Phänomenen, <strong>die</strong> man (auch nach bis zu<br />

50 Jahren nach ihrer Entdeckung) heute nicht erklären kann. Ob <strong>die</strong> Bezeichnung immer korrekt ist,<br />

darf bezweifelt werden: Pulsare pulsieren nicht, sie rotieren. Falls <strong>die</strong> Objekte aber in Binärsystemen<br />

auftreten oder falls sie als Gravitationslinse fungieren, dann kann wenigstens ihre Masse bestimmt<br />

werden.<br />

Da das Binärsystem nicht direkt vermessen werden kann, sind noch einige zusätzliche Überlegungen<br />

notwendig. Direkt beobachtet wird nämlich nur <strong>die</strong> zeitliche Abbildung des Systems (mithilfe von<br />

131


132 KAPITEL 2. GRAVITATION<br />

Licht oder Radiowellen) parallel oder senkrecht zum Sehstrahl. Und zwar entweder <strong>die</strong> Dopplerverschiebung<br />

von Spektrallinien bzw. <strong>die</strong> Pulsankunftszeiten von Signalen (Radiopulsen) oder (bei nahen<br />

Doppelsternen und Planetensystemen) <strong>die</strong> Parallaxe.<br />

Die Spektroskopie und damit <strong>die</strong> Chemie der Sterne geht zwar auf Fraunhofer bzw. Kirchhoff und<br />

Bunsen zurück, verstanden werden konnte sie jedoch nur mit der Quantenmechanik, also ebenfalls erst<br />

zu Beginn <strong>die</strong>ses Jahrhunderts.<br />

Wie wir später zeigen wollen, werden Sterne in dichten Wolken geboren, welche aus Material bestehen,<br />

welches selbst wieder in Sternen gekocht wurde. Wie wir aus Beobachtungen von solchen<br />

Molekülwolken wissen, ist das Hauptausgangsmaterial heute Wasserstoff, H, und Helium, He, mit einer<br />

Beimischung von schwereren Elementen wie C, N, O mit etwa 10 −3 Massenanteil und mit bis zu<br />

1% Staub. Die numerische kosmische Häufigkeit von Fe und Si beträgt etwa 3·10 −5 , was einer Massenhäufigkeit<br />

von ebenfalls etwa 1:1000 entspricht. Obwohl sie nur als Spurenelemente vorkommen,<br />

sind <strong>die</strong> Metalle für das Aussehen und Kühlen der Sterne wesentlich. Bei Molekülwolken übernimmt<br />

Staub <strong>die</strong>se Rolle.<br />

Zum Nachweis des Vorhandenseins bestimmter chemischer Elemente benötigt man das Spektrum der<br />

Elemente, welches für jedes Element so charakteristisch ist, wie der Fingerabdruck oder der genetische<br />

Code beim Menschen. Dabei kann man aus dem Dopplereffekt an einer einzelnen Linie auf <strong>die</strong><br />

Geschwindigkeit der Wolke oder des Sterns schließen; für den Quotienten zweier Linien kürzt <strong>die</strong>ser<br />

sich jedoch heraus: so kann man zeigen, daß im gesamten Universum <strong>die</strong> gleichen Atome und<br />

Moleküle vorhanden sind und es keine anderen gibt.<br />

Die Linienintensitäten schließlich geben Auskunft über <strong>die</strong> kosmische Häufigkeit und <strong>die</strong> Anregungsbedingungen.<br />

Zur quantitativen Bestimmung der Häufigkeiten, welche aus der Linienstärke resultiert,<br />

muß man neben den Anregungsbedingungen des Mediums, also atomare Wirkungsquerschnitte, Dichte<br />

und Temperatur, auch den Strahlungstransport verstehen (Quantenmechanik). Dazu ist bei Atomen<br />

und Molekülen <strong>die</strong> Saha Gleichung <strong>die</strong> wesentliche Grundlage.<br />

Damit erst kann man dann auch <strong>die</strong> Linienform zur Interpretation der physikalischen Bedingungen heranziehen.<br />

Man findet in Sternatmosphären, Wolken, Nebeln und Supernova - Überresten Bedingungen,<br />

wie sie im Labor nicht zu realisieren sind. In der Sprache der Astronomen entdeckt man ’verbotene Linien’,<br />

also Linien, <strong>die</strong> im Labor nicht vorkommen, da <strong>die</strong> Physik dort meist stossdominiert ist. Man<br />

findet auch Elemente, <strong>die</strong> im Labor nur schwer oder gar nicht herzustellen sind, etwa Radikale wie H −<br />

in der Sonnenatmosphäre.<br />

Bei noch extremeren Situationen, wie sie bei akkretierenden Röntgensternen oder bei Radio Pulsaren<br />

vorliegen, ist <strong>die</strong> Physik noch weitgehend unverstanden. Dies gilt auch für <strong>die</strong> kosmischen Maser. So<br />

ist es z. B. bis heute noch nicht gelungen, eine Linie vorherzusagen, <strong>die</strong> anschließend auch beobachtet<br />

wurde.<br />

2.2 Mechanik und Newtonsche Gravitationstheorie<br />

• DEFINITION (ZUM NACHSCHLAGEN)<br />

Wir definieren zum Nachschlagen für <strong>die</strong>se Kapitel folgende Größen.<br />

α, Kopplungskonstante, α = GmM = Gm1m2, (Newton)<br />

oder α = Z1Z2e 2 (Coulomb)<br />

T , kinetische Energie T = (m/2)�v 2 ,<br />

U, Gravitationsenergie U(r) = −α/r,<br />

oder elektrische Wechselwirkungsenergie U(r) = Z1Z2e 2 (Coulomb)<br />

M, Gesamtmasse M = m1 + m2 und<br />

m, reduzierte Masse m = m1m2/M,<br />

r, Abstandsvektor, gerichtet von 1 nach 2, �r = �x2 − �x1,<br />

v, Relativgeschwindigkeit �v = d�r/dt<br />

R, Schwerpunktsvektor � R := (m1�x1 + m2�x2)/M,


2.2. MECHANIK UND NEWTONSCHE GRAVITATIONSTHEORIE 133<br />

P, Umlaufperiode,<br />

V , Schwerpunktsgeschwindigkeit � V = d � R/dt.<br />

Die hier benutzte Größe α ist also nicht wie sonst <strong>die</strong> Feinstrukturkonstante, sondern <strong>die</strong> vorzeichenlose Kopplungsstärke.<br />

Die Wechselwirkungsenergie U(r) kann mithilfe des Potentials Φ auch wie folgt geschrieben werden.<br />

U = m1Φ bzw. U = Z1eΦ<br />

Die beiden Massenpunkte haben <strong>die</strong> Indizes 1 und 2. Für ein <strong>Teil</strong>chen gelten <strong>die</strong> folgenden Definitionen.<br />

Für ein <strong>Teil</strong>chen<br />

Impuls (Massenpunkt 1)<br />

�p1 = m1�v1<br />

Drehimpuls (Massenpunkt 1)<br />

�j1 = �r1 × �p1<br />

Für beide Massenpunkte mit Wechselwirkung zusammen<br />

Gesamtenergie<br />

oder<br />

E = T + U = 1<br />

E = − α(1 − e2 )<br />

2p<br />

Gesamtdrehimpuls<br />

mit<br />

2m1<br />

(2.1)<br />

(2.2)<br />

p 2 1 + m2<br />

2 v2 2 + U(|�x2 − �x1|) (2.3)<br />

= − α<br />

2a<br />

�J = �r1 × �p1 + �r2 × �p2<br />

PJ = 2mπab = 2mπp2<br />

(1 − e 2 ) 3/2<br />

Die Bahn ist eine Ellipse<br />

p<br />

= 1 + e cos φ (Kepler I) (2.7)<br />

r<br />

wo e <strong>die</strong> Exzentizität und p der Parameter der Ellipse sind. Damit gilt für <strong>die</strong> rein geometrischen Größen<br />

p = α<br />

� �2 J<br />

m α<br />

;<br />

�<br />

e = 1 + 2Ep<br />

α<br />

und letzteres umgekehrt in rein physikalischen Größen<br />

und<br />

e 2 − 1 =<br />

2<br />

G2m2 2<br />

EJ<br />

M 3<br />

P = 2πa 3/2<br />

� �<br />

m m<br />

= πα<br />

α |E| 3<br />

Die Newtonsche Gravitationstheorie ist eine Fernwirkungstheorie, <strong>die</strong> Kraft zwischen zwei <strong>Teil</strong>chen<br />

wirkt instantan. Die Newtonsche Bewegungsgleichung zweier Massenpunkte mit Indizes 1 und 2 und<br />

dem Abstand r = |�x1 − �x2| für den Fall rein gravischer Wechselwirkung lautet:<br />

d�v1<br />

m1<br />

dt<br />

d�v2<br />

m2<br />

dt<br />

�x1 − �x2<br />

= −Gm1m2<br />

r3 12<br />

�x2 − �x1<br />

= −Gm1m2<br />

r3 21<br />

(2.4)<br />

(2.5)<br />

(2.6)<br />

(2.8)<br />

(2.9)<br />

(2.10)<br />

(2.11)<br />

Addition der beiden Gleichungen liefert ˙ V = 0, oder für <strong>die</strong> Schwerpunktsgeschwindigkeit � V =<br />

d � R/dt = const. Im Schwerpunktsystem ist (per definitionem) const = � V = 0 und zusätzlich � R = 0.


134 KAPITEL 2. GRAVITATION<br />

• ANMERKUNG (REDUKTION AUF DAS 1- KÖRPERPROBLEM)<br />

Die Gesamtenergie ist wegen der Zeitunabhängigkeit, der Gesamtdrehimpuls wegen der Drehinvarianz erhalten. Für <strong>die</strong>ses<br />

2- Körperproblem gibt es eine exakte Lösung, da es auf das 1- Körperproblem im gegebenen, statischen Potential<br />

zurückgeführt werden kann. Newton selbst hat alle Beweise rein geometrisch geführt, <strong>die</strong> analytische Darstellung geht<br />

auf Euler zurück. Eine besonders elegante Methode wurde von Lagrange gefunden. Sie wird bis heute zum Auffinden<br />

physikalischer Theorien benutzt.<br />

Aus der Lagrange-Funktion L für <strong>die</strong> beiden Massen<br />

L = T − U = m1<br />

2 v2 1 + m2<br />

2 v2 2 − U(|�x2 − �x1|) (2.12)<br />

wird <strong>die</strong> reduzierte 1-<strong>Teil</strong>chen Lagrange-Funktion<br />

L = m<br />

2<br />

. 2<br />

��r + M<br />

2<br />

. 2<br />

��R −U(r) (2.13)<br />

Die Schwerpunkt Koordinate R ist zyklisch, ∂L/∂R = 0, sodaß <strong>die</strong> Schwerpunkt- Geschwindigkeit (und Schwerpunktsenergie)<br />

erhalten ist.<br />

Wir gehen ins Schwerpunktsystem und setzen V = 0 und R = 0. Wir behandeln zunächst das reduzierte 1-<strong>Teil</strong>chen<br />

Problem. Wir geben später <strong>die</strong> allgemeine Behandlung des Kepler Problems.<br />

In sphärischen Koordinaten lautet <strong>die</strong> Lagrange-Funktion L:<br />

L = 1<br />

�<br />

˙r<br />

2m<br />

2 + r 2 Θ˙ 2 2 2<br />

+ r sinΘ φ˙ 2 �<br />

− U(r) (2.14)<br />

Zusätzlich zur Energie E und zum Drehimpuls J ist (als Besonderheit des Potentials U) noch der Laplace - Lenzsche<br />

Vektor erhalten:<br />

�LL = m�v × (�r × �v) + U�r ; U = α<br />

r<br />

Er hat den Betrag αe und ist vom Brennpunkt zum Perihel gerichtet. Physikalisch bedeutet der Erhaltungssatz, daß <strong>die</strong><br />

Bahnlage stabil ist: der Massenpunkt kehrt zu seinem Ausgangspunkt zurück.<br />

Die Konstanz des Laplace-Lenzschen Vektors bedeutet also, daß <strong>die</strong> Bahn geschlossen ist und (wie<br />

wir später zeigen werden) daß <strong>die</strong> Exzentrizität e bei kleinen<br />

Störungen erhalten bleibt. Mathematisch impliziert <strong>die</strong>s, daß <strong>die</strong><br />

Bahn durch elementare Funktionen ausgedrückt werden kann.<br />

Die einzige weitere Ausnahme, bei der beliebige Bahnen stets<br />

geschlossen sind, ist der harmonische Oszillator (mit der Frequenz<br />

ω). Dort ist (wie wir ebenfalls später zeigen werden) der<br />

zusätzlich erhaltene Parameter E/ω.<br />

In der nebenstehenden Abbildung ist (zur Illustration übertrieben)<br />

Abb. 2.1: Keplerbahn<br />

der Fall gezeigt, wo <strong>die</strong> Bahn pro Umlauf um 15 Grad fortschreitet.<br />

Ein beliebiges Zentralpotential führt dagegen auf elliptische Integrale. Ein interessanter Fall, der exakt<br />

gelöst werden kann, ist ein Potential der Form U = −αr−2 . Hier stürzt das <strong>Teil</strong>chen ins Zentrum, falls<br />

ein kritischer Wert für den Drehimpuls unterschritten wird.<br />

Die Bedeutung der beiden Potentiale, U = −ωr2 und U = −αr−1 wird später noch klar werden. Es<br />

ist nicht übertrieben, zu sagen, daß etwa 90% der Physik mit <strong>die</strong>sen abgedeckt werden.<br />

2.2.1 Die Keplerschen Gesetze<br />

Im folgenden ist M <strong>die</strong> Gesamtmasse und m <strong>die</strong> reduzierte Masse<br />

M = m1 + m2 ; m = m1m2<br />

m1 + m2<br />

(2.15)<br />

(2.16)


2.2. MECHANIK UND NEWTONSCHE GRAVITATIONSTHEORIE 135<br />

In <strong>die</strong> Newtonsche Bewegungsgleichung geht <strong>die</strong> reduzierte Masse m als inertiale Masse ein, <strong>die</strong> im<br />

Feld der Gesamtmasse M beschleunigt wird. Sie lautet, im Bezugssystem, wo für <strong>die</strong> Schwerpunkt-<br />

Geschwingigkeit V = 0 gilt:<br />

m d�v<br />

dt<br />

= −GmM �r<br />

r 3<br />

Die inertiale Masse m fällt heraus.<br />

• BEISPIEL (ELEMENTARE BERECHNUNG VON ENERGIE UND DREHIMPULS)<br />

1. Skalarmultiplikation von (2.17) mit �v liefert mit �v = d�r<br />

dt<br />

m�v d�v<br />

dt<br />

den Energiesatz,<br />

oder<br />

= −GmM �r<br />

r 3<br />

d�r<br />

dt<br />

˙E = d<br />

� �<br />

1 GmM<br />

m�v − = 0<br />

dt 2 r<br />

(2.17)<br />

E = T + U = const (2.18)<br />

2. Vektormultiplikation von (2.17) mit �r liefert d � J/dt = 0, d. h. den Drehimpulserhaltungssatz, also<br />

�J = �r × �p = const (2.19)<br />

Die Bewegung verläuft in einer Ebene senkrecht zu � J. Schwieriger ist es, <strong>die</strong> Erhaltung des Laplace - Lenzschen Vektors<br />

�LL<br />

zu zeigen.<br />

�LL = m�v × (�r × �v) + U�r ; U = α<br />

r<br />

Wir nutzen <strong>die</strong> Symmetrie aus und betrachten <strong>die</strong> Lösung in sphärischen Koordinaten (r, Θ, φ) in der<br />

Äquatorebene (Θ = π/2). Die Lagrange-Funktion L = T − V<br />

L = m<br />

2<br />

(2.20)<br />

�<br />

˙r 2 + r 2 ˙ φ 2 �<br />

− U(r) (2.21)<br />

enthält den Winkel φ und <strong>die</strong> Zeit t nicht explizit, was zwei der drei Konstanten der Bewegung liefert.<br />

Die dritte muß man direkt ausrechnen. Wir haben dann <strong>die</strong> folgenden Konstanten der Bewegung:<br />

1. Drehimpuls J :<br />

2. Energie E :<br />

J = mr 2 ˙ φ (2.22)<br />

E = m<br />

2<br />

�<br />

˙r 2 +<br />

3. Laplace - Lenzscher Vektor � LL:<br />

2 J<br />

m2r2 �<br />

+ U(r) (2.23)<br />

�LL = m�v × (�r × �v) + U�r ; U = α<br />

r<br />

(2.24)


136 KAPITEL 2. GRAVITATION<br />

Die Bahn überstreicht das infinitesimale Flächenelement dF = (r 2 /2)dφ, sodaß aus der zeitlichen<br />

Konstanz vom Drehimpuls J der Flächensatz, Kepler II, folgt:<br />

F ˙ = 1<br />

2m J = const = r2φ ˙ (2.25)<br />

Nach einem Umlauf in der Zeit P beträgt <strong>die</strong> Fläche F = πab, woraus J/m berechnet werden kann.<br />

Damit erhalten wir für J<br />

PJ = 2mπab = 2mπp2<br />

(1 − e 2 ) 3/2<br />

(2.26)<br />

mit der Periode P. Die beiden Konstanten der Bewegung (2.22) und (2.23) liefern <strong>die</strong> Bahngleichung<br />

in Polarkoordinaten in der Bahnebene:<br />

dφ<br />

dr =<br />

J<br />

r2 �<br />

2m[E − U(r)] − (J/r) 2<br />

(2.27)<br />

Falls es sich bei U(r) um ein 1/r Potential (Kepler- bzw. Coulomb- Problem) oder ein r 2 Potential<br />

(harmonischer Oszillator) handelt, erhält man einen Kegelschnitt. Die beiden wichtigsten Typen sind<br />

Ellipse und Hyperbel, mit den Sonderfällen Kreis bzw. Parabel.<br />

• ANMERKUNG (HAUPTACHSENDARSTELLUNG)<br />

Für <strong>die</strong> Kegelschnitte gilt <strong>die</strong> Darstellung in kartesischen Koordinaten<br />

x 2<br />

a<br />

2 ± y2<br />

= 1<br />

b2 Diese Darstellung heißt Hauptachsendarstellung, a ist <strong>die</strong> große Hauptachse und b <strong>die</strong> kleine Hauptachse. Das Pluszeichen<br />

liefert eine Ellipse. Die Polargleichung von Ellipse (+) bzw. Hyperbel (−) vom Mittelpunkt aus mit ρ für den Abstand und<br />

θ für den Winkel<br />

ρ 2 = ±<br />

b 2<br />

1 − e 2 cos 2 θ<br />

Man erhält<br />

1. für E < 0 eine Ellipse (Kepler I) bzw.<br />

2. für E > 0 eine Hyperbel und<br />

3. für E = 0 als Sonderfall eine Parabel.<br />

Die Kreisbahn ist darurch ausgezeichnet, daß sie <strong>die</strong> größte Bindungs - Energie besitzt. Für gebundene<br />

Bahnen, E < 0, lautet <strong>die</strong> Parameterdarstellung der Ellipse bezogen auf den Brennpunkt<br />

p<br />

= 1 + e cos φ (Kepler I) (2.28)<br />

r<br />

wo e <strong>die</strong> Exzentizität und p der Parameter der Ellipse sind. Dabei gilt<br />

p = α<br />

m<br />

� �2<br />

J<br />

α<br />

; e =<br />

�<br />

1 + 2Ep<br />

α<br />

(2.29)<br />

wo für <strong>die</strong> Bahngleichung r vom Brennpunkt aus gemessen wird.<br />

Für E < 0 ist e < 1 und für E > 0 ist e > 1. Die Variable φ heißt wahre Anomalie (Winkel bezogen<br />

auf den Brennpunkt der Ellipse, ab Perihel im Gegenuhrzeigersinn gemessen).<br />

Wie Glchg. (2.29) zu ersehen, ist der Parameter der Ellipse p für gegebene Kopplungsstärke α und<br />

Masse m ausschließlich durch den Drehimpuls gegeben. Löst man Glchg. (2.29) nach E auf<br />

E = − α(1 − e2 )<br />

2p<br />

so findet man <strong>die</strong> physikalische Bedeutung der Exzentizität:<br />

(2.30)


2.2. MECHANIK UND NEWTONSCHE GRAVITATIONSTHEORIE 137<br />

Von allen Bahnen zu gegebenem p, d. h. zu gegebenem J und α (geometrische Gesamtmasse:<br />

α = GmM = Gm1m2) hat <strong>die</strong> Kreisbahn <strong>die</strong> größte Bindungsenergie.<br />

Falls ein Binärsystem nur seine Energie, nicht aber seinen Drehimpuls, dissipieren kann (z. B. weil der<br />

Hebelarm wie beim Erde - Mond System fehlt), wird das System immer runder (und weiter).<br />

Die kleine Halbachse b und <strong>die</strong> grosse Halbachse a der Ellipse kann man durch Energie E und Drehimpuls<br />

J wie folgt ausdrücken, s. Glchg. (2.29):<br />

a = p α<br />

=<br />

1 − e2 2|E|<br />

; b =<br />

p<br />

√ 1 − e 2 =<br />

Eliminiert man E und benutzt J = 2mπab,<br />

PJ = 2mπab = 2mπp2<br />

(1 − e 2 ) 3/2<br />

so folgt das dritte Keplersche Gesetz<br />

� �2 2π<br />

= Ω<br />

P<br />

2 = GM<br />

a3 J<br />

�<br />

2m|E|<br />

(2.31)<br />

(2.32)<br />

(2.33)<br />

Die Extrema, f ′ (rmin) = f ′ (rmax) = 0, von r, vom Brennpunkt aus gemessen, heißen Librationspunkte.<br />

Für sie gilt<br />

und<br />

rmin = p<br />

1 + e<br />

rmax = p<br />

1 − e<br />

= a(1 − e) Perihelabstand (2.34)<br />

= a(1 + e) Aphelabstand (2.35)<br />

Aus ihnen kann <strong>die</strong> Exzentrizität der Bahn bestimmt werden. Für <strong>die</strong> Bindungsenergie ergibt sich dann<br />

E = − α(1 − e2 )<br />

2p<br />

= − α<br />

2a<br />

(2.36)<br />

und es gilt 2T + U = 0 (Virialsatz).<br />

Damit haben wir eine vollständige Beschreibung der Bewegung mithilfe der geometrischen Größen<br />

p und e erhalten. Für <strong>die</strong> direkte Beobachtung (Dopplerverschiebung<br />

an optischen Binärsystemen oder Pulsankunftszeit an Radiopulsaren<br />

mit Begleitern) ist <strong>die</strong>se Beschreibung der Bewegung<br />

aber nicht geeignet. Gesucht werden möglichst einfache Ausdrücke<br />

für <strong>die</strong> Orts- und Geschwindigkeitsvariablen x und y, bzw.<br />

˙x und ˙y, als Funktion der Zeit des Beobachters t.<br />

Dazu betrachtet man nach Bessel <strong>die</strong> exzentrische Anomalie Φ.<br />

Bisher war φ <strong>die</strong> wahre Anomalie (Winkel bezogen auf den<br />

Brennpunkt der Ellipse, ab Perihel im Gegenuhrzeigersinn gemessen),<br />

jetzt wird stattdessen Φ, <strong>die</strong> exzentrische Anomalie<br />

(Winkel bezogen auf Mittelpunkt zwischen beiden Brennpunk-<br />

Abb. 2.2: Anomalie<br />

ten eines Kreises mit Radius a) betrachtet.<br />

In der Abbildung ist zu den Winkeln jeweils π hinzuzuzählen, zur besseren Lesbarkeit ist hier vom<br />

Aphel nicht vom Perihel aus gezählt.


138 KAPITEL 2. GRAVITATION<br />

In Parameterform gilt damit für <strong>die</strong> Bahn:<br />

r = a(1 − e cos Φ) (2.37)<br />

x = a(cos Φ − e) y = a √ 1 − e2 �<br />

sin Φ (2.38)<br />

t = ma3 /α(Φ − e sin Φ) + to<br />

�<br />

(2.39)<br />

T = 2π ma3 /α M = 2πt/T (2.40)<br />

Der Winkel Φ heißt exzentrische Anomalie. Der Winkel ist bezogen auf den Mittelpunkt zwischen<br />

beiden Brennpunkten eines Kreises mit Radius a, ab Perihel im Gegenuhrzeigersinn gemessen:<br />

und es gilt:<br />

ae + x = acosΦ (2.41)<br />

cos Φ =<br />

sin Φ =<br />

tan Φ<br />

2 =<br />

e + cos φ<br />

1 + e cos φ<br />

√<br />

1 − e2 sin φ<br />

1 + e cos φ<br />

�<br />

1 − e φ<br />

tan<br />

1 + e 2<br />

Als dimensionslose Zeit definiert man (nach Bessel) <strong>die</strong> Größe M. Sie heißt mittlere Anomalie.<br />

(2.42)<br />

(2.43)<br />

(2.44)<br />

• ANMERKUNG (RECHNUNG)<br />

Zum Beweis <strong>die</strong>ser Formeln beachte man folgendes: Glchg. (2.42) ist <strong>die</strong> Definition von Φ, Glchg. (2.43) folgt durch<br />

Quadratur; bleibt Glchg. (2.44) zu beweisen. Dazu benutzt man <strong>die</strong> Formel für den halben Winkel:<br />

tan Φ<br />

2<br />

=<br />

sinΦ<br />

1 + cosΦ<br />

qua<strong>die</strong>rt <strong>die</strong>se und ersetzt sin 2 Φ durch 1 − cos 2 Φ = (1 + cosΦ)(1 − cosΦ) und kürzt einmal. Das liefert<br />

1 − cosΦ<br />

1 + cosΦ<br />

Auflösen nach z liefert<br />

cosΦ =<br />

= 1 − e<br />

1 + e<br />

1 − z<br />

1 + z<br />

1 − cosφ<br />

1 + cosφ<br />

= z<br />

und das schließlich Glchg. (2.42).<br />

Die Umkehrformeln zu Glchg. (2.42) und (2.43) erhält man durch <strong>die</strong> Substitution e → −e.<br />

sin φ = � 1 − e2 sin Φ<br />

1 − e cos Φ<br />

cos φ =<br />

cos Φ − e<br />

1 − e cos Φ<br />

Im folgenden benutzen wir Die Bezeichnungen<br />

1. für <strong>die</strong> Periode: P bzw.<br />

2. für <strong>die</strong> Umlauf - Frequenz: Ω und<br />

3. für <strong>die</strong> grosse Halbachse: a.<br />

(2.45)<br />

(2.46)


2.2. MECHANIK UND NEWTONSCHE GRAVITATIONSTHEORIE 139<br />

Sie sind durch Kepler III wie folgt verknüpft:<br />

� �2 2π<br />

= Ω<br />

P<br />

2 = GM<br />

a3 (2.47)<br />

wie man aus Glchg. (2.39) erhält. Ersetzen von a in der Kepler Formel (mithilfe von Glchg. (2.33))<br />

liefert, daß <strong>die</strong> Periode<br />

P = 2πa 3/2<br />

� �<br />

m m<br />

= πα<br />

α |E| 3<br />

(2.48)<br />

nur von der Energie abhängt, im Falle gravischer Wechselwirkung hängt <strong>die</strong>se darüber hinaus nur von<br />

der Gesamtmasse ab!<br />

• ANMERKUNG (NÜTZLICHE FORMELN ZUR BERECHNUNG DES LAPLACESCHEN VEKTORS AM PERIHEL)<br />

Zur Berechnung des Laplace-Lenzschen Vektors und für späteren Gebrauch geben wir einige nützliche Formeln.<br />

und<br />

˙φ = J<br />

=<br />

mr2 2π<br />

P (1 − e2 (1 + e cos φ)2<br />

) 3/2<br />

vφ = r ˙ φ = J J<br />

= (1 + e cos φ)<br />

mr mp<br />

Damit wird der erste Term des Laplace-Lenzschen Vektors<br />

rv 2 φ =<br />

� �2 J<br />

p(1 + e cos φ) = α(1 + e cos φ)<br />

mp<br />

Am Perihel also, wo ˙r = 0, wird LL = rv 2 φ − α und daraus folgt LL = eα.<br />

Ferner folgt<br />

e = rmax − rmin<br />

=<br />

rmax − rmin<br />

vmax − vmin<br />

vmax − vmin<br />

Daraus kann, bei normaler Lage der Ellipse, <strong>die</strong> Exzentrizität bestimmt werden.<br />

2.2.2 Streuung: Die Rutherford-Formel<br />

• ANMERKUNG (KOORDINATEN)<br />

Die Polarkoordinaten r und φ beziehen sich auf den Brennpunkt; φ gemessen ab Perihel; x, y, Φ sind kartesische Koordinaten<br />

bezogen auf den Koordinatenursprung. Im folgenden ist wieder M <strong>die</strong> Gesamtmasse und m <strong>die</strong> reduzierte Masse<br />

M = m1 + m2 ; m = m1m2<br />

m1 + m2<br />

Die Kopplungskonstante ist α = GmM = Gm1m2 (Newton) oder α = Z1Z2e 2 (Coulomb).<br />

Für Streuzustände gilt E > 0, d. h. Exzentrizität e > 0. Die Hyperbel hat im Falle von Anziehung <strong>die</strong><br />

Bahngleichung:<br />

p<br />

r<br />

mit rmin = p<br />

e+1<br />

(2.49)<br />

= 1 + e cos φ (2.50)<br />

= a(e − 1) und<br />

x = a(e − cosh Φ) y = a(e 2 − 1) 1/2 sinh Φ (2.51)<br />

t = (ma 3 /α) 1/2 (e sinh Φ − Φ) + to (2.52)


140 KAPITEL 2. GRAVITATION<br />

Der Zusammenhang zwischen den Winkeln φ (wahre Anomalie) und Φ (exzentrische Anomalie) ist:<br />

sinh Φ = √ e2 sin φ<br />

− 1<br />

1 + e cos φ<br />

cosh Φ<br />

tan<br />

=<br />

e + cos φ<br />

1 + e cos φ<br />

Φ<br />

2 =<br />

�<br />

e − 1 φ<br />

tan<br />

e + 1 2<br />

Der differentielle Streuquerschnitt dσ ist definiert als<br />

dabei ist<br />

<strong>die</strong> Anzahl der ins Winkelelement do gestreuten <strong>Teil</strong>chen pro Stromstärke und Zeiteinheit<br />

Stromstärke = <strong>Teil</strong>chenzahldichte×Geschwindigkeit = nv des Strahls der <strong>Teil</strong>chen.<br />

dσ = 1<br />

nv<br />

(2.53)<br />

(2.54)<br />

(2.55)<br />

dN<br />

do (2.56)<br />

dt<br />

Gewöhnlich schreibt man <strong>die</strong>s in der Form<br />

dN<br />

= n v<br />

dt<br />

dσ<br />

do<br />

Diese Definition des Streuquerschnitts bezieht sich auf <strong>die</strong> Streuung an einem einzelnen Targetteilchen.<br />

Die Streurate an Nj Targetteilchen erhält man also duch Multiplikation mit Nj = njV wenn V das<br />

Volumen ist. Bezeichnen wir <strong>die</strong> Streuteilchen noch mit Index i und den Betrag der Relativgeschwindigkeit<br />

mit vij, so kann man das wie folgt schreiben:<br />

˙Ni =<br />

1<br />

σvijninjV (2.57)<br />

1 + δij<br />

Dabei haben wir berücksichtigt, daß bei der Streuung identischer <strong>Teil</strong>chen nur <strong>die</strong> Hälfte Streuteilchen<br />

und <strong>die</strong> andere Hälfte Targetteilchen sind. Die Formel ist symmetrisch in Streu- und Targetteilchen,<br />

Division durch Ni = niV liefert <strong>die</strong> Stossrate<br />

1<br />

τ = ˙ Ni<br />

Ni<br />

=<br />

1<br />

1 + δij<br />

α<br />

mv 2 i ρ<br />

σ vij nj<br />

(2.58)<br />

oder einfacher<br />

1<br />

= nσv (2.59)<br />

τ<br />

In <strong>die</strong>ser Form werden wir sie in Zukunft für einfache Abschätzungen benutzen. Falls <strong>die</strong> <strong>Teil</strong>chen<br />

Elementarteilchen mit halbzahligem Spin sind, dann muß <strong>die</strong>s im Wirkungsquerschnitt berücksichtigt<br />

werden.<br />

Bei der Streuung werden alle <strong>Teil</strong>chen, <strong>die</strong> einlaufend mit der Anfangsgeschwindigkeit vi den Zylinder<br />

mit Ringfläche 2πρdρ durchsetzen, um den Winkel χ = π −2φ abgelenkt, dh. ins Raumwinkelelement<br />

do = 2πsinχdχ gestreut.<br />

Wir integrieren Glchg. (2.27) und erhalten für <strong>die</strong> Änderung des Winkels φ bis zum Perihel für Coulombstreuung:<br />

�<br />

drJ(r)<br />

∆φ =<br />

r2 h<br />

�<br />

= arccos<br />

2m[E − U(r)] − (J/r) 2 (1 + h2 , (2.60)<br />

) 1/2<br />

h =<br />

E = m<br />

2 v2 i J = mρvi (2.61)


2.2. MECHANIK UND NEWTONSCHE GRAVITATIONSTHEORIE 141<br />

wobei E und J durch <strong>die</strong> physikalischen Parameter Anfangsgeschwindigkeit vi und Stossparameter ρ<br />

ersetzt wurden. Der Ablenkwinkel χ ergibt sich zu χ = π − 2∆φ und mit Glchg. (2.60) kann man das<br />

umrechnen in<br />

oder<br />

π − χ<br />

ctg∆φ = h = ctg<br />

2<br />

tan χ<br />

2<br />

= h = α<br />

mv 2 i ρ<br />

Daraus folgt schließlich <strong>die</strong> Rutherfordsche Formel<br />

dσ = 2πρdρ =<br />

� α<br />

2mv 2 i<br />

� 2<br />

do<br />

4 χ<br />

sin 2<br />

(2.62)<br />

(2.63)<br />

wobei do das Raumwinkelelement ist.<br />

Der Wirkungsquerschnitt ist nicht vom Vorzeichen abhängig und stimmt auch quantenmechanisch,<br />

falls <strong>die</strong> <strong>Teil</strong>chen verschieden sind. Für Coulombstreuung ersetzen wir noch α = e 2 und schreiben mit<br />

dem klass. Elektronenradius re = e 2 /mc 2 und der Fläche σe = r 2 e<br />

dσ = σe<br />

� �<br />

c 4 do<br />

v sin4 (χ/2)<br />

(2.64)<br />

Im Schwerpunktsystem wird <strong>die</strong> Energie der <strong>Teil</strong>chen nicht geändert (elastischer Stoss), sondern nur<br />

<strong>die</strong> Richtung des Impulses.<br />

Wir betrachten jetzt <strong>die</strong> Energie, <strong>die</strong> das einlaufende <strong>Teil</strong>chen (Index 1) an das Target <strong>Teil</strong>chen (Index<br />

2) überträgt und zwar für ein ursprünglich ruhendes <strong>Teil</strong>chen 2 (Laborsystem). Es gilt, falls v <strong>die</strong><br />

Geschwindigkeit von 1 ist<br />

v2 = ∆v = 2(m/m2)v sin(χ/2) (2.65)<br />

Zusammen mit Glchg. (2.62) hat man somit eine Parameter Darstellung Stossparameter ρ und Geschwindigkeitsübertrag<br />

∆v. Für kleine Ablenkwinkel ergibt sich<br />

∆v ≈ 2Gm1<br />

ρv<br />

Mit der reduzierten Masse m und der Gesamtmasse M geben wir nun nützliche Relationen für Impulsund<br />

Energieübertrag, <strong>die</strong> wir später benötigen.<br />

∆v<br />

v<br />

∆E<br />

E<br />

= 2 m1<br />

m1 + m2<br />

�<br />

m<br />

= 4<br />

m2<br />

sin(χ/2) (2.66)<br />

� 2<br />

sin 2 (χ/2) (2.67)<br />

Von der Anfangsenergie (m1/2)v 2 wird also maximal der Bruchteil Q<br />

übertragen.<br />

Q = 4m1m2 m<br />

= 4<br />

(m1 + m2) 2 M<br />

≤ 1 (2.68)<br />

• ANMERKUNG (MAXIMALER ENERGIEÜBERTRAG)<br />

Das Maximum wird beim zentralen Stoß erreicht, wo das <strong>Teil</strong>chen reflektiert wird. Q = 1 gilt für m1 = m2. In <strong>die</strong>sem<br />

Fall kann <strong>die</strong> gesamte Energie von <strong>Teil</strong>chen 1 auf <strong>Teil</strong>chen 2 übertragen werden.


142 KAPITEL 2. GRAVITATION<br />

• ANMERKUNG (GRAVISCHER STOSSQUERSCHNITT)<br />

Für eine Ablenkung um 90 Grad ergibt sich ein minimaler Radius:<br />

Gm<br />

v 2 = ρmin (2.69)<br />

Damit lautet <strong>die</strong> Formel für den gravischer Stossquerschnitt<br />

σ = 2πr 2 min<br />

und daraus erhalten wir als erste grobe Näherung für <strong>die</strong> Stosszeit zweier Sterne der Masse m<br />

τ = 1<br />

nσv<br />

v 3<br />

= fp<br />

G2m2n ; fp = 1<br />

π<br />

Die Formel kann mithilfe des Schwarzschild Radius RS wie folgt geschrieben werden<br />

τ = 2<br />

π<br />

�<br />

v<br />

�3 1<br />

c cR2 Sn Für <strong>die</strong> Milchstraße ergibt sich mit v = 20 km s −1 und n = 0.1 Stern pro pc 3 etwa 3·10 14 Jahre. Bei 10 11 Sternen ist das<br />

ein Stoß alle 3000 Jahre. Im Gegensatz dazu sind Stöße von Galaxien (wie etwa im Virgo Haufen) durchaus möglich. Dort<br />

ist (mit v = 1500 km s −1 und n = 1000 Mpc −3 ) <strong>die</strong> Stosszeit nur 1 Gyr.<br />

Im folgenden wollen wir eine stark vereifachte Situation behandeln. Schnelle <strong>Teil</strong>chen streuen an ruhenden,<br />

schweren <strong>Teil</strong>chen. Die schnellen verlieren dabei Energie ∆E = ɛ, <strong>die</strong> schweren bleiben<br />

liegen. Wir wollen den differentielle Wirkungsquerschnitt dσ als Funktion des Energieübertrags bestimmen,<br />

d. h. wir eliminieren den Streuwinkel mithilfe von Glchg. (2.67) aus Glchg. (2.64). Eine<br />

einfache Rechnung liefert<br />

dσ = 2πρdρ = 2π α2<br />

m2v2 dɛ<br />

ɛ2 und <strong>die</strong> Energie-Verlustrate pro Weglänge (x = vt) beträgt pro <strong>Teil</strong>chen,<br />

dE<br />

dx<br />

= dE<br />

(vdt)<br />

= n<br />

max �<br />

min<br />

(2.70)<br />

(2.71)<br />

(2.72)<br />

ɛdσ (2.73)<br />

wobei n <strong>die</strong> <strong>Teil</strong>chenzahldichte der Targetteilchen ist. Das Ergebnis ist in <strong>die</strong>ser Näherung logaritmisch<br />

divergent:<br />

dE<br />

dx<br />

= 2πn α2<br />

m2v 2 ln(∆Emax/∆Emin) (2.74)<br />

Für kleine Ablenkwinkel, d. h. dem Gültigkeitsbereich der klassischen Fomel, kann man<br />

ɛ ≈ (m/2m2)v 2 h 2<br />

nähern, mit h = α/mv 2 i ρ. Für Stöße geladener <strong>Teil</strong>chen, mit α = Z1Z2e 2 ,<br />

dE<br />

dx = 4πnZ2 1Z 2 2e 4<br />

m2v 2 ln B ; B = ρmax<br />

und bei gravischer WW<br />

ρmin<br />

dE<br />

dt = 4πnG2 m2 1m2<br />

ln B ; B =<br />

v<br />

ρmax<br />

ρmin<br />

(2.75)<br />

(2.76)<br />

Der Wert von B = ρmax/ρmin hängt von der konkreten physikalischen Situation ab, je nachdem ob<br />

Plasma- oder Quanten-Effekte wichtiger sind. Eine genauere Analyse folgt bei der Betrachtung der bei<br />

den Stößen auftretenden Strahlungsverlusten.


2.2. MECHANIK UND NEWTONSCHE GRAVITATIONSTHEORIE 143<br />

Als Beispiele erwähnen wir hier <strong>die</strong> klassische Formel<br />

bmin = Ze2<br />

mv2 ; bmax = n −1/3<br />

und das Ergebnis von Bethe (1930)<br />

B = 2mv2<br />

¯hω<br />

= v2<br />

v 2 B<br />

(2.77)<br />

(2.78)<br />

Dabei ist ¯hω <strong>die</strong> Bindungsenergie und vB <strong>die</strong> Geschwindigkeit des Elektrons im Bohrschen Orbit. In<br />

jedem Fall aber hängt das Ergebnis nur logaritmisch davon ab, welche konkrete Situation vorliegt.<br />

Beispiele<br />

Yukawa Potential<br />

Für ein ’Yukawa Potential’ (abgeschirmtes Coulombpotential)<br />

U(r) = e<br />

r e−κr<br />

z. B. ist <strong>die</strong> natürliche Grenze für ρmax offensichtlich 1/κ und ρmin wird durch ∆Emax gegeben.<br />

Quantenmechanisch kann das Problem in Bornscher Näherung analytisch gelöst werden. Für den<br />

differentiellen Wirkungsquerschnitt erhält man:<br />

dσ =<br />

� e 2<br />

Ea<br />

� 2<br />

do<br />

(1 + 4(E/Ea) sin 2 (χ/2)) 2 mit Ea = 1<br />

2m (κ¯h)2<br />

Integration über <strong>die</strong> Winkel liefert ein endliches Ergebnis für den Gesamt - Wirkungsquerschnitt:<br />

� �<br />

2 2<br />

e 1<br />

σ =<br />

1 + 4(E/Ea)<br />

Ea<br />

Die neue Größe Ea hat <strong>die</strong> Bedeutung einer Abschneide Energie. Im Limes Ea → 0 erhält man<br />

zufälliger Weise das exakte Ergebnis für <strong>die</strong> Coulombstreuung (zweier Ladungen Z1 und Z2):<br />

�<br />

Z1Z2e<br />

dσ =<br />

2<br />

�2 do<br />

4E sin4 (χ/2)<br />

Die harte Kugel<br />

Klassisch kann man <strong>die</strong> Streuung harter Kugeln rein geometrisch behandeln. Seien r1 und r2 <strong>die</strong><br />

Ra<strong>die</strong>n, dann ist R = r1 + r2 <strong>die</strong> kleinste Entfernung der Zentren, auf <strong>die</strong> sich <strong>die</strong> beiden Kugeln<br />

nähern können. Äquivalent dazu ist <strong>die</strong> Streuung einer Punktmasse an einer Kugel mit Radius<br />

R = r1 + r2.<br />

Der gesamte Streuquerschnitt beträgt also<br />

σ = π(r1 + r2) 2<br />

Für identische <strong>Teil</strong>chen also<br />

σ = πd 2<br />

wobei d der Durchmesser ist. Die Streuung ist isotrop, d. h. es gilt Einfallswinkel = Ausfallswinkel<br />

und für den Stossparameter gilt ρ = R sin θ; also<br />

ρdρ = R 2 sin θ cos θ dθ<br />

Für den Ablenkwinkel gilt χ = π − 2θ, sodaß für den differentiellen Streuquerschnitt folgt:<br />

dσ<br />

do = (r1 + r2) 2<br />

4


144 KAPITEL 2. GRAVITATION<br />

Mit <strong>die</strong>sen Streuquerschnitten werden wir in einfachster Näherung <strong>die</strong> Stöße von Atomen und Molekülen<br />

abschätzen.<br />

• FORMELN (MAKROSKOPISCHE PARAMETER)<br />

Gesamtmasse und Trägheitstensor, I, sind allgemein wie folgt definiert:<br />

und<br />

�<br />

M = ρd 3 x (2.79)<br />

Iab =<br />

�<br />

ρd 3 x(r 2 δab − xaxb) (2.80)<br />

Der Trägheitstensor, I, ist reell und symmetrisch, seine 3 Haupt - Trägheitsachsen �ei sind <strong>die</strong> Eigenvektoren der Eigenwertgleichung<br />

I �ei = Ii �ei<br />

mit den Haupt - Trägheitsmomenten Ii als Eigenwerten. Mit dem Trägheitstensor, I, ist der Quadrupoltensor, Q, der durch<br />

definiert ist, verknüpft, sodaß<br />

Qαβ = −3Iab + Iχχδαβ<br />

gilt. Im Falle des Newtonschen Gravitationspotentials gibt es keinen Dipolterm und <strong>die</strong> ersten beiden Terme der Multipolentwicklung<br />

lauten (in der Definition von Landau und Lifschitz)<br />

�<br />

M 1<br />

V (�r) = −G +<br />

r 6 Qαβ<br />

∂2 ∂xα∂xβ �<br />

(2.82)<br />

Für geladene Materie definiert man entsprechend den el. Quadrupoltensor, Q, mit der Ladungsdichte q<br />

�<br />

Qαβ =<br />

(2.81)<br />

d 3 xq(3xαxβ − r 2 δαβ) (2.83)


2.3. DIE MASSENHIERARCHIE 145<br />

2.3 Die Massenhierarchie<br />

Beginnen wir mit der Massenbestimmung wieder vor unserer Haustür, im Sonnensystem.<br />

2.3.1 Mitglieder des Sonnensystems<br />

Wie aus Tabelle 2.1 ersichtlich, dominiert <strong>die</strong> Sonne mit ihrer gravischen Masse derart das ganze<br />

System, daß es eine gute Näherung ist, <strong>die</strong> Massen der Planeten dagegen zu vernachlässigen. Die<br />

Sonne bestimmt also den Schwerpunkt und <strong>die</strong> verschiedenen Mitglieder des Sonnensystems bewegen<br />

sich um ihn auf Ellipsenbahnen.<br />

Objekt Zahl Durchmesser Einzelmasse Gesamtmasse Abstand<br />

g M⊕ AE<br />

Sonne 1 1 400 000 km 2 · 10 33 330 000 —<br />

Planeten 9 5 000 . . . 140 000 km 0.0023 . . . 318M⊕ 448 0.4 . . . 40<br />

Monde 54 10 . . . 5 000 km 7 · 10 25 0.12 0.4 . . . 40<br />

Asteroide 5 · 10 4 1 . . . 800 km 7 · 10 21 0.1 2.9<br />

Kometen 10 9 1 . . . 100 km 5 · 10 15 0.1 bis 40 000<br />

Meteoride 10 −3 . . . 10 3 cm 10 3 10 −9<br />

Erde: Radius R⊕ = 6.378 · 10 8 cm; Masse: M⊕ = 5.997 · 10 27 g<br />

Tab. 2.1: Mitglieder des Sonnensystems<br />

Die Entfernungen im Sonnensystem sind heute durch Radar Tracking sehr genau vermessen. Die Massen<br />

der größeren Objekte kann man aus Bahnstörungen bzw aus dem Umlauf von Monden bestimmen;<br />

<strong>die</strong> der kleineren muß man schätzen.<br />

Kleinste Partikel.<br />

Beginnen wir mit den kleinsten zuerst. Die Sonne verliert Materie in Form eines Sonnenwindes, das<br />

ist ein Plasma aus Elektronen und Protonen. Der Massenverlust (1.4·10 12 g pro Sekunde oder 10 −4<br />

ihrer Masse seit Entstehung) ist unbedeutend, der Drehimpulsverlust hat eine Abbremszeit von 10 Gyr.<br />

Daneben gibt es interplanetaren Staub, welcher sich bei der Lichtstreuung als Zodiakallicht bemerkbar<br />

macht.<br />

Meteoride.<br />

Als nächstes in der Massenskala kommen <strong>die</strong> Meteoride. Das sind Gesteinskörner unterschiedlicher<br />

Form und Größe. Dringt ein Meteorid in <strong>die</strong> Erdatmosphäre ein, beginnt er zu verdampfen und dabei<br />

zu leuchten. Er heißt dann Meteor. Was davon auf dem Erdboden aufschlägt nennt man Meteorit. An<br />

Meteoriten und Staub regnen pro Tag etwa 300 Tonnen auf <strong>die</strong> Erde.<br />

Asteroide.<br />

Es gibt keine strenge Abgrenzung zur nächst größeren Einheit, den Asteroiden. Diese sind grosse<br />

Gesteinsbrocken, von einigen hundert Metern Durchmesser an aufwärts bis zur Größe der kleinsten<br />

Monde. Die meisten Asteroide befinden sich zwischen Mars und Jupiter, dort wo nach dem Titius -<br />

Bode Gesetz ein Planet sein sollte.<br />

Der Asteroid 243 Ida ist der einzige Asteroid, von dem man weiß, daß er einen Mond (mit Namen<br />

Dactyl; Durchmesser 1.6 km) besitzt. Anhand von Daten von der Jupiter Sonde Galileo ist es gelungen,<br />

erstmals einen Asteroiden zu wiegen und seine mittlere Dichte zu bestimmen.<br />

Radius R = 15.7 km, Dichte ρ = 2.6 g cm −3 . Umlaufperiode T = 227.3 h; Masse M = 4.2 · 10 19 g.<br />

Kometen.<br />

Von den Asteroiden zu unterscheiden sind <strong>die</strong> Kometen. Nach dem Standard - Modell von F. L. Whipple<br />

bestehen sie aus gasförmiger Koma, mit Radius Rcoma � 10 6 km, und einem Kern, ρ � 2 g cm −3


146 KAPITEL 2. GRAVITATION<br />

und Rnucl � 1 km, aus verschmutztem Eis, H20. Die (beobachtete) Länge des Schweifs eines Kometen<br />

kann 1 AE (von der Sonne bis zur Erde) übertreffen. Von Kometen stammt das Wasser auf der Erde.<br />

Da Kometen verglühen, müßen sie ständig nachgeliefert werden. Ein Ort, wo solche Urkometen gespeichert<br />

sind, ist <strong>die</strong> Oortsche Wolke. Man schätzt, daß hier etwa 10 11 Kometen in einem Abstand von<br />

10 4 AE <strong>die</strong> Sonne (in 10 6 Jahren) umkreisen. Durch Bahnstörungen vorbeifliegender Sterne werden<br />

<strong>die</strong>se dann ins Innere des Sonnensystems abgelenkt. Kometen aus der Oortschen Wolke haben beliebige<br />

Inklinationswinkel zur Ekliptik. Sie stammen vermutlich aus dem Inneren der Scheibe (5 bis 30<br />

AE) und wurden durch gravische Störungen der Planeten nach außen geschleudert.<br />

Davon unterscheiden sich Kometen, deren Inklinationswinkel zur Ekliptik i < 35 ◦ beträgt, mit Perioden<br />

um 200 Jahren. Der holl. Astronom P. Kuiper schlug 1951 vor, <strong>die</strong>se als Begleiter von dem<br />

Planeten Pluto zu erklären. Heute nimmt man an, daß <strong>die</strong>se Kometen einen ganzen Gürtel bevölkern,<br />

der von Neptun (30 AE) bis einige 100 AE weit von der Sonne reicht. Pluto ist das prominenteste<br />

Mitglied, mehrere Duzend grosse Kometen mit Durchmesser von mehr als 100 km wurden seit 1992<br />

entdeckt. Die Gesamtmasse MKuiper wird auf 4 Prozent der Erdmasse geschätzt, etwa zwanzigmal <strong>die</strong><br />

Masse von Pluto. (MKuiper ≈ 4 · 10 −2 M⊕ ≈ 2.4 · 10 26 g).<br />

Weitere physische Daten sind:<br />

(geschätzte) Masse M � (4π/3)R 3 � 10 16 g und Anzahl N � 10 9 . Typische Geschwindigkeiten sind<br />

v � 30 km/s. Pro Jahr werden etwa 12 entdeckt.<br />

Wir geben einige einfache Anwendungen von Glchg. (2.33),<br />

� �2 2π<br />

= Ω<br />

P<br />

2 = GM<br />

a3 (2.84)<br />

bevor wir mit einer genaueren mathematischen Analyse des Zweikörper Problems beginnen. Wir beschränken<br />

uns auf den Fall der reinen Kreisbewegung und bezeichnen den Radius jetzt mit R. Kepler<br />

III schreiben wir in der Form<br />

v = R Ω =<br />

�<br />

G M<br />

R<br />

oder M = R3 Ω 2<br />

G<br />

(2.85)<br />

Hat demnach ein Zentralobjekt einen Satelliten mit bekannter Umlaufperiode und bekanntem Bahnradius,<br />

dann ist das Objekt gewogen. Damit können <strong>die</strong> Massen der Planeten, <strong>die</strong> einen Mond haben,<br />

bestimmt werden, aber auch <strong>die</strong> der Asteroiden mit einem Begleiter.<br />

• ANMERKUNG (GENAUIGKEIT DER GRAVITATIONSKONSTANTEN)<br />

Die Gravitationskonstante G = 6.6732 · 10 −8 cm 3 g −1 s −2 ist nur auf 4 Stellen genau bekannt. Wesentlich genauer ist <strong>die</strong><br />

Bestimmung von GM. Für <strong>die</strong> Sonne ist <strong>die</strong> wichtige Größe<br />

GM⊙/c 3 = 4.925490 · 10 −6<br />

s<br />

Die Bindungsenergie E = T + U = −T wird durch Erhöhen der Tangential - Geschwindigkeit um<br />

das √ 2 - fache auf Null gebracht. Ein Objekt <strong>die</strong>ser Geschwindigkeit verläßt das Gravitationsfeld, falls<br />

<strong>die</strong>ses stark genug nach außen abfällt, wie es für das Feld der Sonne und der Galaxie der Fall ist. Wir<br />

definieren demgemäß <strong>die</strong> Entweichgeschwindigkeit<br />

vesc =<br />

�<br />

2GM<br />

R<br />

(2.86)<br />

Für <strong>die</strong> Erdoberfläche sind das 11.2 km s −1 . Die Rotationsgeschwindigkeit am Äquator beträgt dagegen<br />

nur etwa 0.5 km s −1 , <strong>die</strong> Erde ist ein langsamer Rotator.


2.3. DIE MASSENHIERARCHIE 147<br />

2.3.2 Die Masse der Galaxis<br />

Kennt man <strong>die</strong> Entfernung und damit das Volumen einer Galaxie, dann kann man durch Sternzählung<br />

<strong>die</strong> sichtbare Masse einer Galaxie bestimmen. Dabei ist vorausgesetzt, daß man <strong>die</strong> Masse der Sterne<br />

spektroskopisch bestimmen kann.<br />

Die Sonne<br />

Für <strong>die</strong> Planetenbahnen im Feld der Sonne hat man<br />

Radius R in AE, 1 AE = 1.495·10 13 cm und Umlaufzeit T in Jahren, 1 siderisches Jahr =<br />

3.155·10 7 s:<br />

T = 1R 3/2<br />

Geschwindigkeit v in km s −1 ,<br />

v = 30 R −1/2<br />

vesc = 42.2 R −1/2<br />

Diese Einheiten sind <strong>die</strong> natürlichen Einheiten für Planetensysteme.<br />

Die Galaxis<br />

Für <strong>die</strong> Bahn der Sonne, genauer des LSR, um das glaktische Zentrum gilt<br />

Umlauffrequenz Ω0 in s −1 und Periode in Millionen Jahren.<br />

Die Umlauffrequenz Ω0 kann lokal durch Messung der differentiellen Rotation bestimmt<br />

werden, unabhängig von der Kenntnis des Radius R0 = Entfernung zum galaktischen Zentrum.<br />

Die Oortschen Konstanten A und B sind folgendermassen definiert:<br />

vr = A r sin2l vt = A r cos2l + B (2.87)<br />

Für zirkulare Bewegung des LSR ergibt sich dann<br />

A = − 1<br />

2 R<br />

� �<br />

dΩ<br />

dR<br />

B = −Ω + A (2.88)<br />

und daraus Ω zu<br />

R<br />

Ω = A − B (2.89)<br />

Mit den von Oort bestimmten Werten A = 15 km s −1 kpc −1 und B = −10 km s −1 kpc −1<br />

liefert das<br />

Ω0 = 8.08 · 10 −16 s −1<br />

bzw. P0 = 2π<br />

Ω<br />

Radius R0 in 8 kpc, 8 kpc = 2.46·10 22 cm und<br />

v0 Geschwindigkeit in km s −1 ,<br />

= 250 Myr (2.90)<br />

v0 = 220 vesc = 310 (2.91)<br />

M Masse in M⊙, Masse der Sonne: 1.989·10 33 g<br />

M = 10 11 M⊙ Ω 2 0 R 3 0 (2.92)<br />

Der alte Wert für R0 = 10 kpc liefert v = 250 km s −1 .


148 KAPITEL 2. GRAVITATION<br />

Die lokale Massendichte<br />

• DEFINITION (GALAKTISCHE KOORDINATEN)<br />

Wir benutzen Zylinder Koordinaten r, l für Entfernung und Winkel auf <strong>die</strong> Sonne bezogen und R, γ auf das galaktische<br />

Zentrum. D = Entfernung der Sonne vom galaktischen Zentrum (8 kpc).<br />

Die Sonne ist ziemlich genau in der galaktischen Ebene, z = 0. Die wahre Entfernung R vom galaktischen Zentrum ist in<br />

der Ebene näherungsweise<br />

R = D − r cos l<br />

Die exakten Relationen lauten (z = 0)<br />

D cos l = R cos(l + γ) ; D sin l = R sin(l + γ)<br />

In einfachster Näherung ist <strong>die</strong> Bewegung der Sterne in der Galaxie <strong>die</strong> Überlagerung aus einer Kreisbewegung<br />

um das galaktische Zentrum plus einer Oszillation senkrecht zur galaktischen Ebene. Das<br />

Gravitationsfeld für letztere Bewegung kann als eindimensional angesehen werden. Die Potentialgleichung<br />

lautet dann<br />

d2V = 4πGρ d. h. V = 2πGρz2<br />

dz2 Das ist ein harmonisches Potential,<br />

¨z = −V ′ = −4πGρz<br />

für <strong>die</strong> Oszillationsfrequenz und <strong>die</strong> Auslenkung z gelten (im Mittel)<br />

ω =<br />

�<br />

4πGρ ; z = H cos ωt ; v = ˙z = ωH cos ωt (2.93)<br />

Die lokale Massendichte in Sonnenumgebung kann man aus der Bewegung der Sterne senkrecht zur<br />

galaktischen Ebene bestimmen, wenn Halbwertshöhe und Geschwindigkeits - Dispersion gemessen<br />

sind.<br />

Für <strong>die</strong> Periode ergeben <strong>die</strong> Beobachtungen für <strong>die</strong> Periode<br />

P⊥ =<br />

und es gilt<br />

� π<br />

Gρ<br />

= 70 Myr<br />

z = 10pcv5 mit v5 = 10 5 cms −1 = 1kms −1<br />

Man erhält für <strong>die</strong> gesamte Materie eine <strong>Teil</strong>chendichte n ≈ 7 cm −3 oder eine Massendichte ρ = 10 −23<br />

g cm −3 oder ρ ≈ 0.1M⊙ pc −3 . 10% der Materie ist in der Gasphase, der Rest in Sternen (bzw. in<br />

Dunkelmaterie wie braune Zwerge).<br />

Mit einem Durchmesser von D ≈ 10 23 und einer Höhe von 10% beträgt das Volumen etwa 0.1D 3 ≈<br />

10 68 cm 3 , was eine Masse von M ≈ 10 45 g oder M ≈ 10 11.5 M⊙. Die Gesamtmasse mit Halo beträgt<br />

Mtot ≈ 10 12.5 M⊙, jeweils für <strong>die</strong> Milchstrasse und Andromeda.


2.3. DIE MASSENHIERARCHIE 149<br />

Virialmassen<br />

Es ist 1 km s−1 = 1 pc Myr−1 und <strong>die</strong> Zeit für einen Umlauf<br />

�<br />

Tvir = 2π<br />

R 3<br />

GM ≈ 100 Myr R3 GalM −1<br />

Gal<br />

für unsere Galaxis. Für <strong>die</strong> lokale Gruppe mit d = 1 Mpc = 10 2 RGal und M = 30MGal liefert das<br />

bereits Tvir ≈ 10 10 Jahre, sie ist also bereits nicht mehr im Virialgleichgewicht. Für <strong>die</strong> Virialmasse<br />

folgt<br />

M = v2 R<br />

G<br />

(2.94)<br />

wobei v 2 <strong>die</strong> Geschwindigkeitsdispersion und R der Radius ist. Die genauere Analyse liefert M =<br />

4 · 10 12 M⊙ für <strong>die</strong> lokale Gruppe. Für den Virgohaufen als ganzes gilt v = 600 km s −1 und R = 30h −1<br />

Mpc und ergibt sich M = 8 · 10 14 M⊙, der Comahaufen etwa viermal soviel M = 3 · 10 15 M⊙.


150 KAPITEL 2. GRAVITATION<br />

2.3.3 Das Zweikörperproblem: Doppelsterne<br />

Unser Ziel ist es im folgenden, <strong>die</strong> Massen der einzelnen Komponenten in Doppelstern - Systemen<br />

zu bestimmen. Die Astronomen unterscheiden <strong>die</strong> folgenden Klassen von (echten, d. h. physischen)<br />

Doppelsternen:<br />

1. Visuelle Doppelsterne.<br />

Dies sind Systeme, <strong>die</strong> so nah sind, daß sie mit dem Teleskop noch aufgelöst werden können.<br />

Beispiele: γ Virginis und α Andromedae.<br />

2. Spektroskopische Doppelsterne.<br />

Sie können nicht mehr aufgelöst werden, haben aber aber (mindesten eine) Spektrallinie, aus<br />

deren Dopplerverschiebung <strong>die</strong> Natur des Systems hervorgeht. Dabei ’sieht’ man bei ’Einspektren<br />

Systemen’ nur eine Komponente bei ’Zweispektren Systemen’ beide. Beispiel: VV Orionis<br />

(T = 1.485 d).<br />

3. Bedeckungsveränderliche.<br />

Sie sind von besonderem Interesse, da hier der Inklinationswinkel etwa 90 Grad beträgt, der<br />

Beobachter sich also in der Doppelstern - Ebene befindet. Beispiel: Algol = β Persei (T = 2.9<br />

d) und VV Orionis (T = 1.485 d).<br />

4. Binärpulsare.<br />

Dieses sind extrem relativistische Systeme, wo eine Komponente ein Neutronenstern ist (Pulsar)<br />

und wo statt verschobener Spektrallinien <strong>die</strong> Pulsankunftszeiten von Radio- oder Röntgenpulsen<br />

gemessen werden.<br />

5. Radiopulsare mit Planeten.<br />

Beispiel: BPSR 1257+12 in d = 300 pc Entfernung und PSR B1620−26 in d = 3.8 kpc Entfernung<br />

(im Kugelsternhaufen M4). Die Massen der Planeten sind von der Größenordnung einider<br />

Erdmassen.<br />

6. Sterne mit Planeten.<br />

Indirekt kann man Planeten um Sterne beobachten, wenn man entweder <strong>die</strong> Dopplerverschiebung<br />

an Linien des (Hauptreihen) Sterns oder <strong>die</strong> Laufzeitverzögerung eines Signals vom Stern<br />

(Pulsar) misst. Die Auflösungsgrenze liegt bei der Doppler Methode zur Zeit bei 500 cm s −1<br />

und damit kann man etwa Planeten von einer Jupitermasse in einem Sonnensystem nachweisen.<br />

Dazu kommt <strong>die</strong> Möglichkeit, Staubscheiben um junge Sterne im IR direkt aufzulösen.<br />

• ANMERKUNG (WINKELAUFLÖSUNG: STATE OF THE ART)<br />

Mit optischen Interferometern ist eine Winkelauflösung von 0.1 mas (5 · 10 −10 rad) erreichbar (Pan et al., 1992). Die<br />

Bestimmung der Orbit- und Massenparameter naher Doppelsterne ist damit bis 1% Genauigkeit möglich. Im Radiobereich<br />

(VLBI) ist eine vergleichbare Winkelauflösung (von etwa 0.5 mas) erreichbar.<br />

H2O-Maser Messungen haben eine Genauigkeit von 1 km s −1 beim Dopplereffekt, gemessen mit der 1.3 cm Linie.<br />

Pulsankunftszeiten an ms - Radiopulsaren sind bis auf 1 µs (10 −6 s) genau. Damit erhält man (nach etwa 30 Jahren<br />

Beobachtung an Radiopulsaren) Genauigkeiten der Bahnparameter von wenigen Promille.<br />

Der Extra-solar Planets Catalog von J. Schneider enthält (Stand 22. Okt. 1998) 16 Planeten, 9 braune Zwerge, 2 Pulsar<br />

Planetensysteme und 3 Systeme, <strong>die</strong> aus Planet plus Staubscheibe bestehen.<br />

• BEISPIEL (DER STERN 55 CANCRI IM STERNBILD KREBS MIT PLANETENSYSTEM)<br />

Als konkretes Beispiel sei das Planetensystem 55 Cancri im Sternbild Krebs erwähnt. Dieser enthält (als erster) einen<br />

weiteren nachweisbaren Planeten.<br />

Trilling und Brown haben erstmals ein Planetensystem vollständig dadurch bestimmt, daß sie den Inklinationswinkel aus


2.3. DIE MASSENHIERARCHIE 151<br />

geometrischen Überlegungen ermitteln konnten. Es handelt sich um den Stern<br />

55 Cancri (im Sternbild Krebs).<br />

55 Cnc (= HD75732) ist ein G8V Stern in einer Entfernung von d = 12.53<br />

pc. Man beachte <strong>die</strong> Stellen nach dem Komma bei einer Entfernungsangabe.<br />

Mit einer visuellen Helligkeit von MV = 5.95 mag (L = 0.3L⊙) erreicht er<br />

nicht ganz <strong>die</strong> Leuchtkraft der Sonne (bei praktisch identischer Masse). Das<br />

Alter (chemische Entwicklung) wird auf 3 Gyr geschätzt.<br />

Aus der Dopplerverschiebung der Linien von 55 Cnc folgt der nebenstehende<br />

Datensatz: m ist <strong>die</strong> Masse in Jupitermassen (MJ = 10 −3 L⊙), a <strong>die</strong> grosse<br />

Planet und Staubscheibe um 55 Cancri<br />

m a P e i<br />

MJ AE d Grad<br />

1.9 0.11 16.65 0.05 25<br />

5 4 8 (yr) 25<br />

Tab. 2.2: Planet um 55 Cnc<br />

Halbachse in AE, P <strong>die</strong> Periode in Tagen, e <strong>die</strong> Exzentrizität und i der Inklinationswinkel (zwischen Normale zur Staubscheibe<br />

und Blickrichtung. Der Beobachter blickt fast senkrecht auf <strong>die</strong> Staubscheibe).<br />

Beobachtet wird eine zirkumstellare Staubscheibe. Diese ist intinsisch ein Kreis, in der Aufsicht aber eine Ellipse mit<br />

den Achsen 3’.24 (Bogenminuten) und 2’.88 . Bei 12.53 pc Entfernung entspricht das einem Scheibenradius von 40 AE.<br />

Ähnlich dem Kuiper Gürtel im Sonnensystem, erwartet man in einem voll ausgebildeten Planetensystem einen solchen<br />

Gürtel.<br />

• LITERATUR (PLANETEN)<br />

In zeitlicher Reihenfolge Entdeckung (1995) durch Mayor und Queloz, Erklärung des extrem kurzen Abstands des Planeten<br />

vom Zentralstern (1996) durch Lin et al. mit der Vorhersage eines Kuiper Gürtels, Bedeutung für <strong>die</strong> Möglichkeit und das<br />

Entstehen von Leben auf extrasolaren Planeten<br />

1. Entdeckung 1995: Mayor und Queloz, Nature 378, 355 1995<br />

2. Lin, D. N. C., Bodenheimer, P., Richardson, D. C.; [LBR96]<br />

Orbital migration of the planetary companion of 51 Pegasi to its present location<br />

Nature 380, 606-607 1996<br />

3. Williams, D. M., Kasting, J. F., Wade, R. A.; [WKW97]<br />

Habitable moons around extrasolar giant planets<br />

Nature 385, 234-236 1997<br />

4. Trilling, D. E., Brown, R. H.; [TB98]<br />

A circumstellar disc around a star with a known planetary companion<br />

Nature 395, 775-777 1998


152 KAPITEL 2. GRAVITATION<br />

Bestimmung der Bahnparameter bei Doppelsternen<br />

Zunächst einige Definitionen und Formeln.<br />

Zur Beschreibung der Ellipse im Raum wird (nach Bessel) <strong>die</strong> folgende Vereinbarung getroffen:<br />

Abb. 2.3: Apex<br />

1. Man zieht vom Beobachter zum Schwerpunkt (Brennpunkt)<br />

des (Doppelstern) Systems eine Gerade �g.<br />

2. Senkrecht dazu steht <strong>die</strong> x ′ - z ′ Ebene des Beobachters. Diese<br />

schneidet <strong>die</strong> Bahnnebene in der Knotenlinie und <strong>die</strong>se wird zur<br />

x ′ − Achse gewählt.<br />

3. Der Winkel zwischen Drehimpulsvektor � J (also <strong>die</strong> Normale<br />

zur Bahnnebene) und Sehstrahl �g heißt Inklinationswinkel i, <strong>die</strong><br />

Verlängerung der Projektion des Sehstrahls auf <strong>die</strong> Bahnebene ist<br />

<strong>die</strong> y ′ − Achse.<br />

4. Der Winkel φ, <strong>die</strong> wahre Anomalie, wird ab Perihel im Gegenuhrzeigersinn<br />

gezählt. Der Winkel zwischen x ′ − Achse (Knotenlinie)<br />

und Hauptachse der Ellipse am Perihel, x− Achse, heißt<br />

Apex und wird mit ω bezeichnet.<br />

Abweichende Bezeichnungen (in der Literatur) sind v anstatt φ und vo anstatt ω, (ferner E anstatt Φ).<br />

Mit <strong>die</strong>sen Definitionen gilt also für den auf 1 normierten Sehstrahl (Visionsrichtung �g)<br />

�g = sini �ey + cosi �ez (2.95)<br />

und für <strong>die</strong> Bahngleichung (φ ist <strong>die</strong> wahre Anomalie, <strong>die</strong> Koordinaten x und y beziehen sich auf den<br />

Schwerpunkt)<br />

x = r(φ) cos(φ + ω) y = r(φ) sin(φ + ω) (2.96)<br />

mit der Definition<br />

r(φ) = a(1 − e2 )<br />

1 + e cos φ<br />

und der Relation<br />

r 2 ˙ φ = J<br />

m<br />

= 2π<br />

T<br />

√ 1 − e 2 a 2<br />

Für y = D(φ), <strong>die</strong> Projektion von Bahnvektor �r auf Visionsrichtung �g gilt dann<br />

sin(φ + ω)<br />

D(φ) = K1<br />

1 + e cos φ<br />

(2.97)<br />

(2.98)<br />

(2.99)<br />

K1 = a(1 − e 2 ) sin i (2.100)<br />

oder, wenn man <strong>die</strong> exzentrische Anomalie Φ benutzt:<br />

D(Φ) = a sin i[sin ω(cosΦ − e) + (1 − e 2 ) 1/2 cos ω sin Φ] (2.101)<br />

mit der <strong>die</strong> Zeit t wie folgt zusammenhängt (T : Periode)<br />

T (Φ − e sin Φ) = 2π t (2.102)<br />

Für <strong>die</strong> Parallelkomponente der Geschwindigkeit v = dD/dt erhält man, wenn man <strong>die</strong> beiden Relationen<br />

J 2π √<br />

= 1 − e2 2<br />

a (2.103)<br />

m T


2.3. DIE MASSENHIERARCHIE 153<br />

und<br />

benutzt:<br />

˙φ =<br />

2π<br />

T (1 − e2 (1 + e cos φ)2<br />

) 3/2<br />

(2.104)<br />

v = K[cos(φ + ω) + e cos ω] (2.105)<br />

K =<br />

2πa sin i<br />

T (1 − e2 ) 1/2<br />

(2.106)<br />

Die Größe K ist <strong>die</strong> Halbamplitude der Geschwindigkeitskurve:<br />

K = vmax − vmin<br />

2<br />

Exzentrizität e und Apex ω können aus der Bahnform bestimmt werden und damit ist a sin i bestimmt.<br />

Nochmalige Differentiation liefert <strong>die</strong> Extremalen von v bei ˙v = 0:<br />

˙v = −K ˙ φ sin(φ + ω) = 0 → φmax = −ω + nπ (2.107)<br />

2.3.4 Massenbestimmung in Doppelsternsystemen<br />

Allgemeiner behandeln wir <strong>die</strong> Massenbestimmung in Sternsystemen mit Begleiter. Dieser kann ein<br />

weiterer Stern, ein schwarzes Loch oder aber ein Planet sein. Bisher haben wir <strong>die</strong> Bewegung einer<br />

reduzierten Masse m im Feld einer Gesamtmasse M betrachtet. Wir rechnen <strong>die</strong>se nun um auf <strong>die</strong><br />

Bahn der beiden Komponenten mit Index x (beobachtet) und c (companion).<br />

• DEFINITION<br />

Wir wiederholen <strong>die</strong> Definition der folgenden Größen:<br />

1. i, Inklinationswinkel; x und c <strong>die</strong> Indizes der Sterne; e <strong>die</strong> Exzentrizität der Bahn;<br />

2. M, Gesamtmasse M = Mx + Mc und m, reduzierte Masse m = MxMc/M;<br />

3. a, Abstand von mx und mc a = |�rx − �rc| und v, Relativgeschwindigkeit �v = d�r/dt<br />

4. R, Schwerpunktsvektor � R = (Mx�ax + Mc�ac)/M = 0,<br />

5. Mxax = Mcac = ma<br />

Ausgehend von der Lösung des Einteilchen Problems, Bewegung der reduzierten Masse m = MxMc/M im Feld der<br />

Gesamtmasse M = Mx + Mc, wollen wir nun <strong>die</strong> beobachteten Größen mit denen des reduzierten Problems verknüpfen.<br />

Für Pulsare sind das <strong>die</strong> Pulsankunftszeiten der Komponente x, für <strong>die</strong> optischen Begleiter sind es <strong>die</strong> Amplituden des<br />

Dopplereffekts der Komponente c. Beide, Pulsankunftszeit und Dopplereffekt sind durch<br />

vx = 2πax<br />

T √ sin i (2.108)<br />

1 − e2 verknüpft. Die Umlaufperiode T und <strong>die</strong> Bahnexzentrizität e können leicht bestimmt werden,<br />

vx = K = 1<br />

2 (vmax − vmin) (2.109)<br />

ist <strong>die</strong> einzige entscheidende weitere Größe.<br />

Im folgenden wollen wir annehmen, daß <strong>die</strong> Komponente x beobachtet wird (Radiopulsar oder Röntgenpulsar). Die Amplitude<br />

des Dopplereffekts der Komponente x liefert dann eine Relation, <strong>die</strong> Massenfunktion f(m):<br />

f(m) =<br />

T K3<br />

2πG<br />

= (a sin i)3<br />

G<br />

� �2 2π<br />

T<br />

(2.110)


154 KAPITEL 2. GRAVITATION<br />

oder<br />

f(Mx, Mc, i) = 4π2<br />

GT 2 (ax sin i) 3 = (Mc sin i) 3<br />

(Mx + Mc) 2<br />

Der beobachtbare Abstand ax der Komponente x vom Schwerpunkte ist durch <strong>die</strong> Umrechnung<br />

gegeben.<br />

ax =<br />

Mc<br />

Mx + Mc<br />

(2.111)<br />

a (2.112)<br />

Aus dem Schwerpunktsatz folgt dann für <strong>die</strong> Beträge der Abstände<br />

ma = Mxax = Mcac und mv = Mxvx = Mcvc (2.113)<br />

Für <strong>die</strong> Amplitude des Dopplereffekts gilt für Komponente x:<br />

vx = 2πax<br />

T √ sin i (2.114)<br />

1 − e2 oder explizit als Ellipse (Φ ist <strong>die</strong> wahre Anomalie, ω Periastron)<br />

K = vx ; mit: �vx�nbeob = K[cos(Φ + ω) + e cos ω] (2.115)<br />

Dabei ist ax der Abstand von Mx vom Schwerpunkt,<br />

a = Mx + Mc<br />

ax<br />

Mc<br />

und vx <strong>die</strong> Geschwindigkeit von Mx.<br />

Für a gilt das Keplersche Gesetz, Glchg. (2.33), (Kepler III, reduziert auf das Einteilchen Problem)<br />

� �2 2π<br />

= Ω<br />

P<br />

2 = GM<br />

a3 (2.116)<br />

(2.117)<br />

Die Exzentrizität e kann aus der Bahnform (Geometrie) bestimmt werden (ω, der Periastron ebenfalls)<br />

und damit ist dann ax sin i bestimmt. Die Größe f = f(Mx, Mc, i)<br />

f(Mx, Mc, i) = 4π2<br />

GT 2 (ax sin i) 3 = (Mc sin i) 3<br />

(Mx + Mc) 2<br />

heißt Massenfunktion. Sie enthält nur Beobachtungsgrößen:<br />

f(Mx, Mc, i) = Torb<br />

2πG (vx sin i) 3 (1 − e 2 ) 3/2<br />

(2.118)<br />

und liefert eine Relation zwischen den 3 Unbekannten i, Mx und Mc (<strong>die</strong> Exzentrizität e muß, wie<br />

bereits betont, aus der Bahnform bestimmt werden).<br />

In Zahlen:<br />

f(Mx, Mc, i) = 10 −7 M⊙(T/d) (Kx/km s −1 ) 3 (1 − e 2 ) 3/2 (2.119)<br />

Wir erhalten sie, indem wir a aus (Kepler III), Glchg. (2.33), in der Form<br />

� �2 2π<br />

=<br />

P<br />

G(Mx + Mc)<br />

a3 eliminieren. Das liefert<br />

f(Mx, Mc, i) = 4π2<br />

GT 2 (ax sin i) 3 = (Mc sin i) 3<br />

(Mx + Mc) 2<br />

(2.120)<br />

(2.121)


2.3. DIE MASSENHIERARCHIE 155<br />

• BEISPIEL (PULSAR BEGLEITER)<br />

Als einfache Anwenung betrachten wir den Fall der Radiopulsare. Hier kann man Mx = Mch annehmen. Wir teilen <strong>die</strong><br />

Massenfunktion f(M) = fx(M), Glchg. (2.121), durch Mx und erhalten <strong>die</strong> Gleichung dritten Grades<br />

q(1 + q) 2 = Mx sin 3 i<br />

≡ α (2.122)<br />

fx(Mx, Mc, i)<br />

für q. Diese Gleichung kann algebraisch gelöst werden:<br />

q = 3<br />

�<br />

�<br />

�<br />

�α<br />

2 +<br />

�<br />

�1 �3 �<br />

α<br />

�2 + +<br />

3 2<br />

3<br />

�<br />

�<br />

�<br />

�α<br />

2 −<br />

�<br />

�1<br />

3<br />

� 3<br />

+<br />

�<br />

α<br />

�2 2<br />

Folgende Näherungen sind nützlich, wenn wir f(m) für <strong>die</strong> Massenfunktion f(Mx,Mc,i) setzen:<br />

1. q ≈ α falls α ≪ 1<br />

Mc sin 3 = f(m)<br />

2. q ≈ α 1/3 falls α ≫ 1<br />

Mc sin i = [M 2 xf(m)] 1/3<br />

(2.123)<br />

(2.124)<br />

Für α = 1 ergibt sich numerisch q ≈ 0.68. Diese Relationen werden wir im folgenden bei Massenabschätzungen für <strong>die</strong><br />

Begleiter von Radiopulsaren häufig benutzen.<br />

Kennt man (z. B. bei visuellen Doppelsternen) auch noch f(Mc), dann ist das Verhältnis der Massen<br />

q = Mx<br />

Mc<br />

=<br />

� �1/3 fx<br />

fc<br />

(2.125)<br />

bestimmt.<br />

Handelt es sich zusätzlich noch um Bedeckungsveränderliche (oder kennt man den Inklinationswinkel<br />

i aus anderen Überlegungen), dann ist mit der Kenntnis von i das System vollständig bestimmt. Bei<br />

Bedeckungsveränderlichen ist der Beobachter in der Bahnebene der Doppelsterne, d. h. sin i = 1 und<br />

das System ist gewogen.


156 KAPITEL 2. GRAVITATION<br />

Anwendung:<br />

Neutronenstern und Schwarz-Loch-Kandidat<br />

Der Röntgenpulsar SAX J1808.4-3658 und der Radiopulsar PSR B1957+20 sind Beispiele für massearme<br />

Begleiter eines Neutronensterns, GRO J1655-40 ein Beispiel für ein Doppelsternsystem mit<br />

einem massiven Begleiter.<br />

Wir betrachten zunächst <strong>die</strong> Pulsare (also Neutronensterne mit gegebener Masse) mit massearmen<br />

Begleitern (kleine Massenfunktion f(m)). Wir erhalten hier sehr einfache Verhältnisse, da <strong>die</strong> Masse<br />

des Begleiters sehr gering ist, Mc ≪ Mx. Zusätzlich ist sini = 1 bekannt, da der Pulsar eine Eklipse<br />

zeigt.<br />

Als konkrete Beispiele behanden wir den Fall des Röntgenpulsars SAX J1808.4-3658 und den des Radiopulsars<br />

PSR B1957+20. Beide sind von erheblichem Interesse für <strong>die</strong> <strong>Astrophysik</strong>, da es sich hier<br />

um extreme Endzustände der Sternentwicklung handelt. Beides sind Neutronensterne in Wechselwirkung<br />

mit ihrer Umgebung: sie zerstören ihren Begleiter durch Verdampfen. Einer akkretiert und wird<br />

dadurch zum Röntgenpulsar, der andere ist ein Radiopulsar, er erzeugt einen Nebel um sich herum. Es<br />

ist möglich, daß <strong>die</strong>se beiden unterschiedlichen Phasen bei ein und demselben Binärsystem zyklisch<br />

auftreten können. Die Dauer der jeweiligen Phase kann einige Gyr erreichen, am Ende meherer solcher<br />

Phasen sind <strong>die</strong> schnellsten Pulsare etwa so alt wie <strong>die</strong> Galaxis selbst und haben ihren Begleiter<br />

vollständig verdampft.<br />

1. Der Röntgenpulsar SAX J1808.4-3658<br />

Der Röntgenpulsar SAX J1808.4-3658 wurde 1996 von J.J.M. in’t Zant et al. zunächst mit dem<br />

ital.-ned. Röntgen Satelliten Beppo SAX als Röntgen Burst Quelle anhand zweier Bursts entdeckt<br />

und als LMXB klassifiziert. Eine weitere Quelle mit<br />

sehr ähnlichen Koordinaten wurde 1998 vom Rossi XTE<br />

(XTE J1808-369) entdeckt und eine Pulsperiode von<br />

P = 2.49 ms d. h. ν = 401.0 Hz wurde in den Pulsankunftszeiten<br />

aufgefunden. Diese Position war genau genug,<br />

das optische Gegenstück zu identifizieren. Die beiden<br />

Quellen stimmen überein,<br />

SAX J1808.4-3658 = XTE J1808-369<br />

und auch <strong>die</strong> Umlaufperiode, T = 2 h, konnte anschließend<br />

den Pulsankunftszeiten bestimmt werden. Die<br />

Leuchtkraft der Bursts beträgt L = 6 · 1036 erg s−1 Steckbrief SAX J1808.4-3658<br />

Transient, Burster<br />

α 18:08:4 l 355.7<br />

δ −36:58:0 b −8.7<br />

D 4 kpc z −605 pc<br />

P 2.49 ms T 2 d<br />

Lx 6 · 10<br />

.<br />

36 erg s−1 Lo 4 · 1032 erg s−1 Mo 0.06M⊙ mv 7.22<br />

Tab. 2.3: SAX J1808.4-3658<br />

Das ist stark genug, anhand der Absorption <strong>die</strong> wahrscheinliche Entfernung zu bestimmen, sie beträgt<br />

4 kpc. SAX J1808.4-3658 ist der erste akkretierende Millisekunden - Röntgenpulsar (und mit<br />

P = 2.5 ms sogar für Radiopulsare extrem) und befindet sich in einer schwachen Recycling Phase.<br />

Seiner normalen Leuchtkraft von L = 1 · 1035 erg s−1 entspricht eine Massenakkretionsrate von nur<br />

˙M = 10−11M⊙yr−1 ).<br />

• ANMERKUNG (HERKUNFT AUS KUGELSTERNHAUFEN NGC 6541)<br />

X-PSR l: 355.7 b: -8.7 D: 4 kpc z: -605 pc<br />

NGC 6541 (Lang p.520) l: 349.3 b: -11.2 D: 4 kpc z: -777 pc<br />

Der Abstand der beiden beträgt Del: 473 pc.<br />

Zum Vergleich: Die bei der Akkretion auf einen Stern freigesetzte Strahlung beträgt<br />

Lakk = GM ˙ M σg<br />

=<br />

R 2 ˙ Mc 2<br />

(2.126)<br />

Für einen Neutronenstern der Masse, MCh, mit und Radius R = 10 km beträgt σg = 0.1. Damit ergibt<br />

sich eine kritische Massenakkretionsrate<br />

˙M = 2 · 10 −8 MCh yr −1 = 2 · 10 18<br />

g s −1


2.3. DIE MASSENHIERARCHIE 157<br />

um <strong>die</strong> Grenzleuchtkraft von LEdd = 2 · 10 38 erg s −1 zu erhalten.<br />

Wir bestimmen nun <strong>die</strong> Masse Mc des Begleiters <strong>die</strong>ses extremen Radiopulsars.<br />

Die Amplitude der Laufzeitvariation der Komponente x (für Radiopulsar) liefert den Wert für <strong>die</strong><br />

Massenfunktion f(Mx, Mc, i) = 3.77 · 10 −5 M⊙, wobei<br />

f(Mx, Mc, i) = 4π2<br />

GT 2 (ax sin i) 3 = (Mc sin i) 3<br />

(Mx + Mc) 2<br />

ist. Der Abstand a der beiden Schwerpunkte ist<br />

a = Mx + Mc<br />

ax<br />

Mc<br />

(2.127)<br />

(2.128)<br />

und ax sin i = 62.8 · 10−3 lt sec.<br />

Da <strong>die</strong> Masse des Begleiters sehr gering ist, Mc ≪ Mx, ist <strong>die</strong> Gesamtmasse M = Mx + Mc nur<br />

schwach von Mc abhängig. Die Masse des Neutronensterns schätzen wir mit M = MCh = 1.4M⊙ ab.<br />

Aus dem Wert der Massenfunktion folgt dann<br />

� f(Mx, Mc, i)<br />

M<br />

� 1/3<br />

M = 0.05M⊙ = Mc sin i<br />

Mit sini = 1 gilt M/Mc = 28 und damit ax = 28 × 62.8 · 10 −3 lt sec, oder ax = 1.7 lt sec. (Zum<br />

Vergleich: Erde-Mond = 1.3 s).<br />

2. Der Radiopulsar PSR B1957+20<br />

Pulsar (P = 1.6 ms) mit Umlaufperiode T = 9.2 h. Verdamft seinen Begleiter.<br />

Seine Abbrems - Leuchtkraft ist ebenfalls L = 25L⊙ = 1 · 10 35 erg s −1 . Hier ist sini = 1 bekannt,<br />

da der Pulsar eine Eklipse zeigt. Der Wert für <strong>die</strong> Massenfunktion: f(Mx, Mc) = 5.20 · 10 −6 M⊙ und<br />

ax = 98 · 10 −3 lt sec.<br />

� f(Mx, Mc, i)<br />

M<br />

� 1/3<br />

M = 0.022M⊙ = Mc<br />

ax = 2.4R⊙ = 5 lt sec.<br />

3. Der Radiopulsar PSR B1744-24A<br />

Ein ähnlich extremer Pulsar ist PSR B1744-24A mit P = 11.56 ms und einer Orbitalperiode von 1.8h.<br />

Der Pulsar befindet sich im Kugelsternhaufen Terzan 5, der selbst im Galaktischen Bulge (nahe dem<br />

Galaktischen Zentrum) liegt. Der Wert für <strong>die</strong> Massenfunktion ist f(Mx, Mc) = 3 · 10 −4 M⊙ und der<br />

Abstand beträgt ax = 110 · 10 −3 lt sec (modulo sini).<br />

Wir geben als nächstes einen Überblick über <strong>die</strong> Massenbestimmung sowohl von Pulsaren (Binärpulsare),<br />

als auch von Schwarz-Loch-Kandidaten (Röntgen - Binärsysteme mit optischem Begleiter).<br />

4. Der Schwarz-Loch-Kandidat GRO J1655-40<br />

GRO J1655-40 ist ein Bedeckungsveränderlicher mit einem Nova Ausbruch (Nova Scorpii 1994).<br />

In den vorherigen Beispielen war der Pulsar der beobachtete, der Begleiter der unbekannte Stern. Jetzt<br />

ist der Begleiter der optisch beobachtete Stern (Index o), der Begleiter der ungesehene Kandidat für<br />

ein Schwarzes Loch (Index bh).<br />

Die beiden gemessenen Größen sind K = 227 km s −1 und T = 2.6 d für <strong>die</strong> Umlaufperiode. Die<br />

Massenfunktion hat damit den Wert<br />

f(m) =<br />

T K3<br />

2πG = (Mbh sin i) 3<br />

= 3.16M⊙<br />

(2.129)<br />

(Mbh + Mo) 2<br />

Die Lichtkurve zeigt Bedeckungen, demnach ist etwa sini = 1 erlaubt. Aus der Dopplerkurve folgt<br />

ferner eine Rotverschiebung des Binärsystems von vpec = −141 km s −1 und e = 0 für <strong>die</strong> Exzentrizität<br />

der Bahn.


158 KAPITEL 2. GRAVITATION<br />

Der Begleiter hat ein Spektrum vom Typ F3 bis F6, <strong>die</strong> Masse erlaubt <strong>die</strong> Abschätzung M < 1.5M⊙.<br />

Als Minimum für <strong>die</strong> Masse des Schwarz-Loch-Kandidaten folgt dann M > 5.4M⊙. Die beste Bestimmung<br />

des Spektraltyps im Ruhezustand ist F6 III bis F7 IV.<br />

Röntgenpulsare<br />

Wir beginnen mit der Massenbestimmung von Röntgenpulsaren und betrachten <strong>die</strong>jenigen Pulsare, <strong>die</strong><br />

Bedeckungsveränderliche (eclipsing binaries) sind. Dann ist sini = 1 und <strong>die</strong> Masse des Neutronensterns<br />

kann bestimmt werden, falls <strong>die</strong> Masse des optischen Begleitsterns ermittelt werden kann.<br />

Die Liste enthält <strong>die</strong> derzeit besten Massenbestimmungen von Röntgenpulsaren, da es sich bei ihnen<br />

um Bedeckungsveränderliche handelt.<br />

Hier ist P <strong>die</strong> Periode in Sekunden und Lx/Lo<br />

das Verhältnis von Röntgen zu optischer Leuchtkraft.<br />

M ist <strong>die</strong> Masse der beiden Komponenten,<br />

in Einheiten von M⊙, mit dem Index o für den optischen<br />

Begleiter und x für Pulsar, τ3 ist <strong>die</strong> Spinup<br />

Zeit, Einheit: 1000 Jahre.<br />

Schwierigkeiten bei der Bestimmung der Masse<br />

macht <strong>die</strong> Lokalisierung der Quelle der optischen<br />

Strahlung. Diese kann von der Akkretionsscheibe<br />

oder vom Begleitstern stammen.<br />

Radiopulsare<br />

Massen von Röntgenpulsaren<br />

Name P Lx/Lo Mx Mo τ3<br />

SMC X−1 0.717 0.6 1.4 ± 0.3 17 1.3<br />

Her X−1 1.24 20 1.3 ± 0.7 2.2 300<br />

Cen X−3 4.84 0.013 1.4 ± 0.4 18 3<br />

Vela X−1 283 0.00067 1.6 ± 0.4 24 10<br />

1538−52 529 0.0022 2.0 ± 1.0 20 1<br />

Tab. 2.4: Pulsar-Massen I<br />

Bei drei Radio Binärpulsaren kann man ebenfalls den Inklinationswinkel i bestimmen.<br />

Aufgrund allgemein relativistischer Effekte kann man in den beiden Binärpulsaren PSR 1534+12 und<br />

PSR 1913+16 zusätzlich zu v� = vx sin i noch v2 messen. Das System ist damit gewogen.<br />

Bei PSR 0655+64 <strong>die</strong>nt dazu <strong>die</strong> Szintillation,<br />

allerdings ist <strong>die</strong> Bestimmung<br />

nicht eindeutig.<br />

Die Liste von Radio Pulsaren enthält folgende<br />

Einträge:<br />

P ist Periode in Millisekunden, <strong>die</strong> Orbitalperiode,<br />

T , ist in Tagen; e ist <strong>die</strong> Bahnexzentrizität<br />

in Lichtsekunden (1 lt sec<br />

= 3 · 10 10 Massen von Radio Pulsaren<br />

Name P T e a Mc M∗ i<br />

PSR ms d sec M⊙ M⊙ deg<br />

1534+12 38 0.40 0.27 37.31 1.36 1.32 74<br />

1913+16 59 0.32 0.617 2.34 1.44 1.38 47<br />

0655+64 196 1.03 7.5E-6 4.12 0.75 1.4 62 (84)<br />

cm). Die Masse, M, der Ko-<br />

Tab. 2.5: Pulsar-Massen I<br />

mopnenten ist in Einheiten von M⊙ und der Inklinationswinkel, i, ist in Grad.<br />

Die Originalarbeiten sind:<br />

1) PSR 1534+12: Taylor, Wolszczan, Damour, Weisberg (1992) Nature 355, 132<br />

2) PSR 1913+16: Wolszczan (1991) Nature 350, 688<br />

3) PSR 0655+64: Lyne A.G. (1984) Nature 310, 300<br />

Schwarz-Loch-Kandidaten<br />

Während <strong>die</strong> Zahl der identifizierten Neutronensterne ständig wächst, etwa 2000 Röntgen Quellen und<br />

Radio Pulsare sind mittlerweile als solche entdeckt worden, ist <strong>die</strong> Liste an Schwarz-Loch-Kandidaten<br />

stets übersichtlich klein geblieben. Viele solcher Kandidaten sind wieder ausgeschieden, da bei ihnen<br />

Phänomene beobachtet wurden, <strong>die</strong> nur für Neutronensterne in Frage kommen, z. B. Ausbrüche<br />

(bursts) aufgrund von Kernfusion an der Oberfläche des Sterns oder QPOs (Quasi-periodische Oszillationenbei<br />

Röntgen Quellen).


2.3. DIE MASSENHIERARCHIE 159<br />

Der wichtigste Nachweis schwarzer Löcher beruht praktisch ausschließlich auf ihrer Masse. Zwei Bedingungen<br />

müßen mindestens erfüllt sein, um als stellares schwarzes Loch zu qualifizieren<br />

1. das Objekt muß kompakt sein (Röntgenstrahlung, ms-Variabilität)<br />

2. <strong>die</strong> Masse M muß (einwandfrei) bestimmt werden (kein Tripelsystem)<br />

Falls <strong>die</strong> Masse etwa drei Sonnenmassen, M > M⊙, überschreitet, kann man sicher sein, daß man es<br />

mit einem kollabierten Objekt zu tun hat. Sternentwicklungsrechnungen zeigen, daß Sterne bis zu 60<br />

M⊙ noch als Neutronensterne enden. Damit erhält man als Abschätzung ihrer möglichen Anzahl in der<br />

Galaxis etwa 1% der Neutronensterne. Die Progenitor Sterne könnten damit anzahl- und massenmäßig<br />

Wolf-Rayet Sterne sein. Der beobachtete mittlere Abstand zwischen schwarzen Löchern (d. h. den<br />

bekannten Schwarz-Loch-Kandidaten) beträgt 4 kpc.<br />

Die folgende Tabelle gibt eine Liste möglicher stellarer Schwarz-Loch-Kandidaten (Stand 1996) von<br />

Röntgen- bzw. Gamma- Binärsystemen in unserer Galaxis und in der Grossen Maghellanschen Wolke.<br />

Die ersten drei Objekte der Liste, Cyg X-1 (entdeckt als Röntgen Quelle im Jahr 1971), LMC X-3 und<br />

A0620-00 sind schon länger Kandidaten<br />

und haben alle Versuche, als Neutronensterne<br />

identifiziert zu werden, bisher erfolgreich<br />

überstanden.<br />

Spalte eins gibt <strong>die</strong> Bezeichnung der Quelle.<br />

Die meisten Namen stammen aus den<br />

Entdecker - Katalogen. A steht für ARI-<br />

EL (engl. Satellit, 1964), GS bedeutet<br />

Ginga Source und GRS ist <strong>die</strong> Bezeichnung<br />

für Gamma Ray Source (vom US<br />

Satelliten COMPTEL).<br />

Es bedeuten ferner T <strong>die</strong> Orbitalperiode<br />

in Stunden, i der Inklinationswinkel (un-<br />

ter dem das System gesehen wird), Mx<br />

<strong>die</strong> Masse des Schwarz-Loch-Kandidaten in M⊙ und q = Mx<br />

Mb<br />

Massen schwarzer Löcher<br />

Name T i Mx q Sp d<br />

h deg M⊙ Typ kpc<br />

Cyg X−1 134 35 10 0.57 O9.7Ia 1.9<br />

LMC X−3 40.9 . . . 9 . . . (B3V)? 50<br />

A0620−00 7.75 55 6.1 14 K5 1.2<br />

GRS1124−68 10.4 60 6.0 7.5 K4 6.5<br />

GROJ1655−40 62.7 . . . 4.5 . . . . . . 3.2<br />

H1705−250 12.5 60 7.5 12 K3 8.6<br />

GS2000+250 8.26 66 7.2 20 K5 2.7<br />

GS2023+338 155 . . . 12 . . . . . . 3.0<br />

Tab. 2.6: Schwarz-Loch-Kandidaten<br />

das Massenverhältnis von Röntgenstern<br />

zu optischem Begleiter. Sp ist der Spektraltyp des Begleiters und d <strong>die</strong> Entfernung des Systems.<br />

Einige der hier aufgeführten Schwarz-Loch-Kandidaten sind auch als Röntgen- und optische Novae<br />

bekannt:<br />

A0620−00 als V616 Mon<br />

GRS1124−68 als Nova Muscae 1991<br />

GS2000+250 Röntgen-Nova 1988<br />

GRO J0422+32 als Nova Persei<br />

Planeten<br />

Von der Bildung eines Planetensystems um einen Stern wie <strong>die</strong> Sonne ist bisher nur wenig bekannt.<br />

Das liegt daran, daß <strong>die</strong> wichtigsten Stufen bei sehr niedrigen Temperaturen (2000 . . . 4000 K) ablaufen<br />

und damit nur schwer zu beobachten sind, da sie ins mm- bzw. Infrarot- Gebiet der Strahlung fallen.<br />

Diese sind:<br />

1. Kollaps der Wolke und zünden des Protosterns. T ≈ 2000 K, Dauer 10 4 yr, Durchmesser 400<br />

AE


160 KAPITEL 2. GRAVITATION<br />

2. Ausbildung der Scheibe mit Sternwind (Jet) T ≈ 4000 K, Dauer 10 5 yr<br />

3. Bildung der Planeten, Durchmesser 400 AE, Dauer 10 7 yr<br />

4. Erreichen der Hauptreihe nach 10 9 yr mit Planetensystem<br />

Direkt beobachtet davon sind bisher Scheiben mit Massen an schweren Elementen von 10 −4 . . . 10 −3 M⊙.<br />

Mehr als 100 solcher Scheiben sind bereits nachgewiesen. Beispiele sind <strong>die</strong> folgenden Sterne in Orion:<br />

β-Pictoris, HH30, 114-426 und 183-405 und <strong>die</strong> Veränderlichen RY Tauri, DL Tauri und GM Aurigae.<br />

Die optische Emission des Sterns liegt bei 1µ, <strong>die</strong> der Scheibe bei 20 bis 200 µ.<br />

Indirekt kann man Planeten um Sterne beobachten, wenn man entweder <strong>die</strong> Dopplerverschiebung an<br />

Linien des (Hauptreihen) Sterns oder <strong>die</strong> Laufzeitverzögerung eines Signals vom Stern (Pulsar) misst.<br />

Die Auflösungsgrenze liegt bei der Doppler Methode zur Zeit bei 500 cm s −1 und damit kann man<br />

etwa Planeten von einer Jupitermasse in einem Sonnensystem nachweisen. Es ist<br />

∆λ<br />

λ<br />

= v<br />

c<br />

Mpl<br />

M = 10−4 × 10 −3<br />

wenn wir als Entfernung 1 AE (d. h. v = 30 km s −1 ) und für Mpl <strong>die</strong> Masse von Jupiter wählen.<br />

Beispiele sind 51 Peg, 70 Vir, 47 UMa und 55 Can. Die Massen der Hauptreihen Sterne beträgt M⊙,<br />

<strong>die</strong> der Planeten liegen zwischen 0.5 und 7 Jupitermassen (10 −3 M⊙). Alle Bahnen liegen innerhalb 2<br />

AE (zum Vergleich: <strong>die</strong> Jupiterbahn hat 5 AE), <strong>die</strong> meisten sogar innerhalb der Merkurbahn. Bisher<br />

sind also auf <strong>die</strong>se Weise keine braunen Zwerge entdeckt worden, es gibt aber erste Hinweise (Massen<br />

etwa 10 −2 M⊙).<br />

Dabei ist wichtige Voraussetzung für <strong>die</strong> Identifizierung, daß wir <strong>die</strong> Zustandsgleichung der Materie<br />

und damit auch <strong>die</strong> möglichen Zustände von Körpern mit geringer Masse kennen.<br />

1992 wurde (für viele vollkommen überraschend) der erste Pulsar mit zwei Planeten entdeckt. Aus<br />

einem Fit der Pulsankunftszeiten von PSR 1257+12 erhält man <strong>die</strong> folgende Daten für <strong>die</strong> Plane-<br />

ten. Die Orbitalperioden von Planet B und C stehen<br />

etwa im Verhältnis von 2 : 3, was zu einer charakteristischen<br />

Resonanz in einer Anziehung der beiden<br />

Massen führt, <strong>die</strong> aus den Pulsankunftszeiten abgelesen<br />

werden kann. Diese wurde korrekt vorhergesagt<br />

und in drei Jahren durch Messungen bestätigt. Damit<br />

gibt es keinen vernünftigen Zweifel mehr an der Realität<br />

von Planeten außerhalb des Sonnensystems. Für<br />

<strong>die</strong> Planeten gilt: Masseneinheit ist <strong>die</strong> Masse der Erde,<br />

M⊕ = 5.997 · 10 27 g. Die grosse Halbachse a wird<br />

in Licht-Millisekunden gemessen. Die Orbitalperiode,<br />

Torb, ist in Tagen, der Radius in astronomischen Ein-<br />

Daten des Pulsar Planeten Systems PSR 1257+12<br />

P = 6.218 ms P ˙ = −19 1.14 · 10<br />

D = 500 Parsec DM = 10 pc cm −3<br />

Kepler Parameter der Planeten<br />

Planet A B C<br />

a 0.0035 1.31 1.41<br />

e 0.0 0.018 0.026<br />

Torb (d) 25.34 66.54 98.22<br />

Rorb (AE) 0.19 0.36 0.47<br />

Mpl (M⊕) 0.015 3.4 2.8<br />

heiten (AE) und e ist <strong>die</strong> Bahnexzentrizität. Die ange-<br />

Tab. 2.7: Pulsar-Planeten<br />

nommene Masse, M, des Pulsars ist M = 1.4M⊙ und der Inklinationswinkel wurde mit sini = 1<br />

festgelegt.<br />

Ref:<br />

Entdeckung des Pulsar-Planeten Systems: A. Wolszczan und D.A. Frail, 1992 Nature 355, 145<br />

Messung der Resonanz: A. Wolszczan, 1994 Science 264, 538<br />

2.3.5 Die ISM<br />

Nach konventioneller Ansicht ist <strong>die</strong> interstellare Materie derjenige Anteil der Urmaterie der Galaxis,<br />

der noch nicht in Sternen gebunden ist. Ursprünglich bestand <strong>die</strong> Galaxis nur aus Gas, irgendwann<br />

wird <strong>die</strong>ses aufgebraucht sein (wie in Kugelsternhaufen).


2.3. DIE MASSENHIERARCHIE 161<br />

Die interstellare Materie (ISM) ist danach in ständigem Austausch mit dem Material der Sterne begriffen.<br />

Langfristig wird sie so mit schweren Elementen angereichert. Die chemische Zusammensetzung<br />

sollte demnach ein Altersindikator sein und insbesondere im Zentrum der Milchstraße sollten nur noch<br />

alte Sterne sein.<br />

Wir besprechen im folgenden einige Aspekte, <strong>die</strong> beim Nachweis (durch Strahlung) und bei der Vorhersage<br />

(möglicher Konstituenten) der ISM wichtig sind.<br />

Bisher hat sich folgende Aussage noch immer als richtig erwiesen: eine Quelle, <strong>die</strong> nicht optisch identifiziert<br />

werden kann, bleibt im wahrsten Sinne des Wortes im Dunkeln (also unverstanden). Ein gutes<br />

Beispiel sind <strong>die</strong> Gamma Bursts. Die Umkehrung gilt nicht uneingeschränkt: Quasare sind seit langem<br />

optisch identifiziert, aber nicht verstanden. Bei den Gamma Bursts ist immerhin ihre Entfernung<br />

nunmehr bestimmt.<br />

Teleskope und Observatorien<br />

Radioastronomie kann vom Erdboden aus betrieben werden. Eine typische Frequenz zum Nachweis<br />

von Radiokontinuumsquellen ist ν = 400 MHz (λ = 75 cm). Die Ionosphäre begrenzt <strong>die</strong> Durchläßigkeit<br />

der Erdatmosphäre im unteren Frequenzbereich (unterhalb von 30 MHz), Wasserdampf im oberen (ab<br />

300 GHz). Im letzteren Fall kann man interessante Moleküllinien von hohen Bergen (oder neuerdings<br />

sogar vom Südpol) aus noch nachweisen. Die Empfänger erreichen mittlerweile 1 Tera Hz (300 µ) und<br />

schließen damit ans IR an.<br />

• DEFINITION (ZUM UMRECHNEN)<br />

LTE (local thermodynamic equilibrium) herrscht vor, falls sich lokal, d. h. in einem kleinen Volumenelement, <strong>die</strong> verschiedenen<br />

Konstituenten im thermodynamischen Gleichgewicht befinden. Es gilt dann für <strong>die</strong><br />

1. Photonen <strong>die</strong> Planck Verteilung,<br />

2. Gaskomponente <strong>die</strong> Maxwell Verteilung und<br />

3. ionisierte Komponente <strong>die</strong> Saha Gleichung<br />

Der Energieaustausch zwischen den Komponenten kann dann wie folgt<br />

E = hν = kBT = ∆mc 2<br />

umgerechnet werden. Der Energie von 1 eV entspricht 1.602·10 −12 erg im Gaußschen System. Mit νλ = c, w = ν/c und<br />

ɛ = hν erhält man für ɛ = 1 eV<br />

λ = 1240 nm : T = 11605 K : ν = 241 THz : w = 8067 cm −1<br />

1 eV cm −3 ist eine typische Energiedichte für das interstellare Gas, seine magnetische Energie und für das Strahlungsfeld<br />

der Sterne.<br />

Das (sichtbare) optische Spektrum reicht von etwa 800 nm bis 400 nm, der Bereich von 550 bis 500 nm ist grün. Die Balmer<br />

Linie, Hα, liegt bei λ = 6563 ˚Angstrøm (rot).<br />

Radiolinien<br />

Das bei weitem häufigste Element ist Wasserstoff. Ionisierter Wasserstoff wird in der Astronomie mit<br />

HII, atomarer mit HI bezeichnet. HI in kalten Regionen hat nur zwei Anregungsmöglichkeiten:<br />

1. Spin Flip (21-cm Linie, Emission oder auch Absorption gegen starke Quelle),<br />

2. Lyα (Lyman−α in Absorption: der (1s → 2p)−Übergang bei 10 eV oder λ = 1215 ˚A).<br />

Staub und molekularer Wasserstoff, H2, bedingen sich gegenseitig. In kalter Umgebung kann H2 nur<br />

auf Staub gebildet werden, umgekehrt schützt der Staub H2 gegen Dissoziation durch UV-Strahlung.


162 KAPITEL 2. GRAVITATION<br />

• BEISPIEL (DIE 21-CM LINIE)<br />

Wir stellen zunächst einige Eigenschaften des H-Atoms (Z = 1) im Grundzustand zusammen. Dieser wird aufgespalten<br />

durch <strong>die</strong> Hyperfein Wechselwirkung des mag. Moments des Elektrons, geµe, mit dem des Protons, gpµp. Die (vorzeichenlose)<br />

Größe<br />

µB = e¯h<br />

2mec = 9.273 · 10−21 erg/Gauss (2.130)<br />

heißt Bohrsches Magneton des Elektrons und liefert <strong>die</strong> Grundeinheit für <strong>die</strong> Wechselwirkung im Magnetfeld. Mit dem<br />

Landé-Faktor<br />

G(L) = 1 +<br />

J(J + 1) − L(L + 1) + S(S + 1)<br />

2J(J + 1)<br />

(2.131)<br />

gilt für <strong>die</strong> Energieaufspaltung eines <strong>Teil</strong>chens mit Spin S, Bahndrehimpuls L und Gesamtdrehimpuls J = L + S im<br />

äusseren Magnetfeld B<br />

∆E = G(L)mJ�µe � B mit mJ = −J, −J + 1, . . . , J (2.132)<br />

Die Größe mJ ist <strong>die</strong> magnetische Quantenzahl, <strong>die</strong> Aufspaltung heißt (anomaler) Zeeman-Effekt. Das magnetische Moment<br />

des Elektrons ist gegeben durch µ B..<br />

<strong>Teil</strong>chen ohne Spin (S = 0) haben g = G = 1 und für L = 0 heißt G auch das gyromagnetische Verhältnis. Für Elektronen<br />

ist ge ≈ 2 und demnach<br />

�µe = −geµ B � S (2.133)<br />

wobei ¯h � S der Spinoperator ist.<br />

Proton und Neutron haben ebenfalls ein magnetisches Moment, welches in Einheiten des Kernmagnetons gemessen wird:<br />

µK = e¯h<br />

2mpc<br />

= 5.05 · 10 −24 erg/Gauss (2.134)<br />

Für <strong>die</strong> drei Grundbausteine Proton, Neutron und Deuteron gelten <strong>die</strong> folgenden empirischen Relationen:<br />

Proton: gp = 5.5855 (anstatt 2)<br />

Neutron: gn = −3.8270 (anstatt 0)<br />

Deuteron: gD ≈ gp + gn.<br />

Der Grundzustand von H hat <strong>die</strong> Quantenzahlen<br />

(n, s, l, j, I, F ) = (1, 1<br />

2<br />

, 0, 1<br />

2<br />

1<br />

, , F )<br />

2<br />

mit den zusätzlichen Quantenzahlen I für Kernspin (Multiplizität 2I+1 = 2) und F für den Gesamtdrehimpuls (F = j+I).<br />

Die pot. Energie eines mag. Dipols im äusseren Magnetfeld des Protons (genähert als zwei Punktdipole, ausgerichtet längs<br />

ihrer Achsen) beträgt klassisch Hdip = −�µ � B. In der Quantenmechanik wird daraus der Operator<br />

HLS = e2<br />

m 2 c 2<br />

1<br />

r 3 (� L � S)<br />

Für <strong>die</strong> Hyperfeinaufspaltung des mag. Moments des Elektrons, geµe, mit dem des Protons, gpµp, erhält man damit folgende<br />

Energie:<br />

∆Ehfs = m ∗ c 2 � � 5 4<br />

me Z α<br />

gegp<br />

2n5 � �<br />

F (F + 1) − I(I + 1) − J(J + 1)<br />

(2.135)<br />

J(J + 1)(2L + 1)<br />

mp<br />

(m ∗ ist hier genauer <strong>die</strong> reduzierte Masse des Elektrons!) oder, wenn wir <strong>die</strong> Bindungsenergie des H-Atoms IH und den<br />

Landé-Faktor einführen, mit<br />

IH = 1<br />

2 α2 m ∗ c 2<br />

und G(F ) =<br />

erhalten wir für <strong>die</strong> Hyperfeinaufspaltung der Energie<br />

� � 5 2<br />

me Z α<br />

∆Ehfs = gegpIH<br />

G(F )<br />

n5 mp<br />

F (F + 1) − I(I + 1) − J(J + 1)<br />

J(J + 1)(2L + 1)


2.3. DIE MASSENHIERARCHIE 163<br />

mit ge = 2 (Dirac) und gp = 5.6 (empirisch). Es ist G(0) = − 6<br />

2<br />

3 und G(1) = 3 .<br />

Demnach hat der Grundzustand ∆Ehfs(n = 1) für F = 0 (antiparallele Spins) <strong>die</strong> niedrigste Energie. Der Übergang<br />

F = 1 → 0 hat <strong>die</strong><br />

∆Ehfs(n = 1) = −gegpα 4<br />

� �<br />

me<br />

mec 2<br />

(2.136)<br />

in Zahlen<br />

mp<br />

Energie ∆Ehfs(n = 1) ≈ 5.6 · 10 −6<br />

eV oder k∆T = 0.06 K<br />

• DEFINITION (LINIEN ZUM NACHSCHLAGEN)<br />

Die ersten Identifikationen interstellarer Elemente wurden optisch gemacht.<br />

Berühmte Beispiele sind <strong>die</strong> Identifizierung von Nebulium durch Owen und von H − durch Wildt. Insbesondere für Nebel,<br />

<strong>die</strong> von einem heißen Stern geheizt werden, sind ganz be-<br />

sondere Anregungsmechanismen wichtig. Charakteritikum<br />

solcher Nebel ist das Auftreten von (im Labor) nicht beobachteten<br />

Linien bzw. Übergängen wie <strong>die</strong> [O ++ ]-Linie oder<br />

der Zwei - Photonenübergang (2s - 1s) bei H.<br />

Die Radioastronomie hat insbesondere <strong>die</strong> Molekülphysik<br />

bis hin zur organischen Chemie erweitert.<br />

Interessant ist mittlerweile nicht mehr, was entdeckt wird<br />

(etwa Alkohol, Zucker und Benzol) sondern was fehlt (O2<br />

fehlt und H2O ist viel weniger vorhanden, als ursprünglich<br />

bestimmt).<br />

Einige wichtige Nachweis Linien zur Bestimmung der Temperatur<br />

und der Häufigkeit der Elemente sind in der folgenden<br />

Tabelle aufgeführt.<br />

Damit erreicht man für vollständig ionisiertes Eisen, Z =<br />

26, bei der Rekombination bereits Energien, <strong>die</strong> im mittleren<br />

Röntgenbereich (E = 9 · 10 3 eV) liegen (und dort auch<br />

selbst bei kosmologischen Quellen beobachtet werden).<br />

Wichtige Nachweis Linien<br />

Name Element E T λ<br />

Bezeichnung Übergang eV Kelvin<br />

atomar<br />

Hyperfein H 5·10 −6 0.06 21 cm<br />

molekular, Rotation<br />

CO 1 → 0 50 2.6 mm<br />

HD 1 → 0 440 µ<br />

H2 2 → 0 500 28 µ<br />

atomar, elektronische Anregung<br />

Hα (Balmer) 2s→3p 3.6 6563 ˚A<br />

Lα (Lyman) 1s→2p 10 10 5 1215 ˚A<br />

Fe XXVI Ka 1s→2p 6.9·10 3 1.79 ˚A<br />

Fe XXVI Kb 1s→3p 8.1·10 3 10 7 1.54 ˚A<br />

relativistisch<br />

Positronium e, ē 5·105 Für das H Atom hat der Grundzustand ∆Ehfs(n = 1) für F = 0 (antiparallele Spins) <strong>die</strong> niedrigste<br />

Energie. Der Übergang F = 1 → 0 (Spin Flip) hat <strong>die</strong> Energie<br />

∆Ehfs(n = 1) = −gegpα Tab. 2.8: Cygnus A<br />

4<br />

� �<br />

me<br />

mec<br />

mp<br />

2<br />

(2.137)<br />

was λ = 21 cm entspricht. In Zahlen<br />

Energie ∆Ehfs(n = 1) ≈ 5.6 · 10 −6<br />

eV oder k∆T = 0.06 K<br />

Die dazu gehörende Frequenz ist eine der am genauesten bestimmten Größen der Physik:<br />

νhfs = 1 420. 405 751 786 MHz (2.138)<br />

Auch der Einstein A Koeffizient kann exakt bestimmt werden. Es gilt in Zahlen für <strong>die</strong> Emission:<br />

A ≈ 2.85 · 10 −15<br />

s −1 (2.139)<br />

was einer Lebensdauer von T = 10 Myr entspricht. Für <strong>die</strong> Säulendichte NH des Hyperfeinübergangs<br />

bei atomarem Wasserstoff ergibt sich damit in der Beobachtung angepassten Einheiten<br />

N = 1.8 · 10 18<br />

�<br />

(Tsp/K)(dv/kms −1 ) cm−2 (2.140)<br />

Das Molekül OH hat zwei starke Maserlinien bei den Frequenzen 1665 und 1667 MHz (mit ∆F = 0<br />

und zwei schwache bei 1612 und 1720 MHz mit ∆F = ±1). Es handelt sich hierbei um <strong>die</strong> Hyperfeinaufspaltung<br />

eines l = 18 cm Übergangs (Λ Verdopplung des 2 Π3/2 Grundzustands).


164 KAPITEL 2. GRAVITATION<br />

Die Formel für <strong>die</strong> Feinstruktur Aufspaltung lautet<br />

∆Enslj = −m ∗ c 2<br />

(Zα) 4<br />

n 4 (2j + 1)<br />

(2.141)<br />

Für <strong>die</strong> Balmer Linie liefert das eine Aufspaltung um<br />

∆E(P3/2 − P1/2) = m ∗ c 2 (Zα) 4<br />

32) = 4.53 · 10−5 eV (10.9 GHz).<br />

Die Positronium Vernichtungslinie wurde im Zentrum der Milchstraße (allerdings nur zeitweise) gesehen.<br />

Dispersion<br />

Die Laufzeit T des Pulssignals zwischen Radiopulsar und Erde (Entfernung L) wird beeinflusst durch<br />

zwei Effekte, <strong>die</strong> Auskunft über Dichte der Elektronen und dem Magnetfeld (parallel zum Beobachter)<br />

geben. Die Gruppengeschwindigkeit vg bestimmt <strong>die</strong> Pulsankunftszeit<br />

vgT = L mit vg = dk<br />

dω<br />

Das Plasma führt zu einer frequenzabhängigen Zeitverzögerung:<br />

∆tD = L ν<br />

2c<br />

2 p∆ν<br />

ν3 D2<br />

= 0.4293<br />

ν −2<br />

∆ν<br />

9 ν<br />

sec (2.142)<br />

wobei L <strong>die</strong> Distanz und νp <strong>die</strong> Plasmafrequenz ist. Diese kann durch entsprechend hohe (oder mehrere)<br />

Messfrequenzen ausgeschaltet werden. Für ein Dispersionsmaß von D2 = 100 cm −3 pc beträgt <strong>die</strong><br />

Verzögerung (gegenüber dem Vakuum) bei 10 9 Hz etwa 0.43 sec.<br />

2.3.6 Relativistische ISM<br />

White Dwarfs, Neutron Stars and Supernovae<br />

• ANMERKUNG (ZEITTAFEL)<br />

1054 Chinese and American Indian astronomers observe<br />

the Crab supernova explosion<br />

1572 Tycho Brahe discovers his supernova in Cassiopeia<br />

1604 Johannes Kepler’s supernova in Serpens is observed<br />

1862 Alvan Clark observes Sirius B<br />

1866 William Huggins stu<strong>die</strong>s the spectrum of a nova and discovers that it is<br />

surrounded by a cloud of hydrogen<br />

1914 Walter Adams determines an incredibly high density for Sirius B<br />

1926 Ralph Fowler uses Fermi-Dirac statistics to explain white dwarf stars<br />

1930 Subrahmanyan Chandrasekhar discovers the white dwarf maximum mass limit<br />

1932 Lev Dadovitch Landau (sofort nach Entdeckung des Neutrons durch Chadwick)<br />

entwickelt das Konzept des Neutronensterns<br />

1933 Fritz Zwicky and Walter Baade propose the neutron star idea and suggest<br />

that supernovae might be created by the collapse of normal stars to<br />

neutron stars—they also point out that such events can explain the<br />

cosmic ray background<br />

1939 Robert Oppenheimer and George Volkoff calculate the first neutron star<br />

models<br />

1942 J.J.L. Duyvendak, Nicholas Mayall, and Jan Oort deduce that the Crab<br />

Nebula is a remnant of the 1054 supernova observed by Chinese astronomers<br />

1962 Riccardo Giacconi, Herbert Gursky, Frank Paolini, and Bruno Rossi<br />

discover Sco X-1<br />

1967 Jocelyn Bell and Anthony Hewish discover radio pulses from a pulsar<br />

1967 J.R. Harries, Ken McCracken, R.J. Francey, and A.G. Fenton discover the


2.3. DIE MASSENHIERARCHIE 165<br />

first X-ray transient (Cen X-2)<br />

1968 Thomas Gold proposes that pulsars are rotating neutron stars<br />

1969 David Staelin, E.C. Reifenstein, William Cocke, Mike Disney<br />

and Donald Taylor discover the Crab Nebula pulsar thus<br />

connecting supernovae, neutron stars, and pulsars<br />

1971 Riccardo Giacconi, Herbert Gursky, Ed Kellogg, R.<br />

Levinson, E. Schreier, and H. Tananbaum discover 4.8 second X-ray<br />

pulsations from Cen X-3<br />

1974 Russell Hulse and Joseph Taylor<br />

discover the binary pulsar PSR1913+16<br />

1977 Kip Thorne and Anna Zytkow<br />

present a detailed analysis of Thorne-Zytkow objects<br />

1982 D.C. Backer, Shrinivas Kulkarni, Carl Heiles, M.M. Davis, and Miller<br />

Goss discover the millisecond pulsar PSR1937+214<br />

1985 Michiel van der Klis<br />

discovers 30 Hz quasi-periodic oscillations in GX 5-1<br />

1987 Ian Shelton discovers supernova 1987A in the Large Magellanic Cloud<br />

Zu einer Zeit, wo noch an der Existenz Weißer Zwerge gezweifelt wurde, wurden Neutronensterne gleich zweimal theoretisch<br />

vorhergesagt. Das erste Mal 1932 von L. D. Landau, sobald das Neutron 1932 von Chadwick entdeckt worden war.<br />

Landau nahm an, daß sich im Innern von ausgebrannten, massiven Sternen ein Kern aus Neutronenmaterie bilden würde.<br />

Das Konzept des Neutronensterns wurde dann 1933 unabhängig von Baade und Zwicky nochmals entwickelt, <strong>die</strong>smal<br />

orientiert an astronomischen Beobachtungen.


166 KAPITEL 2. GRAVITATION<br />

2.4 Bestimmung der Masse des Kosmos<br />

Die Allgemeine Relativitätstheorie Einsteins erlaubt es, <strong>die</strong> Masse des Kosmos als ganzes mithilfe der<br />

Feldgleichungen der ART zu bestimmen. Im einfachsten Fall ist dazu nur eine einzige Messung nötig.<br />

2.4.1 Einleitung<br />

Die Allgemeine Relativitätstheorie führt zu extrem nichtlinearen Gleichungen, was bedeutet, daß es<br />

nur sehr wenige exakte, physikalisch relevante Lösungen (Solitonen) gibt. Daß es überhaupt relevante<br />

Lösungen zur Kosmologie gibt, liegt an einem Prinzip, welches (nach Milne) von Einstein erstmals so<br />

formuliert wurde: der 3-dim Raum besitzt Homogenität (Skalare wie Dichte und Druck sind überall<br />

gleich) und Isotropie (keine Richtung ausgezeichnet, keine Gra<strong>die</strong>nten).<br />

Zum Nachschlagen zunächst eine Formelsammlung.<br />

• DEFINITION (DIE ALLGEMEIN RELATIVISTISCHE GRAVITATIONSKONSTANTE)<br />

Für <strong>die</strong> in der ART auftretende Kombination aus Newtonscher Gravitationskonstante G und Lichtgeschwindigkeit c definieren<br />

wir zwei neue Größen zur bequemeren Schreibweise der Gleichungen:<br />

κ = 8πG<br />

= 1.86 · 10−27<br />

c2 cm g−1 ; ˆκ = κ<br />

= 2 · 10−48<br />

c2 cm 3 g −1 s −2 (2.143)<br />

<strong>die</strong> allgemein relativistischen Gravitationskonstanten, welche sich auf den Materie Tensor bzw. den Energietensor in geometrische<br />

Einheiten (Länge) umrechnen.<br />

• FORMELN (DIE GRAVISCHE LAGRANGE-DICHTE)<br />

Das invarianten 4-er Volumelement ist<br />

√ −gdΩ = √ −gcdtdxdydz mit g := det(gab) (2.144)<br />

Die Feldgleichungen (der Metrik gik) der ART können, wie alle fundamentalen Felder, aus einer invarianten Wirkung, Sg,<br />

�<br />

Sg =<br />

√ dΩ<br />

Λg −g<br />

c<br />

(2.145)<br />

mit der gravischen Lagrange-Dichte Λg und (dem invarianten Volumen) √ −gdΩ, Glchg. (2.144) durch Variation der Wirkung<br />

Sg nach der Metrik gik gewonnen werden.<br />

Dabei ist <strong>die</strong> Lagrange-Dichte Λg gegeben durch den einzig möglichen Skalar in der Riemannschen Geometrie, R, der zu<br />

quasi linearen Differential Gleichungen zweiter Ordnung führt:<br />

Λg = − 1<br />

R (2.146)<br />

2ˆκ<br />

wobei R der Ricci Skalar und ˆκ <strong>die</strong> allgemein relativistische Gravitationskonstante (bezogen auf <strong>die</strong> Energiedichte) ist.<br />

Ein Ausdruck des Äquivalenzprinzips ist, daß <strong>die</strong> Kopplungskonstante im geometrischen <strong>Teil</strong> der Wirkung<br />

auftritt und nicht im Materieteil. Damit koppelt <strong>die</strong> Gravitation an alles, was Energie besitzt und der Nullpunkt<br />

der Energie ist nicht mehr willkürlich.<br />

Die gesamte Wirkung, Stot ist linear in den verschiedenen Feldbeiträgen:<br />

�<br />

Stot = Sg + Sf = (Λg + Λf ) √ −g dΩ<br />

c<br />

(2.147)<br />

• FORMELN (DER ENERGIE-IMPULSTENSOR)<br />

Die Variation der Lagrange-Dichte Λf nach der Metrik gik liefert automatisch <strong>die</strong> symmetrische Energie-Impulstensor-<br />

Dichte,<br />

1√<br />

−g Tab =<br />

2<br />

∂√−g Λf<br />

∂gab welche als Quelle der Gravitation in der ART auftritt.


2.4. DIE MASSE DES KOSMOS 167<br />

Die Lagrange-Dichte Λf für das elektromagnetische Feld ist<br />

Λem = − 1<br />

16π F ab Fab<br />

woraus, mit der Identität<br />

∂ √ −g 1√<br />

= − −g gab<br />

∂gab 2<br />

<strong>die</strong> symmetrische Energie-Impulstensor-Dichte für das quellfreie Feld (z. B. Photonen)<br />

Tik = 1<br />

�<br />

−FilFk<br />

4π<br />

l + 1<br />

4 (F ab �<br />

Fab)gik<br />

folgt. Wichtig ist hier <strong>die</strong> Identität (für <strong>die</strong> Spur)<br />

T i i = 0 d. h. T 0 0 = T 1 1 + T 2 2 + T 3 3<br />

Für ein isotropes Strahlungsfeld folgt damit <strong>die</strong> Zustandsgleichung für Photonen: ɛ = 3p.<br />

Mit u i bezeichnen wir <strong>die</strong> 4-er Geschwindigkeit der Materie,<br />

u i = dxi<br />

ds<br />

(2.148)<br />

(2.149)<br />

(2.150)<br />

u i u k gik = 1 (2.151)<br />

und Materie mit Druck p und Energiedichte ɛ (ɛ = ρc 2 ) wird durch einen Tensor der Form<br />

beschrieben.<br />

Tab = (ɛ + p)uaub − pgab<br />

• FORMELN (DIE EINSTEINSCHEN FELDGLEICHUNGEN)<br />

Die Einsteinschen Feldgleichungen für den gravischen Anteil folgen aus<br />

δSg = − 1<br />

�<br />

R<br />

2ˆκ<br />

√ −g dΩ<br />

c<br />

Sie lauten (zusammen mit Materie) mit den Definitionen Glchg. (2.143)<br />

und<br />

Gab = ˆκTab<br />

Rab = Riakbg ik<br />

R = R ik gik<br />

(2.152)<br />

(2.153)<br />

(2.154)<br />

(2.155)<br />

Gab = Rab − 1<br />

2 gabR G ik ;k = 0 (2.156)<br />

Tab = (ɛ + p)uaub − pgab ɛ = ρc 2<br />

(2.157)<br />

Die hier auftretenden Definitionen und Symbole haben folgende Bedeutung:<br />

Rab Ricci Tensor; Gab Riemann oder Einstein Tensor; Tab Energie-Impulstensor einer idealen Flüssigkeit;<br />

ɛ <strong>die</strong> gesamte Energiedichte, (umgerechnet ρ <strong>die</strong> gesamte Massendichte);<br />

p (jetzt klein geschrieben) der Druck; <strong>die</strong> Größe w = ɛ + p ist <strong>die</strong> Enthalpie pro Volumeneinheit<br />

ua <strong>die</strong> 4-er Geschwindigkeit (uaubgab = 1) der Materie.<br />

Im Ruhsystem der Materie ist ua = g −1/2<br />

00 δa 0 und <strong>die</strong> gemischten Komponenten von Tab haben <strong>die</strong> Komponenten T b a =<br />

diag(ɛ, −p, −p, −p).<br />

Die Bewegungsgleichungen müssen nicht wie in der SRT getrennt postuliert werden, sondern folgen aus den Feldgleichungen:<br />

aufgrund der Bianchi Identität<br />

G k i ;k = 1<br />

√ −g ( √ −gG k i ),k − 1<br />

2 gkl,iG kl = 0 (2.158)<br />

folgen aus den Feldgleichungen <strong>die</strong> Bewegungsgleichungen<br />

T ik ;k = 0 (2.159)<br />

kovariant geschrieben. Sie sind unabhängig von der Gravitationskonstante, was ein Ausdruck des Äquivalenzprinzips ist.


168 KAPITEL 2. GRAVITATION<br />

• FORMELN (DIE FRIEDMANN GLEICHUNGEN)<br />

Die Metrik (Robertson Walker)<br />

ds 2 = gikdx i dx k = c 2 dt 2 − a(t) 2 dl 2 (k) (2.160)<br />

dl 2 (k) = dχ 2 + σk(χ) 2 (dΘ 2 + sin 2 Θdφ 2 ) (2.161)<br />

wobei σ(χ) <strong>die</strong> Masstabsfunktion des 3-dim Raums ist:<br />

σ1(χ) = sin χ (2.162)<br />

σ0(χ) = χ (2.163)<br />

σ−1(χ) = Sinhχ (2.164)<br />

Die Ableitung nach ct bezeichnen wir mit ′<br />

Die Friedmann Gleichungen lauten<br />

� � ′ 2 � �2 a 1<br />

3 + 3k = ˆκɛ (2.165)<br />

a a<br />

2 a′′<br />

a +<br />

� � ′ 2 � �2 a 1<br />

+ k = −ˆκp (2.166)<br />

a a<br />

oder, mit expliziter Berücksichtigung des Vakuums<br />

� � ′ 2 � �2 a 1<br />

3 + 3k<br />

a a<br />

2<br />

= ˆκ(ɛ + ɛv) (2.167)<br />

a′′<br />

a +<br />

� � ′ 2 � �2 a 1<br />

+ k<br />

a a<br />

= −ˆκ(p − ɛv) (2.168)<br />

• FORMELN (EINE MINI-LAGRANGE-FUNKTION)<br />

Explizit ist<br />

R00 = −3 a′′<br />

Rαβ =<br />

�<br />

a<br />

a<br />

−<br />

′′ � ′ a<br />

+ 2<br />

a a<br />

R =<br />

�<br />

a<br />

−6<br />

′′<br />

a +<br />

� ′ a<br />

a<br />

� 2<br />

� 2<br />

� � �<br />

2<br />

1<br />

+ 2k<br />

a<br />

� � �<br />

2<br />

1<br />

+ k<br />

a<br />

gαβ<br />

Die verkürzte Wirkung, <strong>die</strong> nur noch den Skalenfaktor a als Variable enthält (und <strong>die</strong> 3-Geometrie festhält)<br />

δSg = − 1<br />

� �<br />

a<br />

−6<br />

2ˆκ<br />

′′<br />

a +<br />

� � ′ 2 � � �<br />

2<br />

a 1 3 dΩ<br />

+ k a<br />

a a c<br />

führt zunächst auf <strong>die</strong> Lagrange-Dichte<br />

Lg = 3<br />

�<br />

a<br />

ˆκ<br />

′′<br />

a +<br />

� � ′ 2 � � �<br />

2<br />

a 1<br />

+ k<br />

a a<br />

(2.169)<br />

(2.170)<br />

(2.171)<br />

(2.172)<br />

(2.173)<br />

und, nach Umintegration, auf <strong>die</strong> Lagrange-Funktion (zusätzlich mit Quellterm)<br />

Lg = 3 � � ′ 2 3<br />

−a(a ) + ka − ɛa (2.174)<br />

ˆκ<br />

Die (zeitlich erhaltene) Gravitations-Energie ist negativ, <strong>die</strong> thermische (plus Ruhmassenenergie) ɛa3 ist positiv. Die Allgemeine<br />

Relativitätstheorie verlangt, daß <strong>die</strong> Summe<br />

′ ∂L 3 � � ′ 2 3<br />

Eo = a − L = −a(a ) − ka + ɛa (2.175)<br />

∂a ′ ˆκ<br />

verschwindet.<br />

Bei der Variation gilt der erste Hauptsatz der Thermodynamik<br />

δ(ɛa 3 ) = −pδ(a 3 ) (2.176)<br />

Damit folgt (nach Kürzen mit 3/ˆκ)<br />

2 a′′<br />

a +<br />

� � ′ 2 � �2 a 1<br />

+ k = −ˆκp (2.177)<br />

a a<br />

Die drei Gleichungen, ((2.175), (2.176) und (2.177)) sind <strong>die</strong> Friedmann Gleichungen (mit Identität), wenn wir Eo = 0<br />

setzen.


2.4. DIE MASSE DES KOSMOS 169<br />

2.4.2 Dynamik und Hubbles Galaxienflucht<br />

Frühe Modelle<br />

Die einfachste Vorstellung vom Universum ist <strong>die</strong> eines ewigen, statischen Universums mit bestenfalls<br />

stationären Mitgliedern (wie Sterne und Planeten). Diese Vorstellung war so offensichtlich richtig, daß<br />

das erste kosmologische Modell Einsteins statisch war. Ein statisches Universum hat keinen Anfang<br />

und kein Ende, also muß man auch nicht erklären, wie <strong>die</strong>se beschaffen (Kosmologie) sind bzw. woher<br />

sie rühren (Kosmogonie).<br />

Die ersten nichtstatischen Lösungen der ART wurden bereits 1922 und 1924 von Friedmann gefunden,<br />

aber von Einstein als ’furchtbar’ verworfen (sie haben einen singulären Anfang, den heute allgemein<br />

akzeptierten Urknall). Die Entdeckung Hubbles (1929) einer allgemeinen Galaxienflucht wurde dann<br />

aber auch von Einstein (de Sitter, Lemaître u.v.a.) sehr bald als Expansion des Kosmos gedeutet.<br />

Hubbles allgemeine Galaxienflucht<br />

Die Entdeckung Hubbles führt zunächst auf <strong>die</strong> folgende rein kinematische Beschreibung. Das kosmologische<br />

Prinzip (Einsteins Weltpostulat) verlangt, daß im Raum kein Punkt vor dem anderen ausgezeichnet<br />

ist. Das liefert <strong>die</strong> Homogenität und Isotropie für den Raum zu jedem Zeitpunkt und führt<br />

auf Räume konstanter Krümmung. Für jeden Abstand l zwischen zwei Punkten gilt dann, daß <strong>die</strong><br />

Geschwindigkeit ˙ l = v<br />

˙l = v = Hl (2.178)<br />

mit der zwei beliebige Punkte proportional zur Entfernung l <strong>die</strong>ser Punkte ist. Das gilt auch für den<br />

Krümmungsradius a. Wir betonen, daß <strong>die</strong>s eine rein kinematische Beschreibung ist. Diese Fluchtgeschwindigkeit<br />

˙ l = v führt zu einer Rotverschiebung und <strong>die</strong>se wieder zu einem Horizont, ˙ l > c,<br />

jenseits dessen das Universum unbeobachtbar ist.<br />

Die kosmologische Rotverschiebung ist wie folgt definiert:<br />

1 + z = λo<br />

λe<br />

= ωe<br />

ωo<br />

(2.179)<br />

dabei ist λo <strong>die</strong> vom Observer gemessene, λe <strong>die</strong> vom Sender emittierte Wellenlänge. Für einen im<br />

Kosmos mitschwimmenden Beobachter und eine ebensolche Quelle ist <strong>die</strong> Bewegungs-Richtung rein<br />

radial.<br />

Zur Bestimmung der Rotverschiebung z im expan<strong>die</strong>renden Kosmos reicht <strong>die</strong> Spezielle Relativitätstheorie.<br />

Dort gilt allgemein<br />

√<br />

1 − β2 νo = νe<br />

(2.180)<br />

1 + β cos θ<br />

wobei θ der Winkel zwischen der Visionsrichtung des Beobachters und der Bewegungsrichtung der<br />

Quelle ist. Für eine Quelle, <strong>die</strong> sich radial vom Beobachter weg bewegt, ist θ = 0 und es gilt<br />

�<br />

1 + β<br />

1 + z =<br />

1 − β<br />

mit der Umkehrung<br />

β = (1 + z)2 − 1<br />

(1 + z) 2 + 1<br />

= z<br />

1 + z<br />

2<br />

1 + z(1 + z<br />

2 )<br />

(2.181)<br />

(2.182)<br />

Dabei ist β = ˙ l/c direkt messbar, und der Wert für H folgt, wenn l bestimmt werden kann.<br />

Eine solche Bewegung heißt homolog. Anders als bei Kepler, der <strong>die</strong> kinematischen Gesetze der Planetenbewegung<br />

mithilfe vorhandener Beobachtungen vollständig bestimmen konnte, ist das in der Kosmolgie<br />

nicht möglich: der Kosmos ist dazu zu groß.


170 KAPITEL 2. GRAVITATION<br />

Die Parameter des Standard Modells<br />

Ähnlich wie man <strong>die</strong> Masse der Planeten und der Sonne bestimmen kann, kann auch <strong>die</strong> Masse des<br />

Kosmos aus seiner Dynamik bestimmt werden. Grundlage ist <strong>die</strong> Allgemeine Relativitätstheorie Einsteins.<br />

Im Standard Modell der Kosmologie reichen zwei Parameter, zur Festlegung: <strong>die</strong> Hubble Konstante<br />

H und <strong>die</strong> Dichte ρ, <strong>die</strong> mit dem Parameter Ω<br />

Ω = ρ<br />

ρc<br />

= κρc2<br />

3H 2<br />

(2.183)<br />

parametrisiert wird. Im einfachsten aller Modelle ist Ω = 1 und es genügt eine einzige Größe, <strong>die</strong><br />

kritische Dichte, ρc, den Kosmos und seine Dynamik vollständig zu bestimmen.<br />

2.4.3 Zum Nachschlagen<br />

• DEFINITION (PARAMETER DER ART)<br />

1. c <strong>die</strong> Lichtgeschwindigkeit.<br />

2. G ist Newtonsche Gravitationskonstante<br />

G = 6.6732 · 10 −8<br />

3. ˆκ <strong>die</strong> relativistische Kopplungskonstante<br />

ˆκ = 8πG<br />

c 4<br />

4. ɛ = ρc 2 <strong>die</strong> Massen-Energiedichte,<br />

5. ρc <strong>die</strong> kritische Dichte, (Ω = 1)<br />

cm 3 g −1 s −2 (2.184)<br />

ρc = 3H2<br />

8πG = 5 · 10−30 (2h) 2<br />

gcm −3<br />

6. R oder a Skalenfaktor der Expansion (’Radius’ des Universums)<br />

7. Ω der dimensionslose Dichteparameter, (bestimmt in der ART <strong>die</strong> Geometrie)<br />

8. H Hubble Expansionsparameter und kritische Dichte des Universums<br />

H = ˙ R<br />

R<br />

; ρc = 3<br />

8πG H2<br />

; Ω = ρ<br />

ρc<br />

= 8πG<br />

3 ρH−2<br />

• FORMELN (DIE KOVARIANTE ABLEITUNG UND DIE CHRISTOFFELSYMBOLE)<br />

Die 4–dim. Raumzeit der Einsteinschen Allgemeinen Relativitätstheorie (ART) beschreiben wir mit den Koordinaten<br />

Die Metrik<br />

(2.185)<br />

(2.186)<br />

(2.187)<br />

x 0 = ct, x 1 = x, x 2 = y, x 3 = z (2.188)<br />

ds 2 = gikdx i dx k<br />

hat <strong>die</strong> Signatur<br />

(2.189)<br />

(+ − − −) (2.190)<br />

Das invarianten 4-er Volumelement ist<br />

√ −gdΩ = √ −gcdtdxdydz mit g := det(gab) (2.191)<br />

Die Christoffelsymbole Γ i kl<br />

zusammen:<br />

Γ i kl = 1<br />

2 gim<br />

� ∂gmk<br />

∂x<br />

bestimmen den affinen Zusammenhang. Sie hängen wie folgt mit dem metrischen Tensor<br />

∂x<br />

∂x m<br />

∂gml ∂gkl<br />

+ − l k<br />

Damit gilt für <strong>die</strong> kovariante Ableitung eines Vektors<br />

A i ;l = ∂Ai<br />

∂x l + Γi klA k<br />

�<br />

(2.192)


2.4. DIE MASSE DES KOSMOS 171<br />

und <strong>die</strong> eines Tensors<br />

A ik ;l = ∂Aik<br />

∂x l + Γk mlA im<br />

Die Christoffelsymbole sind symmetrisch in den unteren Indizes<br />

Γ i jk = Γ i kj<br />

und werden auch affiner Zusammenhang genannt. Vereinfachend werden wir auch <strong>die</strong> Komma Notation benutzen:<br />

Γ i jk = 1<br />

2 gil (glj,k + glk,j − gjk,l) (2.193)<br />

Die Komponenten des Riemannschen Tensors sind explizit durch den folgenden Ausdruck gegeben:<br />

R i kab = Γ i kb,a − Γ i ka,b + Γ i laΓ l lb − Γ i lbΓ l la<br />

Mit u i bezeichnen wir <strong>die</strong> 4-er Geschwindigkeit der Materie,<br />

u i = dxi<br />

ds<br />

(2.194)<br />

u i u k gik = 1 (2.195)<br />

Die kovariante Form der Beschleunigung ist der Term auf der linken Seite<br />

D<br />

Ds ui = u i + Γ i jku j u k = 0 (2.196)<br />

Falls sie, wie hier angegeben, verschwindet, dann ist <strong>die</strong>s <strong>die</strong> Geodätengleichung für <strong>die</strong> Bahn x i (s) in einem Raum mit<br />

dem metrischen Tensor gik.<br />

• FORMELN (ROBERTSON-WALKER METRIK UND FRIEDMANN GLEICHUNGEN)<br />

Die Robertson-Walker Metrik, ds 2 (k),<br />

beschreibt <strong>die</strong> zeitliche Änderung Räume konstanter Krümmung. Die Bewegung ist eine homologe Expansion. Es ist von<br />

der Form (R = a):<br />

ds 2 = gikdx i dx k = c 2 dt 2 − a(t) 2 dl 2 (k) (2.197)<br />

dl 2 (k) = dχ 2 + σk(χ) 2 (dΘ 2 + sin 2 Θdφ 2 ) (2.198)<br />

mit der Masstabsfunktion σk = σk(χ) und k = 1, 0, −1.<br />

σ1(χ) = sin χ (2.199)<br />

σ0(χ) = χ (2.200)<br />

σ−1(χ) = Sinhχ (2.201)<br />

Die Einstein-Friedmann Gleichungen der ART lauten vollständig für <strong>die</strong> Robertson-Walker Metrik<br />

� ′ a<br />

3<br />

a<br />

2 a′′<br />

a +<br />

� ′ a<br />

a<br />

� 2<br />

� 2<br />

�<br />

1<br />

+ 3k<br />

a<br />

�<br />

1<br />

+ k<br />

a<br />

� 2<br />

� 2<br />

= ˆκɛ (2.202)<br />

= −ˆκp (2.203)<br />

dabei ist ɛ <strong>die</strong> Massen-Energiedichte, p der Druck und ˆκ <strong>die</strong> relativistische Kopplungskonstante, mit der Bedeutung, wie<br />

sie in den Definitionen ’Parameter der ART’ aufgeführt sind.<br />

• FORMELN (DIE EINSTEINSCHE FELDGLEICHUNGEN)<br />

Die Feldgleichungen der ART (Einstein, 1915) lauten<br />

Gab = ˆκTab<br />

Der Operator Gab<br />

Gab = Rab − 1<br />

2 gabR<br />

(2.204)


172 KAPITEL 2. GRAVITATION<br />

heißt Riemann- oder Einstein-Tensor, Rab heißt Ricci-Tensor.<br />

Er erfüllt <strong>die</strong> 4 Bianchi Identitäten<br />

G k i ;k = 1<br />

√ −g ( √ −gG k i ),k − 1<br />

2 gkl,iG kl = 0 (2.205)<br />

welche vermöge der Einsteinschen Feldgleichungen <strong>die</strong> Bewegungsgleichung<br />

T ik ;k = 0 (2.206)<br />

der Materie liefern. Das Semikolon bedeutet kovariante Ableitung.<br />

T ik<br />

;k = T ik<br />

,k + Γ k mkT im<br />

• FORMELN (DATEN DES KOSMOS)<br />

Der kritischen Massendichte<br />

ρc = 3H2<br />

8πG = 5 · 10−30 (2h) 2<br />

gcm −3<br />

entspricht <strong>die</strong> kritische Baryonen <strong>Teil</strong>chendichte<br />

nc = 3H2<br />

= 3 · 10<br />

8πGmp<br />

−6 (2h) 2<br />

cm −3<br />

(2.207)<br />

Die Baryonen <strong>Teil</strong>chendichte ist nb = Ωnc. Für <strong>die</strong> Entropie pro Baryon, ˜s = nγ/nb, der Hintergrundstrahlung von<br />

Tbb = 2.735 Kelvin gilt dann:<br />

˜s = nγ<br />

nb<br />

= 1.4 · 10 8 [Ω −1 (2h) −2 ] (2.208)<br />

Im folgenden wollen wir <strong>die</strong>se mit ihrem Kehrwert parametrisieren<br />

η = nb<br />

nγ<br />

= 8 · 10 −9 [Ω(2h) 2 ] (2.209)<br />

Der Parameter η ist also das Verhältnis von Baryonen- zu Photonenzahl im Einheitsvolumen. Die Elementsynthese im<br />

frühen Universum führt auf <strong>die</strong> Bedingung 3 < 10 10 η < 4 für <strong>die</strong> Baryonische Komponente, was Ωb = 0.05 bei h = 0.5<br />

impliziert.<br />

In konkreten Anwendungen werden wir Ω ≈ 0.05 und h = 0.5 annehmen, der Rest ist Dunkelmaterie und Ω < 0.3.<br />

Die Zustandsgleichung lautet:<br />

ρ = ρo<br />

� �3 �<br />

Ro<br />

1 + θm(o)<br />

R<br />

Ro<br />

�<br />

R<br />

und (nur masselose Felder liefern einen Druck, Index γ)<br />

pγ = 1<br />

3 ργc 2 = ɛoθm(o)<br />

� �4 Ro<br />

R<br />

2.4.4 Von Newton zu Einstein<br />

(2.210)<br />

(2.211)<br />

Die Allgemeine Relativitätstheorie Einsteins (ART) führt formal auf <strong>die</strong> gleiche Dynamik des Kosmos<br />

wie <strong>die</strong> Newtonschen Theorie. In beiden wird sie durch den Materieinhalt (und dessen Zustandsgleichung)<br />

bestimmt. Daß <strong>die</strong> Newtonschen Theorie überhaupt zu einer qualitativ korrekten Beschreibung<br />

führt, liegt an folgender wichtigen Eigenschaft der ART (und gilt natürlich auch in der Newtonsche<br />

Gravitationstheorie): bei Kugelsymmetrie liefert <strong>die</strong> außerhalb der Kugel liegende Materie keinen Beitrag<br />

zum Feld innerhalb (in der ART ist das der Satz von Birkhoff). Bekanntlich ist aber <strong>die</strong> Newtonsche<br />

Gravitationstheorie eine sehr gute Näherung für schwache Felder und kleine Abstände, hier<br />

müßen beide demnach stetig ineinander übergehen.


2.4. DIE MASSE DES KOSMOS 173<br />

Grundlagen<br />

• ANMERKUNG (AXIOME UND POSTULATE)<br />

1. Axiom: Riemannsche Differentialgeometrie in 1+3 Dimensionen<br />

Die Raumzeit ist punktal durch <strong>die</strong> Minkowski Raumzeit mit einer Zeit- und drei Raumdimensionen<br />

R4 = R1 × R3<br />

beschreibbar. Die Spezielle Relativitätstheorie wird durch folgende Metrik<br />

ds 2 = ηikdx i dx k = c 2 dt 2 − (dx 2 + dy 2 + dz 2 ) (2.212)<br />

beschrieben. Die Komponenten des Tensors ηik sind also orthogonal und normiert:<br />

ηik = diag ( + 1, − 1, − 1, − 1) (2.213)<br />

Lokal wird daraus eine Riemannsche Differentialgeometrie. Diese 4–dim. Raumzeit (Allgemeine Relativitätstheorie)<br />

beschreiben wir mit den Koordinaten<br />

x 0 = ct, x 1 = x, x 2 = y, x 3 = z (2.214)<br />

Die Metrik ist dann global durch<br />

ds 2 = gikdx i dx k<br />

(2.215)<br />

gegeben und das invarianten 4-er Volumelement ist<br />

√ −gdΩ = √ −gcdtdxdydz mit g := det(gab) (2.216)<br />

2. Axiom: Konstanz der Lichtgeschwindigkeit<br />

1. Postulat: Die dynamischen Gleichungen der Physik, nicht nur <strong>die</strong> der ART, folgen aus einem Wirkungsprinzip.<br />

2. Postulat: Die Wirkung ist ein Skalar.<br />

Die Einsteinschen Feldgleichungen folgen aus einem Wirkungsprinzip<br />

δS = 0 ; S = 1<br />

c<br />

�<br />

Λ √ −gdΩ ; dΩ = d 4 x = cdtdV (2.217)<br />

wobei <strong>die</strong> Wirkung S <strong>die</strong> Summe aus den verschiedenen Feldanteilen ist.<br />

3. Postulat: Alle Felder (mit Index g, m und v) tragen in linearer Superposition bei<br />

�<br />

S = (Λg + Λm + Λv) √ −g dΩ<br />

c<br />

(2.218)<br />

Die Feldgleichungen aller Felder folgen normalerweise einzeln aus δSi = 0, wobei i für den Index g, m und v<br />

steht. In der ART sind sie durch <strong>die</strong> Bianchi Identitäten eingeschränkt. Für Testteilchen gilt, daß <strong>die</strong>se sich auf den<br />

Geodäten der Raumzeit bewegen.<br />

Geodäten und ihre Gleichungen<br />

Im 3-dim Raum sind Geodäten <strong>die</strong>jenigen Kurven, <strong>die</strong> <strong>die</strong> kürzeste Länge zwischen zwei Punkten A<br />

und B haben.<br />

• DEFINITION (DIE KOORDINATEN DES 3-DIM RAUM)<br />

Griechische Indizes laufen von 1 bis 3. Die Koordinaten werden mit x α bezeichnet. Zur Beschreibung der Geometrie wird<br />

das Linienelement<br />

dl 2 =<br />

3�<br />

3�<br />

α=1 β=1<br />

γαβdx α dx β<br />

benutzt. Unter Koordinatentransformationen ist dl 2 ein Skalar. In Zukunft werden wir <strong>die</strong> Summenkonvention benutzen.<br />

dl 2 = γαβdx α dx β


174 KAPITEL 2. GRAVITATION<br />

• FORMELN (DIE GEODÄTENGLEICHUNG IM 3-DIM RAUM)<br />

Die Entfernung lAB zwischen zwei benachbarten Punkten A und B ist das Minimum der Länge<br />

lAB =<br />

�B<br />

A<br />

�<br />

γαβ<br />

dx α<br />

dt<br />

dxβ �1/2<br />

dt<br />

dt<br />

aller Kurven x α (t), <strong>die</strong> A mit B verbinden.<br />

Die Kurve x α (t) erhält man wie folgt. Man betrachtet ’benachbarte’ Kurven x α (t) + δx α (t), bei denen Anfangs und<br />

Endpunkt festgehalten sind:<br />

δx α (tA) = 0 ; δx α (tB) = 0<br />

und berechnen <strong>die</strong> Variation<br />

�B<br />

�<br />

δlAB = δ<br />

A<br />

γαβ<br />

dx α<br />

dt<br />

dxβ �1/2<br />

dt<br />

dt<br />

Die Variation verschwindet, falls <strong>die</strong> Kurve x α (t) das Minimum realisiert. Wir nennen den Integranden Lagrange-Funktion<br />

L<br />

L = (γαβ(x) ˙x α ˙x β ) 1/2<br />

und <strong>die</strong> Variation ist<br />

und<br />

δL = ∂L<br />

∂ ˙x α δ ˙xα + ∂L<br />

δxα<br />

∂xα dx α<br />

dt<br />

= ˙xα<br />

Wir erhalten <strong>die</strong> Variation bezüglich δx α nach Umintegration<br />

δl =<br />

�B<br />

A<br />

�<br />

− d<br />

�<br />

∂L<br />

dt ∂ ˙x α<br />

�<br />

+ ∂L<br />

∂xα �<br />

δx α dt<br />

oder <strong>die</strong> Geodätengleichung<br />

− d<br />

�<br />

∂L<br />

dt ∂ ˙x α<br />

�<br />

+ ∂L<br />

= 0 (2.219)<br />

∂xα Da wir den Materieinhalt als Summe nicht wechselwirkender Felder beschreiben, muß jede einzelne<br />

Komponente <strong>die</strong> Bewegungsgleichung<br />

T ik ;k = 0 (2.220)<br />

aufgrund seiner Feldgleichung erfüllen. Für Testteilchen bzw. Testphotonen ist das <strong>die</strong> Geodätengleichung.<br />

• FORMELN (DIE GEODÄTENGLEICHUNG IM 4DIM RAUM)<br />

Die Dynamik von Testteilchen der Masse m erhalten wir wie folgt. Die Lagrange-Funktion L folgt in der SRT aus dem<br />

einzigen Lorentz–Skalar den man aus Metrik und 4er Geschwindigkeit eines <strong>Teil</strong>chens bilden kann<br />

S = −mc 2<br />

�<br />

�<br />

dτ = −<br />

mc<br />

�<br />

ηik<br />

dx i<br />

dλ<br />

dxk dλ (2.221)<br />

dλ<br />

wobei τ <strong>die</strong> Eigenzeit des <strong>Teil</strong>chens ist. Durch kovariantes Umschreiben (d. h. durch den Übergang ηik → gik zur Metrik<br />

der ART) wird daraus:<br />

S = −mc 2<br />

� � �<br />

dx<br />

dτ = − mc gik<br />

i dx<br />

dλ<br />

k<br />

dλ (2.222)<br />

dλ<br />

Hier ist λ ein beliebiger affiner Parameter zur Beschreibung der <strong>Teil</strong>chenbahn. Wählt man dafür <strong>die</strong> Eigenlänge selbst, dann<br />

wird mit<br />

u i = dxi<br />

ds<br />

u i u k gik = 1 (2.223)


2.4. DIE MASSE DES KOSMOS 175<br />

und mit ds = cdτ, aus der Lagrange-Funktion<br />

L = mc 2 (giku i u k ) 1/2 = mc(gik ˙x i ˙x k ) 1/2<br />

(2.224)<br />

Der Wert der Lagrange-Funktion L ist also L = mc 2 .<br />

Die Geodätengleichung für Testteilchen folgt nun aus der Variation der Lagrange-Funktion nach der Bahn x k (s). Die<br />

Variation ergibt (wenn wir <strong>die</strong> Indizes an u und x unterdrücken)<br />

d ∂L ∂L<br />

− = 0 (2.225)<br />

ds ∂u ∂x<br />

Explizit mit Indizes ergibt das<br />

d<br />

ds (gaku k ) − 1<br />

oder (in kontravarianter Form)<br />

2 gik,au i u k = 0<br />

gak ˙u k + gak,lu k u l − 1<br />

2 gik,au i u k = 0 (2.226)<br />

Durch Heben des Index erhält man (<strong>die</strong> kovariante Form)<br />

D<br />

Ds ui = u i + Γ i jku j u k = 0 (2.227)<br />

Dies ist <strong>die</strong> Geodätengleichung für <strong>die</strong> Bahn x i (s).<br />

• FORMELN (DIE CHRISTOFFELSYMBOLE DES FRIEDMANN KOSMOS)<br />

Wir benutzen zum expliziten Rechnen <strong>die</strong> alternative und bequemere Möglichkeit zur Bestimmung der Christoffelsymbole<br />

Γa ik für L den Ausdruck:<br />

also<br />

L = − mc2<br />

2 gik<br />

dxi dx<br />

dλ<br />

k<br />

dλ<br />

= −mc2<br />

2 giku i u k<br />

(2.228)<br />

L ∝ (˙t) 2 − a 2 (t)[ ˙χ 2 + σk(χ) 2 ( ˙ Θ 2 + sin Θ 2 ˙ φ 2 )] (2.229)<br />

Den räumlichen Anteil schreiben wir (ohne a 2 (t)) mit der Metrik<br />

γαβ = diag(1 , σk(χ) 2 , σk(χ) 2 sin Θ 2 )<br />

als Einheitslänge<br />

� �2 dl(k)<br />

dτ<br />

= [ ˙ l] 2 = γαβu α u β = ˙χ 2 + σk(χ) 2 ˙ Θ 2 + σk(χ) 2 sin Θ 2 ˙ φ 2<br />

Wir differenzieren L nach Vorschrift und erhalten für <strong>die</strong> 0-Komponente:<br />

oder explizit<br />

Daraus folgt<br />

¨t + ˙aa[ ˙ l] 2 = 0<br />

ü 0 + (˙aa)<br />

3�<br />

α=1<br />

γααu α u α = 0<br />

Γ 0 00 = 0 ; Γ 0 αβ = (˙aa)γαβ (2.230)<br />

Und z. B. für <strong>die</strong> 1-Komponente folgt<br />

¨χ + ˙a<br />

a ˙t[ ˙ l] 2 + σk(χ) dσk(χ)<br />

dχ ( ˙ Θ 2 + sin Θ 2 ˙ φ 2 ) = 0<br />

Daraus folgt (zunächst nur für α = 1)<br />

Γ α 0β = ˙a<br />

a δα β<br />

während für <strong>die</strong> reinen Raumkomponenten<br />

Γ α βγ = ˜ Γ α βγ<br />

gilt. Dabei wird ˜ Γ α βγ aus der Metrik γαβ gebildet.<br />

(2.231)<br />

(2.232)


176 KAPITEL 2. GRAVITATION<br />

Prinzipien der Kosmolgie<br />

Als Nachkommen von Kopernikus und mit Einstein wollen wir annehmen, daß der Ort, an dem wir<br />

uns im Kosmos befinden, durch nichts ausgezeichnet ist. Das bedeutet, daß <strong>die</strong> Verteilung jedweder<br />

Art von Energie im Großen unabhängig vom Ort sein muß. Eine Homogenität in der Zeit impliziert<br />

<strong>die</strong>se Annahme nicht.<br />

Der Zeitpunkt jedoch, zu dem wir den Kosmos betrachten, ist ausgezeichnet. Eine Reihe von Parametern<br />

des Kosmos müßen dazu stark eingeschränkte Werte haben. Das ist qualitativ <strong>die</strong> Aussage des<br />

anthropischen Prinzips.<br />

• ANMERKUNG (PRINZIPIEN)<br />

Genauer betrachten wir <strong>die</strong> nebenstehenden Prinzien<br />

Sie sind (in der angegeben Reihenfolge) als relevant für <strong>die</strong> Kosmologie weitgehend akzeptiert und mit der Beobachtung<br />

in Übereinstimmung. Die ersten 5 gehen alle auf Einstein zurück. Diese<br />

wollen wir etwas genauer erläutern.<br />

1. Das Relativitätsprinzip wird mikroskopisch durch Felder in einer lokal<br />

flachen, 4-dim. Raumzeit realisiert. Ihre Feldgleichungen folgen aus<br />

einem Lorentz-invarianten Wirkungsprinzip. Die Wirkung S (bzw. <strong>die</strong><br />

Lagrange-Dichte Funktion Λ) ist bilinear in den Feldern.<br />

2. Das Äquivalenzprinzip verlangt, daß <strong>die</strong> im Newtonschen Gesetz über<br />

<strong>die</strong> Bewegung einer Testmasse m im Gravitationsfeld der Masse M auftretenden<br />

3 Arten von Masse<br />

mtr �a = G mpas Makt grad 1<br />

r<br />

(wobei oft mpas und makt als schwere Masse mschw bezeichnet wer-<br />

Prinzipien der Physik<br />

1. das Relativitätsprinzip,<br />

2. das Äquivalenzprinzip,<br />

3. das kosmologische Prinzip,<br />

4. das Prinzip der allgemeinen Kovarianz,<br />

5. das Machsche Prinzip und<br />

6. das anthropische Prinzip<br />

den) gleich sind. Als Test dazu wurde <strong>die</strong> Periode P von Pendel-<br />

Tab. 2.9: phys. Prinzipien<br />

schwingungen im Gravitationsfeld der Erde von verschiedenen Materialien betrachtet (Bessel, 1830; Eötvös). Das<br />

Äquivalenzprinzip ist in der ART automatisch erfüllt.<br />

3. Das kosmologische Prinzip (Einsteins Weltpostulat) verlangt Homogenität und Isotropie für den Raum zu jedem Zeitpunkt.<br />

Das führt auf Räume konstanter Krümmung mit der Robertson-Walker Metrik ds2 (k) (s. Formelsammlung).<br />

4.Das Prinzip der allgemeinen Kovarianz besagt, daß alle Bezugssysteme äquivalent sind; d. h. es gibt keine ausgezeichneten<br />

Bewegungszustände. Für <strong>die</strong> Gravitation liefert das Prinzip im wesentlichen <strong>die</strong> Einsteinschen Feldgleichungen (realisiert<br />

mittels der Riemannschen Differentialgeometrie), für alle anderen Felder <strong>die</strong> minimale Kopplung (an <strong>die</strong> Gravitation).<br />

5. Das Machsche Prinzip ist philosophischer Natur. Der Newtonsche Eimerversuch zeigt, daß Trägheit (bei Beschleunigung)<br />

eine absolute Eigenschaft des Raumes ist. Welcher Raum ist gemeint? Die Antwort Machs war: derjenige (absolute)<br />

Raum, der durch <strong>die</strong> Verteilung der Sterne gegeben ist.<br />

6. Das anthropische Prinzip haben wir bereits erwähnt (und ist ebenfalls philosophischer Natur).<br />

Die ART ist eine klassische Theorie, quantisierte Felder können berücksichtigt werden, indem man den Erwartungswert<br />

ihres (klassischen) Energie-Impulstensors bestimmt.<br />

Kosmolgie im Rahmen der Newtonschen Theorie<br />

Ersetzt man das Relativitätsprinzip durch <strong>die</strong> Forderung nach Galilei Invarianz, dann können alle aufgeführten<br />

Prinzipien auch auf <strong>die</strong> Newtonsche Gravitationstheorie angewandt werden. Der Versuch,<br />

den Kosmos als Ganzes im Rahmen der Newtonschen Theorie zu beschreiben, führt dann allerdings<br />

auf ein Problem, welches Newton bereits erkannt hatte, was er aber nur provisorisch lösen konnte. Die<br />

Gravitationskraft ist eine langreichweitige Kraft, für den Kosmos als Ganzes bedeutet das, daß, in einer<br />

Fernwirkungstheorie wie der Newtonschen, jeder <strong>Teil</strong> des Universums den andern (instantan) anzieht,<br />

bei homogener Dichte <strong>die</strong>s um so mehr, je weiter <strong>die</strong> beiden <strong>Teil</strong>e voneinander entfernt sind.<br />

Das führt zu der folgenden paradoxen Situation: <strong>die</strong> Kraft am Aufpunkt verschwindet einerseits (aus<br />

Symmetriegründen) für jeden Aufpunkt, weit entfernte Massen andererseits werden dagegen beliebig<br />

stark angezogen. Wie wir zeigen wollen, hilft auch <strong>die</strong> Einsteinsche Allgemeine Relativitätstheorie<br />

hier nicht weiter: es gibt auch bei ihr kein statisches Universum bei langreichweitiger Kraft.<br />

Die eigentliche Lösung des Paradoxons lautet für beide Theorien gleich: es gibt keinen statischen<br />

Kosmos, und <strong>die</strong>s kann bereits im Rahmen der Newtonschen Theorie erklärt werden.


2.4. DIE MASSE DES KOSMOS 177<br />

• ANMERKUNG (VON NEWTON ZU EINSTEIN)<br />

Die folgenden drei Gesichtspunkte sind zum Verständnis einer allgemein relativistischen Gravitationstheorie wichtig:<br />

1. Die Gravitationskraft ist <strong>die</strong> einzige nicht abschirmbare, langreichweitige Kraft. Auf Längenskalen, <strong>die</strong> wesentlich<br />

größer als <strong>die</strong> lokaler Inhomogenitäten, aber wesentlich kleiner als der Kosmos als ganzes sind, l ≈ 100 Mpc, muß<br />

<strong>die</strong> Newtonsche Gravitationstheorie eine gute Näherung darstellen.<br />

Für gegebene Dichte ρ bzw. dazu gehörender Masse<br />

M = 4π<br />

3 ρl3 c<br />

ist <strong>die</strong> kritische Länge der Schwarzschildradius:<br />

lc = 2GMc<br />

c2 �<br />

3c<br />

; lc =<br />

2<br />

=<br />

8πGρc<br />

c<br />

H<br />

(2.233)<br />

(2.234)<br />

Dabei ist G <strong>die</strong> Newtonsche Gravitationskonstante und c <strong>die</strong> Lichtgeschwindigkeit und H der Hubble Expansionsparameter<br />

(s. Definitionen: ’Parameter der ART’). Anschaulich ist also c/H der Schwarzschildradius des Universums.<br />

Für ein Universum mit kritischer Dichte, ρc = 5 · 10 −30 h 2 g cm −3 , sind das 6000 Mpc = 6 Gpc = 2·10 28 cm.<br />

Äquivalent ausgedrückt sind das 2 · 10 10 Lichtjahre, das Universum ist aber nur 2/3 so alt.<br />

2. Nach der allgemein gültigen Einstein Formel<br />

E = mc 2<br />

(2.235)<br />

wirkt als gravitierende Masse jede Form von Energie, aktiv wie passiv (positiv wie negativ). Insbesondere werden<br />

Photonen im Gravitationsfeld abgelenkt, ihr Energiebeitrag muß bei der Bestimmung des Feldes berücksichtigt<br />

werden.<br />

3. Damit wird der Raum selbst bestimmt durch <strong>die</strong> Verteilung und Bewegung der Materie (Energie) in ihm, einen<br />

absoluten Raum gibt es nicht mehr. Der einfachste Fall liegt vor, falls der Raum in dem <strong>die</strong> (leuchtende) Materie im<br />

Mittel ruht (mitschwimmendes Bezugsystem) homogen und isotrop verteilt ist.<br />

2.4.5 Die Bewegungsgleichung des Kosmos<br />

Lokal Newtonsche Dynamik<br />

Die Bewegungsgleichung des Kosmos (im Rahmen der Newtonschen Theorie) folgt am einfachsten<br />

aus dem Energiesatz. Es ist für eine solche homogene und isotrope Materieverteilung in Newtonscher<br />

Näherung<br />

Ekin = 1<br />

2<br />

M�<br />

o<br />

(˙a) 2 dm = 3<br />

10 (˙a)2 M ; Epot = −<br />

M�<br />

0<br />

Gm<br />

a<br />

GM<br />

dm = −3<br />

5<br />

2<br />

a<br />

(2.236)<br />

Hier ist M = 4π<br />

3 ρa3 <strong>die</strong> konstante Masse innerhalb des Radius a = aof(t), wenn wir benutzen, daß<br />

<strong>die</strong> Bewegung homolog ist (keine Massenschale überholt <strong>die</strong> andere) und dm = 4πρa 2 da <strong>die</strong> Masse<br />

in der Schale mit Radius a und der Dicke da. Die Integration ist für t = const durchzuführen und es ist<br />

zu beachten, daß a = a(t, m) ist.<br />

Der Energiesatz verlangt<br />

oder<br />

Ekin + Epot = K1 mit K1 = const<br />

(˙a) 2 = 2GM<br />

+ K2<br />

a<br />

Die Konstante K bestimmt, ob <strong>die</strong> Bewegung endlich, K < 0 oder unendlich in Raum und Zeit ist.<br />

Wir betrachten der Einfachheit halber den Fall K = 0. Die Lösung lautet dafür<br />

2<br />

3 a3/2 = √ 2GMt mit t = 2 ˙a<br />

3 a<br />

Zum Zeitpunkt t = 0 ist für alle Lösungen a = 0 und damit ρ(0) = ∞. Das ist der Urknall.


178 KAPITEL 2. GRAVITATION<br />

Die ART<br />

Im Folgenden wollen wir den Übergang zur ART vollziehen, indem wir (ad hoc)<br />

K1 = −kMc 2<br />

bzw K2 = −kc 2<br />

setzen. Die einzige neue Größe ist <strong>die</strong> Lichtgeschwindigkeit c, sie tritt aber nur auf als Umrechnungsgröße<br />

von Zeit t in Länge x:<br />

˙a → 1<br />

˙a = a′<br />

c<br />

Die klassischen Gleichungen der ART liefern keine fundamentale Länge, deshalb ist <strong>die</strong> Newtonsche<br />

Näherung (bei geeigneter Interpretation) exakt. In der Einsteinschen Allgemeine Relativitätstheorie<br />

kann k nur <strong>die</strong> Werte +1 für ein räumlich geschlossenes Universum, k = 0 für das flache Universum<br />

und k = −1 für ein Universum mit negativer Raumkrümmung annehmen.<br />

Die Gleichungen der ART lauten vollständig<br />

�<br />

′ a<br />

3<br />

a<br />

2 a′′<br />

a +<br />

�<br />

′ a<br />

a<br />

� 2<br />

� 2<br />

� �2 1<br />

+ 3k<br />

a<br />

� �2 1<br />

+ k<br />

a<br />

dabei ist ɛ = ρc 2 <strong>die</strong> Massen-Energiedichte, p der Druck und<br />

ˆκ = 8πG<br />

c 4<br />

= ˆκɛ (2.237)<br />

= −ˆκp (2.238)<br />

(2.239)<br />

<strong>die</strong> relativistische Kopplungskonstante.<br />

Als Konsequenz folgt der erste Hauptsatz der Thermodynamik für adiabatische Änderung des Zustands<br />

der Materie und es gilt:<br />

(ɛa 3 ) ′ = −p(a 3 ) ′<br />

Für baryonische Materie ist heute (mit Temperatur T = 3 K) der Druck 2p = 3nkT ≈ 0 vernachläßigbar,<br />

Photonen haben <strong>die</strong> Zustandsgleichung ɛ = 3p. Damit verhalten sich <strong>die</strong> beiden Komponenten<br />

wesentlich verschieden bei der Expansion: baryonische Materie befolgt ɛa 3 = const; Photonen<br />

dagegen gehorchen ɛa 4 = const., da der Druck stets vergleichbar mit der Energiedichte ist.<br />

2.4.6 Die Massendichte des Universums<br />

In der ART wirkt alles, was Energie oder Masse hat, gravitierend. Alles gehorcht der Einstein Formel,<br />

ɛ = ρc 2 , auch das Vakuum. Es ist deshalb unumgänglich, alle Komponenten des Kosmos zu bestimmen:<br />

der Energienullpunkt ist nicht willkürlich, wie in der Spezielle Relativitätstheorie, er ist absolut. Wir<br />

betrachten im folgenden der Reihe nach <strong>die</strong> Beiträge: Baryonen, Photonen, Dunkelmaterie und das<br />

Vakuum.<br />

Die Baryonendichte<br />

Die Baryonendichte hat <strong>die</strong> Anteile Ruhmassenenergie und kinetische Energie: ɛ = mc2n + 3kT<br />

n und<br />

2<br />

<strong>die</strong> Näherung p ≈ 0 ist so lange ausreichend, wie mc2 ≫ kT gilt. Es gibt drei Möglichkeiten, <strong>die</strong><br />

mittlere Dichte des Universums zu bestimmen:


2.4. DIE MASSE DES KOSMOS 179<br />

1. <strong>die</strong> statische: Abzählen und Aufsummieren der leuchtenden Materie im hinreichend grossen Volumen.<br />

2. <strong>die</strong> lokal dynamische: Bestimmung des Gravitationspotentials eines hinreichend grossen Volumens<br />

über den Virialsatz oder den Linseneffekt.<br />

3. <strong>die</strong> global dynamische: Bestimmung der Hubble Konstanten (Expansionsrate des Kosmos) anhand<br />

von Cepheiden oder Supernovae (Standardkerzen).<br />

Eine Möglichkeit, durch direkte (optische) Beobachtung <strong>die</strong> mittlere Dichte des Universums zu bestimmen,<br />

besteht darin, <strong>die</strong> Masse eines hinreichend grossen Volumens (über <strong>die</strong> Leuchtkraft der darin<br />

enthaltenen Galaxien) zu bestimmen.<br />

Unabhängig davon kann man <strong>die</strong> Virialmasse M (über <strong>die</strong> Dopplerverschiebung) bestimmen. Das führt<br />

direkt auf das Problem der Dunkelmaterie. Das Verhältnis von Masse zu optischer Leuchtkraft LV<br />

Mvir<br />

LV<br />

= M<br />

L<br />

= f M⊙<br />

L⊙<br />

eicht man zunächst in Sonnenumgebung, was f ≈ 3 ergibt, dann etwa an unserer Galaxis (f ≈ 10<br />

ohne Halo) bzw. Galaxien in unserer Nachbarschaft, so erhält man (je nach Galaxientyp noch differenziert)<br />

f ≈ 5 . . . 30 verglichen mit der Virialmasse. Dieses Verhältnis f wächst mit der Entfernung und<br />

beträgt für Coma bereits f ≈ 400. Licht ist demnach kein verläßlicher Anzeiger (tracer) für Materie.<br />

Wesentlich besser geignet scheint dagegen Röntgenstrahlung zu sein, welche von intergalaktischem,<br />

heißem Gas ausgestrahlt wird.<br />

Im Folgenden wollen wir a mit R bezeichnen. Indirekt kann man <strong>die</strong> mittlere Dichte des Universums<br />

aus der Dynamik des Kosmos bestimmen. Man definiert dazu den Hubble Expansionsparameter H und<br />

eine kritische Dichte des Universums wie folgt:<br />

H = ˙ R<br />

R<br />

; ρc = 3<br />

8πG H2<br />

; Ω = ρ<br />

ρc<br />

= 8πG<br />

3 ρH−2<br />

dabei bestimmt der dimensionslose Dichteparameter Ω in der ART <strong>die</strong> Geometie<br />

Ω<br />

⎧<br />

⎪⎨<br />

⎪⎩<br />

> 1 sphärisch (geschlossen)<br />

= 1 Euklidisch<br />

< 1 hyperbolisch (offen)<br />

des Universums. Sie ist eine topologische Invariante.<br />

Die beide Grundgrößen, H<br />

H −1<br />

o = 0.98 · 10 10 h −1<br />

yr<br />

und ρ sind für ein expan<strong>die</strong>rendes Universum zeitabhängig; ebenso <strong>die</strong> kritische Dichte<br />

ρc = 3H2<br />

8πG = 5 · 10−30 (2h) 2<br />

gcm −3<br />

(2.240)<br />

(2.241)<br />

trotzdem wird, etwas missverständlich, Ho = H(heute) Hubble Konstante genannt (weil sie sich in<br />

den nächsten 10 9 yr nur wenig ändern wird).<br />

Die Aussage ρ = ρc bzw. Ω = 1 ist zeitunabhängig, sonst gilt Ω = Ω(t). Der Beobachtungsbefund, daß<br />

für unser Universum heute Ω(to) ≈ 1 gilt, wird allgemein als Problem angesehen, flatness problem.<br />

Im einfachsten Fall, dem flachen Universum, ist <strong>die</strong> Dichte also gleich der kritischen Dichte und Ω = 1<br />

= const. gilt für alle Zeiten. Das Alter eines solchen Universums beträgt:<br />

tU = 2<br />

3 H−1 o = 2<br />

10 By (2.242)<br />

3ho


180 KAPITEL 2. GRAVITATION<br />

Wenn man also bereits weiß, daß das Universum flach ist ( z. B. aus einer Theorie wie der Inflationstheorie),<br />

dann benötigt man nur eine einzige Messung, um das Universum auszumessen. Die heutigen<br />

Beobachtungen lassen sich mit <strong>die</strong>sem einfachsten Einstein - de Sitter Universum nicht mehr<br />

beschreiben. Benötigt wird neben Dunkelmaterie (Anteil Ωm, Zustandsgleichung p = 0) auch noch<br />

Vakuumenergie (Anteil ΩΛ, Zustandsgleichung p = −ɛ).<br />

Die Beobachtungen ergaben 1994 für h folgende Werte:<br />

h = 0.82 ± 0.17 an Cepheiden im Virgo Haufen.<br />

h = 0.67 ± 0.07 an Typ I Supernovae<br />

h = 0.7 ± 0.15 Mittelwert<br />

Der endgültige Wert des HST key projects (2001) ist h = 0.73±0.1, bestimmt an Cepheiden des Virgo<br />

Haufens. Damit erhält man Mv = −19.6 für Supernovae des Typs Ia oder L = 10 10 L⊙. Wie wir später<br />

genauer erläutern, kann man aus der scheinbaren Helligkeit mv als Funktion der Rotverschiebung z<br />

dann <strong>die</strong> Parameter Ωm für <strong>die</strong> Dunkelmaterie und ΩΛ für <strong>die</strong> Vakuumenergie bestimmen. Das Ergebnis<br />

lautet Ωm = 0.3 und ΩΛ = 0.7. Das Universum fliegt hiernach beschleunigt auseinander.<br />

Falls Dunkelmaterie wirklich <strong>die</strong> Zustandsgleichung p = 0 befolgt, dann hat baryonische Materie<br />

in unserem Kosmos dynamisch nie eine Rolle gespielt (wie <strong>die</strong> Massendichte der Photonen bis zur<br />

Rekombination). Die Struktur unseres Universums wurde bestimmt durch Materie, deren Herkunft<br />

und Eigenschaften im wahrsten Sinne im Dunkeln liegen (vergleichbar etwa der Situation zur Zeit von<br />

Helmholtz, Kelvin und Emden, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Physik der Sonne beschreiben wollten).<br />

Die Massendichte der Photonen<br />

Photonen sind Bosonen und werden durch das relle Maxwell Feld beschrieben. Thermische Photonen<br />

gehorchen einer Planckverteilung. Neben Photonen gibt es im Universum als Relikt der heißen Phase<br />

noch (thermische) Neutrinos, welche aber (noch nicht) nachgewiesen sind.<br />

• ANMERKUNG (EIGENSCHAFTEN DER PHOTONEN)<br />

Hier eine Zusammenstellung von Eigenschaften, wie sie aus der Planckverteilung folgen.<br />

Statistisches Gewicht gγ = 2.<br />

Die Temperatur der Hintergrundstrahlung ist Tbb = 2.735K (gemessen).<br />

Maximum der Intensität Iλ liegt bei der Wellenlänge 2 mm.<br />

Die Photonen - Zahldichte nγ, (Bose - Einstein - Verteilung)<br />

� �3 T<br />

nγ ≈ 420<br />

2.735K<br />

< Eγ > , mittlere Energie pro Photon<br />

< Eγ > ≈ 2.7kT ≈ 6 · 10 −4<br />

< ργ > , mittlere Massen-Energiedichte<br />

1<br />

c 2 < ργ > = 4.5 · 10 −34<br />

cm −3 (2.243)<br />

eV (2.244)<br />

g cm −3 = 0.25 eV cm −3<br />

für das Verhältnis der Energiedichten (Photonen plus Neutrinos) folgt heute<br />

θm =<br />

g∗aBT 4<br />

2ρmc 2 = 1.6 · 10−4 [Ω −1 (2h) −2 ] (2.245)


2.4. DIE MASSE DES KOSMOS 181<br />

mit dem effektiven statistischen Gewicht (für alle masselosen Felder zusammen)<br />

�<br />

g∗ = 2 1 + 7<br />

� � �<br />

4/3<br />

4<br />

× 2 × 3 ×<br />

= 3.36 (2.246)<br />

16 11<br />

wobei für <strong>die</strong> Photonen allein<br />

gilt.<br />

˜θm =<br />

aBT 4<br />

ρmc 2 = 0.9 · 10−4 [Ω −1 (2h) −2 ] (2.247)<br />

Der Energiedichte der Photonen, ɛγ = aBT 4 , entspricht in der ART eine Massendichte<br />

ργ = aB 4<br />

T<br />

c2 welche gravitierend wirkt. Das Verhältnis θm zur Baryonenmassendichte, ρm, ist eine dimensionslose<br />

Zahl. Es gilt<br />

ργ = (1 + z) 4 ργ(to) und ρm = (1 + z) 3 ρm(to)<br />

und wir sehen, daß θm zeitabhängig ist.<br />

θm = (1 + z)θm(to)<br />

Es gilt heute für Photonen plus Neutrinos<br />

θm =<br />

g∗aBT 4<br />

2ρmc 2 = 1.6 · 10−4 [Ω −1 (2h) −2 ] (2.248)<br />

mit To = 2.7K und mit dem effektiven statistischen Gewicht (für alle masselosen Felder zusammen)<br />

�<br />

g∗ = 2 1 + 7<br />

� �4/3 4<br />

× 2 × 3 ×<br />

16 11<br />

�<br />

= 3.36 (2.249)<br />

Bei<br />

1 + z = 5 · 10 3 [Ω(2h) 2 ] oder T = 5 · 10 3 To[Ω(2h) 2 ] K<br />

ist <strong>die</strong> Energiedichte der Photonen und aller Neutrinos gleich der der Baryonen. Mit Ω = 0.2 und<br />

To = 2.7K ist das bei einer Temperatur von 2700 K, etwa <strong>die</strong> Temperatur der Rekombination von H.<br />

Das Verhältnis der Anzahldichten, nb und nγ, ist ebenfalls eine dimensionslose Zahl, ˜s, <strong>die</strong> Entropie<br />

pro Baryon.<br />

˜s = nγ<br />

nb<br />

= 1.4 · 10 8 [Ω −1 (2h) −2 ] (2.250)<br />

Sie ist konstant, und stellt demnach für unseren Kosmos eine Anfangsbedingung dar: sie kann nicht<br />

erklärt werden. Im folgenden wollen wir <strong>die</strong>se mit ihrem Kehrwert parametrisieren<br />

η = nb<br />

nγ<br />

= 8 · 10 −9 [Ω(2h) 2 ] (2.251)<br />

Der hohe Wert der Entropie bewirkt, daß der Beitrag, den etwa Staubwolken und Sternenlicht dazu<br />

liefern können, gering ist.<br />

Bis zu Photonen Energien von einigen GeV (mpc 2 = 1 GeV) sind <strong>die</strong> Baryonen nichtrelativistisch. Aus<br />

der Erhaltung der Baryonen- Nb = R 3 nb und der Photonenzahl Nγ = R 3 nγ während der Expansion<br />

ziehen wir nun zwei wichtige Schlüsse:


182 KAPITEL 2. GRAVITATION<br />

1. RT = const = RoTo:<br />

T = To(1 + z)<br />

2. <strong>die</strong> Zustandsgleichung<br />

� �3 �<br />

Ro<br />

ρ = ρo 1 + θm(o)<br />

R<br />

Ro<br />

�<br />

R<br />

(2.252)<br />

Der Grund für <strong>die</strong>ses fundamental unterschiedliche Verhalten, auf dem <strong>die</strong> Physik des heißen Urknalls<br />

beruht, ist <strong>die</strong> Zustandsgleichung: Baryonen haben p = 0, sodaß<br />

dE = −pdV = 0 → ρm = ρm(0)<br />

� �3<br />

Ro<br />

R<br />

sie leisten also keine Arbeit am Kosmos; Photonen (selbst wenn sie nicht thermisch sind, isotrop<br />

genügt) haben 3p = ɛ und damit gilt<br />

dE = −pdV = − E<br />

3V dV → ργ = ργ(0)<br />

� �4<br />

Ro<br />

R<br />

Was heute nur eine unbedeutende Störung ist, war einmal der Hauptbeitrag, vorausgesetzt, <strong>die</strong> Photonen<br />

sind nicht später erzeugt worden. Niemandem ist dazu eine überzeugende Methode eingefallen<br />

(wegen der hohen Entropie, nicht aus energetischen Gründen).<br />

Dunkelmaterie<br />

• ANMERKUNG (ZUR ERINNERUNG)<br />

Folgende Daten über unsere Galaxis, <strong>die</strong> sich auf den Umlauf der Sonne um das Galaktische Zentrum beziehen:<br />

Kreisfrequenz Ω bzw. Periode P<br />

Ω = 8.08 · 10 −16 s −1<br />

Radius der Umlaufbahn<br />

R = 8 kpc, (2.46 · 10 22<br />

bzw. P = 2π<br />

Ω<br />

cm)<br />

v Geschwindigkeit vesc : Entweichgeschwindigkeit<br />

= 250 Myr<br />

v = 220 km s −1 vesc = 310 km s −1<br />

M Masse in M⊙, (M⊙ = 1.989 · 10 33 g) innerhalb der Umlaufbahn<br />

M = 10 11 M⊙ Ω 2 R 3<br />

mittlere Massendichte ρ ≈ 0.1M⊙ pc −3 (≈ 10 −23 cm −3 ).<br />

<strong>Teil</strong>chendichte, gesamt: n ≈ 10 cm −3 , 90% in Sternen konzentriert plus 10% Gasanteil (HI, H2), davon etwa 3% ionisiert<br />

(HII): ne ≈ 0.03 cm −3 .<br />

Die Umlaufzeit der Sonne um das Galaktische Zentrum beträgt 250 Myr bei einer Entfernung von 8<br />

kpc und es gilt, falls wir annehmen, daß <strong>die</strong> meiste Masse innerhalb der Umlaufbahn liegt (Kepler III)<br />

P = (4π 2 /GM)R 3/2 = 250(R/8kpc) 3/2 Myr (2.253)<br />

Selbst in einer Entfernung von 40 kpc vom gal. Zentrum (Halo) ist <strong>die</strong> Bewegung noch vollständig<br />

virialisiert (P ≈ 3 · 10 9 yr). Die Geschwindigkeit weit außerhalb liegender Sterne (oder Haufen) sollte,<br />

falls <strong>die</strong> Masse mit den leuchtenden Sternen zusammenfällt, wie<br />

v = ΩR = (GM/R) 1/2


2.4. DIE MASSE DES KOSMOS 183<br />

abfallen: was man dagegen beobachtet ist v ≈ const. Das wird allgemein so gedeutet, daß noch Materie<br />

vorhanden ist, <strong>die</strong> man zwar nicht leuchten sieht, <strong>die</strong> aber gravitiert. Die dazugehörende Masse wächst<br />

wie der Radius, <strong>die</strong> Dichte fällt ab wie R −2 .<br />

Untersucht hat man dazu neben der Bewegung von Cepheiden und Sternhaufen (bis R = 35 kpc)<br />

neuerdings auch CO Wolken (R = 18 kpc) und <strong>die</strong> Maghellanschen Wolken LMC (R = 50 kpc) und<br />

SMC (R = 57 kpc). Die Gesamtmasse beträgt dann im Halo (bis R = 100 kpc) mehr als 10 12 M⊙.<br />

Im Rahmen der Genauigkeit <strong>die</strong>ser Messungen ist <strong>die</strong> Dunkelmaterie kugelförmig verteilt. Woraus<br />

besteht sie?<br />

Geht man über zur nächst größeren Entfernungseinheit, der Dimension der Haufen von Galaxien,<br />

D ≈ 20 Mpc, so findet man, völlig unerwartet, ein heißes, thermisches Gas, welches über seine<br />

Röntgenstrahlung nachgewiesen wird. Der Beitrag, den <strong>die</strong>se Gas zur Dunkelmaterie liefert, beträgt<br />

etwa 10%, seine Längenskala reicht über <strong>die</strong> der Dunkelmaterie hinaus.<br />

Fassen wir zusammen: wir haben eine Hierarchie von Skalen und dazugehörenden Massen: der Dichte<br />

Beitrag bezieht sich auf <strong>die</strong> kritische Dichte und <strong>die</strong> Skala 3000 Mpc (= 3Gpc = Radius des Universums).<br />

Materieverteilung<br />

Objekt Längen Dichte<br />

Skala Beitrag<br />

Photonen 3 Gpc 10 −4<br />

Galaxien (Sterne) 20 kpc 10 −3<br />

Haufen (heißes Gas) 50 Mpc 10 −2<br />

Dunkelmaterie 20 Mpc 10 −1<br />

Falls also nicht noch weitere Materie (auf noch größeren Skalen) gefunden wird, leben wir in einem<br />

offenen Universum, k = −1, das sich für alle Zeiten ausdehnen wird.<br />

Vakuumenergie<br />

Da in der ART alles, was Energie hat, gravitierend wirkt, auch das Vakuum, ist der Energienullpunkt<br />

nicht mehr willkürlich, er ist absolut. Da es sich aber bei der ART um eine klassische, d.h. nicht quantisierte<br />

Theorie handelt, ist es nicht klar, wie Quantenfelder mit ihrer Nullpunktsenergie einzubeziehen<br />

sind. Lokal folgt aus Invarianz unter Lorentz Transformation, daß der Energie-Impulstensor des Vakuums<br />

proportional zur Metrik sein muß.<br />

• ANMERKUNG (HERLEITUNG AUS DER LAGRANGE-FUNKTION)<br />

Phänomenologisch kann man einen kosmologischen Term, Λv, zu den Einsteinschen Gleichungen hinzufügen, ohne <strong>die</strong><br />

Konsistenz (wohl aber den physikalischen Gehalt) der Gleichungen zu zerstören.<br />

Tatsächlich kann man zum Ricci Skalar in der Lagrange-Funktion noch eine kosmologische Konstante Λv ad<strong>die</strong>ren<br />

Sv = − 1<br />

ˆκ<br />

�<br />

√ dΩ<br />

Λv −g<br />

c<br />

um den Energie-Impulstensor des Vakuums zu erhalten:<br />

Tab = 1<br />

ˆκ Λvgab<br />

(2.254)<br />

(2.255)<br />

Die Gleichungen der ART lauten dann ( ′ Ableitung nach ct)<br />

� � ′ 2 � �2 a 1<br />

3 + 3k<br />

a a<br />

2<br />

= ˆκ(ɛ + ɛv) (2.256)<br />

a′′<br />

a +<br />

� � ′ 2 � �2 a 1<br />

+ k<br />

a a<br />

= −ˆκ(p − ɛv) (2.257)


184 KAPITEL 2. GRAVITATION<br />

oder umgeformt<br />

(a ′ ) 2 = −k + ˆκ<br />

2<br />

(ɛ + ɛv)a<br />

3<br />

(2.258)<br />

a ′′ = − ˆκ<br />

6 (ɛ + 3p − 2ɛv)a (2.259)<br />

Notwendig für eine statische Lösung mit p = 0 ist k = 1, also ein geschlossener Raum (endliches Volumen) mit Radius a.<br />

Es gilt ɛ = 2ɛv oder<br />

κρ<br />

2 = ΛE = 1<br />

a 2<br />

wobei wir jetzt als Index E für Einstein geschrieben haben.<br />

(2.260)<br />

Diesen Energie-Impulstensor des Vakuums kann man nicht leicht interpretieren. Seine Zustandsgleichung<br />

ist p = −ɛ und <strong>die</strong> Energiedichte des Vakuums ist gegeben durch<br />

ɛv = 1<br />

ˆκ Λv<br />

Diese Zustandsgleichung verlangt, daß entweder <strong>die</strong> Energiedichte negativ ist oder aber der Druck.<br />

Diskutiert wird heute ein Term positiver Energiedichte (negativer Druck).<br />

Der Energiesatz liefert<br />

(2.261)<br />

(Λa 3 ) ′ = Λ(a 3 ) ′ → Λ = const (2.262)<br />

d. h. obwohl das Universum expan<strong>die</strong>rt, bleibt seine (Vakuum) Energiedichte konstant.<br />

• ANMERKUNG (ANTIGRAVITATION)<br />

Wie das möglich ist, daß <strong>die</strong> Energiedichte bei beschleunigter Expansion konstant bleibt: der negative Druck liefert <strong>die</strong><br />

dazu notwendige Arbeit. Münchhausen läßt grüßen.


Kapitel 3<br />

Kernphysik: Altersbestimmung<br />

3.1 Einleitung<br />

Die klassische Altersbestimmung von Objekten in unserem Universum beruht auf der Bestimmung<br />

radioaktiver Zerfallszeiten von Elementen jenseits von Eisen und der Erzeugung <strong>die</strong>ser Elemente in<br />

Supernovae.<br />

• DEFINITION (HALBWERTSZEIT UND ZERFALLSZEIT)<br />

Wichtige Beispiele kurzlebiger Isotope in der Geo- bzw. <strong>Astrophysik</strong> sind:<br />

Daten zu kurzlebigen Isotopen<br />

Element t 1/2 τ<br />

Neutron 623.7 s 900 s<br />

56 Co 77 d 111 d<br />

Tritium 12.46 yr<br />

44 Ti 90 yr<br />

Daten zu kurzlebigen Isotopen<br />

Element t 1/2 τ<br />

14 C 5.568 kyr<br />

26 Al 0.770 Myr 1.1 Myr<br />

10 Be 2.6 Myr<br />

97 Tc 1.8 Myr 2.6 Myr<br />

Tritium und 14 C entstehen in der Erdatmosphäre durch sekundäre <strong>Teil</strong>chen in einem Schauer, der durch ein primäres CR-<br />

<strong>Teil</strong>chen ausgelöst wurde. In 1000 km Höhe besteht <strong>die</strong> harte Komponente der Sekundärstrahlung zur Hälfte aus Neutronen,<br />

<strong>die</strong> andere aus Protonen. Ähnliche Schauer gibt es beim Durchgang durch Molekülwolken. Direkt nachweisbar ist dort <strong>die</strong><br />

π 0 -Komponente über ihre harte Gamma Strahlung.<br />

Technetium, Z = 43, hat überhaupt kein stabiles Isotop, dennoch kommt es in den Photosphären bestimmter<br />

Sterne vor.<br />

Bei einem Zerfallsgesetz der Form<br />

N(t) = No e −λt mit τ = 1<br />

λ<br />

heißt λ Zerfallskonstante und <strong>die</strong> Inverse dazu, τ, heißt Zerfallszeit (engl. e-folding time). Die ebenfalls gebräuchliche<br />

Halbwertszeit, N(t 1/2) = No/2, (auch mittlere Lebensdauer genannt) ist dann<br />

t 1/2 = τ ln2 ; ln2 = 0.693 (3.2)<br />

Die Bedeutung eines Zerfallsgesetzes obiger Form liegt darin, daß <strong>die</strong> Zerfallsrate A proportional zur vorhandenen Menge<br />

N ist:<br />

A = − ˙ N = λN (3.3)<br />

In der Kernphysik heißt A Aktivität (beim Kernzerfall). Die Einheit ist Bequerel (Bq) bzw. Curie (Ci)<br />

1Bq = 1s −1 und 1Ci = 3.7 · 10 10 Bq (3.4)<br />

185<br />

(3.1)


186 KAPITEL 3. KERNPHYSIK: ALTERSBESTIMMUNG<br />

Die Umkehrung des Kernzerfalls ist <strong>die</strong> Kernfusion. Dies führt auf <strong>die</strong> Möglichkeit, <strong>die</strong> Alter der<br />

Sterne anhand berechneter Sternentwicklungszeiten, <strong>die</strong> durch ihre Position im Hertzsprung-Russel-<br />

Diagramm abgelesen werden können, zu bestimmen. Ein Stern wie <strong>die</strong> Sonne benötigt etwa 10 Gyr<br />

zum Kernbrennen (auf der Hauptreihe), <strong>die</strong> massivsten Sterne dagegen nur wenige Myr.<br />

Neben der Bildung (der Protosterne, heute vornehmlich in Molekülwolken) und der Entwicklung der<br />

Sterne (nachdem sie ihre Mutterwolke verlassen haben) kann man ihre Kinematik bzw. Dynamik heranziehen,<br />

dynamische Alter zu bestimmen. Für junge Objekte ist ihre Entfernung von der galaktischen<br />

Ebene ein Maß für das Alter (bei bekannter Eigengeschwindigkeit).<br />

Weiße Zwerge, <strong>die</strong> ihr Kernbrennen beendet haben, können nur noch abkühlen. Hier kann <strong>die</strong> Temperatur<br />

des Sterns als Altersindikator benutzt werden (da spezifische Wärme und Temperaturleitfähigkeit<br />

berechnet werden können). Eine vollkommen neue Methode beruht auf der Möglichkeit, das Alter bestimmter<br />

Millisekunden Pulsare aus ihrem Abbrems- bzw. Akkretionsverhalten direkt zu bestimmen,<br />

insbesondere wenn sie Begleiter bekannten Alters besitzen.<br />

3.2 Problembestimmung<br />

Neben den Fragen, wie groß (Länge) und wie schwer (Masse) das Universum ist und woraus es besteht,<br />

ist <strong>die</strong> zentrale Frage: wie alt ist der Kosmos. Die tiefer liegende Frage, was Zeit ist, kann damit<br />

natürlich nicht beantwortet werden. Raum und Zeit sind empirische Gegebenheiten.<br />

• ANMERKUNG (DIE DEFINITION VON ZEIT IM KOSMOS)<br />

Für Newton waren Raum (drei dimensional, Euklidisch) und Zeit (eindimensional) absolut. Der Eimerversuch zeigt <strong>die</strong>s:<br />

beschleunigte Bewegung (in <strong>die</strong>sem Fall <strong>die</strong> Rotation des Eimers und <strong>die</strong> aus der Rotation folgende Krümmung seiner<br />

Oberfläche) ist relativ zu den Fixsternen (Mach) zu definieren. Eine Uhr wird durch <strong>die</strong> Rotation der Erde (oder durch ein<br />

Pendel) realisiert.<br />

Für den pragmatischen Physiker mag <strong>die</strong> Entdeckung des Atoms (mit seinem Kern) oder <strong>die</strong> Expansion des Universums<br />

(mit seinem Urknall) <strong>die</strong> bedeutendste Leistung des 20ten Jahrhunderts sein. Für den Philosophen ist <strong>die</strong>s jedoch <strong>die</strong><br />

Vereinigung von Raum und Zeit zur vier dimensionalen Raumzeit. Diese selbst folgt notwendig, wie Einstein gezeigt hat,<br />

aus dem Kausalitätsprinzip.<br />

Allerdings gilt auch hier: Erst ein mit Energie und Materie angefüllter Raum (Kosmos) liefert ein natürliches Bezugsystem.<br />

Und zwar dasjenige System, in dem <strong>die</strong> Materie im Mittel ruht. Zeit ist dann das, was von mitbewegten Beobachtern mit<br />

Atomuhren gemessen wird; d. h. gleich-zeitig und gleich-ortig bezieht sich auf <strong>die</strong>ses Bezugsystem. Wie eine Atomuhr sich<br />

in einer solchen Raumzeit verhält, kann mithilfe der Dirac Gleichung (über das Kovarianzprinzip) beschrieben werden.<br />

Das Universum selbst kann dabei zyklisch oder zeitgerichtet sein. Es kann mit und ohne Anfang, singulär oder regulär<br />

sein. Diese Anschauungen haben ihre Entsprechung in Religion und Mythos. Etwa in der christlichen Religion, wo es eine<br />

Entwicklung vom Guten (Para<strong>die</strong>s) zum Bösen (Apokalypse) gibt. Im Buddhismus ist das Universum (und das Leben)<br />

zyklisch.<br />

Bei der wissenschaftlich fun<strong>die</strong>rten Beantwortung <strong>die</strong>ser Frage spielt <strong>die</strong> Kernphysik <strong>die</strong> entscheidende<br />

Rolle. Sie (<strong>die</strong> Kernphysik) wird benötigt zur Beschreibung der Fusionsprozesse im Innern von Sternen<br />

und zur Bestimmung der radioaktiven Zerfallszeiten der dort erzeugten Elemente. Da bereits im frühen<br />

Kosmos <strong>die</strong> leichtesten Elemente erzeugt wurden, geht <strong>die</strong> Kernphysik auch hier direkt ein (Helium<br />

Häufigkeit).<br />

Von den mehr als 1000 bekannten Atomkernen (<strong>die</strong> genaue Zahl wächst langsam aber stetig aufgrund<br />

künstlich erzeugter Kerne) sind 268 Kerne stabil. Die restlichen Kerne zerfallen, manchmal in einer<br />

ganzen Kette von weiteren radioaktiven Elementen. Unter den natürlichen ∗ Atomkernen spielt Technetium,<br />

(Z = 43), eine besondere Rolle (in Bezug auf <strong>die</strong> Kernkräfte): es besitzt überhaupt kein stabiles<br />

Isotop, kann also nur künstlich erzeugt werden (daher der Name).<br />

∗ Zur Bezeichnung:<br />

natürlich = auf der Erde vorkommend; künstlich = nur im Labor durch Kernreaktionen herstellbar.


3.2. PROBLEMBESTIMMUNG 187<br />

Die Bestimmung radioaktiver Zerfallszeiten (und der dazu gehörenden Zerfallsketten) ist eine der grossen<br />

Errungenschaften der Physik des 20ten Jahrhunderts. Die messbaren Zerfallszeiten reichen von<br />

10 −21 s bis 10 15 yr.<br />

Die experimentelle Methode geht auf Rutherford (1900) zurück, <strong>die</strong> theoretische Erklärung auf Gamow<br />

(Tunneleffekt). Geordnet nach der Stärke der involvierten Wechselwirkung kennt man folgende<br />

Zerfälle, wobei <strong>die</strong> Notation<br />

A Xy (a b) B Yz<br />

bedeutet, daß der Kern der Atomzahl A und der Ladung Z = y durch Emission der <strong>Teil</strong>chen a und b<br />

in einen Kern der Atomzahl B und der Ladung Z = z übergeht.<br />

• BEISPIEL (KERNZERFALL)<br />

1. α−Zerfall<br />

Die wichtigsten Halbwertszeiten für Kerne mit α−Zerfall liegen zwischen 10 9 a (Vorkommen auf der Erde) und<br />

10 12 a (Intensität der Strahlung); Kerne mit 10 15 a Halbwertszeit kann man noch nachweisen.<br />

A Xy (α) A−4 Yy−2 Beispiel<br />

224 Ra88 (α) 220 Rn86<br />

Neben dem α−Zerfall gibt es auch den Protonenzerfall, den wir bei den Fusionsreaktionen in Sternen behandeln<br />

werden.<br />

2. n−Zerfall<br />

Die Halbwertszeiten für <strong>die</strong> Neutronenemission sind extrem kurz: zwischen 10 −21 s und 10 −12 s.<br />

A Xy (n) A−1 Yy Beispiel<br />

5 He2 (n) 4 He2<br />

3. Kernspaltung<br />

Die berühmte Kernspaltungsreaktion von Uran 235 lautet (Hahn u. Strassmann, 1938)<br />

⎧<br />

⎨<br />

235 U92 (n) 236 U92 →<br />

⎩<br />

140 Cs55 (2n) 94 Rb37<br />

144 Ba56 (3n) 89 Kr36<br />

143 La57 (3n) 90 Br35<br />

Bei <strong>die</strong>ser Spaltung werden etwa 200 MeV freigesetzt (exotherme Reaktion), im Mittel werden 2.47 Neutronen<br />

emittiert. Um daraus einen Reaktor (bzw. <strong>die</strong> Atom Bombe) zu bauen, muß der Wirkungsquerschnitt für <strong>die</strong> Kernspaltungsreaktion<br />

von Uran 235 bekannt sein. Umgerechnet ergeben sich 20 kg als kritische Masse.<br />

4. γ−Zerfall<br />

Es handelt sich genauer um Abregung eines angeregten Zustandes mithilfe der elektromagnetischen Wechselwirkung.<br />

X ∗ (γ) X Beispiel<br />

7 Li3<br />

5. β−Zerfall<br />

Neben dem α−Zerfall ist <strong>die</strong>s der astrophysikalisch wichtigste Zerfall. Hier ist <strong>die</strong> schwache Wechselwirkung ist<br />

involviert, deshalb sind <strong>die</strong> Zerfallszeiten astronomisch lang.<br />

A Xy (β − ¯νe) A Yy+1 Beispiel<br />

87 Rb37 (β − ¯νe) 87 Kr36<br />

Eine Liste von Isotopen mit ihren Halbwertszeiten, <strong>die</strong> für <strong>die</strong> Kosmologie von Interesse sind, haben wir am Anfang des<br />

Kapitels in Tabelle (3.1) gegeben.<br />

Bei der Anwendung der Kernphysik auf astronomische Objekte wollen wir zunächst eine grobe Einteilung<br />

in 3 Fragenkomplexe vornehmen:<br />

1. Das Alter der Sonne und der Planeten<br />

Die genaueste Methode der Altersbestimmung astronomischer Objekte im Sonnensystem, <strong>die</strong><br />

uns direkt zugänglich sind (Erde, Kometen, Meteore) ist der radioaktive Zerfall ausgewählter<br />

Elemente. Die Tabelle (3.1) enthält <strong>die</strong> wichtigsten, bis auf Kalium (mit Z = 19 und A = 40)<br />

können alle <strong>die</strong>se Elemente (da sie jenseits von Fe liegen) nur in einer Supernova erzeugt worden<br />

sein. Kennt man <strong>die</strong> relativen Häufigkeiten der radioaktiven Elemente bei ihrer Erzeugung, dann<br />

kann man das Alter seit ihrer Erzeugung bestimmen.


188 KAPITEL 3. KERNPHYSIK: ALTERSBESTIMMUNG<br />

2. Das Alter der Galaxis<br />

Sterne sind nukleare Fusionsreaktoren, umgeben von einem riesigen Schutzmantel aus H und He.<br />

Die Bestimmung der Sternentwicklungszeit der Hauptreihensterne geschieht ebenfalls im Rahmen<br />

der Kernphysik, allerdings unter Einbeziehung der schwachen Wechselwirkung. Daneben<br />

kann man <strong>die</strong> chemische Entwicklung von Kugelsternhaufen (das sind <strong>die</strong> ältesten Mitglieder im<br />

Kosmos überhaupt) bis herunter zu Sternassoziationen und Molekülwolken (den jüngsten astronomischen<br />

Objekten) zur Bestimmung eines Alters heranziehen. Da alle schweren Elemente<br />

(jenseits von He) nur in Sternen erzeugt worden sind, spielt <strong>die</strong> Kernphysik wieder <strong>die</strong> entscheidende<br />

Rolle: <strong>die</strong>smal bei der Bestimmung der relativen Häufigkeiten der Elemente. Insgesamt<br />

hat man es mit nahezu einem Kontinuum an Altern zu tun: eine Klasse schließt an <strong>die</strong> andere an.<br />

3. Das Alter des Kosmos<br />

Direkt kann das Alter des Kosmos nur aus der Expansionsgeschwindigkeit (mithilfe der Theorie,<br />

also des Hubble - Gesetzes) bestimmt werden, <strong>die</strong> Kernphysik liefert dazu allerdings noch eine<br />

wesentliche Einschränkung an <strong>die</strong> möglichen Modelle.<br />

Denn auch unser Kosmos war einmal ein nuklearer Fusionsreaktor. Im heißen Urknall, der aus<br />

allen wirklich fundamentalen <strong>Teil</strong>chen (Photonen, Elektronen, Neutrinos und Quarks) bestand,<br />

bildeten sich zunächst beim Abkühlen Protonen und Neutronen. Aus <strong>die</strong>sen sind in einer kurzen<br />

dynamischen Phase hauptsächlich He und einige Spurenelemente wie 3 He und Deuterium,<br />

D, Beryllium, Be, und Litium, Li, fusioniert worden. Die Bestimmung der Fusionszeit liefert<br />

zunächst eine Aussage über <strong>die</strong> Baryonenkomponente und damit (mithilfe der ART plus Theorie)<br />

auch über das Alter des Kosmos direkt. Diese Aussage ist allerdings nicht mehr so stringent<br />

wie früher, da neuerdings <strong>die</strong> Evidenz für Dunkelmaterie und Dunkelenergie einen direkten Zusammenhang<br />

zwischen Alter und baryonischer Materie zerstört.<br />

Die nukleare Altersbestimmung kann auch dazu herangezogen werden, untere Grenzen für das Alter<br />

astronomischer Objekte zu finden. So gibt es Sterne mit Technetium. Weitere bereits (im ISM) nachgewiesene<br />

radioaktive Elemente mit (kosmologisch) kurzer Halbwertszeit sind 44 Ti und 26 Al.<br />

Daneben gibt es noch weitere, unabhängige Methoden (meist dynamischer Art), welche es erlauben,<br />

<strong>die</strong> Güte solcher Altersbestimmungen zu überprüfen.<br />

3.3 Altersbestimmung<br />

3.3.1 Überblick<br />

• ANMERKUNG (MYTHOLOGIE)<br />

Nach der Schöpfungsgeschichte und nach Berechnungen des Bischofs Wilberforth ist das Universum etwa 6000 Jahre alt.<br />

Genauere Rechnungen, nämlich durch Zählen der Stämme Israels, des Erzbischofs J. Ussher im Jahre 1658 ergaben, daß<br />

<strong>die</strong> Welt am 23. Oktober 4004 vor Christi Geburt erschaffen wurde.<br />

Newton kam zu einem anderen Ergebnis, das er aber wohlweislich für sich behielt. Er nahm an, daß <strong>die</strong> Erde im heißen<br />

Zustand gebildet wurde und schätzte <strong>die</strong> Zeit, <strong>die</strong> eine Eisenkugel von der Größe der Erde zum Abkühlen braucht, auf etwa<br />

2 · 10 5 Jahre.<br />

Dabei war es für alle (von Kopernikus über Kepler, Galilei, Newton bis zu Einstein) selbstverständlich, daß das Universum<br />

selbst – und nicht nur das Universum – statisch war: für menschliche Beobachtungszeiten bewegen sich Sterne wirklich<br />

nicht. Die ersten, <strong>die</strong> überhaupt auf <strong>die</strong> Idee kamen, daß eine Evolution über kosmologisch grosse Zeiträume stattgefunden<br />

hat, waren Geologen und Biologen. Die Geologen des 18. und 19. Jahrhunderts ordneten Gestein- und Fossilienfunde in<br />

chronologischer Reihenfolge und kamen auf Zeiten über 100 Myr. Von den Biologen – zuvorderst und am beeindruckendsten<br />

Charles Darwin – stammt <strong>die</strong> Ansicht, daß das Leben der Erde eine stetige Evolution durchgemacht hat, worunter eine<br />

Entwicklung vom Einfachen zum Komlexen zu verstehen ist (nicht vom Bösen zum Guten oder umgekehrt).<br />

Die Inder kamen zu einer anderen Auffassung. Der Buddhismus lehrt, daß das Universum zyklisch ist, mit einer erstaunlich<br />

realistischen Zyklusdauer von einem Kalpa, entsprechend 4.3 · 10 9 Jahre (ein Kalpa = ein Tag des Brahma).


3.3. ALTERSBESTIMMUNG 189<br />

Die Frage nach Inhalt und Alter des Universums läßt sich im Rahmen der bestehenden Physik beantworten, viele andere<br />

Fragen dagegen heute nicht. Dies ist z. B. der Fall für <strong>die</strong> Frage, was vor dem Urknall (Big Bang) war. Sie läßt sich im<br />

Rahmen der klassischen ART nicht beantworten.<br />

Newton war der Erste, dem ein wissenschaftlich fun<strong>die</strong>rter Zugang zum Problem, das Alter der Erde zu<br />

bestimmen, gelang. Darüber hinaus war er der Meinung, daß <strong>die</strong> Bestimmung der Anfangsbedingungen<br />

des Kosmos als ganzem nicht zum Gebiet der Physik gehört.<br />

• ANMERKUNG (DAS ABKÜHLALTER DER ERDE I: NEWTON)<br />

Newton fand, daß ein Körper (z. B. eine heiße Eisenkugel), sich um so schneller abkühlt (durch Konvektion der Luft und<br />

durch Strahlung), desto größer <strong>die</strong> Temperaturdifferenz zwischen Körper T und der umgebenden Luft Tu ist.<br />

Das Newtonsches Abkühlungsgesetz<br />

dT<br />

dt<br />

= −K(T − Tu)<br />

führt auf einen exponentiellen Zeitverlauf<br />

(T − Tu) = 1 − (To − Tu)e −Kt<br />

wobei To <strong>die</strong> Anfangstemperatur ist, ab der <strong>die</strong> Zeit gezählt wird.<br />

Die Konstante K hängt ab u. a. von Beschaffenheit und Größe der Oberfläche, der spezifischen Wärme des Materials (und<br />

vom Volumen). Insbesondere gilt folgendes Skalierungsgesetz für Oberfläche F und Volumen V<br />

τ = 1<br />

K<br />

∝ V<br />

F<br />

∝ R<br />

Schätzt man, wie Newton, daß eine Eisenkugel von 1 cm Radius etwa 10 6 sec zum Erstarren und Abkühlen auf Zimmertemperatur<br />

benötigt, so braucht <strong>die</strong> 7 · 10 8 mal größere Erde etwa 20 · 10 6 Jahre - deutlich mehr als <strong>die</strong> 6000 Jahre der<br />

Genesis.<br />

• ANMERKUNG (DAS ABKÜHLALTER DER ERDE II: HELMHOLTZ UND KELVIN)<br />

Helmholtz und Kelvin schätzten das Abkühlalter der Erde auf 40 Myr (das Doppelte von Newtons Wert) bzw. das Leuchtalter<br />

der Sonne auf 50 Myr. Diese beiden Helmholtz-Kelvin Zeitskalen werden wir noch eingehend betrachten, wir geben<br />

hier vorläufig nur das (empirische) Ergebnis zum Vergleich mit dem von Newton (theoretisch) erhaltenen.<br />

1. Für <strong>die</strong> Abkühlzeit einer Eisenkugel, welche ihre Wärmeenergie E aus der Gravitation bezogen hat und davon<br />

L = ˙ E abstrahlt, lautet das Ergebnis:<br />

τHK = E<br />

L<br />

= GM 2<br />

2RL<br />

Für <strong>die</strong> Erde erhält man, wenn man für L etwa <strong>die</strong> heutige Abstrahlrate, L = 2 · 10 24 erg s −1 nimmt, τHK ≈ 4 · 10 7<br />

Jahre.<br />

2. Für <strong>die</strong> Schrumpfdauer einer Gaskugel, welche ihre Energie E aus der Gravitation bezieht und davon L = ˙ E<br />

abstrahlt, lautet das Ergebnis:<br />

tHK = E<br />

L<br />

= GM 2<br />

2RL<br />

= − R<br />

2 ˙ R<br />

Für <strong>die</strong> Sonne erhält man mit den heutigen Werten für M⊙ = 2 · 10 33 g, R⊙ = 7 · 10 10 cm und L⊙ = 4 · 10 33 erg<br />

s −1 etwa tHK ≈ 3 · 10 7 Jahre.<br />

Den entscheidenden Durchbruch bei der Altersbestimmung erzielte Rutherford (1900) mit seiner Messung<br />

radioaktiver Zerfallszeiten, <strong>die</strong> Entdeckung der Radioaktivität selbst geht auf Becquerel (1896);<br />

ihre Erklärung auf Marie Curie zurück.<br />

Stetige Verbesserung in der Bestimmung radioaktiver Zerfallszeiten, führten dann zu immer längeren<br />

Altern: um 1930 war man bei 2 Gyr angekommen, ein Alter, welches auch noch mit Hubbles Weltalter<br />

übereinstimmte. Das Alter der Sonne erklärte Kelvin damit, daß <strong>die</strong>se durch Akkretion (von Planeten)<br />

am Leuchten gehalten wird. Damit war ein scheinbar konstistentes Modell des Kosmos seitens der<br />

<strong>Astrophysik</strong> erreicht: nur <strong>die</strong> Geologen widersprachen damals, und das zu recht.<br />

Moderne Methoden benutzen den radioaktiven Zerfall langlebiger Atomkerne (Laborphysik), Sternentwicklungszeiten<br />

(theoretische <strong>Astrophysik</strong>) und <strong>die</strong> Expansion des Universums (theoretische Physik,<br />

Kosmologie).<br />

(3.5)<br />

(3.6)


190 KAPITEL 3. KERNPHYSIK: ALTERSBESTIMMUNG<br />

3.3.2 Halbwertszeit radioaktiver Elemente<br />

Langlebige Atomkerne<br />

Radioaktive Kerne zerfallen (statistisch) nach dem Gesetz<br />

N(t) = N0 e −(t/τ)<br />

wobei N <strong>die</strong> Anzahl der Kerne ist. Die Halbwertszeit (auch mittlere Lebensdauer genannt) bzw. Zerfallszeit<br />

τ<br />

t1/2 = τ ln2 = 0.693τ (3.8)<br />

der folgenden Isotope ist für <strong>die</strong> Kosmologie von besonderem Interesse.<br />

Die Halbwertszeit radioaktiver Elemente wird in einfachster Näherung bestimmt von der Höhe der<br />

Coulomb Potentialbarriere beim Tunneleffekt und von der<br />

Stärke der Wechselwirkung.<br />

In der nebenstehenden Tabelle ist <strong>die</strong> Halbwertszeit, t1/2 in<br />

Gyr, für <strong>die</strong> in der <strong>Astrophysik</strong> wichtigsten Zerfallsprozesse<br />

in der Form<br />

Mutter-Element → Tochter-Element<br />

angegeben. Beim β − − Zerfall wird im Atomkern ein Neutron<br />

in ein Proton vermittels der schwachen Wechselwirkung<br />

umgewandelt, der α− Zerfall hat den Faktor Z 2 = 4<br />

in der Tunnelwahrscheinlichkeit.<br />

(3.7)<br />

Halbwertszeit (in Gyr) radioaktiver Elemente<br />

A Mutter → A Tochter t 1/2<br />

87 Rb β − 87 Sr 49.8<br />

187 Re β − 187 Os 42.9<br />

232 Th α 208 Pb 13.9<br />

238 U α 206 Pb 4.5<br />

40 K β − 40 Ar 1.3<br />

235 U α 207 Pb 0.7<br />

Drei interessante Beispiele für den α− Zerfall sind:<br />

Tab. 3.1: Halbwertszeiten<br />

212Po mit t1/2 = 3 · 10−6 s, Energie 8.78 MeV; 224Ra mit t1/2 = 3 d, Energie 5.69 MeV und 144Nd mit<br />

t1/2 = 6 · 1012 yr, Energie 1.83 MeV.<br />

Der Vollständigkeit halber geben wir auch ein Beispiel für den β + − Zerfall: 13N mit τ = 9.96 Minuten.<br />

Für das Zeitintervall zwischen Produktion (Index i) und Beobachtung (Index f) gilt für das relative<br />

Verhältnis [R] zweier radioaktiver Elemente mit Indizes 1 und 2<br />

∆t = ln[R]i − ln[R]f<br />

τ −1<br />

1 − τ −1<br />

2<br />

Als Beispiel nehmen wir das Verhältnis der beiden Uranisotope 235 U und 238 U. Kernphysikalische<br />

Rechnungenergeben, daß in einer Supernova <strong>die</strong> beiden Isotope von Uran im Verhältnis [ 235 U/ 238 U] �<br />

1.7 erzeugt werden, während dafür auf der Erde der Wert 0.00723 gefunden wird. Das liefert eine<br />

Zerfallszeit von ∆t � 6.6 Gyr. Die schweren Elemente im Sonnensystem stammen also aus einer Zeit,<br />

<strong>die</strong> mindestens 7 Milliarden Jahre zurückliegt.<br />

Nimmt man an, daß in einer Supernova stets das gleiche Verhältnis von Radioisotopen erzeugt wird,<br />

dann kann man aus der Streuung der Häufigkeiten der beobachteten Endprodukte auf ein Erzeugungsalter<br />

(der Galaxie) schließen. Ad<strong>die</strong>rt man noch das Zerfallsalter hinzu, so erhält man als Ergebnis für<br />

das Alter der Galaxie mithilfe von Radioisotopen<br />

12.6 Gyr < tg < 19.6 Gyr<br />

Es ist eine bemerkenswerte Eigenschaft der Kernkräfte, daß es gerade <strong>die</strong> Isotope mit den richtigen<br />

Zerfallszeiten gibt, um das Alter des Universums zu bestimmen und eine Besonderheit der Sternentwicklung<br />

(Supernova), daß sie auch in ausreichendem Masse erzeugt werden. Da es auch Kerne mit<br />

noch viel größeren Halbwertszeiten gibt (Indium mit Z = 49 und A = 115 hat τ � 10 14 yr), hat man<br />

damit auch noch eine obere Schranke für das Alter des Universums.


3.3. ALTERSBESTIMMUNG 191<br />

• ANMERKUNG<br />

Die ersten Rechnungen (1957) von B 2 FH sind mittlerweile (1983) revi<strong>die</strong>rt worden mit dem Ergebnis, daß [ 235 U/ 238 U] �<br />

1.1. Es handelt sich um theoretische Rechnungen, den sog. r-Prozeß, wobei <strong>die</strong> Eigenschaften irdischer Kerne extrapoliert<br />

werden müßen auf <strong>die</strong> Verhältnisse einer Supernova (Explosion eines Neutronensterns). Nur hier können Elemente jenseits<br />

von Fe gekocht werden.<br />

Kurzlebige Atomkerne<br />

Wir kommen nun zu einigen Besonderheiten, <strong>die</strong> es sogar erlauben, eine untere Schranke für das Alter<br />

astrophysikalischer Objekte oder Prozesse zu bestimmen. Astronomisch junge Objekte sind (neben den<br />

besonders alten) ebenfalls von beträchtlichem Interesse, da sie es erlauben, <strong>die</strong> Theorie der Erzeugung<br />

(Kernphysik) direkt durch Beobachtungen zu verifizieren.<br />

Zu den frisch geborenen Objekten gehören <strong>die</strong> Novae und Supernove. Die Große Maghellansche Wolke<br />

(LMC) ist ein besonders gutes Beispiel, da hier <strong>die</strong> Entfernung gut bekannt ist. So kann man bestimmen,<br />

daß bei der Supernova in der LMC, mit der Bezeichnung SN 1987A, an radioaktivem 56 Ni etwa<br />

0.075M⊙ freigesetzt worden ist. Dieses 56 Ni zerfällt in Zwischenschritten wie folgt in stabiles Eisen<br />

56 Fe<br />

56 Ni (νβ + )<br />

� �� �<br />

6.1d<br />

56 Co (νβ + )<br />

� �� �<br />

77d<br />

56 Fe (3.9)<br />

mit (aus dem Labor bekannten) Halbwertszeiten, <strong>die</strong> direkt in der Supernova anhand der Leuchtkurve<br />

beobachtet wurden.<br />

Die freigesetzte Energie liefert einen wichtigen Beitrag zum Energiehaushalt der Supernova<br />

∆Etot( 56 Ni → 56 Fe) = 3.59 MeV ; ∆Eγ = 1.72 MeV (3.10)<br />

Zu den besonders bemerkenswerten kurzlebigen Atomkernen gehört das Element Technetium, (Z =<br />

43), da es überhaupt kein stabiles Isotop besitzt. Die längsten Halbwertszeiten betragen<br />

τ( 97 Tc) = 2.6 · 10 6<br />

yr ; τ( 98 Tc) = 1.5 · 10 6<br />

yr ; τ( 99 Tc) = 2.1 · 10 5<br />

Da solche Zerfallszeiten kurz im Vergleich zu Sternentwicklungszeiten sind, erwarten wir nicht, Tc in<br />

Sternspektren zu finden. Dennoch gibt es eine Reihe später (Spektraltyp M, N, R und S) (Doppel)Sterne<br />

vom Typ Mira, in deren Spektren Tc vorkommt. Sie wurden 1952 von P. Merrill erstmals gefunden. Die<br />

einfachste Erklärung für das Vorkommen von Tc im Spektrum (also in der Hülle) ist (nach Cameron)<br />

<strong>die</strong>, daß solche (massearme) Sterne voll konvektiv bis zum Zentrum sind und daß dort Tc entsteht. Eine<br />

Möglichkeit der Erzeugung ist<br />

97 Mo42(γ, e) 97 Tc43<br />

Die Halbwertszeit von 26 Al beträgt 0.770 Myr. Im Allende Meteoriten (Gewicht 110 kg, gefunden<br />

1969, benannt nach dem Fundort in Mexiko) wurden Anomalien entdeckt, <strong>die</strong> auf <strong>die</strong>ses Element<br />

hinweisen, evtl. wurde <strong>die</strong>ses Radioisotop sogar direkt nachgewiesen.<br />

Die Halbwertszeit von 129 I (Iod) beträgt 17 Myr. Das Endprodukt des Zerfalls, 129 Xe, wurde in mehreren<br />

Meteoriten gefunden. Da bisher kein Weg bekannt ist, wie flüchtiges 129 Xe in einem Meteoriten<br />

erzeugt werden kann, ist anzunehmen, daß es von festem 129 I stammt.<br />

In beiden Fällen ist es naheliegend, <strong>die</strong> Erzeugung der Radioisotope einer Supernova, <strong>die</strong> in der Nähe<br />

der Sonne explo<strong>die</strong>rte, zuzuschreiben. Möglich wäre aber auch ein naher Vorbeiflug eines Tc Stern<br />

ähnlichen Systems, dessen Sternenwind seine Spuren im Sonnensystem hinterlassen hat. Auch <strong>die</strong><br />

kosmische Strahlung selbst enthält 26 Al und kommt damit als Ursprung in Frage. Alternativ können<br />

<strong>die</strong> Elemente durch kosmische Strahlung erzeugt worden sein (mit späterer Einlagerung).<br />

yr


192 KAPITEL 3. KERNPHYSIK: ALTERSBESTIMMUNG<br />

3.3.3 Die kosmische Strahlung<br />

Entdeckung und Eigenschaften<br />

Die kosmische Strahlung (Höhenstrahlung) wurde zufällig von Victor Hess entdeckt. Bei der geplanten<br />

Verbesserung seines Elektoskops fand er eine unbekannte Entladungsquelle, welche er in den Jahren<br />

1911 bis 1913 mit Hilfe von Ballonflügen als Höhenstrahlung kosmischer Herkunft identifizierte. Diese<br />

nimmt zu mit der Höhe über dem Boden, da sie von der Lufthülle abgeschwächt wird. Gesucht hatte er<br />

ursprünglich radioktive Strahlung aus dem Innern der Erde, <strong>die</strong>se hätte mit der Höhe über dem Boden<br />

abnehmen müßen.<br />

Zunächst <strong>die</strong>nte <strong>die</strong> kosmische Strahlung den Kernphysikern als Gratisquelle für ihre Streuexperiment<br />

und 1932 wurde das Positron von Anderson (und 1932 von Blackett und Occhialini) damit entdeckt.<br />

Erst als grosse Beschleuniger (ab 1955) verfügbar waren, wurde sie um ihrer selbst willen, also<br />

astrophysikalisch genauer untersucht. Erst 1961 wurde <strong>die</strong> leptonische Komponente (von Earl und unabhängig,<br />

von Meyer und Vogt) entdeckt. Wichtig dabei ist, daß Elektronen und Positronen nicht gleich<br />

häufig vorkommen: der numerischer Anteil der Positronen beträgt nur etwa 10% der Elektronen (und<br />

<strong>die</strong>se selbst energetisch nur etwa 10% der Protonen).<br />

Allerdings ist man für höchste Energien (ab 10 TeV) auch heute noch auf sie angewiesen. Der <strong>Teil</strong>chenfluß<br />

ist mit<br />

2 Protonen pro cm 2 und Sekunde (bei 1 GeV)<br />

allerdings bereits sehr klein und er fällt ab, zunächst wie γ −2.5 und dann wie γ −3.2 für γ > 10 6 . Man<br />

benötigt deshalb gigantische Arrays (viele Quadratkilometer Fläche) von Koinzidenz Detektoren. Die<br />

höchsten damit bisher nachgewiesenen Energien belaufen sich auf ein Zetta Elektronen Volt, (10 21 eV)<br />

und <strong>die</strong> schwersten Kerne haben etwa Z = 100.<br />

Spektrum<br />

Die kosmische Strahlung hat drei verschiedene Komponenten:<br />

1. Baryonen<br />

Protonen, 10% α-<strong>Teil</strong>chen und Kerne mit etwa solarer Häufigkeit (etwa ein Promille),<br />

2. Leptonen<br />

1. Elektronen, mit einer Energiedichte von 10% der Protonen,<br />

2. Positronen, numerischer Anteil etwa 10% der Elektronen,<br />

3. Photonen<br />

mit einer Energiedichte von 1% der Positronen.<br />

Die Energie eines <strong>Teil</strong>chens ist<br />

Eγ = (γ − 1)mpc 2<br />

Damit läßt sich <strong>die</strong> Spektralintensität IE(θ) der kosmische Strahlung umschreiben in Iγ(θ). Die kosmische<br />

Strahlung ist extrem isotrop, und es gilt (für alle Winkel θ)<br />

Iγ(θ) − Iγ(0)<br />

Iγ(θ) + Iγ(0)<br />

< 10−4<br />

Für relativistische <strong>Teil</strong>chen, γ ≫ 1, ist der Zusammenhang zwischen <strong>Teil</strong>chenstrom und <strong>Teil</strong>chendichte<br />

4πJγ = nγc.


3.3. ALTERSBESTIMMUNG 193<br />

Mit N(γ) bezeichnen wir im folgenden den spektralen <strong>Teil</strong>chenstrom<br />

N(γ) = ˙ �<br />

NE ; I = E 2 NEdE ˙ (3.11)<br />

wobei I <strong>die</strong> Flussdichte ist (Einheit erg cm −2 s −1 ).<br />

Das Spektrum (für Protonen) sieht folgendermassen aus<br />

N(γ) ∝ γ −2.5<br />

∝ γ −3.2<br />

für γ < 10 6<br />

für γ < 10 11<br />

(3.12)<br />

(3.13)<br />

mit γ 2 N(γ) = const (konservativ extrapoliert) und N(γ) = 2γ −2.5 cm −2 s −1 ab 10 11 eV (also etwa<br />

γ = 1). Die Energiedichte der Hauptkomponente beträgt damit<br />

u = 4π<br />

c I ; Iγ = γmpc 2 N(γ) (3.14)<br />

etwa 1 · 10 −12 erg cm −3 (für γ = 1 bis 100) ergibt. Das ist fast genau so viel, wie <strong>die</strong> magn. Energie<br />

des galaktischen Feldes und etwas mehr als <strong>die</strong> Energiedichte des Sternenlichts (5 · 10 −13 erg cm −3 )<br />

und der kosmologischen 2.7 K Hintergrundstrahlung (4·10 −13 erg cm −3 ). Für <strong>die</strong> <strong>Teil</strong>chendichte ergibt<br />

sich damit im unteren Bereich etwa n = 10 −10 cm −3 .<br />

Die Elektronenkomponente fällt bei hohen Energien etwas steiler ab und reicht nur bis etwa 10 TeV (γ<br />

= 10 7 ).<br />

N(γ) ∝ γ −2.5<br />

∝ γ −3.7<br />

für γ < 10 6<br />

für γ < 10 7<br />

(3.15)<br />

(3.16)<br />

Die Energiedichte der Elektronenkomponente beträgt etwa 4 · 10 −13 erg cm −3 , beide Komponenten<br />

zusammen (Protonen plus Elektronen) sind dann vergleichbar mit der des galaktischen Magnetfeldes<br />

(B 2 /8π = 1.2 · 10 −12 erg cm −3 ) falls das Feld 6 µGauß beträgt.<br />

Das Energie Maximum liegt bei den niedrigen Energien, <strong>die</strong> besonders schwer zu messen sind (Erdmagnetfeld,<br />

Sonnenwind). Die Energiedichte der Elektronenkomponente kann aber aus der Synchrotronstrahlung<br />

der Milchstraße abgeschätzt werden.<br />

Bei E = 10 15 eV ist ein Knick bei der Protonenkomponente, der bisher unverstanden ist.<br />

Neben der direkten Erzeugung radioaktiver Kerne in Fusionsprozessen, können <strong>die</strong>se auch durch hochenergetische<br />

<strong>Teil</strong>chen der kosmischen Strahlung erzeugt bzw. verändert werden.<br />

Die Energiedichte der hochenergetischen, diffuse Photonen beträgt dagegen nur 4 · 10 −18 erg cm −3 im<br />

Röntgenbereich und 1 · 10 −18 erg cm −3 im Gammabereich.<br />

Wechselwirkung mit der ISM<br />

Die drei verschiedenen Komponenten der kosmischen Strahlung haben unterschiedliche Wechselwirkungen<br />

mit den <strong>Teil</strong>chen bzw. den Feldern des interstellaren Raums:<br />

Die Baryonen ionisieren <strong>die</strong> Atomhülle (Wechselwirkungmit Elektronen) und erzeugen neue chemische<br />

Elemente (Spallation des Atomkerns).<br />

Die Elektronen erzeugen Synchrotronstrahlung.<br />

Die Photonen mit hν > 2mec 2 liefern Paarerzeugung.


194 KAPITEL 3. KERNPHYSIK: ALTERSBESTIMMUNG<br />

Wir betrachten hier <strong>die</strong> Ionisationsverluste der Baryonen (der Kern-Ladung Z) bei der Streuung an den<br />

Atomen und Molekülen (mit z Hüllenelektronen der mittleren Bindungsenergie I) der ISM.<br />

Die Bethe-Bloch Formel liefert für hochenergetische <strong>Teil</strong>chen den Energieverlust dE durch Ionisation<br />

pro Weglänge dx<br />

dE<br />

dx = −4πe4 Z2 nzB (3.17)<br />

mc2 Die Energie des kosmischen <strong>Teil</strong>chens ist E = (γ − 1)Mc 2 , m ist <strong>die</strong> Masse des Elektrons. Der Faktor<br />

B unterscheidet sich im nichtrelativistischen<br />

B = ln 2mv2<br />

I<br />

und relativistischen Fall<br />

B = ln 2mc2γ2 − 1 (3.18)<br />

I<br />

Numerisch gilt für <strong>die</strong> Streuung von Protonen (Z = 1) an H (z = 1) der Dichte n<br />

dE<br />

dx = −2.54 · 10−19 [22.5 + 2 ln γ] eV cm −1<br />

oder als Ionisations-Verlustrate<br />

˙E = c dE<br />

dx = 8 · 10−9 [22.5 + 2 ln γ]<br />

Für kosmische Strahlung bei 10 11 eV (γ = 100, <strong>Teil</strong>chendichte 10 −12 cm −3 ) liefert das − ˙ E = 3 · 10 −7<br />

eV s −1 für n = 1 cm −3 . Mit einem Volumen der Galaxis von VG = 10 69 cm 3 liefert das zunächst eine<br />

Gesamtzahl kosmischer <strong>Teil</strong>chen von NCR = 10 57 und deren Verlustrate beträgt<br />

˙E = 3 · 10 38<br />

erg s −1<br />

Geht man bis zu 1 GeV herunter, so erhält man sogar 10 40 erg s −1 .<br />

Die Lebensdauer der CR wird allerdings durch <strong>die</strong> Spallation bzw. inelastische Steung bestimmt. Die<br />

(starke) Wechselwirkung ist kurzreichweitig und wird durch π−Mesonen der Masse mπ vermittelt. Es<br />

gilt deshalb zunächst grob geschätzt<br />

τ = 1<br />

nσc = 3 · 1015 n −1<br />

0 σ−26 s<br />

dabei ist σ−26 der Streuquerschnitt<br />

σ = r 2 π ; rπ = ¯h<br />

mπc<br />

für Spallation bzw. inelastische Streuung. Er ist unabhängig von der Energie. Realistische Lebensdauern<br />

sind 50 Myr für CR-Protonen, 10 Myr für He und 1 Myr für Fe.<br />

Der Energieverlust für <strong>die</strong> Milchstraße ist vergleichbar mit dem der Ionisationsverluste und geht praktisch<br />

vollständig in Gamma Strahlung über<br />

˙E = LMW G = 3 · 10 38<br />

erg s −1<br />

obwohl <strong>die</strong> Rate wesentlich größer ist. Der Grund liegt darin, daß das Volumen wesentlich kleiner ist.<br />

Diese Strahlung ist stark auf <strong>die</strong> Galaktische Ebene konzentriert.


3.3. ALTERSBESTIMMUNG 195<br />

Die chemische Zusammensetzung<br />

Die Bestimmung der chemischen Zusammensetzung der ISM in unserer Milchstraße ist praktisch abgeschlossen,<br />

spannend ist <strong>die</strong> Frage, wie <strong>die</strong>se bei anderen Galaxien aussieht.<br />

Drei Quellen der Nukleosynthese, <strong>die</strong> ihr Material an <strong>die</strong> ISM zurückgeben, sind definitiv beobachtet:<br />

Kohlenstoff Sterne (Wolf Rayet Sterne), <strong>die</strong> über einen extrem starken Sternenwind (Massenverlustrate<br />

˙M = 10−5M⊙ pro Jahr) hauptsächlich C abgeben, Novae, <strong>die</strong> C, N, O<br />

bis Ar abgeben und Supernovae, <strong>die</strong> vermutlich alle Elemente erzeugen.<br />

Die Standardtabelle der chemischen Zusammensetzung der kosmischen<br />

Strahlung wurde 1974 von Shapiro und Silberberg zusammengestellt,<br />

daran hat sich nichts mehr geändert. Sie ist auf <strong>die</strong> C - Häufigkeit<br />

(mit 100) normiert.<br />

Die Häufigkeit der chemischen Elemente in der Sonne (und im Sonnensystem)<br />

stimmen recht gut überein mit Eisen und der wichtigen C -<br />

N - O Gruppe. Auch der charakteristische gerade - ungerade Effekt ist<br />

bei beiden vorhanden.<br />

Z<br />

1<br />

2<br />

6<br />

7<br />

8<br />

10<br />

Element-Häufigkeiten I<br />

auf C = 100normiert<br />

Name Sonne CR<br />

H 270000 26000<br />

He 18728 3600<br />

C 100 100<br />

N 32 25<br />

O 182 91<br />

Ne 29 16<br />

Wo <strong>die</strong> CR erzeugt wird, ist nicht klar. Infrage kommen Superno- 12 Mg 9 19<br />

vae, Pulsare oder auch akkretierende Röntgensterne. Die Bestimmung 14 Si 8.5 14<br />

der Häufigkeitsverteilung der chemischen Elemente in der kosmischen 16 S 4 3<br />

Strahlung liefert wichtige Einschränkungen an <strong>die</strong> möglichen Erzeu- 25 Mn 0.08 1<br />

gungsmechanismen.<br />

26 Fe 7 11<br />

Überschwere Elemente (nicht mehr aufgeführt) ab Z = 31 sind, ein- 27 Co 0.02 0.2<br />

heitlich selten in der CR und in der Sonne, sie sind nur noch in Spuren 28 Ni 0.4 0.4<br />

vorhanden (weniger als Promille).<br />

Tab. 3.2: Elementäufigkeit I<br />

Auch über das Isotopenverhältnis ist mittlerweile einiges bekannt. In<br />

der CR z. B. beträgt das Verhältnis der beiden Helium Isotope 3 He/ 4 He = 0.1, während es für <strong>die</strong><br />

Sonne praktisch verschwindet, 3 He/ 4 He = 10 −5 .<br />

Die Daten der vorstehenden Tabelle sind in <strong>die</strong> folgenden Blöcke eingeteilt:<br />

1. <strong>die</strong> primordialen Elemente mit Z = 1 (H) und Z = 2 (He),<br />

2. <strong>die</strong> C - N - O Gruppe von Z = 6 (C) bis Z = 9 (F),<br />

3. <strong>die</strong> Si - Gruppe von Z = 10 (Ne) bis Z = 20 (Ca) und<br />

4. <strong>die</strong> Fe - Gruppe von Z = 21 (Sc) bis Z = 30 (Zn).<br />

Interstellare Nukleosynthese<br />

Da <strong>die</strong> leichten Elemente Li, Be und B extrem unterhäufig in Sternen (um einen Faktor 10 −5 ) sind<br />

in Bezug auf <strong>die</strong> kosmische Strahlung, liegt es nahe anzunehmen, daß sie durch Spallation (Zusammenstöße<br />

mit der ISM) erzeugt worden sind. Bei Bildung des Protosterns werden sie (zusammen mit<br />

Deuterium) bereits aufgebraucht, was ihre Unterhäufigkeit im späteren Stern erklärt.<br />

Die Häufigkeit der chemischen Elemente in der Sonne (und in den Meteoriten im Sonnensystem) unterscheiden<br />

sich am stärksten von denen der kosmischen Strahlung bei den nebenstehend aufgeführten


196 KAPITEL 3. KERNPHYSIK: ALTERSBESTIMMUNG<br />

leichten Elementen Lithium, Beryllium und Bor. Diese sind überhäufig<br />

in der CR, bei der Sonne sind sie um bis zu 106−mal unterhäufig. Sie<br />

sind vermutlich sekundär, also durch Spallation mit interstellarem H und<br />

He auf dem Weg von der Quelle zum Sonnensystem erzeugt.<br />

Ebenfalls deutlich unterhäufig sind Sc und V (s. Tabelle), ferner F, P, Cl,<br />

K und Ti. Von ihnen wird ebenfalls angenommen, daß sie sekundär sind.<br />

Überschwere Elemente (nicht mehr aufgeführt) ab Z = 31 sind dagegen<br />

einheitlich selten (etwa 10−4 Element-Häufigkeiten II<br />

Z Name Sonne CR<br />

3 Li 4 · 10<br />

) in der CR und in der Sonne, sie sind nur<br />

noch in Spuren vorhanden (weniger als Promille).<br />

−4 18<br />

4 Be 7 · 10−6 10.5<br />

5 B 3 · 10−3 28<br />

6 C 100 100<br />

21 Sc 3 · 10−4 0.4<br />

23 V 2 · 10−3 0.7<br />

Besonders interessant wegen seiner grossen Halbwertszeit von 4 · 10<br />

Tab. 3.3: Elementäufigkeit II<br />

6 yr ist 10Be. Es ist ebenfalls ein<br />

Spallationsprodukt, seine Häufigkeit kann benutzt werden, um <strong>die</strong> Verweildauer der CR in der Galaxie<br />

zu bestimmen.<br />

Radioaktivität<br />

Wichtigstes terrestrisches Beispiel ist hier 14 C, t1/2 = 5568 yr, welches 1946 von W. F. Libby erstmals<br />

zur Altersbestimmung benutzt wurde.<br />

Als Beispiel betrachten wir <strong>die</strong> Erdatmosphäre. Ein hochenergetisches, E > mpc 2 , <strong>Teil</strong>chen der kosmischen<br />

Strahlung erzeugt eine Kaskade sekundärer <strong>Teil</strong>chen mit N neuen <strong>Teil</strong>chen, N � 2(E/mpc 2 ) 1/4 .<br />

Die Neutronenkomponente wird von Stickstoff absorbiert. Diese Transmutation liefert zu 95% das<br />

Kohlenstoffisotop 14 C (Säulendichte - Erzeugungsrate: 2.23 cm −2 s −1 )<br />

14 N + n → 14 C<br />

und zu 5% Tritium (Säulendichte - Erzeugungsrate: 0.2 cm −2 s −1 )<br />

14 N + n → 12 C + 3 H<br />

Oxidation liefert dann radioaktives CO2 und H2O. Die Halbwertszeiten sind 5568 yr für 14 C und 12.46<br />

yr für Tritium. Die Durchsatzzeit der radioktiven Komponente beträgt etwa 25 yr (zwischen Erzeugung<br />

und Ankunft auf der Erde), danach werden sie in organischem Material eingebaut oder in Fels<br />

abgelagert.<br />

3.4 Sternentwicklung<br />

Ein Stern verläßt <strong>die</strong> Hauptreihe, wenn im Zentrum etwa 1/10 der Masse in He umgewandelt worden<br />

ist, im Innern befindet sich dann ein Kern aus reinem Helium. Für <strong>die</strong> Sonne dauert das etwa 10 10 Jahre<br />

(10 Gyr), wovon etwa <strong>die</strong> Hälfte um ist.<br />

3.4.1 Sternentwicklungszeiten<br />

Sterne mit einheitlichem Ursprung, d. h. Mitglieder von Haufen oder Assoziationen, sind vermutlich<br />

in vergleichbar kurzer Zeit in einer Molekülolke entstanden. So wird in einigen 10 Millionen Jahren<br />

vom Orionnebel ein offener Sternhaufen mit etwa 1000 Sternen übrigbleiben. Da massereiche Sterne<br />

sich schneller entwickeln als massearme, werden <strong>die</strong> massiven Sterne als erste im Hertzsprung-Russel-<br />

Diagramm fehlen: kennt man (aus der Theorie) <strong>die</strong> Sternentwicklungszeit eines Sterns der Masse M,<br />

so kann man das Alter direkt aus dem Hertzsprung-Russel-Diagramm des Sternhaufens ablesen.<br />

In der Milchstraße sind etwa 650 offene Sternhaufen (Beispiel: Hyaden, Praesepe und Pleijaden) mit<br />

bis zu 1000 Mitgliedern bekannt. Die Kugelsternhaufen (markante Beispiele: ω Cen, M3 und 47 Tucanae)<br />

sind wesentlich älter, gehören zur Halo Population und davon sind etwa 130 schon lange bekannt.


3.4. STERNENTWICKLUNG 197<br />

Viele davon befinden sich in einem der ältesten, teleskopgestützten astronomischen Kataloge, dem Katalog<br />

von Messier und tragen <strong>die</strong> Bezeichnung M. Wichtige Beispiele für <strong>die</strong> Altersbestimmung mit<br />

Kugelsternhaufen sind M3, M4, M13, M15, M53 und M92 (letzterer der bisher älteste).<br />

Es kommen aber immer neue, weit entfernte (leuchtschwache) hinzu, zur Zeit sind 150 katalogisiert.<br />

Die Kugelsternhaufen definieren den Schwerpunkt der Galaxis und enthalten 10 5 bis 10 7 (massearme)<br />

Sterne. Die Kugelsternhaufen haben typisch Ra<strong>die</strong>n von 30 pc. Man erhält daraus<br />

15 · 10 9 yr < tg < 18 · 10 9 yr<br />

für das Alter (Sternentwicklungszeit) der Kugelsternhaufen.<br />

Die nebenstehenden Eichexemplare sind nach folgenden Gesichtspunkten ausgewählt. Sie sind nah,<br />

einem Entfernungsmodul m − M = 15 entspricht eine<br />

Entfernung von 10 kpc.<br />

Ferner gilt, sie enthalten verschiedene Eichkerzen gleichzeitig<br />

und ihre chemische Entwicklung ist spektroskopisch<br />

gut untersucht. Wichtig ist hier das Verhältnis der<br />

schweren Elemente im Vergleich zu Wasserstoff. Die<br />

wichtigste Größe ist [Fe/H] bezogen auf den Wert der<br />

Sonne (bzw. auf einen ZAMS Stern etwa der Hyaden).<br />

Die Tabelle gibt den Logaritmus <strong>die</strong>ser Größe.<br />

Die Masse des Kugelsternhaufens, Mcl, ist in Einheiten<br />

von 106M⊙, also <strong>die</strong> Masse von 47 Tuc: Mcl =<br />

1.3 · 106 Eich - Kugelsternhaufen<br />

Name m − M Alter [Fe/H] Mcl<br />

Gyr log 10<br />

M⊙. Seine Entfernung ist D = 4.5 kpc um et-<br />

6M⊙ M92 14.36 16 -2.19<br />

M15 14.97 15 -2.15<br />

M3 14.85 15 -1.69<br />

M5 14.18 -1.58<br />

47 Tuc 13.33 13 -0.64 1.3<br />

NGC 6838 12.66 -0.40<br />

Tab. 3.4: Alter<br />

wa 10% reduziert im Vergleich zu früheren Werten. Für <strong>die</strong> Zukunft steht zu erwarten, daß mithilfe von<br />

Weißen Zwergen oder Pulsaren und dem HST sehr genaue Entfernungen und Alter bestimmt werden.<br />

Auch <strong>die</strong> 3dimensionale Bewegung kann damit erstmals bestimmt werden.<br />

Abgesehen von der Altersbestimmung, sind Kugelsternhaufen auch physikalisch außerordentlich interessante<br />

Systeme, ihre zentrale Dichte ist so hoch, daß Zweierstöße häufig sind und man somit viele<br />

Doppelsternsysteme (Pulsare, CVs) findet. Ihr Relaxationsalter und ihr Evaporationsalter liefern interessante<br />

zusätzliche Altersabschätzungen. Die Formel für <strong>die</strong> Evaporationszeit<br />

tEvap =<br />

� �<br />

8R N<br />

v ln(N/2)<br />

werden wir später ableiten und diskutieren. Typische Zahlen sind:<br />

(3.19)<br />

1. Offene Sternhaufen (in unserer Galaxis) haben bis zu N = 10 3 Mitglieder zu je etwa 1M⊙, mit<br />

v = 1 km s −1 , was tEvap < 3 Gyr liefert, viele sind schon verdampft.<br />

2. Massivere Kugelsternhaufen dagegenhaben haben bis zu N = 10 6 Mitglieder zu je etwa 0.5M⊙,<br />

mit v = 20 km s −1 , was tEvap = 80 Gyr ergibt.<br />

Massive Kugelsternhaufen werden heute nicht mehr in der Milchstraße geboren, sie (und ihre Mitglieder)<br />

sind primordial. Damit liefert tEvap = 80 Gyr eine obere Schranke für das Alter der Milchstraße.<br />

3.4.2 Einzelsterne<br />

• BEISPIEL<br />

Die Dauer der nuklearen Brennphasen und <strong>die</strong> zentralen Temperaturen für einen 25M⊙ Stern (gerechnet) gibt <strong>die</strong> folgende<br />

Tabelle.


198 KAPITEL 3. KERNPHYSIK: ALTERSBESTIMMUNG<br />

Entwicklungszeit eines 25M⊙ Sterns<br />

Brennvorgang Dauer ∆ Temperatur T Energie Q<br />

Wasserstoff Brennen 7 · 10 6 yr 6 · 10 7 K 26.2 MeV<br />

He Flash<br />

He Brennen zu C 5 · 10 5 yr 2 · 10 8 K 7.2 MeV<br />

C Brennen zu Si 600 yr 9 · 10 8 K 7.1 MeV<br />

Ne Brennen 1 yr 9 · 10 8 K 9.1 MeV<br />

O Brennen 0.5 yr 9 · 10 8 K 4.7 MeV<br />

Si Brennen zu Ni 1 Tag 4 · 10 9 K 6.9 MeV<br />

Mit Q = ∆E = ∆Mc 2 haben wir <strong>die</strong> Energiedifferenz zwischen Ausgangs und Endnuklid bezeichnet. Solche Sterne sind<br />

demnach, astronomisch gesehen, extrem jung.<br />

Für <strong>die</strong> Leuchtkraft liefern einfache Überlegungen folgende Masseabhängigkeit:<br />

⎧<br />

⎪⎨ M<br />

L ∝<br />

⎪⎩<br />

5.5 /R0.5 massearme – normale Sterne<br />

M 3 massereiche Sterne<br />

M sehr massereiche Sterne<br />

(3.20)<br />

• ANMERKUNG (DIE MASSE - RADIUS - LEUCHTKRAFT RELATION FÜR STERNE)<br />

Die Leuchtkraft L eines Sterns wird bestimmt durch <strong>die</strong> Gesamt - Energie der Photonen im Volumen V des Sterns vom<br />

Radius R<br />

Uphot = ɛphotV ; ɛphot = aT 4<br />

; V = 4π<br />

3 R3<br />

und der Zeit, τ, <strong>die</strong> sie benötigen, vom Innern, wo sie erzeugt werden, bis zum Rand, wo sie wegfliegen, zu gelangen.<br />

L = (aT 4 )V<br />

τ<br />

Dies geht nicht im Direktflug, τ = t = R/c, sondern per Diffusion. Die Diffusionszeit der Photonen aus dem Stern heraus<br />

ist<br />

τdiff = 3 R<br />

l<br />

R<br />

c<br />

Der Faktor 3 stammt von der Anzahl der Raumdimensionen, t = R/c, ist <strong>die</strong> Direktflugzeit und N 2 = (R/l) 2 ist der<br />

Faktor, um den <strong>die</strong> einzelne Flugstrecke l verlängert wird, da l <strong>die</strong> freie Weglänge ist. Die Opazität κ hängt mit l wie folgt<br />

zusammen: κρ = l −1 , dabei ist ρ = M/V <strong>die</strong> Massendichte. Damit wird <strong>die</strong> Leuchtkraft L eines Sterns gegeben durch<br />

L = c(aT 4 )V<br />

3κρR2 ≈ caR4T 4<br />

κM<br />

Die hier auftretende Temperatur eliminieren wir mithilfe des Virialsatzes für den Druck P V ≈ GM 2 /R<br />

P ≈<br />

GM 2<br />

R 4 und P = ρ<br />

˜µm<br />

a 4<br />

kT + T<br />

3<br />

Das liefert <strong>die</strong> Relation (3.20), wenn wir für massearme bis normale Sterne den kinetischen Druck und für massereiche<br />

Sterne den Photonendruck benutzen.<br />

Als Mittelwert kann man L ∝ M 3.5 nehmen. Da <strong>die</strong> zur Kernfusion zur Verfügung stehende Masse<br />

proportional zur Gesamtmasse des Sterns ist, für Hauptreihensterne gilt W ≈ 0.1 · 7 · 10 −3 Mc 2 , erhält<br />

man für <strong>die</strong> Lebensdauer A des Vorgangs A ∝ M −2.5 . Die folgende Tabelle zeigt <strong>die</strong> Ergebnisse für<br />

gerechnete gerechnete Entwicklungszeiten für Population I Sterne der Leuchtklasse V (Hauptreihensterne)<br />

und zwar Radius und Leuchtkraft als Funktion der Masse.<br />

Für massive Sterne (O3 Sterne z. B. in 30 Doradus) beträgt <strong>die</strong> Entwicklungszeit nur noch einige Myr.<br />

Diese sollten also extrem selten sein, da sie aber sehr leuchtstark sind, sieht man überproportional viele<br />

von ihnen (Malmquist Verfälschung).


3.4. STERNENTWICKLUNG 199<br />

Typ<br />

M<br />

M⊙<br />

tmax<br />

yr<br />

R<br />

R⊙<br />

O5 50. 1·10 6 18.0<br />

B0 18. 1·10 7 7.5<br />

B5 6. 1.2·10 8 6.5<br />

A0 3.2 6.5·10 8 2.6<br />

A5 2.4 1.3·10 9 2.1<br />

F0 1.7 2.8·10 9 1.4<br />

F5 1.4 5.3·10 9 1.3<br />

Typ<br />

Tab. 3.5: Masse-Alter-Radius<br />

M<br />

M⊙<br />

tmax<br />

yr<br />

R<br />

R⊙<br />

F8 1.2 6.5·10 9 .<br />

G2 1.0 1·10 10 1.1<br />

G5 0.9 1.15·10 10 0.9<br />

K0 0.78 1.8·10 10 0.9<br />

M0 0.42 8·10 10 0.6<br />

M5 0.27 2·10 11 0.4<br />

M8 0.1 8·10 11 0.1<br />

Für massearme Population II Sterne in Kugelsternhaufen gelten andere Anfangsbedingungen. Sie enthalten<br />

kaum schwere Elemente. Für sie gilt<br />

�<br />

L ∝<br />

Z 0.69 X 1.19 T 5.6 CNO-Zyklus<br />

Z 0.36 X −1.52 T 4.11 pp-Zyklus<br />

(3.21)<br />

Die Leuchtkraft wird bei <strong>die</strong>sen Sternen sehr empfindlich durch den Massenanteil Z der schweren<br />

Elemente, also von Spurenelementen, bestimmt.<br />

• ANMERKUNG (ALTERSBESTIMMUNG AN KUGELSTERNHAUFEN)<br />

Kugelsternhaufen liefern <strong>die</strong> bisher genaueste Methode, das Alter des Universums nach unten abzuschätzen. Das Verlassen<br />

der Hauptreihe im Hertzsprung-Russel-Diagramm wurde erstmals von Gamow für eine Bestimmung ihres Alters herangezogen.<br />

Für <strong>die</strong> ältesten Kugelsternhaufen findet man ein Abknicken im Hertzsprung-Russel-Diagramm bei Sternen von<br />

etwa 0.8 M⊙, was einem Alter von 18 Gyr entspricht.<br />

3.4.3 Abkühlen Weißer Zwerge<br />

Die meisten Sterne enden als Weiße Zwerge. Ein Weißer Zwerg hat den Radius der Erde aber <strong>die</strong><br />

Masse der Sonne (also etwa 3·10 5 mal mehr Kerne, in denen <strong>die</strong> Wärme gespeichert ist - <strong>die</strong> entarteten<br />

Elektronen liefern keinen Beitrag).<br />

Die wichtigsten Parameter Weißer Zwerge sind hier nur zusammengestell, abgeleitet werden sie später.<br />

Mit der gravischen Feinstrukturkonstante αG<br />

αG = Gm2 p<br />

¯hc<br />

= 5.9 · 10 −39<br />

kann man ihre <strong>Teil</strong>chenzahl mit<br />

(3.22)<br />

NCh = 0.75(2Z/A) 2 α −3/2<br />

G = 1.4(2Z/A) 2 N⊙ (3.23)<br />

und ihre Masse mit<br />

MCh = 0.75(2Z/A) 2 mpα −3/2<br />

G = 1.456(2Z/A) 2 M⊙ (3.24)<br />

Für den Radius gilt<br />

R = ¯h 1/3<br />

Nc = R⊕ (3.25)<br />

mec<br />

Damit erreicht <strong>die</strong> gravische Bindungsenergie E ≈ 5 · 10 −4 Mc 2 fast <strong>die</strong> von Deuterium (E ≈ 1.25 ·<br />

10 −3 Mc 2 ).<br />

Neben der Sternentwicklungszeit der Hauptreihensterne, welche stark von der chemischen Zusammensetzung<br />

des Sterns abhängt, kann man auch das Abkühlen Weißer Zwerge benutzen.


200 KAPITEL 3. KERNPHYSIK: ALTERSBESTIMMUNG<br />

Die beobachteten Leuchtkräfte Weißer Zwerge rangieren in der Mehrzahl (Vorsicht ist bei akkretierenden<br />

Objekten geboten) zwischen 10 −1 L⊙ und 10 −4 L⊙ und haben einen cut–off bei etwa 3 · 10 −5 L⊙,<br />

was man dadurch erklärt, daß <strong>die</strong> Zeit bis zum Erreichen <strong>die</strong>ser Leuchtkraft (Oberflächentemperatur)<br />

etwa dem Alter der Galaxis entspricht. Kennt man das Abkühlverhalten (Theorie), dann kann man das<br />

Alter bestimmen.<br />

Wir nehmen an, daß ein Weißer Zwerg keine innere Wärmequelle (Fusion, Radioaktivität, usw.) mehr<br />

hat. Er kann demnach nur noch abkühlen. Für reines Abkühlen reicht zur Beschreibung der Energiesatz<br />

in seiner einfachsten Form, ˙ Q = −L, aus, mit<br />

Q = CvT = fNkT und L = 4πσR 2 T 4 eff<br />

Die Wärmeenergie Q eines Gases bzw. eines Plasmas hat f = 3/2, ein Festkörper dagegen hat doppelt<br />

soviel Energie, f = 3. Die beim Phasenübergang freigesetzte Energie verzögert das Abkühlen. Für<br />

den Beobachter bedeutet <strong>die</strong>s eine größere Anzahl Weißer Zwerge bei gleichem T 4 eff. Danach, falls <strong>die</strong><br />

Temperatur unter <strong>die</strong> Debey Temperatur ΘD gesunken ist, fällt <strong>die</strong> Wärmekapazität Cv stark ab:<br />

�<br />

T<br />

CvNkT<br />

ΘD<br />

�3<br />

was sich in einem Defizit an leuchtschwachen Weißen Zwergen bemerkbar machen sollte (cut-off). Mit<br />

τ = Q<br />

L<br />

= fMkT<br />

AmpL<br />

haben wir wieder eine charakteristische Abkühlzeit, wenn wir T im Innern eines Weißen Zwergs und<br />

A (das Atomgewicht der Kerne) kennen. Da massive Weiße Zwerge auf jeden Fall bis zum Kohlenstoffbrennen<br />

kommen, können wir A ≈ 12 annehmen. Die dimensionslose Größe, <strong>die</strong> es dann noch zu<br />

bestimmen gilt, ist T/Teff. Wir verschieben <strong>die</strong> Analyse (des Strahlungstransports in der Kruste und<br />

der Atmosphäre) auf später und setzen T/Teff ≈ 10 3 . Damit gilt dann für einen Stern mit L = 10 −2 L⊙<br />

Teff ≈ 10 4 K und Tc ≈ 10 7 K. Die Wärmeenergie Q beträgt dann Q ≈ 10 48 erg und für <strong>die</strong> Abkühlzeit<br />

folgt τ ≈ 10 9 yr.<br />

Beobachtung und Theorie sind mittlerweile in so guter Übereinstimmung, daß man für leuchtschwache<br />

Weiße Zwerge Teff als Altersindikator benutzen kann. Insbesondere in Doppelsternsystemen, wo ein<br />

Begleiter ein WD ist, hat man damit eine Altersabschätzung.<br />

3.4.4 Das Alter von Pulsaren<br />

Pulsare sind rotierende Neutronensterne, welche gepulste Radio- bzw. Röntgenstrahlung aussenden<br />

und damit sehr genau gehende Uhren mit der Periode P darstellen. Ein Alter erhält man für beide, allerdings<br />

stark modellabhängig, durch <strong>die</strong> gemessene Brems- bzw. Beschleunigungsrate ˙ P der Pulsare.<br />

Das Alter der Radiopulsare<br />

Gewöhnlich bestimmt man das Abbremsalter nach der Larmor Formel für den Energieverlust eines<br />

schiefen magnetischen Rotators<br />

˙Erot = − 2<br />

3c 3 ¨ M 2 = − 2<br />

3c 3 M2 Ω 4<br />

der im Vakuum strahlt, was auf <strong>die</strong> Gleichung<br />

IΩ ˙ Ω = − 2<br />

3c 3 ¨ M 2<br />

(3.26)


3.4. STERNENTWICKLUNG 201<br />

führt. Dabei ist M = BsR 3 das magn. Dipolmoment senkrecht zur Rotationsachse, R der Radius<br />

und I das Trägheitsmoment des Neutronensterns. Die Drehfrequenz ist Ω = 2π/P und <strong>die</strong> Bremsrate<br />

ist ˙ Ω. Sie können direkt gemessen werden. Die Werte für I und R folgen nur aus einer Theorie der<br />

Neutronensterne, wozu wieder <strong>die</strong> Kernphysik <strong>die</strong> Grundlage liefert.<br />

• ZUSATZ (RECHNUNG)<br />

Mit ¨ M 2 = Ω 4 M 2 o folgt<br />

P ˙<br />

P =<br />

� 8π 2 R 6<br />

3c 3 I<br />

�<br />

B 2 s<br />

mit konstanter rechter Seite. Die Lösung lautet<br />

P 2 = P 2 �<br />

o 1 + 1<br />

�<br />

(t − to)<br />

τ<br />

mit<br />

und<br />

τ =<br />

�<br />

P<br />

2 ˙<br />

�<br />

P o<br />

τ = 3c3 I<br />

16π 2 B 2 s<br />

Damit ist gleich das Magnetfeld mitbestimmt. Zur Bestimmung des Alters ist dagegen nur wesentlich, daß<br />

gilt.<br />

(3.27)<br />

(3.28)<br />

(3.29)<br />

(3.30)<br />

˙Ω = −KΩ 3 mit K = const (3.31)<br />

Unter der Annahme, daß Pulsare schnell rotierend geboren werden, gilt dann nach hinreichender Abbremsphase<br />

für das Alter eines Radiopulsars<br />

�<br />

P<br />

τ =<br />

2 ˙<br />

�<br />

(3.32)<br />

P o<br />

wobei der Index o sich auf den Beobachtungszeitpunkt bezieht. Für extreme Millisekunden Radiopulsare<br />

erreicht τ fast 20 Gyr.<br />

Das Recycling Alter der Röntgenpulsare<br />

Recycling von Neutronensternen benötigt einen Begleitstern, der lange Zeit nah (aber nicht zu nah) am<br />

Pulsar kreist und <strong>die</strong>sen (von Zeit zu Zeit) mit Materie versorgt. Dabei wird in den meisten Fällen der<br />

Donor vollständig vernichtet (Kannibalismus). Ein Beispiel ist der Transient SAX J1808.4-3658. Für<br />

einen Neutronenstern der Masse, MCh = 1.4M⊙, mit und Radius R = 10 km beträgt σg = GM/Rc 2 =<br />

0.1. Damit ergibt sich als kritische Massenakkretionsrate<br />

˙M = 2 · 10 −8 MCh yr −1 = 2 · 10 18<br />

g s −1<br />

um <strong>die</strong> Grenzleuchtkraft von LEdd = 2 · 10 38 erg s −1 zu erhalten. 95% der Zeit ist der Pulsar aus, 5%<br />

der Zeit beträgt <strong>die</strong> Leuchtkraft gut nachweisbare L = 10 37 erg s −1 und seiner beobachteten normalen<br />

(Dauer) Leuchtkraft von L = 1 · 10 35 erg s −1 entspricht demnach eine mittlere Massenakkretionsrate<br />

von nur ˙ M = 10 −11 M⊙yr −1 . Die akkretierte Masse kann leicht abgeschätzt werden: <strong>die</strong> Gesamtmasse<br />

ma, <strong>die</strong> akkretiert werden muß, um <strong>die</strong> Endfrequenz Ω zu erreichen beträgt<br />

ma = 3<br />

4 I<br />

� �<br />

2 2/3<br />

Ω<br />

GM<br />

(3.33)


202 KAPITEL 3. KERNPHYSIK: ALTERSBESTIMMUNG<br />

Und explizit, für typische Neutronenstern Werte:<br />

ma = (0.17M⊙)I45(10 3 P ) −4/3 (M/M⊙) −2/3<br />

(3.34)<br />

Im Falle des Transienten SAX J1808.4-3658 sind das mit P = 2.5 ms ma = 0.05M⊙, woraus mit einer<br />

Rate von ˙ M = 10 −11 M⊙yr −1 als untere Schranke für das Alter 5 Gyr folgt. Falls <strong>die</strong>s typisch für das<br />

Recycling eines Neutronensterns ist, dann sind viele Radiopulsare sogar primordial.


3.4. STERNENTWICKLUNG 203<br />

3.4.5 Doppelsterne<br />

Ein ähnlich extremer Pulsar wie der Transient SAX J1808.4-3658 = XTE J1808-369 ist der Radiopulsar<br />

PSR B1744-24A mit P = 11.56 ms und einer Orbitalperiode von 1.8h. Der Pulsar befindet sich im<br />

Kugelsternhaufen Terzan 5, der selbst im Galaktischen Bulge (nahe dem Galaktischen Zentrum) liegt.<br />

Der Wert für <strong>die</strong> Massenfunktion ist f(Mx, Mc) = 3·10−4M⊙ und der Abstand beträgt ax = 110·10−3 lt sec (modulo sini).<br />

Der Radiopulsar B1744-24A = J1748-2446A, mit einer Orbitalperiode von Torb = 1.8 h = 109 min,<br />

hat eine zehnmal längere Umlaufperiode als der schnellste Röntgenburster, 4U1820-30 mit 11.4 min.<br />

Beide sind Mitglied eines Kugelsternhaufens, was kein Zufall sein kann. Die Periode des Radiopulsars<br />

beträgt P = 11.56 Milli Sekunden, (Alter unbekannt, da ˙ P = −1.9dex(−20) < 0 s s−1 ) Entfernung 7<br />

kpc. Nimmt man an, daß <strong>die</strong> wahre Ableitung unterhalb <strong>die</strong>sem Betrag liegt, also<br />

˙<br />

Pwahr < 1.9dex(−20) s s −1<br />

so ergibt sich ein Alter T<br />

T = P<br />

2 ˙<br />

P<br />

> 1010<br />

yr<br />

Das ist ein Alter T von mehr als 10 Gyr und entspricht damit dem Alter des Kugelsternhaufen.<br />

• BEISPIEL (NEUTRONENSTERN IN ULTRA-KOMPAKTEN BINÄR-SYSTEMEN)<br />

Röntgen Pulsare mit ultra-kurzer Orbitalperiode<br />

Zwei Prozesse bestimmen <strong>die</strong> Entwicklung von Röntgenquellen mit ultra-kurzer Orbitalperiode:<br />

1. Massenüberfluss (vom massearmen auf den massiveren Stern) und<br />

2. Gravitationsstrahlung.<br />

Es handelt sich bei den nebenstehenden zwei Röntgenpulsaren bzw. Röntgenburstern<br />

vermutlich um ultrakompakte Doppelsterne, wo der Neutronenstern dabei ist, den<br />

Begleiter zu zermalmen.<br />

Anm: Prot ist <strong>die</strong> Rotationsperiodes des Neutronensterns, Torb <strong>die</strong> Orbitalperiode<br />

(a in Lichtsekunden ist der Abstand der beiden Sterne).<br />

Die Quelle 4U1820-30 ist ein Burster, <strong>die</strong> im Kern des Kugelsternhaufens NGC<br />

6624 liegt.<br />

4U1627-67 zeigt Röntgen - Flares und hat ein extrem starkes Magnetfeld B12 = 1.<br />

Mit f(M) = 1 × 10 −6 M⊙ und Mc < 0.02M⊙ hat 4U1627-67 seinen Begleiter<br />

fast aufgegessen.<br />

Die Akkretionsrate von 4U1627-67 liegt bei − ˙ Mc = 10 −10 M⊙ yr −1 .<br />

Röntgen Pulsare mit ultra-kurzer Orbitalperiode<br />

3.4.6 Das Relaxationsalter der Kugelsternhaufen<br />

Pulsare mit kurzer Orbitalperiode<br />

PSR Prot Torb a<br />

(J2000) ( s) (min) lts<br />

4U1820-30 11.4 0.38<br />

4U1627-67 7.68 41.4 0.01<br />

1E2259+59 6.98 43.2 0.20<br />

4U1915-05 49.8 1.00<br />

Tab. 3.6: Pulsare (kurze Orbitalperiode)<br />

Wir kennen an echten stellaren Verdichtungen in unserer Galaxis mindestens vier verschiedene Typen.<br />

Diese sind<br />

1. der Bulge<br />

(Gesamtmasse etwa 2 · 10 10 M⊙, Radius etwa 2.5 kpc)<br />

2. <strong>die</strong> Kugelsternhaufen<br />

(etwa 120 im Halo plus weitere 100 in der Korona bekannt),<br />

3. <strong>die</strong> offenen Sternhaufen<br />

(Anzahl etwa 100, z. B. Plejaden, Hyaden).<br />

4. <strong>die</strong> Sternassoziationen<br />

(OB, W-R und T Tauri Assoziationen: etwa 100 sehr junge Objekte sind bisher bekannt).


204 KAPITEL 3. KERNPHYSIK: ALTERSBESTIMMUNG<br />

Der Bulge markiert das Zentrum der Galaxis und ist aus der Fusion von Zwerggalaxien entstanden. Die<br />

Kugelsternhaufen sind eventuell ebenfalls aus Zwerggalaxien entstanden, eine Alternative scheint der<br />

Stoß zweier Galaxien zu sein. Die offenen Sternhaufen werden heute noch in massiven Molekülwolken<br />

geboren. Die offenen Sternhaufen und <strong>die</strong> Kugelsternhaufen unterscheiden sich in Alter und Anzahl<br />

der Sterne.<br />

Typische Werte sind:<br />

und<br />

offener Sternhaufen N = 10 3 ; v = 1kms −1 ; m = 1M⊙; R = 10 pc<br />

Kugelsternhaufen N = 10 6 ; v = 20kms −1 ; m = 0.5M⊙; R = 30 pc<br />

wobei N = 10 6 in der Milchstraße eher eine obere Grenze darstellt.<br />

Die Kugelsternhaufen sind <strong>die</strong> ältesten bisher gefundenen Objekte im Kosmos, daher das grosse Interesse<br />

an ihnen. Um M87 hat man 6000 Kugelsternhaufen entdeckt, viele davon sind bereits aufgelöst.<br />

Die Alter offener Sternhaufen können <strong>die</strong> der jungen Kugelsternhaufen erreichen.<br />

Im Kernbereich des Bulge, mit Radius von 1 kpc, beträgt <strong>die</strong> Masse sogar M = 1 · 10 10 M⊙ (also<br />

N = 10 10 ).<br />

Alle <strong>die</strong>se Objekte sind relaxiert, was aus ihrer kugelförmigen Gestalt folgt und damit liefern sie interessante<br />

Abschätzungen für das Alter des Universums (grössere Strukturen sind dagen nicht relaxiert).<br />

Die standard Literaturformel (Spitzer und Härm, 1958) für <strong>die</strong> Relaxationszeit lautet:<br />

v<br />

τ = fo<br />

3<br />

G2m2n ln(N)<br />

; fo = (3/2) 3/2 /2π (3.35)<br />

Wir wollen <strong>die</strong> wichtigsten Schritte zu ihrer Herleitung skizzieren. Als Näherungsformel wird oft<br />

� �<br />

R N<br />

tRelax =<br />

(3.36)<br />

V 12 ln(N/2)<br />

verwendet. Bei bekannter Entfernung kann der Radius R bestimmt werden, <strong>die</strong> Anzahl der Sterne N<br />

und ihre mittlere Geschwindigkeit v (Dopplereffekt) sind direkt beobachtbar.<br />

• DEFINITION (KING FUNKTION)<br />

Die Massenverteilung wird bei gravischen Systemen wie Kugelsternhaufen durch das King Modell approximiert:<br />

n = no<br />

�<br />

1 + r2<br />

a2 �b<br />

; b = 3β<br />

2<br />

Die originale King Funktion im Phasenraum erhält man aus der Boltzmann Verteilung,<br />

�<br />

1<br />

f(v) = n<br />

πu2 �3/2 �<br />

exp − v2<br />

u2 �<br />

; u 2 = GM<br />

R<br />

indem <strong>die</strong>se bei vesc abgeschnitten wird. Die Entweichgeschwindigkeit ist abhängig vom Ort R und der Masse M<br />

�<br />

2GM<br />

Das liefert<br />

mit<br />

vesc =<br />

R<br />

g(v) = ˜ f(v) − ˜ f(vesc)<br />

1 − ˜ f(vesc)<br />

˜f(v) = e (−v2 /u 2 )<br />

(3.37)<br />

(3.38)<br />

(3.39)<br />

(3.40)


3.4. STERNENTWICKLUNG 205<br />

für den Geschwindigkeitsteil. Der Ortsanteil ist in Übereinstimmung mit der Boltzmann Verteilung,<br />

�<br />

φ(r) − φ(0)<br />

h(r) = exp −<br />

u2 �<br />

Die Gesamtverteilung ist dann<br />

(3.41)<br />

f(r, v) = h(r)g(v) (3.42)<br />

und es ist zu beachten, daß<br />

v 2 esc = −2φ(r)<br />

in g(v) zu setzen ist.<br />

Das Relaxationsalter der Kugelsternhaufen kann mit sehr unterschiedlichem Aufwand abgeschätzt werden.<br />

Es sei f(r, v, t) <strong>die</strong> Verteilungsfunktion der Sterne und n <strong>die</strong> Anzahldichte der Sterne<br />

�<br />

n = f(r, v, t)d 3 v (3.43)<br />

in einem Sternhaufen. Dieser wird aufgrund gravischer Mehrkörper Wechselwirkung im Laufe der Zeit<br />

Kugelgestalt annehmen. Die Streuung von Sternen der Masse m ist analog zur Rutherford Streuung.<br />

Für eine einfache Abschätzung benutzen wir <strong>die</strong> Formel für <strong>die</strong> Stossrate eines Streusterns an n Targetteilchen<br />

pro Volumen, wobei v <strong>die</strong> Relativgeschwindigkeit und σ der Streuquerschnitt ist:<br />

1<br />

= nσv (3.44)<br />

τ<br />

Wir erhalten so als erste grobe Näherung<br />

oder<br />

τ = 1<br />

nσv<br />

= fp<br />

v3 G2m2n ; fp = 1<br />

π<br />

τsc = fqN R<br />

v<br />

; fq = 4<br />

3<br />

wobei sc für single collision steht.<br />

• ZUSATZ (RECHNUNG)<br />

Wie bei der Herleitung der Rutherfordschen Formel gezeigt, sind<br />

und<br />

tan χ<br />

2<br />

∆v<br />

v<br />

∆E<br />

E<br />

= h = α<br />

mv 2 i ρ<br />

= 2 m1<br />

m1 + m2<br />

�<br />

m<br />

= 4<br />

m2<br />

(3.45)<br />

(3.46)<br />

(3.47)<br />

sin(χ/2) (3.48)<br />

� 2<br />

sin 2 (χ/2) (3.49)<br />

eine Parameterdarstellung für Geschwindigkeits- und Energieänderung bei einem einzelnen Stoß. Dabei ist ρ der Stoßparameter,<br />

also der horizontale Abstand der beiden Sterne bei grosser Entfernung.<br />

Für den Streuquerschnitt eines einzelnen Stosses setzen wir σ = 2πρ 2 und für ρ wählen wir den Wert, der eine Ablenkung<br />

um 90 Grad ergibt:<br />

ρ = Gm<br />

v 2 = ρmin (3.50)<br />

Ein solch naher Stoß ist energiereich genug, den Stern aus dem Haufen zu entfernen: ∆E/E = 4. Er <strong>die</strong>nt weiter unten<br />

auch zur Bestimmung von ρmin.<br />

Nach dem Virialsatz würde auch ∆E/E = 1 reichen. Mit dem Virialsatz 2T = U, wobei U = mφ(R) ist, erhalten wir,<br />

N = v2 R<br />

Gm<br />

und mit 4πnR 3 /3 = N schließlich Glchg. (3.46).<br />

(3.51)


206 KAPITEL 3. KERNPHYSIK: ALTERSBESTIMMUNG<br />

Ein Vergleich mit der genaueren Rechnung, Glchg. (3.35) zeigt, daß ein wesentlicher Aspekt, <strong>die</strong> langreichweitiger<br />

Wechselwirkung, nicht berücksichtigt ist: viele kleine Stöße sind effektiver als ein großer.<br />

• ZUSATZ (RECHNUNG)<br />

Bei vielen Stößen mittelt sich allerdings der lineare Geschwindigkeitsbeitrag heraus. Ferner muß über alle Stoßparameter<br />

gemittelt werden. Die Rechnung haben wir bereits bei der Rutherford Streuung durchgeführt. Bei gravischer Wechselwirkung<br />

lautet sie<br />

dE<br />

dt = 4πnG2 m2 1m2<br />

ln B ; B =<br />

v<br />

ρmax<br />

ρmin<br />

Für ρmax wählen wir den Radius des Haufens, ρmax = R, sodaß für den Wert von B zunächst<br />

B = v2R = N<br />

Gm<br />

wobei N <strong>die</strong> Anzahl der Mitglieder ist (m ist <strong>die</strong> Masse eines Einzelsterns, <strong>die</strong> Gesamtmasse beträgt M = mN. Das liefert,<br />

wenn wir für τ <strong>die</strong> Zeit nehmen, in der E verdoppelt wird<br />

τmc = τsc<br />

ln(N)<br />

Die korrekte Antwort erhalten wir, wenn wir auch noch über <strong>die</strong> Verteilung der Sterngeschwindigkeiten mitteln. Der Einfachheit<br />

halber nehmen wir an, daß <strong>die</strong> Verteilungsfunktion einer Boltzmann Verteilung gehorcht. Sie gilt eigentlich nur für<br />

stossdominierte Gase und lautet<br />

�<br />

m<br />

�3/2 fM (v) = n<br />

2πkT<br />

dabei ist n = N/V <strong>die</strong> Anzahldichte und m <strong>die</strong> Masse der Atome (Sterne). Die Normierung verlangt<br />

�<br />

N = V<br />

(3.52)<br />

(3.53)<br />

−m v2<br />

e 2kT (3.54)<br />

fM (v)d 3 v ; d 3 v = 4πv 2 dv (3.55)<br />

Wir vernachläßigen damit, daß Sterne mit mehr als Entweichgeschwindigkeit im Kugelsternhaufen nicht vorkommen und<br />

darüber hinaus ein mögliches Schrumpfen des Haufens.<br />

Die Verteilungsfunktion der Sterne wird gewöhnlich nicht mithilfe einer Temperatur geschrieben. Wir ersetzen 2kT/m →<br />

u 2 und erhalten:<br />

f(v) = n<br />

�<br />

1<br />

πu2 �3/2 �<br />

exp − v2<br />

u2 �<br />

; u 2 = GM<br />

R<br />

Die hier auftretende Größe u schätzen wir mit der Virialgeschwindigkeit ab. Damit gilt dann<br />

(3.56)<br />

d ˙ N = 2πbdbvf(r, v, t)dv (3.57)<br />

� �2 �<br />

� �2 ∆v<br />

2Gm<br />

= 2π bdbvf(r, v) dvdt (3.58)<br />

v<br />

uvb<br />

Die erste Gleichung gibt <strong>die</strong> differentielle Streurate, mit der zweiten erhalten wir das Relaxationsalter, wenn wir ∆v = v<br />

setzen.<br />

Das Ergebnis kann auch anschaulich so formuliert werden:<br />

� �<br />

R N<br />

tRelax =<br />

(3.59)<br />

V 12 ln(N/2)<br />

dabei ist tcross <strong>die</strong> Zeit, <strong>die</strong> der Stern braucht, um den Haufen mit Radius R mit der mittleren Geschwindigkeit<br />

v zu durchqueren.<br />

• BEISPIEL (DAS RELAXATIONSALTER DER KUGELSTERNHAUFEN)<br />

Mit der Umrechnung<br />

1 km s −1 = 1 pc Myr −1<br />

beträgt tcross etwa 3 Myr (mit v = 20 km s −1 und R = 30 pc). Daraus folgt (mit N = 10 5 ) im Extremfall tRelax ≈ 1 Gyr.<br />

Das ist etwa <strong>die</strong> Zeit, <strong>die</strong> man üblicherweise zum Alter der Milchstraße hinzuzählt.<br />

Die 10 10 Sterne im Kernbereich des Bulge (mit Radius von 1 kpc) sind dagegen scheinbar nicht relaxiert. Nimmt man aber<br />

an, daß <strong>die</strong>se durch Verschmelzen von Zwerggalaxien (mit jeweils 10 8 Sternen) entstanden sind, dann ist N = 100 und das<br />

Kriterium erfüllt. Die Zwerggalaxien sind mit 10 8 Sternen ebenfalls relaxiert.<br />

• BEISPIEL (DAS RELAXATIONSALTER DER OFFENEN STERNHAUFEN)<br />

Hier beträgt tcross etwa 20 Myr (mit v = 1 km s −1 und 2R = 20 pc). Daraus folgt (mit N = 10 3 ) tRelax ≈ 0.1 Gyr.


3.4. STERNENTWICKLUNG 207<br />

3.4.7 Das Evaporationsalter der Kugelsternhaufen<br />

Das Evaporationsalter der Kugelsternhaufen erhalten wir aus dem Relaxationsalter, tRelax, wenn wir<br />

denjenigen Anteil ɛ der Boltzmann Verteilung bestimmen, der entweichen kann, N(v > vesc) = ɛN,<br />

mit<br />

vesc =<br />

�<br />

2GM<br />

R<br />

Für <strong>die</strong>sen Anteil ɛ gilt dann<br />

1<br />

N ˙ N = ɛ<br />

tRelax<br />

(3.60)<br />

Das liefert etwa ɛ = 0.01 und damit tEvap = N/ ˙ N = tRelax/ɛ, Computersimulationen liefern genauer<br />

oder<br />

tEvap = 96tRelax<br />

tEvap =<br />

� �<br />

8R N<br />

v ln(N/2)<br />

(3.61)<br />

(3.62)<br />

Für typische offene Sternhaufen in unserer Galaxis findet man tEvap = 3 Gyr, während für <strong>die</strong> massiveren<br />

Kugelsternhaufen tEvap = 100 Gyr gilt.<br />

Kugelsternhaufen liefern mit tcross und tEvap äusserst nützliche Altersindikatoren, da <strong>die</strong>se physikalisch<br />

verstanden sind. Beide Zeiten können als untere und obere Schranke für das Alter der Galaxis und<br />

damit auch für das Universum genommen werden.<br />

• BEISPIEL (DAS EVAPORATIONSALTER DER OFFENEN STERNHAUFEN)<br />

Hier beträgt tEvap mit unseren Daten 10 Gyr. Viele Haufen (mit N < 10 3 ) sind damit bereits verdampft.<br />

• ZUSATZ (MÖGLICHE HERKUNFT: ZWERGGALAXIEN)<br />

Eine bedeutsame Entdeckung hat aufgezeigt, wie <strong>die</strong> Herkunft der Kugelsternhaufen geklärt werden könnte. Die Sagittarius<br />

Zwerggalaxie befindet sich (von der Erde aus gesehen) hinter dem Galaktischen Zentrum und ist senkrecht zur Galaktischen<br />

Ebene elongiert, was dahingehend gedeutet wird, daß <strong>die</strong>se Zwerggalaxie von der Milchstraße zerrissen wird.<br />

Es zeigt sich, daß <strong>die</strong> Kleine Maghellansche Wolke (Entfernung 57 kpc) ähnlich in ihren spektroskopischen Eigenschaften<br />

ist. Skaliert man <strong>die</strong> Sagittarius Zwerggalaxie um 1.6 mag, so ergibt sich eine gute spektroskopische (Horizontalast, Roter<br />

Klumpen) Übereinstimmung und damit eine Entfernung für <strong>die</strong> Sagittarius Zwerggalaxie von 24 kpc.<br />

Weitere Daten zur Sagittarius Zwerggalaxie:<br />

1. Entfernung 24 kpc.<br />

2. Die heliozentrische Radialgeschwindigkeit beträgt +140 km s −1 .<br />

3. Die Leuchtkraft wird mit MV ≈ −13 mag. angegeben.<br />

4. Die mittlere (auf <strong>die</strong> Sonne bezogene) Metallizität [Fe/H] beträgt −1.4.<br />

5. Die Sagittarius Zwerggalaxie enthält mehrere Sternpopulationen.<br />

6. Der Kern der Sagittarius Zwerggalaxie ist M54.<br />

7. Drei diskrete Sternpopulationen können unterschieden werden.<br />

8. Der Altersunterschied der diskreten Sternpopulationen beträgt 3 Gyr.<br />

Die massivsten Kugelsternhaufen sind ω Cen (Nr 1) und M54 (Nr 2).<br />

Der massivste Kugelsternhaufen, ω Cen, enthält 4 diskrete Sternpopulationen mit Metallhäufigkeiten, <strong>die</strong> jeweils um etwa<br />

dex(0.3) wachsen: z1 = 0.4dex(−3), z2 = 1dex(−3), z3 = 2dex(−3) und z4 = 5dex(−3). Der Altersunterschied der 4<br />

Sternpopulationen beträgt 2 Gyr.<br />

Weitere Daten zu Kugelsternhaufen ω Cen:<br />

1. Entfernung 4.8 kpc.<br />

2. Daten anhand von 130 000 Sternspektren.<br />

3. ω Cen, NGC 6522 und NGC 6528 durchqueren gerade <strong>die</strong> galaktische Ebene.


208 KAPITEL 3. KERNPHYSIK: ALTERSBESTIMMUNG<br />

Lit.<br />

Ibata et al. Nature 370, 194 (1994) ’A dwarf satellite galaxy in Sagittarius’.<br />

Y.W. Lee et al. Nature 402, 55 (1999) ’Multiple stellar populations in ω Cen’.<br />

• ZUSATZ (MÖGLICHE HERKUNFT: ZWERGGALAXIEN)<br />

Eine Bestätigung <strong>die</strong>ser Entdeckung (Herkunft der Kugelsternhaufen aus Zwerggalaxien) folgt aus der Interpretation neuerer<br />

Daten von Hipparcos. Anhand sehr genau vermessener 3D Eigengeschwindigkeiten konnte bei etwa 100 besonders<br />

alten (nämlich Sternen mit [Fe/H] < −1.6dex eine Zusammengehörigkeit (über numerische Simulation) festgestellt werden.<br />

Zwei Sterströme konnten identifiziert werden mit 9 bzw. 3 Mitgliedern. Die Bahndaten sind wie folgt: rapo = 16 kpc<br />

und rperi = 7 kpc, mit einer Periode von 0.4 Gyr. Die maximale Höhe über der Galaktischen Ebene beträgt 13 kpc. Beide<br />

Ströme bewegen sich in entgegengesetzter Richtung und machen 10% an Masse der Sonnen nahen Halo Sterne aus. Läßt<br />

man <strong>die</strong>se Ströme zeitlich rückwärts fließen, so ergibt sich ein gemeinsamer Ursprung nach 10 Gyr. Die Simulation ergibt,<br />

mit einer Geschwindigkeitsdispersion von 15 km s −1 und einem Kern Radius von 0.5 kpc, eine Zwerggalaxie mit einer<br />

Leuchtkraft von 10 7 L⊙ und einer Masse von 10 8 M⊙.<br />

Lit.<br />

A. Helmi et al. Nature 402, 53 (1999) ’Debris streams from the formation of MW’.<br />

3.4.8 Das Alter des Universums<br />

Zu ✛Beginn<br />

des 20ten Jahrhunderts ✘ sah ein kosmologisch konsistentes Modell des Universums wie<br />

folgt aus: Das Alter betrug etwa 0.1 Gyr, <strong>die</strong> Masse bestenfalls einge 10<br />

The Lord made the universe<br />

but Baade doubled it.<br />

Anon<br />

✚<br />

✙<br />

6<br />

Sonnenmassen und der Radius war mit 1 kpc am weitesten von den heutigen<br />

Werten entfernt. Dieses Kapteynsche Insel Universum reichte nur bis<br />

zu den nächsten Molekülwolken. Die Sonne und ihre Planeten waren (nach<br />

den Theorien von Kant und Laplace) einheitlich aus einem kalten Urnebel entstanden, mit der heutigen<br />

Häufigkeit der chemischen Elemente. Die Sonne bezog ihre Leuchtkraft (in der letzten Version<br />

vor Entdeckung der Kernfusion nach Eddington) in Erweiterung der Überlegungen von Kelvin und<br />

Helmholtz, aus der Akkretion von Kometen. Das Universum selbst war statisch (und je nach Autor<br />

endlich oder unendlich ausgedehnt), damit entfiel <strong>die</strong> Frage nach seinem Anfang. Auch das ’steady<br />

state’ Universum hat keinen Anfang und kein Ende. Materie muß in ihm ständig nachgeliefert werden<br />

(im inflationären Universum ist das nur einmal nötig).<br />

Wir wollen im folgenden beschreiben, wie <strong>die</strong> Allgemeine Relativitätstheorie zu einer Altersabschätzung<br />

des Kosmos führt.<br />

Die Einsteinsche Kosmologie<br />

Mit kosmologischer Konstante (oder Vakuumenergie) lautet der Energiesatz für <strong>die</strong> Metrik des Kosmos<br />

wie folgt:<br />

� �2 ˙a<br />

= −k<br />

a<br />

� �<br />

c 2<br />

a<br />

+ 8πG<br />

(ρ + Λ) (3.63)<br />

3<br />

oder (in geometrischen Einheiten geschrieben und geordnet nach Potenzen von a)<br />

− Egr = Evak + Egeo + Epot<br />

Für das Alter des Universums haben <strong>die</strong> Terme auf der rechten Seite unterschiedliche Bedeutung, da<br />

sie von unterschiedlichen Potenzen von a abhängen:<br />

˙a 2 = (Λa 2 − k) c2<br />

�<br />

8πG ao a<br />

+ ρo + ɛo<br />

3 3 a 2 o<br />

a2 �<br />

(3.64)<br />

Der frühe Kosmos wird von den Termen ganz rechts, der späte von den Termen links dominiert. Eine<br />

mögliche kosmologische Konstante bestimmt demnach ausschließlich unsere Zukunft.


3.4. STERNENTWICKLUNG 209<br />

Läßt man einmal eine mögliche kosmologische Konstante Λ außer Betracht (s.u.), dann ist das heutige<br />

Universum (Friedmann–Lemaître Modell) durch zwei unabhängige Messungen dynamisch vollständig<br />

bestimmt: <strong>die</strong> Dichte ρo und das Alter to. Nimmt man <strong>die</strong> chemische Zusammensetzung hinzu (Kernfusion<br />

im frühen Universum), dann ist das Modell sogar überbestimmt (und damit verifizierbar im Sinne<br />

von Popper).<br />

Den Hubble Expansionsparameter H und <strong>die</strong> kritische Dichte des Universums haben wir wie folgt<br />

definiert:<br />

H = ˙ R<br />

R<br />

; ρc = 3<br />

8πG H2<br />

; Ω = ρ<br />

ρc<br />

= 8πG<br />

3 ρH−2<br />

(3.65)<br />

Die beide Grundgrößen, H und ρ sind für ein expan<strong>die</strong>rendes Universum zeitabhängig; trotzdem wird,<br />

etwas missverständlich, Ho = H(heute) Hubble Konstante genannt. Die Aussage Ω = 1 ist zeitunabhängig,<br />

sonst gilt Ω = Ω(t). Die Beobachtung, daß für unser Universum heute Ω(to) ≈ 1 gilt, wird<br />

allgemein als Problem angesehen, flatness problem.<br />

• DEFINITION (EINHEITEN DER HUBBLE KONSTANTEN)<br />

Als Einheiten wählt man gewöhnlich für <strong>die</strong> Geschwindigkeit v 100 km s −1 und für <strong>die</strong> Entfernung l das Mpc, sodaß<br />

H = v/l <strong>die</strong> Einheit<br />

H100 ≡ 100 km s −1 Mpc −1 = 3.3 · 10 −18 h s −1 (3.66)<br />

hat. Es ist dann üblich (H = Ho der Wert heute)<br />

H = h H100 = Ho<br />

zu definieren, sodaß h der dimensionslose Wert für H ist. In Zahlen: (Alter)<br />

und (Radius)<br />

1<br />

H = 19.56(2h)−1 Gyr = 6 · 10 17 (2h) −1<br />

c<br />

H = 6(2h)−1 Gpc = 1.85 · 10 28 (2h) −1<br />

Die einfachsten Fälle sind:<br />

1. das flache Universum, Ω = 1, Einstein - de Sitter Kosmos<br />

to = 2<br />

3 H−1<br />

o = 6.7 Gyr ; a = ao(t/to) 2/3<br />

(3.67)<br />

s (3.68)<br />

cm (3.69)<br />

Die Dichte ist hier also gleich der kritischen Dichte und Ω = 1 = const. gilt für alle Zeiten.<br />

2. das leere Universum, Ω = 0, Milne - Schücking Kosmos<br />

(3.70)<br />

to = H −1<br />

o = 20/(2h) Gyr ; a = ct (3.71)<br />

Es kann als Grenzfall ρ → 0 aus dem Euklidischen Raum durch rein kinematische Transformation<br />

erhalten werden. Ω = 0 = const. gilt (wie Ω = 1) ebenfalls für alle Zeiten.<br />

Wenn man bereits weiß, daß das Universum flach ist (z. B. aus einer Theorie wie der der Inflation), dann<br />

benötigt man nur eine einzige Messung, um das Universum auszumessen. Diese Größe ist naturgemäß<br />

<strong>die</strong> Hubble Konstante, da sie nur sichere Frequenzmessungen mit (zZ noch) unsicheren Entfernungsmessungen<br />

benötigt; zur Bestimmung der Dichte muß auch noch <strong>die</strong> Masse (innerhalb einer gegebenen<br />

Entfernung) ’gewogen’ werden.


210 KAPITEL 3. KERNPHYSIK: ALTERSBESTIMMUNG<br />

Es ist üblich, kosmologische Entfernungen in Einheiten von Mpc anzugeben und Geschwindigkeiten<br />

in 100 km/s. Umgerechnet liefert das in <strong>die</strong>sen Einheiten für 1/H gerade 20 Gyr als Zeiteinheit für<br />

2h = 1.<br />

Das Alter des Universums ist im flachen Universum (mit kritischer Dichte, Ω = 1)<br />

to = 2<br />

3 H−1 o = 2R<br />

3 ˙ R<br />

1<br />

= 20 Gyr (3.72)<br />

3h<br />

wenn wir mit h den aktuellen Wert von H in obigen Einheiten messen.<br />

Mit 2h = 1 und Ω = 1 gilt: das Alter des Universums ist etwa 14 Gyr und das ist <strong>die</strong> ✛untere<br />

Gren- ✘<br />

ze für das Alter seiner ältesten Objekte. Für <strong>die</strong> Verfechter von h = 1 gilt dage-<br />

Hubble double,<br />

gen (zum merken) nebenstehender Spruch aus der New York Times. Dieser gilt auch<br />

world in trouble!<br />

noch für ein nahezu leeres Universum. Beeindruckend ist zur Zeit aber nicht etwa N.Y. Times<br />

eine kleine Diskrepanz der verschiedenen Alter, sondern <strong>die</strong> größenordnungsmäßige ✚ ✙<br />

Übereinstimmung.<br />

Eine einzige Beobachtung, etwa von Objekten eines Alters von 30 Gyr, würde allerdings <strong>die</strong>ses schöne<br />

Bild zerstören!<br />

Die kosmologische Konstante<br />

Die Friedmannschen Gleichungen lauten im Original<br />

� 2<br />

�<br />

′ a<br />

3<br />

a<br />

2 a′′<br />

a +<br />

�<br />

′ a<br />

a<br />

� 2<br />

� �2 1<br />

+ 3k<br />

a<br />

� �2 1<br />

+ k<br />

a<br />

= ˆκɛ (3.73)<br />

= −ˆκp (3.74)<br />

Für das Alter des Universums haben heute nur <strong>die</strong> folgenden Terme (auf der rechten Seite der Friedmannschen<br />

Gleichungen) Bedeutung, da sie <strong>die</strong> höchsten Potenzen von a enthalten:<br />

˙a 2 = (Λa 2 − k) c2<br />

3<br />

+ 8πGρo<br />

3<br />

ao<br />

a<br />

(3.75)<br />

Eine mögliche kosmologische Konstante bestimmt demnach ausschließlich unsere Zukunft. Ein solches<br />

Friedmann-Lemaître Universum wurde schon einmal ernsthaft diskutiert.


Kapitel 4<br />

Thermodynamik: Temperatur<br />

4.1 Überblick<br />

4.1.1 Leuchtkraft und Temperatur<br />

kosmischer Objekte<br />

Nach Entfernung, Masse und Alter (c, g, s) kommen wir nun zum zentralen Thema der <strong>Astrophysik</strong>:<br />

zur Bestimmung der Temperatur T und – damit eng verbunden– zur Leuchtkraft L kosmischer Objekte.<br />

Hauptsächlich werden wir <strong>die</strong> Leuchtkraft der Sterne und der interstellaren Materie (ISM) betrachten,<br />

da nur bei <strong>die</strong>sen Objekten bisher <strong>die</strong> Erzeugung hinreichend gut verstanden ist.<br />

Die Grundlage zum Verständnis ist das Plancksche Gesetz der Wärmestrahlung. Es enthält eine einzige<br />

Größe, <strong>die</strong> Temperatur T , und liefert <strong>die</strong> Intensität der Wärmestrahlung B = B(T ) und ihre<br />

Spektralverteilung Bν(T ). Die Gesamtstrahlungsrate liefert, vermittels der Relation<br />

Φ = πB (4.1)<br />

wobei Φ <strong>die</strong> Flächenhelligkeit (der Strahlungsstrom an der Oberfläche des Strahlers in Normalenrichtung)<br />

ist, das (schon vor Planck gefundene) Stefan-Boltzmann Gesetz der Schwarzkörperstrahlung:<br />

Φ = σT 4<br />

T ist <strong>die</strong> Temperatur und σ <strong>die</strong> Stefan-Boltzmann Konstante, mit dem Wert σ = 5.67 · 10 −05 erg s −1<br />

cm −2 K −4 .<br />

Die Energiedichte der Strahlung (im Innern des Hohlraums) ist u und es gilt<br />

u = aT 4<br />

(4.2)<br />

; B = c<br />

c<br />

u ; Φ = u (4.3)<br />

4π 4<br />

mit der Strahlungsenergiedichte-Konstante<br />

a = π2 k 4<br />

15¯h 3 c 3 = 7.56 · 10−15 erg cm −3 K −4<br />

Die Strahlungsverlustrate eines Sterns heißt Leuchtkraft, L und wird historisch in Magnituden (neuerdings<br />

auch in Jansky) gemessen.<br />

Es gilt, mit R : Radius und 4πR 2 : Oberfläche des Sterns<br />

L = 4πR 2 Φ = πcR 2 u (4.5)<br />

• ANMERKUNG (DIE STRAHLUNGSDICHTE DER MILCHSTRASSE)<br />

Anstelle eines Sterns kann man auch eine ganze Galaxie betrachten. So hat <strong>die</strong> Milchstraße etwa eine Leuchtkraft von<br />

LGal = 10 10 L⊙ (bei 10 11 Sternen). Mit R = 10 kpc Radius liefert das u = 10 −12 erg cm −3 , oder zum Merken:<br />

211<br />

(4.4)


212 KAPITEL 4. THERMODYNAMIK: TEMPERATUR<br />

u = 10 −12 erg cm −3 = 1 eV cm −3 .<br />

Dieser Wert für eine Energiedichte kommt merkwürdigerweise gleich mehrfach in der Milchstraße vor.<br />

1. Die kosmische Hintegrundstrahlung z. B. hat 420 Photonen im cm 3 von etwa 1/2000 eV, also uCB = 0.25 eV cm −3 .<br />

Sternenlicht und Hintegrundstrahlung haben aber sicher nichts gemeinsam.<br />

2. Nimmt man <strong>die</strong> <strong>Teil</strong>chenzahldichte des Kosmos zu n = 10 −6 cm −3 , dann hat auch <strong>die</strong> Elektronenkomponente <strong>die</strong>se<br />

Ruhmassenenergie (1/2 MeV pro Elektron).<br />

3. Das galaktische Magnetfeld hat eine Stärke von etwa 3 µGauss, <strong>die</strong> Energiedichte beträgt damit ebenfalls u =<br />

B 2 /8π = 10 −12 erg cm −3 .<br />

4. Hiermit ebenfalls vergleichbar, <strong>die</strong>smal verständlicherweise, ist <strong>die</strong> Energiedichte der kosmischen Strahlung.<br />

Die beiden letzten Grössen sind über den Virialsatz für <strong>die</strong> Elektronenkomponente der Milchstraße gekoppelt:<br />

uel = mγc 2 nel = umag = 1<br />

8π B2<br />

An der Oberfläche eines Sterns (oder einer Galaxie) beträgt der Strahlungsfluß<br />

F (R) = Φ = L<br />

4πR 2<br />

Für einen Beobachter im Abstand D kommt davon<br />

f = L<br />

4πD 2<br />

an Strahlungsfluß an. Die Leuchtkraft, L, kann also nur bestimmt werden, falls <strong>die</strong> Entfernung zur<br />

Quelle bekannt ist. Anders <strong>die</strong> Temperatur. Für Quellen, deren Öffnungswinkel<br />

Ω ∗ = π<br />

� �2<br />

R<br />

D<br />

bestimmt werden kann, gilt für den Fluß am Ort des Beobachters<br />

f = F (D) = π<br />

(4.6)<br />

(4.7)<br />

(4.8)<br />

(4.9)<br />

� �2<br />

R 1<br />

D π Φ = Ω∗I (4.10)<br />

Der Quotient Φ/Ω ∗ ist entfernungsunabhängig und aus bekanntem f und Ω ∗ kann Φ und damit T<br />

bestimmt werden.<br />

Damit sind wir zu folgendem Ergebnis gelangt:<br />

Aus dem gemessenem Fluß f = F (D) einer Quelle kann ihre Temperatur bestimmt werden,<br />

falls sie auflösbar ist, Ω ∗ > 0; zur Bestimmung der Leuchtkraft L muß <strong>die</strong> Entfernung<br />

bekannt sein.<br />

Für <strong>die</strong> Beobachtung wichtig ist dabei der folgende Aspekt: <strong>die</strong> Existenz einer Quelle kann sich direkt<br />

manifestieren in der Strahlung, <strong>die</strong> sie erzeugt, oder aber indirekt, indem ein vor einer hellen Quelle<br />

gelegenes dunkles Objekt Strahlung der Hintergrundquelle absorbiert. Extreme Beispiele sind <strong>die</strong><br />

Dunkelwolken der Milchstraße.<br />

• ANMERKUNG (BEITRAG DER ERDATMOSPHÄRE)<br />

Die Säulenmasse der Erdatmosphäre beträgt 1033 g pro cm 2 (was einer Wassersäule von 10 Meter Höhe im Gravitationsfeld<br />

der Erde entspricht). Die Säulendichte der Erdatmosphäre beträgt damit (umgerechnet auf N2 und O2) insgesamt<br />

N⊕ = 2 · 10 25<br />

cm −2<br />

Für kleine Frequenzen gilt <strong>die</strong> von Rayleigh 1899 gefundene Formel (Abendrot und Himmelsblau)<br />

� �4 � �4 ω λo<br />

σ = σT = σT<br />

λ<br />

ωo<br />

(4.11)


4.1. ÜBERBLICK 213<br />

Bis zum Zentrum der Galaxis gilt (für H und H2)<br />

NGal ≈ 10 23<br />

cm −2<br />

Das reicht bei weitem nicht aus Exitinktion und Rötung des Sternenlichts bei seinem Weg durch <strong>die</strong> Milchstraße quantitativ<br />

zu erklären. Notwendig ist demnach eine weitere Komponente der ISM: Staub der richtigen Größe.<br />

• ANMERKUNG (BEITRAG STAUB IN DER MILCHSTRASSE)<br />

Einer relativen Massenhäufigkeit (bezogen auf <strong>die</strong> Gaskomponente) von XStaub = 0.01 entspricht eine numerische<br />

Häufigkeit von YStaub = 10 −13 , also etwa nStaub = 10 −12 cm −3 . Das ist ein Staubteilchen pro (100 m) 3 . Der Radius<br />

s eines Staubkorns liegt zwischen einigen 0.1 bis zu 1 µ. Streuung und Absorption werden mit der Mieschen Theorie modellmäßig<br />

beschrieben. Als Ergebnis ergibt sich der geometrische Querschnitt, korrigiert für <strong>die</strong> Wellenlängenabhängigkeit<br />

(ähnlich der Rayleigh Streuung):<br />

σStaub = πs 2 � s<br />

�4 πs 2<br />

λ<br />

; λ > s (4.12)<br />

; λ < s<br />

Damit wird optische Strahlung über den geometrischen Querschnitt vollständig absorbiert und bei größeren Wellenlängen<br />

wieder abgestrahlt (Rötung mit Entropievergrößerung!).<br />

Die Emission, d. h. <strong>die</strong> Leuchtkraft von Staub, L, ist im optisch dünnen Fall gegeben durch <strong>die</strong> Summe, NStaub =<br />

nV YStaub, aller Einzelstrahler im Volumen V . Ein Staubkorn strahlt genähert wie ein Planckscher Strahler, l = 4πs 2 σT 4 .<br />

4π<br />

LStaub = (nYStaub<br />

3 R3 )(4πs 2 σT 4 Staub) < 4πR 2 σT 4 Staub<br />

Die Leuchtkraft L aus dem Volumen V = (4π/3)R 3 ist dabei begrenzt durch <strong>die</strong> Strahlungsformel für den schwarzen<br />

Körper (der optisch dicke Fall).<br />

Weitere Möglichkeiten, <strong>die</strong> bekannt sind, können zum zeitweisen völligen Verschwinden der Quelle<br />

führen (Interferenz bei Pulsaren, extrem in dem Kugelsternhaufen 47Tuc) oder zu so grosser Verstärkung,<br />

wie im Falle von Gravitationslinsen (oder Pulsaren), daß <strong>die</strong> Quelle ohne <strong>die</strong>se Fokussierung bzw.<br />

Verstärkung nicht nachweisbar wäre.<br />

4.1.2 Das Spektrum der Linien<br />

Die Geschichte der Spektroskopie ist einerseits <strong>die</strong> Geschichte des Lichts und der Quantenmechanik,<br />

andererseit <strong>die</strong> Geschichte des experimentellen und technologischen Fortschritts der Optik (und verwandter<br />

Gebiete).<br />

• ANMERKUNG (DUALISMUS WELLE - KORPUSKEL IN DER QUANTENMECHANIK)<br />

Ein diskretes Linienspektrum der Materie ist klassisch vollkommen unverständlich (natura non fecit saltus). Erst <strong>die</strong> Quantenmechanik<br />

liefert eine vollständige, widerspruchsfreie Beschreibung, <strong>die</strong> sich jedoch klassischen Denkvorstellungen<br />

weitgehend entzieht. Licht ist beides: Korpuskel (ein Photon beteiligt) im Photoeffekt (Einstein, 1905) oder Welle (Maxwellsche<br />

Theorie der Elektrodynamik, viele Photonen beteiligt) im Hertzschen Dipol. Auf Hertz geht dabei sowohl <strong>die</strong><br />

Entdeckung, besser Realisierung, elektromagnetischer Wellen (am 13.11.1886) als auch <strong>die</strong> (zufällige) Entdeckung des<br />

Photoeffekts (1887) zurück. Erklärt wurde <strong>die</strong>ser erst von Einstein.<br />

Grundsätzlich wird im atomaren Prozeß ein einzelnes Photon mit Spin ¯h emittiert. Erst viele Photonen, emittiert von vielen<br />

Atomen, liefern das klassische Bild einer Kugelwelle, deren Amplitude nach außen so abnimmt, daß der Fluß durch eine<br />

Kugelfläche konstant ist.<br />

Die Spektroskopie beginnt mit der Zerlegung des Sonnenlichts im Prisma. Neben dem Prisma sind<br />

Regenbogen und Farben dünner Plättchen Phänomene, <strong>die</strong> zu erklären sind. Hiermit beginnt <strong>die</strong> Kontroverse<br />

nach der korrekten Beschreibung von Licht: ist es seiner Natur nach Welle oder Korpuskel.<br />

Klassisch schließen sich beide Beschreibungen gegenseitig aus. Wichtige Theorien stammen von Newton<br />

(Korpuskel) einerseits und von Hooke und Huygens (Welle) andererseits.<br />

(4.13)


214 KAPITEL 4. THERMODYNAMIK: TEMPERATUR<br />

Robert Hooke (1635 - 1703) erklärt Licht als transversale Welle. Er schreibt 1665 in ’Micrographia’,<br />

daß seine Theorie ist ’capable of explicating all the phenomena of colors, but of all that are in<br />

the world.’<br />

Christian Huygens (1629 - 1695) begründet <strong>die</strong> Wellentheorie des Lichts, niedergelegt in ’Traité de<br />

la lumière’, Paris (1690). (In Anerkennung der früheren Ideen von Par<strong>die</strong>s und Hooke). Damit<br />

das Licht sich in einem Medium fortpflanzen kann, führte Huygens den elastischen Äther ein.<br />

Über <strong>die</strong> Entstehung der Farben schweigt er sich aus. Das nach ihm benannte Prinzip wurde von<br />

Kirchhoff 1882 streng mathematisch gefasst.<br />

Isaac Newton (1643 - 1727) erkärt dagegen Licht als Korpuskel (welche von Materie angezogen<br />

werden und findet dementsprechen keine befriedigende Lösung für <strong>die</strong> Beugung). Er zerlegt<br />

1672 als erster weißes Licht in Farben mit Hilfe eines Prismas und er schreibt 1672 (in Phil.<br />

Trans. 6, 3075)<br />

’. . . that light itself is a heterogeneous mixture of differently refrangible rays.’<br />

Nach Newton sollte (wegen der Anziehung) <strong>die</strong> Lichtgeschwindigkeit im Medium größer sein<br />

als in Luft. Er nahm an, daß <strong>die</strong> Farben durch <strong>die</strong> Größe der Korpuskel bewirkt werde: der roten<br />

Farbe entsprachen <strong>die</strong> größten <strong>Teil</strong>chen, der gelben Farbe mittlere und schließlich der blauen <strong>die</strong><br />

kleinsten <strong>Teil</strong>chen.<br />

• ANMERKUNG (DUALISMUS WELLE - KORPUSKEL HISTORISCH)<br />

Mit seiner Theorie stellt Newton sich ganz bewusst gegen Hooke und Huygens. Vom damaligen Standpunkt aus betrachtet<br />

waren beide unbefriedigend: Huygens konnte <strong>die</strong> Farben, Newton <strong>die</strong> ihm bereits bekannte Interferenz und Beugung nicht<br />

erklären.<br />

Trotz beeindruckender Arbeiten von Arago, Malus, Young und Fresnel zur Wellennatur des Lichts, blieb <strong>die</strong> Newtonsche<br />

Vorstellung (begründet durch seine Autorität auf dem Gebiet der Gravitation) vorherrschend unter den Physikern.<br />

Das experimentum crucis konnte erst 1850 durchgeführt werden, als Fizeau und Foucault erstmals <strong>die</strong> Wellengeschwindigkeit<br />

des Lichts in Materie messen konnten. Sie fanden v < c. Damit war gezeigt, daß <strong>die</strong> Newtonsche Vorstellung falsch<br />

war. Michelson (1852 -1931) konnte mit einer verbesserten Foucaultschen Versuchsanordnung sogar <strong>die</strong> Dispersion der<br />

Lichtgeschwindigkeit (in Schwefelkohlenstoff) bestimmen.<br />

Da man sich <strong>die</strong> Ausbreitung von Licht im Vakuum nicht vorstellen konnte und da <strong>die</strong> Fresnelsche Deutung der Polarisation<br />

transversale Lichtwellen forderte, wurde ein hypothetischer elastischer Äther eingeführt, in dem solche Wellen sich<br />

ausbreiten konnten. Maxwell begründete bereits (mithilfe <strong>die</strong>ses elastischen Äthers) 1860 seine Lichttheorie. Diese etwas<br />

absurde Vorstellung wurde endgültig erst durch den Versuch von Michelson 1881 ad acta gelegt. Bis dahin versuchte man,<br />

<strong>die</strong> Eigenschaften des Äthers experimentell zu finden und mathematisch zu formulieren.<br />

Die Arbeiten von Hertz zeigten dann experimentell <strong>die</strong> Richtigkeit der Maxwellschen Theorie und das gesamte Gebiet der<br />

optischen Erscheinungen wurde damit <strong>Teil</strong> der Elektrodynamik. Hertz und Heaviside zeigten dann aber, daß ein elastischer<br />

Äther unnötig ist zur Ausbreitung der Wellen, Vakuum genügt. Vakuum bedeutet dabei, daß das elektromagnetische Feld<br />

kontinuierlich ist wie der Raum, in dem es existiert.<br />

Lorentz (Minkowski, Poincaré) und insbesondere Einstein entdeckten dann ein zusätzliches Phänomen der Maxwellschen<br />

Theorie: <strong>die</strong> Konstanz der Lichtgeschwindigkeit. Experimentell wurde <strong>die</strong>s von Michelson bestätigt. Zusammen mit Morley<br />

findet er (seit 1881 in immer wieder verbesserten Experimenten), daß im Vakuum <strong>die</strong> Lichtgeschwindigkeit unabhängig<br />

von der (Erd)Bewegung ist.<br />

Neben den integralen Parametern Leuchtkraft und Temperatur sind diskrete Werte im Spektrum wichtig<br />

(der Fingerabdruck kosmischer Objekte). Das Plancksche Strahlungsgesetz ist streng nur für den<br />

idealen schwarzen Körper gültig und damit auf realistische Körper nur näherungsweise anwendbar.<br />

Insbesondere zeigen Sterne eine markante Abweichung von <strong>die</strong>sem Verhalten, da sie ein Linienspektrum<br />

besitzen. Die Kenntnis von der Existenz von Linien im Spektrum der Sonne reicht bis an den<br />

Anfang des 19. Jahrhunderts (Fraunhofer) zurück.<br />

Frequenz (Energie), Breite (Temperatur und Dichte der Umgebung) und Intensität (Häufigkeit und<br />

Dichte des Elements) verschiedener Linien erlauben es, ein detailliertes Bild von den Verhältnissen der<br />

Umkehrschicht zu erhalten.


4.1. ÜBERBLICK 215<br />

• BEISPIEL (ABSORPTION DER ERDATMOSPHÄRE)<br />

Die Fraunhofer Linien A (λ = 7593.8 ˚A), a (λ = 7184.5 ˚A) und B (λ = 6867.2 ˚A) sind terrestrischen Ursprungs (Erdatmosphäre)<br />

und gehören in <strong>die</strong>ser Reihenfolge zu O2, H2O, und O2.<br />

Was für uns heute selbstverständlich (und lebenswichtig) ist, daß nämlich <strong>die</strong> Atmosphäre der Erde aus Molekülen (und<br />

Atomen) besteht, <strong>die</strong> durch ihre Absorption vor der energiereichen UV Strahlung der Sonne schützen, war selbst zu Beginn<br />

des 20ten Jahrhunderts noch völlig unbekannt: viele Physiker leugneten sogar <strong>die</strong> Existenz der Atome, da sie nicht nachweisbar<br />

seien. Ernst Mach etwa behauptete (ganz im Sinne des Positivismus): ’Atome gibt es nicht. Oder haben Sie schon<br />

einmal eins gesehen.’ Dies war <strong>die</strong> Mehrheitsmeinung der Physiker (Max Planck eingeschlossen). Bedeutende Ausnahmen<br />

bei den Physikern waren allerdings, beginnend mit Clausius (1857) und neben Faraday (1791 - 1967) und Maxwell, <strong>die</strong><br />

Begründer der statistischen Thermodynamik Ludwig Boltzmann und James Jeans. Die bedeutenden Arbeiten (1738) von<br />

Daniel Bernoulli zum Atomismus waren da längst vergessen.<br />

Die Chemiker waren da anderer Meinung. John Dalton bestimmte 1803 als erster das Gewicht der Atome. Er bezog sich<br />

dabei auf eine Idee, <strong>die</strong> Antoine Lavoisier (1743 - 1794) geäussert hatte. Von Avogadro (1776 - 1856) stammt der Begriff<br />

Molekül.Er fand erstmals <strong>die</strong> nach ihm benannten Anzahl der Moleküle im Volumen, bei gleichem Druck und gleicher<br />

Temperatur.) waren hier den Physikern weit voraus, deshalb heißen <strong>die</strong> Atome letzten Endes zu Recht chemische Elemente.<br />

Dabei gab es, abgesehen von der (diskreten) Absorption in der Erdatmosphäre (also der Luft) bereits<br />

genügend Beispiele vom Gegenteil, d. h. der diskreten Natur der Materie. Wir erwähnen als frühestes<br />

Beispiel <strong>die</strong> Fraunhoferschen Dunkellinien im Spektrum der Sonne (und dabei besonders <strong>die</strong> winzige<br />

Aufspaltung der Na D-Linie).<br />

• BEISPIEL (FRAUNHOFER: LINIEN-ABSORPTION)<br />

Das älteste Beispiel für diskrete Linienabsorption sind <strong>die</strong> Fraunhoferschen (Dunkel) Linien im Spektrum der Sonne. (J.<br />

Fraunhofer; 1817 in: Ann.d. Physik 56, 264). Die Frage nach der Natur des Lichts wird damit noch komplizierter, als sie<br />

ohnehin schon ist. Was kann hier diskret sein? Die moderne Antwort, in den Worten Einsteins (1905), lautet<br />

Das Licht besteht aus Energiequanten, genannt Photonen, <strong>die</strong> sich mit Lichtgeschwindigkeit fortbewegen.<br />

Damit ist allerdings nur <strong>die</strong> Hälfte der Frage beantwortet, da Photonen auch erzeugt (oder, wie bei Dunkellinien, vernichtet)<br />

werden müßen. Die andere Hälfte liefert das Bohrsche Atommodell (1913), s. u., mit seinen Regeln.<br />

Daß Fraunhofer der erste war, der solche Dunkellinien im Spektrum der Sonne nachweisen konnte, war sein eigenes Ver<strong>die</strong>nst:<br />

er konnte Prismen und Linsen besser als jeder andere zu seiner Zeit herstellen und bearbeiten (Reinheit und Schleifen<br />

von Glas). Die Zerlegung des Sonnenlichts in seine Spektralfarben vermittels eines Prismas war bereits von Newton<br />

untersucht worden. Linien traten dabei aber noch nicht auf.<br />

Heute kennt man bei der Sonne etwa 1 Million Linien, von denen gut 70% identifiziert sind.<br />

Es dauerte dann (nach Fraunhofers Leistung) fast 50 Jahre, bis Kirchhoff (Physiker) und Bunsen (Chemiker)<br />

in der Lage waren, zu zeigen, daß <strong>die</strong> Linien der Sonne mit denen terrestrischer Elemente identisch<br />

waren. Ermöglicht wurde <strong>die</strong>s durch <strong>die</strong> Reinheit des verwendeten Brenners und der verwendeten<br />

Chemikalien (Na ist wegen seiner Häufigkeit und seiner niedrigen Anregungsenergie überall):<br />

Zehn Jahre vor Kirchhoff und Bunsen hatte Léon Foucault in Paris bereits festgestellt, daß <strong>die</strong> Na Linie<br />

der Sonne verstärkt wurde, wenn sie durch einen Kohlenstoff Entladungsbogen geleitet wurde. Niemand<br />

konnte allerdings mit <strong>die</strong>ser Beobachtung etwas anfangen (s.o.: Na ist wegen seiner Häufigkeit<br />

und seiner niedrigen Anregungsenergie eben überall, was Foucault nicht wusste).<br />

• BEISPIEL (KIRCHHOFF UND BUNSEN: LINIEN-ABSORPTION)<br />

Der Nachweis wurde geführt durch Umkehrung der Na D-Linie des Sonnenlichts (G. Kirchhoff, R. Bunsen; 1860 in:<br />

Ann.Phys.109, 148).<br />

Bereits Fraunhofer hatte 600 Linien entdeckt, <strong>die</strong> er — beginnend bei grossen Wellenlängen — phänomenologisch mit A,<br />

B, C, D usw. durchnumerierte (mit Untergruppen z. B. D1 = Na-Linie bei 5895.94 ˚A und D2 = Na-Linie bei 5889.97<br />

˚A). Der Abstand beträgt mit 6 ˚A gerade mal ein Promille. Die Enträtselung <strong>die</strong>ser Linienaufspaltung hat zu Beginn der<br />

Quantenmechanik eine bedeutende Rolle gespielt.<br />

Die bekannte Balmer Linie Ha bei 6562.8 ˚A trägt bei Fraunhofer den Buchstaben C.<br />

Kirchhoff und Bunsen fassten ihre Erkenntnisse (1959) im folgenden Gesetz der Spektralanalyse zusammen:<br />

Chemische Elemente und ihre Verbindungen lassen sich eindeutig aus ihren optischen Spektren identifizieren.


216 KAPITEL 4. THERMODYNAMIK: TEMPERATUR<br />

Diese Aussage ist bis heute gültig und bildet <strong>die</strong> Grundlage der Identifizierung astronomischer Objekte. Die Umkehrung<br />

ist ebenfalls interessant: kennt man keine Linien, dann ist es oft unmöglich, das Objekt zu identifizieren. Dies gilt in<br />

besonderem Masse für IR- und Gamma-Quellen.<br />

Die folgenden drei von Kirchhoff (1860) im Labor gefundenen ’Gesetze’ auf astrophysikalische Situationen<br />

umformuliert, lauten:<br />

1. Ein heißer, selbstleuchtender Körper erzeugt ein Kontinuum.<br />

2. Ein optisch dünnes Gas erzeugt Emissionslinien.<br />

3. Ein optisch dünnes, kaltes Gas vor einer heißen Hintergrundquelle erzeugt Absorptionslinien.<br />

Sie sind für das Verständnis der Spektroskopie (bei fehlendem Strahlungstransport) von fundamentaler<br />

Bedeutung. Wir werden sie später im einzelnen herleiten.<br />

Von Kirchhoff stammt auch das erste Modell, <strong>die</strong> Absorptionslinien der Sonne zu erklären (sein drittes<br />

Gesetz). Diese so genannte Umkehrschicht (ein optisch dünnes, kälteres Gas vor der heißen Strahlungsquelle<br />

der Sonne) würde vermutlich bei einer Sonnenfinsternis als selbst strahlendes Medium mit<br />

Emissionslinien zu beobachten sein.<br />

• ANMERKUNG (DIE ENTDECKUNG VON HELIUM)<br />

Noch vor der Verifizierung des Modells von Kirchhoff entdeckten<br />

Janssen, J. (1824 - 1907) und Lockyer, N. (1836 - 1920)<br />

im Jahre 1868 bei einer Sonnenfinsternis im Spektrum der Chromosphäre der Sonne eine helle gelbe Linie, bei λ = 5876<br />

˚A, welche sie Helium tauften. Auf <strong>die</strong>se Entdeckung kommen wir später zurück.<br />

Im Labor wurde <strong>die</strong>se Linie erst von W. Ramsay (1852 - 1916) im Jahre 1895 identifiziert (als Zerfallsprodukt bei radioaktivem<br />

Uranzerfall: α-Strahlung).<br />

1870 (nach einigen vergeblichen vorhergegangen Versuchen) wurde <strong>die</strong> Emission der Umkehrschicht<br />

tatsächlich von Charles A. Young (zwei Sekunden lang!) beobachtet. Dieses experimentum crucis<br />

bestätigte einerseits <strong>die</strong> Vorhersage Kirchhoffs aufs schönste, das ’flash’ Spektrum ist in der Tat ein<br />

reines Emissionsspektrum.<br />

Es eröffnete andererseits eine neue Debatte. Viele der entdeckten Linien waren terrestrisch nicht bekannt<br />

(bzw. nicht herstellbar, oder hatten ’falsche’ Intensitäten). Die Frage lautete deshalb: gibt es auf<br />

Sternen noch ganz andere Elemente (Janssen und Lockyer) oder handelte es sich um verbotene Linien?<br />

Auch hier kann <strong>die</strong> endgültige Antwort nur mithilfe der Quantenmechanik gegeben werden: <strong>die</strong> Anregungsbedingungen<br />

der Linien folgen aus der Saha Gleichung, sie werden von leicht ionisierbaren<br />

Spurenelementen bestimmt.<br />

Es dauerte dann nochmals gut 50 Jahre bis mit dem Bohrschen Modell <strong>die</strong> meisten Eigenschaften der<br />

Atomspektren erklärt werden konnten. Allerdings war es auch ohne Modell bereits (aufgrund der sehr<br />

genauen Messungen von ˚Angstrøm) 1885 dem Schweizer Mathematiklehrer J. K. Balmer gelungen,<br />

eine Linienserie zu entziffern.<br />

λn = C n2<br />

n 2 − 4<br />

Die Hα Linie sollte korrekterweise ˚Angstrøm α Linie heißen, so wie Lyα nach Lyman benannt ist, da<br />

er sie als erster im Labor realisiert hat. Eine Verbesserung der Balmer Formel<br />

hwmnc = RH<br />

�<br />

1 1<br />

−<br />

m2 n2 �<br />

, m < n ; w = 1<br />

λ<br />

(mit der Wellenzahl w) stammt (1890) von Rydberg (1854 - 1919).


4.1. ÜBERBLICK 217<br />

• ANMERKUNG (DIE RYDBERG FORMEL)<br />

Johannes Robert Rydberg (1854 - 1919) sammelte systematisch empirische Daten der Spektroskopie und findet (unabhängig<br />

von Balmer) dafür eine Serienformel, welche er in der Form schreibt:<br />

w = 1<br />

�<br />

= RH<br />

λ<br />

1<br />

−<br />

(m + b) 2<br />

1<br />

(n + c) 2<br />

�<br />

mit einer universellen, R, und zwei für jedes Element und jede Serie spezifischen Konstanten, b und c. Ein Jahr nach Balmer<br />

findet er zu seiner Zufriedenheit Übereinstimmung mit der allgemeine Serienformel für Wasserstoff für b = 0 und c = 0.<br />

Als Verallgemeinerung <strong>die</strong>ser Formel sei angemerkt, daß Alkali Atome (Li, Na, K . . . ) mit einer solchen Form angepaßt<br />

werden können, allerdings sind b und c keine ganzen Zahlen (und oft viel kleiner als eins).<br />

Die universelle Konstante RH heißt ihm zu Ehren Rydbergkonstante. Von ihm stammt <strong>die</strong> Bezeichnung Term (Festterm m<br />

und Laufterm n.<br />

Natrium hat Z = 11 und <strong>die</strong> beiden inneren Schalen (n = 1 und n = 2) sind gefüllt. Die Konfiguration lautet [1s 2 2 2 2p 6<br />

nl]. Das Leuchtelektron n = 3 hat eine minimale elektronische Anregungsenergie E(n = 3, l = 0 → n = 3, l = 1) von<br />

2.09 eV. Die Aufspaltung des 3p Niveaus in 2 P 1/2 (Na D2-Linie mit 5890 ˚A) und 2 P 3/2 (Na D1-Linie mit 5896 ˚A) beträgt<br />

∆E = 2 · 10 −3 eV. (Zum Vergleich: H hat entweder E(n = 1, l = 0 → n = 2, l = 1) von 10.15 eV oder ∆E = 4 · 10 −5<br />

eV).<br />

Noch vor Formulierung des Bohrschen Atommodells entdeckte Pieter Zeeman (1865 - 1943) <strong>die</strong> Linienaufspaltung<br />

im Magnetfeld an der Na D-Linie (1896), ein (kleiner) Effekt, nach dem M. Faraday so<br />

lange erfolglos gesucht hatte. Hale entdeckt bereits 1908 mit <strong>die</strong>sem Effekt das Magetfeld der Sonnenflecken.<br />

Die Messung der Linienaufspaltung im Magnetfeld bei Sternen und in Molekülwolken ist bis<br />

heute schwierig.<br />

Aufgrund <strong>die</strong>ses Experiments entwickelt H. A. Lorentz seine klassische Theorie ∗ des Elektrons, <strong>die</strong><br />

auch heute noch Grundlage zum Verständnis der klassischen Elektrodynamik ist. Damit ist bereits<br />

der normale Zeeman Effekt zu verstehen (Bei verschwindendem Elektronen Spin, S = 0, kommt der<br />

Strom vom Bahndrehimpuls und der kann klassisch verstanden werden).<br />

• BEISPIEL (DIE BOHR-SOMMERFELDSCHEN ATOMSPEKTREN)<br />

Das Bohrsche Atommodell (1913) basiert auf folgenden Postulaten<br />

1. Atome existieren in stationären (strahlungslosen) Zuständen mit diskreten Energien, <strong>die</strong> durch ganze Zahlen n (den<br />

Hauptquantenzahlen der Rydberg Formel) charakterisiert sind.<br />

2. Der Übergang erfolgt durch Aufnahme oder Abgabe eines Photons der Energie<br />

¯hω = En − Em<br />

Bohr konnte für Wasserstoff das Spektrum berechnen und damit <strong>die</strong> Rydberg Konstante RH berechnen<br />

En = −m ∗ 2 (Zα)2<br />

c<br />

2n2 , m ∗ = melMH<br />

mel + MH<br />

; α = e2<br />

¯hc<br />

Die Sommerfeldsche Feinstrukturkonstante tritt hier noch nicht wirklich auf, <strong>die</strong> Lichtgeschwindigkeit kürzt sich heraus.<br />

RH = e4 m ∗<br />

2c¯h 2<br />

Die Rydbergkonstante hat den Wert 1.09·10 5 cm −1 . Ihm entspricht <strong>die</strong> Energie Einheit von 13.6 eV.<br />

Der erste Nachweis für <strong>die</strong> Richtigkeit des Bohrschen Atommodells war der Franck - Hertz Versuch<br />

(1914), bei dem Hg durch Elektronenstoß angeregt wird und bei dem eine scharfe Linie bei λ = 2536 ˚A,<br />

entsprechend 4.89 eV emittiert wird. Damit war einmal der diskrete Charakter der Elektronen Niveaus<br />

im Atom bewiesen, zum andern aber auch ein neuer Anregungsmechanismus entdeckt, wie er auch in<br />

der <strong>Astrophysik</strong> wichtig ist (Stossanregung).<br />

∗ ’Theory of Electrons’ Teubner (1909).<br />

(4.14)


218 KAPITEL 4. THERMODYNAMIK: TEMPERATUR<br />

• FORMELN (DIE QUANTENMECHANIK)<br />

Werner Karl Heisenberg (1901 - 1976) begründet 1925 seine Form der Quantenmechanik (’Über quantenmechanische<br />

Umdeutungen kinematischer und mechanischer Beziehungen’). Er schafft mit Max Born und Pascual Jordan <strong>die</strong> ’Göttinger<br />

Matrizenmechanik’ und formuliert 1927 seine Unschärferelation. (’Über den anschaulichen Inhalt der quantentheoretischen<br />

Kinematik und Mechanik’. Z. Phys. 43, 1927, 172).<br />

Erwin Schrödinger (1887 - 1961) formuliert 1926 seine Wellengleichung. Ann. d. Phys. 79 (1925) 361 u. 489; 80 (1926),<br />

437; 81 (1926), 109. Er zeigte 1926, daß Heisenbergs Matritzenrechnung und seine Wellengleichung nur verschiedene<br />

Darstellungen ein und derselben Theorie sind.<br />

Grundlage der Theorie sind <strong>die</strong> folgenden Axiome. Alle Observablen sind durch selbstadjungierte Operatoren darzustellen.<br />

Ort Q und Impuls P genügen der folgenden (Nichtvertauschbarkeits) Kommutatorrelation:<br />

P Q − QP = ¯h<br />

i<br />

woraus (rein algebraisch) <strong>die</strong> Heisenbergsche Unschärferelation (für P und Q) folgt:<br />

δP δQ ≥ ¯h<br />

2<br />

Mit dem Hamilton-Operator H und der Wellenfunktion Ψ lautet <strong>die</strong> Schrödinger Gleichung für ein Elektron mit der (reduzierten)<br />

Masse m und mit der Ladung e im elektrischen Potential (des Atoms) Φ<br />

i¯h ∂Ψ<br />

∂t =<br />

�<br />

− ¯h2<br />

�<br />

∆ + eΦ Ψ (4.15)<br />

2m<br />

Für stationäre Zustände (eines Atoms) ist der Zeitanteil abseparierbar in der Form<br />

Ψ = ψ exp(−iEt/¯h) (4.16)<br />

und <strong>die</strong> Schrödinger Gleichung lautet nun<br />

wobei<br />

Hψ = Eψ (4.17)<br />

Hψ =<br />

�<br />

− ¯h2<br />

�<br />

∆ + eΦ ψ (4.18)<br />

2m<br />

ist. Die Energie E ist der Erwartungswert von H.<br />

Der halbzahlige Spin des Elektrons wurde der Schrödinger Gleichung (nach vorheriger experimenteller Entdeckung von<br />

Goudsmith und Uhlenbeck, 1925) von Pauli (1902 - 1958) phänomenologisch 1927 hinzugefügt. Er folgt zwanglos aus der<br />

relativistischen Dirac Gleichung, <strong>die</strong> <strong>die</strong>ser 1928 formulierte.<br />

Enj = −m ∗ 2 (Zα)2<br />

c<br />

2n2 �<br />

1 + (Zα)2<br />

�<br />

��<br />

1 3<br />

− (4.19)<br />

n j + 1/2 4n<br />

Die Feinstruktur Aufspaltung der Na D-Linie war dabei wesentlich, <strong>die</strong> Spin-Bahn Wechselwirkung zu beschreiben. Damit<br />

ist auch der anomale Zeeman Effekt, der wesentlich kleiner als <strong>die</strong> Feinstruktur Aufspaltung ist, zu verstehen (nicht<br />

verschwindender Elektronen Spin S > 0).<br />

Pauli postulierte bereits 1924 den Kernspin, um <strong>die</strong> Hyperfeinstruktur zu erklären. Ebenfalls 1924 formulierte er (durch <strong>die</strong><br />

Annahme einer zusätzlichen Quantenzahl für das Elektron) sein Ausschließungs-Prinzip für Fermionen:<br />

Fermionen dürfen nicht in allen Quantenzahlen übereinstimmen.<br />

Damit erst wurde der Aufbau der Atome verständlich.<br />

Für das H Atom hat der Grundzustand ∆Ehfs(n = 1) für F = 0 (antiparallele Spins) <strong>die</strong> niedrigste Energie. Der Übergang<br />

F = 1 → 0 (Spin Flip) hat <strong>die</strong> Energie<br />

∆Ehfs(n = 1) = −gegpα 4<br />

� �<br />

me<br />

mec 2<br />

(4.20)<br />

was λ = 21 cm entspricht. In Zahlen<br />

mp<br />

Energie ∆Ehfs(n = 1) ≈ 5.6 · 10 −6<br />

eV oder k∆T = 0.06 K


4.1. ÜBERBLICK 219<br />

Die dazu gehörende Frequenz ist eine der am genauesten bestimmten Größen der Physik:<br />

νhfs = 1 420. 405 751 786 MHz (4.21)<br />

Die Relativgenauigkeit, gemessen an verschiedenen H-Maser über eine Laufzeit von etwa 1 Monat, beläuft sich auf insge-<br />

samt 18 Stellen, ∆ν<br />

ν ≈ 10−17 .<br />

Die Existenz einer (Spin Flip) Linie (bei 21 cm) wurde für <strong>die</strong> ISM 1944 von van de Hulst vorhergesagt, 1951 tatsächlich<br />

nachgewiesen von Ewen und Purcell (und von Crampton, Kleppner und Ramsey im Labor genau vermessen). Bis zur<br />

Entdeckung des Moleküls CO (Übergang J = 1 → 0 mit λ = 2.6 mm) war <strong>die</strong> 21–cm Linie das wichtigste Mittel zur<br />

Durchmusterung der interstellaren Materie (ISM) der Galaxis.<br />

Der (Spin Flip) Übergang tritt nur bei atomarem H auf (H I Regionen) , sein Verschwinden in bestimmten Regionen der<br />

Galaxis deutet also auf <strong>die</strong> Entstehung von H2 hin. (Erster optischer Nachweis von H2: 1970 s. u.). Die 21-cm Linie tritt<br />

sowohl in Absorption (gegen starke Hintergrundquellen) als auch in Emission auf.<br />

4.1.3 Unerwartete Entdeckungen<br />

Unbekannte Elemente?<br />

Das Periodensystem der Elemente wurde 1869 unabhängig von Dimitri Iwanowitsch Mendelejew<br />

(1834 - 1907) und von Julius Lothar Meyer (1830 - 1895) aufgestellt. Ihrem Schema lag <strong>die</strong> Atomhypothese<br />

Daltons (1766 - 1844) zugrunde.<br />

Damals ✤ kannte man 60 Elemente ✜ (von 92) und so waren beide gezwungen, Lücken in ihrem System zu<br />

lassen. Die erste war Helium, <strong>die</strong> letzte Lücke wurde erst 1946 geschlossen<br />

Erst <strong>die</strong> Theorie bestimmt,<br />

(mit dem Element Praseodym: Pm, Z = 61). Die Entdeckung von Helium<br />

was gemessen werden<br />

kann.<br />

durch den Franzosen Janssen und den Engländer Lockyer im Spektrum der<br />

A. Einstein Sonne und <strong>die</strong> spätere Identifizierung im Labor durch den Engländer Ramsay<br />

✣<br />

✢brachte<br />

einige Chemiker auf <strong>die</strong> Idee, im Weltraum könnte es andere Elemente<br />

als auf der Erde geben. Insbesondere der Chemiker Lockyer war der Meinung, daß in den Sternatmosphären<br />

echte Elementumwandlungen (Transmutationen) stattfänden (der alte Traum der Chemiker,<br />

erst kürzlich mit der kalten Fusion von Fleishman und Pons wiederbelebt). Ein grosses Problem war<br />

dabei in der Tat (nur mithilfe der Bohrschen Theorie) das Fehlen bzw. das Vorhandensein bestimmter<br />

Linien (<strong>die</strong> Anregungsbedingungen) bei Sternen zu verstehen.<br />

Der Inder Megh Nad Saha (1893 - 1956) konnte (1921) zeigen, daß <strong>die</strong> Linien i. w. durch einen einzigen<br />

Parameter bestimmt sind: <strong>die</strong> Temperatur T (und nicht durch unterschiedliche Chemie der Sternatmosphären).<br />

Ein besonders interessanter Fall liegt bei den sog. verbotenen Linien (von Ionen der Elemente O, N, Ne,<br />

S bis Fe) vor. So wurden <strong>die</strong> beiden grünen Nebellinien von O2+ = O ++ = [O III] bei 5007 und 4959<br />

˚A ursprünglich einem hypotetischen Element Nebulium zugeschrieben. Erst 1927 konnte I.S. Bowen<br />

zeigen, daß es sich hier um Interkombinationslinien (magn. Übergänge 2p2 1D2 → 2p2 3P2 bzw. 2p2 1D2 → 2p2 3P1) des zweifach ionisierten O handelt.<br />

Das mittlerweile nicht mehr überschaubare spektroskopische Material, welches insbesondere an Sternen<br />

gewonnen wurde, läßt sich dahingehend zusammenfassen:<br />

Es gibt nur <strong>die</strong> terrestrisch bekannten Elemente im Universum.<br />

Von <strong>die</strong>sen 92 natürlichen Elementen ist Technetium, Tc, mit Z = 43, ein Ausnahmefall. Es hat<br />

überhaupt kein stabiles Isotop, dennoch kommt es in den Photosphären bestimmter Sterne vor (<strong>die</strong><br />

Halbwertszeit von 97 Tc beträgt dabei nur 1.8 Myr).


220 KAPITEL 4. THERMODYNAMIK: TEMPERATUR<br />

Unbekannte Zustandsform<br />

Wir lassen bei den folgenden Überlegungen Dunkelmaterie außer Betracht. Dann sieht <strong>die</strong> Situation<br />

in unserer Milchstraße etwa folgendermassen aus: verteilt man <strong>die</strong> Materie, <strong>die</strong> heute in Sternen ist,<br />

gleichmäßig über das Volumen der Milchstraße, so erhält man etwa 10 H Atome im cm 3 (in der galaktischen<br />

Ebene). Im Innern der Sterne ist <strong>die</strong> mittlere Dichte 23 dex höher (ρ ≈ 1 g cm −3 ). Das<br />

ist eine enorme Verdichtung. Ist zwischen den Sternen noch Materie übriggeblieben? Ursprünglich<br />

glaubte man, der interstellare Raum sei leer. Zu den berühmten Beispielen von ’evidence of absence’<br />

gehören (im niederenergetischen Bereich) <strong>die</strong> Entdeckung von interstellarer Materie (ISM) bzw. Staub<br />

und von Molekülen (OH, CO, H2 . . . ) in Wolken, ferner (im hochenergetischen Bereich) <strong>die</strong> kosmische<br />

Strahlung (Hess).<br />

• BEISPIEL (ISM UND STAUB)<br />

Seit Galilei erstmals ein Teleskop auf <strong>die</strong> Milchstraße richtete weiß man, daß <strong>die</strong>se aus sehr vielen schwach leuchtenden<br />

Sternen (und nicht aus der Milch der Hera) besteht. Was sonst noch am Himmel leuchtet ahnte erstmals W. Herschel. Mit<br />

seinem grossen Spiegelteleskop entdeckte er 1811 helle Nebelflecken und Löcher im Sternenhimmel (<strong>die</strong> vorher niemand<br />

gesehen hatte).<br />

Die Existenz von Staub vor Sternen war bereits 1847 von Struve aus Sternzählungen deduziert worden (mit der korrekten<br />

Größenordnung für <strong>die</strong> mittlere Extinktion von Av ≈ 1 m pro kpc). Aber erst durch <strong>die</strong> Arbeiten von Trümpler (1930)<br />

wurde <strong>die</strong>s allgemein be- und anerkannt.<br />

Die Entdeckung einer scharfen Absorptionslinie, der berühmten ruhenden Kalziumlinie im Spektrum des spektroskopischen<br />

Doppelsternes δ Orionis durch J. Hartmann im Jahre 1911 (verursacht durch <strong>die</strong> ISM) wurde zunächst nicht in<br />

ihrer Tragweite richtig eingeschätzt. Als eine alternative Möglichkeit wurde zirkumstellare Materie diskutiert. Es handelt<br />

sich hier um ein weiteres, historisch wichtiges, Beispiel vom Beginn des 20ten Jahrhunderts für den indirekten Nachweis<br />

von Materie. Der wirkliche Durchbruch kam hier mit der Einführung der Photographie und es wurden viele schwächere<br />

Dunkelwolken und Nebel (von u. a. E.E Barnard, F. Ross und M. Wolf) entdeckt.<br />

Staub wurde zeitlich sogar noch vor Molekülen in unserer Milchstraße entdeckt. Der Nachweis war indirekt: an den galaktischen<br />

Sternhaufen hatte Trümpler <strong>die</strong> Standardkerzen der Galaxis geeicht und dabei nebenbei <strong>die</strong> interstellare Absorption<br />

AV durch Staub bestätigt!<br />

Die Grundidee von Trümplers Entdeckung ist folgende. Wenn <strong>die</strong> galaktischen Sternhaufen gleiche Leuchtkraft und gleichen<br />

Durchmesser haben, dann sollten sterischer Öffnungswinkel der Sternhaufen, Θ 2 = (D/r) 2 , und ihre scheinbare<br />

Helligkeit f = L/4πr 2 proportional sein. Was man findet ist aber eine Abschwächung (und Rötung) des Sternenlichts.<br />

• BEISPIEL (MOLEKÜLE)<br />

Die ersten Moleküle waren CH und CN. Sie wurden bezeichnenderweise optisch in Absorption gegen helle Hintergrund<br />

Sterne bereits 1937 (von T. Dunham Jr) postuliert und 1941 nachgewiesen (A. McKellar). Radioastronomisch wurde <strong>die</strong><br />

Möglichkeit, Moleküle über ihre Hyperfeinstruktur zu identifizieren, erstmals von Shkolvski diskutiert und an OH (mit<br />

vier Hyperfeinlinien) als erstes 1963 in Absorption von Weinreb et al. entdeckt. Kurz darauf wurde OH auch in Emission<br />

(in der Nähe von starken Radioquellen, <strong>die</strong> Westerhout vorher entdeckt hatte) gefunden. Die Linien sind sehr schmal, <strong>die</strong><br />

Strahlung ist hochgradig polarisiert und sie wurde (von Perkins, Gold und Salpeter) als Maser interpretiert. Maser ist ein<br />

Akronym für Microwave Amplification by Stimulated Emission of Radiation. Der Linienemission entspricht formal eine<br />

Strahlungstemperatur von 10 12 K. Der genaue Pumpmechanismus ist allerdings nicht bekannt. (Pulsare erreichen sogar<br />

10 30 K).<br />

Die Strahlungstemperatur Tν (auch mit Antennentemperatur Ta bezeichnet) wird aus gemessenem Fluß Φν und bekanntem<br />

Öffnungswinkel der Quelle Ωs bestimmt. Die Strahlungstemperatur Tν in Rayleigh - Jeans Näherung ist dabei gegeben<br />

durch<br />

Tν = c2<br />

2kν 2 Jν mit Jν = Φν<br />

oder allgemein<br />

c2 2kν2 Jν = hν<br />

k<br />

1<br />

e hν/kTν − 1<br />

Ωs<br />

Der direkte optische Nachweis von molekularem Wasserstoff, H2, dem häufigsten Molekül, gelang dagegen erst 1970 (im<br />

UV bei λ = 1108 ˚Angstrøm, mithilfe einer Raketenbeobachtung).<br />

Der Nachweis von molekularem Wasserstoff, H2, geht auch heute noch indirekt, über das Fehlen der 21 cm Linien-<br />

Emission. Begründung: da H überall vorhanden ist, deutet <strong>die</strong> Abwesenheit der 21 cm Linie astrophysikalisch auf <strong>die</strong><br />

Existenz von H im molekularen Zustand hin.<br />

(4.22)


4.1. ÜBERBLICK 221<br />

Viele der von Herschel (in London) und von Messier (in Paris) entdeckten Nebel waren tatsächlich<br />

Galaxien. Die wirklichen Nebel werden nach der modernen Klassifikation in fünf verschiedene Typen<br />

eingeteilt.<br />

1. Dunkelwolken (Dark nebulae). Beobachtbar durch das Fehlen von Hintergrundquellen.<br />

2. Reflexionsnebel (Reflections nebulae). Beobachtbar durch das Streulicht von Sternen mit Spektraltyp<br />

später als B0 (keine Ionisation von H) an Wolken mit Staub.<br />

3. H II Regionen. Beobachtbar durch (verbotene) Emissionslinien, welche von OB Sternen angeregt<br />

werden.<br />

4. Planetare Nebel sind den H II Regionen ähnlich, <strong>die</strong> Anregung stammt von heißen Sternen im<br />

Endstadium der Entwicklung.<br />

5. Supernova Überreste. Filamente, polarisierte Strahlung, radioaktive Elemente.<br />

Dunkelwolken wurden von Barnard und Bok genauer untersucht. Besonders <strong>die</strong> runden (Bok Globulen)<br />

sind gravisch gebunden und vermutlich Orte der Sternentstehung.<br />

Reflexionsnebel wurden von Hubble untersucht und von Russell gedeutet: das reflektierte Licht ist<br />

blauer als das Licht des eingebetteten Sterns.<br />

H II Regionen bilden sich um heiße O und B Sterne. Innerhalb eines Radius R ist Wasserstoff vollständig<br />

ionisiert, wie Strømgren erstmals gezeigt hat. Der Kugelradius R kann wie folgt bestimmt werden. Der<br />

Photonenfluß Φ des Sterns an Photonen <strong>die</strong> Wasserstoff ionisieren können, kann insgesamt ein Volumen<br />

4πR 3 /3 ionisiert halten, falls Gleichgewicht zwischen Rekombination und Ionisation besteht<br />

Φ = R 4πR3<br />

3<br />

; R = αnenp<br />

gilt, wobei R <strong>die</strong> Rekombinationsrate ist. Eine Durchmusterung von H II Regionen wurde von Westerhout<br />

durchgeführt, <strong>die</strong> Quellen in seinem Katalog werden mit W bezeichnet. Der Qrion Nebel (M42 =<br />

Ori A; G209.0 − 19.4) hat <strong>die</strong> Bezeichnung W10.<br />

• BEISPIEL (DIE FILAMENTE DES CRAB NEBELS)<br />

Der Krebsnebel wurde von Charles Messier wiederentdeckt und bekam <strong>die</strong> Nummer eins in seinem Nebel Katalog von<br />

1758. Hundert Jahre später, 1845, wurde er von William Parson, 3. Earl of Rosse, erstmals genauer untersucht und so getauft<br />

(Crab nebula). Die Benutzung der Photo - Platte (H. Draper, 1840; Whipple, 1850) war noch neu, <strong>die</strong> ersten Bilder Rosses<br />

vom Krebsnebel sind Handzeichnungen. Von ihm stammt auch <strong>die</strong> erste Beschreibung der Filamente des Krebsnebels.<br />

Frühe Vermutungen, daß es sich beim Krebsnebels um eine Nova handeln könnte, <strong>die</strong> von chinesischen Beobachtern notiert<br />

worden war, stammen von Lundmark (1921) und Hubble. Änderungen (auf der Zeitskala von einem Jahr) der Helligkeit<br />

der Filamente des Nebels wurden erstmals von Lampland 1921 mitgeteilt. Eine erste Abschätzung des Alters (anhand der<br />

Ausdehnung) stammt von Duncan (1939). Er fand, daß <strong>die</strong> lineare Extrapolation der Expansion zurück, ein Alter von 766<br />

Jahren ergibt. Die Aktivität und Dynamik des Nebels wurden von Baade ab 1944 genauer untersucht. Fazit: optisch ist der<br />

Nebel nicht zu übersehen (Leuchtkraft 3·10 4 L⊙), aber auch im Radio Bereich ist er eine der stärksten Quellen, <strong>die</strong> bekannt<br />

sind. Entdeckt wurde er dort von Bolton 1948 (Bezeichnung als Quelle: Radio Taurus A).<br />

Das weiße Licht der Kernregion besitzt keine Spektrallinien, <strong>die</strong>se Strahlung ist stark polarisiert und damit nichtthermischen<br />

Ursprungs.<br />

Im Gegensatz dazu ist das Licht der Filamente praktisch reine Linienstrahlung, hauptsächlich<br />

von Hα (λ = 6563 ˚Angstrøm) und vielen verbotenen Linien wie [N II], [Ne III], [O III], [O<br />

II] und [S II]. Verbotene Übergänge werden durch eckige Klammern gekennzeichnet. Direkt<br />

messbar sind <strong>die</strong> Rate der Winkelausdehnung der Filamente des Nebels und <strong>die</strong> Dopplerverschiebung<br />

ihrer Linien von etwa 1000 km s −1 . Daraus kann <strong>die</strong> Entfernung zum Krebsnebel<br />

bestimmt werden, sie beträgt etwa Dcrab = 2 ± 0.5 kpc.<br />

Die energetische Quelle der Anregung, der Krebs - Pulsar, wurde von Staelin und Reifenstein<br />

1968 gefunden und von Gold korrekt gedeutet. Es handelt sich um einen Neutronenstern.<br />

Der Radio Pulsar hat eine Periode von 33 Millisekunden und stimmt mit dem von Baade<br />

1942 identifizierten ’south preceding star’ im Krebsnebel überein. Nur ein Jahr später entdeckten<br />

Cocke, Disney und J. Taylor (1969) den Pulsar sogar optisch, danach wird der Pulsar<br />

in praktisch allen Frequenzbereichen (Maximum bei 10 TeV!) gefunden. Das Maximum der<br />

verbotene Linien<br />

im Crab Nebel<br />

Element Wellenlänge<br />

˚A ˚A<br />

O II 3726 3729<br />

Ne III 3868 3967<br />

S II 4068 4076<br />

O III 4959 5007<br />

Tab. 4.1: Crab Nebel


222 KAPITEL 4. THERMODYNAMIK: TEMPERATUR<br />

Nebelstrahlung liegt im weichen Röntgen Bereich, ab MeV ist <strong>die</strong> Strahlung vollständig gepulst.<br />

Mittlerweile findet man Änderungen der Strahlungsintensität auf der Zeitskala von einer Woche.<br />

Der ersten Bestimmung von ˙ P (und damit des Alters von 1230 yr) folgte 1971 <strong>die</strong> von ¨ P . Der daraus abgeleitete Bremsindex<br />

n = 2− ¨ P P ˙ P −2 war allerdings ungenau. Erst seit 1972 (Boynton et al. und 1981 Lohsen) ist mit n = 2.515 ein endgültiger<br />

Wert für den Bremsindex n bestimmt.<br />

• BEISPIEL (ABSORPTION AN QUASAREN UND GAMMA BURSTS)<br />

Als Beispiele von aktuellem Forschungsinteresse, für <strong>die</strong> Absorption wesentlich zum Verständnis sind, seien Quasare und<br />

Gamma Bursts erwähnt. Für beide kann damit bewiesen werden, daß sie in kosmologischer Entfernung liegen, was insbesondere<br />

bei der Abschätzung ihrer Leuchtkräfte wichtig ist. Von <strong>die</strong>sen seien Quasare etwas genauer betrachtet, Gamma<br />

Bursts als Objekte einer einheitlichen astronomischen Klasse sind noch zu wenig verstanden.<br />

Quasare haben jeweils (mindestens) eine rotverschobene Emissionslinie, Lα, bei λα = (1 + z)1215.67 ˚Angstrøm (entspr.<br />

10.2 eV im Ruhsystem) und (oft) eine Vielzahl von Absorptionslinien (<strong>die</strong> alle bei kleineren Rotverschiebungen liegen).<br />

Daß <strong>die</strong> stärkste Emissionslinie <strong>die</strong> Lyman α Linie ist, ist dank der Häufigkeit von H im Universum verständlich. Gleiches<br />

gilt für <strong>die</strong> Vielzahl von Absorptionslinien: <strong>die</strong> nachgewiesene Anzahl ist mittlerweile so groß, daß sie mit Lα forest<br />

bezeichnet wird.<br />

Die Frage, ob Quasare wirklich in kosmologischer Entfernung liegen, wird mittlerweile eindeutig mit ja beantwortet. Der<br />

Grund ist hier jedoch nicht <strong>die</strong> im Vordergrund absorbierende Materie, obwohl das vollkommend ausreichend wäre: in<br />

einigen Fällen findet man sogar Gravitationslinsen, <strong>die</strong> aus geometrischen Gründen vor dem jeweiligen Quasar liegen<br />

müssen und deren Entfernung konventionell (Spektrum, Ausdehnung) bestimmt werden kann.<br />

Ähnliches gilt dann für Gamma Bursts, da auch bei <strong>die</strong>sen Absorptionslinien bei grosser Rotverschiebung gefunden wurden.<br />

Die Quelle wird hier durch multi Frequenzbeobachtungen als zeitlich veränderlich nachgewiesen, zum Schluß ist nichts<br />

mehr da, was leuchtet.<br />

Ein Ziel der modernen Astronomie ist es, für Galaxien eine ähnlich präzise und verläßliche Klassifikation<br />

zu finden, wie für <strong>die</strong> Sterne. Grundlage dazu ist ein Verständnis der Entwicklung der Sterne und<br />

ihre Wechselwirkung mit der umgebenden Materie (interstellare Materie = ISM).<br />

Benötigt werden dazu (im Hinblick auf Sterne und ISM):<br />

1. Die Elektrodynamik und Kernphysik, zur mikroskopischen Beschreibung von Strahlungsprozessen<br />

wie Streuung, Emission und Absorption von Photonen, bzw. <strong>die</strong> Fusion von Kernen.<br />

2. Die Thermodynamik, zur statistischen Behandlung von strahlenden, makroskopischen Vielteilchensystemen.<br />

Dies sind allerdings so umfangreiche und komplexe Gebiete der Physik, daß hier nur ein ein erster, auf<br />

das Wesentliche beschränkter Überblick gegeben werden soll.<br />

• DEFINITION (PARAMETER DER THERMODYNAMIK)<br />

Ein thermodynamisches System (d. h. ein Vielteilchensystem im thermodynamischen Gleichgewicht) ist durch drei unabhängige<br />

und eine abhängige Variable vollständig bestimmt. Die Wahl der Variablen ist nicht eindeutig.<br />

Wir wählen Volumen V , Entropie S und <strong>Teil</strong>chenzahl N als unabhängige Variable und <strong>die</strong> Energie E als abhängige Variable:<br />

E = E(V, S, N).<br />

Der erste Hauptsatz besagt, daß jede Änderung an einem thermodynamischen System, wie folgt beschrieben werden kann:<br />

dE = −P dV + T dS + �<br />

µidNi<br />

(4.23)<br />

i<br />

Die Größen P (Druck), T (Temperatur) und µi (chemisches Potential der <strong>Teil</strong>chensorte i) sind intensive Größen. V , S und<br />

N sind <strong>die</strong> extensiven thermodynamischen Variablen von E (weiter unten mit U bezeichnet).<br />

Zur mikroskopischen Beschreibung wählen wir <strong>die</strong> Variablen x (Ort) und p (Impuls) der <strong>Teil</strong>chen. Die Verteilungsfunktion<br />

im Phasenraum sei f(x, p) und dΓ sei das 6dim Volumelement im Phasenraum:<br />

dΓ = d3 xd 3 p<br />

h 3 ; dN = fdΓ (4.24)<br />

Für <strong>die</strong> Thermodynamik definieren wir <strong>die</strong> folgenden dimensionslosen Variablen<br />

α = µ<br />

kT<br />

= βµ (4.25)


4.1. ÜBERBLICK 223<br />

Die Verteilungsfunktion im Phasenraum kann für nicht wechselwirkende Fermionen (+) bzw. Bosonen (−) mit Impuls p<br />

exakt bestimmt werden. Mit <strong>die</strong>sen Definitionen für β und α lautet sie<br />

f(p) =<br />

1<br />

e βɛ(p)−α ± 1<br />

Dabei ist E(p) = ɛ(p) <strong>die</strong> Energie der <strong>Teil</strong>chen zum Impuls p, mit U wird ab jetzt <strong>die</strong> Gesamtenergie bezeichnet. Für N<br />

<strong>Teil</strong>chen im Volumen V = � d3x gelten <strong>die</strong> folgenden exakten thermodynamischen Beziehungen für Gesamtenergie U und<br />

Druck P<br />

N = g<br />

�<br />

V f(p)d<br />

h3 3 p (4.27)<br />

U = g<br />

�<br />

V E(p)f(p)d<br />

h3 3 p (4.28)<br />

P = gc2<br />

3h3 �<br />

p2 E(p) f(p)d3p (4.29)<br />

Verteilungsfunktion und Spektrum E(p) bestimmen vollständig <strong>die</strong> thermodynamischen Potentiale. Die (exakte) Energie -<br />

Impuls Relation für freie <strong>Teil</strong>chen der Ruhmasse m lautet:<br />

(4.26)<br />

E = c � p 2 + m 2 c 2 (4.30)<br />

Der Energienullpunkt ist dann eindeutig festgelegt, <strong>die</strong> Ruhmasse m enthält <strong>die</strong> Bindungsenergie (des Atoms oder Moleküls).<br />

Gewöhnlich spaltet man in der nichtrelativistischen Physik <strong>die</strong> Ruhmassen - Energie mc 2 ab und erhält in niedrigster<br />

Ordnung:<br />

E − mc 2 ≈ 1<br />

2m p2<br />

Der Energienullpunkt muß dann (willkürlich) festgelegt werden.<br />

Im Grenzfall hoher Temperatur folgt (aus beiden Verteilungen) <strong>die</strong> Maxwell - Boltzmann Verteilungsfunktion fM (v). Im<br />

Geschwindigkeitsraum (x, v) lautet <strong>die</strong> normierte Maxwell - Boltzmann Verteilungsfunktion<br />

(4.31)<br />

�<br />

m<br />

�3/2 −m v2<br />

fM (v) = n<br />

e 2kT (4.32)<br />

2πkT<br />

wobei m <strong>die</strong> Masse der <strong>Teil</strong>chen und n = N/V <strong>die</strong> Anzahldichte ist.<br />

Bei <strong>die</strong>sem Überblick konzentrieren wir uns zunächst auf <strong>die</strong> folgenden, für <strong>die</strong> Kosmogonie wichtigen<br />

Aspekte, <strong>die</strong> auf rein spektroskopischen Beobachtungen (an mehr als 400 000 Sternen) basieren:<br />

Die Leuchtkraft eines Hauptreihen Sterns, der über sein Spektrum identifiziert wird, kann<br />

als Standardkerze zur Entfernungsmessung verwendet werden. Hauptreihen Sterne können<br />

darüber hinaus – wenn auch weniger genau – sogar als Massen- und Altersnormale benutzt<br />

werden.<br />

Auch wenn das nicht direkt erwiesen ist gilt: Alle chemischen Elemente, <strong>die</strong> schwerer als Helium sind,<br />

wurden und werden in Sternen erzeugt. Über <strong>die</strong> Dauer solcher Fusionsprozesse erhält man dann nochmals<br />

eine unabhängige Altersbestimmung (vermittels theoretischer Sternentwicklungsrechnungen, <strong>die</strong><br />

an Beobachtungen überprüft werden) für Sternhaufen. Dies ist eines der wesentlichen Ergebnisse der<br />

<strong>Astrophysik</strong> des 20ten Jahrhunderts.<br />

Direkte Evidenz für <strong>die</strong> Erzeugung schwerer chemischer Elemente kommt von den beiden Sternklassen:<br />

<strong>die</strong> Population I (junge Sterne nahe der galaktischen Ebene) haben deutlich mehr schwere Elemente<br />

als Sterne der Population II (Halo Sterne und Mitglieder der Kugelsternhaufen). Die Große<br />

Maghellansche Wolke hat mit der Supernova 1987A sogar quantitativ theoretische Modellrechnungen<br />

bestätigt, nach denen Fe über radioaktives Ni erzeugt wird. In der Milchstraße wurden ebenfalls<br />

radioaktive Elemente über ihre Linien entdeckt: 26 Al bei 1.809 MeV und 44 Ti bei 1.156 MeV. Die<br />

Halbwertszeit von 26 Al beträgt 0.770 Myr (e-folding time: 1 Myr) und <strong>die</strong> von 44 Ti sogar nur 90 yr.


224 KAPITEL 4. THERMODYNAMIK: TEMPERATUR<br />

Mit seiner grossen Halbwertszeit kann 26 Al benutzt werden, <strong>die</strong> Anreicherung der ISM aus Supernovae<br />

mit schweren Elementen zu untersuchen, 44 Ti ist dagegen ein Indikator für junge Supernova Überreste.<br />

Tatsächlich findet man 26 Al entlang der galaktischen Ebene, in Richtung Orion und in Richtung der<br />

Spiralarme, 44 Ti wurde zuerst in Cas A entdeckt. Anschließend wurde mithilfe <strong>die</strong>ser Methode ein<br />

vorher unbekannter Supernova Überrest in nur 200 pc Entfernung (Alter 700 yr) entdeckt. Dieser wurde<br />

übersehen, da er vom sehr viel helleren Vela Remnant überstrahlt wird.<br />

Was noch fehlt ist spektroskopische Evidenz für Sterne der nullten Generation (z. B. ohne Fe).<br />

In einem zweiten Schritt (21tes Jahrhundert) wird man dann versuchen, ähnlich detailliert, wie das<br />

mittlerweile für Hauptreihensterne gelungen ist, Galaxien und Galaxienhaufen zu vermessen und zu<br />

verstehen. Dabei gibt es einen wesentlichen Unterschied zwischen Sternen und Galaxien: <strong>die</strong> Zeitskala.<br />

Als Zwischenschritt können Kugelsternhaufen nützlich sein. Galaxien und <strong>die</strong> Kugelsternhaufen der<br />

Milchstraße sind vermutlich genauso alt wie das Universum; verschiedene Generationen von Galaxien<br />

gibt es deshalb vermutlich nicht, wohl aber solche im Geburtsstadium. Wie Galaxien nach mehreren<br />

Zusammenstößen mit anderen Galaxien aussehen, kann erst untersucht werden, wenn das Universum<br />

10 11 Jahre alt ist (etwa an Andromeda und Milchstraße).<br />

Um <strong>die</strong> Vorläufer der heutigen Galaxien im Frühstadium zu beobachten, muß man demnach in den<br />

frühen Kosmos zurückblicken und das bedeutet: grosse Rotverschiebung (Infrarot Astronomie) und<br />

weit entfernte, also schwache Quellen. Die Beobachtungen sind schwierig, da das eigentliche Signal im<br />

Rauschen von Zodiakallicht (stetig und nicht eliminierbar, aber berechenbar) und der Staubstrahlung<br />

der Galaxien und Galaxienhaufen steckt. Sie haben bereits begonnen (Copernicus, IRAS, COBE und<br />

ISO) und <strong>die</strong> Kataloge dazu werden jetzt angelegt. Damit wird man dann vermutlich das Universum<br />

als ganzes verstehen können. Ein wesentlicher Zugang zum Verständnis des frühen Universums ist <strong>die</strong><br />

kosmologische Hintergrundstrahlung mit ihrer hohen Isotropie und extremen Entropie.<br />

4.2 Strahlung und ihre Quellen<br />

Bereits der griechische Philosoph Parmenides behauptete, daß Licht <strong>die</strong> Quelle aller Erkenntnis ist. Bevor<br />

wir zur astrophysikalischen Anwendung <strong>die</strong>ser korrekten Aussage kommen, sei hier ein Überblick<br />

über Strahlung (quantenmechanisch: Photonen und ihre Erzeugung) vorangestellt.<br />

An Strahlungsarten unterscheiden wir zwischen inkohärent und kohärent, thermisch und nicht thermisch,<br />

relativistisch und nichtrelativistisch, Linien- und Kontinuumstrahlung. Im Labor gehört noch<br />

✛ ✘<br />

<strong>die</strong> Čerenkov-Strahlung dazu, <strong>die</strong> zum Nachweis relativistischer Energien wichtig ist<br />

Ohne Quelle und <strong>die</strong> nur im Dielektrikum erzeugt werden kann. (Einmal erzeugt, verhält sie sich<br />

keine Welle ! wie gewöhnliches Licht). Photonen sind Bosonen (mit Spin Eins und Masse Null). Sie<br />

Eigenzitat<br />

können beliebig erzeugt und vernichtet werden, was durch das relle Maxwell Feld be-<br />

✚ ✙<br />

schrieben wird (<strong>Teil</strong>chen sind gleich ihren Antiteilchen). Quantisiert ist ihr Drehimpuls<br />

(Spin, in Einheiten von ¯h), was zu besonderen Auswahlregeln bei der Erzeugung führt (erlaubte<br />

Übergänge haben ∆J = ±¯h). Die Quantisierung der Energie ist nur eine Folge der Spinquantisierung<br />

über <strong>die</strong> Relation E = ¯hω.<br />

Weit entfernt von der Quelle kann ein Photon durch eine ebene Welle dargestellt werden, <strong>die</strong> Information<br />

über Multipolarität (bei der Erzeugung) und Drehimpuls geht lokal verloren. Da ein Photon<br />

mindestens den Spin 1 besitzt, wirkt es bei der Absorption wie ein <strong>Teil</strong>chen (Photoeffekt, Auswahlregeln).<br />

4.2.1 Strahlungserzeugung<br />

Die Strahlungserzeugung ist einerseits ein <strong>Teil</strong>gebiet der Elektrodynamik, insofern daß elektromagnetische<br />

Wellen durch <strong>die</strong> Maxwellsche Theorie korrekt beschrieben werden, andererseits aber der


4.2. STRAHLUNG UND IHRE QUELLEN 225<br />

Quantenmechanik zuzurechnen, da <strong>die</strong> wichtigsten Quellen nur so zu behandeln sind. Erzeugt wird<br />

<strong>die</strong> für <strong>die</strong> <strong>Astrophysik</strong> interessante Strahlung mikroskopisch im Sinne einer klassischen Beschreibung<br />

ausschließlich von beschleunigten Elektronen, da für eine vorgegebene Kraft <strong>die</strong> Beschleunigung a<br />

wie K/m skaliert. Die abgestrahlte Leistung ist dann durch <strong>die</strong> Larmor Formel gegeben:<br />

I = ˙ E = 2<br />

3c 3 e2 a 2 = 2<br />

3c 3 ¨ D 2<br />

(4.33)<br />

Wesentliche Ausnahme hiervon sind <strong>die</strong> Moleküle, <strong>die</strong> in guter Näherung starr rotieren oder vibrieren.<br />

Hier spielt nur <strong>die</strong> beschleunigte Ladung, nicht <strong>die</strong> Masse, eine Rolle. Allerdings ist Beschleunigung<br />

kein brauchbarer Begriff in der Quantenmechanik, was hier an <strong>die</strong> Stelle tritt sind Übergangswahrscheinlichkeiten<br />

(zwischen verschiedenen Niveaus (o: oben, u: unten) eines Atoms oder Moleküls). Dies manifestiert<br />

sich in den Oszillatorstärken fou.<br />

Interessante klassische makroskopische Sender in der <strong>Astrophysik</strong> sind ferner <strong>die</strong> Pulsare. Hier rotiert<br />

ein makroskopisches Magnetfeld (von 10 12 Gauß), welches fest eingefroren in <strong>die</strong> Materie eines Neutronensterns<br />

ist. In beiden Fällen, mikroskopisch wie makroskopisch, ist <strong>die</strong> gleiche Formel (Glchg.<br />

(4.34)) anwendbar.<br />

Die ersten Terme der Multipolentwicklung der Strahlung lauten allgemein<br />

I = 2<br />

3c 3 ¨ D 2 + 2<br />

3c 3 ¨ M 2 + 1<br />

180c5 ...<br />

Q 2<br />

αβ<br />

(4.34)<br />

Hier ist D das elektrische Dipolmoment, M das magnetische Dipolmoment und Q das el. Quadrupolmoment.<br />

Nur zeitlich veränderliche Momente strahlen.<br />

• FORMELN (MULTIPOLMOMENTE)<br />

Für diskrete <strong>Teil</strong>chen mit Ladung ei ist<br />

D = �<br />

ei�ri<br />

i<br />

das (zeitlich veränderliche) el. Dipolmoment der Ladungsverteilung. Für periodische Änderungen mit der (Kreis)Frequenz<br />

ω wird daraus ¨ D = −ω 2 D. Analog ist das mag. Dipolmoment durch<br />

M = 1<br />

2c<br />

�<br />

ei�ri × �vi<br />

und das el. Quadrupolmoment durch<br />

i<br />

Qαβ = �<br />

ei(3xαxβ − r 2 δαβ)i<br />

i<br />

gegeben. Die Summe erstreckt sich über alle Ladungen: Kern plus Hüllenelektronen. Der erste Term in (4.34) ist <strong>die</strong> Larmor<br />

Formel. Quellen sind also <strong>die</strong> entsprechenden Multipolmomente der Ladungsverteilung (Nahfeld), sofern sie zeitlich<br />

veränderlich sind.<br />

Für periodische Änderungen der (Kreis)Frequenz ω gilt dann<br />

I = 2<br />

3c 3 ω4 D 2 + 2<br />

3c 3 ω4 M 2 + 1<br />

180c 5 ω6 Q 2 αβ<br />

Dies ist eine Entwicklung nach (v/c) −n , welche mit n = 3 beginnt.<br />

• ANMERKUNG (VERGLEICH VERSCHIEDENER MOMENTE)<br />

In der Atom- und Molekülphysik ist D = e · d ein Debey = 1 esu <strong>die</strong> typische Größenordnung für das el. Dipolmoment:<br />

1 esu = 10 −18 cgs Einheiten.<br />

(4.35)<br />

(4.36)<br />

(4.37)<br />

(4.38)


226 KAPITEL 4. THERMODYNAMIK: TEMPERATUR<br />

Das magnetische Dipolmoment ist um v/c = α und <strong>die</strong> Leuchtkraft damit um α 2 kleiner als beim el. Dipol. In der<br />

Kernphysik gelten <strong>die</strong>se Aussagen nicht, <strong>die</strong> el. Momente selbst sind etwa um α 2 kleiner (rKern = α 2 rB) als <strong>die</strong> in der<br />

Atomphysik, <strong>die</strong> relativen Stärken allerdings können für alle Momente gleich groß sein.<br />

Zum Vergleich: <strong>die</strong> magnetischen Momente der Pulsare sind etwa 10 30 cgs Einheiten (10 48 esu!) und <strong>die</strong> Felder haben<br />

Werte von etwa 10 12 Gauß (10 8 Tesla). Bei magnetischer Flußerhaltung gilt für eine Kugel (Stern mit guter Leitfähigkeit)<br />

beim Kollaps<br />

Φ = BR 2 = const und M = ΦR<br />

Damit ergibt sich eine Verstärkung der Felder und eine Verminderung der Momente. Pulsare haben <strong>die</strong> größten Felder,<br />

Molekülwolken <strong>die</strong> größten Momente.<br />

Die Larmor Formel<br />

Für einen mit der Frequenz ω schwingenden el. Dipol D mit der Amplitude<br />

D = e�x(t) = e�xo cos ωt = Do cos ωt (4.39)<br />

im Koordinatenursprung wird <strong>die</strong> Strahlung in der Wellenzone (in Form einer Kugelwelle) vermittels<br />

Poynting Fluß durch das Flächenelement dF transportiert:<br />

dI = � S�ndF = c<br />

4π r2 | � B| 2 dΩ (4.40)<br />

wobei das Magnetfeld � B gegeben ist durch (den Realteil von)<br />

�B = ω2<br />

rc 2 e−iΦ �n × Do mit Φ = ωt − kr ; �n = � k<br />

ω<br />

(4.41)<br />

Die Ausbreitungsrichtung �n der Welle ist im Vakuum ein Einheitsvektor: |�n| = 1 (im Dielektrikum gilt<br />

|�n| = n). Für einen Punktdipol ist <strong>die</strong>s <strong>die</strong> Hertzsche Lösung in der Wellenzone.<br />

• ANMERKUNG (DIE VOLLSTÄNDIGE HERTZSCHE LÖSUNG)<br />

Die überall (exakt gültige) Lösung von Hertz (1889) für einen harmonisch schwingenden Punktdipol lautet in Polarkoordinaten<br />

bezülich der Dipolrichtung r, Θ und φ.<br />

�<br />

[<br />

Bφ = sin θ<br />

˙ D]<br />

cr2 − [ ¨ D]<br />

c2 �<br />

(4.42)<br />

r<br />

Eθ = sin θ [D]<br />

r3 + Bφ (4.43)<br />

� �<br />

Eρ = 2 cos θ<br />

Die eckige Klammer bedeutet<br />

[ ˙ D] [D]<br />

+<br />

cr2 r3 [D] = D(t − r/c) = Doe −iω(t−r/c)<br />

In der Wellenzone sind in der Ordnung O(1/r)<br />

Bφ = Eθ = ω2 sin Θ<br />

c2 −iω(t−r/c)<br />

Doe<br />

r<br />

<strong>die</strong> einzigen Komponenten. Die Lösung (welche in Glchg. (4.41) vektoriell geschrieben wurde) beschreibt linear polarisierte<br />

Wellen (kein Drehimpuls).<br />

Der Winkel zwischen Dipolmoment D und Ausbreitungsrichtung �n sei Θ, dann ist<br />

dI<br />

dΩ<br />

= c<br />

4π<br />

� ω<br />

c<br />

(4.44)<br />

� 4<br />

D 2 sin 2 Θ (4.45)<br />

<strong>die</strong> ins Winkelelement dΩ abgestrahlte Leistung. Sie verschwindet in Vorwärts (Θ = 0) und Rückwärtsrichtung<br />

(Θ = π) des Dipols.


4.2. STRAHLUNG UND IHRE QUELLEN 227<br />

• ANMERKUNG (STREUUNG)<br />

Die Richtung des strahlenden Dipols ist normalerweise nicht bekannt. Bei der Streuung einer elektromagnetischen Welle<br />

an einem Dipol wird <strong>die</strong>ser vom E−Vektor zur Oszillation angeregt. Wählt man statt dem Winkel Θ zwischen �n und D<br />

den Winkel θ zwischen � k (Richtung der einfallenden Welle) und �n so erhält man mit<br />

sin 2 Θ = 1 − sin 2 θ cos 2 (φ − ψ)<br />

und Mittelung über ψ <strong>die</strong> für <strong>die</strong> Winkelabhängigkeit der Thomsonschen und Rayleighschen Streuformeln wichtige Relation<br />

sin 2 Θ = 1 + cos2 θ<br />

2<br />

Die Dispersionsrelation, d. h. der Zusammenhang zwischen Frequenz ω und Wellenvektor � k, lautet im<br />

Vakuum<br />

ω 2 = c 2 k 2<br />

; k = 2π<br />

λ<br />

(4.46)<br />

Integration über <strong>die</strong> Winkel in Glchg. (4.45) liefert, s. a. Glchg. (4.33), <strong>die</strong> Larmor Formel für el.<br />

Dipolstrahlung:<br />

I = 2<br />

3c 3 ( ¨ D) 2<br />

(4.47)<br />

Sie gibt an, wieviel Energie pro Zeiteinheit, ˙ E = I von einem einzelnen Elektron im einfachsten Fall<br />

abgestrahlt wird. Falls <strong>die</strong>se von einem harmonischen Oszillator mit Energie Eosz stammt, dann wird<br />

seine Schwingung gedämpft. Für <strong>die</strong> emittierte Linie liefert <strong>die</strong>s eine Verbreiterung.<br />

Für kleine, periodische Änderungen hängt das hier auftretende Dipolmoment D mit der Auslenkung<br />

des Elektrons (mit Ladung e) aus der Ruhelage, δx, wie folgt zusammen<br />

eδ�x = D und ¨ D = −ω 2 eδ�x (4.48)<br />

und das Auftreten der zweiten Zeitableitung in Glchg. (4.47) besagt, daß nur beschleunigte Ladungen<br />

strahlen. Beschleunigungen benötigen Kräfte, <strong>die</strong>se treten nur auf in Stößen oder elektromagnetischen<br />

Feldern. Die Stöße selbst werden zwar normalerweise ebenfalls vermittels Feldern realisiert, <strong>die</strong>se<br />

müssen aber nicht elektromagnetischer Natur sein. Um eine nachweisbare Intensität der Strahlung zu<br />

erhalten, müssen viele Elektronen beschleunigt werden. Thermische Strahlung ensteht z. B. in einem<br />

Plasma aus Protonen (H II) und Elektronen, sie wird Bremsstrahlung oder auch frei-frei Strahlung genannt.<br />

Linienstrahlung ensteht bei Übergängen zwischen diskreten Niveaus (normalerweise in Atomen;<br />

sog. bound-bound Strahlung). Zu ihrer adäquaten Behandlung benötigt man <strong>die</strong> Quantenmechanik (des<br />

Atoms oder Moleküls).<br />

Kohärenz und Strahlungsleistung<br />

Die Erzeugung von Strahlung der Wellenlänge λ ist ist normalerweise inkohärent, <strong>die</strong> Strahlungsleistung<br />

von N Emittern der Einzel-Leistung I ist dann Ptot = NI; sie kann kohärent sein, z. B. falls <strong>die</strong><br />

Ladungen alle im Gleichtakt schwingen, gebündelt sind (d. h. räumlich konzentriert) und falls für <strong>die</strong><br />

Dichte der strahlenden <strong>Teil</strong>chen ne gilt:<br />

neλ 3 ≤ (2π) −3 wobei je = eneve<br />

<strong>die</strong> Stromdichte ist. Die Auswertung von Glchg. (4.45) führt auf<br />

⎛<br />

N�<br />

N�<br />

Ptot = Ij = I ⎝ e iθj<br />

⎞ ⎛<br />

N�<br />

⎠ ⎝ e −iθj<br />

⎞<br />

⎠ (4.49)<br />

j=1<br />

j=1<br />

j=1


228 KAPITEL 4. THERMODYNAMIK: TEMPERATUR<br />

Die N 2 Mischterme sind von der Form<br />

e iφjk mit φjk = 1<br />

λ (�xj − �xk)�n<br />

wobei <strong>die</strong> �xj <strong>die</strong> Orte der el. Dipole D, vom Schwerpunkt aus gemessen, sind. Diese Mischterme<br />

ad<strong>die</strong>ren sich, z. B. falls |φjk| ≪ 1 und falls <strong>die</strong> <strong>Teil</strong>chen alle kohärent (im Takt) schwingen. Für<br />

<strong>die</strong> Strahlungsleistung von N Emittern gilt dann Ptot = fN 2 I; wobei f ≈ 1 ist. Falls umgekehrt<br />

|φjk| ≫ 1, dann interferieren sich <strong>die</strong>se Terme im zeitlichen Mittel weg.<br />

Antennenstrahlung<br />

Ein solches Beispiel für kohärente Strahlung ist <strong>die</strong> Antennenstrahlung. Für eine Dipolantenne aus<br />

zwei Stäben (der Querschnittsfläche F ), der Länge d/2 und Gesamtstrom I = jeF kann man <strong>die</strong><br />

Abstrahlung exakt bestimmen. Optimal sind <strong>die</strong> λ-halbe und <strong>die</strong> λ-ganze Antenne:<br />

dP<br />

dΩ<br />

⎧<br />

⎪⎨ I2<br />

=<br />

2c ⎪⎩<br />

cos2 ( π<br />

2 cosΘ)<br />

sin2 für d = Θ λ<br />

2<br />

4cos 4 ( π<br />

2 cosΘ)<br />

sin 2 Θ für d = λ<br />

mit der Gesamtstrahlungsleistung<br />

P = I2<br />

2c<br />

⎧<br />

⎨<br />

⎩<br />

2.44 oder 73.2 Ohm für d = λ<br />

2<br />

6.70 oder 201 Ohm für d = λ<br />

• FORMELN (DER WELLENWIDERSTAND)<br />

Mit N = neF λ und I = eneveF erhalten wir aus Glchg. (4.47)<br />

P = f<br />

3<br />

(4.50)<br />

(4.51)<br />

16π 2 N 2 I (4.52)<br />

mit I aus Glchg. (4.47) und mit f = 2.44 bzw. f = 6.70. Der Wellenwiderstand Rrad ist<br />

Rrad = 2P f<br />

=<br />

I2 c<br />

was Rrad = 2.44 · 30 Ohm bzw. Rrad = 6.70 · 30 Ohm ergibt.<br />

Maser<br />

Maser ist das Akronym für Microwave Amplification by Stimulated Emission of Radiation. Der erste<br />

Maser wurde 1954 im Labor realisiert und 1965 im Weltraum entdeckt.<br />

• ANMERKUNG (DIE ERSTEN MASER MOLEKÜLE)<br />

Der erste Maser benutzte NH3 als Gas und den Inversionsübergang bei einer Frequenz von 23.8 GHz.<br />

Er wurde 1954 von Townes und Mitarbeitern im Labor dadurch realisiert, daß ein Ammoniakstrahl im inhomogenen elektrischen<br />

(Quadrupol) Feld aufgespalten wurde in <strong>die</strong> beiden Inversionskomponenten<br />

von NH3: <strong>die</strong> Zustände mit symmetrischer us und antisymmetrischer ua Wellenfunktion.<br />

Es ist Ea > Es und <strong>die</strong> Maser Wirkung kommt zustande durch stimulierte<br />

Emission der Frequenz hν = Ea−Es (Einstrahlung) den den Molekülen im Zustand<br />

us.<br />

Das erste Maser Molekül im Weltraum war OH, welches 1965 bei einer Durchmusterung<br />

der Milchstraße von Weaver et al. entdeckt wurde. Charakteristika waren hohe<br />

Antennentemperatur (1000 K) bei kleiner thermischer Linienbreite (Anregungstemperatur<br />

10 K). H2O wurde von Townes und Mitarbeitern entdeckt.<br />

Die Tabelle gibt eine Auswahl an Maser Molekülen, <strong>die</strong> in der Milchstraße gefunden<br />

wurden, zusammen mit dem Jahr der Entdeckung und einigen charakteristischen Linien.<br />

Mittlerweile sind mehr als 100 solcher Linien bekannt. Allein von Wasser sind<br />

7 Linien nachgewiesen.<br />

Solche Maser Quellen sind stark variabel, sie können sogar an und ausgehen. Eine<br />

H2O Quelle in Orion änderte ihren Fluß innerhalb von Monaten von 104 Daten zu Maserentdeckungen<br />

Molekül ν [GHz] Jahr<br />

OH<br />

H2O<br />

CH3OH<br />

1.665; 1.667<br />

22.23; 321<br />

9.93; 12.17<br />

1965<br />

1969<br />

1971<br />

SiO 1974<br />

H2CO<br />

NH3<br />

HCN<br />

23.8<br />

1981<br />

1986<br />

1987<br />

Jy auf<br />

Tab. 4.2: Maserentdeckungen


4.2. STRAHLUNG UND IHRE QUELLEN 229<br />

2.5 · 10 6 Jy.<br />

Viele Maser sind mit IRAS Quellen assoziiert, was eine Möglichkeit zum systematischen Auffinden darstellt. Der IRAS<br />

Punkt-Quellen-Katalog (PSC) enthält allerdings 250000 Objekte.<br />

Mittlerweile unterscheidet man verschiedene Typen und Klassen von Masern.<br />

Bevor wir Beispiele für kohärente Maser Strahlung betrachten, sei eine Vorbemerkung zur Abschätzung<br />

der Leuchtkräfte L <strong>die</strong>ser Quellen vorausgeschickt.<br />

• ZUSATZ (STRAHLUNGSCHARAKTERISTIK UND GESAMTZAHL DER QUELLEN)<br />

Da der genaue Mechanismus, durch den <strong>die</strong> Strahlung erzeugt wird, nicht bekannt ist, muß eine Annahme über <strong>die</strong> Strahlungscharakteristik<br />

gemacht werden. Das ist bei der Schwarkörperstrahlung von Sternen nicht notwendig: sie strahlen<br />

isotrop und es gilt für <strong>die</strong> gesamte Leuchtkraft L<br />

L = 4πD 2 f (4.53)<br />

wobei f der beobachtete Strahlungsfluß ist, also<br />

f = L<br />

4πD 2<br />

Falls <strong>die</strong> Quelle nur in ein Winkelflächenelement ∆Ω strahlt, dann gilt stattdessen<br />

L =<br />

� ∆Ω<br />

4π<br />

(4.54)<br />

�<br />

4πD 2 f = ∆ΩD 2 f (4.55)<br />

Die Größe ∆Ω/4π ist in der Pulsar Physik von fundamentaler Bedeutung und wird dort Beaming Faktor genannt.<br />

Für <strong>die</strong> einzelne Quelle reduziert sich damit <strong>die</strong> Energiebilanz der Strahlung, was für das physikalische Verständnis wesentlich<br />

sein kann. Statistisch gesehen ändert sich, gemittelt über viele Quellen, jedoch nichts an der Energiebilanz, da<br />

<strong>die</strong> Entdeckungswahrscheinlichkeit ebenfalls sinkt. Die Gesamtzahl der Quellen (und damit der Beaming Faktor) ist aber<br />

wichtig bei der Bestimmung der Erzeungsrate der Quellen. Bei Pulsaren ist das <strong>die</strong> Supernova-Rate in unserer Milchstraße<br />

bei Molekül Masern <strong>die</strong> Anzahl bzw. Lebensdauer massiver Sterne mit Massenausfluß.<br />

Ein ganz anderes Beispiel für kohärente Strahlung als <strong>die</strong> Antennenstrahlung (bei Pulsaren) sind <strong>die</strong><br />

Molekül Maser, für <strong>die</strong> es keine räumliche Einschränkung gibt (Verstärkerprinzip). Zur Erzeugung<br />

kohärenter Linienstrahlung (Maser oder optisch Laser) benötigt man hier (mindestens) ein Pump-<br />

Niveau und ein metastabiles Niveau (zum Sammeln) mit Selektionsmechanismus, um <strong>die</strong>ses überproportional<br />

(nicht thermisch) zu besetzen (invertieren).<br />

In der <strong>Astrophysik</strong> sind bisher keine Laser bekannt, als Maser Quellen hat man ultrakompakte Objekte,<br />

meist bei starken IR-Quellen, gefunden. (Für Pulsare werden beide Modelle, Antennenstrahlung und<br />

Maser, betrachtet). Die Intensität der Strahlung kann stark schwanken (Zeitskala: Tage bis Monate).<br />

An Molekülen, <strong>die</strong> Maser Strahlung aussenden, kennt man:<br />

OH, CH, SiO, H2O, HCN, NH3, CH3OH, H2CO<br />

Typische Frequenzen bzw. Wellenlängen sind: ν = 1665 und 1667 MHz (λ = 18 cm) für OH und<br />

ν(616 → 523) = 22 GHz (λ = 1.35) cm bei H2O.<br />

Die extremsten Beispiele für Leuchtkräfte aufgrund kohärenter Strahlung in der <strong>Astrophysik</strong> sind:<br />

1. Linienstrahlung:<br />

Die stärksten Quellen sind <strong>die</strong> sog. Mega-Maser (galaktisch und extra galaktisch).<br />

• Der erste Hydroxyl Mega-Maser (OH - Maser der Frequenzen 1665 und 1667 MHz) wurde<br />

1982 in der Galaxie Arp 220 gefunden (Baan, Wood und Haschick). Mehr als 20 Mega-<br />

Maser hat man mittlerweile in Galaxien mit starkem IR Exzess gefunden.<br />

• Ein Beispiel für einen H2O. Maser in kosmologisch interessanter Entfernung ist IRAS<br />

22265-1826 mit z = 0.025 (entspr D = 150 Mpc bei 2h = 1 nach der Formel D = 6000z<br />

Mpc) und L = 1 · 10 4 L⊙. Die stärksten H2O Maser in der Milchstraße erreichen L = 1 · L⊙<br />

bei einer Linienbreite von 50 kHz.


230 KAPITEL 4. THERMODYNAMIK: TEMPERATUR<br />

• Der stärkste OH Maser, <strong>die</strong> Quelle IRAS 20100 − 4156, hat eine kosmologische Fluchtgeschwindigkeit<br />

von 38650 km s −1 (Rotverschiebung z = 0.129). Bei einer Flussdichte von<br />

200 mJy entspricht das einer (isotropen) Leuchtkraft von L = 10 4 L⊙ in einer Linie der<br />

Dopplerbreite 1500 km s −1 ! Die Gesamt IR-Leuchtkraft beträgt L = 3 · 10 12 L⊙.<br />

2. Breitband Kontinuum:<br />

Die extremsten Leuchtkräfte von einigen 1000 Jansky werden bei Pulsaren an einzelnen Pulsen,<br />

den sog. giant pulses, beobachtet. Der Mechanismus, mit dem Pulsare (galaktisch und mittlerweile<br />

auch extragalaktisch in LMC und SMC) ihre kohärente, gepulste Strahlung erzeugen, ist nicht<br />

bekannt. Interferenz an der ionisierten Komponente der ISM kann zu zeitabhängiger Verstärkung<br />

und Abschwächung (bis zum völligen Verschwinden) führen. Typische Daten (Medianwert der<br />

Verteilung) für einen Pulsar sind:<br />

• Periode P = 0.6 s, Alter 30 Myr, Masse M = 1.38M⊙,<br />

• Leuchtkraft (unter Annahme eines konischen Strahlungskegels) L = 4 · 10 27 erg s −1 oder<br />

L = 10 −6 L⊙,<br />

• Entfernung 3 kpc.<br />

• Der dazu gehörende Medianwert der Fluß Verteilung beträgt 60 mJy.<br />

• ANMERKUNG (ANWENDUNG: UNSER ZEITSTANDARD)<br />

Es ist instruktiv, <strong>die</strong>se Daten mit denen, <strong>die</strong> im Labor erreichbar sind, zu vergleichen.<br />

Maser Linien Strahlung wurden erstmals im Labor erzeugt (von Gordon, Zeiger und Townes 1954) und bereits ein Jahr<br />

später wurden Maser als Frequenzstandard vorgeschlagen (von denselben Autoren, 1955). Mittlerweile liefern sie auch den<br />

Zeitstandard.<br />

Breitband Maser (wie bei Pulsaren) gibt es bis heute nicht im Labor.<br />

4.2.2 Klassische Dispersionstheorie<br />

Um <strong>die</strong> Frage zu beantworten, was an Strahlung beim Beobachter (außerhalb der Erdatmosphäre) ankommt,<br />

müßen wir verstehen, wie Photonen mit der interstellaren Materie wechselwirken. Wir unterteilen<br />

das Problem in zwei unabhängige Aspekte; einen astrophysikalisch - phänomenologischen<br />

(Säulendichte, Emissionsmass) und einen atomaren (Absortion, Emission). Wir beginnen mit dem atomaren.<br />

Dabei ist das Modell der Materie so einfach wie möglich. Die Behandlung ist rein klassisch, wie sie<br />

erstmals in der Lorentzschen Elektronentheorie gegeben wurde. So wird ein Plasma einfach durch freie<br />

Elektronen mit der <strong>Teil</strong>chendichte ne approximiert. Die mindestens 1880 mal schwereren Ionen bleiben<br />

in <strong>die</strong>ser Näherung einfach liegen und liefern den für <strong>die</strong> Ladungsneutralität des gesamten Plasmas<br />

notwendigen Hintergrund. Ein an ein Atom gebundenes Elektron wird durch einen gedämpften, harmonischen<br />

Oszillator angenähert. In dem Problem treten <strong>die</strong> folgenden physikalischen Größen auf:<br />

1. der E-Vektor � Eω der Welle in Richtung �ex (<strong>die</strong> Ausbreitungsrichtung ist �ez), <strong>die</strong> Kreisfrequenz<br />

der Welle, ω und ihre Amplitude, Eo<br />

�Eω = aω�ex ; aω = Eoe −iω(t−kz)<br />

2. <strong>die</strong> Kreisfrequenz des Atoms (harmonischer Oszillator), ωo und <strong>die</strong> Dämpfungskonstante γ. Für<br />

einen gedämpften Oszillator gilt dann für <strong>die</strong> Amplitude<br />

δxe = xoe −γt/2 e −iωt<br />

(4.56)<br />

In der Lorentzschen Elektronentheorie betrachtet man nur Strahlungsrückwirkung als Dämpfungsmechanism<br />

was für <strong>die</strong> Linien ein Lorentz Profil liefert. Die Dämpfungskonstante γ ist dann nach Glchg.<br />

(4.88) gegeben, das Profil durch Glchg. (4.89) (s. u.).


4.2. STRAHLUNG UND IHRE QUELLEN 231<br />

3. Die Dichte der <strong>Teil</strong>chen (der schwingenden Ladungen) liefert <strong>die</strong> Plasmafrequenz ωp. Die Abweichung<br />

vom Vakuum, <strong>die</strong> bei der Ausbreitung elektromagnetischer Wellen in einem Dielektrikum<br />

auftritt, führt auf Dispersion (Verbreiterung = Refraktion) und Absorption (Dämpfung =<br />

Extinktion) des Wellenzuges mit folgender Relation<br />

c 2 k 2 = n 2 ω 2 = ɛω 2<br />

Sie wird dann durch <strong>die</strong> folgende komplexe <strong>die</strong>lektrische Permeabilität ɛ beschrieben:<br />

ɛ = 1 −<br />

ω 2 p<br />

ω 2 − iγω − ω 2 o<br />

; ωp =<br />

�<br />

4πe 2 ne<br />

me<br />

(4.57)<br />

(4.58)<br />

Die <strong>die</strong>lektrische Permeabilität ɛ liefert über ihren Imaginärteil ˜κ den Streuquerschnitt bzw. <strong>die</strong><br />

Opazität.<br />

4. Die Opazität κ ist durch<br />

κ = 2ω˜κ<br />

c = ω2 ω<br />

p<br />

c<br />

ωγ<br />

(ω 2 o − ω 2 ) 2 + (ωγ) 2<br />

gegeben und liefert <strong>die</strong> optische Tiefe τν längs der Wegstrecke der Länge L.<br />

τν =<br />

�L<br />

0<br />

(4.59)<br />

κdx (4.60)<br />

Aus dem direkt beobachtbaren τν kann <strong>die</strong> Säulendichte N längs der Wegstrecke L bestimmt<br />

werden.<br />

Zur Bestimmung der Extinktion und der Refraktion genügt es, <strong>die</strong> Ausbreitung ebener Wellen kleiner<br />

Amplitude δxe in einem homogenen Plasma bzw. Gas in linearer Näherung (linear response) zu<br />

betrachten. Die Amplitude der Welle wird gedämpft (Absorption) und der Betrag des Wellenvektors<br />

ändert sich (Dispersion). Bei echter Streuung (dreidimensionaler Fall) wird <strong>die</strong> Richtung der (auslaufenden)<br />

Welle geändert (Streuung). Damit läßt sich <strong>die</strong> Winkelabhängigkeit des Streuquerschnitts<br />

bestimmen (Larmor Formel).<br />

• ZUSATZ (GEDÄMPFTER HARMONISCHER OSZILLATOR IM WELLENFELD)<br />

In jedem Fall kann man (linear response) Fourier - transformieren, was <strong>die</strong> Rechnungen enorm vereinfacht. Mit � E und � B<br />

bezeichnen wir das einfallende Wellenfeld, welches als kleine Störung auf dem Hintergrund behandelt wird, mit δ�xe <strong>die</strong><br />

Auslenkung des Elektrons (Index e für Elektron) aus der Ruhelage und �ve = δ .<br />

�xe.<br />

Die Bewegungsgleichung eines harmonisch gebundenen <strong>Teil</strong>chens (Frequenz ωo) mit Dämpfungskonstante γ (gedämpfter<br />

harmonischer Oszillator) lautet:<br />

δ ..<br />

�xe +γ d .<br />

δ �xe +ω<br />

dt 2 oδ�xe = e<br />

�E (4.61)<br />

me<br />

Ohne Feld � E lautet <strong>die</strong> Lösung für einen gedämpften harmonischen Oszillator wie in Glchg. (4.56) angegeben. Die Gleichung<br />

des freien <strong>Teil</strong>chens folgt daraus für γ = 0 und ωo = 0.<br />

d2 dt2 δ�xe = e<br />

�E (4.62)<br />

me<br />

Nach Fourier-Transformation wird daraus für <strong>die</strong> Fourier- Komponenten:<br />

δ�xω = e<br />

m<br />

1<br />

ω 2 o − iγω − ω 2 � Eω<br />

(4.63)


232 KAPITEL 4. THERMODYNAMIK: TEMPERATUR<br />

Dann ist <strong>die</strong> durch das einfallende Wellenfeld induzierte Stör- Stromdichte gegeben durch<br />

oder explizit<br />

�j = ene�ve = ne ˙ P<br />

�jω = −i e2 ne<br />

m<br />

ω<br />

ω 2 o − iγω − ω 2 � Eω<br />

Für den Zusammenhang zwischen den Fourier Komponenten von induzierter Stromdichte �jω und Erregerfeld � Eω erhalten<br />

wir daraus das dynamische Ohmsche Gesetz<br />

�jω = σ(ω) � Eω<br />

mit der komplexen Leitfähigkeit<br />

σ(ω) = −i e2 ne<br />

m<br />

ω<br />

ω 2 o − iγω − ω 2<br />

Einsetzen in <strong>die</strong> Maxwellschen Gleichungen<br />

i � k � Bω = 0<br />

i � k � Eω = 4πqω<br />

iω<br />

c � Bω = i � k × � Eω<br />

liefert <strong>die</strong> Plasma-Dispersionsrelation<br />

�<br />

�<br />

c 2 k 2 =<br />

1 −<br />

− iω<br />

c � Eω = i � k × � Bω − 4π<br />

c �jω<br />

ω 2 p<br />

ω 2 − iγω − ω 2 o<br />

ω 2 = ɛ(ω) ω 2<br />

mit der Plasmafrequenz ωp und der <strong>die</strong>lektrische Permeabilität ɛ<br />

ɛ = 1 −<br />

ω 2 p<br />

ω 2 − iγω − ω 2 o<br />

; ωp =<br />

Es gilt numerisch für <strong>die</strong> Plasmafrequenz<br />

�<br />

4πe 2 ne<br />

me<br />

(4.64)<br />

(4.65)<br />

(4.66)<br />

(4.67)<br />

(4.68)<br />

(4.69)<br />

νp = 8.9 · 10 3 n 1/2<br />

e Hz (4.70)<br />

Als Grenzfall für freie Elektronen resultiert <strong>die</strong> Langmuir Dispersionsrelation (wichtig bei Pulsaren zur Entfernungsbestimmung)<br />

ω 2 = c 2 k 2 + ω 2 p<br />

mit der Sonderlösung reiner Oszillation<br />

(4.71)<br />

k = 0 ; ω = ωp. (4.72)<br />

Wellen mit der Plasmafrequenz sind rein longitudinal und propagieren im kalten Plasma nicht.<br />

Das interstellare Medium beschreiben wir nunmehr phänomenologisch mithilfe eines Dielektrikums<br />

mit der Plasmafrequenz ωp. Die komplexe <strong>die</strong>lektrische Permeabilität ist ɛ (Streuung und Absorption)<br />

ɛ = 1 −<br />

ω 2 p<br />

ω 2 − iγω − ω 2 o<br />

; ωp =<br />

�<br />

4πe 2 ne<br />

Die Maxwell Gleichungen lauten dann, wenn wir <strong>die</strong> Zeit abseparieren<br />

me<br />

(4.73)<br />

div(ɛ � E) = 0 ; − iω<br />

c ɛ � E = rot � B (4.74)<br />

div � iω<br />

B = 0 ;<br />

c � B = rot � E (4.75)


4.2. STRAHLUNG UND IHRE QUELLEN 233<br />

Sie führen auf <strong>die</strong> Dispersionsrelation<br />

c 2 k 2 = ɛ(ω)ω 2<br />

; k = 2π<br />

λ<br />

(4.76)<br />

Die <strong>die</strong>lektrische Permeabilität zerlegen wir in Brechungsindex n und Extinktionskoeffizient κ wie<br />

folgt<br />

√ ɛ = n − iκ = √ n 2 + κ 2 e iη<br />

tanη = κ<br />

n<br />

Für ein linear polarisiertes Wellenfeld bedeutet das, daß <strong>die</strong> Lösung<br />

Ex = aω e −iω<br />

� √<br />

ɛ<br />

t− c z<br />

�<br />

By = √ ɛ Ex<br />

lautet, oder reell geschrieben<br />

und<br />

ωκ<br />

−<br />

Ex = aωe c z cos<br />

�<br />

ω<br />

�<br />

t − n<br />

c z<br />

��<br />

√<br />

By = aω n2 + κ2 −<br />

e ωκ<br />

c z � �<br />

cos ω t − n<br />

c z<br />

� �<br />

+ η<br />

Für das Zeitmittel des Poyntingstroms S, also <strong>die</strong> Strahlungs - Leistung erhält man daraus:<br />

L = < S > = c<br />

8π a2 2ωκ<br />

− c ωne z<br />

Die Änderung der Intensität auf der Strecke dz beträgt<br />

(4.77)<br />

(4.78)<br />

dS = − 2ωκ<br />

Sdz (4.79)<br />

c<br />

Für kleine Dichten (bzw. hohe Frequenzen: ωp ≪ ω) gilt stets |ɛ − 1| ≪ 1 und als Näherung kann man<br />

√ ɛ = n − iκ = 1 + (ɛ − 1)/2 setzen. Wir erhalten so für den Brechungsindex<br />

n − 1 = ω2 p<br />

2<br />

ω 2 o − ω 2<br />

(ω 2 o − ω 2 ) 2 + (ωγ) 2<br />

bzw. für den (dimensionslosen) Extinktionskoeffizienten<br />

κ = ω2 p<br />

2<br />

ωγ<br />

(ω 2 o − ω 2 ) 2 + (ωγ) 2<br />

(4.80)<br />

(4.81)<br />

Daraus folgt mit der Dämpfungskonstanten Glchg. (4.88) das Gesetz von Rayleigh. Wir kommen darauf<br />

zurück, Glchg. (4.107).<br />

Wir definieren des weiteren <strong>die</strong> folgenden Größen, (n ist jetzt <strong>die</strong> <strong>Teil</strong>chenzahldichte der absorbierenden<br />

<strong>Teil</strong>chen, der Extinktionskoeffizient bekommt zur Unterscheidung eine Tilde κ → ˜κ):<br />

1. Die Opazität (Massenabsorptionskoeffizient) κν, Einheit: g −1 cm 2<br />

2. linearer Absorptionskoeffizient χν, Einheit: cm −1<br />

3. mittlere Dämpfungslänge lν, Einheit: cm<br />

4. Differentieller Streu- bzw. Absorptionsquerschnitt † σν, Einheit: cm 2<br />

5. optische Tiefe τν, (Definition: dτν := χνdx.) Einheit: dimensionslos<br />

† Auch atomarer Absorptionskoeffizient genannt.


234 KAPITEL 4. THERMODYNAMIK: TEMPERATUR<br />

Die Koeffizienten hängen wie folgt mit dem Extinktionskoeffizienten ˜κ zusammen:<br />

˜κ 4π<br />

λ = χν = κνρ = σνn = l −1<br />

ν<br />

(4.82)<br />

Die wesentlichen Charakteristika können wir wie folgt zusammenfassen: der Extinktionskoeffizient ist<br />

das Produkt aus universeller Konstante und normierter Profilfunktion, Φ(ω), welche <strong>die</strong> Dämpfungskonstante<br />

enthält:<br />

χω = π<br />

2c ω2 �<br />

pΦ(ω) mit Φ(ω − ωo)dω = 1 (4.83)<br />

Wir betrachten nun <strong>die</strong> Absorption aus dem Kontinuum und zerlegen dazu S spektral. Die Änderung<br />

der Intensität auf der Strecke dz beträgt dann, s. Glchg. (4.79)<br />

�<br />

2ωκ<br />

dS = −dz I(ω)dω ; S =<br />

c<br />

� ∞<br />

0<br />

I(ω)dω (4.84)<br />

Die vom Oszillator aufgenommene Energie wächst proportional zur Zeit und ist unabhängig von der<br />

Dämpfung:<br />

< Eosz > = 2π2 e 2<br />

mc I(ωo)t (4.85)<br />

Die Gesamtabsorptionsrate pro linearem Oszillator in einem isotropen Wellenfeld mit spektraler Energiedichte<br />

uω (d. h. u = � uωdω) ist dann (pro Freiheitsgrad nur 1/3)<br />

< ˙ Eosz > = 2π2 e 2<br />

3m u(ωo) (4.86)<br />

Der Streuquerschnitt erfüllt folgende Integralrelation (ebenfalls unabhängig von der Dämpfung):<br />

�<br />

σνdν = πe2<br />

mc ne<br />

(4.87)<br />

Die natürliche Linienbreite wird - klassisch wie quantenmechanisch - durch Strahlungsrückwirkung<br />

bewirkt. Für <strong>die</strong> klassische Dämpfungskonstante γ gilt (γ/2 ist <strong>die</strong> Dämpfung der Amplitude, γ <strong>die</strong><br />

der Energie. Herleitung folgt):<br />

γ = 2e2 ω 2<br />

3mc 3<br />

und <strong>die</strong> normierte Profilfunktion Φ ist gegeben durch ein Lorentz-Profil:<br />

Φ(ω) = 1 γ/2<br />

π (ω − ωo) 2 + (γ/2) 2<br />

(4.88)<br />

(4.89)<br />

• ANMERKUNG (LORENTZ-PROFIL UND KLASSISCHE DÄMPFUNGSKONSTANTE)<br />

Eine einfache phänomenologische Begründung des Auftretens eines Lorentz-Profils bei der Dämpfung liefert <strong>die</strong> Drudesche<br />

Theorie der el. Leitung. Die Bewegungsgleichung eines freien Leitungselektrons lautet<br />

m(¨x + 1<br />

˙x) = eE (4.90)<br />

τ<br />

dabei ist τ <strong>die</strong> Stosszeit des Elektrons mit dem Gitter. Multiplizieren wir mit der Anzahldichte det Leitungselektronen ne<br />

und mit der Ladung e dann ist <strong>die</strong> Stromdichte j gegeben durch<br />

j = ene ˙x und σe = e2 neτ<br />

me<br />

wenn wir das Ohmsche Gesetz j = σeE benutzen.


4.2. STRAHLUNG UND IHRE QUELLEN 235<br />

Für gebundene Elektronen haben wir in Erweiterung <strong>die</strong>ses Ansatzes (mit Lorentz) einen gedämpften, harmonischen Oszillator<br />

(wo erst zum Schluß <strong>die</strong> Dämpfung durch Strahlungsrückwirkung oder Stöße berücksichtigt wird).<br />

Für <strong>die</strong> klassische Dämpfungskonstante γ erhalten wir mit dem Dipolmoment<br />

eδ�x = D (4.91)<br />

und der Energie des Oszillators (kin. plus pot. Energie)<br />

Eosz = mω 2 (δ�x) 2<br />

aus der Larmor Formel (für einen einzelnen Oszillator)<br />

L = ˙ E = 2e2ω4 δ�x2<br />

3mc3 folgende Darstellung der Dämpfungskonstanten<br />

γ = L/Eosz<br />

Dabei ist L <strong>die</strong> abgestrahlte Leistung L = ˙ Eosz. Daraus folgt <strong>die</strong> Dämpfungskonstante Glchg. (4.88)<br />

γ = 2e2 ω 2<br />

3mc 3<br />

Die Dämpfungskonstante ist unabhängig vom Dipolmoment, <strong>die</strong> gedämpfte Schwingung wird durch<br />

x(t) = xoe −γt/2 cos ωt<br />

(mit halbem Dekrement) gegeben.<br />

Φ(ω) = 1<br />

π<br />

γ/2<br />

(4.92)<br />

(4.93)<br />

(ω − ω0) 2 + (γ/2) 2 Profilfunktion (4.94)<br />

∞<br />

�<br />

0<br />

Φ(ω)dω = 1 Normierung (4.95)<br />

γ = 2e2 ω 2<br />

3mc 3 klass. Dämpfungskonst (4.96)<br />

Die Funktion Φ(ω) hat das Maximum Φ(ω0) = 2/πγ und fällt auf <strong>die</strong> Hälfte, Φ(ω) = 1/πγ, für ω = ω0 ± γ/2, d. h.<br />

∆ωFWHM = γ. Der Index stehen für Full Width to Half Maximum.<br />

• ANMERKUNG (ÜBERGANG ZUR QUANTENMECHANIK)<br />

Die ungedämpfte harmonische Schwingung haben wir klassisch bisher durch<br />

x(t) = x0 cos ωt<br />

beschrieben. Die Schwingungs - Amplituden<br />

x(t) = xoue iωt + (xou) ∗ e −iωt<br />

definieren wir nunmehr so, daß sie mit der Fourier Darstellung der klassischen Bahn übereinstimmen, d. h.<br />

xou = 1<br />

2 x0<br />

Die harmonische Schwingung x(t) einer Ladung e induziert ein el. Dipolmoment mit der klassischen Amplitude<br />

D0 = ex0<br />

Den Übergang von der klassischen zur quantenmechanischen Behandlung der Linienstrahlung, <strong>die</strong> von einem Atom beim<br />

Übergang von einem diskreten oberen Niveau, Index o, in ein unteres Niveau u ausgesandt wird, liefert <strong>die</strong> folgende<br />

Identität. Die Gesamtenergie des Atoms ist ohne Strahlungsrückwirkung konstant und beträgt<br />

Eosz = 1<br />

2 mω2 oux 2 0 = ¯hωou = Ephot<br />

(4.97)<br />

(4.98)<br />

(4.99)


236 KAPITEL 4. THERMODYNAMIK: TEMPERATUR<br />

wobei wir beim zweiten Gleichheitszeichen <strong>die</strong> Energie des Oszillators gleich der Energie des abgestrahlten Photons gesetzt<br />

haben. Umschreiben <strong>die</strong>ser Relation auf <strong>die</strong> Fourier Komponenten liefert eine Identität<br />

¯hωou = Eosz = 2m ω 2 ou |xou| 2<br />

Daraus folgt, daß <strong>die</strong> Größe (Oszillatorstärke)<br />

fou = Eosz<br />

=<br />

¯hωou<br />

m<br />

¯h 2ωou |xou| 2<br />

klassisch gleich eins ist. In 3 Dimensionen gilt dann<br />

fou = m<br />

¯h 2ωou<br />

|�xou| 2<br />

3<br />

Für den Einstein Koeffizienten folgt<br />

Aou = Lou<br />

=<br />

¯hωou<br />

4e2<br />

3c3¯h ω3 ou|xou| 2 = γfou<br />

eine Relation, <strong>die</strong> wir später herleiten werden.<br />

Die natürliche Linienbreite, ∆ω = γ ist (im Radio- und optischen Bereich) so klein,<br />

∆ω 1 1<br />

= =<br />

ω ωτ 3 α3<br />

�<br />

2¯hω<br />

mc2α2 �<br />

(4.100)<br />

(4.101)<br />

(4.102)<br />

(4.103)<br />

(4.104)<br />

daß <strong>die</strong> Profilfunktion, Φ, in astrophysikalischen Anwendungen durch eine Kastenfunktion approximiert<br />

werden darf:<br />

Φ(ω) = 1<br />

∆ω f(ω) mit f(ω) = [Θ(ω − ω0 + 1<br />

2 ∆ω) − Θ(ω − ω0 − 1<br />

2 ∆ω)]<br />

Die Funktion f(ω) ist 1 in der Linie, 0 sonst; (Θ ist <strong>die</strong> Heaviside Stufenfunktion). Für <strong>die</strong> Opazität<br />

gilt dann<br />

χω = 1<br />

2c<br />

ω2 p<br />

f(ω) (4.105)<br />

∆ω<br />

Zum Merken: ∆λ = 10 −4 ˚A = const ist universelle Relation für <strong>die</strong> natürliche Linienbreite aufgrund<br />

von Strahlungsrückwirkung.<br />

Die Opazität κ<br />

κ = 2ω˜κ<br />

c = ω2 ω<br />

p<br />

c<br />

ωγ<br />

(ω 2 o − ω 2 ) 2 + (ωγ) 2<br />

führt vermittels κρ = σn auf folgenden Streuquerschnitt<br />

σ = σT<br />

ω 4<br />

(ω 2 o − ω 2 ) 2 + (ω∆ω) 2<br />

(4.106)<br />

(4.107)<br />

wenn wir für γ <strong>die</strong> klassische Dämpfungskonstante (4.88) einsetzen und Glchg. (4.104) verwenden.<br />

Für ω ≪ ωo folgt <strong>die</strong> Rayleighsche Streuformel.<br />

Die Oszillatorstärke fou kann quantenmechanisch nur in wenigen, aber für <strong>die</strong> <strong>Astrophysik</strong> wichtigen,<br />

Spezialfällen analytisch bestimmt werden. Dazu zählen (neben dem hier behandelten harmonischen<br />

Oszillator und dem starren Rotator) das Wasserstoffatom und - fast ebenso wichtig - das freie Elektron.<br />

Im Grenzfall grosser Frequenzen folgt <strong>die</strong> Streuformel von Thompson (1903)<br />

σ T = 8π<br />

3<br />

� e 2<br />

mc 2<br />

� 2<br />

= 8π<br />

3 r2 e<br />

(4.108)


4.2. STRAHLUNG UND IHRE QUELLEN 237<br />

und für kleine Frequenzen <strong>die</strong> von Rayleigh (1899, Abendrot und Himmelsblau)<br />

σ = σ T<br />

� ω<br />

ωo<br />

� 4<br />

= σ T<br />

� �4 λo<br />

λ<br />

(4.109)<br />

Allgemeiner gilt für <strong>die</strong> Streuung an kleinen sphärischen <strong>Teil</strong>chen vom Radius a und Volumen V ,<br />

Rayleigh (1871)<br />

σ R = 8π|α|2 ω 4 V 2<br />

3c 3 ; V = 4π<br />

3 a3<br />

; α = 3 ɛ − 1<br />

4π ɛ + 2<br />

wobei α <strong>die</strong> Polarisierbarkeit ist.<br />

Den differentiellen Streuquerschnitt erhält man analog zur Herleitung der Streuformel von Thomson<br />

(freies Elektron). Für <strong>die</strong>sen gilt folgende Winkelabhängigkeit<br />

dσ T<br />

dΩ =<br />

� e 2<br />

mc 2<br />

� 2 1 + cos 2 θ<br />

Die mikroskopische Herleitung folgt später.<br />

2<br />

(4.110)


238 KAPITEL 4. THERMODYNAMIK: TEMPERATUR<br />

4.2.3 Hohlraumstrahlung<br />

Thermodynamisches Gleichgewicht ist ein Paradigma der Vielteilchenphysik. Es erlaubt <strong>die</strong> Bestimmung<br />

der thermodynamischen Funktionen aus rein statistischen Überlegungen. Insbesondere ideale,<br />

nicht wechselwirkende <strong>Teil</strong>chen (Felder) können exakt behandelt werden.<br />

Im thermodynamischen Gleichgewicht bildet sich in einem Hohlraum, der in einem Wärmebad auf eine<br />

Temperatur T gehalten wird, eine elektromagnetische Strahlung aus, E und B seien <strong>die</strong> Feldstärken<br />

des elektrischen und des magnetischen Feldes. Für freie Wellen im Vakuum ist |E| = |B|. Die Energiedichte<br />

sei u. Aus der Elektrodynamik Maxwells folgt für u<br />

u = E2 + B 2<br />

8π<br />

= E2<br />

4π<br />

; E = Ae i(� k�x−ωt)<br />

Die Größe u wird nun spektral zerlegt (ω = 2πν) in <strong>die</strong> spektrale Energiedichte uν:<br />

�<br />

u = uνdν ; uν = U(ν) = U(νou) (4.111)<br />

Statt uν werden wir auch U(ν) oder für Linienstrahlung U(νou) schreiben.<br />

• ANMERKUNG (MODELL DER HOHLRAUMSTRAHLUNG)<br />

Konkret bildet sich im Hohlraum der Kantenlänge L ein System von stehenden Wellen aus mit Wellenvektoren<br />

� k = (kx, ky, kz) = (2π/L) · (nx, ny, nz)<br />

Die nx, ny und nz sind ganze Zahlen. Die Anzahl der möglichen Moden Z(ν) mit Wellenlängen λ = c/ν, <strong>die</strong> (L/λ) 2 ≥<br />

n 2 x + n 2 y + n 2 z erfüllen, kann durch das Volumen einer Kugel abgeschätzt werden und beträgt:<br />

Z(ν) = 2 4π<br />

3<br />

� �3 Lν<br />

c<br />

dabei ist gγ = 2 der statistische (Besetzungs)Faktor. Differentiell gibt das, wenn wir für das Volumen V = L 3 = d 3 x<br />

setzen, für <strong>die</strong> Anzahl der Moden (im Phasenraum) im Intervall [ν . . . ν + dν]<br />

dZ(ν) = gγ V 4πc −3 ν 2 dν = gγ h −3 d 3 xd 3 p (4.112)<br />

In <strong>die</strong>ser differentiellen Form haben wir für den Impuls der Photonen p = hν/c gesetzt und d 3 p = 4πp 2 dp benutzt.<br />

Wir wollen im folgenden zeigen, wie <strong>die</strong> spektrale Energiedichte uν = U(ν) als Funktion ihrer<br />

möglichen Parameter schrittweise bestimmt wurde und welche Annahmen dabei gemacht wurden.<br />

Das Kirchhoffsche Gesetz ist hier ein wichtiger erster Schritt. G. R. Kirchhoff zeigte anhand des 2.<br />

Hauptsatzes der Thermodynamik, daß uν für einen schwarzen Körper nur von T abhängen kann,<br />

uν = f(ν, T )<br />

also eine universelle Funktion ist — unabhängig von der Materialbeschaffenheit (d. h. von den physikalischen<br />

Prozessen) der Strahler der Wandung. Emission und Absorption eines Körpers stehen in<br />

einem bestimmten Verhältnis zueinander. Falls wir Emission pro Steradian mit ην und Absorption (bei<br />

der Frequenz ν) mit κνρBν bezeichnen, dann besagt das Kirchhoffsche Gesetz<br />

ην<br />

κνρ = Bν = c<br />

4π uν<br />

(4.113)<br />

Mit Bν haben wir <strong>die</strong> spektrale Helligkeit B(νou) eingeführt und berücksichtigt, daß im thermodynamischen<br />

Gleichgewicht <strong>die</strong> Strahlung isotrop ist (Faktor 4π beim Umrechnen).<br />

Der zweite Schritt ist das Gesetz von Stefan und Boltzmann. Stefan (1835 - 1893) und Boltzmann<br />

zeigten, daß das Integral über alle Frequenzen<br />

u = aT 4<br />

(4.114)


4.2. STRAHLUNG UND IHRE QUELLEN 239<br />

ergeben muß.<br />

Das Wiensche Verschiebungsgesetz ist der letzte Schritt, der mit rein thermodynamischen Methoden<br />

(also ohne mikroskopische Vorstellungen) noch getan werden kann. Wilhelm Wien (1893) zeigte, daß<br />

eine adiabatische Kompression der Hohlraumstrahlung über den Dopplereffekt zu folgender funktionaler<br />

Abhängigkeit der Funktion f führt:<br />

uν(T ) = ν 3 f(ν/T )<br />

woraus das Wiensche Verschiebungsgesetz<br />

λmaxT = const (4.115)<br />

für gegebene Temperatur T folgt. (Dabei ist const = 0.2898 cm K).<br />

• ANMERKUNG (MODELL DES HARMONISCHEN OSZILLATORS)<br />

Die Rayleigh-Jeans Formel beruht auf den folgenden Annahmen, <strong>die</strong> sich dann als falsch herausstellen werden:<br />

1. <strong>die</strong> Moden bilden ein Kontinuum mit der Energie eines harmonischen Oszillators<br />

< Eosz > = π2 c 2<br />

ω 2 u(ωo) (4.116)<br />

2. <strong>die</strong> Energie einer Schwingungsmode wie folgt bestimmt:<br />

Eosz = 1<br />

2 me ω 2 x 2 0 = kT (4.117)<br />

3. im thermischen Gleichgewicht soll <strong>die</strong> Besetzung nach Glchg. (4.112) erfolgen.<br />

Die im Rahmen der klassischen Physik korrekte Annahme, daß jede Mode mit Eosz = kT thermisch<br />

besetzt ist, führt zur UV Katastrophe. Das Integral<br />

�<br />

duν = 8πkT (kT/hc) 3<br />

�<br />

x 2 dx ; x = hν<br />

kT<br />

divergiert. Die korrekte Form für Eosz wurde von Planck gefunden<br />

Eosz = kT<br />

x<br />

e x − 1<br />

; x = hν<br />

kT<br />

(4.118)<br />

(4.119)<br />

und kann mithilfe statistischer Methoden hergeleitet werden, falls man annimmt, daß Photonen diskret<br />

sind und demnach auch nur diskret besetzt werden können.<br />

• ANMERKUNG (STATISTIK DES HARMONISCHEN OSZILLATORS (PHOTONEN))<br />

Wir nehmen an, daß jedes Photon im thermischen Gleichgwicht mit einem harmonischen Oszillator (der Wand des Hohlraums)<br />

steht. Die mittlere Energie wird aus Zustandssumme Z bestimmt. Sie ist durch<br />

∂ ln Z<br />

U = < E > = −<br />

∂β<br />

; β = 1<br />

kT<br />

gegeben. Klassisch kann E = Eosz ein Kontinuum von Werten annehmen. Die Zustandssumme für einen Oszillator ist<br />

dann (bis auf einen Faktor)<br />

Zkl =<br />

�<br />

0<br />

∞<br />

e −βE dE = 1<br />

= kT<br />

β<br />

und somit ist < E > = kT .<br />

Die Quantenmechanik verlangt dagegen eine Summe diskreter Eigenwerte,<br />

Zqu =<br />

∞�<br />

e −βɛn<br />

n=0


240 KAPITEL 4. THERMODYNAMIK: TEMPERATUR<br />

Speziell beim harmonischen Oszillator ist <strong>die</strong> Summe geschlossen berechenbar<br />

�<br />

ɛn = n + 1<br />

�<br />

¯hω<br />

2<br />

; Zqu = e −β¯hω/2 1<br />

1 − e−β¯hω Damit wird<br />

< E > = ¯hω<br />

�<br />

1<br />

2 +<br />

1<br />

e¯hω/kT �<br />

− 1<br />

(4.120)<br />

(4.121)<br />

Der erste Term, <strong>die</strong> Nullpunktsschwingungen des elektromagnetischen Vakuums, ist immer noch divergent (aber nicht<br />

beobachtbar). Der zweite liefert <strong>die</strong> korrekte Planck Besetzung. Mit Glchg. (4.112) erhalten wir<br />

Uν(T )dν = < E > dZ(ν)<br />

• ANMERKUNG (BOSE - EINSTEIN STATISTIK (DER PHOTONEN))<br />

Es sei ɛ <strong>die</strong> Energie eines einzelnen Photons. Man nimmt an, daß eine Zelle im Phasenraum nur diskret besetzt werden<br />

kann. Die relative Wahrscheinlichkeit für <strong>die</strong> Besetzung mit n Photonen ist W n , mit<br />

W = e −βɛ<br />

; ɛ = ¯hω<br />

der relativen Wahrscheinlichkeit für <strong>die</strong> Bestzung mit einem Photon. Das liefert <strong>die</strong> Zustandssumme eines einzelnen Photons<br />

Zqu =<br />

∞�<br />

W n ∞�<br />

= e −βɛn<br />

n=0<br />

n=0<br />

was formal identisch ist mit dem harmonischen Oszillator. Wir erhalten<br />

uωdω = kT<br />

� kT<br />

¯hc<br />

� 3 1<br />

π 2<br />

x 3 dx<br />

e x − 1<br />

Im thermodynamischen Gleichgewicht ist <strong>die</strong> Strahlung isotrop und Bν ist <strong>die</strong> Planck Funktion<br />

Bν(T ) = Iν = c<br />

4π Uν =<br />

2hν 3<br />

c 2 (e hν/kT − 1)<br />

(4.122)<br />

Fall kein thermodynamisches Gleichgewicht vorliegt wird <strong>die</strong> spektrale Helligkeit mit Iν bezeichnet.<br />

Optische Tiefe und Säulendichte<br />

Die für <strong>die</strong> <strong>Astrophysik</strong> wichtigen Prozesse zur Bestimmung des Linienprofils sind Dopplerverschiebung<br />

(Gauß- anstelle von Lorentz-Profil) und Stossverbreiterung (Holtsmark-Profil), kombiniert in der<br />

Voigt-Profilfunktion H(˜α, v) mit den beiden dimensionslosen Parametern<br />

˜α = γ<br />

2∆ωD<br />

; v =<br />

ω − ω0<br />

∆ωD<br />

; ∆ωD = v<br />

ω (4.123)<br />

c<br />

der Beitrag der Strahlungsdämpfung spielt keine Rolle, d. h. es ist γrad ≪ γcoll.<br />

Der Linienabsorptionskoeffizient kann dann wie folgt geschrieben werden<br />

χω = χzH(˜α, v) (4.124)<br />

wobei χz der Absorptionskoeffizient in Linienmitte ist (H(α, 0) = 1)<br />

√ 2 πe<br />

χz =<br />

mec<br />

nmfmn<br />

∆νD<br />

(4.125)<br />

Dabei ist nm <strong>die</strong> <strong>Teil</strong>chenzahldichte im Zustand m und <strong>die</strong> fmn sind <strong>die</strong> Oszillatorstärken (s.u.) für den<br />

Übergang.


4.2. STRAHLUNG UND IHRE QUELLEN 241<br />

In den Flügeln gilt näherungsweise<br />

H(α, v) = ˜α √ π<br />

1<br />

˜α 2 + v 2<br />

Die optische Tiefe τν längs der Wegstrecke der Länge L, ist wie folgt definiert:<br />

dτν = χνdx ; τν =<br />

�L<br />

0<br />

(4.126)<br />

χνdx (4.127)<br />

also χνL für homogene Verhältnisse. Im reinen Absorptionsfall gilt das Beersche Gesetz für <strong>die</strong> spektrale<br />

Strahlungsintensität Iν<br />

Iν(L) = Iν(0)e −τν (4.128)<br />

Für ein Gas nahe dem LTE kommt noch <strong>die</strong> erzwungene Emission hinzu und es gilt für Nu <strong>Teil</strong>chen<br />

im unteren Niveau im Volumen V <strong>die</strong> Einstein Relation<br />

mit<br />

χν = c2Nugo 8πV ν2 �<br />

�<br />

−hνou/kT<br />

Ao→u 1 − e Φ(ν − νou) (4.129)<br />

gu<br />

Ao→u = 2hν3<br />

c 2 Bo→u (4.130)<br />

und (für LTE mit Boltzmann Verteilung für <strong>die</strong> Besetzung der beiden Niveaus o und u):<br />

No<br />

Nu<br />

= go<br />

gu<br />

e −(Eo−Eu)/kT = go<br />

e −hνou/kT<br />

Mit der Säulendichte N und der Wegstrecke L<br />

gu<br />

(4.131)<br />

Nu = Nu<br />

V L = nuL (4.132)<br />

gilt dann für <strong>die</strong> optische Tiefe τν, wenn <strong>die</strong> Profilfunktion durch eine Kastenfunktion genähert wird<br />

Φ(ν − νou) = 1<br />

∆νz<br />

(brauchbar außerhalb der Linienmitte) <strong>die</strong> Relation<br />

τν = k1D 2 ou<br />

1<br />

∆νz<br />

�<br />

�<br />

−hνou/kT<br />

1 − e Ns<br />

(4.133)<br />

wobei k1 eine für das Atom (Molekül) spezifische Konstante (für gegebene Frequenz) ist, <strong>die</strong> im Labor<br />

bestimmt werden kann.<br />

Für homogene Verhältnisse (konstantes T und n) erhält man aus der Strahlungstransportgleichung<br />

zunächst formal für <strong>die</strong> spezifische Strahlungsintensität Iν<br />

Iν = Iν(0)e −τν + Bν(T )(1 − e −τν ) (4.134)<br />

oder umgeformt (dazu subtrahiert man Iν(0) auf beiden Seiten) <strong>die</strong> Detection Equation (für <strong>die</strong> Intensität<br />

einer Linie)<br />

∆I = Iν − Iν(0) = (Bν(T ) − Iν(0))(1 − e −τν ) (4.135)


242 KAPITEL 4. THERMODYNAMIK: TEMPERATUR<br />

oder, falls man <strong>die</strong> Rayleigh-Jeans Näherung für <strong>die</strong> Antennentemperatur<br />

Tb = c2<br />

2kν<br />

verwenden kann<br />

2 Iν<br />

∆Tl = (Tex − Tbg)(1 − e −τν ) (4.136)<br />

Die Indizes an den verschieden (Antennen) Temperaturen bedeuten hier l : Linie, ex : Anregung und<br />

bg Hintergrund. Im optisch dünnen Fall bleibt dann nur<br />

∆Tl = (Tex − Tbg)τν mit τν = χνL (4.137)<br />

Daraus kann <strong>die</strong> Säulendichte N bestimmt werden, falls <strong>die</strong> atomaren Koeffizienten (s. Glchg. (4.133))<br />

bekannt sind. Zwei Fälle, wo das sogar analytisch möglich ist, sind der Hyperfeinübergang bei atomarem<br />

Wasserstoff (21 cm Linie) und <strong>die</strong> Rotationsübergänge eines Moleküls.<br />

• FORMELN (21CM HYPERFEINÜBERGANG BEI H)<br />

Für den Hyperfeinübergang bei H gilt folgendes. Die Wechselwirkungsenergie ist <strong>die</strong> Energie der magnetischen Momente<br />

von Elektron und Proton. Beide sind mit dem Spin assoziiert. Der Grundzustand ∆Ehfs(n = 1) hat für Gesamtspin F = 0,<br />

antiparallele Spins = paralles Feld, <strong>die</strong> niedrigste Energie. Der Übergang F = 1 → 0 hat <strong>die</strong> Energie<br />

∆Ehfs(n = 1) ≈ 5.6 · 10 −6<br />

eV oder k∆T = 0.06 K (4.138)<br />

Die dazu gehörende Frequenz ist eine der am genauesten bestimmten Größen der Physik:<br />

νhfs = 1 420. 405 751 786 MHz (4.139)<br />

Die statistischen Gewichte sind go = 3 (zu Spin gleich 1) und gu = 1. Damit ist selbst für <strong>die</strong> kosmische Hintergrundstrahlung<br />

von 2.7 K <strong>die</strong> Rayleigh Näherung erlaubt und <strong>die</strong> Verteilung der beiden Niveaus ist stets thermisch im Verhältnis<br />

1:3.<br />

Auch der Einstein A Koeffizient kann exakt bestimmt werden. Es gilt in Zahlen für <strong>die</strong> Emission:<br />

A ≈ 2.85 · 10 −15<br />

was einer Lebensdauer von T = 10 Myr entspricht.<br />

Die natürliche Linienbreite ist winzig:<br />

∆ν<br />

ν<br />

= 1<br />

2π<br />

A<br />

ν<br />

s −1 (4.140)<br />

≈ 3 · 10−25<br />

Die natürliche Linienbreite spielt keine Rolle, deshalb wird <strong>die</strong> beobachtete Linienbreite durch <strong>die</strong> thermische und makroskopische<br />

Bewegung (Doppler-Effekt) und durch Stöße bestimmt. Da Stöße in der ISM selten sind, ein Stoß findet etwa alle<br />

10 Myr statt, liefern <strong>die</strong>se (nach der Holtsmark Theorie) nur einige Zehnerpotenzen im Vergleich zur natürlichen Linienbreite:<br />

viel zu wenig um (in der Linienbreite) beobachtbar zu sein. Der entscheidende Effekt ist <strong>die</strong> Doppler-Verbreiterung.<br />

Diese liefert mehr als 19 Zehnerpotenzen (bei v 1 km s −1 , was Tkin 40 K entspricht!):<br />

∆ν v<br />

=<br />

ν c ≈ 5 · 10−6v5 Der Wirkungsquerschnitt für Absorption, den wir nach der Formel<br />

σ = 6πλ- 2<br />

abschätzen (σ ≈ 200 cm 2 !), wird dann herabgesetzt auf<br />

σ = (λ- 2 A<br />

)<br />

∆ν<br />

(4.141)<br />

oder auf σ ≈ 10 −18 cm 2 . Die Breite der Linie ist dann entsprechend<br />

∆ν = v<br />

c νhf<br />

Für <strong>die</strong> Säulendichte NH des Hyperfeinübergangs bei atomarem Wasserstoff ergibt sich damit in der Beobachtung ange-<br />

passten Einheiten<br />

N = 1.8 · 10 18<br />

�<br />

(Tsp/K)(dv/kms −1 ) cm −2 (4.142)


4.2. STRAHLUNG UND IHRE QUELLEN 243<br />

Die Beobachtungen von H in der Milchstraße ergeben Werte von NH = 10 19 cm −2 bis NH = 10 22<br />

cm −2 . Daraus folgt eine mittlere <strong>Teil</strong>chendichte von etwa 1 <strong>Teil</strong>chen pro cm 3 .<br />

Gleiches gilt für molekularen Wasserstoff, auf kleinerer Skala, wie wir noch sehen werden. Die größten<br />

bisher gefundenen Werte belaufen sich auf NH = 10 24 cm −2 .<br />

• FORMELN (ROTATION VON CO)<br />

Rotationsübergänge eines Moleküls mit statischem Dipolmoment µ können ebenfalls exakt bestimmt werden. Sie haben<br />

<strong>die</strong> folgenden Matrixelemente<br />

D 2 2 J + 1<br />

J,J+1 = µ<br />

2J + 1<br />

; νJ,J+1 = 2B(J + 1) (4.143)<br />

dabei reicht µ von etwa 5 Debey bis praktisch Null.<br />

Für das Molekül CO gilt z. B. µ = 0.112 Debey (1 Debey entspricht 10 −18 esu gleich 10 −18 cgs Einheiten).<br />

Da molekularer Wasserstoff, H2, aus Symmetriegründen kein el. Dipolmoment besitzt, ist CO von<br />

grosser astrophysikalischer Bedeutung: es ist nach H2 das häufigste Molekül. Aufgrund seiner grossen<br />

Bindungsenergie kommt es überall in Wolken vor, zusammen mit Staub ist <strong>die</strong> Linienstrahlung von<br />

CO der wichtigste Kühlmechanismus kalter Wolken.<br />

4.2.4 Quantenmechanik der Absorption und Dispersion<br />

Die meiste Information ist in der Linienstrahlung enthalten. So können Anregungsbedingungen (Temperatur,<br />

Dichte etc.) des Mediums bestimmt werden. Für Sterne sind das einige charakteristische Atome<br />

(H, He), für <strong>die</strong> ISM bestimmte Moleküle (CO, NH3). Für das Aussehen (Farbe) von Sternen wie <strong>die</strong><br />

Sonne sind der Photoeffekt (Ionisation eines Atoms, entweder aus dem Grundzustand oder aus einem<br />

angeregten Zustand) und Bremsstrahlung (Streuung von Photonen an freien Elektronen im Feld von<br />

Protonen) der dominante Prozeß. Die Streuung von Photonen an freien Elektronen ist für heiße Sterne<br />

(inkl. Röntgensterne und frühes Universum) der dominierende Prozeß. Mit dem frequenzunabhängigen<br />

Thomson Wirkungsquerschnitt σ T erhalten wir <strong>die</strong> Eddingtonsche Grenzleuchtkraft für (akkretierende)<br />

Sterne, LEdd.<br />

Diese und andere wichtige Grundlagen wollen wir kurz besprechen.<br />

Thomson Streuung<br />

Als einfachstes Beispiel für den atomaren Aspekt betrachten wir <strong>die</strong> Wechselwirkung zwischen einem<br />

freien (d. h. nicht an einen Atomkern gebundenen) Elektron und einer elektromagnetischen Welle<br />

(Thomson Streuung). Der Wirkungsquerschnitt (im Bereich ¯hω ≪ mc 2 ) ist quantenmechanisch wie<br />

klassisch durch <strong>die</strong> Thomsonsche Streuformel gegeben, differentiell:<br />

dσ T<br />

dΩ =<br />

� e 2<br />

mc 2<br />

� 2 1 + cos 2 θ<br />

Der Gesamtwirkungsquerschnitt ist<br />

σ T = 8π<br />

3<br />

� e 2<br />

mc 2<br />

� 2<br />

2<br />

= 8π<br />

3 r2 e<br />

(4.144)<br />

(4.145)<br />

Die Formel gilt so nur für freie Elektronen; näherungsweise aber auch für Photonen mit Energien<br />

α 2 mec 2 ≪ ¯hω ≪ mec 2 . Für noch höhere Energien muß man den Klein-Nishina Streuquerschnitt<br />

benutzen:<br />

σ KN = σ T(1 − 2¯hω/mc 2 + . . .)


244 KAPITEL 4. THERMODYNAMIK: TEMPERATUR<br />

Für <strong>die</strong> höchsten Energien, ¯hω ≫ mec 2 spielt Paarezeugung <strong>die</strong> dominierende Rolle. In jedem Fall ist<br />

der Gesamtwirkungsquerschnitt, Glchg. (4.145) eine obere Grenze.<br />

Das liefert für <strong>die</strong> Opazität κe von freien Elektronen der <strong>Teil</strong>chendichte ne:<br />

κe = σ Tne<br />

ρ<br />

Zum Merken:<br />

= Z<br />

A<br />

σ T<br />

mH<br />

κe = 2Z 1 + xH<br />

=<br />

5A 5<br />

cm 2<br />

in Zahlen<br />

g −1<br />

σ T<br />

mH<br />

= 0.40 cm 2<br />

g −1<br />

(4.146)<br />

Als wichtige Anwendung erhalten wir hieraus LEdd, <strong>die</strong> Eddingtonsche Grenzleuchtkraft für (akkretierende)<br />

Sterne:<br />

LEdd = 4πGmHMc<br />

= 10<br />

σT h<br />

4.5<br />

� �<br />

M<br />

L⊙ = 1.3 · 10<br />

M⊙<br />

38<br />

� �<br />

M<br />

mH erg s<br />

M⊙<br />

−1 (4.147)<br />

und für akkretierende entartete Sterne in Fundamentalkonstanten:<br />

LEdd =<br />

9<br />

2α √ αG<br />

2 c<br />

mec<br />

re<br />

Atomare Prozesse: Überblick<br />

= 2 · 10 38<br />

erg s −1 (4.148)<br />

Die folgenden drei Prozesse benötigen eine quantenmechanische Behandlung und beschreiben Absorption<br />

von Photonen am Elektron im Feld eines Protons. Qualitativ kann man sie aber im Rahmen<br />

der Bohrschen Vorstellungen erhalten (erstmals von Kramers 1923). Die wesentlichen Regeln sind:<br />

<strong>die</strong> Energieniveaus eines Elektrons sind diskret, in einem Elementarprozeß ist stets nur ein Photon<br />

involviert.<br />

Der Drehimpulserhaltungssatz führt dann zu den Auswahlregeln für <strong>die</strong> Emission des einen Photons<br />

(für erlaubte Übergänge ∆J = ±¯h, kein Spinflip).<br />

Wir erhalten<br />

1. Linienabsorption, falls Anfangs- und Endzustand zu gebundenen Niveaus des Wasserstoffs<br />

gehören,<br />

2. ein Kontinuum mit Kante, falls der Anfangszustand gebundenen, der Endzustand aber<br />

ungebunden ist, und<br />

3. ein Kontinuum, Bremsstrahlung, falls Anfangs- und Endzustand des Elektrons ungebunden<br />

sind.<br />

Um <strong>die</strong> folgenden Formeln adäquat schreiben zu können, führen wir drei geeignete Längen - Einheiten<br />

ein, welche sich auf das Wasserstoffatom beziehen, <strong>die</strong> Abhängigkeit von der Ladung Z für Wasserstoff<br />

ähnliche Spektren geben wir explizit an.<br />

Die Ionisationsenergie des Grundzustands von Wasserstoff beträgt:<br />

I = hν = hc<br />

λ<br />

= 1<br />

2 α2 mec 2 mit α = e2<br />

¯hc<br />

Die drei fundamentalen Längen (für den Streuquerschnitt) sind:<br />

1. klassischer Elektronenradius, re,<br />

2. Bohrscher Radius von H, rB, und<br />

3. <strong>die</strong> Wellenlänge des emittierten bzw absorbierten Photons, λ.<br />

(4.149)


4.2. STRAHLUNG UND IHRE QUELLEN 245<br />

Zwischen <strong>die</strong>sen gelten folgende Größenrelationen:<br />

re = α 2 r B = 1<br />

4π α3 λ<br />

Die Ladungsabhängigkeit ist für Wasserstoff ähnliche Atome durch<br />

IZ = 1<br />

2 Z2 α 2 mec 2<br />

(4.150)<br />

gegeben. Von besonderem astrophysikalischem Interesse sind der Nachweis von Deuterium, Helium<br />

(beide können auch primordial sein) und Eisen (Erzeugung nur in Supernovae möglich).<br />

Einige wichtige Nachweis Linien zur Bestimmung der Temperatur und der Häufigkeit der Elemente<br />

sind in der folgenden Tabelle aufgeführt.<br />

Wichtige Nachweis Linien<br />

Name Element E T ν λ<br />

Bezeichnung Übergang Kelvin<br />

Hyperfein H 5·10 −6 eV 1420 MHz 21 cm<br />

CO 1 → 0 50 115 GHz 2.6 mm<br />

HD 1 → 0 440 µ<br />

H2 2 → 0 500 28 µ<br />

Hα (Balmer) 1s→2p 3.6 eV 6563 ˚A<br />

Lyα (Lyman) 1s→2p 10 eV 10 5 1215 ˚A<br />

Fe XXVI Ka 1s→2p 6.9 keV 1.79 ˚A<br />

Fe XXVI Kb 1s→3p 8.1 keV 10 7 1.54 ˚A<br />

Positronium e, ē 0.5 MeV<br />

Damit erreicht man für vollständig ionisiertes Eisen, Z = 26, bei der Rekombination bereits Energien,<br />

<strong>die</strong> im mittleren Röntgenbereich (E = 9 · 10 3 eV) liegen (und dort auch selbst bei kosmologischen<br />

Quellen beobachtet werden).<br />

Die Positronium Vernichtungslinie wurde im Zentrum der Milchstraße (allerdings nur zeitweise) gesehen.<br />

Bremsstrahlung<br />

Bremsstrahlung trat ursprünglich auf beim Durchgang von Elektronen durch eine dünne Folie. Die<br />

Elektronen werden dabei durch Strahlungsverluste abgebremst. Anfangs und Endzustand des Elektrons<br />

sind frei deshalb wird sie auch frei-frei Strahlung genannt.<br />

Die Opazität (und Emissionsvermögen) für frei-frei Strahlung wurde erstmals von Kramers berechnet<br />

(Kramers Opazität). Für <strong>die</strong> Steuung von Elektronen der Dichte ne an ni Ionen (Protonen) gilt für <strong>die</strong><br />

Gesamtemissivität (Einheit: erg s −1 cm −3 ) pro Volumen<br />

j = 16<br />

�<br />

2π<br />

3 3<br />

Z2e6 ¯hmc2 �<br />

kT<br />

neni<br />

(4.151)<br />

mc2 Damit erhalten wir für ein thermisches Plasma der Temperatur T für den Absorptionskoeffizienten, wie<br />

er erstmals von Kramers (1923) abgeleitet wurde, nach dem Kirchhoffschen Gesetz, für <strong>die</strong> Opazität:<br />

χω = nσω = ɛω<br />

Bω(T )<br />

(4.152)


246 KAPITEL 4. THERMODYNAMIK: TEMPERATUR<br />

dabei ist Bω(T ) <strong>die</strong> Planck-Funktion.<br />

σω = Z 2 σ T<br />

� mc 2<br />

kT<br />

�3/2 �ωp �2 ω<br />

Damit gilt für <strong>die</strong> Opazität folgende Abhängigkeit von Frequenz ω und Dichte der Elektronen ne:<br />

χω = nσω ∝ Z 2 n 2 eT −3/2 ω −2<br />

(4.153)<br />

(4.154)<br />

Sie hängt vom Quadrat der Elektronendichte ab (gilt für alle Stossprozesse). Für eine homogene Quelle<br />

mit Durchmesser L ist <strong>die</strong> optische Tiefe dann durch<br />

τω = χωL = nσω ∝ Z 2 (n 2 eL)T −3/2 ω −2<br />

(4.155)<br />

gegeben. Daraus folgt: für hinreichend kleine Frequenz ω wird τω = 1, d. h. <strong>die</strong> Quelle zeigt Selbstabsorption.<br />

Für Sterne ist das Rosseland Mittel für <strong>die</strong> Opazität wichtig, es gilt<br />

� �<br />

1 ∂Bν 1<br />

dν =<br />

κ ∂T κν<br />

∂Bν<br />

dν (4.156)<br />

∂T<br />

Man erhält es (für Sternatmospären), wenn man noch den Ionisationsgrad mithilfe der Saha Gleichung<br />

bestimmt:<br />

κff = 6.45 × 10 22 fe,i ρ T −7/2<br />

cm 2 g −1<br />

geschrieben als Funktion der Dichte ρ mit ρfi = niAmH<br />

�<br />

fefiZ<br />

fe,i =<br />

2<br />

�<br />

= (1 + xH)(XH + XHe + XZ) (4.157)<br />

A<br />

wobei XZ = ΣixiZ 2 i A −1<br />

i den Beitrag der schwereren Elemente (Metalle) berücksichtigt.<br />

Photoeffekt<br />

Der Wirkungsquerschnitt für <strong>die</strong> Ionisation von Wasserstoff wurde erstmals von Kramers (1923) quasiklassisch<br />

berechnet. Für <strong>die</strong> Hauptquantenzahl n gilt in <strong>die</strong>ser Näherung:<br />

σbf = 64π4 mee 10 Z 4<br />

3 √ 3ch 6 n 5 ν 3<br />

(4.158)<br />

Kramers Opazität für bound-free, oder, wenn wir <strong>die</strong> Ionisationsenergie von Wasserstoff I benutzen:<br />

σbf = 64πZ4<br />

3 √ 3 α−3 � �3<br />

I<br />

σT hν<br />

(4.159)<br />

Diese Formel gilt (bis auf eine kleine Korrektur, den sog. Gaunt Faktor) auch quantenmechanisch für<br />

n > 1.<br />

Für das Grundniveau n = 1 ist <strong>die</strong> Korrektur größer, da das Grundniveau stabil ist. Der Wirkungsquerschnitt<br />

kann ebenfalls analytisch angegeben werden:<br />

σbf = 64Z 5 α −3 σ T<br />

� �7/2<br />

I<br />

hν<br />

Das Rosseland Mittel für <strong>die</strong> Opazität lautet<br />

κbf = 2.82 × 10 29 Z(1 + X)ρT −7/2<br />

cm 2 g −1 (4.160)


4.2. STRAHLUNG UND IHRE QUELLEN 247<br />

Rekombination<br />

Der Energiesatz lautet für <strong>die</strong> Rekombination eines Elektrons mit einem Proton zu Wasserstoff<br />

hν = ɛ + 1<br />

m<br />

I mit ɛ =<br />

n2 2 v2<br />

Die Rekombinationsrate schreiben wir wie folgt<br />

(4.161)<br />

˙ne = −α rek neni mit α rek = σve (4.162)<br />

dabei ist σ der Rekombinationswirkungsquerschnitt und ve <strong>die</strong> (Relativ) Geschwindigkeit des Elektrons.<br />

Die Grundeinheit des Wirkungsquerschnitts ist<br />

σ rek =<br />

� �3/2 4<br />

3<br />

α −1 σT = 2.11 × 10 −22<br />

und für Einfang ins Niveau n gilt damit<br />

rek I<br />

σn = σ<br />

ɛ<br />

I<br />

hν<br />

1<br />

n 3<br />

cm 2 (4.163)<br />

Die Gesamtrate α rek der Rekombination thermischer Elektronen erhält man mit x = I/kT<br />

α rek = 2σ rek<br />

(4.164)<br />

� �1/2 2kT<br />

xΦ(x) (4.165)<br />

πm<br />

= 2.07 · 10 −11 Z 2 T −1/2 Φ(x) cm −3 s −1 (4.166)<br />

Φ(x) ist <strong>die</strong> normierter Profilfunktion. Für <strong>die</strong> Gesamtemissivität j der Rekombination eines thermischen<br />

Plasmas erhält man (mit Elektronen - Zahldichte ne und mit Ionen - Zahldichte ni)<br />

jbf = α rek IHneni<br />

Linienabsorption<br />

(4.167)<br />

Die wesentlichen physikalischen Eigenschaften der Linienabsorption haben wir bereits klassisch hergeleitet.<br />

Erst <strong>die</strong> Quantenmechanik ist allerdings in der Lage, Linienstrahlung widerspruchsfrei zu behandeln.<br />

Die wichtigsten Gesichtspunkte sind <strong>die</strong> folgenden. Nach Einstein gibt es genau drei Möglichkeiten,<br />

das Wellenfeld zu ändern<br />

1. <strong>die</strong> spontane Emission eines Photons aus einem atomaren System. Das Potential (bzw. der Hamilton-<br />

Operator) bestimmt, welche diskreten Frequenzen auftreten. Die Stärke des Übergangs wird<br />

durch den Einstein A Koeffizienten angegeben.<br />

2. <strong>die</strong> Absorption aus dem bereits vorhandenen Wellenfeld. Sie ist proportional zur Intensität des<br />

Feldes.<br />

3. <strong>die</strong> stimulierte Emission. Neben der Absorption gibt es stimulierte Emission im bereits vorhandenen<br />

Wellenfeld. Erst <strong>die</strong> Summe aus Absorption und stimulierter Emission liefert den korrekten<br />

Extinktionskoeffizienten.


248 KAPITEL 4. THERMODYNAMIK: TEMPERATUR<br />

Klassisch gilt: ein Oszillator hat eine einzige Grundfrequenz ωo, der Extinktionskoeffizient ist das Produkt<br />

aus universeller Konstante und normierter Profilfunktion, Φ(ω), welche <strong>die</strong> Dämpfungskonstante<br />

enthält:<br />

χω = π<br />

2c ω2 p Φ(ω) mit<br />

�<br />

Φ(ω − ωo)dω = 1 (4.168)<br />

Die wesentliche Änderung, <strong>die</strong> durch <strong>die</strong> Quantenmechanik dazukommt, ist <strong>die</strong> Behandlung der Übergänge<br />

(d. h. der auftretenden Frequenzen). Sie kann durch <strong>die</strong> Oszillatorstärke, welche wie folgt definiert ist:<br />

fou = m<br />

2<br />

2ωou|xou|<br />

¯h<br />

berücksichtigt werden. Dabei ist<br />

(4.169)<br />

�<br />

xou = = ψox ¯ ψud 3 x (4.170)<br />

das Übergangsmatrixelement für el. Dipolübergänge von o nach u. Die hier auftretende Übergangsfrequenz<br />

ωou = Eo − Eu<br />

¯h<br />

ist vorzeichenbehaftet und es gilt der f− Summensatz<br />

(4.171)<br />

�<br />

fou = 1 für jedes u (4.172)<br />

o<br />

Klassisch lautet <strong>die</strong> Dispersionsrelation für den Brechungsindex n = √ ɛ in der Nähe einer Resonanz<br />

zur Frequenz ωou bei Vernachlässigung der Dämpfung<br />

n 2 − 1 = ω 2 p<br />

1<br />

ω 2 − ω 2 o<br />

; ω 2 p = 4πe2 ne<br />

me<br />

(4.173)<br />

In der Quantenmechanik wird daraus für festes u, mit verschiedenen, für jedes Niveau charakteristischen,<br />

Oszillatorstärken fou<br />

n 2 − 1 = ω 2 p<br />

�<br />

o<br />

fou<br />

ω 2 − ω 2 ou<br />

• ANMERKUNG (DER LINEARE HARMONISCHE OSZILLATOR)<br />

Der Hamilton-Operator ist (ω ist <strong>die</strong> Grundmode des Oszillators, <strong>die</strong> Masse ist 1 gesetzt)<br />

H = 1<br />

2 p2 + ω2<br />

2 q2<br />

mit den Eigenwerten<br />

�<br />

En = ¯hω n + 1<br />

�<br />

2<br />

für ganze Zahlen n. Für gegebenes n gibt nur zwei Übergänge mit den folgenden Matrixelementen<br />

1. Emission: n → n + 1<br />

= √ �<br />

¯h<br />

n + 1<br />

2mω<br />

2. Absorption: n → n − 1<br />

= √ �<br />

¯h<br />

n<br />

2mω<br />

Daraus folgt, wenn wir das Vorzeichen beachten<br />

fn+1,n = n + 1 und fn−1,n = −n<br />

(4.174)<br />

(4.175)<br />

Beim Atom, also beim Coulombpotential, ist nur das H Atom noch analytisch (und algebraisch) behandelbar.


4.2. STRAHLUNG UND IHRE QUELLEN 249<br />

4.2.5 Quellen: Thermodynamik<br />

Die Wärmestrahlung<br />

Das Plancksche Gesetz liefert <strong>die</strong> Intensität B = B(T ) und <strong>die</strong> Spektralverteilung Bν(T ) der Wärmestrahlung.<br />

Für <strong>die</strong> spezifische Intensität Bν(T ) schreiben wir allgemein (falls es sich nicht um Plancksche Schwarzkörper<br />

- Strahlung handelt) Iν. Diese und <strong>die</strong> Energiedichte uν hängen wie folgt zusammen<br />

Bν(T ) = Iν = c duν<br />

dΩs<br />

= c<br />

4π uν<br />

(4.176)<br />

Der Faktor c macht aus der Energiedichte u den Poynting-Strom. Von der Energiestromdichte kommt<br />

man zur spezifischen Intensität, indem man durch den Raumwinkel Ωs divi<strong>die</strong>rt. Für isotrope Strahlung<br />

ist Ωs = 4π.<br />

Für <strong>die</strong> Planck Funktion gilt<br />

Bν(T ) = 2hν3<br />

c 2<br />

1<br />

e hν/kT − 1<br />

(4.177)<br />

Die Einheit für <strong>die</strong> spezifische Intensität ist erg cm −2 s −1 Hz −1 sterad −1 .<br />

Diese Formel enthält (neben den Fundamentalkonstanten h und c) nur eine einzige physikalische<br />

Größe: <strong>die</strong> Temperatur, ausgedrückt in Energieeinheiten kT . Der spezifische Erzeugungsmechanismus<br />

der Strahlung kommt nicht vor, <strong>die</strong> Plancksche Verteilung hat universelle Gültigkeit.<br />

Integrieren wir Glchg. (4.177) über <strong>die</strong> Frequenz ν, so erhalten wir, wenn wir Glchg. (4.176) benutzen,<br />

das Stefan-Boltzmann Gesetz<br />

u =<br />

�∞<br />

0<br />

uνdν = aT 4<br />

mit der Strahlungsenergiedichte-Konstante<br />

oder<br />

a = π2 k 4<br />

15¯h 3 c 3 = 7.56 · 10−15 erg cm −3 K −4<br />

u = g π2<br />

30 kT<br />

� �3 kT<br />

¯hc<br />

(4.178)<br />

(4.179)<br />

(4.180)<br />

wobei wir das statistische Gewicht g = 2 explizit herausgezogen haben. Dazu gilt für Photonen für<br />

Druck und Entropiedichte<br />

P = 1<br />

u + P<br />

u ; s =<br />

3 T<br />

= 3<br />

4<br />

u<br />

T<br />

(4.181)<br />

Für masselose Neutrinos gelten ähnliche Relationen.<br />

Den Gesamtstrahlungsstrom aus der Quelle heraus erhalten wir durch Integration über den Raumwinkel<br />

(über den dem Beobachter zugewandten Halbraum) zu<br />

u = aT 4<br />

; B = c<br />

c<br />

u ; Φ = u (4.182)<br />

4π 4<br />

Damit ergibt sich für <strong>die</strong> Rate der Schwarzkörper - Strahlung eines Sterns mit Radius R:<br />

L = 4πR 2 σT 4<br />

(4.183)


250 KAPITEL 4. THERMODYNAMIK: TEMPERATUR<br />

mit der Stefan-Boltzmann Konstante<br />

σ = π2 k 4<br />

60¯h 3 c 2 = 5.67 · 10−5 g s −3 K −4<br />

Wir schreiben Glchg. (4.177) in der Form<br />

Bν(T ) = 2 ν2 x<br />

kT<br />

c2 ex − 1<br />

mit x = hν<br />

kT<br />

(4.184)<br />

(4.185)<br />

Für niedrige Frequenzen (Radiobereich), hν ≪ kT , gilt dann <strong>die</strong> klassische Rayleigh-Jeans Näherung<br />

für <strong>die</strong> spezifische Intensität:<br />

Bν =<br />

2kT ν2<br />

c 2<br />

welche das Wirkungsquantum h nicht enthält. In Zahlen<br />

(4.186)<br />

Bν = 3.08 · 10 −23 T ν 2 7 erg cm −2 s −1 Hz −1 sterad −1 (4.187)<br />

Dies ist <strong>die</strong> spezifische Strahlungsintensität der Quelle. Um daraus den im Radioteleskop empfangenen<br />

spezifischen (d. h. monochromatischen) Strahlungsstrom Φν zu erhalten, muß man über den Raumwinkel,<br />

Ωs Einheit: Steradian, unter dem <strong>die</strong> Quelle von der Erde aus erscheint, integrieren:<br />

Ωs = π<br />

� �2<br />

R<br />

D<br />

und Φν = ΩsBν (4.188)<br />

Dabei ist R der Radius und D <strong>die</strong> Entfernung der Quelle. Für <strong>die</strong> Sonne in 1 AE Entfernung ist Ωs =<br />

6.8 · 10 −5 . In 1 kpc Entfernung dagegen ist der sterische Öffnungswinkel eines Sterns wie der Sonne<br />

nur noch Ωs = 1.5 · 10 −18 (R/R⊙) 2 .<br />

• DEFINITION (JANSKY)<br />

In der Radioastronomie wird der Strahlungsstrom Φν in der Einheit Jansky (oder auch flux unit, f.u.) gemessen, mit<br />

1 Jansky = 1 f.u. = 10 −23<br />

erg cm −2 s −1 Hz −1 (4.189)<br />

= 10 −26 Watt m −2 s −1 Hz −1 (4.190)<br />

Extrem starke Radioquellen, wie Cas A (3C 461), können bei ν = 1400 MHz einige Tausend f.u. haben, starke Quellen<br />

sind von der Größenordnung 100 . . . 1 Jy, Orion (M42) z. B. hat Φ1400 = 400 Jy, während <strong>die</strong> meisten Pulsare nur wenige<br />

mJy haben. Typische Flüsse im Röntgenbereich sind µJy.<br />

• BEISPIEL (DER KREBSNEBEL UND DER QUASAR 3C 273)<br />

Zwei Quellen wollen wir hier wegen ihrer besonderen Bedeutung für <strong>die</strong> <strong>Astrophysik</strong> noch einmal genauer betrachten und<br />

vergleichen.<br />

Für den Astronomen sind <strong>die</strong>se Quellen in erster Linie Eichnormale zur Bestimmung von Flussdichten. Dazu sind (neben<br />

den Sternen im optischen) der Krebsnebel und der Quasar 3C 273<br />

besonders geeignet. Hier gilt, daß beide Spektren fast parallel im Abstand<br />

zweier Zeherpotenzen in der spektralen Flussdichte verlaufen.<br />

Spektrum des Krebsnebels<br />

Der Krebsnebel ist dabei im optischen fast mit blossem Auge zu se- von bis Φν Index<br />

hen, ist also eine extrem starke Quelle. Der Pulsar im Nebel ist eben- (Hz) (Hz) Jansky n<br />

falls extrem stark (und mit einem guten UKW Empfänger zu empfangen).<br />

Die Entfernung ist nicht gut bekannt, sie beträgt etwa 2 kpc.<br />

Der Quasar 3C 273 ist dagegen nur von grossen Observatorien aus<br />

10<br />

nachzuweisen (etwa COMPTEL im Gamma Bereich oder IRAS im<br />

Infraroten). Die Entfernung ist so gut bekannt wie <strong>die</strong> Hubble Kon-<br />

7 1012 1040 · (ν/109 ) n 2 · 10<br />

−0.30<br />

13 3 · 1015 1.8 · (ν/1015 ) n −0.85<br />

1016 1019 1.2 · (ν/1018 ) n −1.15<br />

Tab. 4.3: Krebsnebelspektrum<br />

stante, sie beträgt etwa 0.9 Gpc.<br />

Das Spektrum reicht von 10 7 Hz bis 10 30 Hz, wobei <strong>die</strong> beiden Enden beim Krebsnebel vom Pulsar dominiert werden.<br />

Im Radiobereich ist der Pulsar unterhalb von 100 MHz stärker als der gesamte Krebsnebel, im Röntgenbereich beträgt <strong>die</strong><br />

gepulste Komponente etwa 10% des Nebels.


4.2. STRAHLUNG UND IHRE QUELLEN 251<br />

Wenn wir nach T auflösen, erhalten wir für <strong>die</strong> Antennentemperatur (der Index b steht für brightness)<br />

Tb = c2<br />

2kν 2 Bν mit Bν = Φν<br />

Ωs<br />

(4.191)<br />

Falls, wie bei der Sonne oder dem Orionnebel Ωs bekannt ist, kann man nach Glchg. (4.177) direkt eine Temperatur<br />

bestimmen T = T (ν). Ist <strong>die</strong>se über das gesamte Spektrum konstant, handelt es sich um echte Plancksche Schwarzkörper -<br />

Strahlung und wir haben <strong>die</strong> wahre Temperatur des Objekts bestimmt. Solche Fälle werden wir später genauer besprechen.<br />

Zunächst zwei nützliche Näherungen<br />

1. Für niedrige Frequenzen<br />

(Radio Bereich), hν ≪ k BT , können wir genauer entwickeln und erhalten für (Plancksche Strahlung)<br />

<strong>die</strong> Antennentemperatur folgende Entwicklung:<br />

Tb = c2<br />

2kν2 Bν ≈ T − hν<br />

2k<br />

� �2 T hν<br />

+ + . . .<br />

12 kT<br />

Bei Messungen fällt das konstante Glied fort, da nur Differenzen zwischen Eichtemperatur und<br />

Quelle gemessen werden. Für <strong>die</strong> Hintergrundstrahlung bedeutet <strong>die</strong>s, daß Abweichungen von<br />

der korrekten Formel und dem Näherungsausdruck nur etwa 0.03 K bei λ = 0.86 cm ausmachen.<br />

2. Für hohe Frequenzen<br />

(optischer Bereich), hν ≫ k BT , gilt das Wiensche Gesetz für <strong>die</strong> spezifische Intensität<br />

Bν = 2hν3<br />

c2 �<br />

exp − hν<br />

�<br />

kT<br />

• FORMELN (WIENSCHES VERSCHIEBUNGSGESETZ)<br />

Dimensionslos geschrieben gilt<br />

Bνdν = a f(x)dx mit x = hν<br />

kT<br />

und f(x) = 15<br />

π 4<br />

Die (auf 1 normierte) Funktion f(x) hat das Maximum bei<br />

xν = hν<br />

kT<br />

= 2.822 d. h. ν = 0.51T −1<br />

x 3<br />

e x − 1<br />

Als Funktion von λ = c/ν betrachtet, gilt für <strong>die</strong> spezifische Intensität:<br />

Bλ = 2hc2<br />

λ 5<br />

1<br />

e hc/kT λ − 1<br />

oder dimensionslos geschrieben<br />

Bλdλ = a g(y)dz mit y = z −1 = hc<br />

kT λ<br />

cm<br />

und g(y) = 15<br />

π 4<br />

y 5<br />

e y − 1<br />

(4.192)<br />

(4.193)<br />

(4.194)<br />

Die Funktion g(y) hat das Maximum bei xλ := hc/kT λ = 4.965. Für das Intensitätsmaximum von Bλ gilt dann das<br />

Wiensche Verschiebungsgesetz in der Form:<br />

λmaxT = const = 0.2898 cm K (4.195)


252 KAPITEL 4. THERMODYNAMIK: TEMPERATUR<br />

• BEISPIEL (FLUSS UND TEMPERATUR EXTREMER QUELLEN)<br />

Wir vergleichen nun einige extreme (thermische und nichtthermische) Quellen:<br />

In der Tabelle ist der Fluß fν in Jansky und <strong>die</strong> Temperatur T der Quelle in Kelvin angegeben. Die Quelle hat bei<br />

der Wellenlänge λmax ihr Leuchtkraftmaximum. Die<br />

Strahlungsart ist beim Krebs Pulsar, Nr. 0, kohärent, für<br />

<strong>die</strong> Quellen Nr. 1 bis 3 und Nr. 5 thermisch. Die restlichen<br />

sind nichtthermisch, ic. bedeutet inverse Compton<br />

Streuung.<br />

zu 1: <strong>die</strong> kosmische Hintergrundstrahlung ist isotrop,<br />

es ist f = Ω ∗ I mit Ω ∗ = π.<br />

zu2: der Öffnungswinkel vom Orionnebel beträgt etwa<br />

1 Grad (doppelt so viel wie <strong>die</strong> Sonne). Die Strahlung<br />

ist Bremsstrahlung. I beläuft sich auf 0.02L⊙η10 bei<br />

10 GHz (ην ist <strong>die</strong> Emission pro Steradian). ISO hat<br />

ein Spektrum über den Bereich von 2.4 bis 44.5 m von<br />

Orion Peak 1, dem hellsten <strong>Teil</strong> der OMC-1 Wolke, gewonnen<br />

mit mehr als 60 H2 Linien, inklusive reine Rotationslinien,<br />

<strong>die</strong> einen Temperaturbereich von 510 bis<br />

43000 K aufspannen. Abschätzungen ergeben für <strong>die</strong><br />

Fluß und Temperatur extremer Quellen<br />

Nr Name Str. Maximum T fν Str.<br />

bei λmax K Jy Art<br />

0 Krebs PSR 3 m 10 30 10 4 koh.<br />

1 Kosmos 1 mm 3 10 5 th.<br />

2 Orion 0.1 mm 50 400 th.<br />

3 Wega 310 nm 9400 3560 th.<br />

4 Krebsnebel 500 nm 10 6 4 nth.<br />

5 Sco X-1 2 ˚A 1.5·10 8 0.02 th.<br />

6 3C 273 10 f 10 12 10 −14 ic.<br />

Tab. 4.4: Extreme Quellen<br />

gesamte warme, schockangeregte H2-Masse und H2-Leuchtkraft von etwa 1M⊙ und 120L⊙.<br />

zu 3: Wega ist Eichstern zur Klasse A0V. Der angegebene Fluß bezieht sich auf <strong>die</strong> Eichentfernung 10 pc und den Spektralbereich<br />

V = visible.<br />

zu 4: Die Strahlung des Krebsnebels ist nicht thermisch, <strong>die</strong> Temperatur hat nur formale Bedeutung: kT = hνmax.<br />

zu 5: Sco X-1 ist <strong>die</strong> hellste Dauerquelle, was <strong>die</strong> scheinbare Helligkeit betrifft, im Röntgenbereich. Sco X-1 ist ein akkretierendes<br />

Doppelsternsystem vom Typ LMXB. Diese ’Low mass X-ray binary’ Quellen haben rote Überriesen (Zwergstern)<br />

als Begleiter und sind ungepulst, kommen oft als Burster vor oder zeigen QPOs = ’Quasi-periodische Oszillationen’, d.<br />

h. eine Modulation ihrer Röntgen Leuchtkraft. Der Neutronenstern Sco X-1 hat eine Umlaufperiode Torb = 0.787 d. Die<br />

Röntgen Leuchtkraft erreicht fast LX = 10 4 L⊙ und liegt damit um 0.4 dex unter der Eddingtonschen Grenzleuchtkraft.<br />

zu 6: Der Quasar 3C 273 hat sein Maximum im Gamma Bereich bei ɛ = 1 MeV (entspr. λ = 10 f). Beim Krebs Pulsar, Nr.<br />

0, ist <strong>die</strong>se vollständig gepulst.<br />

Ionisation und Saha Gleichung<br />

Wir gehen aus von der Verteilungsfunktion im Phasenraum f(x, p) mit dem 6-dim Volumelement<br />

dΓ = d3 xd 3 p<br />

h 3 ; dN = fdΓ (4.196)<br />

für nicht wechselwirkende Fermionen (+) bzw. Bosonen (−) mit Impuls p:<br />

f(p) =<br />

1<br />

e βɛ(p)−α ± 1<br />

(4.197)<br />

Mit den thermodynamischen Integrationskonstanten β und α (bzw. µ), welche folgende Bedeutung<br />

haben:<br />

α = µ<br />

kT<br />

= βµ (4.198)<br />

wobei µ das chemische Potential ist. Für N <strong>Teil</strong>chen im Volumen V = � d3x gelten folgende thermodynamische<br />

Beziehungen für Gesamtenergie U und Druck P<br />

N = g<br />

�<br />

V f(p)d<br />

h3 3 p (4.199)<br />

U = g<br />

�<br />

V E(p)f(p)d<br />

h3 3 p (4.200)<br />

P = gc2<br />

3h 3<br />

�<br />

p 2<br />

E(p) f(p)d3 p (4.201)


4.2. STRAHLUNG UND IHRE QUELLEN 253<br />

Verteilungsfunktion und Spektrum E(p) bestimmen vollständig <strong>die</strong> thermodynamischen Potentiale.<br />

Die (exakte) Energie - Impuls Relation für freie <strong>Teil</strong>chen der Ruhmasse m lautet:<br />

�<br />

E = c p2 + m2c2 (4.202)<br />

Der Energienullpunkt ist dann eindeutig festgelegt, <strong>die</strong> Ruhmasse m enthält <strong>die</strong> Bindungsenergie (des<br />

Atoms oder Moleküls). Gewöhnlich spaltet man in der nichtrelativistischen Physik <strong>die</strong> Ruhmassen -<br />

Energie mc 2 ab und erhält in niedrigster Ordnung:<br />

E − mc 2 ≈ 1<br />

2m p2<br />

(4.203)<br />

Der Energienullpunkt muß dann (willkürlich) festgelegt werden.<br />

Für verschiedene <strong>Teil</strong>chen der Sorte i gilt dann folgender Zusammenhang zwischen <strong>Teil</strong>chenzahldichte<br />

ni = Ni/V , Ruhmasse mi, Energie Ei, statistischem Gewicht gi, und chemischem Potential µi:<br />

ni = gi<br />

2π 2<br />

� �3 �∞<br />

kT z<br />

¯hc<br />

0<br />

2dz e−β(Ei−µi) mit z =<br />

± 1 pc<br />

kT<br />

Die Dispersionsrelation für <strong>Teil</strong>chen (der Sorte i) lautet<br />

�<br />

Ei = c p2 i + m2 i c2 Entsprechend gilt für <strong>die</strong> Energiedichte inklusive Ruhmasse<br />

ɛi = ρic 2 = gi<br />

2π 2<br />

� �3 kT<br />

�∞<br />

Ez<br />

¯hc<br />

0<br />

2dz e−β(Ei−µi) ± 1<br />

Für eine Reaktion zwischen Partnern im thermodynamischen Gleichgewicht<br />

i + j ←→ k + l gilt µi + µj = µk + µl (4.204)<br />

oder allgemeiner, indiziert mit i für initial und mit f für final, <strong>die</strong> Saha Gleichung<br />

�<br />

i=ini<br />

µi = �<br />

f=fin<br />

µf<br />

(4.205)<br />

Anstelle der Variablen z = pc<br />

E<br />

ist es günstiger zur Berechnung der Integrale <strong>die</strong> Variable w = kT kT zu<br />

benutzen.<br />

n = g<br />

2π2 � �3 �∞<br />

√<br />

kT w2 − m2 ¯hc e<br />

m<br />

−β(w−µ) ɛ =<br />

wdw<br />

± 1<br />

(4.206)<br />

g<br />

2π2 � �3 �∞<br />

√<br />

kT w2 − m2 ¯hc e<br />

m<br />

−β(w−µ) ± 1 w2 P =<br />

dw (4.207)<br />

g<br />

6π2 � � �√ �<br />

3 �∞<br />

3<br />

kT w2 − m2 ¯hc e<br />

m<br />

−β(w−µ) s =<br />

dw<br />

± 1<br />

−αn + βµ ±<br />

(4.208)<br />

g<br />

2π2 � �3 �∞<br />

kT<br />

log(1 ± e<br />

¯hc<br />

−β(w−µ) ) √ w2 − m2 wdw (4.209)<br />

m<br />

Eine nützliche Relation zwischen <strong>die</strong>sen Größen ist <strong>die</strong> Gibbs Duhem Relation, <strong>die</strong> benutzt werden<br />

kann, um <strong>die</strong> Entropiedichte s zu berechnen, falls <strong>die</strong> anderen Größen bekannt sind:<br />

ɛ + P = T s + µn (4.210)


254 KAPITEL 4. THERMODYNAMIK: TEMPERATUR<br />

Die Auswertung ist in Grenzfällen geschlossen analytisch möglich. Die Boltzmann Formel eines klassischen,<br />

nichtrelativistischen Gases erhält man für α ≪ −1. Dann kann man den Summanden ±1 im<br />

Nenner vernachlässigen, <strong>die</strong> Integrale sind elementar und liefern für <strong>Teil</strong>chen der Spezies i<br />

µi − mic 2<br />

kT<br />

= ln<br />

⎡<br />

⎣ ni<br />

�<br />

gi<br />

h 2<br />

2πmikT<br />

� 3/2 ⎤<br />

Die Saha Gleichung folgt daraus, wenn wir für <strong>die</strong> Reaktionsenergie<br />

Q = �<br />

f=fin<br />

mfc 2 − �<br />

i=ini<br />

den Massendefekt Q definieren.<br />

mic 2<br />

⎦ (4.211)<br />

(4.212)<br />

• BEISPIEL (DISSOZIATION EINES ATOMKERNS)<br />

Das liefert z. B. für <strong>die</strong> vollständige Zerlegung eines Atomkerns mit A Nukleonen in Z Protonen und A − Z Neutronen:<br />

Zp + (A − Z)n ←→ (Z, A) mit Q = Zmpc 2 + (A − Z)mnc 2 − MAc 2<br />

für das Reaktionsgleichgewicht (gA ist das statistische Gewicht des Kerns, gp = gn = 2):<br />

nA = gA<br />

2A nZp n A−Z<br />

�<br />

n<br />

h 2<br />

2πmukT<br />

�3A/2<br />

e Q/kT<br />

(4.213)<br />

Wir betrachten hier des weiteren nur noch den Fall der Photoionisation (bound–free) und Rekombination<br />

(free–bound) von H.<br />

Ion + Elektron ←→ H-Atom + Photon<br />

Im Folgenden beziehen sich <strong>die</strong> Indizes auf e: Elektron, p: Proton und H: neutrales H-Atom und I ist<br />

das Ionisationspotential. Die Bedingung für das chemische Potential lautet, da für Photonen µγ = 0<br />

ist:<br />

µe + µp − µ H = 0 (4.214)<br />

was auf <strong>die</strong> Saha Gleichung führt:<br />

nenp<br />

n H<br />

= gegp<br />

g H<br />

� 2πmekT<br />

h 2<br />

� 3/2 �mp<br />

m H<br />

� 3/2<br />

e −I/kT<br />

(4.215)<br />

wobei I = (me+mp−m H)c 2 ist (Massendefekt), ge ist das statistische Gewicht der Elektronen; ge = 2.<br />

Wir betonen, daß ne kein freier Parameter ist, sondern aus dem thermodynamischen Gleichgewicht<br />

erschlossen werden muss; <strong>die</strong> freie wählbaren Parameter sind <strong>die</strong> Temperatur T und <strong>die</strong> Baryonenzahl<br />

Nbar = Np + N H (im Volumen V ) oder, dimensionslos, das Verhältnis von Baryonenzahl zu Photonenzahl<br />

und <strong>die</strong> Temperatur in Einheiten von I.<br />

• BEISPIEL (REKOMBINATION VON H IM FRÜHEN UNIVERSUM)<br />

Als konkrete Anwendung betrachten wir H im frühen Universum. Wir beziehen den Ionisationsgrad auf <strong>die</strong> (bei der Ionisation<br />

erhaltene) Anzahl der Atomkerne (Baryonenzahl):<br />

α = Ne<br />

Nbar<br />

(4.216)<br />

Die hohe spezifische Entropie des Universums von etwa 10 8 Photonen auf 1 Baryon besagt, daß zur Zeit der Rekombination<br />

wenige Elektronen und viele Photonen vorhanden waren. Da hohe Temperaturen vorlagen, herrschte thermodynamisches


4.2. STRAHLUNG UND IHRE QUELLEN 255<br />

Gleichgewicht mit grossem statistischen Faktor für <strong>die</strong> Elektronen. Ersetzen wir Baryonenzahldichte nbar durch <strong>die</strong> Photonenzahldichte,<br />

nbar = ηnph<br />

so erhalten wir für den Ionisationsgrad α<br />

1 − α<br />

α 2<br />

= 4√2ζ(3) √ η<br />

π<br />

� mec 2<br />

kT<br />

�3/2<br />

e I/kT<br />

(4.217)<br />

(4.218)<br />

Numerisch liefert das mit η = 3 · 10 −8 für α = 0.1 (d. h. 90% rekombiniert) eine Temperatur von T = 3575 K und wir<br />

sehen, daß <strong>die</strong> Rekombination bei kT = 0.308 eV statt bei 13.6 eV abläuft.<br />

• BEISPIEL (IONISATIONSGRAD DER PHOTOSPHÄRE DER SONNE)<br />

Für <strong>die</strong> Photosphäre der Sonne haben wir andere Verhältnisse. Mit etwa n H = 10 17 cm −3 und nph = 4 · 10 12 in der<br />

Photosphäre ist η = 3 · 10 5 , was einen Ionisationsgrad von α ≈ 10 −4 liefert.<br />

Beispiele für <strong>die</strong> Leuchtkraft von Quellen<br />

• ZUSATZ (NATÜRLICHE EINHEITEN FÜR DIE LEUCHTKRAFT ASTRONOMISCHER OBJEKTE)<br />

Eine natürliche Einheit für <strong>die</strong> Leuchtkraft eines Sterns ist <strong>die</strong> Eddingtonsche Grenzleuchtkraft<br />

LEdd = 4πGmHMc<br />

σT h<br />

= 10 4.5<br />

� �<br />

M<br />

L⊙ = 1.3 · 10<br />

M⊙<br />

38<br />

� �<br />

M<br />

mH erg s<br />

M⊙<br />

−1 (4.219)<br />

wenn man <strong>die</strong> typische Masse bereits kennt. Die Leuchtkraft der Sonne beträgt dagegen nur L⊙ = 3.9 · 10 33 erg s −1 . Da<br />

<strong>die</strong> meisten Sterne einer Galaxie denen der Sonne ähnlich sind, ist es üblich, <strong>die</strong> Leuchtkraft der Sonne auch als Einheit für<br />

Galaxien und Quasare zu benutzen.<br />

Die Obergrenzen für <strong>die</strong> Leuchtkraft von Quasaren und Galaxien sind immer noch zeitabhängig. Sie wachsen mit dem<br />

Fortschritt der Technik. Neue Quellen mit immer größerer Rotverschiebung z werden dabei nicht stetig entdeckt bzw.<br />

identifizert, sondern in Schüben (Inbetriebnahme eines neuen Teleskops oder Spektrometers).<br />

Seit 1991 wurde kein Quasar mit größerer Rotverschiebung als der von PC1247+3406 mit z = 4.897 gefunden. Ein<br />

Quasar an der Obergrenze von 1995 ist GB1508+5714 mit z = 4.30, einige Galaxien im Hubble deep field könnten z > 5<br />

erfüllen, sicher ist das nicht. Dabei ist bemerkenswert, daß das Maximum der Leuchtkraft bei Quasaren im Röntgen oder<br />

Gammabereich liegt. Bei weit entfernten Quellen kann eine Gravitationslinse <strong>die</strong> wahre Leuchtkraft verfälschen.<br />

Zu allen Frequenzen gibt es Quellen, manche davon können sogar über das gesamte Frequenzspektrum<br />

nachgewiesen werden. Zu letzteren gehören (neben der Sonne) Quasare (extragalaktisch) und Pulsare<br />

(galaktisch). Das Umgekehrte gibt es auch: Objekte, <strong>die</strong> nur in einem Frequenzbereich strahlen: IR<br />

Quellen und Gamma Bursts. Letztere sogar nur für extrem kurze Zeit.<br />

Wir beginnen mit einer Einteilung der Quellen, geordnet nach Frequenz und damit nach Detektor. Für<br />

schnell variable Quellen (wie <strong>die</strong> Gamma Bursts) gibt es noch <strong>die</strong> Multi Frequenz Instrumente wie<br />

BeppoSAX, RXTE und ROTSE. Diese haben wir bereits vorgestellt.<br />

• ZUSATZ (MULTI FREQUENZ INSTRUMENTE)<br />

BeppoSAX: Der ’Beppo Satellite di Astronomia X’ ist ein ital. Holl. Röntgen Satellit, benannt nach Guiseppe (Beppo)<br />

Occhialini, dem Entdecker des Positrons (in der kosmischen Strahlung).<br />

Bereich: Röntgen [0.1 keV . . . 300 keV]. Auflösung 5’. Start 30.401996.<br />

RXTE: Rossi X-ray Timing Explorer. Amerik. Röntgen Satellit. Start 30.12.1995.<br />

Bereich: Röntgen [2 keV . . . 200 keV].<br />

ROTSE: Robotic Optical Transient Search Experiment. Vier zusammengeschaltete opt. Teleskope mit CCD, <strong>die</strong> innerhalb<br />

3 Sekunden jeden Punkt am Himmel erreichen können.<br />

Grenzhelligkeit 15 Magnituden.<br />

Mithilfe <strong>die</strong>ser Multi Frequenz Instrumente hat man bei einigen, aber nicht bei allen, Gamma Bursts ein Nachglühen<br />

festgestellt. Danach ist an der Stelle des Bursts nichts mehr zu sehen, mV > 27, (evidence of absence).


256 KAPITEL 4. THERMODYNAMIK: TEMPERATUR<br />

Observatorien und Teleskope geordnet nach Frequenz<br />

Frequenzbereich Detektor Beispiel Wellenbereich<br />

Radio Radioteleskop VLA [m . . . mm]<br />

Infrarot Infrared Astr. Satellite IRAS [100 µm . . . 1 µm]<br />

optisch und UV Hubble Space Teleskop HST [4000 ˚A . . . 7000 ˚A]<br />

Röntgen Röntgen Satellit ROSAT [0.1 keV . . . 10 keV]<br />

γ Compton Teleskop COMPTEL [0.1 MeV . . . 10 MeV]<br />

Tab. 4.5: Teleskope geordnet nach Frequenz<br />

Dazu kommen noch <strong>die</strong> Observatorien für <strong>die</strong> Hochenergiekomponenten.<br />

• ZUSATZ (DIE PHOTONENKOMPONENTE DER KOSMISCHEN STRAHLUNG: VHE UND UHE PHOTONEN)<br />

Die dritte Komponente der kosmischen Strahlung (neben Baryonen und Leptonen) sind <strong>die</strong> Photonen jenseits von 1 TeV,<br />

mit einer Energiedichte von dex(−3) = ein Promille der Gesamtstrahlung.<br />

Der Nachweis von VHE Photonen unterscheidet im Prinzip sich nicht von dem anderer kosmischer <strong>Teil</strong>chen. Photonen<br />

verhalten sich bei sehr hohen Energien wie <strong>Teil</strong>chen. Bestimmt<br />

werden der Fluß der Sekundärteilchen und <strong>die</strong> Ausdehnung (<strong>die</strong> Fläche)<br />

eines Luftschauers. Auf das Problem, herauszufinden, welcher Art das<br />

Primärteilchen war, gehen wir hier nicht ein.<br />

Einige bekannte Observatorien für so hohe Energien sind in der nebenstehenden<br />

Tabelle aufgeführt. Typische Werte sind<br />

1 [Schauer m −2 sr −1 yr −1 ].<br />

Der Nachweis geht über <strong>die</strong> Müonen (oder Cerenkovstrahlung), in den<br />

Elektronen steckt der Hauptteil der Energie. Die Sekundärteilchen haben<br />

bei Ankunft auf dem Erdboden eine Energie von 1 GeV. Daraus läßt sich<br />

<strong>die</strong> Primärenergie bestimmen. Das Schauer Maximum wird erreicht beim<br />

Durchdringen einer Säulendichte von 520 g cm −2 , danach nimmt <strong>die</strong> An-<br />

Observatorien von VHE Photonen<br />

Name Land Fläche h<br />

km 2 m<br />

Volcano Ranch USA 8 km 2 1800<br />

Haverah Park UK 11 km 2 0<br />

Chacaltaya IND 30 km 2 5200<br />

Sydney Array AUS 34 km 2 0<br />

Tab. 4.6: VHE Photonen<br />

zahl der Sekundärteilchen wieder ab. Es ist demnach günsig, <strong>die</strong>se Observatorien auf hohen Bergen zu plazieren.<br />

Die höchsten UHE Energien reichen (beim Krebs Pulsar) bis 10 16 eV. Ein solches Photon erzeugt einige 10 6 Sekundärteilchen.<br />

Wir wollen zunächst einige typische Größenordnungen für <strong>die</strong> Leuchtkraft L von Galaxien und Quasaren<br />

betrachten. Als natürliche Einheit benutzen wir vorläufig <strong>die</strong> Leuchtkraft der Sonne, L⊙ = 3.9·1033 erg s−1 . .<br />

Zur Erinnerung:<br />

Die Leuchtkraft der Milchstrasse beträgt etwa<br />

LMW G = 2.5 · 10 10L⊙ = 1044 erg s−1 .<br />

Bei den Radio Galaxien ist beim ersten Eintrag <strong>die</strong> Strahlung<br />

des Kerns gemeint, nimmt man <strong>die</strong> Ausflüsse (<strong>die</strong><br />

Ohren) mit dazu, dann ergibt sich <strong>die</strong> zweite Angabe. Bei<br />

Quasaren beträgt also im Radio Bereich <strong>die</strong> Strahlung aus<br />

dem Kern 106L⊙, aus den Ohren bis zu 1011 Leuchtkraft Vergleich geordnet nach Frequenz<br />

Bereich Quasare [L⊙] Galaxien [L⊙]<br />

Radio (10<br />

L⊙ und mehr.<br />

6 . . . 1011 ) (1 . . . 104 )<br />

IR bis 1013 bis 1013 optisch bis 1014 (1010 . . . 1011 )<br />

Röntgen bis 10 15 (10 8 . . . 10 9 )<br />

• FORMELN (TEMPERATUR)<br />

Tab. 4.7: Leuchtkraft Vergleich<br />

Ein einfaches Rezept zur Bestimmung der Temperatur eines Gases oder Plasmas ist <strong>die</strong> Umrechnung mithilfe des Energiesatzes<br />

E = hν = kBT = Q (4.220)<br />

Die Einheit von erg ist cm 2 g s −2 , ferner ist<br />

h = 6.62619 · 10 −27 erg das Plancksche Wirkungsquantum


4.2. STRAHLUNG UND IHRE QUELLEN 257<br />

kB = 1.38054 · 10 −16 erg K −1 <strong>die</strong> Boltzmann Konstante<br />

ν <strong>die</strong> Frequenz der Strahlung, E <strong>die</strong> Energie des Photons<br />

T <strong>die</strong> Temperatur in Kelvin,<br />

Q ≈ mv 2 <strong>die</strong> thermische (kin.) Energie der <strong>Teil</strong>chen.<br />

Es ist in der Atomphysik üblich, <strong>die</strong> Energie in eV anzugeben, <strong>die</strong> typischen Bindungsenergien der<br />

Elektronen im Atom sind von <strong>die</strong>ser Größenordnung. Im folgenden bedeuten: λ: Wellenlänge in cm;<br />

w: Wellenzahl in cm −1 ; ν Frequenz in Hz und T : Temperatur in Grad Kelvin.<br />

Mit der Definitionsformel<br />

E = hν = hcw = hc<br />

λ = k BT und<br />

h<br />

k B<br />

= 4.8 · 10 −11<br />

geben wir eine Tabelle zur Energie Umrechnung (c = 3 · 10 10 ) auf Atom Einheiten.<br />

Atom Einheiten<br />

w [cm −1 ] λ [cm] ν [Hz] ɛ [eV] T [K]<br />

λ [cm] 1 1 c 1.24·10 −4 0.66<br />

ν [Hz] c −1 c 1 4.5·10 −15 2.2·10 −11<br />

ɛ [eV] 8067 1.29·10 −4 2.41·10 14 1 11605<br />

T [K] 0.66 1.5 2·10 10 8.1·10 −5 1<br />

Die Gleichung kann auch von rechts nach links gelesen werden: Ladungen der (thermischen) Energie<br />

Q erzeugen (thermische) Strahlung der Frequenz ν.<br />

Tab. 4.8: Atom Einheiten<br />

Neben der Frequenz ist noch <strong>die</strong> Intensität I der Strahlung wesentlich. Hier macht <strong>die</strong> Thermodynamik<br />

eine wichtige Aussage über Spektrum Iν und Amplitude I = I(T ): kein Körper (im thermischen<br />

Gleichgewicht) kann mehr abstrahlen als ein schwarzer Körper.<br />

Wir kommen zurück auf <strong>die</strong> oben gestellte Frage, was an Strahlung beim Beobachter (außerhalb der<br />

Erdatmosphäre) ankommt, nachdem wir verstehen, wie Photonen mit der interstellaren Materie wechselwirken.<br />

Wir setzen den atomaren Aspekt als bekannt voraus und betrachten im folgenden den astrophysikalisch<br />

- phänomenologischen: also <strong>die</strong> Bestimmung von Säulendichte und Emissionsmaß.<br />

Säulendichte<br />

Die Säulendichte der Erdatmosphäre beträgt insgesamt (N2 und O2)<br />

N⊕ = 2 · 10 25<br />

cm −2<br />

Bis zum Zentrum der Galaxis gilt (für H und H2)<br />

NGal ≈ 10 23<br />

cm −2<br />

Für eine Molekülwolke gilt (für H und H2)<br />

NW olke ≈ 10 21 . . . 10 22<br />

Emissionsmass<br />

cm −2<br />

Das Emissionsmaß geht z. B. ein in <strong>die</strong> Leuchtkraft der Bremsstrahlung und <strong>die</strong> der Rekombination.<br />

Es wird oft mit EM bezeichnet.


258 KAPITEL 4. THERMODYNAMIK: TEMPERATUR<br />

4.2.6 Nichtthermische Strahlung<br />

Unsere Galaxis<br />

Die Leuchtkräfte der Maser Quellen reichen von L = 3·10 −10 L⊙ bis zu L = 10L⊙ (bei Mega MaserN)<br />

in unserer Galaxis.<br />

Galaktische (Molekül) Maser Quellen kann man mit VLBI (’very long baseline interferometry’) noch<br />

auflösen: <strong>die</strong> Winkeldurchmesser der Quellen betragen 0. ′′ 1 bis herab zu 0. ′′ 0001, was bei Flüssen von<br />

eingen 10 4 Jy Strahlungstemperaturen von bis zu 10 15 K ergibt.<br />

Molekül-Maser<br />

Quelle D Φν d Molekül λ<br />

kpc Jy AE cm<br />

Orion A 0.5 1 · 10 4 1 H2O 1.35<br />

W3 3.1 3 · 10 3 10 OH 18<br />

D Entfernung; Φν maximaler Fluss; d Durchmesser der Quelle. Die genauen Frequenzen für OH sind<br />

ν = 1665.40 und 1667.36 MHz.<br />

Zur Erinnerung: 1 ′′ in einer Entfernung von 1 pc entspricht 1 AE.<br />

Andere Galaxien<br />

Extragalaktische Maser Quellen sind (abhängig von der Galaxie) wesentlich stärker.<br />

Die stärkste OH Quelle ist in kosmologischer Entfernung, z = 0.129, im IRAS Katalog mit den Koordinaten<br />

IRAS20100-4156. Sie hat (unter der Annahme isotroper Strahlung) eine Leuchtkraft von<br />

L = 10 4 L⊙.<br />

Die stärkste H2O Quelle ist in kosmologischer Entfernung, z = 0.025, im IRAS Katalog mit den<br />

Koordinaten IRAS22265-1826. Sie hat (unter der Annahme isotroper Strahlung) eine Leuchtkraft von<br />

L = 6 · 10 3 L⊙.


4.3. DIE THERMODYNAMIK DES KOSMOS 259<br />

4.3 Die Thermodynamik des Kosmos<br />

4.3.1 Die Temperatur des Kosmos<br />

Wir betrachten im folgenden ein Volumen V , welches so groß ist, daß es an der kosmologischen Expansion<br />

ungestört teilnimmt, aber so klein, daß geometrische Krümmungseffekte vernachläßigt werden<br />

können. Der Raum ist dann lokal Euklidisch und es gilt V (t) = 4π<br />

3 R3 (t).<br />

Sieht man einmal von Spekulationen über den sehr frühen Kosmos ab, so verläuft <strong>die</strong> Expansion des<br />

Kosmos adiabatisch ab,<br />

S = 4<br />

3 aBT 3 (t)V (t) = const<br />

Für <strong>die</strong> Temperatur der Hintergrundstrahlung gilt dann (Tolman, 1931)<br />

Ro<br />

T = To<br />

R = To(1 + z) (4.221)<br />

Die Energie der Photonen wächst analog und <strong>die</strong> Mittelwerte sind<br />

< Eγ > ≈ 2.701 kT ; < Sγ > ≈ 3.602 k (4.222)<br />

Das liefert, wie wir jetzt zeigen wollen, ein ideales Thermometer auch für <strong>die</strong> Temperatur der Materie.<br />

4.3.2 Der Kosmos heute<br />

Entfernung D und Alter A = to (ab heute zurückgerechnet) von Quellen im Kosmos, deren Rotverschiebung<br />

z nicht zu groß ist, z ≪ 1, ist gegeben durch <strong>die</strong> lineare Hubble Relation<br />

D = z c<br />

H<br />

und A = z 1<br />

Ho<br />

mit Ho = Ro<br />

˙Ro<br />

Mit den üblichen Einheiten liefert das für den Entfernungsmodul<br />

c<br />

H = 6(2h)−1 Gpc = 1.85 · 10 28 (2h) −1<br />

Dabei ist D = 6z(2h) −1 also in Gpc zu nehmen.<br />

(4.223)<br />

cm (4.224)<br />

• FORMELN<br />

Für <strong>die</strong> Angabe des Alters (ab Urknall) Auniv benötigt man das kosmologische Modell und es gilt:<br />

Auniv = f<br />

≈ f 10<br />

Ho<br />

10 h −1<br />

y<br />

mit f = 2/3 für den materie-dominierten, Euklidischen Kosmos und f = 1 für den nahezu leeren Kosmos.<br />

• BEISPIEL (LEUCHTKRAFTBESTIMMUNG)<br />

Für <strong>die</strong> <strong>die</strong> oben besprochenen Maser Quellen wurde seitens der Autoren 2h = 1.5 gewählt. Das liefert für Entfernung und<br />

Leuchtkraft<br />

<strong>die</strong> in der Tabelle angegeben Werte.<br />

Daten zu extragalaktischen Maser Quellen<br />

Nr IRAS D z<br />

Quelle Mpc z<br />

1. 22265 − 1826 100 0.025<br />

2. 20100 − 4156 500 0.129<br />

3. 10214 + 4724 4000 2.286


260 KAPITEL 4. THERMODYNAMIK: TEMPERATUR<br />

Die Expansion des Kosmos verläuft praktisch adiabatisch: das wenige an Strahlung, was Sterne und<br />

Wolken intergalaktisch als Beitrag zusätzlich zur Hintergrundstrahlung liefern, ist so gering, daß Abweichungen<br />

von der Isotropie höchstens 10 −5 ausmachen, wie <strong>die</strong> Messungen von COBE gezeigt haben.<br />

Da <strong>die</strong> Entropie S im mitbewegten Volumen konstant ist, gilt allgemeiner (Tolman, 1931) für<br />

Größen zum Zeitpunkt der Emission (Index e) und der Observation (Index o)<br />

Te<br />

To<br />

= Ro<br />

Re<br />

= 1 + z = λo<br />

λe<br />

= ωe<br />

ωo<br />

und der Schwarzkörper-Charakter der Verteilungsfunktion, <strong>die</strong> ja nur <strong>die</strong> dimensionslose Variable<br />

x = ¯hω<br />

kT<br />

(4.225)<br />

(4.226)<br />

enthält, bleibt erhalten.<br />

Die Energiedichte der Strahlung wächst dagegen mit wachsendem z (ebenso wie <strong>die</strong> Energie des einzelnen<br />

Photons): <strong>die</strong> Zahl der Photonen Nγ ∝ S/k ∝ T 3 R 3 im Volumen V ist erhalten, <strong>die</strong> Energie<br />

Eγ ∝ NγkT wächst demnach ebenfalls wie 1 + z.<br />

4.3.3 Der frühe Kosmos<br />

Was heute in der Dynamik des Universums völlig vernachläßigbar ist, nämlich der Beitrag der Photonenenergie<br />

zur Massendichte des Universums,<br />

˜θm = Eγ<br />

c 2 mpNp<br />

∝ 0.9 · 10 −4 (1 + z)[(2h) −2 Ω −1 ] (4.227)<br />

dominiert bei konstante Entropie S das Universum ab etwa z > 10 4 . Dadurch wird <strong>die</strong> Physik zunehmend<br />

einfacher: je höher <strong>die</strong> Temperatur, umso unwichtiger werden einzelne Wechselwirkungen; alle<br />

sind irgendwann ’stark’ und das Universum ist undurchsichtig.<br />

Nur noch der Entropiesatz wird benötgt, um <strong>die</strong> Zusammensetzung der Materie des frühen Universums<br />

zu bestimmen. Wir haben das ideale Hochenergielabor vor uns.<br />

4.3.4 Primordiale Elemente<br />

Seit von Wagoner, Fowler und Hoyle erstmals (1967) das kosmogonische Verhältnis von H zu He<br />

(Massenverhältnis 4:1) bestimmt wurde, ist einige Zeit vergangen. Die damaligen Beobachtungen an<br />

alten Sternen stimmten mit der Vorhersage überein und wurden damit als ein direkter Beweis für den<br />

heißen Urknall, s = nγ/nb ≈ 10 9 und T ≈ 3K allgemein anerkannt.<br />

Die numerischen Rechnungen basieren mittlerweile auf verbesserten Streuquerschnitten und liefern<br />

heute<br />

Y4 = 0.230 + 0.025(10 + log η) + (0.0075)(g∗ − 10.75)<br />

+0.014[τ1/2(n) − 636] + 0.015(Nν − 3) (4.228)<br />

wobei τ1/2(n) <strong>die</strong> Halbwertszeit des Neutrons in Sekunden (aktueller Wert etwa τ1/2(n) = 621 s oder<br />

10.35 min) und Nν <strong>die</strong> Anzahl der verschiedenen Neutrinosorten ist (aktueller Wert Nν = 3). Für <strong>die</strong><br />

hier betrachteten Temperaturen ist ferner g∗ = 10.75.<br />

Einem Massenanteil von Y4 = 0.23 entspricht ein Zahlanteil von X4 = 0.075.<br />

Mittlerweile sind auch <strong>die</strong> Beobachtungen sehr viel genauer. Ein Problem, das von Anfang an erkannt<br />

wurde, bleibt ungelöst: Sterne, <strong>die</strong> keine Metalle enthalten (sog. Population III Sterne), hat man nicht<br />

entdecken können, selbst <strong>die</strong> ältesten Sterne in Kugelsternhaufen enthalten noch Metalle wie C, N, O


4.3. DIE THERMODYNAMIK DES KOSMOS 261<br />

und sogar Eisen, Fe. Dabei variieren <strong>die</strong> Häufigkeiten sowohl im einzelnen Kugelsternhaufen als auch<br />

von Haufen zu Haufen.<br />

Neben kosmologischem Lithium, Li, wurde (mit vergleichbarer Häufigkeit) auch Bor, B, gefunden.<br />

Das kann man erklären, (Fowler), falls man inhomogene Urknall Modelle betrachtet.<br />

• ZUSATZ (BILDUNG VON C IM FRÜHEN KOSMOS)<br />

Hier sind zunächst <strong>die</strong> Quarks inhomogen verteilt (auf einer Skala von etwa 1 bis 10 Meter), wenn sich Protonen und<br />

Neutronen in einem Phasenübergang erster Ordnung bilden. Diese verhalten sich anschließend beide unterschiedlich:<br />

Protonen diffun<strong>die</strong>ren schwerer, da sie geladen sind. In ursprünglichen Verdichtungen (Entropieschwahnkungen) bleiben<br />

<strong>die</strong> Protonen zurück, <strong>die</strong> Neutronen diffun<strong>die</strong>ren in <strong>die</strong> Umgebung.<br />

Ab 7 Li verläuft <strong>die</strong> Fusion dann anders als im Standardmodell, nämlich bis 12 C und ohne <strong>die</strong> Triple−α Reaktion:<br />

7 Li (n, γ) 8 Li (α, n) 11 B (n, γ) 12 B (e + , ν) 12 C (4.229)<br />

Hierbei ensteht auch das häufigste Bor Isotop, 11 B. Auch Atome mit höherer Ladung enstehen, insgesamt etwa (ein Massenanteil<br />

von) 10 −3 .<br />

Helium<br />

Die Häufigkeit von 4 He in der Ur-Sonne wird allgemein zu Y⊙( 4 He) = 0.28 in numerischen Entwicklungs<br />

Rechnungen angenommen. Das liefert gute Übereinstimmung mit der Leuchtkraft heute.<br />

Die Häufigkeit von 3 He in der Ur-Sonne kann aus Meteoriten bestimmt werden.<br />

X( 3 He) = 2 · 10 −5<br />

(4.230)<br />

Etwa am Rand des Sonnensystems vorhandenes 3 He, welches von solarem (im Sonnenwind) unterschieden<br />

werden kann, muß aus dem interstellaren Raum (aus der lokalen interstellaren Wolke) zugeweht<br />

worden sein. Dieses wurde zunächst spektroskopisch (von der Erde aus) nachgewiesen, 1995 von<br />

dem Raumschiff Ulysses aufgesammelt und analysiert. Beide Bestimmungen ergeben übereinstimmende<br />

Werte.<br />

X( 3 He) = 1 · 10 −4<br />

(4.231)<br />

Diesen extrem lokalen Wert kann man vergleichen mit den ältesten Sternen in unserer näheren Umgebung:<br />

in Kugelsternhaufen und Zwerggalaxien (z. B. SMC). Man findet<br />

Y4 = 0.236<br />

Z ≥ 10 −3<br />

(4.232)<br />

an hellen Sternen am Rand.<br />

Mittlerweile kann man auch <strong>die</strong> Lyman−α Linien von HeI (λ = 1215 ˚A) und HeII (λ = 304 ˚A) in<br />

Quasar Spektren nachweisen.<br />

Deuterium<br />

Deuterium kommt bei einem Stern wie der Sonne dagegen nicht vor, es wird in der Protostern Phase<br />

aufgebraucht und in 3 He verwandelt. Die Summe von D + 3 He bleibt dabei konstant. Die lokale<br />

Häufigkeit von D kann durch Lyman−α Absorption (gegen helle Sterne wie Capella und Procyon)<br />

bestimmt werden.<br />

X(D) = 2 · 10 −5<br />

(4.233)<br />

1996 wurde (von Tytler et al.) <strong>die</strong> Lyman−α Linien von D (λ(H) − 0.33 ˚A) in drei Quasar Spektren<br />

nachgewiesen. Die größte Rotverschiebung betrug 3.57. Das Ergebnis war überraschend, zwei Bestimmungen<br />

stimmen mit den bisherigen Ergebnissen überein, ein Wert ist 10 mal größer.<br />

Lithium


262 KAPITEL 4. THERMODYNAMIK: TEMPERATUR<br />

4.4 Die Sterne: Leuchtkraft und Temperatur<br />

4.4.1 Grundlagen<br />

Die meisten Sterne leuchten (wie <strong>die</strong> Sonne) in dem Frequenzbereich, der von der Erdatmosphäre<br />

durchgelassen wird und der vom menschlichen Auge wahrgenommen werden kann. Wir werden zeigen,<br />

daß <strong>die</strong>s auf <strong>die</strong> Werte einiger weniger Fundamentalkonstanten zurückgeführt werden kann.<br />

Die Maxwellschen Gleichungen und das Plancksche Gesetz der Strahlung eines schwarzen Körpers<br />

sind <strong>die</strong> Grundlage zur Bestimmung der Leuchtkraft (Amplitude des Senders) und der Temperatur<br />

(Frequenz des Senders) an der Oberfläche eines Sterns.<br />

Wesentlich genauere Aussagen liefert eine Spektralanalyse (Position, Intensität und Breite der Linien<br />

im Spektrum eines Sterns). Grundlage der Interpretation liefert hier <strong>die</strong> Saha Gleichung und <strong>die</strong> Theorie<br />

der Sternatmosphären (Strahlungstransport). Das Plancksche Gesetz der Schwarzkörperstrahlung<br />

liefert in gröbster Näherung <strong>die</strong> physikalischen Grundlagen <strong>die</strong>ser Strahlung, welche <strong>die</strong> Astronomen<br />

mit ihren eigenen Bezeichnungen übernommen und dann zu einer Theorie der Sternatmosphären ausgebaut<br />

haben.<br />

• ANMERKUNG (DIE TEMPERATUR DER STERNE)<br />

Das Auffinden von Eichsternen definierter Temperatur und Leuchtkraft war ein mühsamer Prozeß, der im wesentlichen<br />

empirisch verlief, da <strong>die</strong> adäquate Physik, <strong>die</strong> Quantenmechanik, noch fehlte. E. Warburg war der erste, der (1899) <strong>die</strong><br />

Temperatur der Sonne annähernd richtig bestimmte. Hertzsprung (1905) und Russel (1913) konnten <strong>die</strong>s erstmals an ausgewählten<br />

Sternen (Hertzsprung-Russell Diagramm).<br />

Grundlage war <strong>die</strong> von Josef Stefan (1835 - 1893) anhand umfangreicher Messungen 1879 gefundene, und von Ludwig<br />

Boltzmann (1844 - 1906) (unter Benutzung der Maxwellschen Theorie) theoretisch begründete Beziehung für <strong>die</strong> Energiedichte<br />

von Licht im Hohlraum der Temperatur T<br />

Φ = σT 4<br />

(4.234)<br />

Dieses Stefan-Boltzmann Gesetz der Schwarzkörperstrahlung beschreibt <strong>die</strong> (idealisierte) Schwarzkörperstrahlung eines<br />

Sterns. F wird Flächenhelligkeit und σ wird Stefan-Boltzmann Konstante genannt. Die Leuchtkraft eines Sterns, L, folgt,<br />

wenn der Radius R bekannt ist, zu<br />

L = 4πR 2 σT 4<br />

mit σ = 5.67 · 10 −05 erg s −1 cm −2 K −4 .<br />

(4.235)<br />

Unter absoluter bolometrischer Helligkeit, Lb, versteht man <strong>die</strong> Gesamtleuchtkraft (Einheit: erg s −1 )<br />

eines Sterns. Sie wird in der Astronomie in besonderen dimensionslosen Einheiten (Magnituden), Mb,<br />

als Vielfaches einer Grundgröße (Eichstern) gemessen, wobei gilt (s.u.)<br />

Lb = L(Mb) = 10 0.4·(4.72−Mb) L⊙<br />

(4.236)<br />

Die Gesamtleuchtkraft der Sonne beträgt also Mb = +4.72 m , was L⊙ = 3.9 · 10 33 erg s −1 entspricht.<br />

In der astronomischen Literatur setzt man noch ein m als Index, um kenntlich zu machen, daß es sich<br />

um Magnituden handelt.<br />

Einfacher als <strong>die</strong> Gesamtleuchtkraft ist <strong>die</strong> visuelle Helligkeit, MV , zu bestimmen. Sie wird später genauer<br />

definiert. Für <strong>die</strong> Sonne wird im visuellen (bei 551 nm) nur etwa 10 % der Gesamtleuchtkraft<br />

benutzt. Man erreicht <strong>die</strong>s, indem man ein geeignetes Filter vor das Teleskop schaltet. Man misst nun<br />

zwar weniger, dafür aber genauer (nämlich ohne Absorption der Erdatmospäre). Kennt man den Typ<br />

des Sterns, d. h. hat man bereits einen ähnlichen Stern vermessen, dann kann man auf <strong>die</strong> Gesamtleuchtkraft<br />

zurückschließen (ohne erneute Meßung außerhalb des visuellen Bereichs).<br />

Die Differenz zwischen absoluter visueller Helligkeit und absoluter bolometrischer Helligkeit<br />

Mb = MV + BC (4.237)<br />

heißt bolometrische Korrektion, BC.


4.4. DIE STERNE: LEUCHTKRAFT UND TEMPERATUR 263<br />

Aus der Kenntnis der Gesamtleuchtkraft bzw. aus dem Verlauf des Kontinuumsspektrums kann man<br />

bereits Schlüsse über <strong>die</strong> Temperatur eines Sterns ziehen. Im thermodynamischen Gleichgewicht stimmen<br />

kinetische Temperatur, Tkin, und Strahlungstemperatur überein. Die Strahlung eines schwarzen<br />

Körpers ist durch <strong>die</strong> Angabe einer einzigen Größe, der Temperatur T , bereits vollständig bestimmt.<br />

Erst das Studium der Abweichungen (Spektralanalyse) von <strong>die</strong>ser Strahlung liefert <strong>die</strong> Grundlage der<br />

Sternklassifikation.<br />

Wir definieren dazu noch folgende Temperaturen:<br />

1. <strong>die</strong> effektive Temperatur, Teff,<br />

Teff =<br />

�<br />

4 L<br />

4πR2σ als <strong>die</strong>jenige Temperatur, <strong>die</strong> der Stern haben müßte, um als schwarzer Körper (mit Radius R)<br />

<strong>die</strong> bolometrische Leuchtkraft L zu ergeben.<br />

2. <strong>die</strong> Farb Temperatur, Tcol,<br />

λmaxTcol = 0.29 cm K<br />

durch das Maximum der Strahlung bzgl. der Wellenlänge λ aus dem Wienschen Gesetz für<br />

Schwarzkörperstrahlung. Da kein Körper im thermodynamischen Gleichgewicht stärker strahlt<br />

als der schwarze, ist stets Teff < Tcol.<br />

Die erste Definition setzt voraus, daß der Radius des Sterns bekannt ist, <strong>die</strong> zweite, daß es sich um<br />

Schwarzkörperstrahlung handelt. Beides gilt für Sterne nur näherungsweise.<br />

4.4.2 Die Harvard-Klassifikation der Sterne<br />

Überblick<br />

Rein empirische Grundlage der Klassifikation sind <strong>die</strong> Linien der Sternatmosphären. Die verschiedenen<br />

Sterntypen werden mit grossen Buchstaben des Alfabets bezeichnet, <strong>die</strong> Hauptsequenz mit: O,<br />

B, A, F, G, K, M. Bei K verzweigen <strong>die</strong> Klassen in C (Carbon-stars, welche nochmals in R und N<br />

unterteilt werden) und S.<br />

Merksatz: Oh be a fine girl kiss me right now - smak.<br />

Die verschiedenen Klassen werden durch Zahlen von 0 bis 9 nochmals unterteilt.<br />

• ANMERKUNG (BESONDERE MERKMALE MASSEARMER STERNE)<br />

Die kühlen Sterne zeigen bereits Moleküle in ihren Spektren:<br />

M-Sterne: haben TiO und H2O (Banden bei λ = 1.4µ 1.9µ und 2.7µ).<br />

S-Sterne: ZrO und LaO.<br />

R-Sterne: CN und CO (kein TiO).<br />

N-Sterne: wie R, zusätzlich C2.<br />

Unsere Kenntnis sehr leuchtarmer Sterne ist durch das HST auf eine neue Grundlage gestellt worden.<br />

Um <strong>die</strong>se adäquat zu beschreiben wurde am leuchtschwachen Ende <strong>die</strong> Sternklassifizierung geändert<br />

in<br />

O, B, A, F, G, K, M, L, T<br />

Merksatz: Oh be a fine girl kiss my lips - top.<br />

Für <strong>die</strong> Bestimmung der wahren Leuchtkräfte muß der Einfluß der Erdatmosphäre berücksichtigt werden.<br />

Strahlung zwischen 3000 ˚A und 1 µ (10000 ˚A) kann <strong>die</strong> Erdatmosphäre ungeschwächt passieren.


264 KAPITEL 4. THERMODYNAMIK: TEMPERATUR<br />

Dies ist der Bereich der klassischen Astronomie, in dem praktisch alle Beobachtungen bis 1945 gemacht<br />

wurden.<br />

Die Ränder des optischen Fensters werden durch <strong>die</strong> Absorption von Molekülen (Banden von OH)<br />

bestimmt. Im Blauen durch Ozon (ab λ < 3000 ˚A durch Bandenabsorption in einer Höhe von 20 km<br />

bis 60 km), O2 und N2 (ab λ < 2000 ˚A durch Absorption). Atomares O und N werden ab λ < 1000 ˚A<br />

wichtig.<br />

Die Ionospäre (F Schicht) wird zwischen 250 km und 350 km durch <strong>die</strong> Ionisation von O (ab λ < 900<br />

˚A) erzeugt. Röntgenstrahlung wird erst zwischen 50 km und 150 km absorbiert.<br />

Im (infra)Roten wird (ab λ > 10000 ˚A) durch <strong>die</strong> Moleküle H2O und CO2 (und ebenfalls durch<br />

Banden von O2 und N2) <strong>die</strong> Erdatmosphäre undurchläßig. Die Fraunhoferlinien A (7594 ˚A) und B<br />

(6868 ˚A) zählen dazu. Für schwache Quellen wie Quasare stört aber bereits das Luftleuchten (air glow<br />

= Emissionslinien des Nachthimmels), welches ab λ > 7000 ˚A bedeutsam wird. Es handelt sich<br />

hierbei um Linienstrahlung (Banden von OH) photochemischer Prozesse und der Rekombination (von<br />

O und H). Die stärkste Linie ist <strong>die</strong> λ = 5577 ˚A Linie des angeregten O ∗ (grün). Es handelt sich um<br />

einen verbotenen 1 S → 3 D Übergang mit einer Dauer von τ = 0.74 s (el. Quadrupol). Die Anregung<br />

kommt aus einem Dreierstoß<br />

O + O + O → O2 + O ∗<br />

Diese Linie kommt auch im Polarlicht vor und wurde erstmals von ˚Angström dort nachgewiesen.<br />

Daneben gibt es noch Linien bei 6300 und 6364 ˚A (rot).<br />

Der Photonenfluß wird in Rayleigh gemessen<br />

1Rayleigh = 10 6 Photonencm −2 s −1<br />

(4.238)<br />

Die natürliche Einheit für den Photonenfluß durch <strong>die</strong> Erdatmosphäre ist das Kilo Rayleigh (1 kR<br />

= 109 Photonen cm−2 s−1 ). Zum Vergleich der relativen Bedeutung<br />

gibt nebenstende Tabelle Helligkeiten verschiedener Quel- Strahlungsdichten der Erdatmosphäre<br />

len.<br />

Objekt Photonenfluss<br />

Neben den bereits erwähnten Linien gehören auch <strong>die</strong> beiden Na<br />

D-Linien (5890 und 5896 ˚A, gelb) zum Luftleuchten (engl. air<br />

Sonne 6 · 10<br />

glow). Die Strahlungsdichte erhält man daraus (unter Annahme<br />

von Isotropie) durch Multiplikation mit 4π.<br />

Das Nachtleuchten (engl. night glow) im IR wird dominiert von<br />

OH (Meinel-Banden). Die wichtigste Anregung kommt von der<br />

Sonne, man findet eine Modulation mit der Rotationsperiode der<br />

Sonne von 27 Tagen.<br />

13 Vollmond<br />

kR<br />

1 · 108 kR<br />

Polarlicht<br />

Nachtleuchten opt.<br />

Nachtleuchten IR<br />

1 bis 1000 kR<br />

0.5 kR<br />

4.5 · 103 Sternleuchten<br />

kR<br />

0.4 kR<br />

Tab. 4.9: Leuchten der Erdatmosphäre<br />

Wir ersehen aus der Tabelle, daß <strong>die</strong> Erde ein alles andere als günstiger Beobachtungsort ist.<br />

Spektralklassifikation<br />

Die Harvard Spektralklassifikation klassifiziert <strong>die</strong> Sterne in einer eindimensionalen Sequenz, geordnet<br />

nach fallender Temperatur.<br />

Harvard Spektralklassifikation.<br />

Klassifikationskriterien sind<br />

O<br />

das Auftreten (Frequenz) und<br />

<strong>die</strong> Stärke (Intensität und Linienbreite)<br />

Blau<br />

bestimmter Eichlinien.<br />

✲ B ✲ A ✲ F<br />

Gelb<br />

✲ G ✲ K<br />

❅<br />

❅❘<br />

Rot<br />

��✒<br />

S<br />

R ✲ ✲ M<br />

N<br />

O–Sterne sind heiß (T = 20000 . . . 35000 K, Farbe: Blau) und zeigen Linien des ionisierten Heliums, M–Sterne<br />

dagegen sind so kalt (T ≈ 3000 K, Farbe: Rot), daß bereits Moleküllinien (TiO oder Wasserdampf, H2O) im<br />

Spektrum auftreten. Bei den O-Sternen beginnt <strong>die</strong> Klassifikation bei 5, also O5, bei den M-Sternen bei M6.


4.4. DIE STERNE: LEUCHTKRAFT UND TEMPERATUR 265<br />

Zur feineren Klassifikation werden <strong>die</strong> einzelnen Sternlassen nochmals dezimal unterteilt: 0 . . . 9 (nach<br />

abnehmender Temperatur). Also z. B. B0, B1 . . . B9, A0, A1 . . . A9 usw. Die Sonne ist in <strong>die</strong>sem<br />

Klassifikationsschema ein G2 Stern.<br />

Die Leuchtkraft als zweiter Parameter<br />

Da zur vollständigen Klassifikation eines Sterns, wie wir vom HR–Diagramm (s.u.) lernen, zwei Parameter<br />

notwendig sind, muß <strong>die</strong> Harvard Sequenz durch einen weiteren Parameter ∗ ergänzt werden. Als<br />

zweiten Parameter hat man deshalb <strong>die</strong> Leuchtkraft L bzw. <strong>die</strong> Linienintensitäten (bestimmter Linien)<br />

gewählt. Die Yerkes Klassifizierung kennt folgende † Klassen:<br />

I Überriesen II helle Riesen III Riesen IV Unterriesen<br />

V Hauptreihe (Zwerge und normale Hauptsequenz)<br />

VI Unterzwerge VII weiße Zwerge<br />

Die Sonne ist in <strong>die</strong>sem Klassifikationsschema ein G2V Stern.<br />

Daneben klassifiziert man weitere Besonderheiten mit kleinen Buchstaben:<br />

n = besonders diffuse Linien (nebulous)<br />

s = besonders scharfe Linien (sharp)<br />

e = zusätzlich Emissions-Linien (emission) Be<br />

f = Unterklasse der O Sterne mit Emissions-Linien Of<br />

m = zusätzlich Metall-Linien (metal) Am<br />

p = zusätzlich besondere Linien (peculiar) Ap<br />

Sieht man von der chemischen Zusammensetzung einmal ab, dann ist ein Stern durch <strong>die</strong> Harvard<br />

Spektralklassifikation eindeutig bestimmt und damit ist seine Leuchtkraft bekannt. Darauf beruht <strong>die</strong><br />

Möglichkeit der spektroskopischen Entfernungsbestimmung. Etwa 1% aller Sterne fallen nicht in <strong>die</strong>ses<br />

Schema.<br />

• ZUSATZ (AUSNAHMEN)<br />

Beispiele für Ausnahmen sind:<br />

1. W Sterne (Wolf-Rayet Sterne) mit Untertyp WN und WC,<br />

2. variable Sterne (Cepheiden, RR-Lyrae),<br />

3. Zentralsterne planetarer Nebel (Nova-Überrest),<br />

4. south preceding star im Krebsnebel (Supernova-Überrest) und Geminga.<br />

Synopsis<br />

Zum quantitativen Verständnis der Spektralklassifikation der Sterne benötigt man:<br />

Linienbreite (quantifiziert durch <strong>die</strong> Äquivalentbreite)<br />

Anregungsbedingung (Temperatur, Dichte, chemische Zusammensetzung)<br />

Linienprofil (Symmetrie, Tiefe)<br />

Mit <strong>die</strong>sen Parametern kann man in <strong>die</strong> Strahlungstransportgleichung eingehen und versuchen, ein<br />

Modell der Sternatmosphäre zu entwickeln.<br />

∗ Zur vollständigen Klassifizierung ist ein Parameter nicht ausreichend weil Sterne in verschiedenen Entwicklungssta<strong>die</strong>n<br />

identische Spektren (Spektralindizes) haben und doch ganz verschieden sein können.<br />

† Überriesen werden nochmals in Ia, Iab, Ib, weiße Zwerge nochmals in DA und DB unterteilt.


266 KAPITEL 4. THERMODYNAMIK: TEMPERATUR<br />

4.4.3 Helligkeit und Farbe der Sterne<br />

Eine Spektralanalyse ist jedoch sehr aufwendig und kann bei lichtschwachen Sternen oft gar nicht<br />

durchgeführt werden. Deshalb nimmt man alternativ (und weniger genau) den Farbindex zuhilfe und<br />

bestimmt daraus Teff, s. u.<br />

Für <strong>die</strong> Leuchtkraft eines Sterns erhält man dann in gröbster Näherung aus dem Stefan-Boltzmann<br />

Gesetz<br />

Φ = σT 4<br />

wobei σ <strong>die</strong> Stefan-Boltzmann Konstante<br />

σ = π2k4 B<br />

60¯h 3 = 5.669 · 10−5<br />

c2 (4.239)<br />

g s −3 K −4 (4.240)<br />

Φ <strong>die</strong> Flächenhelligkeit (Strahlungsfluß senkrecht zur Fläche), und T <strong>die</strong> Temperatur bedeuten. Für<br />

Sterne mit dem Radius R ist <strong>die</strong> Fläche 4πR 2 und demnach ist<br />

L = 4πR 2 σT 4<br />

<strong>die</strong> Leuchtkraft.<br />

Die astronomischen Masseinheiten und Bezeichnungen sind <strong>die</strong> wahre Helligkeit f,<br />

f = L<br />

4πD 2<br />

<strong>die</strong> absolute Helligkeit M<br />

M = m − 2.5 log<br />

�<br />

D<br />

10pc<br />

�2 und <strong>die</strong> scheinbare Helligkeit m<br />

(4.241)<br />

(4.242)<br />

(4.243)<br />

m = A1 − 2.5 log f (4.244)<br />

eines Sterns. Dabei wird definiert für zwei Quellen 1 und 2<br />

f1<br />

f2<br />

= 100 1<br />

5 (m2−m1) = (2.512) m2−m1 (4.245)<br />

mit der Umkehrung<br />

und<br />

m1 − m2 = −2.5 log f1<br />

f2<br />

(4.246)<br />

m − M = 5 log (D/pc) − 5 (4.247)<br />

d. h. M ist <strong>die</strong> scheinbare Helligkeit eines Sterns in 10 Parsec Entfernung.<br />

• DEFINITION (DAS UBV HELLIGKEITSSYSTEM)<br />

Die scheinbare Helligkeit der Sonne in 10 Parsec Entfernung beträgt nur MV = 4.79, <strong>die</strong> hellsten Sterne der Milchstraße<br />

erreichen MV = −6.5.<br />

Zur Festlegung von A1 (d. h. des Nullpunkts der Helligkeitsskala in Glchg. (4.244)) wurden ursprünglich besonders genau


4.4. DIE STERNE: LEUCHTKRAFT UND TEMPERATUR 267<br />

vermessene Sterne in der Nähe des Pols herangezogen (sog. Polsequenz).<br />

Mit dem Aufkommen der Photoplatte wurden, je nach Spektralbereich, verschiedene<br />

Helligkeitssysteme definiert. Hier sind <strong>die</strong> wichtigsten (Johnson<br />

u. Morgan, 1953) in <strong>die</strong> folgende Tabelle aufgenommen, zusammen mit<br />

Beispielen für <strong>die</strong> Sonne und Wega. Es bedeutet<br />

U: Ultravioletthelligkeit,<br />

B: Blauhelligkeit,<br />

V: Visuelle Helligkeit.<br />

Ferner ist λeff <strong>die</strong> Frequenz der maximalen Empfindlichkeit und Dλ <strong>die</strong><br />

Breite des Frequenzfilters. Der relative Energiefluß der Sonne im Frequenbereich<br />

Dλ um λeff ist in Prozent angegeben: 100 ∆L⊙<br />

. Dgl. ist in der<br />

L⊙<br />

Das UBV Helligkeitssystem<br />

Band λeff ∆λ ∆L/L f<br />

˚A ˚A Sonne Wega<br />

U 3650 660 4.77 % 1780 Jy<br />

B 4450 940 10.1 % 4000 Jy<br />

V 5510 880 10.1 % 3600 Jy<br />

Tab. 4.10: UBV Helligkeitssystem<br />

letzten Spalte f <strong>die</strong> wahre Helligkeit für Wega (in Jansky). Die Leuchtkraft der Sonne ist L⊙ = 3.9 · 10 33 erg s −1 .<br />

Mittlerweile gibt es viele verschiedene Eichsysteme, auf <strong>die</strong> wir nicht näher eingehen wollen. Im Johnson u. Morgan System<br />

sind <strong>die</strong> Grundlage hierfür 10 ausgewählte Eichsterne (s. z.B. Lang, Table 64, p560).<br />

Es gilt dann (in <strong>die</strong>sem System) für <strong>die</strong> Umrechnung Leuchtkraft L aus absoluter Helligkeit M = Mbol<br />

L = 3.02 · 10 35 · 10 −0.4M erg s −1 (4.248)<br />

mit der Umkehrung<br />

Mbol = 4.72 m − 2.5 m lg(L/L⊙) (4.249)<br />

Für <strong>die</strong> Umrechnung wahre Helligkeit f aus scheinbarer Helligkeit m<br />

f = 2.52 · 10 −5 · 10 −0.4m erg cm −2 s −1 (4.250)<br />

• BEISPIEL (α–CENTAURI UND WEGA)<br />

α–Centauri ist ein G2 V Stern und Wega ein A0 Stern. Beide haben mbol = 0. Ein solcher Stern 0. Größe hat also einen<br />

Energiefluß von f = 2.52 · 10 −5 erg cm −2 s −1 . Um daraus <strong>die</strong> Leuchtkraft von α–Centauri zu erhalten, ist mit (D/10) 2<br />

zu multiplizieren, D ≈ 1 pc und man erhält L = L⊙. Die Sonne ist ebenfalls ein G2 V Stern. Wega ist weiter entfernt und<br />

hat (als A0 Stern) L = 54L⊙.<br />

Unter Zuhilfenahme des Wienschen Gesetzes (also für Violett und für nicht zu hohe Temperaturen)<br />

kann man B − V auf <strong>die</strong> Temperatur eines Sterns, T , umrechnen. Im kurzwelligen Bereich ist <strong>die</strong><br />

Wiensche Näherung für <strong>die</strong> Sternstrahlung ausreichend<br />

Bλ(T ) = 2hc2<br />

e−hc/λkT<br />

λ5 mit hc/k = 1.4388 cm K.<br />

Als Farbindex, F I, definiert man allgemein das entfernungsunabhängige Verhältnis der wahren Helligkeiten<br />

für zwei Wellenlängen λ1 und λ2<br />

F I = mλ1 − mλ2 = −2.5 log(Bλ1/Bλ2)<br />

als Differenz ihrer Magnitudines bzw. als Logaritmus aus dem Quotient der Flüsse, welches (mit mit<br />

der Umrechnung 2.5logx = 1.086lnx) auf <strong>die</strong> Relation<br />

F I = 12.5(log λ1 − log λ2) + 1.086 · hc<br />

kT<br />

� 1<br />

λ1<br />

− 1<br />

�<br />

λ2<br />

führt.<br />

Als nützliche Farbindizes betrachtet man B − V = mB − mV und U − B = mU − mB. Sie sind so<br />

festgelegt, daß für A0 Sterne der Index F I = 0 gilt. Für kühlere Objekte ist dann B − V positiv, für<br />

heißere negativ.


268 KAPITEL 4. THERMODYNAMIK: TEMPERATUR<br />

In Zahlen ausgedrückt und für <strong>die</strong> visuelle Helligkeit V (max Empfindlichkeit bei 5550 ˚A) und <strong>die</strong><br />

Blauhelligkeit B (max Empfindlichkeit bei 4350 ˚A) liefert das <strong>die</strong> Näherungsformel zur Bestimmung<br />

der Temperatur T aus dem Farbindex F I = B − V<br />

T =<br />

15000<br />

1 + 2.15 · (B − V )<br />

Dabei entspricht größeres B − V kleineren Temperaturen.<br />

Für <strong>die</strong> Sonne ist<br />

damit gilt dann<br />

L = 10 0.4·(4.79−M) L⊙<br />

Kelvin (4.251)<br />

L⊙ = 3.9·10 33 erg s −1<br />

f⊙ = 1.36·10 6 erg cm −2 s −1 Solarkonstante<br />

V⊙ = -26.78 U − B = 0.10 B − V = 0.62<br />

MV = 4.79 BC = −0.07<br />

(4.252)<br />

dabei ist M <strong>die</strong> visuelle Helligkeit. Die Differenz zwischen absoluter visueller Helligkeit und absoluter<br />

bolometrischer Helligkeit<br />

Mbol = MV + BC<br />

beträgt für <strong>die</strong> Sonne BC = −0.07 und damit gilt<br />

Lb = L(Mb) = 10 0.4·(4.72−Mb) L⊙<br />

wenn M = Mb <strong>die</strong> bolometrische Helligkeit ist.<br />

• FORMELN (UMRECHNUNG IN CGS-EINHEITEN)<br />

Umrechnung Leuchtkraft L aus absoluter Helligkeit M<br />

(4.253)<br />

L = 3.02 · 10 35 · 10 −0.4M erg s −1 (4.254)<br />

Umrechnung wahre Helligkeit f aus scheinbarer Helligkeit m<br />

f = 2.52 · 10 −5 · 10 −0.4m erg cm −2 s −1 (4.255)<br />

4.4.4 Die Masse der Sterne.<br />

Die lebenden Sterne beziehen ihren Druck aus der Thermik, <strong>die</strong>se bestimmt also ihre Masse. Wir<br />

überlegen qualitativ, in welchem Massebereich wir leuchtende Sterne erwarten.<br />

1. Die minimale Masse.<br />

Die minimale Masse ist dadurch gegeben, daß im Zentrum des Sterns noch Kernfusion möglich ist.<br />

Wegen der extremen Temperaturabhängigkeit des Tunneleffekts bedeutet <strong>die</strong>s, wie erst später gezeigt<br />

wird, etwa 10 Millionen Grad Zentraltemperatur. Falls der Stern vor Erreichen <strong>die</strong>ser Temperatur bereits<br />

entartet ist, d. h. seinen Druck aus dem Pauli Prinzip bezieht, kann der Stern offensichtlich ‡ nicht<br />

brennen. Wir führen später <strong>die</strong> Überlegungen wesentlich genauer aus, hier nur eine erste Orientierung.<br />

Dazu betrachten wir ein kaltes Gas mit der <strong>Teil</strong>chenzahldichte n und lassen <strong>die</strong>ses unter Einfluß der<br />

Gravitation schrumpfen. Damit das Gas wenigstens ionisiert werden kann, muß <strong>die</strong> Ionisationsenergie<br />

von H überwunden werden: sei r der mittlere Abstand zweier H-Atome<br />

r ≈ RN −1/3 ≈ n −1/3<br />

‡ Im Prinzip wären auch pykonukleare Reaktionen bei Entartung möglich.


4.4. DIE STERNE: LEUCHTKRAFT UND TEMPERATUR 269<br />

und R der Radius des Sterns mit N Atomen. Dann muß<br />

mVgrav ≈ µe ≈ kT<br />

gelten, d. h. damit im Zentrum <strong>die</strong> Temperatur T herrschen kann, muß etwa<br />

Gm 2 pN<br />

R<br />

= kT = µe<br />

gelten. Hier ist µe das chemische Potential des Elektronengases.<br />

Wir eliminieren R und erhalten als Bedingung<br />

Nmin ≈ α −3/2<br />

�<br />

kT<br />

G<br />

n1/3 �3/2 ¯hc<br />

für <strong>die</strong> Anzahl der <strong>Teil</strong>chen Nmin, wobei wir mit αG<br />

αG = Gm2 p<br />

¯hc<br />

= 5.9 · 10 −39<br />

<strong>die</strong> gravische Feinstrukturkonstante (für Protonen) definiert haben.<br />

Die hier auftretende Größe N<br />

N = α −3/2<br />

G<br />

= 2.2 · 10 57<br />

(4.256)<br />

(4.257)<br />

(4.258)<br />

ist charakteristisch für alle Sterne.<br />

Entartung tritt ein, falls µe etwa von der Größenordnung der gaskinetischen Energie ist, µe = kT , und<br />

das liefert <strong>die</strong> Dichte<br />

n ≈<br />

� ¯h 2<br />

mekT<br />

� 3/2<br />

Wir erhalten, wenn wir <strong>die</strong>s einsetzen (in <strong>die</strong> Formel (4.256))<br />

Nmin ≈ α −3/2<br />

�<br />

kT<br />

G<br />

mec2 �3/4 = 0.02 · T 3/4<br />

7 N⊙ (4.259)<br />

Das sind etwa 20 Jupitermassen.<br />

Wegen der extremen Temperaturabhängigkeit hört <strong>die</strong> pp-Reaktion hier allerdings schon bei He3 auf.<br />

Sterne so geringer Masse, sog. braune Zwerge, sozusagen Superplaneten, sind mittlerweile mit dem<br />

HST entdeckt worden.<br />

2. Die maximale Masse.<br />

Hydrostatisches Gleichgewicht ist in der Newtonschen Theorie für Sterne beliebig grosser Masse<br />

möglich. Die maximale Masse heißer Sterne wird durch Stabilitätsüberlegungen bestimmt. Es muß<br />

γ > 4/3 gelten, wobei der adiabatische Index (S = const)<br />

� �<br />

ρ<br />

γ =<br />

P<br />

� �<br />

∂P<br />

∂ρ S<br />

ist. Für ein System aus idealem Gas + Photonen liefert das <strong>die</strong> Bedingung Pkin > Pphot und das<br />

wiederum M < 50M⊙.<br />

Die maximale Masse kalter, entarteter Sterne wird durch <strong>die</strong> ART bestimmt. Es handelt sich hierbei um<br />

Neutronensterne mit maximaler Masse von höchstens 3 M⊙. Der Druck stammt von relativistischen<br />

Neutronen. Um ihre Masse mithilfe von Fundamentalkonstanten schreiben zu können, führen wir statt


270 KAPITEL 4. THERMODYNAMIK: TEMPERATUR<br />

der gravischen Feinstrukturkonstante für Protonen, αG, Glchg. (4.257) und der entsprechenden <strong>Teil</strong>chenzahl<br />

des Sterns, Glchg. (4.258) <strong>die</strong> Planck-Masse wie folgt ein:<br />

d. h.<br />

Gm 2 P<br />

¯hc<br />

m P =<br />

= 1<br />

�<br />

¯hc<br />

G<br />

� 2.2 · 10−5<br />

g (4.260)<br />

Damit können wir <strong>die</strong> maximale Masse für einen weißen Zwerg wie folgt schreiben:<br />

M = mp<br />

� �2<br />

2Z<br />

A<br />

� �2 mP<br />

= 1.457M⊙<br />

mp<br />

Für einen Neutronenstern gilt in der Newtonschen Theorie<br />

M = f mn<br />

� �<br />

mP<br />

2<br />

mn<br />

= f 5.73M⊙<br />

mit f = 1, währen <strong>die</strong> ART (und <strong>die</strong> Kernphysik) etwa f = 0.5 liefert.


4.4. DIE STERNE: LEUCHTKRAFT UND TEMPERATUR 271<br />

4.4.5 Das Hertzsprung-Russell Diagramm<br />

Eine verläßliche Identifikation der Sterne liefert erst <strong>die</strong> Harvard Spektral - Klassifikation. Dazu ist<br />

allerdings <strong>die</strong> Aufnahme eines Spektrums Bedingung, was bei vielen Sternen mühsam und bei leuchtschwachen<br />

Sterne gar nicht möglich ist. In <strong>die</strong>sem Falle hilft das Hertzsprung-Russell Diagramm weiter.<br />

Der Zusammenhang zwischen Temperatur und Leuchtkraft (das Hertzsprung-Russell Diagramm) ist<br />

rein empirisch gefunden worden und stellt eines der wichtigsten Instrumente des Astronomen dar.<br />

Im UBV System sind insgesamt vier Messungen nötig: mbol für <strong>die</strong> Gesamtleuchtkraft und drei mit<br />

vorgeschaltetem Filter. Damit wird der Fluß ma in den Bereichen a = U (Ultraviolett), a = B (Blau),<br />

und a = V (Visuell) bestimmt. Insbesondere für leuchtschwache Sterne einheitlicher Entfernung stellt<br />

<strong>die</strong>s oft <strong>die</strong> einzige Möglichkeit dar, noch Information zu gewinnen.<br />

Temperatur und Leuchtkraft<br />

Der Italiener Angelo Secchi, (päpstlicher Astronom, 1818 -1898) begründet (1860) <strong>die</strong> Spektroskopie<br />

der Sterne und beginnt eine Klassifizierung der Spektren nach Absorptionslinien. Er kennt drei Typen<br />

von Sternen: weiße, gelbe (Sonne) und rote.<br />

Der Engländer Huggins, (1824 - 1910) identifizierte <strong>die</strong> Wasserstofflinien in den Sternspektren. Er entdeckte<br />

als erster (1864) Emissionslinien der Nebel. Damit war <strong>die</strong> gängige Ansicht widerlegt, daß es<br />

gar keine eigentlichen Nebel gebe, sondern nur nichtaufgelöste Sternhaufen. Planetare Nebel (so genannt<br />

wegen ihres scheibenförmigen Aussehens) sind echte Gasnebel. Mit selbstkonstruiertem Sternspektroskop<br />

wird er Pionier der Astro–Photometrie. Er war der erste, der das Dopplerprinzip zur Messung<br />

von Radialgeschwindigkeiten benutzte (1868 an Sirius).<br />

Der Amerikaner Draper, (1837 - 1882) machte 1840 das erste Astro–Photo (auf Daguerre Platte vom<br />

Mond) und legt auf Photoplatten einen Katalog (von heute 225.000 Spektren; Bezeichnung: HD) an.<br />

Hertzsprung und Russel sind in der Lage, den Einfluß der Entfernung auf <strong>die</strong> Leuchtkraft zu berücksichtigen<br />

und finden so den Zusammenhang zwischen Spektraltyp und Leuchtkraft (H-R-Diagramm).<br />

Hertzsprung, (1873 - 1967) benutzt 1905 dazu Riesen- und Zwergsterne in Sternhaufen, während<br />

Russell, (1877 - 1957) dazu 1913 <strong>die</strong> von ihm selbst besonders genau trigonometrisch vermessenen<br />

Sterne benutzt.<br />

Trägt man — wie es erstmals Hertzsprung und Russel getan haben — als Ordinate <strong>die</strong> (entfernungsabhängige)<br />

Leuchtkraft Mv und als Abszisse B − V – als (entfernungsunabhängiges) Maß für <strong>die</strong><br />

Temperatur – in einem Diagramm auf, so stellt man fest, daß es ganz bestimmte Gesetzmäßigkeiten<br />

für <strong>die</strong> Sterne gibt. Die meisten liegen in einem schmalen Band: der sog. Hauptreihe.<br />

Die Breite des Bandes wird durch <strong>die</strong> chemische Zusammensetzung (mittleres Molekulargewicht) der<br />

Sternmaterie wesentlich beeinflusst, welche sich im Laufe der Sternentwicklung ändert, sodaß man<br />

genauer Zero Age Main Sequence (ZAMS) und Termination Age Main Sequence (TAMS) angeben<br />

müsste. Die Breite nimmt mit wachsender Temperatur zu, sie beträgt für 4000 K nur wenig %, macht<br />

für <strong>die</strong> Sonne etwa 1 m und für O Sterne schon einen Faktor 10 in der Leuchtkraft aus. Ein O5 Stern hat<br />

im Mittel Te = 44000 K.<br />

Die Breite des Bandes wird ebenfalls durch nicht aufgelöste Begleitsterne beeinflusst.


272 KAPITEL 4. THERMODYNAMIK: TEMPERATUR<br />

Hauptreihe<br />

Typ Mv B − V BC Te Tc Mb log(L) R M<br />

10 3 K 10 3 K log(L⊙) R⊙ M⊙<br />

O5 −6.0 −0.45 −4.60 35.0 70.0 −10.6 6.13 19.3 40<br />

B0 −3.7 −0.31 −3.00 21.0 38.0 − 6.7 4.56 9.0 18<br />

B5 −0.9 −0.17 −1.60 13.5 23.0 − 2.5 2.88 4.3 6.5<br />

A0 0.7 0.00 −0.68 9.7 15.4 0.0 1.88 3.01 3.2<br />

A5 2.0 0.16 −0.30 8.1 11.1 1.7 1.20 2.00 2.1<br />

F0 2.8 0.30 −0.10 7.2 9.0 2.7 0.80 1.70 1.7<br />

F5 3.8 0.45 −0.00 6.5 7.6 3.8 0.37 1.50 1.3<br />

G0 4.6 0.57 −0.03 6.0 6.7 4.6 0.05 1.20 1.1<br />

G5 5.2 0.70 −0.10 5.4 6.0 5.1 −0.15 1.00 0.93<br />

K0 6.0 0.84 −0.20 4.7 5.4 5.8 −0.43 0.89 0.78<br />

K5 7.4 1.11 −0.58 4.0 4.5 6.8 −0.83 0.83 0.69<br />

M0 8.9 1.39 −1.20 3.3 3.8 7.6 −1.15 0.70 0.47<br />

M5 12.0 1.61 −2.10 2.6 3.0 9.8 −2.03 0.43 0.21<br />

Mv: absolute visuelle Helligkeit, Mb: absolute bolometrische Helligkeit,<br />

B − V = F I Farb Index, BC bolometrische Korrektion,<br />

Te effektive Temperatur, Tc Farb - Temperatur in Einheiten 1000 K<br />

Tab. 4.11: Hauptreihe: Temperatur und Leuchtkraft


4.4. DIE STERNE: LEUCHTKRAFT UND TEMPERATUR 273<br />

Die Masse - Radius Beziehung<br />

Ein einfacher Fit der Beobachtungsdaten ergibt als Masse - Radius Relation<br />

�<br />

R ∼<br />

und für <strong>die</strong> Leuchtkraft<br />

L ∼ M 3.5<br />

M 0.6 M > M⊙<br />

M 0.9 M < M⊙<br />

(4.261)<br />

(4.262)<br />

Genauere Werte für Sterne der Hauptreihe (Leuchtkraftklasse V) sind in Tab. 4.12 zusammengestellt.<br />

Leuchtkraftklassen<br />

Typ L M R ρ g<br />

O5 8·10 5 60 12.6 0.01 0.13<br />

A0 54 2.9 2.4 0.18 0.47<br />

F5 3.2 1.4 1.3 0.80 1.00<br />

K0 0.4 0.8 0.85 1.3 1.10<br />

M5 0.008 0.2 0.27 6.3 2.0<br />

Alle Einheiten sind auf <strong>die</strong> Sonne bezogen, mit folgenden Werten:<br />

M: Masse , M⊙ = 1.989 · 10 33 g, R: Radius, R⊙ = 6.959 · 10 10 cm,<br />

L: Leuchtkraft, L⊙ = 3.9 · 10 33 erg s −2 , ρ: mittlere Dichte, ρ⊙ = 1.409 g cm −3 ,<br />

g: Fallbeschleunigung an der Oberfläche, g⊙ = 2.740 · 10 4 cm s −2 .<br />

Tab. 4.12: Hauptreihe: Masse - Radius Beziehung<br />

Ein Vergleich verschiedener Leuchtkraftklassen liefert für A0 - Sterne<br />

Klasse L R<br />

V 54 2.4<br />

III 106 5<br />

I 3.5·10 4 60<br />

Alle Einheiten sind wieder auf <strong>die</strong> Sonne bezogen.<br />

Tab. 4.13: Leuchtkraftklassen<br />

Zusammenfassung:<br />

Beobachtete Hauptreihensterne variieren in der Masse in einem sehr engen Bereich, von 0.08M⊙ bis etwa<br />

50M⊙; in der Leuchtkraft allerdings über neun Zehnerpotenzen, von 10 −3 L⊙ bis etwa 10 6 L⊙.<br />

Sterne gleichen Spektraltyps (d. h. gleiche Temperatur in der Photoshäre) unterscheiden sich durch ihre Leuchtkraftklasse.


274 KAPITEL 4. THERMODYNAMIK: TEMPERATUR


Kapitel 5<br />

Hydrodynamik<br />

Sternmodelle<br />

5.1 Grundlagen<br />

Die Physik der Sterne führt, wie wir sehen werden, durch <strong>die</strong> langreichweitige Gravitation auf einige<br />

Besonderheiten, <strong>die</strong> den Hauptsätzen der Thermodynamik zu widersprechen scheinen. Sterne gewinnen<br />

Energie, wenn sie komprimiert werden (Helmholtz, Kelvin) und verringern ihre Entropie.<br />

5.1.1 Physik der Sterne<br />

Die Grundlagen zur Beschreibung der Physik der Sterne sind Hydrodynamik (für dem makroskopischen<br />

Aufbau), Thermodynamik und Kernphysik (mikroskopische Energieversorgung und Druck).<br />

1. Die Thermodynamik.<br />

Die Hauptsätze der Thermodynamik sind allgemein gültig und können unverändert in <strong>die</strong> Spezielle<br />

Relativitätstheorie (SRT) bzw. <strong>die</strong> Allgemeine Relativitätstheorie (ART) übernommen werden.<br />

Sie liefern den Zusammenhang von Dichte, Druck und Temperatur und <strong>die</strong> Abhängigkeit<br />

der Materialfunktionen wie Opazität und Energieerzeugungsrate von <strong>die</strong>sen Variablen.<br />

2. Die Hydrodynamik.<br />

Sie liefert <strong>die</strong> Bewegungsgleichung und den Energiesatz der Sterne. Diese können mit der Newtonschen<br />

Theorie behandelt werden, solange wie ihr Druck aus der Kernfusion stammt. Tote (d.<br />

h. entartete) Sterne benötigen <strong>die</strong> Allgemeine Relativitätstheorie (ART).<br />

3. Die Kernphysik.<br />

ist bisher phänomenologischer Natur. Sie liefert <strong>die</strong> Gleichungen der Energieerzeugung durch<br />

Kernfusion. Sterne auf der Hauptreihe verbrennen Wasserstoff zu Helium. Da das Ausgangsmaterial<br />

der Sterne (in allen bekannten Wolken) Wasserstoff, H, ist, bildet <strong>die</strong> Fusion von H zu He<br />

den wichtigsten Fusionsprozeß.<br />

Bei Thermodynamik und Kernphysik reichen lokale Überlegungen, den globalen Aufbau liefert <strong>die</strong><br />

Hydrodynamik durch Einbeziehung der langreichweitigen Gravitation. Bisher unerreichtes Endziel<br />

der <strong>Astrophysik</strong> ist es, das Leben eines Sterns, von der Geburt in einer Molekülwolke an, durch alle<br />

Sta<strong>die</strong>n der Entwicklung hindurch, bis zum Tod zu verfolgen.<br />

Ein wichtiger Parameter, der von der Kosmologie und der Entwicklung der Galaxie, in der der Sterns<br />

sich befindet, geliefert wird, ist <strong>die</strong> chemische Zusammensetzung des Ausgangsmaterials (H, He, etc.)<br />

des Sterns (der Wolke). Ebenfalls wichtig ist, nach dem Verlassen der Hauptreihe, der Massenverlust.<br />

275


276 KAPITEL 5. HYDRODYNAMIK: STERNMODELLE<br />

In <strong>die</strong>sem Kapitel betrachten wir zunächst nur <strong>die</strong>jenigen Aspekte der Hauptreihensterne, <strong>die</strong> analytisch<br />

behandelt werden können und setzen <strong>die</strong> Kenntnis der chemischen Zusammensetzung voraus. Die<br />

zugrunde liegenden physikalischen Prinzipien stehen dabei im Vordergrund.<br />

5.1.2 Kompendium<br />

Physik der Sterne<br />

Die folgenden Abschnitte fassen <strong>die</strong> drei oben besprochenen wichtigsten Aspekte, nämlich<br />

1. das hydrostatische Gleichgewicht eines Sterns (Masse, Radius), und<br />

2. seine dynamischen Sternpulsationen (Stabilität), und<br />

3. <strong>die</strong> Gleichungen der Energieerzeugung durch Kernfusion (Leuchtkraft).<br />

zusammen. Es handelt sich dabei um ein Kompendium der Physik der Sterne zum Nachschlagen. Die<br />

Herleitung der Gleichungen und ihre Anwendung auf Sterne und Planeten folgen später.<br />

Qualitativ kann man aber auch ohne Rechnung zu drei wichtigen Aussagen über Sterne und ihr zeitliches<br />

Verhalten gelangen. Diese betreffen innere Temperatur (Lanesches Gesetz), <strong>die</strong> beim Schrumpfen<br />

freigesetzte Leuchtkraft eines Sterns (Helmholtz-Kelvin) und <strong>die</strong> Pulsperiode (Eddington).<br />

Nach dem Virialsatz gilt<br />

1<br />

2 < Ï > = 2 < Uint > + < Ugrav > (5.1)<br />

Der erste Term ist <strong>die</strong> makroskopische Energie des Sterns (Pulsation), wobei<br />

N�<br />

I = mjr<br />

j=1<br />

2 j<br />

ist, der zweite <strong>die</strong> mikroskopische (kinetische) Energie seiner N <strong>Teil</strong>chen<br />

N�<br />

2 < Uint > = mj�v<br />

j=1<br />

2 j<br />

und der letzte Term ist <strong>die</strong> Gravitationsenergie<br />

< Ugrav > = −G<br />

N�<br />

i,j=1<br />

mimj<br />

|�rij|<br />

Ein statischer Stern befindet sich in einem lokalen Minimum der Energie. Seine Gestalt ist eine Kugel<br />

(Gravitation), kleine Auslenkungen ändern <strong>die</strong> Grundgrößen nur um qua-<br />

dratische Terme. Daraus folgt, daß solche Änderungen adiabatisch sind.<br />

Die nebenstehende Tabelle vergleicht <strong>die</strong> Daten für einen Weißen Zwerg<br />

(WD) und einen Neutronenstern (NS) mit denen der Sonne. Die Bin-<br />

Daten zu Sternen<br />

Masse etwa 1 M⊙<br />

Stern Radius Dichte<br />

dungsenergie<br />

GM 2<br />

Ubind ≈ = ɛMc2<br />

R<br />

der drei Sternarten beträgt, mit <strong>die</strong>sen Werten und in Einheiten der Ruhmassenenergie<br />

ɛ = 2.5dex(-6) für <strong>die</strong> Sonne,<br />

cm g cm<br />

ɛ = 2.5dex(-4) für einen WD<br />

−3<br />

Sonne 7 · 10 10 WD 7 · 10<br />

1.4<br />

8 1.4 · 106 NS 1 · 106 4 · 1014 und ɛ = 0.3 für einen NS.<br />

Tab. 5.1: Stern-Daten<br />

Es folgen einige Anwendungen <strong>die</strong>ser sehr allgemeinen Überlegungen und Formeln. Die genauen<br />

Rechnungen schließen sich an.<br />

(5.2)<br />

(5.3)<br />

(5.4)


5.1. GRUNDLAGEN 277<br />

• FORMELN (HELMHOLTZ-KELVIN SCHRUMPFLEUCHTKRAFT)<br />

Als erstes betrachten wir das Schrumpfen eines Sterns, Ëpuls = 0. Dann gilt<br />

2 < Uint > + < Ugrav > = 0 (5.5)<br />

Von der gravischen Energie kann nur <strong>die</strong> Hälfte abgestrahlt werden, <strong>die</strong> andere Hälfte geht in innere Energie bei der<br />

Kompression des Gases, also gilt für <strong>die</strong> Leuchtkraft L, <strong>die</strong> beim Schrumpfen freigesetzt wird,<br />

L = − ˙ E = −1 GM<br />

2<br />

2<br />

R2 ˙R (5.6)<br />

Diese Formel gilt auch für einen akkretierenden Sterne (wie ein Weißer Zwergoder ein Neutronenstern), wobei <strong>die</strong> Energie<br />

aus der Scheibe stammt. Die restliche Bindungsenergie wird beim Aufprall auf den entarteten Stern freigesetzt.<br />

Die typische Halbwerts-Zeit, in der der Radius schrumpft, heißt<br />

tHK = E<br />

L<br />

= GM 2<br />

2RL<br />

= − R<br />

2 ˙ R<br />

Für <strong>die</strong> Sonne erhält man mit den beobachteten Werten für M und L etwa<br />

tHK ≈ 30My = 3 · 10 7<br />

(5.7)<br />

Jahre (5.8)<br />

• FORMELN (PULSATIONSPERIODE EINES STERNS)<br />

Für kleine Auslenkungen aus der Ruhelage ist <strong>die</strong> Änderung der Energie eines Sterns, der sich im hydrostatischen Gleichgewicht<br />

befindet, proportional zum Quadrat der Amplitude. Wir setzen für <strong>die</strong> Pulsamplitude<br />

ξ = δ sin(ωt) und definieren I ≈ MR 2<br />

für das Trägheitsmoment und betrachten den Energiesatz für <strong>die</strong> Pulsation eines Sterns, also im zeitlichen Mittel Epuls =<br />

Eint mit<br />

Epuls = 1<br />

2 M( ˙ ξ) 2<br />

und (Gravitation und Thermik zusammengefasst)<br />

Eint = U ′′ δ 2 mit U =<br />

GM 2<br />

2R<br />

so können wir <strong>die</strong>s auch wie folgt als Osizillation schreiben<br />

Ï = ω 2 I mit ω 2 = R3<br />

GM<br />

Ersetzen wir <strong>die</strong> Masse M durch <strong>die</strong> mittlere Dichte, ρ, so erhalten wir mit einem Faktor fpuls<br />

(5.9)<br />

(5.10)<br />

(5.11)<br />

(5.12)<br />

1<br />

τ = fpuls √ mit ωτ = 1 (5.13)<br />

Gρ<br />

in Zahlen - für <strong>die</strong> Sonne - τ⊙ = 1 h mit fpuls = 1. Für eine homogene Kugel ist<br />

fpuls = √ 3π (5.14)<br />

Diese heuristische Herleitung liefert <strong>die</strong> richtige Größenordnung, <strong>die</strong> korrekte Schwingungsgleichung (Eddington, 1918)<br />

lautet<br />

− ω 2 ρξ =<br />

�<br />

γP<br />

r2 (r2ξ) ′<br />

� ′<br />

−<br />

′ 4P<br />

ξ (5.15)<br />

r


278 KAPITEL 5. HYDRODYNAMIK: STERNMODELLE<br />

• FORMELN (DAS LANESCHE GESETZ)<br />

Schließlich können wir <strong>die</strong> mittlere Temperatur abschätzen: <strong>die</strong> Relationen<br />

Uint = 1<br />

2 Ugrav und Uint = 3<br />

NkT (5.16)<br />

2<br />

liefern RT = const, das Lanesche Gesetz, oder, mit dem mittleren Molekulargewicht ˜µ und in Zahlen<br />

T = 4 · 10 6 � �2/3 M<br />

˜µ ρ<br />

M⊙<br />

1/3 K (5.17)<br />

Für <strong>die</strong> Kernfusion ist nicht <strong>die</strong> mittlere Temperatur wesentlich, sondern <strong>die</strong> Temperatur im Zentrum des Sterns.<br />

Mit dem einfachen Eddingtonschen Modell (Polytrope zum Index s = 4/3)<br />

P ∝ ρ 4/3<br />

und T ∝ ρ 1/3<br />

folgt für das Verhältnis ρc/¯ρ in <strong>die</strong>sem Fall, wie später gezeigt wird, ρc/¯ρ = 54. Damit erhält man für <strong>die</strong> Sonne in etwa<br />

den korrekten Wert von Tc = 15 · 106 Kelvin und somit<br />

Tc = 15 · 10 6 � �2/3 M<br />

˜µ ρ<br />

M⊙<br />

1/3 K (5.19)<br />

Ein Stern muß schrumpfen, um seine Temperatur Tc zu erhöhen (um weitere Fusionsreaktionen in Gang setzen zu können).<br />

5.1.3 Hydrostatisches Gleichgewicht<br />

Zuerst wird <strong>die</strong> hydrostatische Gleichgewichtskonfiguration eines Sterns bestimmt. Der Druck stammt<br />

aus der Thermik<br />

P = Pkin + Pγ = nkBT + a 4<br />

T (5.20)<br />

3<br />

und ist <strong>die</strong> Summe von Gasdruck (Index kin) und Photonendruck. Dazu muß <strong>die</strong> chemische Zusammensetzung<br />

des Gases bekannt sein. Für ein ideales Boltzmann Gas reicht dazu <strong>die</strong> Kenntnis des effektiven<br />

mittleren Molekulargewichts, ˜µ, aus.<br />

P = ρ<br />

˜µmH<br />

kT + a 4<br />

T<br />

3<br />

Wir betrachten kurz <strong>die</strong> Grundgleichungen eines Sterns.<br />

Aufbau eines Sterns<br />

(5.18)<br />

(5.21)<br />

Die Dynamik der Materie eines Sterns wird durch <strong>die</strong> Eulerschen Gleichungen der Hydrodynamik<br />

(Euler, 1755) beschrieben.<br />

• FORMELN (DIE VOLLSTÄNDIGEN EULERSCHEN GLEICHUNGEN)<br />

Sie lauten bei Berücksichtigung der Gravitation, wobei V das Gravitationspotential und ρ <strong>die</strong> Massendichte ist, allgemein<br />

für eine ideale Flüssigkeit (ohne Energiedissipation durch innere Reibung):<br />

∆V = 4πGρ (5.22)<br />

ρ D�v<br />

dt<br />

= −∇P − ρ∇V (5.23)<br />

∂ρ<br />

∂t<br />

= −div(ρ�v) (5.24)<br />

Diese phänomenologischen Gleichungen können zwar mikroskopisch begründet werden, <strong>die</strong> beiden letzten können aber<br />

nicht aus einem Variationsprinzip hergeleitet werden. Die Ableitung<br />

D�v<br />

dt<br />

∂<br />

= �v + (�v∇)�v (5.25)<br />

∂t<br />

ist <strong>die</strong> totale Ableitung längs der Bahn.


5.1. GRUNDLAGEN 279<br />

Für einen statischen Stern ist �v = 0 und <strong>die</strong> Materieverteilung ist kugelsymmetrisch. Dann gilt für das<br />

hydrostatische Gleichgewicht<br />

dm<br />

dr<br />

dP<br />

dr<br />

= 4πρr2<br />

= −ρGm(r)<br />

r 2<br />

(5.26)<br />

(5.27)<br />

Die Zustandsgleichung, <strong>die</strong> wir in der Form P = P (ρ, T ) schreiben, liefert den Zusammenhang zwischen<br />

Druck, Dichte und Temperatur. Letztere bestimmt sich i. a. aus der lokalen Erzeugung von thermischer<br />

Energie und ihrem globalem Abtransport (Wärme- bzw. Strahlungstransport).<br />

Die Strahlungstransportgleichung wird gewöhnlich wie folgt geschrieben:<br />

L(r) = − 4πr2 c<br />

3ρκ<br />

d<br />

dr (aT 4 ) (5.28)<br />

Wir formulieren sie so um, daß <strong>die</strong> Gleichungen proportional zu denen des hydrostatischen Gleichgewichts<br />

werden:<br />

dL<br />

dr = 4πr2 ɛρ (5.29)<br />

dPγ<br />

dr<br />

= −ρκL(r)<br />

4πcr 2<br />

(5.30)<br />

Zusammen mit den Materialfunktionen, der Energieerzeugung ɛ(ρ, T )ρ und der Opazität κ(ρ, T ) sind<br />

das 4 Gleichungen für <strong>die</strong> 4 unbekannten Grund - Funktionen P, m, L und T .<br />

Die Randbedingungen sind gemischt: zwei am Rand des Sterns, bei r = R, und zwei im Zentrum,<br />

r = 0<br />

P (R) = 0 ; T (R) = 0 (5.31) L(0) = 0 ; m(0) = 0 (5.32)<br />

Zu bestimmen sind <strong>die</strong> Größen m(R) = M und L(R) = 4πσR 2 T 4 . In <strong>die</strong>sem vereinfachten Modell,<br />

wo <strong>die</strong> Atmosphäre des Sterns fehlt, ist T (R) → Teff zu ersetzen. Dabei gilt spaltenweise<br />

dm<br />

dr<br />

dP<br />

dr<br />

= 4πρr2<br />

= −ρGm(r)<br />

r 2<br />

(5.33)<br />

(5.34)<br />

dL<br />

dr = 4πr2 ɛρ (5.35)<br />

dPγ<br />

dr<br />

= −ρκL(r)<br />

4πcr 2<br />

hydrostat. Gleichgewicht Wärmetransport<br />

(5.36)<br />

Damit <strong>die</strong>se Gleichungen einen Inhalt bekommen, muß der Zusammenhang zwischen Dichte und<br />

Druck, d. h. <strong>die</strong> Zustandsgleichung P = P (ρ, T ) bekannt sein. Als nächstes betrachten wir deshalb <strong>die</strong><br />

Grundlagen zur Bestimmung der Zustandsgleichung. Zum Nachschlagen fassen wir <strong>die</strong> wichtigsten<br />

Ergebnisse vorweg zusammen.<br />

Einfache Zustandsgleichungen<br />

Für entartete Sterne lautet <strong>die</strong> Zustandsgleichung P = P (ρ). Der Druck stammt von Elektronen (Weiße<br />

Zwerge) oder von Neutronen (Neutronenstern). Ein Gas welches eine Zustandsgleichung der Form<br />

P = Kρ s<br />

und s = 1 + 1<br />

n<br />

(5.37)


280 KAPITEL 5. HYDRODYNAMIK: STERNMODELLE<br />

erfüllt, heißt Polytrope zum Index s. Für niedrige Dichten ist ein nichtrelativistisches Elektronen Gas<br />

mit polytroper Zustandsgleichung<br />

K = 1<br />

5 (3π2 ) 2/3 ¯h 2 � �5/3<br />

Z<br />

(5.38)<br />

A<br />

mem 5/3<br />

u<br />

eine erste Näherung für ein entartetes Gas. Für hohe Dichten ist ein relativistisches Elektronen Gas mit<br />

polytroper Zustandsgleichung<br />

K = 1<br />

4 (3π2 1/3 ¯hc<br />

)<br />

m 4/3<br />

� �4/3<br />

Z<br />

(5.39)<br />

u A<br />

eine gute Näherung. Die Größe A/Z ist das mittlere Molekulargewicht im Falle entarteter Materie, wo<br />

nur <strong>die</strong> Elektronen zum Druck beitragen. Dabei muß man beachten, daß für gegebene Zustandsgleichung<br />

P (ρ) <strong>die</strong> Masse M und der Radius eine eindeutige Funktion von nur einem Parameter, etwa der<br />

Dichte im Zentrum, ρc, sind. Das vereinfacht <strong>die</strong> Diskussion solcher Sterne ganz wesentlich.<br />

Für alle anderen Sterne ist der Druck<br />

P = Pkin + Pγ = nkBT + a 4<br />

T (5.40)<br />

3<br />

<strong>die</strong> Summe aus Gasdruck (Index kin) und Photonendruck, oder<br />

P = ρ<br />

kT +<br />

˜µmH<br />

a 4<br />

T (5.41)<br />

3<br />

wobei ˜µ das effektive mittlere Molekulargewicht ist. Als Grundvariable der Materie wird <strong>die</strong> Massendichte,<br />

ρ = ˜µmun, benutzt (nicht <strong>die</strong> <strong>Teil</strong>chenzahldichte n).<br />

Bei der Umrechnung von <strong>Teil</strong>chendichte ni auf Materiedichte berücksichtigen wir den Masseanteil der<br />

Elektronen indem wir <strong>die</strong> Masse des neutralen Wasserstoffatoms, mH, als Einheit wählen und erhalten<br />

bei vollständiger Ionisation pro Atom Z Elektronen plus 1 Ion (Atomkern), also<br />

und<br />

n = ρ<br />

˜µmH<br />

1<br />

˜µ<br />

� 1 + Zi<br />

=<br />

i<br />

= � 1 + Zi<br />

Ai<br />

i<br />

xi<br />

Ai<br />

ni = n �<br />

i<br />

1 + Zi<br />

Ai<br />

xi<br />

(5.42)<br />

(5.43)<br />

Die <strong>Teil</strong>chenzahlkonzentrationen der verschiedenen Atome, xi, sind physikalische Input Parameter und<br />

müssen aus unabhängigen Überlegungen gewonnen werden. Sie ändern sich im Verlauf der Sternentwicklung.<br />

Wie wir zeigen werden ist für einen Stern, der sich im hydrostatischen Gleichgewicht befindet, <strong>die</strong><br />

Energie minimal und seine Form ist eine Kugel. Wir betrachten als nächstes <strong>die</strong> Stabilität des Sterns<br />

bei kleinen Auslenkungen aus der Ruhelage.<br />

5.1.4 Hydrodynamik: Sternpulsationen<br />

Die Dynamik eines Sterns, dessen hydrostatische Gleichgewichtskonfiguration bekannt ist, kann man<br />

dann für kleine Amplituden, ξ(r, t), durch Störungsrechnung erhalten. Diese können als Feld aufgefasst<br />

werden, mit den Variablen ξ, ξ ′ , ˙ ξ, und zu einem Variationsprinzip zur Bestimmung der Perioden<br />

umformuliert werden.<br />

Die Lagrange-Dichte ist von der Form<br />

L(ξ, ξ ′ , ˙ ξ) = W (r)( ˙ ξ) 2 + K(r)(ξ ′ ) 2 − Q(r)ξ 2<br />

(5.44)<br />

mit positiven Koeffizienten W , K, Q. Sie ist, wie wir zeigen werden, <strong>die</strong> zweite Variation der Energie<br />

bezüglich der Auslenkungen (modulo Oberflächentermen, <strong>die</strong> verschwinden).


5.1. GRUNDLAGEN 281<br />

• FORMELN (DIE SCHWINGUNGSGLEICHUNG FÜR PULSATIONEN)<br />

Wir betrachten der Einfachheit halber nur <strong>die</strong> Schwingungsgleichung für rein radiale Sternpulsationen. Für <strong>die</strong> Auslenkung<br />

aus der Ruhlage ro setzen wir:<br />

r(t, ro) = ro + ξ(r) e −iωt<br />

d. h. ξ ist <strong>die</strong> Amplitude der Schwingung ω <strong>die</strong> Frequenz. Die thermodynamische Änderung des Gases während der Auslenkung<br />

ist meist adiabatisch, eine wichtige Ausnahme bilden z. B. <strong>die</strong> Cepheiden. Die Schwingungsgleichung (Eddington,<br />

1918) lautet<br />

− ω 2 ρξ =<br />

Mit den Randbedingungen<br />

�<br />

γP<br />

r2 (r2ξ) ′<br />

� ′<br />

−<br />

(5.45)<br />

′ 4P<br />

ξ (5.46)<br />

r<br />

ξ(r = 0) = 0 und ∆P (r = R) = −γP r −2 (r 2 ξ) ′ = 0 (5.47)<br />

hat man eine (singuläre) Eigenwert - Aufgabe zu lösen.<br />

Diese kann zu einem Variationsprinzip der Perioden umgeformt werden. Die Schwingungsgleichung ist selbstadjungiert.<br />

Daraus folgt, daß <strong>die</strong> Eigenwerte ω 2 reell und diskret sind.<br />

Mit den Definitionen<br />

K = γP r −2<br />

W = ρr 2<br />

Q = −4P ′ r −3<br />

ζ = ξr 2<br />

wobei K, W, Q alle positiv sind, lautet das Variationsprinzip der Perioden:<br />

ω 2 �<br />

′ 2 2 (Kζ − Qζ )dr<br />

= min �<br />

W ζ2dr Sterne, für <strong>die</strong> ω 2 < 0 gilt, sind instabil.<br />

Der Energiesatz für Sterne lautet:<br />

(5.48)<br />

(5.49)<br />

d<br />

dt (Ekin + Ugrav + Uint + Enuk) + (Lγ + Lν) = 0 (5.50)<br />

Diese Gesamtbilanz spaltet sich auf in drei Einzelgleichungen.<br />

Zunächst folgt für Sterne im hydrostatischen Gleichgewicht, daß <strong>die</strong> Gesamtenergie<br />

Etot = Ugrav + Uint<br />

ein Minimum ist.<br />

d<br />

dt (Ugrav + Uint) = 0 (5.51)<br />

Der Energiesatz verlangt<br />

d<br />

dt (Uint + Enuk) + (Lγ + Lν) = 0 (5.52)<br />

Die gesamte, im Innern erzeugte Energie wird abgestrahlt. Die dabei erzeugte Entropie pro Baryon ist<br />

(im kosmologischen Massstab gemessen) bescheiden.<br />

Und schließlich gilt genauer, daß bezüglich Auslenkungen aus der Ruhelage <strong>die</strong> Gesamtenergie Etot<br />

eines Sterns extremal ist, mit den folgenden Eigenschaften: Die<br />

1. Variation liefert das hydrostatische Gleichgewicht.<br />

2. Variation liefert <strong>die</strong> Gleichung für <strong>die</strong> Sternpulsationen.<br />

Diese Aussagen werden später bewiesen.


282 KAPITEL 5. HYDRODYNAMIK: STERNMODELLE<br />

5.1.5 Energieerzeugung durch Kernfusion<br />

Um quantitativ abschätzen zu können, wieviel Energie durch Kernfusion erzeugt wird, reichen <strong>die</strong><br />

folgenden Fakten:<br />

1. Die bei der Fusion freigesetzte Energie beträgt E � 8 MeV.<br />

Es ist rk := ¯h/mπc = 1.46f (1f := 10 −13 cm; Fermi) <strong>die</strong> Reichweite der Kernkräfte. Die<br />

Bindungsenergie ist etwa<br />

EB = −(1/2)¯h 2 /mpr 2 k (5.53)<br />

= −(1/2)(mπ/mp)mπc 2 � 8 MeV (5.54)<br />

2. <strong>die</strong> Fusion ist ein Tunnelprozeß.<br />

Die Wahrscheinlichkeit W für den extrem temperaturabhängigen Tunneleffekt ist etwa<br />

W � (Tt/T ) 2/3 exp −(Tt/T ) 1/3 = (Tt/T ) 2/3 10 −(Td/T ) 1/3<br />

(5.55)<br />

Tt = (3/2) 3/2 (πe 2 /¯h) 2 (mp/k) = 7.7 · 10 10 K (5.56)<br />

Td = Tt(log e) 3 = 3.2 · 10 9 K (5.57)<br />

Es ist z. B. W = 4 · 10 −5 für T = 10 7 K.<br />

3. Der eigentliche (Reaktions) Wirkungsquerschnitt ist der der schwachen Wechselwirkung.<br />

Die Gesamterzeugungsrate pro Masse, ˙ɛρ, ist dann<br />

˙ɛρ = EBW < nσv > ρ (5.58)<br />

dabei ist σ der Wirkungsquerschnitt für <strong>die</strong> schwache Wechselwirkung und ρ = ˜µmun <strong>die</strong> Massendichte.<br />

5.2 Analytische Sternmodelle<br />

Für einen ersten Überblick ist es nützlich, Sternmodelle zu betrachten, <strong>die</strong> so einfach sind, daß sie noch<br />

analytisch behandelt werden können. Im Falle kugelsymmetrischer Materieverteilung können wir <strong>die</strong><br />

Grundgleichungen wie folgt schreiben. Die Masse m(r) innerhalb des Radialabstands r ist gegeben<br />

durch<br />

m ′ = 4πρr 2<br />

und als Gleichung des hydrostatischen Gleichgewichts ist<br />

P ′ = −ρ Gm(r)<br />

r 2<br />

zu lösen. Ein Gas welches eine Zustandsgleichung der Form<br />

P = Kρ s<br />

und s = 1 + 1<br />

n<br />

(5.59)<br />

(5.60)<br />

(5.61)<br />

erfüllt, heißt Polytrope zum Index s. An <strong>die</strong>sen Gaskugeln kann man dann weitergehende Fragen wie<br />

Stabilität und dynamische Zeitskalen der Pulsation untersuchen.


5.2. ANALYTISCHE STERNMODELLE 283<br />

• ANMERKUNG (THERMODYNAMIK DER GASKUGELN)<br />

Von Newton, der als erster das Sonnenlicht in Spektralfarben zerlegte und von Fraunhofer, der als erster dunkle Linien darin<br />

auflöste, über Herschel, der 1800 <strong>die</strong> Infrarotstrahlung (mit Prisma und Thermometer) der Sonne entdeckte und Kirchhoff<br />

(mit Bunsen), der <strong>die</strong> Dunkellinien einzelnen Elementen zuordnen konnte, haben sich viele grosse Physiker bemüht, <strong>die</strong><br />

Sonne zu verstehen.<br />

Bei der Suche nach dem stellaren Energiereservoir erhielten Helmholtz (1854) und Kelvin (1861) <strong>die</strong> nach ihnen benannte<br />

Zeitskala für gravisches Schrumpfen des Sterns. Die Idee, Energie gravisch zu gewinnen, ist seitdem noch mehrfach<br />

vorgeschlagen worden, meist im Zusammenhang von Akkretion.<br />

Die ersten, welche versuchten, <strong>die</strong> physikalischen Bedingungen im Innern der Sonne zu bestimmen, waren Lane (1870),<br />

Ritter (1880) und Emden. Lane benutzte Messungen der Solarkonstanten von Herschel und Pouillet und Ergebnisse von<br />

Dulong und Petit und von Hopkins über <strong>die</strong> Emissionsrate von Strahlung und erhielt 1869 (10 Jahre bevor Stefan sein<br />

Gesetz veröffentlicht!) als Ergebnis 30 000K für <strong>die</strong> Oberflächentemperatur der Sonne.<br />

Um <strong>die</strong> dazu gehörende Materiedichte zu bestimmen, beschreibt er das Gas als Polytrope<br />

P = Kρ s<br />

und s = 1 + 1<br />

n<br />

mit dem Index s = 5/3. Ähnlich wie Emden findet er <strong>die</strong> Lane-Emden Differentialgleichung, welche <strong>die</strong> Struktur solcher<br />

Sterne beschreibt. Damit stellt er <strong>die</strong> Beziehung, RT = const, auf, das Lanesche Gesetz, und findet für <strong>die</strong> Dichte ρ =<br />

0.00036 g cm −3 . Weitere nützliche Virialbeziehungen und der Homolgiecharakter der Lane-Emden Differentialgleichung<br />

wurden von Ritter entdeckt und diskutiert.<br />

Mikroskopisch gesehen handelt es sich bei einem Stern um ein gravisch gebundenes N <strong>Teil</strong>chensystem,<br />

welches in der Lage ist, im Zentrum Energie durch Kernfusion zu erzeugen. Damit <strong>die</strong>s möglich ist,<br />

muß der Stern eine bestimmte Grenzmasse besitzen, um <strong>die</strong> Fusionstemperatur im Zentrum aufrecht<br />

erhalten zu können. Diese liegt bei etwa 0.08M⊙ für Tc = 10 Millionen Grad, wobei <strong>die</strong> Masse der<br />

Sonne 1.989 · 10 33 g beträgt.<br />

Gebundene N <strong>Teil</strong>chensysteme, <strong>die</strong> wesentlich weniger Masse besitzen, sind <strong>die</strong> Planeten. Hier ist<br />

Jupiter <strong>die</strong> Referenzmasse: MJ = α 3/2 M⊙. (Es ist α 3/2 = 10 −3 ). Wie von Cameron abgeschätzt, war<br />

Jupiter bei seiner Bildung etwa 16mal schwerer als heute (<strong>die</strong> Erde sogar 200mal), sodaß eine untere<br />

Grenzmasse für braune Zwerge etwa 20 Jupitermassen, Mkrit = 20MJ, für <strong>die</strong> kritische Zündmasse<br />

angesehen werden. Im Massenbereich dazwischen sind mittlerweile sowohl braune Zwerge, als auch<br />

Planeten entdeckt worden.<br />

Ausgedrückt mit der gravischen Feinstrukturkonstante, <strong>die</strong> für Sterne zuständig ist<br />

αG = Gm2 p<br />

¯hc<br />

= 5.9 · 10 −39<br />

gilt bei einem Planeten für <strong>die</strong> <strong>Teil</strong>chenzahl<br />

N ≈ (α/αG) 3/2 ≈ 10 54<br />

Für einen Stern dagegen ist<br />

N = α −3/2<br />

G<br />

= 2.2 · 10 57<br />

(5.62)<br />

(5.63)<br />

(5.64)<br />

(5.65)<br />

<strong>die</strong> Größenordnung der <strong>Teil</strong>chenzahl.<br />

Zur Berücksichtigung der (langreichweitigen) Gravitation benötigt man neben den beiden thermodynamischen<br />

Parametern w, Entartung, und z, Spezielle Relativitätstheorie, noch einen dritten, allgemein<br />

relativistischen Parameter σ, welcher angibt, ob <strong>die</strong> Sterne mit der Newtonschen Theorie behandelt<br />

werden können oder ob <strong>die</strong> Allgemeine Relativitätstheorie (ART) benutzt werden muß.<br />

• ANMERKUNG (HAUPTREIHEN - STERNE)<br />

Sterne auf der Hauptreihe wie <strong>die</strong> Sonne sind nichtentartet, w ≪ 1, nicht relativistisch, z ≪ 1 und Newtonsch, σ ≪ 1. Für<br />

<strong>die</strong> Sonne ist speziell:<br />

σ = 2GM<br />

c 2 R<br />

= 4 · 10−6<br />

� �3/2<br />

2 h<br />

; w = ¯n<br />

= 10<br />

2πmekT<br />

−2 ¯n24T −3/2<br />

7 ; z = kT<br />

= 2 · 10−3<br />

mec2 (5.66)


284 KAPITEL 5. HYDRODYNAMIK: STERNMODELLE<br />

Die Temperatur im Innern ist so hoch, daß <strong>die</strong> Materie vollständig ionisiert ist. Das einfachste N - <strong>Teil</strong>chenmodell eines<br />

Sterns besteht aus Protonen und Elektronen (ionisierter Wasserstoff).<br />

Statt nun für ein solches System etwa <strong>die</strong> Schrödingergleichung im selbstkonsistenten Gravitationspotential V zu lösen,<br />

reicht es, <strong>die</strong> hydrodynamische Näherung zu betrachten (gravische WKB - Näherung). Dazu stellt man sich den Stern in<br />

so kleine Volumenelemente unterteilt vor, daß einerseits noch viele <strong>Teil</strong>chen in einem solchen Element vorhanden sind,<br />

andrerseits <strong>die</strong> physikalischen Größen wie Druck P , Temperatur T und Massendichte ρ als konstant angesehen werden<br />

können. Sei λ der mittlere <strong>Teil</strong>chenabstand, dann muß also<br />

λ∇ρ ≪ ρ<br />

gelten. Für <strong>die</strong> Sonne ist λ ≈ 10 −8 cm und λ∇ ≈ l/R ≈ 10 −19 .<br />

Im folgenden stellen wir einige Bezeichnungen und Resultate der Thermodynamik zusammen, welche<br />

wir häufiger benötigen werden.<br />

• FORMELN<br />

Dabei gilt für homogene Materie lokal<br />

N, <strong>Teil</strong>chenzahl; V , Volumen; M, Masse im Volumen;<br />

E, innere Energie; P , Druck; µ, chemisches Potential<br />

Der 1. Hauptsatz der Thermodynamik lautet (lokal, also ohne Gravitation)<br />

dE = −P dV + T dS + �<br />

µidNi<br />

ɛ = E<br />

V<br />

i<br />

und für adiabatische Änderungen dS = 0 wird mit dV = 0 und V dρ = ˜m dN<br />

µ = ˜m dɛ<br />

dρ<br />

für <strong>die</strong> Energiedichte<br />

P , der Druck ist für konstante <strong>Teil</strong>chenzahl dN = 0 und für adiabatische Änderungen<br />

� �<br />

2 d ɛ<br />

P = ρ<br />

dρ ρ<br />

was aus der Definitionsgleichung dE = −P dV oder d ɛ<br />

1<br />

ρ = −P d ρ für den Druck folgt.<br />

Ui, <strong>die</strong> innere Energie ohne Ruhmasse, ist das Integral über <strong>die</strong> Energiedichte<br />

Ui =<br />

�V<br />

0<br />

ɛ(r)d 3 r =<br />

�M<br />

0<br />

(5.67)<br />

(5.68)<br />

ɛ<br />

dm (5.69)<br />

ρ<br />

Ug, <strong>die</strong> Gravitationsenergie für kugelsymmetrische Massenverteilung ist<br />

�<br />

−Gm(r)<br />

Ug =<br />

dm (5.70)<br />

r<br />

Die Gravitationsenergie für 2 <strong>Teil</strong>chen lautet<br />

Ug = −G m1m2 G<br />

=<br />

|�r1 − �r2| 2<br />

bzw. für N <strong>Teil</strong>chen:<br />

Ug = − G<br />

2<br />

N�<br />

i<br />

N�<br />

�<br />

m1m2 m2m1<br />

+<br />

|�r1 − �r2| |�r2 − �r1|<br />

Dabei ist für <strong>Teil</strong>chen gleicher Masse m ρ = M<br />

V<br />

�<br />

V (�x) = −G<br />

j<br />

� � ′<br />

mimj<br />

ρ(�x)ρ(�x )<br />

= −G<br />

|�ri − �rj| 2 |�x − �x ′ | d3xd 3 x ′<br />

ρ(�x ′ )<br />

|�x − �x ′ | d3 x ′<br />

= m N<br />

V<br />

�<br />

= mn. Wir definieren das Potential<br />

(5.71)<br />

(5.72)<br />

(5.73)


5.2. ANALYTISCHE STERNMODELLE 285<br />

welches <strong>die</strong> Potentialgleichung<br />

∆V = 4πGρ mit ρ = � mδ 3 (�x − �x ′ ) (5.74)<br />

erfüllt, und erhalten für <strong>die</strong> Gravitationsenergie<br />

Ug = 1<br />

�<br />

2<br />

ρ(�x)V (�x)d 3 x = 1<br />

�<br />

2<br />

Im Falle kugelsymmetrischer Massenverteilung ist<br />

V ′ =<br />

G m(r)<br />

r 2<br />

V (�x)dm (5.75)<br />

Lösung der Potentialgleichung und Glchg. (5.75) kann durch partielle Integration umgeformt werden zu<br />

Ug = 1<br />

�<br />

2<br />

V (r)m ′ (r)dr = [V (r)m(r)] ∞<br />

0<br />

�<br />

1<br />

−<br />

2<br />

(5.76)<br />

V ′ (r)mdr (5.77)<br />

Wir benutzen m(0) = V (∞) = 0 und Glchg. (5.76). Eine weitere partielle Integration liefert dann<br />

Ug = − G<br />

� 2 � ′ m (r)<br />

m(r)m (r)<br />

dr = −G<br />

dr<br />

2 r2 r<br />

Wir erhalten schließlich, mit der Variablen dm = m ′ (r)dr, für <strong>die</strong> Gravitationsenergie den Ausdruck (5.70)<br />

Uvib, Energie der Pulsation<br />

Uvib = 1<br />

2<br />

�M<br />

0<br />

˙ξ 2 dm (5.78)<br />

wobei ξ <strong>die</strong> Amplitude und v = ˙ ξ <strong>die</strong> makroskopische Geschwindigkeit der Materie sind.<br />

Trägheitstensor, I, und I, Trägheitsmoment<br />

bzw.<br />

Iab =<br />

Ĩ, Trägheitsmoment der Pulsation<br />

Ĩ =<br />

�M<br />

0<br />

�<br />

ρd 3 x(r 2 δab − xaxb) (5.79)<br />

r 2 dm und I = 2<br />

Ĩ (5.80)<br />

3<br />

Hydrostatisches Gleichgewicht<br />

Die Bedingung für das hydrostatische Gleichgewicht – chemisches Gleichgewicht im äusseren Gravitationsfeld –<br />

lautet:<br />

w + V =<br />

� dp<br />

ρ<br />

+ V = const = −G M<br />

R<br />

wobei w <strong>die</strong> freie Enthalpie und V das Gravitationspotential ist, oder<br />

µ ′ + mV ′ = 0 d. h. µ + mV = const =<br />

dabei ist m <strong>die</strong> Masse und µ das chemische Potential<br />

−G mM<br />

R<br />

(5.81)<br />

(5.82)<br />

µ = mw (5.83)


286 KAPITEL 5. HYDRODYNAMIK: STERNMODELLE<br />

Für polytrope Sterne, <strong>die</strong> mit dem Eddingtonschen Standardmodell beschrieben werden können, gilt für <strong>die</strong> Masse M<br />

M =<br />

�<br />

18<br />

πaG3 �1/2 �<br />

k<br />

ˆm<br />

˜µmH<br />

und für <strong>die</strong> Leuchtkraft L<br />

� 2 � 1 − β<br />

β 4<br />

� 1/2<br />

(5.84)<br />

L = (1 − β) 4πGc<br />

M (5.85)<br />

κ<br />

Das ist eine Parameterdarstellung der Masse–Leuchtkraft Beziehung. Die Größe 1 − β, nach der hier parametrisiert wird,<br />

ist proportional zur spezifischen Entropie<br />

1 − β = Pγ<br />

P<br />

= aT 4<br />

3nkT<br />

= s<br />

4nk<br />

Die Leuchtkraft ist unabhängig von der Energieerzeugung. Für sie gibt es eine fundamentale obere Schranke:<br />

LEdd = 4πGmHMc<br />

σT h<br />

5.3 Die Eulersche Gleichung<br />

der Hydrodynamik<br />

5.3.1 Die Grundgleichungen<br />

(5.86)<br />

= 10 4.5<br />

� �<br />

M<br />

L⊙ = 1.3 · 10<br />

M⊙<br />

38<br />

� �<br />

M<br />

mH erg s<br />

M⊙<br />

−1 (5.87)<br />

Die Grundgleichungen des Sternaufbaus sind <strong>die</strong> Eulerschen Gleichungen der Hydrodynamik. Sie lauten<br />

bei Berücksichtigung der Gravitation, wobei V das Gravitationspotential und ρ <strong>die</strong> Massendichte<br />

ist, allgemein für das hydrodynamische Gleichgewicht einer idealen Flüssigkeit:<br />

∆V = 4πGρ (5.88)<br />

ρ D�v<br />

dt<br />

= −∇P − ρ∇V (5.89)<br />

∂ρ<br />

∂t<br />

= −div(ρ�v) (5.90)<br />

Die drei hier aufgeführten Gleichungen sind in <strong>die</strong>ser Reihenfolge:<br />

1. <strong>die</strong> Poisson Gleichung, d. h. <strong>die</strong> Potentialgleichung der Gravitation,<br />

2. <strong>die</strong> Eulersche Gleichung der Hydrodynamik und<br />

3. <strong>die</strong> Kontinuitätsgleichung für den Massenstrom.<br />

Hydrostatisches Gleichgewicht liegt vor, falls <strong>die</strong> (expliziten) Zeitableitungen ∂/∂t verschwinden, im<br />

statischen Gleichgewicht verschwindet auch <strong>die</strong> makroskopische Geschwindigkeit der Materie, �v = 0.<br />

Die Zustandsgleichung<br />

Damit <strong>die</strong>se Gleichungen einen Inhalt bekommen, muß der Zusammenhang zwischen Dichte und<br />

Druck, d. h. <strong>die</strong> Zustandsgleichung P = P (ρ) bekannt sein. Entarteter Materie (Sterne wie weiße<br />

Zwerge und Neutronensterne aber auch Planeten) kann man mit <strong>die</strong>sen beiden Gleichungen bereits<br />

vollständig beschreiben.<br />

Nicht so <strong>die</strong> Hauptreihensterne, wo <strong>die</strong> Zustandsgleichung für den Gesamtdruck als Summe<br />

P = PG + Pγ<br />

(5.91)


5.3. HYDRODYNAMISCHES GLEICHGEWICHT 287<br />

aus Gasdruck, PG, und Photonendruck, Pγ, im einfachsten Fall (ideales Gas plus Photonen) lautet:<br />

P = ρ<br />

˜µmH<br />

kT + a 4<br />

T<br />

3<br />

wobei ˜µ das mittlere Molekulargewicht ist.<br />

Die hier auftretende Energiedichte-Konstante (Photonen), a, ist nach dem Planckschen Gesetz<br />

a = π2 k 4<br />

15¯h 3 c 3 = 7.56 · 10−15 erg cm −3 K −4<br />

und es gilt für <strong>die</strong> Energiedichte der Photonen, ɛγ:<br />

ɛγ = aT 4<br />

und P = 1<br />

3 ɛγ<br />

für <strong>die</strong> Zustandsgleichung des Photonengases.<br />

(5.92)<br />

(5.93)<br />

(5.94)<br />

• ZUSATZ (ZUR ERINNERUNG)<br />

Der Druck eines Gemisches aus verschiedenen Atomen ist <strong>die</strong> Summe der Partialdrucke, und zwar unabhängig von deren<br />

Masse (beim idealen Gas)<br />

P = �<br />

Pi = kT �<br />

i<br />

i<br />

ni<br />

Bei der Umrechnung von <strong>Teil</strong>chendichte ni auf Materiedichte berücksichtigen wir den Masseanteil der Elektronen indem<br />

wir <strong>die</strong> Masse des neutralen Wasserstoffatoms, mH, als Einheit wählen und erhalten bei vollständiger Ionisation pro Atom<br />

Z Elektronen plus 1 Ion (Atomkern), also<br />

und<br />

n = ρ<br />

˜µmH<br />

1 �<br />

=<br />

˜µ<br />

i<br />

= � 1 + Zi<br />

ni = n � 1 + Zi<br />

i<br />

1 + Zi<br />

Ai<br />

xi<br />

Ai<br />

i<br />

Ai<br />

xi<br />

Die <strong>Teil</strong>chenzahlkonzentrationen der verschiedenen Atome, xi, sind physikalische Input Parameter und müssen aus unabhängigen<br />

Überlegungen gewonnen werden.<br />

Reiner, neutraler Wasserstoff hat ˜µ = 1, bei vollständiger Ionisation ist dagegen durch den Beitrag der Elektronen der<br />

Druck doppelt so groß: ˜µ = 1<br />

2 .<br />

Es ist für Hauptreihensterne<br />

˜µ −1 ≈ 2xH + 3<br />

4 xHe + 1<br />

2 xMetalle<br />

Für <strong>die</strong> Sonne liefert das heute, mit einem mittleren xHe = 0.36, für das mittlere Molekulargewicht ˜µ ≈ 0.645.<br />

Energie - Erzeugung und Wärmetransport<br />

Es ist also für <strong>die</strong> Zustandsgleichung von Sternen P = P (ρ, T ) zu setzen, und man muß zusätzlich zu ρ<br />

noch T kennen. Leider gibt es im allgemeinen keine einfache Relation T = T (ρ). Die Temperatur bestimmt<br />

sich i. a. aus der lokalen Erzeugung von thermischer Energie und ihrem globalem Abtransport.<br />

Diese Gleichungen können wie folgt geschrieben werden:<br />

(5.95)<br />

(5.96)<br />

(5.97)<br />

dL<br />

dr = 4πr2 ɛρ (5.98)<br />

dPγ<br />

dr<br />

= −ρκL(r)<br />

4πcr 2<br />

(5.99)<br />

Zusammen mit den Materialfunktionen, der Energie - Erzeugungsfunktion ɛ(ρ, T )ρ und der Opazität<br />

κ(ρ, T ) sind das 4 Gleichungen für <strong>die</strong> 4 unbekannten Grund - Funktionen P, m, L und T .


288 KAPITEL 5. HYDRODYNAMIK: STERNMODELLE<br />

Eddingtons Standardmodell<br />

Falls man allerdings annimmt, daß das Verhältnis von Gas– zu Gesamtdruck,<br />

β = PG<br />

P<br />

und 1 − β = Pγ<br />

P<br />

(5.100)<br />

im Stern konstant ist, so erhält man Eddingtons Standardmodell, und man kann eine analytische Relation<br />

für <strong>die</strong> Zustandsgleichung in der Form P = P (ρ) bekommen:<br />

βa 3<br />

ρ = ˜µmH T<br />

3(1 − β)k<br />

P = 1<br />

β<br />

� �1/3 �<br />

3(1 − β)k ρ<br />

βa<br />

˜µmH<br />

� 4/3<br />

(5.101)<br />

Über <strong>die</strong> Größe des Parameters β kann in Eddingtons Standardmodell noch frei verfügt werden. Als<br />

Funktionen von ρ ausgedrückt gilt dann<br />

P = Kpρ 4<br />

�<br />

k<br />

3 mit Kp =<br />

˜µmHβ<br />

�4/3 � �1/3 3(1 − β)<br />

a<br />

(5.102)<br />

für den Druck P . Das ist eine polytrope Zustandsgleichung (Polytrope zum Index s = 4/3), <strong>die</strong> wir<br />

bereits kennen. Für <strong>die</strong> Temperatur T erhält man<br />

T =<br />

� �1/3 �<br />

3(1 − β)k 1<br />

βa<br />

˜µmH<br />

� 4/3<br />

ρ 1/3<br />

• ZUSATZ<br />

Eine etwas physikalischere Interpretation des Ansatzes von Eddington erhält man wie folgt. Es ist<br />

1 − β = Pγ<br />

P<br />

∝ T 4<br />

nT<br />

∝ T 3<br />

n<br />

∝ s<br />

n<br />

(5.103)<br />

(5.104)<br />

<strong>die</strong> Entropie pro <strong>Teil</strong>chen; d. h. es handelt sich um isentrope Sternmodelle. Für massive Sterne ist das eine gute Näherung,<br />

da <strong>die</strong>se turbulent sind und vom Photonendruck dominiert werden. Für <strong>die</strong> Leuchtkraft L gilt<br />

L = (1 − β) 4πGc<br />

M (5.105)<br />

κ<br />

5.3.2 Wärmetransport<br />

Im allgemeinen muß man allerdings T separat bestimmen, was nur möglich ist, falls man weiß, wie<br />

Wärme im Innern eines Sterns erzeugt und transportiert wird. Wärmeerzeugung (Kernfusion) und<br />

Wärmetransport (Strahlungstransport) werden wir später deshalb noch ausführlich behandeln. Hier<br />

betrachten wir zunächst nur das Notwendigste, um <strong>die</strong> Grundlagen der folgenden, einfachen Sternmodelle<br />

verstehen zu können. Dabei stellt sich heraus, daß es auf <strong>die</strong> Physik der Wärmeerzeugung gar<br />

nicht ankommt, sie ist durch das Modell vollständig bestimmt.<br />

Prinzipiell gibt es drei verschiedene Möglichkeiten, Wärmeenergie von einem Ort höher Temperatur<br />

an einen mit niedigerer Temperatur zu bringen:<br />

1. Konvektion = Turbulenz<br />

Das Gas wird in makroskopischen Zellen von warmen Stellen zu kalten durch Auftrieb transportiert.<br />

Damit sich an den kalten Stellen keine Materie ansammelt, muß im Gegenzug kaltes Gas<br />

absinken. Es handelt sich um eine turbulente Strömung.


5.3. HYDRODYNAMISCHES GLEICHGEWICHT 289<br />

2. Konduktion = Wärmeleitung durch Stöße<br />

Die kinetische Energie des Gases, Ekin = NkT , wird durch Stöße übertragen. Für ein vollständig<br />

ionisiertes Gas gilt genähert<br />

KL ∝ cvρvkin<br />

nσ<br />

k3/2 B T<br />

∝ 1/2<br />

m1/2σ = 10 6 T 1/2<br />

6<br />

erg cm −1 s −1 K −1<br />

für Elektron - Proton Streuung. Konduktion ist wichtig in entarteter Materie (weiße Zwerge,<br />

Neutronensterne) für Sterne auf der Hauptreihe spielt sie keine Rolle. Für <strong>die</strong> Sonne ist K ∝<br />

10 15 .<br />

3. Strahlungstransport durch Photonen<br />

Transportiert wird Energie (Index E) in Form von el. mag. Strahlung. Aufgabe der Strahlungstransporttheorie<br />

ist es, <strong>die</strong> Transportgleichung aus den Maxwellschen Gleichungen herzuleiten.<br />

Wie dort gezeigt wird, kann man dazu <strong>die</strong> Kontinuitätsgleichung (Energiesatz oder Poyntingscher<br />

Satz) für den Wärmestrom �qE heranziehen. Damit wird das Problem allerdings ein globales<br />

Randwertproblem. Es gilt dann (lokal und im stationären Gleichgewicht) für <strong>die</strong> Wärmestromdichte,<br />

�qE, <strong>die</strong> Kontinuitätsgleichung<br />

´ɛ + div�qE = 0 (5.106)<br />

wobei ´ɛ <strong>die</strong> Rate ist, mit der Energie pro Volumen und Zeit dissipiert wird. In Sternen wird<br />

Energie nicht dissipiert sondern erzeugt. Die Erzeugungsrate, ´ɛ = −ɛρ, ist selbst wieder extrem<br />

empfindlich von der Temperatur (und von der Dichte) abhängig. Die Wärmeleitgleichung<br />

(Ohmsches Gesetz der Thermodynamik)<br />

�qE = −KE∇T (5.107)<br />

verknüpft schließlich Wärmestrom und Temperatur. Wir haben damit als zusätzliche Gleichung<br />

(Energieerzeugung)<br />

div(KE∇T ) = ´ɛ(ρ, T ) (5.108)<br />

mit den Randbedingungen T endlich im Zentrum, r = 0, und für r = R (Radius des Sterns) muß<br />

in einfachster Näherung T (R) = 0 gelten.<br />

Anstatt der Wärmestromdichte, �qE, benutzt man in der Strahlungstransporttheorie <strong>die</strong> Flächenhelligkeit<br />

�F = �qE, und schreibt<br />

div � F = ɛρ (5.109)<br />

wobei ɛ <strong>die</strong> Rate ist mit der Energie pro Masse und Zeit erzeugt wird. Statt des Wärmestroms betrachtet<br />

man <strong>die</strong> Leuchtkraft, wobei<br />

L(r) = 4πr 2 �qE<br />

ist. Damit lautet <strong>die</strong> Energieerzeugungs-Gleichung<br />

(5.110)<br />

L ′ = 4πr 2 ɛρ (5.111)<br />

mit der Randbedingung L(0) = 0 im Zentrum, r = 0. Für einen schwarzen Strahler muß<br />

L = 4πR 2 σT 4<br />

(5.112)<br />

gelten, wodurch eine neue Oberflächen - Temperatur definiert wird. Diese heißt effektive Temperatur<br />

und kann dazu benutzt werden, etwas bessere Randbedingungen zu formulieren.


290 KAPITEL 5. HYDRODYNAMIK: STERNMODELLE<br />

• ANMERKUNG (DIE FOURIERSCHE GLEICHUNG DER WÄRMELEITUNG)<br />

Wir gehen aus von Gleichung (Energieerzeugung)<br />

div(KE∇T ) = ´ɛ(ρ, T ) (5.113)<br />

und nehmen an, daß keine Energieerzeugung stattfindet. Dann kann für ein ideales Gas in hinreichend kleinem Volumen<br />

für den Wärmeverlust durch Abkühlen<br />

´ɛ(ρ, T ) = cV ˙<br />

T (5.114)<br />

gesetzt werden. Im homogenen Medium ist KE konstant und wir erhalten <strong>die</strong> Fouriersche Gleichung der Wärmeleitung<br />

∆T = 1 ∂T<br />

k ∂t<br />

mit der Temperaturleitfähigkeit k = cV /KE.<br />

Die Opazität<br />

(5.115)<br />

Um den Wärmeleitkoeffizienten KE mit der freien Weglänge lγ für Photonen zu verknüpfen, schreiben<br />

wir für den Wärmestrom (in radialer Richtung)<br />

qE = −lγ∇ a<br />

3 T 4 c = −KE∇T (5.116)<br />

und erhalten, wenn wir noch statt der freien Weglänge lγ den Massenabsorptionskoeffizienten (Opazität)<br />

κ einführen<br />

KE = 4ac 3<br />

T<br />

3κρ<br />

lγ = 1<br />

κρ<br />

Die Opazität κ kann in wichtigen Spezialfällen analytisch bestimmt werden.<br />

(5.117)<br />

1. Thomson Streuung<br />

Die Streuung von Photonen an freien Elektronen der <strong>Teil</strong>chendichte ne ist für heiße Sterne der<br />

dominierende Prozeß mit dem frequenzunabhängigen Thomson Wirkungsquerschnitt σ T:<br />

σ T = 8π<br />

3<br />

� e 2<br />

mc 2<br />

und der Opazität κe<br />

κe = σ Tne<br />

ρ<br />

In Zahlen, mit<br />

σ T<br />

mH<br />

Z<br />

=<br />

A<br />

� 2<br />

σ T<br />

mH<br />

= 0.40 cm 2<br />

oder, zum Merken,<br />

κe = 2Z<br />

5A<br />

= 8π<br />

3 r2 e<br />

g −1<br />

= 1 + xH<br />

5<br />

cm 2<br />

g −1<br />

(5.118)<br />

(5.119)


5.4. LICHT: DIE GROSSEN ENTDECKUNGEN 291<br />

2. Photoeffekt (Kramers Opazität)<br />

Für Sterne wie <strong>die</strong> Sonne sind der Photoeffekt und Bremsstrahlung (Streuung von Photonen an<br />

freien Elektronen im Feld von Protonen) der dominante Prozeß. Er kann ebenfalls analytisch<br />

angegeben werden. Das Rosseland Mittel für <strong>die</strong> Opazität lautet<br />

κ = 6.45 × 10 22 fe,i ρ T −7/2<br />

cm 2 g −1<br />

geschrieben als Funktion der Dichte ρ mit ρfi = niAmH<br />

fe,i =<br />

�<br />

fefiZ 2<br />

�<br />

A<br />

= (1 + xH)(XH + XHe + XZ)<br />

wobei XZ = ΣixiZ 2 i A −1<br />

i den Beitrag der schwereren Elemente (Metalle) berücksichtigt.<br />

(5.120)<br />

Ein Vergleich von Thomson Streuung und Photoeffekt bzw. Bremsstrahlung zeigt, <strong>die</strong> Bremsstrahlungsopazität<br />

ist dichteabhängig, es gibt also eine kritische Dichte, unterhalb derer Thomson Streuung<br />

dominiert. Bei sehr heißen Sternen führt das auf eine universelle obere Schranke für <strong>die</strong> Leuchtkraft<br />

eines Sterns.<br />

LEdd = 4πGmHMc<br />

= 10 4.5<br />

� �<br />

M<br />

L⊙ = 1.3 · 10 38<br />

� �<br />

M<br />

mH erg s−1 (5.121)<br />

σT h<br />

M⊙<br />

• ZUSATZ (DIE SONNE)<br />

Angewandt auf <strong>die</strong> Sonne erhält man etwa (für das Innere der Sonne)<br />

und<br />

lγ = 2 cm für Thomson Streuung<br />

lγ = 0.4 cm für Bremsstrahlung.<br />

Der Druck stammt fast vollständig von der thermischen Bewegung,<br />

1 − β = Pγ<br />

P<br />

≈ 0.003<br />

d. h. es ist P ≈ (ρ/˜µmH)kT .<br />

Am Sonnenrand (Photosphäre) ist <strong>die</strong> Massendichte nur noch etwa ρ = 10 −7 g cm −3 oder n = 10 17 cm −3 . Nach Glchg.<br />

(5.117) ist lγ = 1/κρ und somit ergibt sich für Thomson Streuung, <strong>die</strong> hier dominiert, eine freie Weglänge von etwa 200<br />

km. So tief kann man in <strong>die</strong> Photosphäre hineinsehen, d. h. auf <strong>die</strong>ser Längenskala können sich Unebenheiten ergeben. Da<br />

der Radius der Sonne R⊙ = 7 · 10 10 cm beträgt, ist <strong>die</strong> Abweichung von einer Kugel sehr gering.<br />

5.4 Licht: Die grossen Entdeckungen<br />

Das volle Spektrum elektromagnetischer Strahlung ist erst seit kurzer Zeit für <strong>die</strong> Astronomie (durch<br />

Raketen oder Satelliten) verfügbar. Das menschliche Auge ist seiner Empfindlichkeit auf den winzigen<br />

Frequenzbereich [3.75 ≤ ν ≤ 7.5]10 15 Hz oder in Wellenlängen [0.4 ≤ ν ≤ 0.8] µm optimiert.<br />

Bis 1800<br />

war der Nachweis von Licht auf das menschliche Auge beschränkt. Herschel wies 1800 erstmals<br />

<strong>die</strong> Infrarotstrahlung der Sonne mit Prisma und Thermometer nach.<br />

1840<br />

wurde das erste Astrophoto aufgenommen. Seither kann man Photonen aufad<strong>die</strong>ren.<br />

M⊙


292 KAPITEL 5. HYDRODYNAMIK: STERNMODELLE<br />

1860<br />

Maxwell begründet seine Lichttheorie.<br />

1887<br />

Die Arbeiten von Hertz zeigen experimentell <strong>die</strong> Richtigkeit der Maxwellschen Theorie und<br />

das gesamte Gebiet der optischen Erscheinungen wird damit <strong>Teil</strong> der Elektrodynamik. Auf <strong>die</strong><br />

Entdeckung elektromagnetischer Wellen am 13. 11. 1886 folgte <strong>die</strong> des Photoeffekts im Jahre<br />

1887.<br />

1900<br />

Planck formuliert seine Quantenhypothese (bei Photonen der Wärmestrahlung):<br />

Der Austausch von Energie erfolgt in Quanten der Größe hν<br />

und nicht etwa kontinuierlich. Die Energie E eines Photons und das Plancksche Wirkungsquantum<br />

h sind mit der Frequenz ν wie folgt verbunden:<br />

E = hν<br />

1901<br />

Erste transatlantischen Radioübertragung (Marconi).<br />

Entdeckung der Heavyside Schicht.<br />

1905<br />

Einstein führt das Photon ein und erklärt so den Photoeffekt.<br />

Einstein formuliert <strong>die</strong> Grundlagen der speziellen Relativitätstheorie. Die Konstanz der Lichtgeschwindigkeit,<br />

d. h. das Ergebnis des Michelson-Morley Versuchs, ist bei ihm Grundpostulat.<br />

5.4.1 Die Sonne als Strahlungsquelle<br />

Erste Erkentnisse<br />

1. Galilei (1610)<br />

bildet <strong>die</strong> Sonne mit seinem selbstgebauten Teleskop auf einem reflektierende Untergrund ab. Er<br />

entdeckte so <strong>die</strong> Sonnenflecken und mit ihnen <strong>die</strong> Rotation der Sonne. Seine Entdeckung der Jupitermonde<br />

und seine Pendelgesetze sind Grundlage der Bestimmung der Lichtgeschwindigkeit.<br />

2. Newton (1672)<br />

zerlegt das Sonnenlicht in seine Spektralfarben vermittels eines Prismas.<br />

3. Römer (1676)<br />

bestimmt <strong>die</strong> Lichtgeschwindigkeit anhand der Jupitermonde.<br />

Spektroskopie und Fotografie<br />

1. Fraunhofer (1817)<br />

Das älteste Beispiel für diskrete Linienabsorption sind <strong>die</strong> Dunkellinien im Spektrum der Sonne<br />

und dabei besonders <strong>die</strong> winzige Aufspaltung der Na D-Linie.


5.4. LICHT: DIE GROSSEN ENTDECKUNGEN 293<br />

2. H. Draper, (1840); Whipple, (1850) Benutzung der Photoplatte<br />

Draper (1837 - 1882) macht 1840 das erste Astrophoto (auf Daguerre Platte vom Mond) und<br />

legt auf Photoplatten einen Katalog (von heute 225 000 Spektren; Bezeichnung: HD für Henry<br />

Draper) an.<br />

3. G. Kirchhoff, R. Bunsen (1860)<br />

entdecken <strong>die</strong> Umkehrung der Na D-Linie des Sonnenlichts.<br />

4. Kirchhoffs Umkehrschicht<br />

Von Kirchhoff stammt auch das erste Modell, <strong>die</strong> Absorptionslinien der Sonne zu erklären. Diese<br />

so genannte Umkehrschicht (ein optisch dünnes, kälteres Gas vor der heißen Strahlungsquelle<br />

der Sonne) würde vermutlich bei einer Sonnenfinsternis als selbst strahlendes Medium mit Emissionslinien<br />

zu beobachten sein.<br />

5. Huggins (1868)<br />

Der Dopplereffekt wurde 1842 von Doppler für Sterne vorhergesagt, von Fizeau genauer für<br />

Linienspektren für nachweisbar erachtet (Sterngeschwindigkeiten sind viel zu klein für einen<br />

Nachweis am Kontinuum) und von Huggins 1868 mit Photoplatte an den H Linien des Sirius<br />

entdeckt.<br />

6. Huggins (1824 - 1910) identifiziert <strong>die</strong> Wasserstofflinien in den Sternspektren. Er entdeckt als<br />

erster (1864) Emissionslinien der Nebel. Damit war <strong>die</strong> gängige Ansicht widerlegt, daß es gar<br />

keine eigentlichen Nebel gebe, sondern nur unaufgelöste Sternhaufen. Planetare Nebel (so genannt<br />

wegen ihres scheibenförmigen Aussehens) sind echte Gasnebel. Mit selbstkonstruiertem<br />

Sternspektroskop wird Huggins Pionier der Astro–Photometrie.<br />

7. 1868 Die Entdeckung von Helium.<br />

Noch vor der Verifizierung des Modells von Kirchhoff entdeckten Janssen und Lockyer im Jahre<br />

1868 bei einer Sonnenfinsternis im Spektrum der Chromosphäre der Sonne eine helle gelbe<br />

Linie, bei λ = 5876 ˚A, welche sie Helium tauften. Im Labor wurde <strong>die</strong>se Linie erst von Ramsay<br />

im Jahre 1895 identifiziert (als Zerfallsprodukt bei radioaktivem Uranzerfall: α-Strahlung).<br />

8. Young (1870) ’flash’ Spektrum<br />

Nach einigen vergeblichen vorhergegangen Versuchen wurde <strong>die</strong> Emission der Umkehrschicht<br />

tatsächlich von Charles A. Young (nur zwei Sekunden lang) beobachtet: Kirchhoffs ’flash’ Spektrum<br />

ist ein reines Emissionsspektrum.<br />

9. Zeeman (1896)<br />

Noch vor Formulierung des Bohrschen Atommodells entdeckte Zeeman <strong>die</strong> Linienaufspaltung<br />

im Magnetfeld an der Na D-Linie, ein (kleiner) Effekt, nach dem M. Faraday so lange erfolglos<br />

gesucht hatte.<br />

10. Hale (1890, 1908)<br />

Hale erfindet 1890 den Spektroheliographen, der es erlaubt, <strong>die</strong> Sonne im Licht einer einzelnen<br />

Spektrallinie zu betrachten. Er baut sein eigenes Teleskop und entdeckt 1908 mit dem Zeeman-<br />

Effekt das Magetfeld der Sonnenflecken.<br />

Ergebnisse<br />

Erst <strong>die</strong> Quantenmechanik erlaubt ein quantitatives Verständnis der Vorgänge im Innern der Sonne.<br />

Wichtig sind <strong>die</strong> Arbeiten von Gamow, Bethe und von Weizsäcker.


294 KAPITEL 5. HYDRODYNAMIK: STERNMODELLE<br />

• ANMERKUNG (DAS RADIKAL H − IN DER SONNENATMOSPHÄRE)<br />

Seine theoretische Existenz wurde 1930 von Bethe postuliert, das H Atom ist nicht gesättigt. 1938 wurde von R. Wildt<br />

seine Bedeutung für <strong>die</strong> Sonne erkannt (grosser Streuquerschnitt bei niedriger Energie). 1945 wurde das Spektrum von<br />

Chandrasekhar berechnet und erst nach 1950 wurde H − indirekt im Labor durch <strong>die</strong> kontinuierliche Emission bei der<br />

Bildung nachgewiesen. H − hat nur einen gebundenen Zustand zu E = 0.754 eV.<br />

Für Sterne wie <strong>die</strong> Sonne wird <strong>die</strong> Opazität ganz wesentlich durch Spurenelemente wie Na (um Elektronen zu erhalten)<br />

und durch das Radikal H − bestimmt. Sterne wie <strong>die</strong> Sonne sind deshalb gelb (und nicht etwa grün), massive (leuchtkräftig<br />

und aufgeblasen) und massearme (niedrige Oberflächentemperatur) sind rot.


5.4. LICHT: DIE GROSSEN ENTDECKUNGEN 295<br />

5.4.2 Die interstellare Materie<br />

Die Existenz interstellarer Materie, insbesondere <strong>die</strong> von Staub hat lange Zeit <strong>die</strong> wahren Dimensionen<br />

in der Milchstraße und dem Kosmos verschleiert. Während <strong>die</strong> Existenz heute allgemein gesichert ist,<br />

ist nur wenig über <strong>die</strong> Herkunft bekannt.<br />

Komponenten<br />

Die wichtigsten Komponenten der Erdatmosphäre sind Luft (Moleküle), Staub und Plasma.<br />

Eine Stufe höher, im Sonnensystem, kommt zur interplanetraren Materie noch der Sonnenwind dazu.<br />

Alle <strong>die</strong>se Komponenten sind mittlerweile (durch Raketen und Satelliten) direkt nachgewiesen.<br />

Die interstellare Materie (ISM) ist dagegen bisher nur indirekt nachweisbar. Sie muß von der zirkumstellaren<br />

Materie unterschieden werden.<br />

Beim fortschreiten zu höheren Stufen, zur zirkumgalaktichen Materie (Halo der Milchstraße) oder gar<br />

zur intergalaktichen Materie, wird bereits das Ende der Nachweismöglichkeit erreicht. Wir werden<br />

<strong>die</strong>sen Beitrag deshalb beim kosmologischen Überblick subsummieren.<br />

• ANMERKUNG (DIE LUFT)<br />

1647 entdeckte B. Pascal den Luftdruck (traité du vide), den er durch Höhenmessungen mit einem Barometer nachweist.<br />

H. Cavendish (1731 - 1810) war der erste, der 1797 <strong>die</strong> heutige Zusammensetzung der Luft bestimmte, <strong>die</strong> Uratmosphäre<br />

der Erde bestand dagegen hauptsächlich aus H und He.<br />

Mariotte war der Erste, der zeigen konnte, daß der Wasserhaushalt der Erde abgeschlossen ist. Er bestimmte dazu <strong>die</strong><br />

Niederschlagsmenge im Einzugsbereich der Seine und deren Durchflussrate (in Paris).<br />

J. Jeans untersuchte das Verdampfen der Erdatmosphäre aus der Exosphäre. Die leichten Atome (H, He) der Erdatmosphäre<br />

können effektiv entweichen, <strong>die</strong> schweren nicht. Insbesondere der Wasserhaushalt der Erdatmosphäre ist abgeschlossen.<br />

1. Hess (1911 bis 1913)<br />

entdeckt bei der geplanten Verbesserung seines Elektoskops eine unbekannte Entladungsquelle,<br />

welche er mit Hilfe von Ballonflügen als Höhenstrahlung kosmischer Herkunft identifizierte.<br />

Die Erzeugung der hochenergetischen Komponente <strong>die</strong>ser kosmischen Strahlung ist bis heute<br />

ungeklärt.<br />

2. Hartmann (1911)<br />

entdeckt eine scharfe Absorptionslinie, <strong>die</strong> berühmte ruhende Kalziumlinie im Spektrum des<br />

spektroskopischen Doppelsternes δ Orionis. Sie wird verursacht durch <strong>die</strong> ISM und wurde zunächst<br />

nicht in ihrer Tragweite richtig eingeschätzt, als alternative Möglichkeit wurde zirkumstellare<br />

Materie diskutiert.<br />

3. Bowen (1927)<br />

erklärt <strong>die</strong> beiden grünen Nebellinien von O 2+ = O ++ = [O III] bei 5007 und 4959 ˚A (ursprünglich<br />

einem hypotetischen Element Nebulium zugeschrieben) als Interkombinationslinien<br />

(magn. Übergänge 2p 2 1 D2 → 2p 2 3 P2 bzw. 2p 2 1 D2 → 2p 2 3 P1) des zweifach ionisierten O.<br />

4. Trümpler (1930)<br />

entdeckt Staub in unserer Milchstraße. Der Nachweis war indirekt: an den galaktischen Sternhaufen<br />

hatte Trümpler <strong>die</strong> Standardkerzen der Galaxis geeicht und dabei nebenbei <strong>die</strong> interstellare<br />

Absorption AV durch Staub bestätigt!<br />

5. Weinreb et al. (1963)<br />

finden OH (mit vier Hyperfeinlinien, wie von Shkolvski vorher diskutiert) als erstes Molekül in<br />

Absorption. Kurz darauf wurde OH auch in Emission (in der Nähe von starken Radioquellen,<br />

<strong>die</strong> Westerhout vorher entdeckt hatte) gefunden. Die Linien sind sehr schmal, <strong>die</strong> Strahlung ist<br />

hochgradig polarisiert und sie wurde (von Perkins, Gold und Salpeter) als Maser interpretiert.<br />

Maser ist ein Akronym für Microwave Amplification by Stimulated Emission of Radiation.


296 KAPITEL 5. HYDRODYNAMIK: STERNMODELLE<br />

Ergebnisse<br />

Wir beginnen mit Prototypen von wichtigen Quellen, <strong>die</strong> besonders nah oder besonders gut untersucht<br />

sind:<br />

1. Dunkelwolke<br />

Taurus Molekülwolke (TMC1) Abstand 120 pc. Hier wurden <strong>die</strong> schwersten Moleküle gefunden.<br />

Eingebettet sind Globulen (Sternentstehung).<br />

2. Reflektionsnebel<br />

Electra Nebel (angeleuchtet vom B6III Plejaden Stern Electra, weitere Nebel sind um den B7III<br />

Stern Maja und um Merope, ein B6IVn Stern), Entfernung 116 pc, liegt in M45.<br />

3. H II Region<br />

Orion Molekülwolke (OMC) Abstand 500 pc. In einigen Myr wird hier ein offener Sternhaufen<br />

wie <strong>die</strong> Plejaden entstanden sein.<br />

4. Planetarer Nebel<br />

5. Supernova Rest<br />

Erst <strong>die</strong> Radioastronomie hat folgendes Bild der ISM ergeben.<br />

Die ISM unserer Galaxis hat (bezogen auf <strong>die</strong> Masse) <strong>die</strong> folgenden beiden Komponenten: 99% Gas<br />

und 1% Staub. Die Gaskomponente (etwa 10 10 M⊙)<br />

ist aufgeteilt in 50% atomares Gas (H I Regionen)<br />

und 50% molekulares Gas. Letzteres steckt<br />

hauptsächlich in den massivsten Molekülwolken<br />

(mit Massen > 10 6 M⊙).<br />

Etwa 3% des atomaren Gases ist ionisiert, in dichten<br />

Molekülwolken beträgt der Ionisationsgrad dagegen<br />

nur 10 −8 , <strong>die</strong> Ionisation wird durch <strong>die</strong><br />

kosmische Strahlung bewirkt. Diese wird durch<br />

ein Magnetfeld von einigen µ Gauß in der Galaxis<br />

gehalten. Die hochenergetischen Komponenten<br />

(Protonen, Elektronen) der kosmischen Strahlung<br />

müßen ständig nachgeliefert werden.<br />

Interstellare Nebel<br />

Typ v D n M<br />

km s −1 pc cm −3 M⊙<br />

Dunkelwolke 0.1 − 1 1 − 10 10 4 10 3<br />

Reflektionsnebel<br />

H II Region 3 − 30 1 − 50 10 5 10 6<br />

Planetare Nebel 100 1 − 2 10 −1 10 −2<br />

Supernova Reste 5000 1 − 5 10 −2 2<br />

Zirkumstellare<br />

Interstellare Wolken<br />

Hüllen 20 − 30 0.1 − 5 10 −2<br />

Die Gas Komponenten unterscheiden sich einer-<br />

Tab. 5.2: Daten zu Nebeln<br />

seits in Dichte und Temperatur, andererseits in Masse und Verteilung in der Galaxis. Die Daten der<br />

Tabelle sind Richtwerte. Reflektionsnebel sind Wolken mit eingelagertem Staub, <strong>die</strong> von einem Stern<br />

beleuchtet (nicht aber ionisiert) werden. Dazu muß der Stern vom Spektraltyp später als B0 sein.


5.4. LICHT: DIE GROSSEN ENTDECKUNGEN 297<br />

5.4.3 Hydrostatisches Gleichgewicht<br />

Im statischen Gleichgewicht, also ohne Rotation, ist �v = 0. In <strong>die</strong>sem Fall kann man Newtonsch (s.u.)<br />

Kugelsymmetrie voraussetzen. Wir geben im folgenden <strong>die</strong> allgemeinen Sternstrukturgleichungen für<br />

das hydrostatische Gleichgewicht.<br />

Grundgleichungen einer Kugel<br />

Im Falle kugelsymmetrischer Materieverteilung können wir <strong>die</strong> Grundgleichungen wie folgt schreiben:<br />

Die Masse wird aus<br />

m ′ = 4πρr 2<br />

bestimmt, als Ersatz für <strong>die</strong> Potentialgleichung (5.76) oder (5.88). Ferner kann damit<br />

P ′ = −ρ Gm(r)<br />

r 2<br />

(5.122)<br />

(5.123)<br />

als Gleichung des hydrostatischen Gleichgewichts geschrieben werden. Die Wärmeleitgleichung, Glchg.<br />

(5.116) schreiben wir mit dem Massenabsorptionskoeffizienten, Glchg. (5.117) um in<br />

T ′ = − 3κρ(r)L(r)<br />

16πacr 2 T 3 (r)<br />

bzw. als Kraftgleichung geschrieben<br />

P ′ γ = − κρ(r)L(r)<br />

4πcr 2<br />

Zusammen mit Glchg. (5.111) für <strong>die</strong> Energieerzeugung<br />

(5.124)<br />

(5.125)<br />

L ′ = 4πr 2 ɛρ (5.126)<br />

ist das der vollständige Satz zur Bestimmung nichtentarteter, statischer Sternmodelle.<br />

Die Randbedingungen sind gemischt, 2 im Zentrum und 2 am Rand, was <strong>die</strong> numerische Konstruktion<br />

enorm erschwert:<br />

1. m(0) = 0, da keine Massen-Singularität im Zentrum vorliegt.<br />

2. L(0) = 0, keine Leucht-Energie Singularität im Zentrum.<br />

3. P (R) = 0, Stetigkeit (Gra<strong>die</strong>nt des Drucks ist Kraftdichte).<br />

4. T (R) = 0, einfachste Näherung.<br />

In Eddingtons Standardmodell ist<br />

β = PG<br />

P<br />

und 1 − β = Pγ<br />

P<br />

und β = const liefert folgende Bedingung im gesamten Sterninnern:<br />

1 − β = κ<br />

4πGc<br />

L(r)<br />

m(r)<br />

= κɛ<br />

4πGc<br />

(5.127)<br />

(5.128)<br />

wie man aus der Division von Glchg. (5.125) durch Glchg. (5.123), bzw. von Glchg. (5.126) durch<br />

Glchg. (5.122) ersieht.<br />

Es ist also κɛ = const, und <strong>die</strong> Energieerzeugungs - Gleichung kann integriert werden. Die vier Grundgleichungen<br />

zerfallen dadurch in je zwei zueinander proportionale Gleichungen. Diese werden wir im<br />

folgenden genauer betrachten.


298 KAPITEL 5. HYDRODYNAMIK: STERNMODELLE<br />

Die korrekte Beschreibung der physikalischen Bedingungen an der Oberfläche, d. h. <strong>die</strong> Herleitung<br />

der Randbedingung für T , ist Aufgabe der Strahlungstransport Theorie. Bisher haben wir P (R) = 0<br />

gefordert, was nur bei entarteten Sterne mit fester Oberfläche exakt ist. Eine einfache Verbesserung<br />

erhält man, indem man, s. Glchg (5.112), für T = T (R) fordert,<br />

L = 4πR 2 σT 4<br />

(5.129)<br />

Dadurch wird eine effektive Strahlungstemperatur definiert, <strong>die</strong> nichts mit der bisher betrachteten Temperatur<br />

(des Gases bzw. der Photonen) zu tun hat.<br />

5.4.4 Polytrope Sterne<br />

Falls der Druck nur eine Funktion der Dichte ist, P = P (ρ), kann man P aus der Differentialgleichung<br />

des hydrostatischen Gleichgewichts eliminieren:<br />

dP<br />

dr =<br />

� �<br />

dP dρ<br />

dρ dr<br />

χ dρ<br />

=<br />

ρ dr<br />

(5.130)<br />

Die hier auftretende Größe χ heißt Kompressibilität.<br />

Man muß im allgemeinen zwischen statischer und dynamischer Kompressibilität unterscheiden. Im<br />

letzteren Fall ist cs bei adiabatischen Änderungen gegeben durch<br />

c 2 s =<br />

� �<br />

dP<br />

dρ S<br />

(5.131)<br />

Bei entarteten Sternen ist S maximal und cs ist in jedem Fall <strong>die</strong> Schallgeschwindigkeit. Sonst muß<br />

spezifiziert werden, wie <strong>die</strong> Änderung von P zustande kommt (adiabatisch, S = const oder, bei sehr<br />

guter Wärmeleitfähigkeit, isotherm). Man erhält mit der hydrostatischen Kompressibilität χ(ρ)<br />

ρ ′ = − Gρ2 m(r)<br />

χr 2<br />

Die einfachsten Zustandsgleichungen sind<br />

1. inkompressible Materie, ρ = const. (χ = ∞),<br />

2. lichtartige Materie, P = Kρc 2 mit K = const = 1/3,<br />

3. druckfreie Materie (’Staub’), P = 0.<br />

(5.132)<br />

Diese sind von grossem Interesse und können nicht als Polytrope behandelt werden. Wir geben einige<br />

Extremfälle und ihre Dynamik.<br />

• BEISPIEL (DIE HOMOGENE GASKUGEL)<br />

Die homogene, ruhende Gaskugel wird als Ausgangskonfiguration bei der Herleitung des Jeans–Kriteriums benutzt. Für<br />

<strong>die</strong> Masse gilt im Innern, für r < R,<br />

M(r) = 4π<br />

3 ρr3<br />

(5.133)<br />

Die Gesamtmasse ist M(R). Die ungestörte Innen-Lösung lautet im hydrodynamischen Gleichgewicht für eine Kugel der<br />

Massendichte ρ und mit Radius R, bei Berücksichtigung der Gravitation mit Potential V<br />

V = 2π<br />

3 Gρ(r2 − 3R 2 ) (5.134)<br />

P = 2π<br />

3 Gρ2 (R 2 − r 2 ) (5.135)


5.4. LICHT: DIE GROSSEN ENTDECKUNGEN 299<br />

und außen, für r > R, gilt:<br />

V = −G M(R)<br />

(5.136)<br />

r<br />

Wir führen im Innern, wo m(r) eine monoton wachsende Funktion von r ist, dimensionslose Variablen ein: <strong>die</strong>se sind <strong>die</strong><br />

Radialkoordinate, ξ = r/R und relative Masse, m = M(r)/M(R) = ξ1/3 .<br />

V = G M(R)<br />

(ξ<br />

2<br />

2 − 3) (5.137)<br />

P = G ρM(R)<br />

(1 − ξ<br />

2<br />

2 ) (5.138)<br />

Für Untersuchungen, bei denen <strong>die</strong> Masse fest vorgegeben ist, ist es nützlich, statt der Radialkoordinate ξ als unabhängiger<br />

Variablen <strong>die</strong> dimensionslose Masse m zu benutzen. Man erhält dann:<br />

V = G M(R)<br />

(m<br />

2<br />

2/3 − 3) (5.139)<br />

P = G ρM(R)<br />

(1 − m<br />

2<br />

2/3 ) (5.140)<br />

Dadurch werden <strong>die</strong> Gleichungen leider singulär im Ursprung m = 0.<br />

• BEISPIEL (DIE HOMOGENE GASKUGEL IN DER ART)<br />

Es ist lehrreich <strong>die</strong> Newtonsche Gravitationstheorie und <strong>die</strong> Allgemeine Relativitätstheorie in Bezug auf ihre Beschreibung<br />

des gravischen Gleichgewichts eines Sterns zu vergleichen. In der ART lautet <strong>die</strong> Gleichung des hydrostatischen Gleichgewichts<br />

(<strong>die</strong> Tolman - Oppenheimer - Volkoff Gleichung, abgekürzt zu TOV Gleichung) wie wir später zeigen werden:<br />

P ′ = −G (ρ + ζP ) � m + 4πζr 3 P �<br />

r(r − 2ζGm)<br />

mit der Randbedingung<br />

; ζ = 1<br />

c 2<br />

(5.141)<br />

P (R) = 0 (5.142)<br />

Wir wollen hier nur einige relativistische Aspekte ihrer Lösungen erläutern. Eine ausführliche Diskussion folgt im Kapitel<br />

Neutronensterne.<br />

Als Gleichung des hydrostatischen Gleichgewichts wird <strong>die</strong> TOV-Gleichung exakt lösbar für ein Sternmodell (eines Neutronensterns)<br />

mit inkompressibler Materie, d. h. mit der Zustandsgleichung ρ = const. Für <strong>die</strong> Masse M(r) erhalten wir<br />

eine zur Newtonschen Relation formal identische Abhängigkeit von Dichte ρ und Masse M(r).<br />

Mit den dimensionslosen Variablen<br />

y = P<br />

ρc2 ; x = 4πG<br />

ρr2 ; x0 =<br />

3c2 GM<br />

c2 (5.143)<br />

R<br />

lautet <strong>die</strong> TOV-Gleichung dann mit ξ = r/R und x0 = const im Innenraum,<br />

− 2 dy (1 + y)(1 + 3y)<br />

=<br />

dx 1 − 2x<br />

Die Lösung <strong>die</strong>ser Riccatischen Differentialgleichung ist elementar. Dazu schreibt man<br />

dy<br />

dx<br />

= −<br />

(1 + y)(1 + 3y) 2(1 − 2x)<br />

und integriert. Das liefert <strong>die</strong> sog. innere Schwarzschild-Lösung mit folgendem Druck P :<br />

P = ρc 2<br />

�<br />

1 − 2x0ξ2 − √ 1 − 2x0<br />

3 √ 1 − 2x0 − � 1 − 2x0ξ2 mit<br />

r<br />

ξ =<br />

R<br />

und dem erstaunlichen Ergebnis, daß der Druck im Zentrum<br />

P (0)<br />

ρc 2 = 1 − √ 1 − 2x0<br />

3 √ 1 − 2x0 − 1<br />

(5.144)<br />

(5.145)<br />

(5.146)<br />

(5.147)<br />

für endliche Dichte, Masse und Radius unendlich wird!<br />

Dies ist <strong>die</strong> Grundlage für <strong>die</strong> Existenz schwarzer Löcher. Wir sehen, daß <strong>die</strong> Größe σg = 2x0 ein Maß dafür ist, wie<br />

relativistisch ein Stern ist, hier, wie nah der tatsächliche Radius des Sterns an den Schwarzschildradius Rs heranreicht. Ein<br />

inkompressibler Stern muß<br />

σg = 2x0 < 8/9 (5.148)<br />

erfüllen, realistische Sterne erreichen viel weniger.


300 KAPITEL 5. HYDRODYNAMIK: STERNMODELLE<br />

• BEISPIEL (EXTREMFALL: STERN AUS LICHT)<br />

Als weiteres Beispiel von beträchtlichem Interesse betrachten wir lichtartige Materie, mit der Zustandsgleichung P = Kρc 2<br />

mit K = const. Licht hat dabei K = 1/3. Die Lösung ist sogar für unendliche zentrale Dichte nicht endlich: man erhält ein<br />

ganzes Universum unendlicher Masse. Mit dem Ansatz<br />

P = Kρc 2 = A<br />

r2 ; M(r) = 4πA<br />

erhalten wir Newtonsch<br />

r<br />

Kc2 (5.149)<br />

− 2 A A<br />

= −G<br />

r3 Kc2r 2<br />

4πA<br />

Kc2r Dies kann wie folgt geschrieben werden:<br />

(5.150)<br />

M(r) = K2 c 2<br />

G<br />

r (5.151)<br />

In Vorbereitung auf <strong>die</strong> Allgemeine Relativitätstheorie, kann <strong>die</strong>s auch wie folgt geschrieben werden<br />

4K 2 = 2GM(r)<br />

c 2 r<br />

≡ x<br />

Die Allgemeine Relativitätstheorie liefert dann mit der TOV-Gleichung folgende Modifikation.<br />

4K 2 =<br />

(1 + K)2<br />

1 − K x<br />

Für x erhält man einen kleineren Wert (aber immer noch keinen Stern aus Licht)<br />

x ≡ 2GM(r)<br />

c 2 r<br />

= A<br />

1 + A<br />

; A =<br />

� 2K<br />

1 + K<br />

� 2<br />

Bereits <strong>die</strong>se Näherungen erlauben es, einige interessante Schlüsse über <strong>die</strong> Dynamik zu ziehen. Wir<br />

betrachten für einen ersten, groben Überblick <strong>die</strong> folgenden Fälle:<br />

1. Schwingung eines Testteilchens im Gravitationsfeld einer statischen Kugel (Reise zum Zentrum<br />

der Erde).<br />

2. Kollaps der gesamten Kugel (Staubwolke ohne Druck)<br />

3. Schwingung (Pulsation) der gesamten Kugel (Erde mit Druck)<br />

welche später noch genauer untersucht werden.<br />

Schwingung eines <strong>Teil</strong>chens im Feld einer statischen Kugel<br />

In <strong>die</strong>sem Fall gilt folgende Bewegungsgleichung für r(t):<br />

¨r = − Gm(r)<br />

r2 = −G4πρ r<br />

3<br />

mit der Lösung (Start an der Oberfläche r = R zum Zeitpunkt t = 0):<br />

�<br />

(5.152)<br />

r(t) = R cos ωt ω =<br />

4πGρ<br />

3<br />

(5.153)<br />

Das ist eine harmonische Schwingung mit der Periode (einmal zur Antipode und zurück in T⊕ = 84.1<br />

min oder 5045 s):<br />

Π = 2π<br />

ω =<br />

�<br />

3π<br />

Gρ<br />

(5.154)<br />

Die Größe<br />

�<br />

ˆΠ<br />

1<br />

=<br />

Gρ<br />

(5.155)<br />

ist eine für alle Schwingungs - Vorgänge charakteristische Zeit. Für <strong>die</strong> Sonne, mit einer mittleren<br />

Dichte ¯ρ⊙ ≈ 1.41 g cm −3 , ist ˆ Π⊙ = 54 min. und für <strong>die</strong> Erde <strong>die</strong> Hälfte davon, ˆ Π⊕ = 27 min.


5.4. LICHT: DIE GROSSEN ENTDECKUNGEN 301<br />

• BEISPIEL (REISE ZUM ZENTRUM DER ERDE)<br />

Eine Reise zum Zentrum der Erde (durch einen hypothetischen Luftschacht) dauert (ein Viertel von Glchg. (5.154)) dem-<br />

nach<br />

T = Π<br />

4 =<br />

�<br />

3π<br />

16 ˆ Π⊕<br />

also etwa 21 Minuten.<br />

Die Formel (5.154) kann wie folgt geschrieben werden<br />

�<br />

R<br />

T = 2π ; g =<br />

g<br />

GM<br />

R2 Das ist <strong>die</strong> Galileische Formel für <strong>die</strong> Pendelschwingung (Länge l = R gleich Erdradius).<br />

Die mittlere Geschwindigkeit beträgt<br />

v = R<br />

T<br />

= 5.06 km s−1<br />

Setzt man (für <strong>die</strong> Schallgeschwindigkeit der Luft im Schacht) cs = 1/3 km s −1 , so entspricht <strong>die</strong>s v/cs = 15.3 Mach.<br />

Kollaps einer Gas Kugel<br />

Beim freien Kollaps ist<br />

¨r = a = − Gm(r0)<br />

r 2<br />

(5.156)<br />

(5.157)<br />

(5.158)<br />

zu lösen. Dabei ist m(r0) <strong>die</strong> konstante Masse innerhalb des Radius r(0) = r0 zum Zeitpunkt t = 0. Die<br />

Bewegung ist eine homologe Kontraktion: für jede Massenschale innerhalb von r gilt r(t) = f(t)r0 und<br />

<strong>die</strong> Dichte bleibt homogen. Die Lösung ist eine Zykloide und ihre Darstellung lautet in Parameterform<br />

cos 2 ζ = f(t) ; ζ + 1<br />

sin 2ζ =<br />

2<br />

�<br />

8πGρ<br />

t (5.159)<br />

3<br />

wobei ρ = ρ0 gesetzt wurde. Damit ist <strong>die</strong> Frei-Fallzeit (in <strong>die</strong> Singularität)<br />

�<br />

3π<br />

tff =<br />

32Gρ<br />

(5.160)<br />

was um den Faktor √ 2 schneller ist. Für <strong>die</strong> Oszillation erhalten wir T = Π, Glchg. (5.154) wie weiter<br />

unten gezeigt wird.<br />

Polytrope Zustandsgleichungen<br />

Wesentlich realistischer und immer noch einfach genug zu integrieren sind Zustandsgleichungen der<br />

Form (der Index p ist ab jetzt weggelassen, Kp = K)<br />

P = Kρ s<br />

und s = 1 + 1<br />

n<br />

(5.161)<br />

Sie heißen Polytrope zum Index s und man definiert den Index n so, daß für <strong>die</strong> Lane-Emden Differentialgleichung<br />

(5.165), s.u. eine einfache Beziehung gilt.<br />

Der Grenzfall n = 0 liefert inkompressible Materie. Die einfachsten Sternmodelle haben für gegebene<br />

Zustandsgleichung nur einen Parameter: <strong>die</strong> Masse M oder <strong>die</strong> zentrale Dichte ρc. Komplikationen wie<br />

Rotation, Magnetfeld oder Oszillationen werden erst einmal ignoriert. In der Newtonschen Theorie<br />

kann man in <strong>die</strong>sem Fall streng zeigen, daß <strong>die</strong> Gestalt eines Systems von <strong>Teil</strong>chen ohne Scherkräfte<br />

(’ideale Flüssigkeit’) eine Kugel ist (Minimum der freien Energie).


302 KAPITEL 5. HYDRODYNAMIK: STERNMODELLE<br />

Die Gravitationskraft rührt ausschließlich von der Masse m(r) innerhalb des Radius r her. Im Falle des<br />

hydrostatischen Gleichgewichts haben wir ein gekoppeltes System von 2 Dgln. für P und m zu lösen:<br />

und<br />

P ′ = −ρ Gm(r)<br />

r 2<br />

m ′ = 4πρr 2<br />

(5.162)<br />

(5.163)<br />

Die Randbedingung P (R) = 0 wird durch <strong>die</strong> Anfangsbedingung ρ(0) = ρc esetzt, und <strong>die</strong> Integration<br />

wird beendet, falls P (r) = 0 erreicht ist.<br />

Für Polytrope erhält man mit den dimensionslosen Variablen<br />

ρ = ρcΘ n<br />

r = ˆ �<br />

�<br />

�<br />

Rξ R ˆ<br />

�(n + 1)Kρ<br />

=<br />

1−n<br />

n<br />

c<br />

(5.164)<br />

4πG<br />

<strong>die</strong> Lane-Emden Differentialgleichung<br />

1<br />

ξ2 �<br />

d 2 d<br />

ξ<br />

dξ dξ Θ<br />

�<br />

= −Θ n<br />

mit den Anfangsbedingungen Θ(0) = 1 und Θ ′ (0) = 0. Gesucht ist dann ξ1, so daß Θ(ξ1) = 0 gilt.<br />

(5.165)<br />

• FORMELN (KLASSIFIKATION DER STERNMODELLE)<br />

Wir gehen aus von kugelsymmetrischen Objekten (keine Rotation, kein externes Feld, Trägheitsmoment I) und wählen <strong>die</strong><br />

Dichte im Zentrum, ρc, als Parameter zur Klassifikation der Sternmodelle und erhalten:<br />

1. Radius:<br />

2. Masse:<br />

R = ˆ Rξ1;<br />

ˆ R =<br />

�<br />

M = 4πρc ˆ R 3 ˆm; ˆm =<br />

3. Trägheitsmoment:<br />

I = 2<br />

3<br />

4. mittlere Dichte<br />

¯ρ = M<br />

V<br />

� M<br />

0<br />

r 2 dm = 8πρc<br />

3<br />

3<br />

= − Θ ′ (ξ1)ρc<br />

ξ1<br />

(n + 1)Kρ 1−n<br />

n<br />

c<br />

4πG<br />

�1/2<br />

(5.166)<br />

� ξ1<br />

Θ<br />

0<br />

n ξ 2 dξ = −ξ 2 1Θ ′ (ξ1) (5.167)<br />

ˆR 5 ˆι; ˆι =<br />

5. Massearme Sterne haben <strong>die</strong> Eddingtonsche Masse–Leuchtkraft Beziehung:<br />

˜µ 4 M 3<br />

� ξ1<br />

Θ<br />

0<br />

n ξ 4 dξ (5.168)<br />

acG 3 m 4 H<br />

k 4<br />

L ≈ fv<br />

κ<br />

; fv = 2π2<br />

9<br />

6. Massereiche Sterne haben<br />

L = 4πGcM<br />

κ<br />

Die Fälle n = 0, 1 und 5 können analytisch gelöst werden:<br />

Θ0 = 1 − 1<br />

6 ξ2 ;<br />

sin ξ<br />

Θ1 =<br />

ξ<br />

;<br />

�<br />

�<br />

�<br />

Θ5 = �<br />

1<br />

1 + 1<br />

3ξ2 Eine Potenzreihenentwicklung um ξ = 0 ergibt für alle n<br />

(5.169)<br />

(5.170)<br />

(5.171)<br />

Θn = 1 − 1<br />

6 ξ2 + n<br />

120 ξ4 − . . . (5.172)


5.4. LICHT: DIE GROSSEN ENTDECKUNGEN 303<br />

Für nichtrelativistisch entartete Materie (Erde) ist n = 3/2 (d.h s = 5/3) und für relativistische Materie<br />

(Weißer Zwerg) bzw. β = const (Eddingtons Standardmodell) ist n = 3 (d.h s = 4/3). Diese Fälle<br />

müssen numerisch gelöst werden.<br />

• ZUSATZ (NUMERISCHE BEHANDLUNG)<br />

Dazu schreibt man <strong>die</strong> Differentialgleichung 2–ter Ordnung um in 2 gekoppelte Dgln. erster Ordnung:<br />

und<br />

dΘ<br />

dξ<br />

= − m<br />

ξ 2<br />

dm<br />

dξ = ξ2 Θ n<br />

(5.173)<br />

(5.174)<br />

Die dimensionslosen Variablen sind Radialkoordinate, ξ, Masse, m = m(ξ), und Lane-Emden Funktion Θ = Θn(ξ). Für<br />

spätere Anwendungen ist es nützlich, statt der Radialkoordinate ξ als unabhängiger Variablen <strong>die</strong> dimensionslose Masse m<br />

zu benutzen. Man erhält:<br />

und<br />

dΘ<br />

dm = −mξ−4 Θ −n<br />

dξ<br />

dm = ξ−2 Θ −n<br />

mit 0 ≤ m ≤ 1 und den Randbedingungen ξ(0) = 0 und Θ(1) = 0.<br />

(5.175)<br />

(5.176)<br />

Als Differentialgleichung 2–ter Ordnung mit Θn(0) = 1 und Θ ′ n(0) = 0 kann <strong>die</strong> Lane-Emden Differentialgleichung<br />

leicht numerisch gelöst werden.<br />

Die nebensthende Tabelle, <strong>die</strong> auf numerischen Rechnungen beruht, vergleicht unterschiedliche Modelle<br />

für <strong>die</strong> Sonne für Polytrope zum Index n mit dem heute<br />

akzeptierten Standard Sonnenmodell.<br />

Dabei ist (in der Tabelle) Tc,6 <strong>die</strong> Zentraltemperatur des<br />

Sterns in 106 Kelvin, Pc,17 ist der Zentraldruck in Einheiten<br />

von 1017 dyn cm−2 , I53 ist das Trägheitsmoment in 1053 g cm2 Polytrope Modelle für <strong>die</strong> Sonne<br />

n<br />

0<br />

ρc/¯ρ<br />

1<br />

Tc,6<br />

11.5<br />

Pc,17<br />

0.01<br />

I53<br />

35<br />

Π/d<br />

0.116<br />

2 11.4 0.058<br />

. In der letzten Spalte ist, im Vorgriff und um darauf 3 54.1 12 1.2 7 0.038<br />

verweisen zu können, <strong>die</strong> Pulsperiode Π in Tagen angegeben.<br />

Sonne 110 14 2.2 5.7 0.033<br />

Tab. 5.3: Polytrope<br />

Die Pulsperiode der Sonne beträgt demnach etwa eine Stun-<br />

de. Die Originalrechnungen von Chandrasekhar (1939) sind in seinem auch heute noch lesenswerten<br />

Buch ’Stellar Structure’ zu finden.<br />

5.4.5 Eigenschaften polytroper Sterne<br />

Wie aus den Modellen für <strong>die</strong> Sonne aus obiger Tabelle hervorgeht, ist eine Polytrope mit n = 3 <strong>die</strong><br />

beste Näherung für einen Stern wie <strong>die</strong> Sonne, aber der zentrale Dichtekontrast kann nicht erreicht<br />

werden. Die eigentliche Anwendung polytroper Modelle liegt in einer analytischen Beschreibung der<br />

entarteten Materie, <strong>die</strong> nichtrelativistisch Materie hat als Zustandsgleichung<br />

P = Kρ 5/3<br />

und im Grenzfall hoher Dichten <strong>die</strong> extrem relativistische Zustandsgleichung<br />

P = Kρ 4/3<br />

Die folgende Tabelle gibt einige gerechnete Werte für Polytropen zum Index n<br />

(5.177)


304 KAPITEL 5. HYDRODYNAMIK: STERNMODELLE<br />

n ξ1 ˆm ρc/¯ρ s<br />

√ √<br />

0 6 2 6 1 ∞<br />

0.5 2.75 3.79 1.84 3<br />

1 π π π 2 /3 2<br />

Für polytrope Zustandsgleichungen<br />

P = Kρ s<br />

und s = 1 + 1<br />

n<br />

ist <strong>die</strong> Energiedichte<br />

ɛ =<br />

P<br />

s − 1<br />

n ξ1 ˆm ρc/¯ρ s<br />

1.5 3.65 2.71 5.99 5/3<br />

2 4.35 2.41 11.4 1.5<br />

3 6.90 2.02 54.1 4/3<br />

(5.178)<br />

= n P (5.179)<br />

was aus der Definitionsgleichung, Glchg. (5.68) für den Druck folgt.<br />

Für das chemische Potential µ erhält man analog<br />

µ = (n + 1) ˜m P<br />

ρ<br />

(5.180)<br />

wobei ˜m = ˜µmH <strong>die</strong> mittere Molekülmasse ist.<br />

Die innere Energie, Ui, (ohne Ruhmasse), Glchg. (5.69) und <strong>die</strong> Gravitationsenergie, Ui, Glchg. (5.70)<br />

können leicht bestimmt werden aus der Gleichung für das hydrostatische Gleichgewicht. Es ist<br />

und<br />

Ug = −<br />

3Ui = −nUg<br />

3(s − 1) GM<br />

5s − 6<br />

2<br />

R<br />

3 GM<br />

= −<br />

5 − n<br />

2<br />

R<br />

Für <strong>die</strong> Einzelkomponenten erhält man mit etwas größerem Rechenaufwand<br />

und<br />

Ui = k1Kρ 1/n<br />

c M ; k1 =<br />

Ug = −k2Gρ 1/3<br />

c M 5/3<br />

Die Gesamtenergie ist gegeben durch<br />

E = Ug + Ui =<br />

n(n + 1)<br />

(5 − n)<br />

; k2 = 3<br />

5 − n<br />

|ξ 2 Θ ′ |1<br />

ξ1<br />

|4πξ 2 Θ ′ | 1/3<br />

1<br />

ξ1<br />

3s − 4<br />

3(s − 1) Ug<br />

3 − n GM<br />

= −<br />

5 − n<br />

2<br />

R<br />

• ZUSATZ (SPEZIALFÄLLE: n = 1.5 UND n = 3)<br />

Wir betrachten noch als Grenzfälle<br />

(5.181)<br />

(5.182)<br />

(5.183)<br />

1. Das nichtrelativistische Gas<br />

Bei einem nichtrelativistischen Gas rührt der Druck aus der kinetischen Bewegung; d. h. es ist Ui = Tkin und es<br />

gilt der Virialsatz<br />

mit<br />

2Ui + Ug = 0<br />

Ug = − 6 GM<br />

7<br />

2<br />

R<br />

für s = 5<br />

3<br />

3 (bzw. n = 2 ).<br />

(5.184)


5.4. LICHT: DIE GROSSEN ENTDECKUNGEN 305<br />

2. Das relativistische Gas<br />

Die Gesamtenergie verschwindet für s = 4/3 bzw. n = 3. Es ist ferner k1 = 1.755 und k2 = 0.639. Das hydrostatische<br />

Gleichgewicht ist indifferent. Wie wir sehen werden, ist es in der Newtonschen Theorie sogar stabil.<br />

Die Masse-Radius Beziehung erhält man, wenn man <strong>die</strong> zentrale Dichte eliminiert<br />

� R<br />

ξ1<br />

� n−3<br />

oder endgültig<br />

= 4π<br />

� �n−1<br />

M<br />

ˆm<br />

�<br />

G<br />

�n (n + 1)K<br />

(5.185)<br />

G n M n−1 R 3−n = const (5.186)<br />

Mit <strong>die</strong>ser Relation kann man <strong>die</strong> Frage beantworten, was ein Stern (in der Newtonschen Theorie)<br />

macht, falls sich <strong>die</strong> Gravitationskonstante G zeitlich ändert. Es folgt für <strong>die</strong> folgenden Objekte, <strong>die</strong><br />

durch eine Polytrope beschrieben werden können.<br />

1. Planeten<br />

Für nichtrelativistisch entartete Materie (Erde) ist n = 3/2 und ein Planet dehnt sich aus, falls G<br />

abnimmt. (Das wurde von P. Jordan für <strong>die</strong> Erde und das Erde-Mond System diskutiert).<br />

2. Weiße Zwerge<br />

Polytrope zum Index n = 3 sind physikalisch besonders interessant: sie sind der Grenzfall relativistischer<br />

Druckmaterie (der Elektronen) bei Weißen Zwergen. Die Gesamtenergie E verschwindet<br />

im Grenzfall hoher Dichte.<br />

• ZUSATZ (ALTERNATIVE HERLEITUNG DER CHANDRASEKHAR MASSE)<br />

Die Variation der Gesamtenergie nach der zentralen Dichte<br />

E = Ui + Ug = k1Kρ 1/n<br />

c M − k2Gρ 1/3<br />

c M 5/3<br />

liefert für das Minimum <strong>die</strong> Bedingung<br />

∂E<br />

= 0<br />

∂ρc<br />

Die beiden Konstanten haben im Fall n = 3 den Wert k1 = 1.755 und k2 = 0.639 und in <strong>die</strong>sem Fall sind beide Terme<br />

proportional zu ρ 1/3<br />

c , was als Bedingung<br />

k1KM − k2GM 5/3 = 0 ; M =<br />

� �3/2 k1K<br />

k2G<br />

liefert. Damit haben wir eine weitere Herleitung der Grenzmasse für Weiße Zwerge (Chandrasekhar Masse)<br />

gewonnen.<br />

MCh = 1.456 (2Z/A) 2 M⊙<br />

5.4.6 Das Eddingtonsche Standardmodell<br />

Parameterdarstellung der Masse–Leuchtkraft Beziehung<br />

(5.187)<br />

Das Standardmodell erhält man, s. Glchgn. (5.102) und (5.103) für n = 3. Es gilt dann für den Druck<br />

und für <strong>die</strong> Temperatur<br />

P ∝ ρ 4<br />

3 und T ∝ ρ 1<br />

3 (5.188)


306 KAPITEL 5. HYDRODYNAMIK: STERNMODELLE<br />

oder durch <strong>die</strong> <strong>die</strong> Lane-Emden Funktion, Glchg. (5.165) ausgedrückt<br />

P ∝ Θ n+1<br />

; ρ ∝ Θ n<br />

Numerische Integration liefert für n = 3:<br />

; µ ∝ T ∝ Θ (5.189)<br />

ξ1 = 6.8968; ˆm = 2.0182; − 3<br />

Θ ′ (ξ1) = 54.18; ˆι = 10.851 (5.190)<br />

Es ist ferner (Glchg. (5.102), Index p unterdrückt):<br />

� �3/2<br />

K<br />

M = 4π ˆm<br />

πG<br />

ξ1<br />

(5.191)<br />

und wir haben das bemerkenswerte Ergebnis, daß im Standardmodell M nicht von der zentralen Dichte,<br />

ρc, oder vom Radius R abhängt. Damit ist es leicht, ein Sternmodell zu konstruieren. Mit (Glchg.<br />

(5.102), Index p unterdrückt)<br />

K =<br />

�<br />

k<br />

�4/3 �<br />

3(1 − β)<br />

˜µmHβ a<br />

� 1/3<br />

erhält man schließlich für <strong>die</strong> Masse M<br />

�<br />

18<br />

M =<br />

πaG3 �1/2<br />

� �2 �<br />

k 1 − β<br />

ˆm<br />

˜µmH β4 und für <strong>die</strong> Leuchtkraft L<br />

� 1/2<br />

(5.192)<br />

(5.193)<br />

L = (1 − β) 4πGc<br />

M (5.194)<br />

κ<br />

eine Parameterdarstellung der Masse–Leuchtkraft Beziehung. Damit wird <strong>die</strong> Bedeutung der Größe<br />

1 − β, Glchg (5.100)<br />

1 − β = Pγ<br />

P<br />

∝ T 4<br />

nT<br />

∝ T 3<br />

n<br />

∝ s<br />

n<br />

(5.195)<br />

klar: <strong>die</strong> Leuchtkraft einer Polytropen ist proportional zu spezifischen Entropie. Bemerkenswert ist<br />

hier, daß <strong>die</strong> Leuchtkraft unabhängig von der Energieerzeugungs-Rate, ´ɛ, ist. Diese muß sich also von<br />

selbst einstellen, ebenso der Radius.<br />

Eddingtons obere Schranke für <strong>die</strong> Leuchtkraft eines Sterns<br />

Der in Glchg. (5.193) auftretende Zahlenfaktor, kann mit Glchg. (5.194) in folgender Form umgeschrieben<br />

werden:<br />

�<br />

M 720<br />

= ˆm<br />

˜µmH π3 �1/2<br />

α −3/2<br />

G ≈ 20N⊙ (5.196)<br />

Er ist unabhängig von der Boltzmann Konstanten und für ihn gilt numerisch<br />

� �2 (1 − β)<br />

M<br />

= 3.02 · 10−3<br />

(˜µβ) 4<br />

M⊙<br />

d. h. für <strong>die</strong> Sonne ist 1 − β = 3 · 10 −3 , wie bereits erwähnt.<br />

Ähnlich wie bei den weißen Zwergen tritt auch hier <strong>die</strong> gravische Feinstrukturkonstante<br />

αG = Gm2 p<br />

¯hc<br />

= 5.9 · 10 −39<br />

(5.197)<br />

(5.198)


5.4. LICHT: DIE GROSSEN ENTDECKUNGEN 307<br />

in der Form α −3/2<br />

G<br />

als natürliche Einheit für <strong>die</strong> Anzahl der Moleküle im Stern auf. Das ist, wie wir<br />

sehen werden, kein Zufall. Allerdings gibt es keine Grenzmasse, sondern eine 1-parametrige Schar von<br />

Sternmassen, s. Glchg. (5.197).<br />

Zusätzlich haben wir (Glchg. (5.194) mit β = 0) eine fundamentale obere Schranke für <strong>die</strong> Leuchtkraft<br />

eines Sterns gefunden:<br />

LEdd = 4πGmHMc<br />

= 10<br />

σT h<br />

4.5<br />

� �<br />

M<br />

L⊙ = 1.3 · 10<br />

M⊙<br />

38<br />

� �<br />

M<br />

mH<br />

M⊙<br />

erg s−1 (5.199)<br />

Hauptreihensterne erreichen <strong>die</strong>se obere Schranke nicht, sie werden vorher instabil. Akkretierende<br />

Neutronensterne kommen ihr nahe.<br />

Eddingtons Leuchtkraft eines Neutronensterns<br />

Für <strong>die</strong> Chandrasekhar Masse<br />

MCh = 0.75(2Z/A) 2 mpα −3/2<br />

G = 1.456(2Z/A) 2 M⊙ (5.200)<br />

liefert das in Fundamentalkonstanten geschrieben mit 2Z = A<br />

oder<br />

LEdd =<br />

9<br />

2α √ αG<br />

LEdd = 4.3 · 10 4 L⊙<br />

2 c<br />

mec<br />

re<br />

� M<br />

MCh<br />

= 2 · 10 38<br />

� � �<br />

m<br />

mp<br />

erg s −1 (5.201)<br />

(5.202)<br />

Diese Abschätzung gilt sogar für akkretierende Neutronensterne und schwarze Löcher und ist von der<br />

Beobachtung in der eigenen Galaxis gut bestätigt.<br />

Grenzmassen<br />

Wir diskutieren <strong>die</strong> beiden Grenzfälle kleiner und grosser Masse und eichen <strong>die</strong> Masse–Leuchtkraft<br />

Beziehung anhand der Daten der Sonne.<br />

1. Massearme Sterne, 1 − β ≪ 1,<br />

dafür lautet <strong>die</strong> Eddingtonsche Masse–Leuchtkraft Beziehung:<br />

˜µ<br />

L ≈ fv<br />

4 M 3<br />

κ<br />

; fv = 2π2<br />

9<br />

acG 3 m 4 H<br />

k 4<br />

(5.203)<br />

Bei massearmen Sternen hängt <strong>die</strong> Leuchtkraft empfindlich von der Masse, M, und der chemischen<br />

Zusammensetzung, ˜µ, ab.<br />

2. Massereiche Sterne, β ≪ 1,<br />

sind besonders einfach, Glchg. (5.194) mit β = 0,<br />

L = 4πGcM<br />

κ<br />

(5.204)<br />

Die Leuchtkraft ist proportional zur Masse, M, und hängt überhaupt nicht von der chemischen<br />

Zusammensetzung, ˜µ, ab. Die Opazität κe ist für heiße Sterne durch den frequenzunabhängigen<br />

Thomson Wirkungsquerschnitt σ T gegeben:<br />

κe = σ Tne<br />

ρ<br />

Z<br />

=<br />

A<br />

σ T<br />

mH<br />

(5.205)


308 KAPITEL 5. HYDRODYNAMIK: STERNMODELLE<br />

3. Die Sonne<br />

Für <strong>die</strong> Sonne erhält man so aus den bekannten Größen<br />

Radius, R⊙ ≈ 7 · 10 10<br />

cm, Masse, M⊙ = 2 · 10 33<br />

und chemischer Zusammensetzung des Standardmodells, mit ˜µ ≈ 1 folgendes Modell: das<br />

Verhältnis von Photonendruck zum Gesamtdruck ist vernachlässigbar, 1 − β = 0.003. Die relative<br />

Massenkonzentration, (ρc/¯ρ) = 54.18, ist zwar beträchtlich, was bei der Bestimmung des<br />

Trägheitsmoments wesentlich ist, liegt aber um einen Faktor 2 unter dem realistischer numerischer<br />

Modelle für <strong>die</strong> Sonne. In absoluten Zahlen ist <strong>die</strong> Dichte im Zentrum<br />

ρc = 76.5(M/M⊙)(R⊙/R) 3<br />

Die Temperatur stimmt in etwa<br />

g cm −3<br />

Tc = 19.72 · 10 6 βµ ∗ (M/M⊙)(R⊙/R) K<br />

und gleiches gilt für den Druck<br />

Pc = 1.2 · 10 17 (M/M⊙) 2 (R⊙/R) 4<br />

dyn cm −2<br />

4. Das Lanesche Gesetz, TcR = const<br />

Anhand der Relationen TcR = const (Lane) oder PcR 4 = const (Ritter) kann man nun <strong>die</strong> wichtige<br />

Frage beantworten, was wäre wenn? Etwa, was passiert, falls <strong>die</strong> thermonuklearen Prozesse<br />

im Zentrum ganz andere sind. Falls etwa <strong>die</strong> Fusion von H zu D resonant verläuft, also sehr<br />

viel schneller. An der Leuchtkraft, L, ändert sich nichts, da sie nicht von den thermonuklearen<br />

Prozessen abhängt. Die Temperatur im Zentrum, Tc, muß sinken, bis <strong>die</strong> richtige Rate L wieder<br />

erreicht ist. Für den Radius heißt das, da das Lanesche Gesetz, TcR = const, gilt, daß der Stern<br />

sich aufblasen muß. Nach Glchg. (5.112) bedeutet <strong>die</strong>s, daß <strong>die</strong> effektive Temperatur sinkt, der<br />

Stern wird röter.<br />

• BEISPIEL (STERNMODELLE NACH EDDINGTON)<br />

Die folgende Tabelle vergleicht Sterne unterschiedlicher Masse, wie sie aus dem Eddingtonschen Standardmodell folgen:<br />

Stern 1 − β M/M⊙ L/L⊙<br />

Sonne 0.003 1 1<br />

Sirius 0.016 2.34 38.9<br />

Capella A 0.045 4 120<br />

g<br />

Stern β M/M⊙ L/L⊙<br />

OB Stern 0.5 51 7.5 · 10 5<br />

30 Doradus 0.1 1705 5 · 10 7<br />

supermassiv 0.0043 10 6 3 · 10 10<br />

Für <strong>die</strong> linke Seite der Tabelle ist 1 − β, für <strong>die</strong> rechte ist β angegeben. Die Übereinstimmung mit beobachteten Sternen ist<br />

bei massereichen Objekten recht gut. Für <strong>die</strong> Hauptreihe gilt z. B. für einen O5 Stern L = 1.5 · 10 6 L⊙ und für einen B0<br />

Stern L = 7.5 · 10 4 L⊙.<br />

Die Einträge für 30 Doradus (einem Sternhaufen in LMC) und supermassiv (mit M = 10 6 M⊙ und L = 3 · 10 10 L⊙) sind<br />

rein spekulativer Natur. Sie wurden diskutiert, als <strong>die</strong> Auflösung der Teleskope noch nicht ausreichte, 30 Dor in weitere<br />

Untereinheiten aufzulösen.


5.5. STABILITÄT 309<br />

5.4.7 Strömgrens Modell<br />

Die Idee der Homologietransformation kann wesentlich erweitert werden. Dann ergeben sich nützliche<br />

Relationen für Sternradius R und effektive Temperatur Teff. Realistische Sterne gehorchen zwar keinen<br />

Homologierelationen, dennoch sind solche Modelle nützlich. Sie liefern <strong>die</strong> Basis für eine statistische<br />

Beschreibung vieler Sterne (etwa in Kugelsternhaufen) und einen ersten Zugang, ganze Galaxien<br />

nach ihrer Farbe zu klassifizieren.<br />

Falls der Massenabsorptionskoeffizient κ (z. B. Kramers Opazität) und <strong>die</strong> Energieerzeungungsrate ˙ɛ<br />

nur von Potenzen von T und ρ abhängen und zwar, mit beliebigem a, b und s:<br />

κ ∝ ρT −3−s<br />

und ˙ɛ ∝ ρ a T b<br />

kann man noch selbstkonsistente Modelle konstruieren. Bei ihnen ist dann auch der Radius eindeutig<br />

bestimmt. Wir kommen später darauf zurück.<br />

5.5 Stabilität<br />

Woher weiß <strong>die</strong> Materie im Innern eines Sterns wie dicht und heiß sie sein muss? Die Antwort ist,<br />

sie weiß es nicht, sie muß das laufend herausfinden. Dazu vollführt sie kleine Schwingungen um <strong>die</strong><br />

Ruhelage. Ist das hydrostatische Gleichgewicht stabil, dann handelt es sich um (gedämpfte) harmonische<br />

Schwingungen, was bei Sternen der Normalfall ist. Unter besonderen Bedingungen können aber<br />

Resonanzschwingungen auftreten, wie bei den Veränderlichen, oder der Stern kann kollabieren oder<br />

auseinanderfliegen (bzw. seine Hülle abstossen).<br />

• FORMELN (DIE HYDRODYNAMISCHEN GRUNDGLEICHUNGEN)<br />

Grundlage unserer Beschreibung sind <strong>die</strong> drei Gleichungen, (5.88) ff.<br />

∆V = 4πGρ (5.206)<br />

ρ D�v<br />

dt<br />

= −∇P − ρ∇V (5.207)<br />

∂ρ<br />

∂t<br />

= −div(ρ�v) (5.208)<br />

also, in <strong>die</strong>ser Reihenfolge<br />

1. <strong>die</strong> Poisson Gleichung,<br />

2. <strong>die</strong> Eulersche Gleichung der Hydrodynamik und<br />

3. <strong>die</strong> Kontinuitätsgleichung für den Massenstrom.<br />

Dazu gehört <strong>die</strong> Zustandsgleichung P (ρ).<br />

Falls <strong>die</strong> Materiedichte ρ nur eine Funktion der Zeit ist, dann folgt, daß <strong>die</strong> Bewegung jeder Massenschale<br />

Mo = 4π<br />

3 ρoR 3 o = 4π<br />

3 ρR3<br />

homolog verlaufen muß:<br />

r(t) =<br />

mit f(to) = 1.<br />

� �1/3 ρo<br />

ro = f(t)ro<br />

ρ(t)<br />

(5.209)<br />

(5.210)


310 KAPITEL 5. HYDRODYNAMIK: STERNMODELLE<br />

5.5.1 Kollaps ohne Druck<br />

Im Falle eines anfänglich homogenen Mediums mit Dichte ρ(t = 0, r) = ρo = const und verschwindendem<br />

Druck, P (t, r) = 0, (d. h. für ein kaltes Gas; ’Staub’ genannt) und den Anfangsbedingungen<br />

1. R(0) = Ro = const<br />

2. ˙ R = ˙ Ro = const<br />

kann <strong>die</strong> Eulersche Gleichung exakt gelöst werden. Die Bewegung ist homolog (keine Massenschale<br />

überholt <strong>die</strong> andere)<br />

R(t) = f(t)Ro ; ρ(t) = f −3 (t)ρo<br />

und tritt so auch in der Kosmologie auf. Die Bewegungsgleichung<br />

¨R = −G Mo<br />

R 2<br />

˙R 2 = ˙ R 2 o + 2GMo<br />

� Ro<br />

R<br />

�<br />

− 1<br />

(5.211)<br />

hat das erste Integral (Energiesatz) mit den zwei freien Konstanten Ro (Radius) und ˙ Ro (Anfangsgeschwindigkeit).<br />

Für einen Kollaps aus der Ruhe, v(0) = ˙ Ro = 0, und mit<br />

To =<br />

� �<br />

3 1/2 � �1/2 Ro 3<br />

=<br />

2GM 8πGρo<br />

(5.212)<br />

als Einheit für <strong>die</strong> Zeitvariable erhält man für den Homologiefaktor f(t) = R/Ro <strong>die</strong> Differentialgleichung<br />

f˙2 = −1 + 1<br />

f<br />

mit der Lösung in Parameterform<br />

(5.213)<br />

R = Ro<br />

(1 + cos η) (5.214)<br />

2<br />

t = To<br />

(η + sin η) (5.215)<br />

2<br />

Das ist eine Zykloide. Die Variable η läuft von 0 bis π; <strong>die</strong> Kollapszeit ist<br />

Die Dichte<br />

Tk = π<br />

2 To<br />

� �1/2 3π<br />

=<br />

32Gρo<br />

ρ(t) = ρo (Ro/R) 3<br />

wächst am Anfang wie t 2 , später (beim Kollaps) wie t 2/3 .<br />

(5.216)


5.5. STABILITÄT 311<br />

5.5.2 Lineare Störungstheorie<br />

Der Kollaps ohne Druck ist ein (idealisierter) Sonderfall der exakt gelöst werden kann. Realistischere<br />

Situationen müßen mithilfe der Störungstheorie behandelt werden.<br />

Wir betrachten hier für spätere Anwendungen kleine Störungen im selstgravitierenden Gas (Schallwellen).<br />

Zunächst allgemein, ohne besondere Symmetrie Annahmen.<br />

Bei Kugelsymmetrie vereinfachen sich <strong>die</strong> Gleichungen immer noch beträchtlich. Sei ρ <strong>die</strong> Dichte, d.<br />

h. ρ = ˜µ¯n, dann ist <strong>die</strong> Ausbreitung von kleinen Störungen durch <strong>die</strong> Linearisierung des obigen Satzes<br />

von Gleichungen gegeben.<br />

Im folgenden wollen wir annehmen, daß das ungestörte Medium (<strong>die</strong> ganze Zeit) ruht und lokal im<br />

thermodynamischen Gleichgewicht ist. Das hydrostatische Gleichgewicht liefert dann<br />

0 = −gradPo − ρogradVo<br />

Die Auslenkung aus der Ruhelage sei δ�x. Dann ist �v = δ .<br />

�x eine kleine Größe, d. h.<br />

�v = δ d�x<br />

dt<br />

= d<br />

dt δ�x, P = Po + δP, ρ = ρo + δρ<br />

(5.217)<br />

wobei δ <strong>die</strong> kleine Änderung der jeweiligen Variablen bezeichnet. (δ und d vertauschen). Damit können<br />

wir <strong>die</strong> Gleichung der Massenerhaltung<br />

δ ˙ρ = −div(ρoδ .<br />

�x) (5.218)<br />

direkt integrieren:<br />

δρ = −div(ρoδ�x) (5.219)<br />

und <strong>die</strong> Eulersche Bewegungsgleichung vereinfacht sich zu<br />

ρo<br />

.<br />

�v= −gradδP − δρgradVo − ρogradδV (5.220)<br />

Für <strong>die</strong> Änderung des Druckgra<strong>die</strong>nten schreiben wir<br />

� �<br />

∂P<br />

gradδP = gradδρ = γ<br />

∂ρ<br />

Po<br />

gradδρ (5.221)<br />

ρo<br />

Falls P noch von der Temperatur abhängt (nichtentartete Materie), muß spezifiziert werden wie (∂P/∂ρ)<br />

zu bestimmen ist.<br />

• ANMERKUNG (ADIABATISCHE ÄNDERUNGEN)<br />

Hier hilft der 1. Hauptsatz der Thermodynamik weiter. Er lautet<br />

dE = −P dV + T dS + �<br />

µidNi<br />

Die ideale Gasgleichung<br />

2E<br />

3V<br />

= P = nkT, bzw. P = RρT<br />

˜µ<br />

i<br />

(5.222)<br />

sagt zunächst nichts aus über mögliche Änderungen von P aus. Erst eine zusätzliche Information über das thermische<br />

Verhalten der Materie (Newton hatte T = const vermutet) liefert eine eindeutige Relation zwischen dρ und dP .<br />

Beim Schall (in Luft unter Normalbedingungen) gehen Änderungen so schnell vonstatten, daß sie in guter Näherung als<br />

adiabatisch, dS = 0 (kein Wärmeaustausch zwischen benachbarten Volumelementen), betrachtet werden können.<br />

Für ein ideales, einatomiges Gas ist 3<br />

2 d(P V ) = −P dV oder P V γ = const., mit γ = 5/3.


312 KAPITEL 5. HYDRODYNAMIK: STERNMODELLE<br />

Wir definieren damit <strong>die</strong> Schallgeschwindigkeit cs<br />

c 2 � �<br />

∂P<br />

s = = γ<br />

∂ρ<br />

P<br />

ρ<br />

S<br />

(5.223)<br />

Chemische Reaktionen spielen normalerweise keine Rolle.<br />

Bei entarteten Sternen (und im frühen Kosmos) können <strong>die</strong>se durchaus wichtig sein und wir müßen �<br />

i µi dNi = 0<br />

überprüfen.<br />

Für adiabatische Änderungen gilt für den adiabatischen Index γ und für P (T ) beim idealen Gas aus Molekülen<br />

γ =<br />

f + 2<br />

f<br />

und P 1−γ T γ = const (5.224)<br />

wobei f <strong>die</strong> Anzahl der Freiheitsgrade bezeichnet. Es ist f = 3 für ein ideales, einatomiges Gas.<br />

In Molekülwolken kann T = const u. U. eine gute Näherung sein.<br />

δP<br />

δρ =<br />

� �<br />

∂P<br />

=<br />

∂ρ<br />

kT<br />

m<br />

T<br />

Die kritischen Frequenzen liegen bei (1/300 Jahren).<br />

Im weiteren werden wir der Einfachheit halber Homogenität für alle Grundgrößen fordern: Vo, Po und<br />

ρo. Der Term δρgradVo fällt weg und <strong>die</strong> Eulersche Bewegungsgleichung vereinfacht sich dann zu<br />

ρo<br />

.<br />

�v= −c 2 sgradδρ − ρogradδV (5.225)<br />

Auch <strong>die</strong> Schallgeschwindigkeit cs wird als konstant angenommen.<br />

• ZUSATZ (RECHNUNG)<br />

Wir differenzieren <strong>die</strong> Kontinuitätsgleichung für den Massenstrom und erhalten<br />

¨ρ = −div(ρo<br />

.<br />

�v)<br />

Einsetzen in <strong>die</strong> Divergenz der Eulersche Bewegungsgleichung liefert<br />

¨ρ = c 2 s∆δρ + ρo∆δV<br />

Den letzten Term ersetzen wir durch <strong>die</strong> linearisierte Poisson Gleichung,<br />

∆δV = 4πGδρ<br />

Das liefert <strong>die</strong> Master Gleichung der linearen Störungstheorie.<br />

Die Master Gleichung (Jeans, 1929) der linearen Störungstheorie lautet damit<br />

¨ρ = c 2 s∆δρ + 4πGρoδρ (5.226)<br />

Sie ist von der Form der Schrödinger Gleichung (und wurde von <strong>die</strong>sem 1939 auf den expan<strong>die</strong>ren<br />

Kosmos angewandt). Diese Gleichung schreiben wir noch dimensionslos um, mit der Variablen δ =<br />

δρ/ρo wie folgt:<br />

¨δ = c 2 s∆δ + 4πGρoδ (5.227)<br />

Die analoge Gleichung für Sternpulsationen lautet<br />

¨δ = 1<br />

ρ<br />

�<br />

γ P<br />

r2 (r2δ) ′<br />

�′<br />

+ 4πGρoδ (5.228)<br />

wobei ′ sich auf <strong>die</strong> Variable r bezieht.<br />

Im expan<strong>die</strong>renden Kosmos lautet <strong>die</strong> Gleichung<br />

¨δ + 2 ˙a<br />

a ˙ δ = c2 s<br />

a 2 ∆δ + 4πGρoδ (5.229)<br />

wobei a(t) der Skalenfaktor der Metrik ist.


5.5. STABILITÄT 313<br />

5.5.3 Schallwellen<br />

Als erstes Beispiel betrachten wir den etwas idealisierten Fall eines unendlich ausgedehnten, homogenen<br />

Mediums (ρo = const) mit konstantem Druck Po und ignorieren <strong>die</strong> Gravitation. Störungen z. B.<br />

in Luft verlaufen adiabatisch (Laplace), d. h.<br />

� ∂P<br />

∂ρ<br />

�<br />

S<br />

= (f + 2)P<br />

fρ<br />

Hier ist f <strong>die</strong> Anzahl der Freiheitsgrade, f = 5 für lin. Moleküle.<br />

Wir erhalten<br />

ρo<br />

..<br />

�x = −c 2 sgradδρ (5.230)<br />

= c 2 sgrad[div(ρoδ�x)] (5.231)<br />

oder, nach Kürzen, <strong>die</strong> Schwingungsgleichung für den Schall<br />

..<br />

�x= c 2 sgrad[divδ�x] (5.232)<br />

Wir lösen <strong>die</strong>se Gleichung mit dem (Fourier) Ansatz<br />

δ�x = �ae −iΦ , mit der Phase Φ = ωt − � k�x<br />

und der konstanten Amplitude a. Das liefert <strong>die</strong> Dispersionsrelation:<br />

ω 2 = c 2 sk 2<br />

und zusätzlich <strong>die</strong> Aussage<br />

�a � � k<br />

(5.233)<br />

d. h. Schallwellen sind longitudinal.<br />

Es ist für Luft c 2 s = 7P/5ρ = 7kT/5˜µ d. h. <strong>die</strong> Schallgeschwindigkeit ist unabhängig von der Dichte<br />

und der Frequenz.<br />

5.5.4 Das Jeans–Kriterium<br />

Als (für spätere Anwendungen wichtiges) Beispiel betrachten wir nun Störungen im homogenen, ruhenden<br />

Gas bei Berücksichtigung der Gravitation. Die Master Gleichung liefert folgende Dispersionsrelation<br />

(Jeans):<br />

ω 2 = c 2 sk 2 − 4πGρo<br />

(5.234)<br />

Der erste Term beschreibt hier wieder longitudinale Schallwellen, der zweite liefert <strong>die</strong> sog. Jeans-<br />

Instabilität. Falls nämlich<br />

− ω 2 = γ 2 = 4πGρo − c 2 sk 2 > 0<br />

ist, dann verhalten sich alle Störgrößen wie<br />

f = f+e γt + f−e −γt<br />

Im Gegensatz zum Kollaps von Staub, den wir exakt behandelt haben, ist hier das Anwachsen der<br />

Dichte jedoch scheinbar exponentiell. Da aber gerade Staub als Grenzfall enthalten ist, cs = 0, kann<br />

hier etwas nicht stimmen.


314 KAPITEL 5. HYDRODYNAMIK: STERNMODELLE<br />

• ANMERKUNG (JEANS SCHWINDEL)<br />

In der Tat haben wir zu stark vereinfacht. Dies ist der sog. Jeans Schwindel. Die Herleitung des Stabilitätskriteriums ist<br />

mathematisch nicht korrekt. Damit man alle Größen Fourier transformiert darf, müßen <strong>die</strong>se konstant sein: das ist aber für<br />

das Gravitationspotential bei konstanter Dichte ρ nicht möglich.<br />

In einer homogenen, ruhenden Gaskugel im hydrodynamischen Gleichgewicht mit Radius R gilt<br />

0 = −gradP − ρgradV (5.235)<br />

Die Berücksichtigung der Gravitation verlangt<br />

∆V = 4πGρ (5.236)<br />

Die ungestörte Lösung lautet innen, d. h. für r < R:<br />

V = 2π<br />

3 Gρ(r2 − 3R 2 ) (5.237)<br />

P = 2π<br />

3 Gρ2 (R 2 − r 2 ) (5.238)<br />

und außen:<br />

V = − 4π 1<br />

GρR3 = −GM<br />

(5.239)<br />

3 r r<br />

Die ungestörte Lösung bekommt jetzt den Index o und wir sehen: nur <strong>die</strong> Dichte kann konstant sein, Druck und Gravitationspotential<br />

können es nicht. Beide haben vielmehr einen nicht verschwindenden Gra<strong>die</strong>nten. Es gibt einen Schwerpunkt<br />

und damit ein Gravitationszentrum.<br />

Wir können uns nun wieder als Anfangsbedingung etwa eine Wolke zum Umkehrzeitpunkt einer Expansion vorstellen,<br />

<strong>die</strong>smal allerdings mit Druckgra<strong>die</strong>nt und fragen, wie <strong>die</strong> anschließende Kontraktion verläuft, d. h. wir fragen , ob <strong>die</strong> so<br />

gebildete Wolke stabil ist oder nicht. Die Auslenkung sei δ�x, dann ist �v = .<br />

�x. Wir werden als nächstes zeigen, daß nun<br />

tatsächlich exponentielles Anwachsen möglich ist, vorausgesetzt es gibt einen Druckgra<strong>die</strong>nten.<br />

Qualitativ ist <strong>die</strong> Aussage des Jeans - Kriteriums jedoch in jedem Fall korrekt.<br />

• BEISPIEL (JEANSLÄNGE UND JEANSMASSE)<br />

Die Anzahl der Freiheitsgrade pro <strong>Teil</strong>chen sei f, dann ist <strong>die</strong> innere Wärmeenergie Q = Ekin<br />

Q = CvT = fNɛ = fMkT<br />

2Amp<br />

; ɛ = 1<br />

kT (5.240)<br />

2<br />

(näherungsweise Gleichverteilung pro Freiheitsgrad, Energieeinheit ɛ) Bereits aus dem Virialsatz Egrav + 2Ekin = 0, oder<br />

−GM 2<br />

+ fNkT = 0<br />

R<br />

folgt (mit M = ˜µmHN und f = 5) für <strong>die</strong> Jeanslänge (d. h. für den Jeans Radius RJ)<br />

(5.241)<br />

� �1/2 15kT<br />

RJ =<br />

4πG˜µmHρ<br />

(5.242)<br />

Die hier (implizit) auftretende Größe kT/m ist bestimmbar aus dem Quadrat der Schallgeschwindigkeit (beim idealen<br />

Gas).<br />

c 2 s = γ p kT<br />

= γ<br />

ρ m<br />

Dies kann man auch so interpretieren: geht man von konstanter Masse und Temperatur aus, dann gibt stets es einen kritischen<br />

Radius, den Jeans Radius RJ, den wir jetzt wie folgt schreiben,<br />

� �1/2 2 πcs RJ =<br />

(5.243)<br />

4Gρ<br />

bei dessen Unterschreitung das Gas instabil wird. Die dazu gehörende kritische Masse (<strong>die</strong> Jeans Masse MJ) ist gegeben<br />

durch<br />

� �1/2 � �3/2 1 kT<br />

MJ ≈<br />

(5.244)<br />

ρ G<br />

In Zahlen<br />

MJ = 12 � T 3 /nM⊙<br />

Zum Vergleich einige Beispiele für ein ideales Gas


5.5. STABILITÄT 315<br />

1. Interstellares Medium: T � 10000 K, n � 1 cm −3<br />

MJ = 10 7 M⊙ und RJ = 500 pc<br />

2. Rekombination im Kosmos: T � 15000 K, n � 1 cm −3<br />

MJ = 5 · 10 5 M⊙ und RJ = 500 pc<br />

5.5.5 Stabilität der Sternpulsationen<br />

Wir untersuchen jetzt <strong>die</strong> Stabilität etwas genauer und realistischer anhand der bereits betrachteten<br />

Sternmodelle. Wir benutzen als unabhängige Variable <strong>die</strong> Radialkoordinate r und betrachten spezielle<br />

Sternpulsationen: stehende Wellen mit sphärischer Symmetrie, wobei für <strong>die</strong> ungestörte Lösung der<br />

Index o gilt und ′ = d/dr <strong>die</strong> Ortsableitung bedeutet.<br />

Die Schwingungsgleichung<br />

Aus der Eulerschen Bewegungsgleichung (5.89) wird im Falle von Kugelsymmetrie:<br />

�<br />

0 = −<br />

und<br />

� Po<br />

dr<br />

o<br />

− Gρo(ro)mo(ro)<br />

r 2 o<br />

(5.245)<br />

� r<br />

mo(r) = 4π ρo(x)x<br />

0<br />

2 dx (5.246)<br />

Die Randbedingungen lauten:<br />

mo(0) = 0 und Po(Ro) = 0 (5.247)<br />

wobei Ro der Radius des ungestörten Sterns ist. Multiplikation mit r und partielle Integration liefert<br />

<strong>die</strong> wichtige Beziehung<br />

�<br />

− Ug = 3 P dV (5.248)<br />

Jetzt kann man nicht mehr Fourier transformieren, da ρo, Po und mo ortsabhängig sind. Für <strong>die</strong> Lösung<br />

eines rein radial pulsierenden Sterns machen wir den Ansatz für <strong>die</strong> Auslenkung aus der Ruhlage:<br />

r(t, ro) = ro + ξ(t, r) (5.249)<br />

Mit δf bezeichnen wir <strong>die</strong> Eulersche Variation der Größe f, d. h. <strong>die</strong> Änderung von f, <strong>die</strong> ein am festen<br />

Ort befindlicher Beobachter an f misst. Daneben betrachten wir <strong>die</strong> Lagrangesche Variation, ∆f, <strong>die</strong><br />

totale Variation, <strong>die</strong> ein mit der Materie bewegter Beobachter an der Größe f mißt. Der Zusammenhang<br />

zwischen beiden ist<br />

∆f = f(r) − fo(ro) = ξ f ′ o + δf (5.250)<br />

wobei <strong>die</strong> zweite Relation <strong>die</strong> lineare Näherung ist. Für <strong>die</strong> totale Variation des Drucks, ∆P , gilt bei<br />

adiabatischer Änderung<br />

∆P<br />

P<br />

= γ ∆ρ<br />

ρ<br />

Die Massenerhaltung liefert <strong>die</strong> exakte Lagrangesche Variation<br />

integral: m(r) = mo(ro) d. h. ∆m = 0<br />

oder, in linearer Näherung,<br />

(5.251)


316 KAPITEL 5. HYDRODYNAMIK: STERNMODELLE<br />

1. <strong>die</strong> Eulersche Variation<br />

δm(r) = −4πρor 2 oξ = 4π<br />

bzw. differentiell<br />

� r<br />

δρ = −(1/r 2 )(r 2 ρξ) ′ = −ρ ′ ξ − (ρ/r 2 )(r 2 ξ) ′<br />

2. und daraus <strong>die</strong> Lagrangesche Variation<br />

∆ρ = −(ρ/r 2 )(r 2 ξ) ′<br />

Diese kann auch direkt (zur Probe) aus<br />

dr<br />

dm<br />

= 1<br />

4πρr 2<br />

gewonnen werden (s. Glchg. (5.280)).<br />

In f(t, r) separieren wir <strong>die</strong> Zeit ab,<br />

f(t, r) = ˜ f(r) e −iωt<br />

o<br />

δρ(x)x 2 dx (5.252)<br />

(5.253)<br />

(5.254)<br />

(5.255)<br />

Aus der Eulerschen Bewegungsgleichung wird im Falle von Kugelsymmetrie, wenn wir Glchg. (5.89)<br />

durch ρ divi<strong>die</strong>ren und Glchg. (5.76) für V ′ benutzen<br />

d2 ′ r G m(r)<br />

= −P −<br />

dt2 ρ r2 und linearisieren<br />

− ω 2 ξ = −δ<br />

� �<br />

′ P<br />

ρ<br />

G m(r)<br />

− δ<br />

r2 ′ δP<br />

= −<br />

ρ<br />

′ δρP G δm(r)<br />

+ −<br />

ρ2 r2 Wir benutzen Glchg. (5.250) und Glchg. (5.251) zur Bestimmung von δP<br />

δP = − ξP ′ − γP r −2 (r 2 ξ) ′<br />

Daraus folgt für <strong>die</strong> 1. Ableitung von δP<br />

δP ′ = −ξP ′′ − ξ ′ P ′ − [(γP/r 2 )(r 2 ξ) ′ ] ′<br />

Die hier auftretende 2. Ableitung von P wird mithilfe von Glchg. (5.123) eliminiert<br />

P ′′ ′ P<br />

= 2<br />

r − 4πGρ2 + P ′ ρ ′<br />

ρ<br />

und damit erhalten wir nach einfacher Zwischenrechnung <strong>die</strong> Schwingungsgleichung (Eddington, 1918)<br />

für <strong>die</strong> Sternpulsationen<br />

− ω 2 �<br />

γP<br />

ρξ =<br />

r2 (r2ξ) ′<br />

�′ ′ 4P<br />

− ξ (5.256)<br />

r<br />

Mit den Randbedingungen<br />

ξ(r = 0) = 0 und ∆P (r = R) = −γP r −2 (r 2 ξ) ′ = 0 (5.257)<br />

hat man demnach eine Eigenwert - Aufgabe zu lösen. Beide Randpunkte sind singulär, was ihre numerische<br />

Lösung erschwert. Die zweite Randbedingung bedeutet, daß (r 2 ξ) ′ regulär sein muß.


5.5. STABILITÄT 317<br />

Variationsprinzip der Perioden<br />

Die Schwingungsgleichung für <strong>die</strong> Sternpulsationen, (5.256), ist selbstadjungiert. Daraus folgt, daß <strong>die</strong><br />

Eigenwerte ω 2 reell und diskret sind und daß <strong>die</strong> Bestimmung der Eigenwerte in ein Variationsprinzip<br />

umgewandelt werden kann.<br />

Mit den Definitionen (vgl. (5.48) und (5.49))<br />

K = γP r −2<br />

W = ρr −2<br />

wobei K, W, Q alle positiv sind, erhält man:<br />

ω 2 �<br />

′ 2 2 (Kζ − Qζ )dr<br />

= min �<br />

W ζ2dr Q = −4P ′ r −3<br />

ζ = ξr 2<br />

(5.258)<br />

(5.259)<br />

Für γ = 4/3 ist ξ = r exakte Lösung (homologe Transformation) mit ω = 0. Statt einer periodischen<br />

Schwingung verhält sich ξ nun aperiodisch, ζ ∝ at + b, und <strong>die</strong> Lösung ist instabil.<br />

Für ξ = r als Ansatz im Variationsprinzip erhält man<br />

ω 2 =<br />

� (9γP − 4P ′ r 3 )r 2 dr<br />

� ρr 4 dr<br />

= (3¯γ − 4) −Ug<br />

Ĩ<br />

(5.260)<br />

dabei ist −Ug = 3 � P dV , Glchg. (5.248) benutzt worden, Ĩ ist das Trägheitsmoment bzgl. Pulsation,<br />

Ĩ =<br />

M�<br />

0<br />

r 2 dm und I = 2<br />

3 Ĩ<br />

Glchg. (5.80), und der Mittelwert des adiabatischen Index ist<br />

�<br />

2 γP r dr<br />

¯γ := �<br />

P r2dr • ZUSATZ<br />

Allgemeiner ist ξ = r n ein möglicher Ansatz, das liefert im Integranden<br />

((2 + n) 2 γ − 4(2n + 1))P r 2n mit dem Minimum n =<br />

Pulsperioden typischer Sterne<br />

4 − 2γ<br />

γ<br />

(5.261)<br />

Da für Sternmaterie stets (3¯γ − 4) > 0 ist, könnte man vermuten, daß es keine obere Massengrenze für<br />

Sterne gibt. Tatsächlich ist unsere Näherung, welche auf dem adiabatischen Index für massive Sterne<br />

beruht, dafür zu grob.<br />

Man muß dann <strong>die</strong> vollen Gleichungen mit Opazität und Strahlungstransport betrachten.<br />

Wir geben in der nebenstehenden Tabelle einige berechnete<br />

Werte für Ptheor = Π0 und für beobachtete Pobs Pulsperioden<br />

Pulsperioden<br />

(<strong>die</strong> Fundamentalmode) für ausgewählte Objekte an. Im fol- Objekt Ptheor Πobs<br />

genden Kapitel betrachten wir ihre Herleitung genauer. Neutronenstern 0.1 . . . 1 ms<br />

Die ersten drei Objekte sind entartet. Die seismische Grund- Weißer Zwerg 1 . . . 10 s<br />

schwingung der Erde (beobachtbar nach starken Erdbeben) Erde 1 h 54 min<br />

ist aufgespalten (durch <strong>die</strong> Coriolis Kraft) in Π0 = 53.1 min<br />

Sonne 57 min 48 min<br />

und 54.7 min.<br />

RR Lyrae 10 h 10 h<br />

Weiße Zwerge oder Neutronensterne sind bisher nur bei ex-<br />

Cepheiden 1 d . . . 1 yr 1 d . . . 1 yr<br />

tremer Rotation nicht aber bei Pulsation beobachtet. Der Radiopulsar<br />

PSR B1937 + 21 hat eine Rotationsperiode von<br />

Tab. 5.4: Pulsperioden<br />

nur 1.5 ms, der Weiße Zwerg WZ Sge hat P = 27.8 Sekunden.<br />

Viele Röntgenburster zeigen Quasi-periodische Oszillationen im kHz Bereich, was ebenfalls als Rotationsperiode<br />

(des Neutronensterns und seiner Akkretionsscheibe) gedeutet wird.


318 KAPITEL 5. HYDRODYNAMIK: STERNMODELLE<br />

Stabilität der Schwingungen<br />

Es sei Π <strong>die</strong> Periode der Fundamentalmode (i = 0 mit Π0). Die diskreten Eigenwerte ω 2 i und <strong>die</strong> zugehörigen<br />

regulären Eigenfunktionen ξi der Schwingungsgleichung, (5.256), bilden für i = 0 . . . ∞<br />

einen vollständigen Satz von Funktionen, nach denen jede Störung, welche <strong>die</strong> Randbedingungen<br />

erfüllt, entwickelt werden kann. Eine notwendige Bedingung für <strong>die</strong> Stabilität eines Sterns gegen radiale<br />

Schwingungen ist, daß der kleinste Eigenwert, ω 2 0 > 0 erfüllt.<br />

Die Periode der Fundamentalmode, i = 0, ist<br />

Π0 = 2π<br />

ω0<br />

(5.262)<br />

Sie ist bekannt, d. h. beobachtet, für <strong>die</strong> Sonne, RR Lyrae Sterne und Cepheiden.<br />

Ein Weißer Zwerg sollte nach einem Nova Ausbruch eine merkliche Schwingungsamplitude haben,<br />

ein Neutronenstern vermutlich nur direkt nach der Geburt oder nach einem Burst; beobachtet ist das<br />

aber noch nicht.<br />

Die homogene Gaskugel als Beispiel<br />

Die Eigenwertgleichung der homogenen Gaskugel kann exakt gelöst werden:<br />

ω 2 = 2πGργ<br />

[γ(n<br />

3<br />

2 + 5n + 6) − 8] (5.263)<br />

Wir betrachten <strong>die</strong> Dichteverteilung der homogenen Gaskugel, ρ = ρ(t) und ein ideales Gas mit adiabatischem<br />

Index γ. Für <strong>die</strong> Grundmode kann man als Ausgangslösung eine Gaskugel mit ρ = const<br />

als einfachste Näherung betrachten. Mit den Abkürzungen<br />

à =<br />

3ω2 2(4 − γ)<br />

+<br />

2πGργ γ<br />

und z = r<br />

R<br />

lautet <strong>die</strong> (singuläre) Schwingungsgleichung, (5.256), wobei ′ = d<br />

dz ist<br />

(1 − z 2 )ξ ′′ +<br />

mit den Randbedingungen<br />

Der Ansatz<br />

liefert<br />

(5.264)<br />

� �<br />

2<br />

− 4x ξ<br />

x ′ 2<br />

+ ( Ã − )ξ = 0 (5.265)<br />

x2 ξ ′ (0) = 0 und ξ(R) endlich (5.266)<br />

∞�<br />

ξ = anz<br />

n=0<br />

s+n<br />

1. <strong>die</strong> Bedingung für s<br />

(s + 2)(s − 1) = 0 (5.267)<br />

woraus s = 1 folgt, da <strong>die</strong> Lösung regulär sein muß.


5.5. STABILITÄT 319<br />

2. <strong>die</strong> Rekursionsformel für <strong>die</strong> a<br />

an+2<br />

an<br />

= n2 + 5n + 4 − Ã<br />

n 2 + 7n + 10<br />

n = 0.2.4, . . . (5.268)<br />

woraus folgt, daß n eine gerade Zahl sein muß, da <strong>die</strong> Serie divergiert. Damit gilt für <strong>die</strong> Eigenwerte<br />

à = n 2 + 5n + 4 n = 0.2.4, . . . (5.269)<br />

oder explizit<br />

ω 2 = 2πGργ<br />

[γ(n<br />

3<br />

2 + 5n + 6) − 8] (5.270)<br />

Der niedrigste Eigenwert, n = 0, der Lösung lautet demnach à = 4 und ξ = aor. Es ist dann exakt<br />

ω 2 0 = 4π<br />

3<br />

G ρ (3γ − 4) (5.271)<br />

Für ein ideales Gas ist γ = 5/3.<br />

Diesen Wert werden wir im folgenden für numerische Angaben zugrunde legen. Für <strong>die</strong> Sonne erhält<br />

man dann<br />

Π0 = 167<br />

� ρ⊙<br />

ρ<br />

min (5.272)<br />

Das ist etwa ein Faktor 3 zuviel für <strong>die</strong> Sonne, da für <strong>die</strong>se <strong>die</strong> Annahme konstanter Dichte nicht<br />

stimmt. Das Eddingtonsche Standardmodell liefert wesentlich bessere Ergebnisse. Für <strong>die</strong> Erde erhält<br />

man so 84 min, was wesentlich besser ist (etwa 20 min zuviel, auch <strong>die</strong> Erde ist nicht homogen).<br />

Polytrope<br />

Für polytrope Sternmodelle mit Index n erhält man<br />

√ �<br />

Π0 ¯ρ = fnfq mit fn = ¯ρ<br />

(n + 1)π<br />

und fq =<br />

ρc<br />

γGΩ2 (5.273)<br />

√<br />

Die mit der mittleren Dichte skalierte Pulsperiode, Π0 ¯ρ, hängt nur vom Index n ab über <strong>die</strong> relativen<br />

Massenkonzentration fn und dem dimensionslosen Eigenwert Ω und vom adiabatischen Index γ.<br />

Für das Eddingtonsche Standardmodell hat man fn = 54.18 und für <strong>die</strong> ersten i = 0 . . . 4 dimensionslosen<br />

Eigenwerte Ω2 (i) gilt für γ = 5/3 (ideales Gas)<br />

i 0 1 2 3 4<br />

Ω 2 0.1367 0.2509 0.4209 0.6420 0.9117<br />

Das liefert für <strong>die</strong> Sonne Π0 = 57 min, wie in der Tabelle angegeben. Für andere, massivere Sterne<br />

kann man den adiabatischen Index γ noch wie folgt verbessern<br />

γ =<br />

32 − 24β − 3β2<br />

24 − 31β<br />

Dabei ist β der Eddington Parameter Glchg. (5.127).


320 KAPITEL 5. HYDRODYNAMIK: STERNMODELLE<br />

5.5.6 Ein Extremalprinzip für Sternpulsationen<br />

Der Druck<br />

Extremalprinzipien spielen in der Physik zu recht eine bedeutende Rolle: <strong>die</strong> fundamentalen Feldgleichungen<br />

folgen alle aus dem Prinzip der kleinsten Wirkung. Für <strong>die</strong> phänomenologische Thermodynamik<br />

gibt es kein solches Prinzip.<br />

An seine Stelle tritt oft das Prinzip vom Minimum der Energie, bezüglich kleiner Auslenkungen aus<br />

dem Grundzustand. Bezüglich <strong>die</strong>ses Grundzustands können <strong>die</strong> Amplituden der Auslenkungen dann<br />

als kanonische Variablen benutzt werden. Grundlage sind dann <strong>Teil</strong>chenzahlerhaltung dNi = 0 und<br />

Adiabasie, dS = 0 während der Schwingung.<br />

Der erste Hauptsatz der Thermodynamik<br />

dE = −P dV + T dS + �<br />

µidNi<br />

(5.274)<br />

i<br />

liefert dann bei der Variation der Energie dE = −p dV den Druck, oder<br />

� �<br />

2 d ɛ<br />

n<br />

dn n<br />

= p (5.275)<br />

N,S<br />

Wir zeigen nun, daß bezüglich Auslenkungen aus der Ruhelage <strong>die</strong> Gesamtenergie Etot eines Sterns<br />

extremal ist, mit den folgenden Eigenschaften:<br />

1. Die 1. Variation liefert das hydrostatische Gleichgewicht.<br />

2. <strong>die</strong> 2. Variation liefert <strong>die</strong> Gleichung für <strong>die</strong> Sternpulsationen.<br />

Es ist Etot = Ug + Ui und im Falle kugelsymmetrischer Materieverteilung ist, s. <strong>die</strong> Glchgn. (5.69) und<br />

(5.61)<br />

Etot =<br />

M�<br />

0<br />

Vdm ; V = −Gm<br />

r<br />

+ ɛ<br />

ρ<br />

Die Lagrange - Form der Kontinuitätsgleichung<br />

(5.276)<br />

Als unabhängige Variable benutzen wir jetzt m statt r und gehen damit von der Eulerschen Beschreibung<br />

der Variation am festen Ort über zu den Lagrange Koordinaten der mitbewegten Materie. Da m<br />

ein Skalar, r i. a. aber ein Vektor ist, funktioniert das Verfahren nur für shpärische Störungen.<br />

Wir definieren <strong>die</strong> Energie pro Masse ˆɛ und <strong>die</strong> Auslenkung aus der Ruhelage ξ<br />

ˆɛ = ɛ<br />

; ξ = δr (5.277)<br />

ρ<br />

Während der Pulsation gilt Massenerhaltung, wie man folgendermassen zeigt: Ausgehend von<br />

r ′ = dr<br />

dm<br />

= 1<br />

4πρr 2<br />

erhalten wir für <strong>die</strong> Lagrange - Variation der Dichte<br />

� �<br />

∆ρ<br />

oder<br />

ξ ′ = δr ′ = −1<br />

4πρr 2<br />

ρ<br />

+ 2δr<br />

r<br />

(5.278)<br />

(5.279)<br />

∆ρ d<br />

= −4π<br />

ρ2 dm (r2ξ) (5.280)<br />

Das ist <strong>die</strong> Lagrange - Form der Kontinuitätsgleichung.


5.5. STABILITÄT 321<br />

Die 1. Variation der Energie<br />

Die Gesamtenergie ist gegeben durch Glchg. (5.276). Für shpärische Störungen ξ = ξ(m) hat <strong>die</strong> 1.<br />

Variation zwei Anteile:<br />

δEg =<br />

M�<br />

0<br />

Gm<br />

ξdm<br />

r2 für <strong>die</strong> Gravitation und<br />

δEi =<br />

M�<br />

0<br />

δˆɛdm mit δˆɛ = dˆɛ<br />

dρ δρ<br />

für <strong>die</strong> innere Energie. Wir benutzen (5.280) und (5.275) und erhalten<br />

δEi =<br />

M�<br />

0<br />

p<br />

∆ρdm = −4π<br />

ρ2 Die Gesamtvariation lautet<br />

δEtot =<br />

M�<br />

0<br />

M�<br />

0<br />

p(r 2 ξ) ′ dm = 4π<br />

V1ξdm mit V1 = Gm dP<br />

+ 4πr2<br />

r2 dm<br />

M�<br />

0<br />

p ′ r 2 ξdm<br />

Die Bedingung V1 = 0 ist das hydrostatische Gleichgewicht, geschrieben in der Variablen m. Demnach<br />

bedingen δEtot = 0 für beliebiges ξ und V1 = 0 sich gegenseitig.<br />

Noch einfacher ist <strong>die</strong> Herleitung, wenn wir<br />

δEi =<br />

M�<br />

0<br />

d(δEi) = −<br />

schreiben und partiell umintegrieren.<br />

Die 2. Variation der Energie<br />

Die 2. Variation wird<br />

δ 2 Etot =<br />

M�<br />

0<br />

M�<br />

0<br />

� −2Gmξ 2<br />

r 3<br />

P d(δV ) = −<br />

M�<br />

0<br />

P dδV<br />

dm =<br />

dm<br />

M�<br />

0<br />

P ′ δV dm<br />

+ 8πr dP<br />

dm ξ2 + 4πr 2 �<br />

d ∆P<br />

ξ dm (5.281)<br />

dm<br />

<strong>die</strong> beiden ersten Terme sind gleich (hydrostatisches Gleichgewicht) und der letzte wird umintegriert<br />

zu:<br />

δ 2 Etot =<br />

M�<br />

0<br />

�<br />

16πr dP<br />

dm ξ2 − ∆P d<br />

dm (4πr2 �<br />

ξ) dm<br />

Wir ersetzen ∆P nach Glchg. (5.251) und benutzen Glchg. (5.280) und erhalten mit den Bezeichnungen<br />

von Glchg. (5.48)<br />

δ 2 Etot = 4π<br />

�R<br />

0<br />

(K ζ ′ 2 − Q ζ 2 )dr


322 KAPITEL 5. HYDRODYNAMIK: STERNMODELLE<br />

Diese Form liefert das Variationsprinzip, allerdings noch ohne (kinetische) Pulsationsenergie:<br />

Epuls = 1<br />

2<br />

�R<br />

Nach dem Virialsatz gilt<br />

0<br />

˙ξ 2 dm = ω2<br />

2<br />

�R<br />

0<br />

4π ξ 2 r 2 dr<br />

1<br />

2 < Ëpuls > = 2 < Ui > + < Ug ><br />

und das ist genau das bereits abgeleitete Variationsprinzip, Glchg. (5.49). Wir sehen so, daß (für kleine<br />

Schwingungen) ein Minimum der Gesamtenergie vorliegt, falls ω 2 > 0 gilt. Dieses ist stabil. Die Fälle<br />

ω 2 ≤ 0 sind meta bzw. instabil.


Kapitel 6<br />

Planeten<br />

6.1 Problemstellung<br />

Die ersten Ansätze, <strong>die</strong> Enstehung von Planeten rein wissenschaftlich zu erklären, gehen auf den<br />

Engländer Thomas Wright und den deutschen Philosophen Emmanuel Kant zurück (Urnebel Hypothese).<br />

Die Frage, ob es im Weltraum außer der Sonne noch weitere Sterne mit Planeten gibt, ist von der Beobachtung<br />

✬nunmehr<br />

zweifelsfrei ✩mit<br />

ja beantwortet. Sogar Statistik kann man schon mit den gefundenen<br />

Planeten machen: Etwa <strong>die</strong> Hälfte sonnenähnlicher Sterne hat (massive)<br />

Die Sonne tönt nach alter Weise<br />

Planeten, <strong>die</strong> andere Hälfte nicht. Diese sind notwendigerweise Jupiter<br />

In Brudersphären Wettgesang.<br />

Und ihre vorgeschriebne Reise ähnlich und werden über <strong>die</strong> Dopplerverschiebung an Linien des Zen-<br />

Vollendet sie mit Donnergang. tralsterns nachgewiesen. Ein System wie <strong>die</strong> Sonne mit einem Jupiter in<br />

J. W. Goethe 5.2 AE Entfernung und einer Umlaufperiode von 11.8 Jahren ist derzeit<br />

✫<br />

✪(wegen<br />

der langen Umlaufperiode) noch nicht nachweisbar. Erdähnliche<br />

Planeten hat man auch entdeckt, allerdings kreisen <strong>die</strong>se um einen ms-Pulsar und keiner weiß, wie sie<br />

dahin gekommen sind.<br />

Eine Frage, <strong>die</strong> daran anschließt, kann im Augenblick nicht behandelt werden, da <strong>die</strong> Empfindlichkeit<br />

der Nachweismethode dazu noch nicht ausreicht: wie wahrscheinlich ist es, daß es ähnliche Sternsysteme<br />

wie das unsere gibt. Die bisher nachgewiesenen Planeten sind zu massiv und zu nah an ihrem<br />

Mutterstern.<br />

• ANMERKUNG (DIE ERDE UND DAS WELTBILD BIS ZUR AUFKLÄRUNG)<br />

Die Erde selbst ist eine Kugel (jedenfalls bei Pythagoras). Diese dreht sich um ihre Achse (Aristarch). Die Größe der Erde<br />

und <strong>die</strong> Entfernung von der Erde zum Mond wurden von Eratosthenes bestimmt. Die Idee, daß <strong>die</strong> Sonne im Zentrum steht,<br />

wurde von Ptolomäus verworfen, da <strong>die</strong> aristotelische Lehre für <strong>die</strong>sen Fall zu grosse Rotationskräfte vorhersagte.<br />

Grosse Weltentwürfe waren vor allem <strong>die</strong> Beschreibung der Planetenbewegungen (relativ zu den Fixsternen) am Himmel.<br />

Von Pythagoras (582 - 500 vor Chr) stammt <strong>die</strong> Bezeichnung Kosmos für <strong>die</strong> der menschlichen Erkenntnis zugängliche<br />

Welt. In der Zahl sah er den Ursprung aller Dinge. Spärenharmonie (oder Sphärenmusik) war bei ihm das Tönen der sich<br />

um das Zentralfeuer auf Kreisen bewegenden Planeten.<br />

Diese Vorstellungen eines vollkommenen Kosmos wurden zunächst fraglos von der Antike übernommen (von Hipparch,<br />

160 - 125 v. Chr. und von Ptolomäus, 90 - 168) und dann u. a. von Kopernikus (1473 - 1543), Brahe (1546 - 1601), Kepler<br />

(1571 - 1630), Galilei (1564 - 1642), Descartes und Leibniz überarbeitet bzw. neu ersonnen. Leibniz kam zu der Ansicht,<br />

daß <strong>die</strong>se Welt <strong>die</strong> beste aller möglichen Welten sei (Er wurde von Voltaire in seinem Candide dafür gehörig lächerlich<br />

gemacht).<br />

Aber erst Newton (1642 - 1727) hat mit seinem Gravitationsgesetz <strong>die</strong> Grundlage zur mathematisch physikalischen Beschreibung<br />

des Planetensystems der Sonne geliefert. Drei Problemkreise wurden durch <strong>die</strong>se Theorie aufgeworfen.<br />

1. Was ist der Urprung des Planetensystems? Newton nahm Gott als Schöpfer und auch gelegentlichen Lenker an.<br />

2. Die Frage, wie <strong>die</strong> Kraft von der Sonne auf <strong>die</strong> Planeten übertragen wird. Diese konnte er nicht beantworten und<br />

spekulieren wollte er darüber nicht (Hypotheses non fingo).<br />

323


324 KAPITEL 6. PLANETEN<br />

3. Was zeichnet den absoluten Raum aus? Auch hierauf fand er keine Antwort, aber Newton konnte mit seinem Eimerversuch<br />

zeigen, wie er festgestellt werden kann. Er ist eindeutig bis auf eine Galilei Transformation.<br />

Das Weltbild des Pierre Simon Marquis de Laplace (1749 - 1827), dargelegt in seinem Buch Le Système du Monde kommt<br />

bereits ohne einen Schöpfer und Lenker aus. Die Sonne bildet sich durch Schrumpfen des Urnebels, <strong>die</strong> Planeten entstehen<br />

aus Ringen von Gas und Staub, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Sonne abwirft, um ihren Drehimpuls loszuwerden. Auf <strong>die</strong> Frage Napoleons, wo<br />

denn in seiner Welt Gott vorkomme, antwortet Laplace mit den geflügelten Worten: Diese Annahme benötige ich nicht,<br />

Sire.<br />

Von Aristarch von Samos, der als erster um 280 vor Chr. das heliozentrische Weltbild vertreten hat, bis zu Kopernikus,<br />

der, gestützt auf genauerer Beobachtungsdaten, mit <strong>die</strong>ser Hypothese das Weltbild der Renaissance (dargelegt in De Revolutionibus<br />

Orbium Celestum) revolutionierte, vergingen fast 2000 Jahre. Kopernikus hält aber an der Beschreibung der<br />

Planetenbahnen durch Kreise (und Kreise auf Kreisen, den Epizyklen) fest.<br />

Bis zum endgültigen Modell der Planetenbahnen (Ellipsen mir der Sonne in einem Brennpunkt) vergehen nur noch 200<br />

Jahre mit wechselnden Beschreibungen.<br />

Tycho Brahe entwirft ein Mischmodell: Mond und Sonne umkreisen <strong>die</strong> Erde, alle anderen Planeten umkreisen <strong>die</strong> Sonne.<br />

Damit ist das Problem der fehlenden Parallaxe formal gelöst.<br />

Johannes Kepler findet, gestützt auf <strong>die</strong> genauen Beobachtungsdaten seines Schwiegervaters Brahe, <strong>die</strong> korrekte Bahnform<br />

(anhand der Marsbahn von 687 Tagen). Damit kann er erstmals auf Epizyklen verzichten.<br />

Galileio Galilei übernimmt das System des Kopernikus, Keplers Ellipsenbahnen lehnt er ab.<br />

Mit Newton findet <strong>die</strong> Suche nach der richtigen Bahn der Planeten ihren vorläufigen Abschluß: <strong>die</strong> Bahnen werden durch<br />

Kräfte bestimmt (nicht von Göttern). Von da an steht nicht mehr <strong>die</strong> Bahn, sondern <strong>die</strong> Kraft (und ihre Quelle) im Vordergrund<br />

des physikalischen Interesses. Das gilt bis heute.<br />

Bei bekannten Kräften kann man (insbesondere bei makroskopischen Systemen wie den Planeten, falls <strong>die</strong> Anfangsbedingungen<br />

bekannt sind) zweierlei tun:<br />

1. <strong>die</strong> zukünftige Entwicklung,<br />

2. <strong>die</strong> Vergangenheit<br />

vorhersagen. Damit stellt sich sofort <strong>die</strong> Frage nach dem Ursprung des Sonnensystems. Bei Newton ist noch Gott als<br />

Schöpfer dafür zuständig, bei Laplace (und Maxwell) bereits nicht mehr. Von Newtons Hypotheses non fingo, womit er<br />

sagen wollte, daß man über den Ursprung des Universums im Rahmen der bekannten Physik keine Aussage machen kann,<br />

bis zu Laplaces Je n’ai pas besoin de cette hypothèse, als Antwort auf Napoleons Frage, wo denn bei ihm der Schöpfer<br />

vorkomme, sind es dabei nur noch 100 Jahre.<br />

Die astronomische Einheit AE, d. h. <strong>die</strong> Entfernung Erde-Sonne, ist <strong>die</strong> Grundeinheit der Länge im<br />

Sonnensystem und es gilt:<br />

1 AE = D Erde-Sonne = 2.3 · 10 4 R⊕ = 1.49 · 10 13<br />

oder, genauer<br />

1AE = 149597892 km<br />

cm ∼ = 500 s<br />

Zur Grundeinheit der Länge im Sonnensystem gehört <strong>die</strong> der Zeit: <strong>die</strong> Bahnperiode der Erde beträgt<br />

siderisch:<br />

1 yr = 365.25636 d, oder 3.1558 · 10 7<br />

Da <strong>die</strong> Frage, ob es im Weltraum außer der Sonne noch weitere Sterne mit Planeten gibt, nunmehr<br />

positiv beantwortet ist<br />

• ZUSATZ (DER WEG ZUM NÄCHSTEN STERN)<br />

Bis 40 AE.<br />

Der Rand des Planeten und Asteroiden Systems der Sonne (Kuiper Gürtel) liegt bei etwa 40 AE. Bis hierher sind<br />

bereits Raumsonden gelangt.<br />

Bis 80 AE.<br />

Die Heliosphäre (d. h. der Einfluß des Sonnenwindes mit seinem Magnetfeld) reicht bis etwa 80 AE (<strong>die</strong>se Entfernung<br />

wird etwa 2001 von Voyager 1 erreicht).<br />

s


6.2. DAS PLANETENSYSTEM DER SONNE 325<br />

Bis 200 AE.<br />

Die lokale interstellare Wolke (Übergang des Sonnenplasmas ins interstellare Medium) reicht bis etwa 200 AE.<br />

Bis 40 000 AE.<br />

Der direkte gravische Einfluß der Sonne reicht etwa bis zur Oortschen Wolke in 40 000 AE Entfernung, das sind 0.2<br />

Parsec.<br />

Bis 1 Parsec (Erdbahnparallaxe) = 206 265 AE.<br />

Eine wichtige (astronomisch technische) Grundeinheit ist<br />

1 pc = 206265 AE = 3.08 · 10 18<br />

Der nächste bekannte Stern ist 1.3 pc entfernt.<br />

6.2 Das Planetensystem der Sonne<br />

6.2.1 Einleitung: <strong>die</strong> Gestalt der Planeten<br />

Von den vier Fundamentalkräften bestimmen zwei <strong>die</strong> Gestalt der Planeten:<br />

1. das quantisierte Elektronengas plus Coulombkraft und<br />

2. <strong>die</strong> Gravitationskraft.<br />

cm = 3.26 Lichtjahre (6.1)<br />

Über das Innere der Planeten ist nicht viel aufgrund von Beobachtung bekannt, insbesondere <strong>die</strong> Innentemperatur<br />

ist unsicher (der Druck stammt hauptsächlich von entarteten Elektronen). Unser Wissen<br />

beruht zumeist auf theoretischen Modellen. Grundlage ist <strong>die</strong> Kenntnis der Zustandsgleichung für entartete<br />

Materie. Diese wurde erstmals ∗ von Feynman, Metropolis und Teller (1949) hergeleitet. Für <strong>die</strong><br />

Erde können Komprssions und Elastizitätsmodul aus Erdbebenwellen und aus dem Chandler Wobbel<br />

bestimmt werden.<br />

6.2.2 Aufbau der Planeten<br />

Wir betrachten im folgenden der Reihe nach<br />

1. Planeten im Grundzustand (Kugel),<br />

2. als pulsierende bzw.<br />

3. als starr rotierende Flüssigkeit und<br />

4. als Begleiter eines zweiten Objekts.<br />

Wir bezeichnen das Gravitationspotential mit φ, den Druck mit P und <strong>die</strong> Winkelgeschwindigkeit der<br />

Rotation mit Ω.<br />

Die Grundgleichungen<br />

Dann lauten <strong>die</strong> Grundgleichungen, <strong>die</strong> neben der Zustandsgleichung P = P (ρ) für entartete Materie<br />

benötigt werden<br />

ρ ∂2�r ∂t2 = −ρ� ∇φ − � ∇P − ρ� ∇Zrot (6.2)<br />

∆φ = 4πGρ (6.3)<br />

Zrot = − 1<br />

(6.4)<br />

2 � ∇(Ω × r) 2<br />

Also in <strong>die</strong>ser Reihenfolge: Eulersche Gleichung, Poissonsche Potentialgleichung und Zentrifugalpotential<br />

für starre Rotation.<br />

∗ Feynman, R.P. and N. Metropolis and E. Teller Equations of state of elements based on the generalized Fermi-Thomas<br />

theory 1949 Phys.Rev. 75, 1561. Eine Verbesserung wurde von Salpeter angegeben. E.E. Salpeter Energy and pressure of<br />

a zero temperature plasma 1961, Ap.J. 134.669.


326 KAPITEL 6. PLANETEN<br />

Das Gravitationspotential<br />

Wir fassen hier <strong>die</strong> mathematischen Grundlagen zur Lösung der Poissonschen Potentialgleichung zusammen.<br />

• FORMELN (DIE LAPLACE GLEICHUNG)<br />

Wir beginnen mit den Eigenschafte der ’Laplace Gleichung’, hier für das Potential V geschrieben (mit den Winkeln θ und<br />

φ, r ist hier Radial-Koordinate)<br />

div gradV = ∆V = 0 (6.5)<br />

welche das Feld im quellfreien Raum beschreibt. Der Operator lautet in Kugelkoordinaten<br />

∆ = 1<br />

r 2<br />

� �<br />

∂ 2 ∂<br />

r +<br />

∂r ∂r<br />

1<br />

r2 �<br />

1<br />

sin θ<br />

�<br />

∂<br />

sin θ<br />

∂θ<br />

∂<br />

�<br />

+<br />

∂θ<br />

1<br />

sin 2 θ<br />

∂2 ∂φ2 �<br />

Die allgemeine Lösung in Kugelkoordinaten ist separabel und enthält 3 verschiedene Anteile: eine Qrtsfunktion f(r) und<br />

eine Kugelfunktion, X m l , <strong>die</strong> selbst Produkt zweier Winkelfunktionen ist.<br />

Die Winkelanteile davon sind Darstellungen der Drehgruppe zum Drehimpuls l. Darin liegt ihre grosse Bedeutung: alle<br />

physikalischen Skalare haben <strong>die</strong>se Winkelabhängigkeit (Schrödingergleichung, Maxwellgleichung etc.), falls sie einer<br />

linearen Differentialgleichung gehorchen.<br />

Die Kugelfunktionen sind wie folgt definiert:<br />

wobei P m<br />

l<br />

X m l = e imφ P m<br />

l (cosθ) (6.7)<br />

<strong>die</strong> Legendre–Funktionen sind.<br />

Die Kugelfunktionen erhalten noch den Faktor<br />

e imφ , und <strong>die</strong> in der Tabelle aus Platzgründen<br />

fehlende Funktion lautet<br />

(3 sin θ − sin 3θ)ei3φ<br />

X3 3 = 15<br />

4<br />

Der Radialanteil der Gesamtfunktion Vmm hat<br />

zwei Terme, hier mit + und − bezeichnet. Sie<br />

lauten,<br />

1. für <strong>die</strong> im Unendlichen reguläre Funktion:<br />

V − mn = r−n−1 Xm l<br />

bzw.<br />

2. für <strong>die</strong> im Ursprung reguläre Lösung:<br />

Legendre Funktionen P m n<br />

n m = 0 m = 1 m = 2<br />

0 1 0 0<br />

1 cos θ sin θ 0<br />

1<br />

3<br />

2 4 (3 cos 2θ + 1)<br />

3 1<br />

8 (5 cos 3θ + 3 cos θ) 3<br />

3<br />

2 sin 2θ<br />

8 (5 sin 3θ + sin θ) 15<br />

4<br />

Tab. 6.1: Kugelfunktionen<br />

(6.6)<br />

2 (1 − cos 2θ)<br />

(cos θ − cos 3θ)<br />

V + mn = r n X m l .<br />

Für <strong>die</strong> Aussenlösung kommt demnach nur <strong>die</strong> erste infrage.<br />

Aus <strong>die</strong>sen skalaren Basisfunktionen, <strong>die</strong> ein vollständiges System bilden, kann man <strong>die</strong> Lösungen der inhomogenen Gleichungen<br />

gewinnen, wie wir jetzt zeigen wollen.<br />

• FORMELN (DIE POISSONSCHE POTENTIALGLEICHUNG)<br />

Ausgehend vom Newtonschen Potential für ein Punktteilchen<br />

V (�r) = Gm 1<br />

|�r|<br />

zur Dgl. ∆V = 4πGδ(�r)) (6.8)<br />

erhalten wir wegen der Linearität der Differentialgleichung für N <strong>Teil</strong>chen<br />

V (�r) =<br />

N� 1/<br />

Gmi<br />

�r − �ri|<br />

i=1<br />

und daraus im Grenzübergang kontinuierlicher Materieverteilung der Massendichte ρ <strong>die</strong> Poissonsche Potentialgleichung<br />

∆V = 4πGρ (6.10)<br />

Wir lösen <strong>die</strong>se demnach für das Gravitationspotential V mit dem folgenden Ansatz (Greensche Funktion)<br />

�<br />

V (�r) = G<br />

ρ(�u)/<br />

�r − �u| d3u (6.11)<br />

(6.9)


6.3. DER INNERE AUFBAU DER PLANETEN 327<br />

Ausserhalb der Materieverteilung muß <strong>die</strong> Lösung in <strong>die</strong> der ’Laplace Gleichung’ übergehen. Das liefert folgende Multipolentwicklung<br />

V (�r) = −GM �<br />

n<br />

αnr −n−1 X m l<br />

Im Falle des Newtonschen Gravitationspotentials fällt der Dipolterm weg, und <strong>die</strong> ersten beiden Terme lauten (in der<br />

Definition von Landau und Lifschitz)<br />

�<br />

M 1<br />

V (�r) = −G +<br />

r<br />

mit dem Quadrupolmoment<br />

�<br />

Dαβ =<br />

∂ 2<br />

6 Dαβ<br />

∂xα∂xβ �<br />

(6.12)<br />

(6.13)<br />

ρ(3xαxβ − r 2 δαβ)dV (6.14)<br />

• FORMELN (DIE HELMHOLTZ GLEICHUNG)<br />

Hierher gehört auch <strong>die</strong> ’Helmholtz Gleichung’<br />

∆A + k 2 A = 0 (6.15)<br />

bzw. <strong>die</strong> Yukawa Gleichung mit umgekehrten Vorzeichen, k = iµ. Leider ist der Übergang k → 0 singulär, sodaß selbst<br />

<strong>die</strong> beiden Fälle, ’Laplace Gleichung’ und ’Helmholtz Gleichung’, getrennt behandelt werden müssen. Dieses verschieben<br />

wir auf später (Elektrodynamik).<br />

6.3 Der innere Aufbau der Planeten<br />

Einfache Modelle für Planeten, braune und weiße Zwerge erhält man für folgende Zustandsgleichungen:<br />

1. ρ = const. Inkompressible Materie (Limes zu n = 0).<br />

2. P = Kρ 2 . Polytrope zum Index n = 1.<br />

3. P = Kρ s . Polytrope zum Index n mit s = 1 + 1<br />

n .<br />

Die beiden ersten Modelle können vollständig analytisch behandelt werden, sind also besonders bequem<br />

zu einer qualitatven Diskussion geeignet. Inkompressible Materie erlaubt sogar eine exakte<br />

Lösung bei Rotation. Wir werden sie betrachten bei der Behandlung der Rotation der Erde, Maclaurin<br />

(1742) fand <strong>die</strong> nach ihm benannten 2-achsigen Rotations-Ellipsoide mit grosser Hauptachse a = b und<br />

und kleiner Hauptachse c = a √ 1 − e 2 . Jacobi (1834) fand eine weitere Sequenz, und zwar 3-achsige<br />

Ellipsoide (geringerer Energie) a > b > c bei hohem Drehimpuls. Poincaré fand (1855) eine weitere<br />

Sequenz zur Jacobi Sequenz.<br />

Nichtrelativistische Materie (genügender Dichte) kann mit n = 1.5 und relativistische Materie mit<br />

n = 3 beschrieben werden. Die Sonne selbst ist nichtentartet, hat also keine Zustandsgleichung der<br />

Form P = P (ρ), sie kann aber als Polytrope mit n = 3 genähert werden.<br />

6.3.1 Inkompressible Materie<br />

Einfachste Grundlage zur Beschreibung des Inneren eines Planeten ist <strong>die</strong> inkompressible, homogene<br />

Kugel. Wir bezeichnen das Gravitationspotential mit φ und lösen <strong>die</strong> Poissonsche Potentialgleichung<br />

∆φ = 4πGρ (6.16)


328 KAPITEL 6. PLANETEN<br />

in sphärischen Koordinaten für Kugelsymmetrie:<br />

∆φ = 1<br />

r2 d d<br />

r2 φ = 4πGρ (6.17)<br />

dr dr<br />

Die Differentialgleichung ist singulär bei r = 0. Die singuläre Lösung<br />

φ = φs = − Gm0<br />

r<br />

im Innern des Sterns beschreibt eine Punktmasse im Zentrum und wird aus physikalischen Gründen<br />

ausgeschlossen. Wenn wir <strong>die</strong> Masse innerhalb des Radius r mit m = m(r) bezeichnen, dann gilt für<br />

<strong>die</strong> Ableitung vom Potential (Beschleunigung g):<br />

g = − dφ<br />

dr<br />

Gm 4π<br />

= =<br />

r2 3<br />

Die reguläre Lösung im Innern lautet<br />

φ = φ0 + 2πGρ<br />

r<br />

3<br />

2 = φ0 + Gm<br />

2r<br />

Gρr (6.18)<br />

(6.19)<br />

Die Aussenlösung, d. h. wo ρ(r) = 0 ist, wird so geeicht, daß φ(∞) = 0 gilt. Die Integrationskonstante<br />

der Innenlösung ist dann eindeutig bestimmt: φ0 wird so gewählt, daß <strong>die</strong> Außenlösung<br />

φ = − GM<br />

r<br />

; ∆φ = 0 (6.20)<br />

stetig am Rand M = m(R) an <strong>die</strong> Lösung im Innern anschließt. Das liefert<br />

φ0 = − 3GM<br />

2R<br />

; R : Radius M : Masse (6.21)<br />

Der Druck muß als Kraft pro Fläche ebenfalls stetig sein,<br />

P (R) = 0 ; R : Radius (6.22)<br />

Den Druck im Innern erhalten wir damit aus<br />

zu<br />

dP<br />

dr = P ′ = −Gρ Gm<br />

r2 P = 1<br />

2 ρ<br />

�<br />

GM<br />

R<br />

�<br />

Gm<br />

−<br />

r<br />

Für den Druck im Zentrum gilt also<br />

Pc = ρGM<br />

2R<br />

(6.23)<br />

(6.24)<br />

= −1 ρφ(R) (6.25)<br />

2<br />

für <strong>die</strong> inkompressible, homogene Kugel.<br />

Die singuläre Lösung (Index s) hat zusätzlich den Term<br />

Ps = P + Gρm0<br />

r<br />

der Druck divergiert im Zentrum.<br />

Wir betrachten nun eine Sequenz von inkompressiblen, homogenen Kugeln mit der Masse M als Parameter.<br />

Der Radius R solcher Kugeln wächst unbeschränkt wie M 1/3 .


6.3. DER INNERE AUFBAU DER PLANETEN 329<br />

Um zu sehen, wann unsere einfache Näherung konstanter Dichte ihre Gültigkeit verliert, schreiben wir<br />

P ′ = dP<br />

dρ ρ′ = −Gρ Gm<br />

r2 und schätzen ∆ρ ≈ ρ ′ R < ρ ab. Dazu setzen wir<br />

dP<br />

dρ = c2s und v 2 esc = 2GM<br />

R<br />

(6.26)<br />

(6.27)<br />

wobei cs <strong>die</strong> Schallgeschwindigkeit und vesc <strong>die</strong> Entweichgeschwindigkeit ist.<br />

Die Bedingung für <strong>die</strong> Anwendbarkeit unserer einfachen Näherung ρ = const, lautet demnach, wenn<br />

wir<br />

∆ρ<br />

ρ ≈ v2 esc<br />

c 2 s<br />

abschätzen:<br />

c 2 s ≫ v 2 esc<br />

Für reines Eisen ist (der Laborwert, unter Normalbedingungen) cs = 7.1 km s −1 und für <strong>die</strong> Erde<br />

beträgt vesc = 11.2 km s −1 . Die Bedingung für <strong>die</strong> Anwendbarkeit unserer einfachen Näherung ist<br />

damit für <strong>die</strong> Erde deutlich verletzt.<br />

Die Grenzmasse, <strong>die</strong> unserer einfachen Näherung entspricht, beträgt<br />

Mc = 4 · 10 26<br />

g oder Mc = M⊕/14 (6.28)<br />

bei einem Radius von R = 2 · 10 8 cm, was Rc = R⊕/2.7 entspricht.<br />

Zum Vergleich: der Mond hat M = 0.012M⊕ und R = 0.274R⊕ und liegt damit etwas über <strong>die</strong>ser<br />

Grenze.<br />

6.3.2 Die Zustandsgleichung<br />

Für genauere Aussagen über das Innere von Planeten benötigen wir <strong>die</strong> Zustandsgleichung. Als extreme,<br />

idealisierte Beispiele betrachten wir reines Eisen (Erde) und reinen Wasserstoff (Jupiter). Für<br />

Laborbedingungen (etwa <strong>die</strong> Oberflächenverhältnisse der Planeten) muß <strong>die</strong>se zunächst experimentell<br />

bestimmt werden. Die entscheidende Größe ist k, <strong>die</strong> hydrostatische Kompressibilität, welche für<br />

entartete Materie aus der Schallgeschwindigkeit cs bestimmt werden kann:<br />

k = − 1<br />

V<br />

dV<br />

dP<br />

= 1<br />

ρ<br />

dρ<br />

dP =<br />

1<br />

ρc 2 s<br />

(6.29)<br />

Bei entarteter Materie spielt <strong>die</strong> Temperatur keine Rolle, chemische Reaktionen sind ebenfalls vernachläßigbar.<br />

Sonst muß <strong>die</strong> Ableitung den thermodynamischen Bedingungen entsprechend genom-<br />

men werden:<br />

c 2 � �<br />

dP<br />

s =<br />

dρ S<br />

falls <strong>die</strong> Schwingungen adiabatisch sind, S = const. Im hydrostatischen Gleichgewicht gilt der Grenzfall<br />

extrem niedriger Frequenzen.<br />

Für Eisen ist k = 0.6 · 10−12 g−1 cm s2 und ρ = 7.86 g cm−3 . Die zu k inverse Größe heißt Elasti-<br />

zitätsmodul E und es gilt<br />

cs =<br />

�<br />

E<br />

ρ<br />

Ab ρ = 15 g cm −3 gibt es (für niedrige Temperaturen) Rechnungen von Feynman, Metropolis und<br />

Teller, <strong>die</strong> ab etwa ρ = 10 4 g cm −3 in <strong>die</strong> Zustandsgleichung des freien Elektronengases übergehen.


330 KAPITEL 6. PLANETEN<br />

6.3.3 Die Zustandsphasen<br />

Bei der Erde sind in der Kruste und im Kern Korrelationsenergie eines Eisengitters und Gravitationsenergie<br />

vergleichbar. Sie liegt damit gerade an der Grenze zweier Phasen: fest und flüssig. So kann<br />

man <strong>die</strong> maximale Höhe von Bergen, h, und damit <strong>die</strong> Ebenheit der Erdoberfläche, abschätzen, nach<br />

der Formel:<br />

kTs = mF eg h mit kTs � α 3 mec 2<br />

wobei für Ts etwa <strong>die</strong> Schmelztemperatur von Eisen (oder Stein) einzusetzen wäre. Hier ist mgh <strong>die</strong><br />

pot. grav. Energie am Fusse des Berges, von der Spitze aus gemessen, und g = 981 cm s −2 <strong>die</strong> Erdbeschleunigung.<br />

Für den Schmelzdruck erhält man mit<br />

Ps � nkTs<br />

aus unserer Abschätzung für T etwa Ps ≈ 10 9 dyn cm −2 und aus Ps = gρh <strong>die</strong> maximale Höhe damit<br />

zu h ≈ 10 km. Sieht man von Inhomogenitäten in der Dichte ab, dann ist das in etwa auch <strong>die</strong> Dicke<br />

der Erdkruste.<br />

Unsere Formel<br />

h = Ps<br />

gρ = α3mec2 mF eg<br />

g = GM<br />

R 2<br />

können wir nun an anderen Planeten testen: für den Mars erhält man h ≈ 26 km (der Olympus Mons<br />

hat 24 km) und für den Mond mit g = 0.165g⊕ sogar h ≈ 60 km, was in etwa für <strong>die</strong> Dicke der<br />

Mondkruste zutrifft (Berge vulkanischen Ursprungs gibt es dort nicht). Auf der Venus ist Maxwell<br />

Montes mit 12 km der höchste Berg (in einem Gebirge der Ausmasse 700 km mal 400 km). Planeten<br />

sind demnach mit h/R ≈ 10 −3 sehr rund, was für <strong>die</strong> kleineren Monde, Asteroiden und Planetoiden<br />

nicht mehr gilt. Entsprechend unregelmässig sind letztere geformt. Die beiden Mars Monde Phobos<br />

(gr. Furcht) und Deimos (gr. Panik) haben Abmessungen 28 mal 23 mal 20 km und 16 mal 12 mal 10<br />

km.<br />

Nehmen wir als einfachsten Fall an, daß der Planet aus reinem Wasserstoff mit der Masse m := mH besteht.<br />

Die Coulomb-Abstossung des Hüllen-Elektrons mit seinem nächsten Nachbarn liefert <strong>die</strong> Kraft,<br />

um der Gravitation <strong>die</strong> Waage zu halten. Der Quotient beider Kräfte, bezogen auf <strong>die</strong> schweren Protonen,<br />

an denen <strong>die</strong> leichten Elektronen hängen, ist eine der Diracschen grossen Zahlen<br />

D1 = e2<br />

≈ 1036<br />

Gm2 (6.30)<br />

Da <strong>die</strong> Gravitation unendliche Reichweite hat, <strong>die</strong> Coulomb - Kraft jedoch abgeschirmt wird, vergrößert<br />

sich das Verhältnis von Gravitationskraft zu Coulomb - Kraft bei N <strong>Teil</strong>chen um das N-fache.<br />

Eine kritische Grenzmasse, Mc, erhält man für Planeten, indem man beide Kräfte, oder – einfacher –<br />

ihre Bindungsenergien, gleich setzt.<br />

Das ergibt, wenn man den mittleren Elektronenabstand mit l ≈ RN −1/3 abschätzt,<br />

Ne 2<br />

l<br />

= N 4/3 e 2<br />

R<br />

= Gm2 N 2<br />

R<br />

Der Radius R hebt sich heraus und man erhält für einen Planeten eine kritische <strong>Teil</strong>chenzahl, Nc, und<br />

eine dazu gehörende kritische Masse Mc:<br />

Nc = D 3/2<br />

1<br />

≈ 10 54<br />

bzw. Mc = mHN ≈ 10 −3 M⊙ (6.31)<br />

Bis zu Mc dominiert <strong>die</strong> Coulomb - Kraft den Planeten, für größere Massen sind beide gleich wichtig.


6.4. DIE NEUN PLANETEN DER SONNE 331<br />

Statt der Coulomb - Kraft hätten wir auch den Pauli - Druck benutzen können und für unsere Abschätzung<br />

eine nichtrelativistische, inkomressible Flüssigkeit † mit einem <strong>Teil</strong>chen pro Atomvolumen<br />

v = 4π<br />

3 r3 B ≈ 5 · 10 −25<br />

cm 3 oder ρ = mp<br />

v<br />

≈ 3 g cm−3<br />

betrachten können.<br />

Der Planet Jupiter liegt gerade an <strong>die</strong>ser Grenze mit einer Masse von 10 −3 M⊙ = 318M⊕, einer mittleren<br />

Dichte von ρ = 1.3 g cm −3 und einem Durchmesser von D = 0.1D⊙ = 11.25D⊕ = 140 000<br />

km.<br />

Bis zu <strong>die</strong>ser Grenze Mc wächst der Radius einer von der Gravitation zusammengehaltenen Kugel<br />

aus Wasserstoff, danach sorgt <strong>die</strong> Gravitation für ein Schrumpfen des Radius bei wachsender Masse.<br />

Die Atome werden durch <strong>die</strong> Gravitation bei wachsender Masse aufgelöst, es bildet sich ein freies<br />

Elektronengas, neutralisiert durch Atomkerne. Früher waren Planeten solcher Masse nicht bekannt<br />

und man nahm an, daß ein starker Sternenwind ihr Wachstum verhindert. Mittlerweile sind 2 Planeten<br />

mit M = 2.4Mc und 6.5Mc gefunden worden und es werden wohl noch mehr werden.<br />

6.4 Die neun Planeten der Sonne<br />

6.4.1 Jupiter<br />

Der Planet Jupiter ist sowohl astronomisch als auch astrophysikalisch besonders interessant. Er stellt<br />

mit seinen Monden praktisch ein Sonnensystem in miniatur dar, allerdings mit bedeutenden Unterschieden:<br />

<strong>die</strong> Masse und der Drehimpuls stecken im Zentrum, <strong>die</strong> (Galileischen) Monde zeigen eine<br />

extrem scharfe Resonanz. Die Perioden von Io, Europa und Ganymed erfüllen<br />

1 1<br />

τI<br />

− 3 1<br />

τE<br />

+ 2 1<br />

τG<br />

= 0<br />

auf neun Stellen genau. Im Sonnensystem selbst enthält Jupiter den Hauptanteil am Bahn Drehimpuls,<br />

er hat auch <strong>die</strong> größte Eigenrotation (Spin). Im System Sonne Jupiter wurde (1906) der erste Asteroid<br />

an einem stabilen Lagrange Punkt gefunden.<br />

Wir definieren nochmals Masse<br />

Mc = mHD 3/2<br />

1 ≈ 10 −3 M⊙ und D1 = e2<br />

≈ 1036<br />

Gm2 und Radius eines kritischen Planeten<br />

Rc = D 1/2<br />

1 r B ≈ 5 · 10 9<br />

(6.32)<br />

cm (6.33)<br />

Der Planet Jupiter, mit einer mittleren Dichte von ρ = 1 g cm −3 und einem Radius von R = 0.1R⊙<br />

und mit einer Masse von 10 −3 M⊙, liegt, wie wir gesehen haben, an <strong>die</strong>ser kritischen Grenze, an der<br />

<strong>die</strong> Gravitation zu dominieren beginn: es ist <strong>die</strong> minimale Masse, ab der Planeten schrumpfen wenn<br />

Materie hinzugefügt wird.<br />

Von außen nach innen befindet sich beim Jupiter der Wassertstoff in folgenden Phasen: molekular<br />

(gasförmig und fest), atomar und metallisch. Bei nicht zu hoher Temperatur im Zentrum ist der Wasserstoff<br />

dort fest, es ist sogar möglich, daß er supraleitend wird. Daran schließt sich ein Fe - Ni Kern<br />

von etwa 13 M⊕ an.<br />

Der Wärmeinhalt beträgt 10 42 erg und <strong>die</strong> Verlustrate 4 · 10 24 erg s −1 .<br />

† Für eine relativistische Flüssigkeit ist e 2 durch ¯hc zu ersetzen und man erhält eine um den Faktor α −3/2 grössere<br />

Grenzmasse: <strong>die</strong> Chandrasekhar Masse für weiße Zwerge.


332 KAPITEL 6. PLANETEN<br />

6.4.2 Die anderen Planeten<br />

Bisher sind – außer der Erde – 9 Planeten ‡ bekannt. Die inneren Planeten (Merkur, Venus, Erde, Mars)<br />

haben ähnliche Dichte und keine (Merkur, Venus) oder wenige Monde (Erde 1: Luna, Mars 2: Phobos<br />

& Daimos). Die äusseren Planeten haben geringere Dichte, viele Monde (Jupiter: 16, Saturn: 16,<br />

Uranus: 5, Neptun: 2, Pluto: 1) und zum <strong>Teil</strong> Ringe (Jupiter, Saturn).<br />

Im Gegensatz zu den Planeten sind deren Monde nicht mehr geologisch aktiv: mit einer bedeutenden<br />

Ausnahme. Io, ein aus Schwefel bestehender Galiläischer Mond des Jupiter, zeigt ausgesprochenen<br />

Vulkanismus. Des Rätsels Lösung: <strong>die</strong> drei restlichen Galiläischen Monde stören <strong>die</strong> Bahn von Io,<br />

sodaß sie nicht mehr kreisförmig um Jupiter verläuft. Die Gezeitenkräfte des Jupiter heizen dabei<br />

durch Reibung den Schwefel so stark auf, daß es zu riesigen Schwefel-Fontänen kommt.<br />

Name Radius Masse Dichte Distanz Prot Torb Monde<br />

(Erde) (Erde) g cm −3 AE d yr<br />

Merkur 0.38 0.055 5.4 0.39 58 0.24 0<br />

Venus 0.95 0.81 5.1 0.72 -243 0.61 0<br />

Erde 1 1 5.5 1 1 1 1<br />

Mars 0.53 0.11 3.9 1.5 1.0 1.84 2<br />

Asteroiden 2.8 (1)<br />

Jupiter 11 318 1.3 5.2 0.41 11.8 16<br />

Saturn 9.4 95 0.70 9.5 0.43 29 16<br />

Uranus 4.4 15 1.0 19 -0.51 83 5<br />

Neptun 3.9 17 1.7 30 0.66 164 2<br />

Pluto 0.26 0.0023 0.8 39 6.4 243 1<br />

Kuiper Gürtel 0.04 40 > 160 -<br />

Oort Wolke 4 · 10 4 3 · 10 7 -<br />

Tab. 6.2: Parameter der Planeten<br />

Merkur dreht synchron: Prot = Torb. Venus und Uranus drehen falsch herum, retrograd, dabei stehen<br />

bei Uranus zusätzlich noch Spin und Orbital - Drehimpuls nahezu senkrecht!<br />

Der Kuiper Gürtel besteht aus etwa 3.5 · 10 4 . . . 10 5 Planetoiden bzw. Asteroiden der (Einzel)Masse<br />

10 22 g.<br />

‡ Merkregel:<br />

Mein Vater Erklärt Mir Jeden Samstag Unsere Neun Planeten.<br />

Die Existenz eines zehnten Planeten, jenseits von Pluto, – Nemesis – ist eher unwahrscheinlich.<br />

Legende:<br />

Relativkoordinate x = 100 · r<br />

R<br />

1. H2 - Gas; T ≈ 170 K ∆R ≈ 150 km<br />

1a. H2 - Flüssigkeit; P ≈ 20 atm<br />

2. H (gasf . . . flüssig)<br />

3. metallisches H (fest)<br />

4. Fe - Ni Kern; T ≈ 20 000 K<br />

✻<br />

x<br />

Abb. 6.1: Jupiter<br />

100<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

00<br />

♠<br />

1<br />

♠<br />

2<br />

♠<br />

3<br />

♠<br />

4<br />

1.1<br />

2.7<br />

4.1<br />

15.<br />

ρ<br />

[g cm −3 ]<br />


6.4. DIE NEUN PLANETEN DER SONNE 333<br />

Die Oortsche Wolke besteht aus etwa 10 9 . . . 10 11 Kometen der (Einzel)Masse 10 16 g.<br />

Die bekanntesten Asteroiden sind: Ceres, Pallas, Juno, Vesta.<br />

6.4.3 Drehimpulsverteilung<br />

Zum Nachschlagen einige Werte für <strong>die</strong> Sonne vorweg. Trägheitsmoment bzw. Drehimpuls (Modell)<br />

und Drehimpulsverlustrate (Theorie) sind nicht direkt messbar, für das Quadrupolmoment gibt es eine<br />

obere Schranke. Der hier angegebene Wert beruht auf der Annahme starrer Rotation.<br />

• FORMELN (WERTE FÜR DIE SONNE)<br />

Wir benutzen folgende theoretische Werte für <strong>die</strong> Sonne (beruhend auf dem gerechneten Standardmodell):<br />

1. Rotationsfrequenz: Ω = 2.86 µ Hz<br />

2. Drehimpuls: J⊙ = 1.63 · 10 48 g cm 2 s −1<br />

3. Trägheitsmoment: I⊙ = 6 · 10 53 g cm 2<br />

4. Quadrupolmoment: J2 = 2 · 10 −7<br />

5. Massenverlustrate (Sonnenwind): ˙ M = 1.4 · 10 12 g s −1<br />

6. Drehimpulsverlustrate: ˙<br />

J = 5 · 10 31 g cm 2 s −2<br />

Die Sonne rotiert mit einer siderischen Periode von etwa 25.38 Tagen um eine Achse, welche um<br />

7 ◦ von der Normalen der Ekliptik (d. h. der Richtung des Gesamtdrehimpulses des Planetensystems)<br />

abweicht. Von der Erde aus beträgt <strong>die</strong> synodische Periode<br />

1<br />

Tsyn<br />

= 1 1<br />

−<br />

Tsid sidJahr<br />

1<br />

= −<br />

Tsid<br />

1<br />

365.26<br />

das sind Tsid = 27.27 Tage. Das Verhältnis von Sonnendrehimpuls zu Planetengesamtdrehimpuls ist<br />

etwa 1:180, während das Massenverhältnis umgekehrt etwa 1000:1 ist. Beide Tatsachen: Misweisung<br />

und anormales Drehimpulsverhältnis haben eine allseits anerkannte Erklärung der Bildung des Sonnensystems<br />

bislang verhindert.<br />

Folgendes scheint hingegen nicht kontrovers: <strong>die</strong> Sonne mit ihrem Planetensystem besteht nicht aus primordialem,<br />

kosmischem Material sondern aus Material, welches selbst schon mehrmals (etwa 10mal)<br />

in Sternen früherer Generationen prozessiert worden ist. Danach hat sich aus einer Molekülwolke <strong>die</strong><br />

Sonne mit ihrem Planetensystem (zunächst als kaltes Ringsystem) durch Schockeinwirkung eines verloren<br />

gegangenen Begleitsterns oder durch gravische Instabilität gebildet. Vermutlich sind bei den<br />

inneren Planeten über 99% H und He verflüchtigt und <strong>die</strong> Ursprungsmasse war wahrscheinlich wesentlich<br />

größer als eine Sonnenmasse. Die Drehimpulsbilanz ist vermutlich noch extremer.<br />

Betrachten wir <strong>die</strong> Verhältnisse bei den einzelnen Planeten etwas genauer: der Bahn–Drehimpuls<br />

L eines Planeten der Masse mp im Zentralfeld der Sonne mit Masse M⊙ ist gegeben durch Jp =<br />

Mp(GM⊙) 1/2 R 1/2 , wobei R der Abstand zwischen der Sonne und dem Planeten ist. Aus der Tabelle<br />

entnimmt man, daß der Hauptanteil im Jupiter konzentriert ist, 725mal soviel wie in der Erde und zwar<br />

gilt in etwa folgende Aufteilung: Jupiter 62%, Saturn 25%, Neptun 8%.<br />

Eine der bis heute unbeantworteten Urfragen (Kepler) an <strong>die</strong> Kosmogonie ist <strong>die</strong> Frage, ob es eine<br />

Gesetzmäßigkeit beim Aufbau des Planetensystems der Sonne gibt. Nach dem Titius-Bode Gesetz<br />

(1772) kann man <strong>die</strong> Entfernung der Planeten von der Sonne rp durch folgende Formel beschreiben:<br />

rp(n) = 0.1 × (4 + 3 × 2 n ) AE mit n = −∞, 0, 1 . . . 7 (6.34)<br />

Wie <strong>die</strong> Tabelle zeigt, sind <strong>die</strong> Asteroiden in ihrer Position richtig erfasst, Neptun fehlt allerdings im


334 KAPITEL 6. PLANETEN<br />

Planet e(J) i(J) i(S) J<br />

deg deg<br />

Merkur 0.206 7


6.4. DIE NEUN PLANETEN DER SONNE 335<br />

Für <strong>die</strong> Tabelle wurde f⊙ = 1/6.5 benutzt (starke Massenkonzentration der Sonne im Zentrum, I⊙ =<br />

6 · 10 53 g cm 2 ). Bei der Sonne gilt für das Verhältnis q von Gravitationsenergie zu Rotationsenergie<br />

q⊙ = 2GM<br />

R3 = 105<br />

Ω2 • ZUSATZ (VERGLEICH DREHIMPULS J⊙ DER SONNE MIT BAHN-DREHIMPULS-ERDE J⊙)<br />

Ferner gilt für <strong>die</strong> Sonne mit f⊙ = 1/6.5 für den Drehimpuls<br />

J⊙ = 1.76 · 10 48<br />

g cm 2 s −1 (6.37)<br />

Für <strong>die</strong> Erde mit etwa Ω⊕ = 2 · 10 −7 s −1 für <strong>die</strong> Bahnfrequenz und mit J⊕ = M⊕R 2 Ω⊕ ergibt sich für den Bahn-<br />

Drehimpuls<br />

J⊕ = 2.69 · 10 47<br />

g cm 2 s −1<br />

etwa 1/6 des Drehimpulses der Sonne. Da <strong>die</strong> Ursprungsmasse der Erde etwa 2 dex größer war, sehen wir, wie wichtig<br />

selbst Planeten wie <strong>die</strong> Erde für <strong>die</strong> Bildung des Sonnensystems gewesen sind.<br />

Die Sonne hat also einen rel. Drehimpuls von nur 5·10 −3 , wohingegen in den Planeten nur eine rel.<br />

Masse von insgesamt 1.34·10 −3 steckt. Es sei jedoch bemerkt, daß es nicht klar ist, wieviel Drehimpuls<br />

wirklich in der Sonne steckt, da <strong>die</strong>se differentiell im Innern wesentlich schneller rotieren könnte.<br />

Direkt messbar ist im Prinzip das Quadrupolmoment der Sonne, welches durch Rotation zustande<br />

kommt. Für das Gravitationspotential V eines rotierenden, selbstgravitierenden Körper gilt:<br />

�<br />

M Q<br />

V = −G +<br />

r r3 P2(cos<br />

�<br />

Θ) + · · ·<br />

bzw. wenn man den dimensionslosen Quadrupolparameter J2 benutzt<br />

V = −G M<br />

� � �2<br />

�<br />

R<br />

1 + J2 P2(cos Θ) + · · ·<br />

r r<br />

Für inkompressible Materie (ρ = const) und starre Rotation kann man J2 analytisch bestimmen:<br />

(6.38)<br />

(6.39)<br />

J2 = Erot<br />

V = R3Ω2 2 25J<br />

=<br />

2GM 2GM 3 (6.40)<br />

R<br />

Für das (gerechnete) Standardsonnenmodell ist J2 = 2 · 10−7 , während eine inkompressible Sonne<br />

J2 = 10−5 liefern würde. Direkte Beobachtungen der Sonnenabplattung von einigen 10−6 (aus denen<br />

dann J2 folgen würde) sind wegen Turbulenzen in der Sonnen-Chromosphäre nicht konklusiv.<br />

Der Sonnenwind führt pro Sekunde 1.4·1012 g an Masse ab. Bei konstanter Rate ist das etwa 10−4 der<br />

Gesamtmasse im Leben der Sonne (4.5 Gyr). Der Massenverlust ist also vollständig vernachläßigbar.<br />

Eine einfache, semiempirische Formel (Reimers, 1975)<br />

˙M = 4 · 10 −13 � � �M⊙ �<br />

L<br />

η<br />

M<br />

� �<br />

R∗<br />

M⊙ yr −1<br />

L⊙<br />

R⊙<br />

mit dem dimensionslosen Parameter η = 0.3 . . . 1. Die stimmt mit der Beobachtung überein, wobei<br />

mit R∗ der Abströmradius (nicht der Sternradius) gemeint ist. Für <strong>die</strong> Sonne ist etwa R∗ = 4R⊙. An<br />

Energie wird im Sonnenwind nur der millionste <strong>Teil</strong> der Photonenstrahlung transportiert.<br />

Schätzt man dagegen ab, daß das Magnetfeld das Plasma bis etwa L = 50R⊙ zum korotieren zwingt,<br />

dann erhält man für den Drehimpulsverlust der Sonne<br />

˙<br />

J = L 2 Ω ˙ M ≈ 5 · 10 31<br />

und für <strong>die</strong> Abbremszeit der Sonne<br />

τ := J/ ˙<br />

J<br />

g cm 2 s −2 (6.41)<br />

erhält man τ = 1.4 Gyr, dh. eine merkliche Abbremsung bei vernachläßigbarem Massenverlust. Deshalb<br />

sind Magnetfelder so wichtig für den Transport von Drehimpuls.


336 KAPITEL 6. PLANETEN<br />

• ZUSATZ (MESSUNGEN VON RAUMSONDEN)<br />

In der Nähe der Erdbahn haben Raumsonden der NASA (wie MARINER, PIONEER und den VELA-Satelliten, deren<br />

Hauptaufgabe <strong>die</strong> Überwachung von Kernwaffenexplosionen ist) folgende Daten erhalten:<br />

<strong>die</strong> mittlere <strong>Teil</strong>chendichte beträgt<br />

n = 5 Ionen cm −3 ; Ttherm = 2 · 10 5 K<br />

mit Schwankungen um ±1 dex (Zusammensetung H plus 4% He). Die Flussgeschwindigkeit mit 300 bis 900 km s −1<br />

nahezu radial von der Sonne nach außen. Dem entspricht eine kinetische Energiedichte<br />

ɛkin = 10 −10<br />

erg cm −3 = 5000 eV cm −3<br />

Die thermische Energiedichte ist viel kleiner<br />

ɛtherm = 90 eV cm −3<br />

und stimmt mit der magnetischen Feldenergiedichte überein. Die Feldstärke liegt bei 60 µGauß (6 Gamma).<br />

6.5 Element- und Molekülverteilung<br />

Die chemische Zusammensetzung der Sonnenmaterie kann man aus der Spektralanalyse der Photosphäre<br />

bekommen (falls gute Durchmischung mit dem Material im Innern vorliegt).<br />

A Element chem. Anteil<br />

Name Symbol (Masse)<br />

1 Wasserstoff H 1.000<br />

4 Helium He 0.333<br />

12 Kohlenstoff C 0.004<br />

14 Stickstoff N 0.0015<br />

16 Sauerstoff O 0.0085<br />

20 Neon Ne 0.002<br />

Tab. 6.5: Die schweren Elemente in der Sonne<br />

A Element chem. Anteil<br />

Name Symbol (Masse)<br />

24 Magnesium Mg 0.0007<br />

27 Aluminium Al 0.0007<br />

28 Silizium Si 0.0007<br />

32 Schwefel S 0.0004<br />

56 Eisen Fe 0.001<br />

59 Nickel Ni 0.00005<br />

Die Erde mit ihrem Ni-Fe Kern und einer Schale aus Mg- Al- Si- S- und Fe- Verbindungen besteht also<br />

im wesentlichen aus Materie, welche in der Sonne nur in Spuren vorkommt.<br />

• DEFINITION<br />

Statt des Massenanteils, Masse pro g Materie, wird häufig der Zahlanteil betrachtet; das liefert z. B. mit der Normierung auf<br />

H = 1 als Zahlanteil beim primordialen Gas für He: 0.085. Statt auf H kann man den Masse-Anteil auch auf <strong>die</strong> Gesamtelemente<br />

beziehen, (H + He). Das liefert für den He-Anteil 0.25. Der entsprechende Zahl-Anteil ist rel. Volumenkonzentration<br />

[c] mit [He]: 0.08.<br />

In der Summe liefert Tabelle (6.5) für C-N-O 0.014 Massenanteil und für <strong>die</strong> Elemente von Mg bis<br />

Fe 0.0035 Massenanteil. Alle Elemente zusammen genommen, <strong>die</strong> schwerer als He sind, liefern etwa<br />

2% (bei der Ausgangsmaterie der Sonne). Nimmt man als Zusammensetzung des Erdkerns 90% Fe<br />

und 10% Ni und rechnet man <strong>die</strong> Masse der Erde auf <strong>die</strong> Ursprungsmasse hoch, dann erhält man etwa<br />

300 Erdmassen oder 0.1% der Masse der Sonne. Genauere Untersuchungen von Cameron ergeben<br />

0.07%. Das ist eine sehr effektive Entmischung und man nimmt an, daß <strong>die</strong>se durch Ausgasen bei den<br />

erdähnlichen Planeten bewirkt wurde (eventuell wurde aber auch schon vorher ein <strong>Teil</strong> der leichten<br />

Elemente verloren).<br />

In der Tabelle bedeutet Fraktionierung = Ursprungsmasse/aktuelle Masse. Die Werte für Pluto sind<br />

unsicher und fallen aus dem allgemeinen Rahmen einer abnehmenden chemischen Fraktionierung nach<br />

außen heraus.


6.5. ELEMENT- UND MOLEKÜLVERTEILUNG 337<br />

Die oben angeführten Massen sind i. w. untere Grenzen unter der Annahme konservativer Entwicklung<br />

des Sonnensystems. Cameron schätzt, daß <strong>die</strong> Ursprungsmasse des Sonnennebels etwa 2-3 Sonnenmassen<br />

war und daß z. B. das Sonnensystem von einer Sonne im T Taurus Stadium (s.u.) vom Gas<br />

’gereingt’ wurde. In jedem Falle sollte man <strong>die</strong> Möglichkeit betrachten, daß sowohl <strong>die</strong> Masse der<br />

Ursonne als auch <strong>die</strong> der Urplaneten von der heutigen verschieden waren.<br />

• ANMERKUNG<br />

In <strong>die</strong>sem Fall stimmen <strong>die</strong> heutigen Abstände nicht mit den ursprünglichen überein, auch <strong>die</strong> Drehimpulsbilanz sieht<br />

anders aus.<br />

Für <strong>die</strong> Entfernung Erde-Mond, D, ergibt sich, falls man konstanten spezifischen Bahndrehimpuls des Mondes j = J/M =<br />

const annimmt und <strong>die</strong> Gesamtmasse Erde+Mond mit Mtot bezeichnet, aus j = D 2 Ω = (GMtotD) 1/2 und aus der<br />

folgenden Zusammenstellung (Ursprungsmasse der Planeten), daß der Mond etwa 230 mal näher an der Erde gewesen sei<br />

muß, was gar nicht möglich ist, da der Mond nur 60 Erdra<strong>die</strong>n entfernt ist!<br />

Das passt zu neueren Überlegungen, nach denen der Mond als Überbleibsel einer Katastrophe anzusehen ist: dem Stoß mit<br />

einem Mars-ähnlichen Objekt.<br />

6.5.1 Ursprungsmasse der Planeten<br />

Massenverlust ist ein wichtiger Gesichtspunkt bei der Ausbildung des Sonnensystems und allgemeiner<br />

bei der Entwicklung eines Sterns in der Frühphase (bis zu einigen 100 Myr).<br />

Dies sind <strong>die</strong> drei Stufen auf dem Weg zu einem voll ausdifferentierten System wie das der Sonne:<br />

1. Protostern mit ausgedehnter Gashülle,<br />

2. Stern mit Saub- und Gasscheibe und<br />

3. Stern mit Planetensystem oder massearmem Begleiter (Brauner Zwerg).<br />

Dabei können Planeten (vermittels Kollision mit Asteroiden) auch nach Innen zum Zentralstern wandern.<br />

• FORMELN (CAMERONS URSPRUNGSMASSE DER PLANETEN)<br />

Die folgenden Daten über <strong>die</strong> Ursprungsmasse der Planeten stammen aus ’The Solar System’, A. G. W. Cameron, Sci.<br />

American 233, Sept. 1975, p. 33.<br />

Durch <strong>die</strong> Entdeckung extrasolarer Planeten haben <strong>die</strong>se frühen Rechnungen von Cameron enorm an Bedeutung gewonnen,<br />

auch wenn sie wahrscheinlich nicht einfach auf <strong>die</strong>se übertragen werden<br />

können.<br />

In der Tabelle bedeutet Morig <strong>die</strong> Ausgangsmasse, Mheute <strong>die</strong> beobachtete<br />

Masse des Planeten und<br />

f = Morig/Mheute <strong>die</strong> Massenfraktionierung.<br />

Die Massen Angaben sind in Prozent der Sonnenmasse, % M⊙. Jupiter<br />

hat demnach ein Promille der Sonnenmasse, MJ = 10 −3 M⊙ und seine<br />

Urmasse betrug<br />

MJ = 1.6 · 10 −2 M⊙.<br />

Nach Modellrechnungen sollten 13 Jupitermassen, MJ, ausreichen, das<br />

Wasserstoffbrennen im Zentrum eines Planeten zu zünden. Die Ursprungsmasse<br />

von Jupiter war etwas größer. Mittlerweile hat man aber<br />

extrasolare Planeten mit bis zu 60MJ gefunden, <strong>die</strong> nicht gezündet haben.<br />

Warum ist nicht klar.<br />

Eine Interessante Frage ist, ob bei der Bildung von Planeten weit vom<br />

Stern entfernt, <strong>die</strong>se an den interstellaren Raum verloren gehen können<br />

Ursprungsmasse der Planeten<br />

Planet Mheute Morig f<br />

Merkur 0.000017 0.004 235<br />

Venus 0.000245 0.056 228<br />

Erde 0.000304 0.07 230<br />

Mars 0.000032 0.007 220<br />

Jupiter 0.09547 1.5 16<br />

Saturn 0.0285 0.77 27<br />

Uranus 0.00436 0.27 62<br />

Neptun 0.00524 0.27 52<br />

Pluto 0.00025 (?) 0.06 (?) 240 (??)<br />

gesamt 0.134 3.0<br />

(eine mögliche Form der Dunkelmaterie).<br />

Tab. 6.6: Planeten Ursprungsmasse<br />

Braune Zwerge (also vermutlich auch Planeten) in Doppelsternen hat man schon (in der Taurus und der Chamäleon Molekülwolke)<br />

gefunden.


338 KAPITEL 6. PLANETEN<br />

6.5.2 Die Atmosphären der Planeten.<br />

Wir betrachten nun <strong>die</strong> Chemie der Planeten und ihrer Monde etwas genauer. Wir beginnen dabei mit<br />

der Erde und vergleichen <strong>die</strong>se dann mit Mars und Venus.<br />

• FORMELN (DIE ZUSAMMENSETZUNG DER ATMOSPHÄRE)<br />

Die folgende Tabelle gibt eine Liste der Bestandteile der neutralen Atmosphäre unterhalb von 80km ohne den Wasserdampf,<br />

da <strong>die</strong>ser stark veränderlich ist.<br />

Name Elem Konz. [c]<br />

Stickstoff N2 7.809 · 10 −1<br />

Sauerstoff O2 2.095 · 10 −1<br />

Argon Ar 9.3 · 10 −3<br />

Kohlendioxid CO2 (2 − 4) · 10 −4<br />

Neon Ne 1.8 · 10 −5<br />

Helium He 5.2 · 10 −6<br />

Methan CH4 (1.2 − 1.5) · 10 −6<br />

Krypton Kr 1.1 · 10 −6<br />

Wasserstoff H2 (0.4 − 1.0) · 10 −6<br />

Distickstoffoxid N2O (2.5 − 6.0) · 10 −7<br />

Name Elem Konz. [c]<br />

Kohlenmonoxid CO (0.1 − 2.0) · 10 −7<br />

Xenon Xe 8.6 · 10 −8<br />

Ozon O3 (0 − 5) · 10 −8<br />

Ammoniak NH3 (0 − 2) · 10 −8<br />

Schwefeldioxid SO2 (0 − 2) · 10 −8<br />

Dihydrogensulfid H2S (0.2 − 2) · 10 −8<br />

Formaldehyd CH2O (0 − 1) · 10 −8<br />

Stickstoffdioxid NO2 (0 − 3) · 10 −9<br />

Chlor Cl2 (0.3 − 1.5) · 10 −9<br />

Jod J2 (0.4 − 4) · 10 −11<br />

Die rel. Volumenkonzentration [c] ist bezogen auf Meeresniveau. Das Edelgas Argon (und nicht Helium) ist das dritthäufigste<br />

Element der Atmosphäre.<br />

Die inneren Planeten sind fest, <strong>die</strong> äusseren (ab Jupiter) gasförmig und bestehen fast noch aus dem<br />

Urmaterial des Sonnensystems (H, He).<br />

Von den inneren Planeten haben (ebenso wie der Mond) Merkur und Mars ihre Atmosphären verloren,<br />

was dennoch da ist (Mars: 95% CO2, 2.7% N2, 1.6% Ar,O2, H2O) gast noch aus. Bei Merkur gibt es<br />

an den Polen evtl. Eis (H2O). Ausgebildete Gasatmosphären gibt es bei Erde und Venus. Die Oberflächentemperatur<br />

der Erde beträgt dabei etwa 300 K, <strong>die</strong> der Venus jedoch 750 K. Der Grund dafür<br />

ist, daß <strong>die</strong> Atmosphäre der Venus zu 96% aus CO2 besteht. (Treibhauseffekt). Die Albedo wird wesentlich<br />

bestimmt durch das Vorkommen dichter, wolkenreicher Atmosphären. Die Erde ist im Mittel<br />

etwa zur Hälfte mit Wolken bedeckt.<br />

Die äusseren Planeten ab Jupiter haben keine feste Oberfläche und bestehen i. w. aus dem kosmischen<br />

Ursprungsmaterial wie <strong>die</strong> Sonne: H2 und He. Die größten Monde erreichen dagegen <strong>die</strong> Dimensionen<br />

von Merkur und Mars.<br />

1. Merkur (kein Mond) d = 0.39 AE<br />

hat keine Atmosphäre, für den Druck findet man nur P = 10 −12 atm. Über Gase ist nichts<br />

bekannt.<br />

2. Venus (kein Mond) d = 0.72 AE<br />

dagegen hat als Hauptbestandteile CO2 und N2. CO2 ist infrarot aktiv, also gibt es einen extremen<br />

Treibhauseffekt. Der Druck ist 90 atm.<br />

3. Die Erde (1 Mond) d = 1 AE<br />

hat als Hauptbestandteile <strong>die</strong> infrarot inaktiven Gase N2 und O2. Wichtige Moleküle für den<br />

Treibhauseffekt in der Atmosphäre der Erde sind: H2O, CO2 und CO. Der Temperaturanstieg<br />

der Erderwärmung beträgt seit 1900 etwa 1<br />

2 Grad.<br />

4. Mars (2 kleine Monde) d = 1.52 AE<br />

hat keine nennenswerte Atmosphäre, für den Druck findet man nur P = 6 · 10 −3 atm mit den<br />

Gasen CO2, N2, Ar.


6.6. INTERPLANETARE OBJEKTE 339<br />

5. Asteroidengürtel (1 Mini Mond) d = 2.77 AE<br />

Der Asteroid 243 Ida ist bisher der einzige Asteroid, von dem man weiß, daß er einen Mond (mit<br />

Namen Dactyl; Durchmesser 1.6 km) besitzt. Dichte ρ = 2.6 g cm −3 . Masse M = 4.2 · 10 19 g.<br />

6. Jupiter (4 grosse, 12 kleine Monde, schwaches Ringsystem) d = 5.2 AE<br />

Io ist mit Schwefel und SO2 bedeckt, Europa, Ganymed und Callisto mit Wasser (Eis).<br />

7. Saturn (1 grosser, 6 kleine Monde, Ringsystem) d = 9.5 AE<br />

Titan hat eine Atmospäre aus Stickstoff (N2), Methan (CH4) und Ammoniak (NH3), <strong>die</strong> so dicht<br />

ist, daß <strong>die</strong> Oberfläche ständig verdeckt ist. Mimas und <strong>die</strong> anderen kleinen Monde sind mit<br />

Wasser (Eis) bedeckt.<br />

8. Uranus (5 grosse Monde, 10 kleine Monde, schwaches Ringsystem) d = 19 AE<br />

Die Monde bestehen aus Felsgestein, <strong>die</strong> Ringe aus Eis. Uranus selbst besteht aus Eis (H2O, NH3<br />

und CH4).<br />

9. Neptun (2 grosse Monde, 6 kleine Monde, schwaches Ringsystem) d = 30 AE Neptun besteht<br />

(wie Uranus) aus Eis (H2O, NH3 und CH4).<br />

10. Pluto (1 grosser Mond) d = 39 AE<br />

Die physikalischen Daten der Planeten Atmosphären und ihrer Albedo (Refektionskoeffizienten sind<br />

in der folgenden Tabelle zusammengestellt.<br />

Planet A P Teff Tobs<br />

Merkur 0.058 10 −12 441 700 - 100<br />

Venus 0.76 90 230 750<br />

Erde 0.30 1 246 289<br />

Mond 0.068 ? 441 390 - 140<br />

Mars 0.15 0.006 218 130 - 290<br />

6.6 Interplanetare Objekte<br />

6.6.1 Die Hauptkomponenten<br />

Planeten Atmosphären und Albedo<br />

Planet A Teff Tobs<br />

Jupiter 0.51 102 120<br />

Saturn 0.50 76 90<br />

Uranus 0.66 49 63<br />

Neptun 0.62 40 53<br />

Pluto 0.16 42 43<br />

A: Albedo; Teff : effektive Temperatur in Kelvin. P : Druck in atm<br />

Die folgende Tabelle zeigt, daß <strong>die</strong> kleinsten Objekte im Sonnensystem heute zusammen genommen<br />

nur soviel wie alle Monde an Masse beitragen. Das muß nicht immer so gewesen sein.<br />

Objekt Anzahl Durchmesser Einzelmasse Gesamtmasse Abstand<br />

(geschätzt) g M⊕ AE<br />

Asteroide 5 · 10 4 1 . . . 800 km 7 · 10 21 0.1 2.9<br />

Kometen 10 9 1 . . . 100 km 5 · 10 15 0.1 bis 40 000<br />

Meteoride 10 11 10 −3 . . . 10 3 cm 10 3 10 −9 bis 1000<br />

zum Vergleich: Sonne 3.3 · 10 5 M⊕, alle 9 Planeten 448M⊕, alle 54 Monde zusammen 0.12M⊕.<br />

Erde: Radius R⊕ = 6378 km; Masse: M⊕ = 5.997 · 10 27 g<br />

Tab. 6.7: Interplanetare Objekte<br />

Wir wollen nun <strong>die</strong> astrophysikalische Bedeutung der einzelnen Komponenten untersuchen.


340 KAPITEL 6. PLANETEN<br />

Kleinste Partikel: Sonnenwind und Staub<br />

Die Sonne verliert Materie in Form eines Sonnenwindes, das sind energetische Elektronen und Protonen<br />

mit eingelagertem Magnetfeld.<br />

Rate und Geschwindigkeit betragen<br />

˙M⊙ = 10 14<br />

g s−1 −4 M⊙<br />

= 10<br />

4.5Gyr<br />

bei v = 500 km s −1<br />

Der Massenverlust ist für <strong>die</strong> Sonne vollständig vernachläßigbar, für <strong>die</strong> Erde ist das ein Strom von<br />

etwa<br />

˙M⊕ = 1<br />

� �2<br />

R⊕<br />

4 1AE<br />

˙M⊙ = 6 · 10 4<br />

g s −1<br />

an ionisierten <strong>Teil</strong>chen, der allerdings größtenteils vom Erdmagnetfeld abgeschirmt wird. Das eingefrorene<br />

Magnetfeld ist praktisch radial und beträgt bei magnetischer Flusserhaltung<br />

Φ = BnF = const; B⊕ =<br />

� �2<br />

R⊕<br />

B⊙<br />

1AE<br />

in der Nähe der Erde etwa 6 Gamma, d. h. 6 · 10 −5 Gauß. Der Sonnenwind ist für <strong>die</strong> Ausbildung des<br />

Schweifs (Ionisation) eines Kometen verantwortlich.<br />

• ZUSATZ (POLARLICHT)<br />

Das Polarlicht (Nordlicht, Südlicht, engl. Aurora) ensteht in der Oberen Atmosphäre in der Nähe der magnetischen Pole<br />

(und ist längs <strong>die</strong>ser gerichtet). Verantwortlich sind energetische Elektronen, <strong>die</strong> ins Erdfeld geraten. Die wichtigste<br />

Anregung kommt von der Sonne, man findet eine Modulation mit der Rotationsperiode der Sonne von 27 Tagen.<br />

Daneben gibt es interplanetaren Staub, welcher sich bei der Lichtstreuung (in der Erdatmosphäre)<br />

als Zodiakallicht (in Sonnenrichtung und als Gegenschein in entgegengesetzter Richtung) bemerkbar<br />

macht. Dieser stammt größtenteils von verdampfenden Kometen und zertrümmerten Asteroiden<br />

(Staubteilchen: unpolarisiert) und freien Elektronen (polarisiert). Die Staubteilchen des Zodiakallichts<br />

haben Durchmesser von 0.01 mm, <strong>die</strong> Dichte beträgt etwa (± 1 dex)<br />

nStaub = 10 −14<br />

cm −3<br />

Sie bilden eine flache Scheibe um <strong>die</strong> Ekliptik, <strong>die</strong> Reflexion des Sonnenlichts ist eine bedeutende<br />

Störkomponente für IR Beobachtungen (es gibt keine Löcher, durch <strong>die</strong> man durchschauen könnte).<br />

Die tägliche Rate für <strong>die</strong> Akkretion an interplanetarem Material beträgt für <strong>die</strong> Erde 300 Tonnen (entsprechend<br />

˙ M = 3 kg s−1 ), vergleichbar mit dem, was an Meteoriten<br />

auf <strong>die</strong> Erde fällt.<br />

Die Häufigkeit der chemischen Elemente in der Sonnenphotosphäre<br />

wird anhand der angeregten Atome bestimmt.<br />

Die Numerische Häufigkeit der chemischen Elemente der Sonnenphotosphäre<br />

ist hier bezogen auf atomaren H.<br />

[H] = 1012 Elementhäufigkeiten im Sonnensystem<br />

Atom - Element relative<br />

Zahl Symbol Häufigkeit<br />

1 H 10<br />

.<br />

Die seltensten Haupt-Elemente haben dann bei <strong>die</strong>ser Normierung<br />

eine Häufigkeit der Größenordnung 1, z. B. Gold (Z = 79):<br />

[Au] = 6 und Uran (Z = 92, A = 238): [U] = 2. Die Nebenisotope<br />

sind entsprechen seltener. Uran (Z = 92, A = 235) hat eine<br />

Häufigkeit [U] = 0.6, etwa 1/3 vom Hauptisotop.<br />

Das Element Li fehlt in der Sonnenphotosphäre, Be und B sind<br />

unterhäufig. Sonst sind <strong>die</strong> relativen Häufigkeiten (z. B. <strong>die</strong> von<br />

Si) der Hauptkomponenten ähnlich.<br />

Spurenelemente werden durch den Sonnenwind und durch <strong>die</strong><br />

12<br />

2 He 6 · 10 10<br />

6 C 4 · 108 7 N 9 · 107 8 O 7 · 108 10 Ne 4 · 107 12 Mg 4 · 107 14 Si 5 · 107 16 S 2 · 107 26 Fe 3 · 107 Tab. 6.8: Solare Elementhäufigkeit


6.6. INTERPLANETARE OBJEKTE 341<br />

kosmische Strahlung modifiziert.<br />

Grundlage zum Verständnis der heute beobachteten chemischen Fraktionierung im Sonnensystem sind<br />

Temperatur und Entweichgeschwindigkeit der Planeten bzw. ihrer Monde.<br />

Die Entweichgeschwindigkeit der Erde (heute 11 km s −1 ) hat offenbar ausgereicht, eine Atmosphäre<br />

zu behalten, beim Mond (Entweichgeschwindigkeit 2.4 km<br />

s −1 ) war das nicht der Fall.<br />

Eine erste Fraktionierung kommt, nach heutiger Vorstellung,<br />

zustande über den Temperaturgra<strong>die</strong>nten in der Scheibe.<br />

Dabei spielt der Staub eine wichtige Rolle. Die Entweichgeschwindigkeit,<br />

vesc, aus der Scheibe nimmt ab wie<br />

vesc ∝ d −1 ,<br />

wobei d <strong>die</strong> Entfernung von der Sonne ist, <strong>die</strong> thermische<br />

Geschwindigkeit, vth, wie<br />

vth = (3kT/m) 1/2 .<br />

Die Temperatur T an der Oberfläche des Planeten wird<br />

zunächst durch das Bombardement mit Planetoiden, später<br />

durch <strong>die</strong> Sonneneinstrahlung, <strong>die</strong> Albedo und <strong>die</strong> innere<br />

Erwärmung (Radioaktivität, potentielle gravische Energie<br />

der Perkolation) bestimmt.<br />

6.6.2 Kometen<br />

Entweichgeschwindigkeit<br />

Name Radius Masse vesc Tneb<br />

(Erde) (Erde) km s −1 K<br />

Merkur 0.38 0.055 4.3 1000<br />

Venus 0.95 0.81 10.3 800<br />

Erde 1 1 11.2 550<br />

Mars 0.53 0.11 5.0 400<br />

Jupiter 11 318 59.5 160<br />

Saturn 9.4 95 35.6 80<br />

Uranus 4.4 15 21.2 50<br />

Neptun 3.9 17 23.6 30<br />

Tab. 6.9: Evaporation<br />

Die (bisher beobachteten) Bahnen der Kometen reichen vom Sturz in <strong>die</strong> Sonne (bzw. in den Jupiter),<br />

über das Zerreißen des Kometen im Gezeitenfeld der Sonne (d = 1.5R⊙ beobachtet 1882) bis hin zu<br />

exzentrischen Orbits mit e = 1, <strong>die</strong> bis zum Rand des Sonnensystems reichen (d = 0.4 pc). Bisher wurde<br />

allerdings kein Komet identifiziert, der mit Sicherheit von außerhalb des Sonnensystems gekommen<br />

sein muß (e ≫ 1). Die Umlaufzeiten um <strong>die</strong> Sonne reichen von 3 yr bis 10 7 yr.<br />

Die folgende Zusammenstellung enthält <strong>die</strong> historischen Daten von besonders interessanten Kometen.<br />

besondere Kometen<br />

Name T a e i<br />

yr AE deg<br />

Encke 3.3 2.2 0.85 12.4<br />

Biela 6.6 3.5 0.76 12.6<br />

Halley 76 18 0.97 162.2<br />

Der Komet Biela wurde 1846 in 2 Stücke geteilt, beide<br />

wurden 1852 wieder gesehen, seitdem nicht mehr. Sie haben<br />

sich aufgelöst. Etwa ein Duzend Kometen sind seit ihrer<br />

Entdeckung verschwunden. Halley wurde seit 239 vor<br />

Christi bis 1986 insgesamt 46mal beschrieben.<br />

Aus neuester Zeit stammen <strong>die</strong> Daten zu folgenden extremen Ereignissen, <strong>die</strong> noch nicht vollständig<br />

analysiert sind:<br />

1. Der Komet West zerbrach 1976 in 4 Stücke.<br />

2. Am 30 August 1979 wurde ein Zusammenstoß eines Kometen mit der Sonne (von einem US Air<br />

Force Satelliten aufgenommen) entdeckt. Die dabei entstandene Staubwolke hatte einen Radius<br />

von 2.5 Sonnenra<strong>die</strong>n.<br />

3. Der Komet Shoemaker - Levy (der 9te Komet, benannt nach den Entdeckern SL 9) wurde im<br />

März 1993 bereits in zerstörten Zustand (mit später identifizierten insgesamt 22 Einzelstücken)<br />

gefunden. Vergleiche mit Archivaufnahmen und Rechnungen ergaben, daß er im Sommer 1992


342 KAPITEL 6. PLANETEN<br />

zerrissen worden sein musste. Im Juli 1994 schlugen sämtliche Bruchstücke (auf der erdabgewandten<br />

Seite) auf Jupiter ein. Die größten Bruchstücke hatten einen Radius von 2.5 km. Die<br />

Gesamtenergie des Aufpralls wird auf etwa 10 9 Megatonnen TNT � 4.2 · 10 31 ergs geschätzt.<br />

Durch Verdampfen bildet sich um einen Kometen eine Atmosphäre, <strong>die</strong> sog. Koma, aus Molekülen<br />

und Staubteilchen aus (Radius bis zu 10 5 km, Dichte 10 5 cm −3 ). Kommt der Komet näher als etwa 2<br />

AE an <strong>die</strong> Sonne bildet sich ein Schweif (Länge bis zu 10 7 km). Der Schweif eines Kometen hat zwei<br />

Anteile: einen ionisierten und einen Staubschweif. Der ionisierte besteht aus schnellen Elektronen und<br />

Ionen und ist stets exakt von der Sonne weg gerichtet. Der Staub wird durch <strong>die</strong> Photonen der Sonne<br />

angeregt und ist viel langsamer als der ionisierte: seine Geschwindigkeit ist vergleichbar mit der des<br />

Kometen.<br />

Kometen verlieren jedesmal beim nahen Vorbeiflug an der Sonne etwa 0.1% ihrer Masse, was übrigbleit<br />

sind Staub und größere Körner. Unter besonderen Umständen kann sich ein Meteorschauer bilden. Die<br />

typische Rate der beobachteten Schauer, <strong>die</strong> auf <strong>die</strong> Erde niedergehen, beträgt 10 pro Jahr.<br />

Die wichtigsten Elemente der chemischen Zusammensetzung sind:<br />

Methan (CH4), Ammoniak (NH3), Wasser (H2O), Kohlendioxyd (CO2).<br />

Typische phys. Daten:<br />

Rnucl � 1 km, ρ � 2 g cm −3 , M � 10 16<br />

Statistik: Kometen haben eine Geschwindigkeit (im Sonnensystem) von v � 30 km s −1 , ihre Gesamtzahl<br />

wird auf N � 10 9 geschätzt.<br />

• BEISPIEL (KOMETENEINSCHLAG)<br />

Bei einem Zusammenstoß mit der Erde geht etwa 10% in Wärmeenergie, W , über, der Rest in Schockwellen. Mit v � 10<br />

km s −1 für <strong>die</strong> Impaktgeschwindigkeit und einer Masse von 10 17 g erhält man W � 0.5 · 10 28 ergs, entsprechend 10 5<br />

Megatonnen TNT. Dabei gilt: 1 g TNT � 4 · 10 10 ergs und 1 Megatonne TNT � 4.2 · 10 22 ergs.<br />

TNT = Trinitroluen, CH3C6H2(NO2)3 ist der effektivste Sprengstoff, den wir kennen, mit einer Energiefreisetzung von<br />

∆E/mc 2 = 4 · 10 −11 . Die Verbrennung von Kohle ist 8-mal effektiver, aber wesentlich langsamer.<br />

Der Schaden, der bei einem Zusammenstoß mit der Erde entsteht, ist enorm. Ein Meteor von 25 Meter Radius und einer<br />

Impaktgeschwindigkeit von 10 km s −1 (Masse M � 4ρR 3 � 70 Tonnen) hat eine Energie von etwa 20 Megatonnen TNT<br />

und reißt einen Krater von 600 Meter Radius und 200 Meter Tiefe! Solche Zusammenstöße sind zum Glück selten (Rate<br />

alle 25000 Jahre). Einige vermuten, daß vor etwa 65 Myr ein Kometeneinschlag auf der Halbinsel Yukatan (Mexico) von<br />

der Sprengkraft von 10 9 Megatonnen TNT � 4.2 · 10 31 ergs <strong>die</strong> Dinosaurier zum Aussterben brachte.<br />

6.7 Probleme der Kosmogonie<br />

Der gesamte, für uns erfahrbare Kosmos § besteht aus Strahlung (Photonen und Neutrinos) und <strong>Teil</strong>chen<br />

(hauptsächlich H und He), <strong>die</strong> in Galaxien und dort wieder in Sternen geklumpt sind.<br />

Die mittlere <strong>Teil</strong>chendichte beträgt (für <strong>die</strong> ausschließlich direkt beobachtbare) leuchtende Materie<br />

etwa nbaryon = 10 −6 cm −3 , während für <strong>die</strong> Photonenzahl der universellen 3 ◦ K Hintergrundstrahlung<br />

etwa gilt nphoton= 500 cm −3 . Wir bestimmen <strong>die</strong> freie Weglänge l für Photonen in unserem beobachtbaren<br />

Universum: l = 1/σn, wobei wir für σ den Thompson Streuquerschnitt σ = 6.65·10 −25 cm 2<br />

benutzen können. Wir erhalten l = 10 30 cm, d. h. das heutige Universum ist – mit R = 10 28 cm –<br />

durchsichtig.<br />

Eines der Hauptprobleme der <strong>Astrophysik</strong> ist seit langer Zeit zu verstehen, wie sich aus einem ursprünglich<br />

ausgesprochen homogenen Substrat (Isotropie der Hintergrundstrahlung!) <strong>die</strong> heute beobachtete<br />

Hierarchie entwickelt hat (Kosmogonie).<br />

§ gr. = das Schöne, das Wohlgeordnete; im Gegensatz zu Chaos<br />

g.


6.7. PROBLEME DER KOSMOGONIE 343<br />

Kosmos<br />

Galaxienkluster<br />

Galaxien<br />

Sternkluster<br />

Sterne<br />

Panetensysteme<br />

Planeten<br />

Leben auf Planeten<br />

Wie es im Augenblick aussieht, dürfte das Rätsel der Sterngeburten und deren Massen als erstes gelöst<br />

werden. Oft wird das ’Anthropische Prinzip’ zur Erklärung herangezogen, welches besagt, daß das<br />

Universum so ist wie es ist, weil wir es sind, <strong>die</strong> es betrachten (d. h. wir betrachten es zu einem<br />

Zeitpunkt, wo Leben auf Planeten möglich ist). Fassen wir <strong>die</strong> wichtigsten Gesichtspunkte unter den<br />

Aspekten Theorie und Beobachtung kurz zusammen:<br />

Galaxien-Cluster<br />

Beobachtung: Galaxienverteilung, Intraclustergas, Röntgen-Strahlung<br />

Objekte der Beobachtung: Galaxien<br />

Theorie: Entstehung, (Entwicklung)<br />

Galaxien<br />

Beobachtung: Aufbau, Zusmmensetzung, Morphologie<br />

Theorie: Entstehung und Entwicklung<br />

Objekte der Beobachtung: Sterne, Staub, Gas, Plasma<br />

Sterne<br />

Beobachtung: Verteilung, Dynamik, chem. Zusammensetzung,<br />

Magnetfelder (Polarisation des Sternlichts)<br />

Theorie: Entstehung, Aufbau, Entwicklung, Ende<br />

Objekte der Beobachtung: Atome, Moleküle, Plasma, kosmische<br />

Strahlung, Staub<br />

Planeten<br />

Beobachtung: Dynamik, Chemie (im Sonnensystem ), Biologie<br />

Theorie: Entstehung, Entwicklung, Ende?<br />

Beobachtung: Raumfahrt<br />

Objekte der Beobachtung: mitgebrachtes Material<br />

Leben auf Planeten ?<br />

Tab. 6.10: Kosmogonie und Hierarchie<br />

Zum Schluß sei noch auf einige Merkwürdigkeiten unseres Universums hingewiesen, auf <strong>die</strong> sog.<br />

Diracschen grossen Zahlen. In groben Zahlen beträgt <strong>die</strong> Gesamtzahl der Baryonen im Horizont des<br />

Universums: N1 = 10 78 . Zwei weitere grosse dimensionslose Zahlen erhält man, wenn man den Radius<br />

des Universums R = 10 28 cm ins Verhältnis zum Elektronenradius re = 10 −13 cm setzt: N0 = 10 41 und<br />

das Verhältnis von Coulomb- zu Gravitations-Kraft für ein Elektron-Proton Paar liefert: N2 = 10 39 .<br />

Grössenordnungsmäßig ergibt sich dann N1 = N0 ∗ N2, wobei bisher niemand weiß, ob es sich hierbei<br />

um Zufall oder eine tiefliegende Naturerkenntnis handelt.


344 KAPITEL 6. PLANETEN


Kapitel 7<br />

Die Erde.<br />

Die Physik der Erde ist heute von beträchtlichem Interesse für ein Verständnis der Physik der Pulsare<br />

(Neutronensterne). Ähnlich wie <strong>die</strong>se hat sie feste und flüssige (elektrisch leitende) Komponenten, ihre<br />

Rotation wird gebremst und sie besitzt ein Magnetfeld.<br />

Die Erde als Planet besitzt einige interessante Besonderheiten: sie hat eine für biologisches Leben angenehme<br />

Temperatur (bestimmt aus ihrer Entfernung zur Sonne und der Chemie der Atmosphäre), ein<br />

zur Entwicklung höherer Lebensformen ausreichendes Alter, 4.2 Gyr, und als einziger Planet Wasser<br />

in Ozeanen. Für <strong>die</strong> Kosmogonie von Interesse ist demnach ein Vergleich der beiden benachbarten<br />

Planeten Venus und Mars mit der Erde. Falls nämlich <strong>die</strong>se Planeten ähnlich entstanden sind, dann hat<br />

Venus ihr Wasser verloren, beim Mars könnte es an der Oberfläche gefroren sein.<br />

Die Ozeane der Erde sind wichtige Pufferspeicher für <strong>die</strong> Wärmeenergie der Sonne und für <strong>die</strong> chemischen<br />

Elemente Sauerstoff, O, und Kohlenstoff, C, <strong>die</strong> Basis des Lebens, ferner Puffer zum Speichern<br />

von CO2 in Form von Kalkspat CaCO3. Der Wasserdampf der Atmosphäre bestimmt (über <strong>die</strong> Opazität)<br />

<strong>die</strong> Temperatur und den Treibhauseffekt, der <strong>die</strong> Erde erst bewohnbar macht.<br />

• LITERATUR (PHYSIK UND ASTRONOMIE DER ERDE)<br />

Boyd, R. L. F. Space Physics [Boy74]<br />

Bullen, K. E. An Introduction to the theory of seismology [Bul63]<br />

Feynman, R.P. and R. Leighton and M. Sands Lectures on Physics [FLS70]<br />

Kaufmann, W. J. Universe [Kau91]<br />

Kertz, W. Einführung in <strong>die</strong> Geophysik <strong>Teil</strong> I [Ker95a]<br />

Kertz, W. Einführung in <strong>die</strong> Geophysik <strong>Teil</strong> II [Ker95b]<br />

Kippenhahn, R. und Möllenhoff, C., Elementare Plasmaphysik [KM75]<br />

Lambeck, K. The Earth’s variable rotation: geophysical causes and consequences [Lam80]<br />

Love, A. E. Horace Treatise on Mathematical Theory of Elasticity [Lov57]<br />

Munk, W. H. und MacDonald, G. J. F. The rotation of the Earth [MM60]<br />

Sagan, C. Unser Kosmos [Sag82]<br />

Sagan, C. Blauer Punkt im All [Sag96]<br />

Shu, Frank H. The Physical Universe [Shu82]<br />

Lesenswert ist das Lehrbuch The Physical Universe von Frank Shu, [Shu82]. Es umfasst den gesamten Themenkanon<br />

Physik, Kosmologie, Kosmogonie und Biologie der Erde.<br />

Das Buch Universe von William J. Kaufmann, III, liefert Bilder der Erde und der anderen Planeten dazu.<br />

Die beiden Bücher von Carl Sagan (auch als Fernseh Film) illustrieren <strong>die</strong> Ideengeschichte der Erde. Die geophysikalischen<br />

Aspekte werden von Walter Kertz (<strong>Teil</strong> I: Erdkörper und <strong>Teil</strong> II: Atmosphäre und Magnetosphäre), ebenfalls einschließlich<br />

der ideengeschichtlichen Zusammenhänge, anschaulich abgehandelt. Das Lehrbuch von Feynman, Leighton und Sands<br />

behandelt (in <strong>Teil</strong> III) <strong>die</strong> verschiedenen Wellen der Erde.<br />

345


346 KAPITEL 7. DIE ERDE.<br />

Lehbuchartige Darstellungen findet man bei Bullen, K. E. An Introduction to the theory of seismology und bei A. E. H.<br />

Love A Treatise on Mathematical Theory of Elasticity.<br />

Speziell <strong>die</strong> Erde betreffen (neben der Einführung in <strong>die</strong> Geophysik von Kertz) <strong>die</strong> lesenswerten Spezialdarstellungen von<br />

W. H. Munk und G. J. F. MacDonald The rotation of the Earth und (20 Jahre später) von K. Lambeck The Earth’s variable<br />

rotation: geophysical causes and consequences behandeln ausführlich <strong>die</strong> Aspekte der Erdrotation und ihrer Schwankungen.<br />

7.1 Physik der Erde<br />

Das von uns benutzte Gaußsche Maßsystem, das c-g-s-System, erweitert um K (Grad Kelvin) ist an<br />

der Erde orientiert. Das Meter ist der 10millionste <strong>Teil</strong> des Erdmeridianquadranten, definiert in der<br />

französischen Revolution für alle Zeiten und für alle Menschen. Alternative Vorschläge für eine Meterkonvention,<br />

<strong>die</strong> allerdings verworfen wurden, stammten von Christian Huygens (1760, Pendel) und<br />

Carl Friedrich Gauß (1832, magnetomechanisches Eichmaß). Die Meterkonvention wurde erst 1875 in<br />

Paris (von 17 Staaten unterzeichnet, <strong>die</strong> Engländer fehlten und fehlen immer noch).<br />

Das Galileische Pendelgesetz (l Länge des Pendels, g Gravitationsbeschleunigung der Erde)<br />

�<br />

l<br />

T = 2π<br />

g<br />

ist, mit der Entdeckung des Isochronismus (<strong>die</strong> Periode ist unabhängig von der Amplitude), der Grundstein<br />

der Zeitmessung (Huygens) bis zum Aufkommen der Atomuhren. Zu Ehren von Galilei, der g<br />

erstmals gemessen hat, ist <strong>die</strong> Einheit der Beschleunigung<br />

1 cm s −2 = 1 Gal<br />

nach ihm benannt.<br />

Nach Newton ist g, <strong>die</strong> Gravitationsbeschleunigung der Erde, gegeben durch Masse M und Radius R<br />

(einer Kugel)<br />

g = GM<br />

R 2<br />

in Zahlen: go = 981 cm s −2 . In nächster Näherung muß man <strong>die</strong> Erdrotation hinzunehmen. Die Winkelgeschwindigkeit<br />

der Erdrotation, Ω, beträgt<br />

Ω = 2π/1 Sterntag = 7.292 · 10 −5 s −1<br />

und g wird Breitenabhängig:<br />

gr = −g − Ω 2 r sin 2 θ = −982.037 + 3.389 sin 2 θ (7.3)<br />

Das Galileische Pendelgesetz hat folgende interessante Eigenschaft. Es ist, wenn man l = R setzt<br />

Π = 2π<br />

�<br />

R<br />

g<br />

<strong>die</strong> Zeit, <strong>die</strong> ein Satellit benötigt, auf der kritischen Bahn, wo Bahnradius = Erdradius = R ist, um <strong>die</strong><br />

Erde umzulaufen. Eine harmonische Schwingung (im freien Fall einmal zur Antipode und zurück) hat<br />

<strong>die</strong> Periode:<br />

Π = 2π<br />

ω =<br />

�<br />

3π<br />

Gρ<br />

(7.1)<br />

(7.2)<br />

(7.4)<br />

(7.5)


7.1. PHYSIK DER ERDE 347<br />

und dauert Π = T⊕ = 84 min. Das ist auch <strong>die</strong> Größenordnung der Periode für <strong>die</strong> Schwingungs -<br />

Grundmode von Erdbebenwellen.<br />

Selbst das Einstein - de Sitter Universum gehorcht <strong>die</strong>sem Gesetz<br />

�<br />

8π<br />

Au =<br />

(7.6)<br />

3Gρ<br />

Die Erde (d. h. das Innere) besteht heute hauptsächlich aus Eisen (Fe) und Nickel (Ni), wie Newton<br />

bereits aus ihrer spezifischen Dichte ρ⊕ = 5.5 g cm −3 schließen konnte. Sie hat eine feste Oberfläche,<br />

eine gasförmige Atmosphäre, welche in ein Plasma übergeht.<br />

Damit kommen bei der Erde alle in der Physik bekannten Phasen vor: fest, flüssig und gasförmig<br />

(neutral und vollständig ionisiert). Cavendish war der Erste, der <strong>die</strong> heutige Zusammensetzung der Luft<br />

bestimmte, <strong>die</strong> Uratmosphäre bestand aus hauptsächlich H und He. Mariotte war der Erste, der zeigen<br />

konnte, daß der Wasserhaushalt der Erde abgeschlossen ist. Er bestimmte dazu <strong>die</strong> Niederschlagsmenge<br />

im Einzugsbereich der Seine und deren Durchflussrate (in Paris).<br />

7.1.1 Das Innere<br />

Zustandsform<br />

Die Temperatur im Innern liegt überall in der Nähe des Schmelzpunktes von Eisen. Damit gibt es 3<br />

verschiedene Phasen, <strong>die</strong> mithilfe von Schallwellen (künstlich erzeugt oder durch Erdbeben) untersucht<br />

werden können:<br />

1. Kern<br />

Der Druck im Zentrum ist so groß, daß <strong>die</strong> Materie fest ist.<br />

2. Mantel<br />

Die Materie ist flüssig.<br />

3. Kruste<br />

Die Temperatur ist so tief, daß <strong>die</strong> Materie wieder fest ist.<br />

Die Masse der Erde kann, da sie einen Mond hat, direkt gewogen werden, wenn man <strong>die</strong> Gravitationskonstante<br />

kennt. Sie beträgt:<br />

M⊕ = 5.977 · 10 27<br />

Bei bekanntem Radius folgt daraus<br />

ρ⊕ = M<br />

V<br />

= 5.5 g cm−3<br />

g ≈ 3 · 10 −6 M⊙<br />

Die Gravitationskonstante wurde von Newton abgeschätzt und erstmals 1798 von Cavendish mit der<br />

Torsionswaage direkt bestimmt. Sie ist bis heute eine der am wenigsten genau bestimmte Fundamentalkonstante.<br />

Der Grund dafür ist, daß in alle Gleichungen stets <strong>die</strong> Kombination GM eingeht (und<br />

eine grosse Masse naturgemäß noch schlechter bestimmt werden kann).<br />

Der Schwarzschildradius der Erde<br />

RS = 2GM⊕<br />

= 0.9 cm<br />

c2 ist dagegen sehr genau bekannt.<br />

Bekanntlich war es zunächst sehr schwer, <strong>die</strong> (von Galilei vorhergesagte) Eigenrotation der Erde


348 KAPITEL 7. DIE ERDE.<br />

nachzuweisen (Foucaultsches Pendel). Die Eigenschwingungen<br />

der Erde zu entdecken, war ungleich schwerer. Sie<br />

wurden theoretisch behandelt und ihre Periode vorhergesagt,<br />

lange bevor sie direkt beobachtet werden konnten.<br />

Analoge theoretische Modelle für andere Objekte liefern<br />

<strong>die</strong> nebenstehenden Perioden.<br />

Poisson gab 1829 <strong>die</strong> Lösung der Eigenschwingungen einer<br />

elastischen Kugel, H. A. E. Love bestimmte <strong>die</strong> längste<br />

beobachtbare Eigenperiode, 0S2, mit 60 Minuten. Bis zur<br />

Eigenschwingungen der Planeten<br />

Objekt Periode Dichte Masse Radius<br />

Mond 15 Min 3.34 0.012 0.274<br />

Mars 32 Min 3.9 0.11 0.53<br />

Venus 51 Min 5.1 0.81 0.95<br />

Erde 54 Min 5.5 1 1<br />

Tab. 7.1: Pulsperioden<br />

eigentlichen Beobachtung vergingen dann fast 150 Jahre.<br />

Erst beim Erdbeben 1960 in Chile wurde erstmals <strong>die</strong> längste Periode mit 54 Minuten bestimmt (in<br />

Übereinstimmung mit dem damaligen Standardmodell der Erde, dem Bullen-A-Modell). Dabei zeigte<br />

sich, daß <strong>die</strong> Perioden eine Feinstruktur besitzen, hervorgerufen durch <strong>die</strong> Rotation der Erde.<br />

Auf kurzen Zeitskalen (Eigenschwingungen, Gezeiten) sind Kern und Kruste fest, auf langen (Abbremsen)<br />

jedoch nicht. Chandler viskoelastisch<br />

Das Magnetfeld<br />

Die Erde ist ein schiefer Rotator. Ihr Magnetfeld ist allerdings nicht permanent: es wechselt <strong>die</strong> Richtung<br />

(Missweisung von bis zu 30 Grad in 200 Jahren) und Stärke (bis zur Umpolung). Der Nordpol (in<br />

Wahrheit der Südpol, da ja der Nordpol einer Magnetnadel von ihm angezogen wird) des Erdmagnetfelds<br />

liegt heute im Hudson Bay, das sind etwa 27 Grad Inklination zur Rotationsachse.<br />

• ANMERKUNG (VOM STATISCHEN MAGNETFELD ZUM DYNAMO)<br />

Die magnetische Kraft (zwischen Erzgestein, welches nahe der kleinasiatischen Stadt Magnesia gefunden wurde) war schon<br />

(in Europa) im Altertum bekannt und wurde im 12. Jahrhundert mithilfe des Magnetkompass zur Seefahrt benutzt. Dabei<br />

nahm man an, daß der Polarstern <strong>die</strong> Kompassnadel in Nord-Süd-Richtung zwinge.<br />

Gilbert (1540 - 1603, Leibarzt der Königin Elizabeth) war der erste, der erkannte, daß <strong>die</strong> Erde selbst ein großer Magnet ist.<br />

(Sein Modell war ein riesiger Stabmagnet aus Eisen im Erdinnern). Basierend auf sorgfältigen Experimenten, entwickelte<br />

er ein weitgehend zutreffendes Bild vom Erdmagnetismus. Seine Erkenntnisse schrieb er in einem bedeutendes Werk mit<br />

dem Titel ’Über den Magneten’ auf.<br />

Er entdeckte ferner, daß ein Glasstab (und etwa 20 andere Materialien) beim Reiben so werden wie Bernstein. Auf ihn geht<br />

<strong>die</strong> Bezeichnung ’elektrisch’ (Elektron = Bernstein) zurück. Reibungselektrizität war lange <strong>die</strong> einzige bekannte Form der<br />

Elektrizität.<br />

Die Polstärke (magnetomotorische Kraft) eines Magneten wird in Gilbert angegeben.<br />

10 Ampère = 4π Gilbert.<br />

Der Franzose DuFay (1698 - 1739) fand 1734, daß es zwei Arten von Reibungselektizität gibt. Lichtenberg (1777) definierte<br />

dann willkürlich, daß <strong>die</strong> des Glasstabs positiv ist. Diese Wahl ist unglücklich, da <strong>die</strong> Stromrichtung (im Leiter) und <strong>die</strong><br />

Ladung des wichtigsten Ladungsträgers, eben des Elektrons, damit negativ ist.<br />

Das Magnetfeld der Erde wird vermutlich durch einen Dynamo erzeugt, der durch turbulente Bewegung<br />

des Erdmagmas angetrieben wird. Für einen Eisen Permanentmagneten ist es im Innern der Erde<br />

(mit etwa 4000 K) zu heiß. Neben der Leitfähigkeit, <strong>die</strong> bei allen inneren Planeten vergleichbar sein<br />

sollte, sind Viskosität (Innentemperatur) und Rotationsfrequenz <strong>die</strong> entscheidenden Parameter. Mars<br />

(zu kalt) und Venus (Rotation zu langsam) haben kein (nachweisbares) Magnetfeld.<br />

Das Magnetfeld der Erde beträgt an den Polen etwa 0.5 Gauß, es ändert aber Richtung und Betrag<br />

(Umpolen) in einer Zeit von etwa 10 5 bis 10 6 Jahren (ablesbar an ausgekühltem, ferromagnetischem<br />

Lava Gestein).<br />

Magnetisches Moment eines Dipols (in z−Richtung) und Feldstärke des Magnetfelds am Pol hängen<br />

wie folgt zusammen<br />

M = 1<br />

2 BpR 3 �ez<br />

(7.7)


7.1. PHYSIK DER ERDE 349<br />

Dabei spielt <strong>die</strong> innere Feldverteilung keine Rolle. Das magnetische Dipolmoment der Erde beträgt<br />

M⊕ = 8 · 10 25 Gauß cm 3 (7.8)<br />

• FORMELN (FOUCAULTSCHE STRÖME)<br />

Beim Aufbau bzw. Zerfall eines Magnetfelds fließen Ströme. Bekannte Beispiele sind <strong>die</strong> Wirbelstrombremse und der<br />

Unipolarinduktor. Das Ohmsche Gesetz (ohne Hall Effekt)<br />

�<br />

�j = σ �E + �v<br />

c × � �<br />

B<br />

(7.9)<br />

reicht zur Beschreibung <strong>die</strong>ser Prozesse aus und führt, wie wir jetzt zeigen wollen, bei guter Leitfähigkeit zur Flusserhaltung,<br />

bei ruhender Materie zur Dissipation des Feldes. Wir betrachten letztere zuerst.<br />

Rechnung:<br />

Von den Maxwellschen Gleichungen, mit q, Ladungsdichte im 3-dim. Raum und Strom, �j<br />

div � E = 4πq (7.10)<br />

1 ∂<br />

c<br />

� E<br />

∂t = rot � B − 4π<br />

c �j (7.11)<br />

bleibt für quasistationäre Vorgänge<br />

und<br />

div � B = 0 (7.12)<br />

− 1 ∂<br />

c<br />

� B<br />

∂t = rot � E (7.13)<br />

rot � B = 4π<br />

c �j (7.14)<br />

− 1<br />

c<br />

.<br />

�B = rot � E (7.15)<br />

übrig. Das Ohmsche Gesetz nun wird benutzt, um � E zu eliminieren und wir erhalten:<br />

.<br />

�B = rot(�v × � B) − c2<br />

4πσ rot rot � B (7.16)<br />

Für �v = 0 reduziert sich das (nach abseparieren der Zeit) auf <strong>die</strong> Vektor Helmholtz Gleichung, s. u., für σ = 0 auf<br />

Flusserhaltung<br />

�<br />

Φ = �Bd � S (7.17)<br />

Der magnetische Fluß durch eine mitbewegte Fläche (mit Normale d � S) ist erhalten.<br />

Zieht man einen Kreisleiter, der <strong>die</strong> Fläche πR 2 umrandet, schnell zusammen auf <strong>die</strong> Fläche πr 2 , so wird der Magnetfluß<br />

senkrecht dazu um den Faktor (R/r) 2 verstärkt. Schnell heißt, <strong>die</strong> Zeit T = R/v muß kurz gegen <strong>die</strong> Dissipationszeit des<br />

Feldes τ.<br />

Die dimensionslose Zahl<br />

RM = vτ Rv<br />

= 4πσ<br />

R c2 ist eine nützliche Größe, um Diffusion und Flußerhaltung zu unterscheiden.<br />

(7.18)<br />

Sie heißt magnetische Reynoldszahl. Die Tabelle gibt Daten für eine Vollkugel aus Kupfer mit einem<br />

Radius von 1 cm, <strong>die</strong> Erde (Kugel aus Eisen mit Radius<br />

R) und <strong>die</strong> Sonne. Angegeben ist neben dem Radius<br />

magnetische Zerfallszeiten<br />

R, <strong>die</strong> elektrische Leitfähigkeit σ und <strong>die</strong> Dissipationszeit Objekt R σ τ<br />

des Feldes τ. Wir sehen: RM ist in der Laborphysik von der<br />

Größenordnung eins, bei astrophysikalischen Anwendungen<br />

ist RM meist sehr groß, sodaß Diffusion vernachläßigt werden<br />

kann. Das ist aber andererseits ein Problem, etwa bei<br />

Molekülwolken, bei denen bisher keine Felder, <strong>die</strong> einer<br />

cm s<br />

Flusserhaltung des galaktischen Feldes entsprechen würden,<br />

−1<br />

Kupferkugel 10 5·1017 Erde 7·10<br />

0.5 sec<br />

8 1017 2·105 Sonne 7·10<br />

yr<br />

10 1016 2·1010 yr<br />

Tab. 7.2: Zerfallszeiten


350 KAPITEL 7. DIE ERDE.<br />

gefunden wurden. Das gilt um so mehr für Sterne wie <strong>die</strong> Sonne.<br />

Für kugelsymmetrische Probleme sind <strong>die</strong> Lösungen der Vektor Helmholtz Gleichung bekannt. Da<br />

div � B = 0 und rot rot = grad div - ∆ ist, lautet <strong>die</strong> Gleichung<br />

.<br />

�B = c2<br />

4πσ ∆ � B (7.19)<br />

Die Zeit wird mit dem Ansatz (n = 1, 2 . . . )<br />

�<br />

�B = rot(Φn�ez) exp − t<br />

�<br />

τn<br />

(7.20)<br />

absepariert und <strong>die</strong> Vektor Helmholtz Gleichung wird gelöst. Wie zuerst von Chapman (1945) gezeigt<br />

wurde, gehorchen <strong>die</strong> Dissipationszeiten der Normalmoden zum Index n, τn, einem 1<br />

n 2 Gesetz:<br />

τn = 4πσ R2<br />

c 2<br />

1<br />

n 2<br />

und (j0(x) ist eine Bessel Funktion)<br />

Φn = j0(knr) mit k −2<br />

n = c2<br />

4πσ τn und j0(x) =<br />

sin x<br />

x<br />

Die Dissipation wird durch <strong>die</strong> langsamste Mode, n = 1, bestimmt.<br />

7.1.2 Kosmogonie der Erde<br />

Problemstellung<br />

(7.21)<br />

(7.22)<br />

Wenn wir annehmen, daß sich <strong>die</strong> Planeten und <strong>die</strong> Sonne aus interstellarer Materie gebildet haben,<br />

dann steht <strong>die</strong> Kosmogonie (Bildung der Erde und der Planeten allgemein) vor den folgenden Problemen:<br />

1. Chemische Fraktionierung<br />

Da H (bezogen auf <strong>die</strong> Masse) etwa 200-mal häufiger vorkommt als Fe, muß allein bei der Bildung<br />

der Erde aus der Urmaterie des Sonnensystems an Masse etwa 200 M⊕ H und He ausgegast<br />

und verdampft worden sein. Aus dem Fehlen jeglicher Edelgase in der Atmosphäre der Erde<br />

schließt man, daß <strong>die</strong>se durch Brocken wie Asteroiden und Kleinplaneten zusammengebacken<br />

wurde, <strong>die</strong>se haben Gase bereits weitgehend beim Auskondensieren verloren. Aber selbst das,<br />

was übrigbleibt, zu verlieren ist, wie wir sehen werden ein grosses Problem, vermutlich ist ein<br />

einzelnes katastrophales Ereignis dafür verantwortlich (Eisenkatastrophe).<br />

2. Übergang von reduzierender zu oxi<strong>die</strong>render Atmosphäre<br />

Die drei häufigsten Elemente im Sonnensystem sind C, N und O. Ihre ursprünglichen <strong>Teil</strong>chenzahlen<br />

C : N : O standen im Verhältnis wie 100 : 32 : 182. Ein weiteres Problem der Kosmogonie<br />

ist, zu erklären, wie <strong>die</strong> Atmosphäre von einer reduzierenden (dominiert von Wasserstoff und<br />

seinen Verbindungen wie NH3, CH4) zu einer oxi<strong>die</strong>renden gemacht wurde (Sauerstoff O2 und<br />

Kohlendioxyd, CO2). Der Sauerstoff ist heute in den Ozeanen, der Kohlenstoff in den Sedimenten<br />

als Kalkspat gespeichert. Man nimmt heute an, daß der gesamte Wasserstoff verloren ging<br />

(das meiste davon in der Eisenkatastrophe, big burb, s. u.). Der Sauerstoff der Atmosphäre wurde<br />

von Algen in der Photosynthese produziert.


7.1. PHYSIK DER ERDE 351<br />

3. Die Ozeane<br />

Das Wasser der Ozeane wurde vermutlich nicht durch Kometen auf <strong>die</strong> Erde gebracht (und schon<br />

gar nicht auch heute noch, wie manchmal behauptet wird) sondern nach dem big burb zunächst<br />

in <strong>die</strong> Atmosphäre ausgegast und dann aus ihr kondensiert. Die Temperatur direkt nach dem<br />

big burb kann man zu 4500 K abschätzen. Damit ist auch in etwa das Anfangswertproblem der<br />

planetraen Atmosphäre definiert. Die Sonneneinstrahlung spielt keine Rolle. Was volatil genug<br />

ist verdampft (Edelgase), was schwer genug ist kondensiert später (nach dem Abkühlen) aus. Die<br />

Ozeane der Erde enthalten etwa 1000 Atmosphärenmassen, Kalkspat (CaCO3) am Meeresboden<br />

bindet etwa 70 Atmosphärenmassen, der Rest steckt in Felsgestein.<br />

4. Drehimpulsbilanz<br />

Ähnlich schlimm sieht es bei der Drehimpulsbilanz im Sonnensystem aus. Der gesamte Drehimpuls<br />

steckt in den Planeten (etwa 180 mal mehr als in der Sonne) und bei <strong>die</strong>sen wieder in den<br />

Monden (bei der Erde ist das Verhältnis zum Drehimpuls des Mondes 1 : 7). Dazu kommt ein<br />

erhebliches Misalignment (Fehlweisung) der Drehimpulse bzw. der Spins.<br />

Die drei wichtigsten Elemente C, N und O sind letztlich sehr unterschiedlich in der Atmosphäre (der<br />

verschiedenen Planeten und Monden) vorhanden. Neben der Erde enthält nur der Jupitermond Titan<br />

bedeutende Anteile an N2. Diese sind wahrscheinlich ausgegast (N2 oder NH3).<br />

• ANMERKUNG (PHOTOSYNTHESE)<br />

Photosynthese ist der Prozeß, bei dem Pflanzen vermittels Chorophyll und Sonnenenergie Kohlendioxyd und Wasser in<br />

Kohlenwasserstoffe umwandeln.<br />

6CO2 + 6H2 → C6H12 + 6O2<br />

Zu Beginn, beim Übergang von reduzierender zu oxi<strong>die</strong>render Atmosphäre, kann das CO2 auf der linken Seite ausgegast<br />

worden sein. Heute ist <strong>die</strong> Photosynthese im Gleichgewicht mit dem Umkehrprozeß, der Atmung der Pflanzen:<br />

C6H12 + 6O2 → 6CO2 + 6H2<br />

Der Nettogewinn an O2 zu Beginn kommt durch <strong>die</strong> Vermehrung der Pflanzen zustande.<br />

Aufheizung und Schmelzen<br />

Nach der heutigen Vorstellung wurden <strong>die</strong> Planeten – also auch <strong>die</strong> Erde – aus dem protosolaren Nebel<br />

in kaltem Zustand durch Agglomeration von Gesteinsbrocken von etwa Meteorgröße gebildet. Die Erde<br />

ist heute im Innern allerdings so heiß,<br />

Tc ≈ 4000 . . . 6000 ◦ K (7.23)<br />

daß sie zwischen Kern und Kruste flüssig ist, was sich durch radioaktive Aufheizung (damals und heute<br />

noch)<br />

˙Qrad ≈ 2 · 10 20<br />

erg s −1 ; jrad = 50 erg cm −2 s −1 (7.24)<br />

und <strong>die</strong> schlechte Wärmeleitfähigkeit der Kruste erklärt (Wärmestau).<br />

Die Gravitationsenergie Ug der Erde beträgt etwa<br />

Ug ≈ GM 2 ⊕<br />

R⊕<br />

= 4 · 10 39<br />

erg (7.25)<br />

und stellt damit das bei weitem größte Energiereservoir dar. Der Druck im Zentrum beträgt etwa<br />

Pc ≈ ρGM⊕<br />

2R⊕<br />

= 2 · 10 12<br />

dyn cm −2


352 KAPITEL 7. DIE ERDE.<br />

das sind 2 Megabar.<br />

Die Materie der Erde ist bereits entartet, deshalb kann <strong>die</strong> thermische Energie nicht aus dem Virialsatz<br />

gefolgert werden. Den Beitrag der Wärme schätzen wir wie folgt ab. Nach dem Gesetz von Dulong<br />

und Petit entfällt auf jedes Fe Atom <strong>die</strong> Energie ɛ = 3kT , das ergibt (heute), wenn wir als mittlere<br />

Temperatur To = 3000 ◦ K ansetzen:<br />

Qo ≈ 3NF ekTo = 10 38<br />

erg mit N = M⊕<br />

mF e<br />

≈ 10 50<br />

• ZUSATZ (DAS ABKÜHLALTER)<br />

Da <strong>die</strong> Erde früher heißer als heute war, ist es interessant, das Abkühlalter zu bestimmen.<br />

Die Abkühlung folgt aus<br />

� �3 To<br />

= 1 + (t − to)<br />

T<br />

Lo<br />

Qo<br />

mit den heutigen Werten (d. h. falls <strong>die</strong> Sonne ausgeht)<br />

und<br />

Qo<br />

Lo<br />

= 2.5 · 10 5<br />

yr<br />

Lo = 4πR 2 f⊙ ≈ 6 · 10 24<br />

erg s −1 (7.26)<br />

Der tatsächliche Wärmestrom aus dem Inneren ist 4 Zehnerpotenzen kleiner, ˙ Qrad ≈ 2 · 10 20 erg s −1 , was auf etwa 10 Gyr<br />

führt.<br />

• ZUSATZ (DIE EISENKATASTROPHE)<br />

Bei Bildung der Erde hat zunächst radioaktive Erwärmung Eisen zum Schmelzen gebracht (Erwärmung auf etwa 2000 ◦ K).<br />

Da flüssiges Eisen schwerer ist als Gestein, sammelte sich <strong>die</strong>ses im Zentrum der Erde, wobei weitere Gravitationsenergie<br />

freigesetzt wurde. Damit stieg <strong>die</strong> Temperatur nochmals (auf etwa 4000 ◦ K) an, wodurch auch das Gestein schmolz (außer<br />

in der Kruste, wegen schlechter Wärmeleitung). Dies ist <strong>die</strong> Eisenkatastrophe. Spätestens dann (wahrscheinlich aber schon<br />

früher), wurden chemisch träge Gase (in einem gigantischen Rülpser, big burb genannt) ausgegast.<br />

Die vorstehenden Überlegungen gelten für alle Planeten. Diese haben demnach alle einen festen Kern aus Eisen mit einem<br />

Mantel aus Gestein. Jupiter hat einen Fe - Ni Kern von etwa 13 M⊕ und einer Dichte ρ ≈ 22 g cm −3 ; Saturn hat sogar<br />

einen Kern von etwa 16 M⊕.<br />

Heute sieht der Temperaturverlauf im Innern der Erde etwa folgendermassen aus:<br />

1. In einer Kruste der Dicke 30 km wächst <strong>die</strong> Temperatur von 0 ◦ C auf 600 ◦ C.<br />

2. Der weitere Verlauf folgt etwa einer Sinuskurve:<br />

T = Tc sin π(r/R) mit Tc ≈ 5000 ◦ C.<br />

Der größte <strong>Teil</strong> des Erdinnern ist flüssig, der Kern ist fest.<br />

7.1.3 Rotation<br />

Die Entweichgeschwindigkeit ist, wie wir gezeigt haben, durch<br />

�<br />

2GM<br />

vesc =<br />

R<br />

(7.27)<br />

gegeben. Für <strong>die</strong> Erdoberfläche sind das 11.2 km s −1 . Die Rotationsgeschwindigkeit am Äquator beträgt<br />

dagegen nur etwa<br />

vrot = 0.46kms −1 ,<br />

<strong>die</strong> Erde ist ein langsamer Rotator: vrot ≪ vesc.


7.1. PHYSIK DER ERDE 353<br />

• FORMELN (IDEALES GAS)<br />

Den Wirkungsquerschnitt der Luftmoleküle nähern wir durch den für harte Kugeln mit Durchmesser d (etwa 2 · 10 −8 cm)<br />

σ = πd 2<br />

also (für neutralen O2 und N2)<br />

σ ≈ 10 −15<br />

cm 2<br />

Die r.m.s. Geschwindigkeit vo und <strong>die</strong> Schallgeschwindigkeit vs eines idealen Gases mit Boltzmann Verteilung werden<br />

berechnet nach:<br />

vo =<br />

� �1/2 3kTo<br />

m<br />

und vs =<br />

� �1/2 �<br />

dP<br />

= γ<br />

dρ ad<br />

P<br />

�1/2 ρ<br />

Der adiabatische Index γ beträgt 7/5 für Luft (lineare Moleküle).<br />

Für <strong>die</strong> Erdoberfläche ergibt sich eine mittlere Geschwindigkeit der Luftmoleküle von vo = 4.85·10 4 cm s −1 , was praktisch<br />

identisch ist mit vrot.<br />

Die Schallgeschwindigkeit ist mit<br />

vs =<br />

� �1/2 7<br />

vo = 3.33 · 10<br />

15<br />

4<br />

cm s −1<br />

etwas langsamer.<br />

Die mittlere freie Weglänge erhält man (durch Mittelung über <strong>die</strong> Relativgeschwindigkeit zwischen zwei Molekülen) zu<br />

l = 1<br />

√<br />

8<br />

√ =<br />

2nσ πnr2 wobei r der Radius der harten Kugel ist. Für Luft (mit P = 10 6 dyn cm −2 und T = 300 K) ist n = p/kT = 2.5 · 10 19<br />

cm −3 und damit<br />

l = 3 · 10 −5<br />

Für <strong>die</strong> Stossfrequenz<br />

ν = 1<br />

τ<br />

= v<br />

l<br />

cm<br />

erhalten wir damit ν = 2 · 10 9 s −1 , oder 2 GHz.<br />

Vergleicht man <strong>die</strong> vier inneren Planeten, Merkur (R = 0.38R⊕ und P = 58d), Venus (R = 0.95R⊕<br />

und P = -243d), Erde und Mars (R = 0.53R⊕ und P = 1d), dann ist vrot ≈ vs <strong>die</strong> grosse Ausnahme.<br />

Präzession und Nutation<br />

Physikalisch ist <strong>die</strong> Erde ein äusserst kompliziertes Gebilde, welches am ehesten durch einen viskoelastischen,<br />

abgeplatteten Kreisel zu beschreiben ist. Da Bahndrehimpuls und Eigendrehimpuls bei<br />

der Erde etwa um 23.5 ◦ gegeneinander geneigt sind, kommt es im Gravitationsfeld der Sonne und<br />

des Mondes zu einem Drehmoment, welches bewirkt, daß <strong>die</strong> Drehachse der Erde an der Himmelssphäre<br />

einen Kegel mit Öffnungswinkel 23.5 ◦ und Periode 2.5735·10 4 Jahre beschreibt. Diese Bewegung<br />

heißt Präzession der Äquinoxien oder Lunisolar–Präzession. Aus ihr folgt für <strong>die</strong> beiden Hauptträgheitsmomente<br />

C − A<br />

C<br />

(7.28)<br />

(7.29)<br />

= 1/305.8 (7.30)<br />

Da der Mondbahndrehimpuls selbst noch um 5 ◦ zur Ekliptik geneigt ist, kommt eine zweite Präzession<br />

(Periode 18.6 Jahre) hinzu, welche leider aus historischen Gründen von den Astronomen Nutation<br />

genannt wird.


354 KAPITEL 7. DIE ERDE.<br />

Die wahre Nutation, d. h. <strong>die</strong> freie Präzession eines festen Ellipsoids, hat nach Euler <strong>die</strong> Frequenz<br />

ωw =<br />

(C − A)S<br />

AC<br />

cosΘo<br />

Sie ist kaum nachweisbar (Amplitude 0.1 ′′ , Periode 1.16 Jahre = 438 Sterntage) und wird nach ihrem<br />

Entdecker Chandler Wobble genannt. Euler dagegen hatte (1765) ihre Periode Pw zu 304.8 Stern-Tagen<br />

berechnet. Die Diskrepanz erklärt sich aus der Nachgiebigkeit der Erde (auf einer Zeitskala von einem<br />

Jahr).<br />

Abbremsung der Erdrotation<br />

Die Rotationsenergie beträgt<br />

Erot = 1<br />

2 CΩ2 mit C = 8.118 · 10 44<br />

(7.31)<br />

mit C Hauptträgheitsmoment der Erde und Ω Winkelgeschwindigkeit der Erdrotation. Zum Vergleich:<br />

das ist das Trägheitsmoment der Neutronensterne! Diese verlieren allerdings etwa 10 38 erg s −1 beim<br />

Abbremsen.<br />

Eine inkompressible, homogene Kugel hat ein Trägheitsmoment<br />

C = 2<br />

5 Ma2<br />

wobei a der Radius ist. Für <strong>die</strong> (kompressible) Erde gilt C = 0.331Ma 2 . Der Drehimpuls der Erde<br />

beträgt<br />

S = CΩ = 5.9 · 10 40 gcm 2 s<br />

Die Dissipation der Gezeitenenergie (in flachen Meeren) bewirkt eine Abbremsung der Erdrotation<br />

Erot = 2.16 · 10 36<br />

erg ; ˙ Qdiss = 3 · 10 19<br />

erg s −1 (7.32)<br />

welche nicht direkt gemessen werden kann (Rauschen), welche allerdings mithilfe historischer Aufzeichnungen<br />

(Sonnenfinsternis) und sog. lebender Fossilien zu<br />

˙<br />

P⊕ = 10 −12<br />

s s −1 (7.33)<br />

bestimmt wurde. Dieser säkularen Verlangsamung entspricht eine Zeitskala von<br />

T = P⊕<br />

˙<br />

P⊕<br />

= 8.6 · 10 16<br />

s ≈ 3 Gyr (7.34)<br />

Dieser Wert der Abbremsung ist etwa dreimal so groß (entsprechend ≈ 30 Sekunden in 1 Myr), wie<br />

der durch Dissipation der Gezeitenkräfte bestimmte Wert. Als Mittelwert der säkularen Verlangsamung<br />

nimmt man oft 20 Sekunden pro Myr.<br />

• ZUSATZ (PALÄOASTRONOMIE: DIE TAGESLÄNGE IM SILUR)<br />

Die Paleoastronomie basiert auf der Annahme, daß bestimmte Nautiloiden (Muscheln, Korallen etc.) ihre Schale mithilfe<br />

von Licht, also proportional zur Tageslänge, bauen. Damit kommt man etwa 300 . . . 400 Myr zurück, bis ins Devon bzw.<br />

Silur. Die Tageslänge war damals etwa 21 h , also 3 h kürzer als heute, was etwa obigem ˙<br />

P⊕ (mit 350 Myr) entspricht.<br />

Lit.<br />

S.M. Pompea et al., Vistas in Astronomy 23, 185 (1979)


7.1. PHYSIK DER ERDE 355<br />

• ZUSATZ (DIE TAGESLÄNGE BEI SYNCHRONISATION)<br />

Die Tageslänge ist bei Synchronisation genau so lang wie <strong>die</strong> Dauer eines Monats. Bei der Überschlagsrechnung benutzen<br />

wir <strong>die</strong> Drehimpulserhaltung in folgender Form. Heute gilt etwa<br />

7J⊕ = Jm also Jtot = 8<br />

7 Jm<br />

Bei Synchronisation steckt näherungsweise der gesamte Drehimpuls im Mond. Aus<br />

folgt<br />

Jm = MmR 2 Ωm und Kepler Ω 2 mR 3 = const<br />

Jm(fin)/Jm(ini) = 8<br />

7 =<br />

� �1/2 R(fin)<br />

R(ini)<br />

und daraus R(fin) = 1.35R(ini). Der genaue Wert ist<br />

R(fin) = 1.4R(ini)<br />

Die Tages bzw. Monatsdauer beträgt dann 45.5 heutige Tage.<br />

Tageslänge und Zeitbestimmung<br />

Ein Tag hat 24 Stunden, 1440 Minuten oder 86400 Sekunden. Ein Julianisches Jahrhundert hat 62525<br />

Tage. Nach einem Vorschlag von J. Scaliger aus dem Jahr 1606, (von dem <strong>die</strong> Benennung zu Ehren<br />

seines Vaters Julius stammt) beginnt <strong>die</strong> Zählung am 1 Januar −4712 mittags. Der 1.5 Januar (d. h. der<br />

1. Januar 12h mittags) ist JD 2 451 545 und wird mit J2000 bezeichnet.<br />

Alternativ zum Julianischen Jahr wurde das Besselsche Jahr (bezeichnet mit Bxxxx) benutzt. Es basiert<br />

auf der Länge des tropischen Jahres und hat 625.242 198 781 Tage. Der Unterschied zwischen beiden<br />

ist kumulativ, es entspricht dem Besselschen Jahr B2000 das Julianische Jahr J1999.998722 (mit JD<br />

2 451 544.4334) und umgekehrt J2000 (mit obigem JD) entspricht B2000.001278.<br />

Bis 1960 bestimmte <strong>die</strong> Tageslänge <strong>die</strong> Zeit, welche Universal Time (UT) genannt wurde. Eine Sekunde<br />

war der 86400te <strong>Teil</strong> des mittleren Sonnentages. Von 1960 bis 1967 wurde <strong>die</strong> Ephemeris Time<br />

(ET) als der 31 556 925.974 7te <strong>Teil</strong> des tropischen Jahrs 1900.0 benutzt.<br />

Zwischen 1967 (BIH: Bureau International de l’Heure) und 1971 (TAI: Temps Atomique International)<br />

erfolgte <strong>die</strong> Umstellung auf Atomzeit. Seit 1967 gilt <strong>die</strong> Atomzeit als verbindliches Normal: ’Die<br />

Sekunde ist das 9.192.631.770 - fache der Periodendauer des Hyperfeinübergangs (J = 7/2, F = 4 →<br />

F = 3) bei 133 Cs’ (ewa 9 GHz). Die rel. Genauigkeit (gemessen an mehreren Uhren, in Deutschland<br />

an der PTB in Braunschweig) beträgt � 10 −14 (über ein Jahr, 10 −15 über 1000 s.) bei einer Ablesegenauigkeit<br />

von ∆ν/ν � 3 · 10 −11 .<br />

Universal Time (UT) wird heute über <strong>die</strong> Durchgangszeit eines Sterns durch einen festen Punkt auf<br />

der Erde definiert. Die Abweichung zwischen einer idealen Atomuhr, TI, und Universal Time (UT)<br />

definiert <strong>die</strong> Größe<br />

Λ(t) = IT − UT<br />

welche positiv ist, falls <strong>die</strong> Erde zu langsam rotiert. Die dimensionslos Größe<br />

m3 = − ˙ Λ<br />

ist so definiert, daß <strong>die</strong> Rotation schneller wird (Beschleunigung), falls m3 > 0 ist. Dies passierte<br />

zwischen 1850 und 1900.


356 KAPITEL 7. DIE ERDE.<br />

7.1.4 Die Erdatmosphäre<br />

Problemstellung<br />

Im folgenden wird angenommen, daß für das System Erde + Atmosphäre im Strahlungsfeld der Sonne<br />

der Energiesatz gilt: <strong>die</strong> Erde wird langfristig weder wärmer noch kälter, was sich ändert ist <strong>die</strong><br />

Temperatur an ihrer Oberfläche (Index o) und <strong>die</strong> Entropie der Strahlung. Bereits auf ihrem Weg zur<br />

Oberfläche wird <strong>die</strong> Strahlung zum IR hin verschoben, bei der Abstrahlung beträgt <strong>die</strong> typische Wellenlänge<br />

10 −3 cm (statt 5 · 10 −5 cm der einfallenden Strahlung). Die Entropie S = 4E/T wird um den<br />

Faktor 20 erhöht.<br />

• DEFINITION (DIE ERDATMOSPHÄRE: PHYS. PARAMETER)<br />

Wir benutzen <strong>die</strong> folgenden Bezeichnungen und Relationen:<br />

Daten zur Erdatmosphäre<br />

Symbol Wert cgs–Einheit Bezeichnung Formel<br />

Vo −6 · 10 11 cm 2 s −2 grav. Potential Vo = −G M<br />

R<br />

EH −10 −12 erg potentielle Energie für H EH = −G mM<br />

R<br />

go 981 cm s −2 Erdbeschleunigung go = G M<br />

R 2<br />

To 288.15 K Temperatur<br />

Ho 8 · 10 5 cm Skalenhöhe (für Luft) Ho = kT<br />

mg<br />

Po 10 6 dyn cm −2 Druck Po = nkT<br />

ρo 1.29 · 10 −3 g cm −3 Massendichte<br />

no 2.5 · 10 19 cm −3 <strong>Teil</strong>chenzahldichte<br />

MA 4 · 10 21 g Masse der Atmosphäre MA = ρoHoA<br />

Der Index o bezieht sich auf <strong>die</strong> Oberfläche (Meereshöhe) der Erde. Die beiden Hauptbestandteile der Luft sind 79% N2 und<br />

21% O2. Das mittlere Molekulargewicht beträgt ˜µ = 0.79 · 28 + 0.21 · 32 = 28.9. Die Werte für Druck, <strong>Teil</strong>chenzahldichte<br />

und Massendichte gelten für Normalbedingungen: To = 273 K. Der numerische Anteil von Wasserdampf, H2O, beträgt<br />

bei Sättigung nur 2.5%.<br />

Ein Verständnis der Thermodynamik und der Chemie der Erdatmosphäre sind für den Menschen<br />

(über)lebenswichtig. Die Verhältnisse sind aber leider sehr komplex. Einige Probleme werden wir im<br />

Vergleich mit anderen Planeten später behandeln. Hier betrachten wir einige einfache physikalische<br />

Aspekte der Hydrostatik und Dynamik.<br />

• FORMELN (EINIGE WERTE ZUM NACHSCHLAGEN)<br />

Die Oberfläche der Erde, A⊕, beträgt A⊕ = 5.1·1018 cm2 . Davon sind 5<br />

7 mit Wasser bedeckt (71% Hydrosphäre), der Rest<br />

ist Landmasse (29% Lithosphäre). Die mittlere Wassertiefe beträgt 3.5 km, und damit haben <strong>die</strong> Ozeane eine Masse von<br />

1.3 · 1024 g, bzw. 0.022% der Gesamtmasse (M⊕ ≈ 6 · 1027 g). Thermodynamisch wirken <strong>die</strong> Ozeane als Wärmespeicher,<br />

chemisch als Puffer zum Speichern von CO2 in Form von Kalkspat CaCO3.<br />

Die Amplitude der Meereshöhenschwankung zwischen Warm- und Eiszeit beträgt 120 Meter.<br />

Hydrostatik der Erdatmosphäre<br />

Die Säulendichte der Erdatmosphäre beträgt<br />

N =<br />

�∞<br />

o<br />

n(l)dl = noh = 2 · 10 25<br />

cm −2 (7.35)<br />

was einer Masse von 1033 g pro cm 2 (Wassersäule von 10 Meter) entspricht. Die chemische Zusammensetzung<br />

der Erdatmosphäre besteht aus zeitlich konstanten (z. B. N2 und O2) und zeitlich variablen<br />

Anteilen (H2O und CO2). Deshalb behilft man sich mit dem Konzept einer Standardatmosphäre.


7.1. PHYSIK DER ERDE 357<br />

• ZUSATZ (STANDARDATMOSPHÄRE: DAS MITTLERE VERHALTEN)<br />

Zugrunde gelegt wird hier das mittlere Verhalten von Temperaturbeobachtungen in der freien Atmosphäre. Die bis dato<br />

gebräuchlichste Standardatmosphäre ist <strong>die</strong> US-Standardatmosphäre von 1962 mit den entsprechenden Ergänzungen aus<br />

späteren Jahren. Sie bezieht sich auf das Verhalten der Atmosphäre im Jahresmittel bei 45 ◦ nördlicher Breite. Die thermodynamischen<br />

Ausgangswerte für 0 km Höhe (Meeresniveau) sind:<br />

Standardatmosphäre<br />

Druck : Po = 1.01325 · 10 5 Pa<br />

Temperatur : To = 288.15 K<br />

Dichte : ρo = 1.225 · 10 −3 g cm −3<br />

1 Bar = 1000 Hekto Pascal = 10 5 N m −2 = 10 6 dyn cm −2<br />

1 m 3 enthält 1293 g Stickstoff und Sauerstoff, der Anteil an Wasser beträgt nur 17.3 g.<br />

Schadstoffkonzentrationen werden gewöhnlich absolut in Mikrogramm pro m 3 oder relativ in pptv (parts per tausendstel<br />

Volumkonzentration) bzw. in ppmv (parts per millionstel Volumkonzentration) angegeben. Etwa 100 µg pro m 3 O3 sind<br />

für den Menschen schädlich (Krebs?).<br />

• ZUSATZ (STANDARDATMOSPHÄRE: ABGELEITETE MITTELWERTE)<br />

Unter Standardbedingungen für Druck und Temperatur, Po = 1013.25 mbar, To = 273.15 K, gelten <strong>die</strong> folgenden Werte<br />

für trockene Luft. Alle Werte sind bezogen auf Meeresniveau.<br />

Dichte ρo = 1.2928 · 10 −3 g cm −3<br />

Molekülgewicht µ = 28.970<br />

<strong>Teil</strong>chendichte no = 2.688 · 10 19 cm −3<br />

Geschwindigkeit vo = 4.85 · 10 4 cm s −1<br />

Molekülradius r = 1.73 · 10 −8 cm<br />

freie Weglänge λ = 6.98 · 10 −6 cm<br />

Die mittl. Molekülmasse beträgt m = 4.810 · 10−23 g. Die r.m.s. Geschwindigkeit vo und <strong>die</strong> freie Weglänge λo wurden<br />

berechnet nach:<br />

� �1/2 √<br />

3kTo<br />

8<br />

vo =<br />

und λo =<br />

m<br />

πnor2 Die Temperatur der Erdatmosphäre<br />

Mit Albedo ∗ bezeichnet man den Reflexionskoeffizienten, A, eines Planeten. Sie beträgt für <strong>die</strong> Erde †<br />

A = 0.30 (zum Vergleich: A = 0.07 für den Mond) und wird bestimmt (in <strong>die</strong>ser Reihenfolge) durch:<br />

1. den Wassergehalt der Erdatmosphäre,<br />

2. <strong>die</strong> Wassertropfen der Wolken (H2O),<br />

3. den Erboden und<br />

4. <strong>die</strong> Ozeane.<br />

Die Erde ist im Mittel zu 50% mit Wolken bedeckt.<br />

Beim Durchgang durch <strong>die</strong> Erdatmosphäre wird <strong>die</strong> Strahlung der Sonne modifiziert, und zwar zum<br />

Infraroten hin verschoben.<br />

• ANMERKUNG<br />

Nimmt man <strong>die</strong> Erdatmosphäre weg, so würde vorübergehend <strong>die</strong> Temperatur der Erdoberfläche auf etwa Teff ≈ 256 − 9<br />

◦ K (also −30 Celsius) abfallen, <strong>die</strong> Albedo der Erde wäre dann A = 0.39.<br />

Die UV-Strahlung würde direkt zur Erdoberfläche gelangen und dort so lange O und O2 freisetzen, bis sich wieder eine<br />

Ozonschicht gebildet hat. Der damit verbundene Treibhauseffekt würde dann Wasser verdampfen lassen, <strong>die</strong> Erdatmosphäre<br />

würde sich regenerieren.<br />

∗Von lat. alba = weiß. Die Albedo kann für alle Planeten außer für <strong>die</strong> Erde direkt bestimmt werden und bezieht sich<br />

auf das sichtbare Spektrum.<br />

† Der noch häufig zitierte Wert für <strong>die</strong> Albedo der Erde, A = 0.39, wurde Ende 1960 durch Satellitenbeobachtungen<br />

obsolet.<br />

Neuerdings wird diskutiert, ob bestimmte Wolken <strong>die</strong>sen Wert für <strong>die</strong> Oberfläche der Erde nochmals modifizieren.


358 KAPITEL 7. DIE ERDE.<br />

Der Treibhauseffekt<br />

Der Treibhauseffekt kommt dadurch zustande, daß <strong>die</strong> Wellenlänge des eingestrahlten Lichts (Maximum<br />

bei 500 nm) und <strong>die</strong> Wellenlänge der von der Erde wieder abgestrahlten Wärmestrahlung (Maximum<br />

bei 8800 nm, entsprechend 290 K) sehr verschieden sind. Er wird deshalb hauptsächlich bestimmt<br />

durch <strong>die</strong>jenigen Moleküle, welche im IR, nicht aber im visuellen optisch aktiv sind (absorbieren): <strong>die</strong><br />

Gase (in <strong>die</strong>ser Reihenfolge) H2O undCO2. Svante Arrhenius erkannte 1896 <strong>die</strong>ses Prinzip bereits und<br />

konnte damit <strong>die</strong> Eiszeiten (und Warmzeiten) erklären.<br />

• ANMERKUNG (SINTFLUT)<br />

Die Konsequenzen einer Erwärmung um ein Grad (bis 2100):<br />

1. Abschmelzen der Eisberge liefert eine Erhöhung des Meeresspiegels um 17 cm,<br />

2. Ausdehnung des Wassers liefert 32 cm, insgesamt: 49 cm.<br />

Bei einer richtigen Warmzeit beträgt <strong>die</strong> Amplitude des Meeresspiegels dagegen 120 Meter (d. h. 20 %, bei einer mittleren<br />

Tiefe des Meeres von 2.4 km).<br />

Damit absorbiert <strong>die</strong> Erde (1 − A) = 70% aus dem Sonnenfluß. Der Gesamtfluß, <strong>die</strong> Solarkonstante<br />

f⊙, kann direkt gemessen werden und beträgt:<br />

f⊙ = 1.36 · 10 6<br />

erg s −1 cm −2 = 1.99 cal cm −2 min −1 = 236 W m −2 (7.36)<br />

sodaß der <strong>die</strong> Erde (senkrecht) treffende Fluß oberhalb der Atmosphäre Lo = S<br />

S = πR 2 f⊙ ≈ 1.75 · 10 24<br />

beträgt. Da der absorbierte Fluß<br />

Sabs = (1 − A)πR 2 f⊙ ≈ 10 24<br />

erg s −1 (7.37)<br />

erg s −1<br />

ist, <strong>die</strong> abstrahlende Fläche F jedoch (jedenfalls bei schnell rotierenden Planeten) F = 4πR 2 ist (sonst<br />

–wie z. B. beim Mond– <strong>die</strong> Hälfte), ergibt sich für <strong>die</strong> Gleichgewichtstemperatur der Erde als schwarzer<br />

Strahler<br />

Teff =<br />

� (1 − A)f⊙<br />

4σ<br />

�1/4 �<br />

R⊕<br />

= T⊙<br />

2DES<br />

�1/2<br />

(1 − A) 1/4<br />

was Teff ≈ 256 ◦ K ergibt.<br />

Da <strong>die</strong> mittlere Temperatur an der Oberfläche der Erde allerdings To = 290 ◦ K beträgt, ergibt sich eine<br />

Differenz von 34 K. Diese erklärt sich aus dem Teibhauseffekt, der also <strong>die</strong> Erde erst bewohnbar macht.<br />

Die wirkliche Abstrahlung (für <strong>die</strong> dann der Energiesatz angewendet werden kann) geschieht aus der<br />

Tropopause heraus (etwa 20 km über der Erdoberfläche): In der Eddingtonschen Näherung für den<br />

Strahlungstransport durch <strong>die</strong> Troposphäre gilt für <strong>die</strong> Temperatur als Funktion der optischen Tiefe τ<br />

T = Teff<br />

�<br />

3 2<br />

(τ +<br />

4 3 )<br />

�1/4<br />

(7.38)<br />

Für <strong>die</strong> Tropopause ist dann T = 207 ◦ K, während am Boden (für τ = 2) T = 290 ◦ K gilt. Wir<br />

erwarten demnach einen negativen Temperaturgra<strong>die</strong>nten von etwa 4 · 10 −5 K cm −1 .


7.1. PHYSIK DER ERDE 359<br />

Temperaturschichtung<br />

Wir betrachten nun <strong>die</strong> beobachtete Temperatur- und Druckverhältnisse innerhalb der Atmosphäre. In<br />

der Atmosphäre herrscht folgende Temperaturschichtung:<br />

In Bodennähe bis etwa 12 km (ca. 7 km in Pol- und ca. 17 km in Äquatornähe) gibt es einen negativen<br />

Temperaturgra<strong>die</strong>nten (etwa 7 · 10 − 5 K cm −1 ). Dieser Bereich wird als Troposphäre bezeichnet.<br />

Innerhalb der Troposphäre verteilen sich <strong>die</strong> verschiedenen Gase exponentiell mit einer Skalenhöhe<br />

von etwa 8.5 km, während Wasserdampf (H2O) im allgemeinen nur exponentiell mit einer Skalenhöhe<br />

von 4 km auftritt.<br />

Die stossverbreiterten Linien von zwei Spezies, CO2 und H2O, sind <strong>die</strong> Hauptursache für <strong>die</strong> Absorption<br />

von Sub(mm)- Radioemission aus höheren Schichten der Atmosphäre bzw. aus dem interstellaren<br />

Raum.<br />

An <strong>die</strong> Troposphäre schließt sich <strong>die</strong> Stratosphäre an. Nach einer isothermen Schicht in der unteren<br />

Stratosphäre nimmt <strong>die</strong> Temperatur in der oberen Stratosphäre rasch wieder zu und erreicht in etwa<br />

50 km Höhe Temperaturen, <strong>die</strong> denen der oberflächennahen Troposphärenschicht entsprechen. Diese<br />

starke Erwärmung kann auf <strong>die</strong> Absorption von solarer UV- Strahlung (λ ≈ 200 − 300 nm) durch das,<br />

in der oberen Stratosphäre, vorhandene Ozon zurückgeführt werden.<br />

Oberhalb <strong>die</strong>ser Schicht beginnt <strong>die</strong> Mesosphäre, innerhalb derer <strong>die</strong> Temperatur erneut absinkt, bis<br />

auf etwa 180K. Die Mesosphäre reicht bis in Höhen von 85 km.<br />

Ab hier beginnt dann <strong>die</strong> Thermosphäre, <strong>die</strong> wiederum durch einen sehr starken Temperaturgra<strong>die</strong>nten<br />

bestimmt ist. Hier ist es ebenfalls <strong>die</strong> Absorption von UV-Strahlung, allerdings durch molekularen<br />

Stickstoff (N2) bzw. durch molekularen und atomaren Sauerstoff (O2, O) bei Wellenlängen λ < 200<br />

nm, <strong>die</strong> zu der starken Erwärmung führt. Die Ausdehnung der Thermosphäre und <strong>die</strong> (gaskinetische)<br />

Temperatur innerhalb derselben unterliegen beträchtlichen Variationen, jeweils in Abhängigkeit von<br />

der Sonneneinstrahlung und -aktivität.<br />

Die Übergangsbereiche zwischen den einzelnen atmospärischen Schichten werden als Tropo-, Stratound<br />

Mesopause bezeichnet.<br />

Etwa 99.9% der gesamten Luftmasse der Erde befinden sich unterhalb der Stratopause. Die für das<br />

Wetter verantwortlichen Vorgänge laufen im wesentlichen in der Troposphäre ab. Bis zu 100 km Höhe<br />

ist <strong>die</strong> molare Masse der Atmosphäre infolge der guten Durchmischung höhenunabhängig (Homosphäre).<br />

Ab <strong>die</strong>ser Höhe dominieren dann Diffusions- und Dissoziationsprozesse, und somit wird <strong>die</strong><br />

molare Masse zu einer Funktion der Höhe (Heterosphäre).<br />

Die Luft der Erdatmosphäre kann als verdünntes (nicht wechselwirkendes) Gas behandelt werden: der<br />

mittlere Molekülabstand lo beträgt lo = 2 · 10 −7 cm während für <strong>die</strong> freie Weglänge λo = 7 · 10 −6 cm<br />

gilt, also λo/lo ≫ 1.<br />

Als einfache Anwendung der Thermodynamik auf ein System im äusseren Feld, betrachten wir <strong>die</strong><br />

Erdatmosphäre als globales System im Gravitationsfeld der Erde mit dem Potential<br />

V = −GM⊕<br />

r<br />

φ = mV = −GmM⊕<br />

r<br />

Die normierte Maxwell Verteilung im äusseren Gravitationsfeld lautet<br />

� � � �<br />

m 3/2 ɛ + φ − φo<br />

f(x, v) = no<br />

exp −<br />

2πkT<br />

kT<br />

Dabei hängt <strong>die</strong> kinetische Energie ɛ = ɛ(v) nur von der Geschwindigkeit v, <strong>die</strong> potentielle Energie<br />

φ = φ(x) und <strong>die</strong> Temperatur T nur vom Ort x ab. Die Temperatur bestimmt sich im Prinzip aus Glchg.<br />

(7.38). Für nicht zu grosse Höhen ist T = const eine ausreichende Näherung.<br />

Entwickeln wir zunächst das Gravitationsfeld für h ≪ R<br />

V (x) − Vo = V ′<br />

oh + . . . mit V ′<br />

o = go = G M<br />

R2


360 KAPITEL 7. DIE ERDE.<br />

und integrieren <strong>die</strong> Maxwell Verteilung über v, so erhalten wir <strong>die</strong> barometrische Höhenformel für<br />

nicht zu grosse Höhen<br />

n(x) = noe −σ(h) mit σ(h) = h<br />

H<br />

und H = kT<br />

mg<br />

Die Größe H heißt Skalenhöhe. Unter Skalenhöhe versteht man also <strong>die</strong> Höhe, bei welcher der Anteil<br />

auf 1/e abgesunken ist. Analog kann man eine Halbwertshöhe definieren<br />

n(x) = no2 −˜σ(h) mit ˜σ(h) = h<br />

˜H und ˜ H = H ln 2 = 0.69H<br />

Sie ist von der Masse der <strong>Teil</strong>chen abhängig. Für Luft und T = 290 K beträgt sie H = 8.44 · 10 5 cm.<br />

( ˜ H = 5.85 · 10 5 cm).<br />

In einer ruhigen Atmosphäre würden sich demnach <strong>die</strong> schweren Moleküle am Erdboden, wo sie erzeugt<br />

werden, sammeln. Zum Glück gibt es eine ständige Durchmischung der Luft. Der Grund dafür<br />

ist der negative Temperaturgra<strong>die</strong>nt: warme Luft steigt auf, kalte sinkt ab. Man kann deshalb mit einem<br />

mittleren Molekulargewicht von ˜µ = 28.9 rechnen. An der Erdoberfläche (Index o) gelten dabei <strong>die</strong><br />

Werte der Tabelle.<br />

Die Lösung für das globale Problem lautet analog<br />

n(x) = noe −σ(r) mit σ(r) =<br />

φ(r) − φo<br />

kT<br />

und φ(r) = − GmM<br />

r<br />

(7.39)<br />

Wir sehen, daß im Unendlichen <strong>die</strong> Dichte nicht verschwindet, falls sie an der Erdoberfläche von Null<br />

verschieden ist. Das ist eine offensichtlich unsinnige Konsequenz.<br />

Die Lösung des Paradoxons: <strong>die</strong> Gleichungen für ein statisches Gleichgewicht Erde - Atmosphäre<br />

dürfen nicht angewendet werden, da es ein solches Gleichgewicht nicht gibt. Die Atmosphäre muß<br />

ständig verdampfen, was sie auch tut.<br />

Verdampfung der Atmosphäre<br />

Um den Effekt quantitativ zu bestimmen, benutzen wir zunächst obige Werte für <strong>die</strong> Erdoberfläche<br />

(Index o) und erhalten für den Faktor σ im Exponenten für Luft<br />

yo = σ(∞) = mVo<br />

kTo<br />

= R<br />

H<br />

= 660<br />

wenn wir konstante Temperatur annehmen. Luft kann vom Erdboden aus nicht verdampfen. Das gilt<br />

auch in größeren Höhen.<br />

Eine interessantere Abschätzung erhalten wir dort für atomares H: setzen wir eine mittlere Temperatur<br />

von 1500 Kelvin an, so folgt<br />

yo = σ(∞) = mVo<br />

kTo<br />

= 22 m<br />

mH<br />

(7.40)<br />

Aus der barometrische Höhenformel folgt dann, daß <strong>die</strong> Dichte von H im Unendlichen auf den exp(−xo)<br />

= exp(-22)–ten <strong>Teil</strong> des Oberflächenwertes abfallen sollte.<br />

Tatsächlich verdampft <strong>die</strong> Erdatmosphäre nicht vom Erdboden aus (bei konstanter Temperatur), sondern<br />

aus einer Höhe von etwa H = 1500 km heraus, der sogenannten Exosphäre, Index x. Sie ist<br />

dadurch definiert, daß hier <strong>die</strong> freie Weglänge, l, der Atome vergleichbar mit der Skalenhöhe H ist.<br />

l = 1<br />

nσ<br />

= H = kTx<br />

mgx<br />

= kTxr 2 x<br />

GmM


7.1. PHYSIK DER ERDE 361<br />

Die Exosphäre besteht zum größten <strong>Teil</strong> aus H und He, <strong>die</strong> mittlere kinetische Geschwindigkeit vx =<br />

(3kT/m) 1/2 liegt mit 4 km/s nahe der Entweichgeschwindigkeit von ve = 11 km/s.<br />

Hier beträgt <strong>die</strong> Dichte der Luft<br />

n = 2 · 10 6<br />

cm −3 ρ = 3 · 10 −18<br />

g cm −3<br />

also etwa das 2 · 10 −15 −fache der Materiedichte an der Erdoberfläche. Die Temperatur ist hier durch<br />

<strong>die</strong> Sonneneinstrahlung gegeben und beträgt 1500 ◦ K.<br />

Damit können wir <strong>die</strong> Verdampfungsrate ganz grob abschätzen, wobei der Index x sich also auf <strong>die</strong><br />

Exosphäre bezieht:<br />

�<br />

kTx<br />

F ˙ = nxve = nx<br />

m<br />

˙N = 4πr 2 x ˙<br />

F = 10 30<br />

und damit eine mittlere Verdampfungszeit für <strong>die</strong> gesamte Erdatmoshpäre MA bestimmen:<br />

t1/2 = MA<br />

m ˙ N<br />

= 3 · 107<br />

Jahre MA = 4 · 10 21<br />

In den unteren Schichten findet eine ständige Durchmischung der Gase statt, während in den oberen<br />

Schichten <strong>die</strong> Sonnenenergie (Gammastrahlung) ständig <strong>die</strong> Atomkerne spaltet, sodaß tatsächlich der<br />

Wasserstoff der Atmosphäre verdampft. Der Sauerstoff wird als Kalkspat gebunden.<br />

• ZUSATZ (VERDAMPFUNGSRATE UND VERDAMPFUNGSZEIT NACH JEANS)<br />

Eine genauere Abschätzung, <strong>die</strong> auf Jeans zurückgeht und <strong>die</strong> wir jetzt durchführen wollen, liefert noch den Faktor<br />

�<br />

f(yx) =<br />

ye<br />

∞<br />

x e −x dx ≈ yx(1 + yx)e −yx<br />

und genauer für <strong>die</strong> Verdampfungsrate pro Fläche<br />

F ˙ = 1<br />

4 nx¯ve<br />

Dabei ist der Faktor 1<br />

4 der <strong>Teil</strong> der <strong>die</strong> richtige Richtung und ¯ve der <strong>Teil</strong> der <strong>Teil</strong>chen, <strong>die</strong> entweichen können, weil ihre<br />

Geschwindikeit dazu ausreicht<br />

¯ve =<br />

�∞<br />

ve<br />

vfM (x, v)4πv 2 dv<br />

wobei fM (x, v) <strong>die</strong> normierte Verteilungsfunktion ist,<br />

�<br />

m<br />

�3/2 fM (x, v) = n<br />

e<br />

2πkT<br />

−βɛ mit β = 1<br />

kT<br />

Die untere Grenze ist durch <strong>die</strong> Entweichgeschwindigkeit<br />

v 2 e = 2GM<br />

rx<br />

und ɛ = 1<br />

2 mv2<br />

gegeben. In <strong>die</strong>sem Punkt unterscheiden sich <strong>Teil</strong>chen von Photonen, letztere haben immer Lichtgeschwindigkeit und<br />

können demnach stets entweichen.<br />

Zur Bestimmung des Integrals wählen wir y als dimensionslose Variable<br />

y = βɛ =<br />

m v2<br />

2kT<br />

ye = GmM<br />

rxkTx<br />

= rx<br />

H<br />

g<br />

s −1<br />

(7.41)<br />

(7.42)


362 KAPITEL 7. DIE ERDE.<br />

mit der unteren Grenze ye und erhalten<br />

˙N = πr 2 �<br />

8πkTx<br />

xnx¯ve = nxrxHf(yx)<br />

m<br />

Für w ≫ 1 kann das Integral durch f(ye) genähert werden. Ersetzen wir noch H durch <strong>die</strong> freie Weglänge, l, der Atome,<br />

so erhalten wir<br />

˙N = f(yx) rx<br />

�<br />

8πkTx<br />

(7.43)<br />

σ m<br />

ein erstaunliches Ergebnis, da <strong>die</strong> Verdampfungsrate gar nicht von der Gasdichte nx abhängt. Unser verbessertes Ergebnis<br />

für <strong>die</strong> Verdampfungsrate der H-Atome ist nur noch ein Bruchteil q der vorherigen Abschätzung. Mit<br />

yx = GmM<br />

rxkTx<br />

≈ 7 m<br />

mH<br />

ist q = H<br />

f(yx) = 1/100 (7.44)<br />

4rx<br />

Damit wird <strong>die</strong> Verdampfungszeit so lang wie das Alter der Erde und der Mechanismus ist nicht effektiv genug, um <strong>die</strong><br />

etwa 350 MA (in den Ozeanen der Erde) zu verdampfen, wie bei der Venus geschehen.<br />

Insbesondere versagt der Jeans Mechanismus bei dem 4-mal schwereren Helium, was auch heute noch verdampfen muß,<br />

da es ständig durch Radioaktivität neu erzeugt wird und ausgast.


7.1. PHYSIK DER ERDE 363<br />

7.1.5 Aufbau und Pulsation<br />

Legende: x = 100 · r<br />

R<br />

1. Kruste: ∆R ≈ 10 . . . 30 km; T ≈ 290 K<br />

2. Lithosphäre: ∆R ≈ 100 km<br />

3. oberer Mantel<br />

4. unterer Mantel<br />

5. äusserer Kern<br />

6. innerer Kern; T ≈ 6000 K<br />

Abb. 7.1: Aufbau der Erde<br />

✻<br />

x<br />

100<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

00<br />

♠<br />

4<br />

♠<br />

5<br />

♠<br />

6<br />

2.7<br />

5.1<br />

5.7<br />

15.1<br />

16.<br />

ρ<br />

[g cm −3 ]<br />

Wir betrachten zunächst wieder <strong>die</strong> inkompressible Kugel. Die Kraft auf ein <strong>Teil</strong>chen der Einheitsmasse<br />

¨r = − dφ<br />

(7.45)<br />

dr<br />

ist harmonisch. Wie bei der Behandlung der polytropen Sterne bereits erwähnt, ist <strong>die</strong> Schwingung<br />

eines Testteilchens im Gravitationsfeld einer statischen Kugel (Reise zum Zentrum der Erde) durch<br />

folgende Gleichung für r(t) gegeben:<br />

¨r = − Gm(r)<br />

r2 = −G4πρ r<br />

3<br />

mit der Lösung (Start an der Oberfläche r = R zum Zeitpunkt t = 0):<br />

�<br />

(7.46)<br />

r(t) = R cos ωt ω =<br />

4πGρ<br />

3<br />

(7.47)<br />

Das ist eine harmonische Schwingung mit der Periode (einmal zur Antipode und zurück in T⊕ = 84<br />

min):<br />

Π = 2π<br />

ω =<br />

�<br />

3π<br />

Gρ<br />

(7.48)<br />

Eine Frei - Fall - Reise zum Zentrum der Erde dauert demnach T = Π<br />

4 = � 3π<br />

16 ˆ Π⊕, also etwa 21 min.<br />

Die Lösung hat eine interessante Eigenschaft. Es ist auch<br />

�<br />

R<br />

Π = 2π ; g =<br />

g<br />

GM<br />

r2 <strong>die</strong> Zeit, <strong>die</strong> ein Satellit benötigt, auf der kritischen Bahn, wo Bahnradius = Erdradius ist, r = R, um<br />

<strong>die</strong> Erde umzulaufen. Es ist in der Tat gR = v2 = ω2R2 . Die Erdbeschleunigung g beträgt 981 cm<br />

s−2 und <strong>die</strong> kritische Geschwindigkeit vc = 7.91 · 105 cm s−1 . In 400 km Höhe über dem Erdboden ist<br />

vc = 7.67 · 105 cm s−1 und für den Mond gilt vc = 1.02 · 105 cm s−1 .<br />

Zum Vergleich: <strong>die</strong> Schallgeschwindigkeit für reines Eisen ist (unter Normalbedingungen) cs = 7.1 ·<br />

105 cm s−1 √<br />

. Die Entweichgeschwindigkeit vesc = vc 2 für <strong>die</strong> Erde beträgt vesc = 11.2 km s−1 .<br />

Mithilfe von Erdbebenwellen erhält man folgendes Bild vom Innern der Erde: der innere Kern hat etwa<br />

eine Dichte von ρc = 10 g cm−3 und einen Radius von 1300 km, daran schließt sich flüssiges Eisen an<br />

(Radius 3500 km). Der Mantel hat eine Dichte zwischen 3 und 6 g cm−3 .<br />

Die Periode der Schwingungs - Grundmode ist 1960 erstmals direkt (nach einem Erdbeben in Chile)<br />

gemessen worden. Als Ergebnis ergab sich eine Doppellinie mit Π = 54.7 min und Π = 53.1 min<br />

(Coriolisaufspaltung durch <strong>die</strong> Rotation der Erde) mit einer Dämpfungskonstante von etwa 1 Monat.<br />


364 KAPITEL 7. DIE ERDE.<br />

7.2 Astronomie der Erde.<br />

7.2.1 Der Mond<br />

Von den erdähnlichen Planeten hat nur <strong>die</strong> Erde einen Mond, Luna. Im Mond steckt der Drehimpuls.<br />

Die Erde hat<br />

J = CΩ = 5.9 · 10 40<br />

g cm 2 s −1<br />

im Mond steckt das 7fache.<br />

Merkur und Venus haben gar keinen Mond. Die beiden Trabanten von Mars, Phobos und Daimon, sind<br />

wahrscheinlich eingefangene Asteroiden. Dafür sprechen <strong>die</strong> Daten für Radius mit R ≈ 1.3 · 10 −3 R⊕,<br />

Dichte mit 1.9 g cm −3 und Masse M ≈ 1.7 · 10 −9 M⊕ (für den massereicheren Phobos, <strong>die</strong> anderen<br />

sind ähnlich).<br />

Umgekehrt stellen Jupiter, Saturn und Neptun kleine Sonnensysteme dar: <strong>die</strong> dominierenden Trabanten<br />

(d. h. ihre massivsten Begleiter sind in <strong>die</strong>ser Reihenfolge, jeweils mit R ≈ 0.4R⊕, Ganymed, Titan<br />

und Triton) erreichen zwar nicht <strong>die</strong> Masse der Erde (sondern ziemlich einheitlich 0.023M⊕), wohl<br />

aber ihren Radius. Die Dichte ist (mit 1.9 g cm −3 bei allen dreien) wesentlich geringer als <strong>die</strong> der Erde.<br />

• FORMELN<br />

Mit Mond bezeichnet man allgemein einen Trabanten (Begleiter).<br />

Die größten Monde hat Jupiter, <strong>die</strong> kleinsten wurden erst kürzlich um Asteroiden entdeckt.<br />

Die nebenstehende Tabelle fasst einige Daten des Erdmondes,<br />

Luna, zusammen.<br />

Was <strong>die</strong> chemische Zusammensetzung des Mondes betrifft,<br />

so ist <strong>die</strong>se mit der vom Mars vergleichbar und signifikant<br />

Vergleich Erde Mond<br />

Masse Durchmesser Schwere- Dichte<br />

von der der Erde verschieden.<br />

beschleunigung<br />

Überhäufig im Vergleich zur Erde sind (in <strong>die</strong>ser Reihen- 7.35 · 10<br />

folge) Schwefel, Titan, Magnesium, Mangan und Eisen.<br />

Der Mond hat keine Atmosphäre, seine Oberfläche hat <strong>die</strong><br />

25 g 3.48 · 108 cm 167 cm s−2 3.34<br />

0.012 0.274 0.17 0.61<br />

Zeichen früher Impakte (Krater) bewahrt.<br />

Tab. 7.3: Monddaten<br />

Die letzte Zeile gibt <strong>die</strong> Werte relativ zu denen der Erde: M⊕ = 81.3M. Die mittlere Entfernung zwischen Erde und Mond<br />

ist d⊕ = 60.2R⊕. Eine (zufällige) Besonderheit ist noch der gleiche Öffnungswinkel, unter dem Mond und Sonne gesehen<br />

werden (Sonnenfinsternis). Daraus folgt, wie wir zeigen werden, daß <strong>die</strong> relativen Beiträge zur Gezeitenkraft sich verhalten<br />

wie <strong>die</strong> Dichten der Körper. Zum merken: <strong>die</strong> Dichte des Mondes beträgt etwa das Doppelte der Sonne.<br />

Die Umlaufszeit des Mondes um <strong>die</strong> Erde heißt Monat. Die Erde dreht sich in 1.035 Tagen unter dem<br />

Mond und <strong>die</strong> lunare Gleichgewichtsflut bewegt sich (am Äquator)<br />

mit v = 40000/1.035 km pro Tage oder 1610 km s−1 . Dabei tre- Umlaufszeit des Mondes<br />

ten Resonanzen auf, <strong>die</strong> durch Reibung gedämpft werden. Die Um- synodischer Monat 29.53059 d<br />

laufszeit des Mondes wird damit säkular länger aufgrund der Ge- siderischer Monat 27.32166 d<br />

zeitenreibung. Je nach Referenzpunkt, relativ zu dem der Umlauf drakonitischer Monat 27.21222 d<br />

gerechnet wird, gibt es verschiedene Monate.<br />

Der siderischer Monat bezieht sich auf (den Durchgang durch) <strong>die</strong><br />

Tab. 7.4: Monat<br />

Fixsterne, der synodischer Monat auf <strong>die</strong> Sonne (Mondphasen: von Neumond zu Neumond). Erdbahn<br />

und Mondbahn sind zueinander um den Winkel i = 5◦9 ′ geneigt, <strong>die</strong> Schnittlinie heißt Knotenlinie.<br />

Ein Umlauf von Knotenpunkt zu Knotenpunkt heißt drakonitischer Monat.<br />

Die mittlere Entfernung zwischen Erde und Mond, d⊕, und <strong>die</strong> Bahnexzentrizität betragen<br />

d⊕ = 384400 km = 60.2R⊕ e = 0.0549<br />

und für das Verhältnis der Entfernungen gilt<br />

d⊕<br />

d⊙<br />

= 2.57 · 10 −3 � 1<br />

400


7.2. ASTRONOMIE DER ERDE. 365<br />

Für das Kräfteverhältnis erhält man daraus<br />

K⊙<br />

K⊕<br />

= M⊙<br />

M⊕<br />

� �2 d⊕<br />

d⊙<br />

� 2.2<br />

d. h. der Mond wird von der Sonne mehr als doppelt so stark angezogen wie von der Erde. Die Mondbahn<br />

ist damit überall konkav zur Sonne. Tatsächlich ist es besser, das System Erde Mond als frei<br />

fallenden Kreisel im Feld der Sonne zu betrachten. Durch <strong>die</strong> Bewegung des Schwerpunkts wird auch<br />

<strong>die</strong> Ekliptik genauer definiert.<br />

Die Masse des Mondes kann man aus Parallaxenbestimmungen an Planeten (besser am Asteroiden<br />

Eros) erhalten. Im Schwerpunktsystem<br />

M⊕�s⊕ + MM( � dE−M + �s⊕) = 0<br />

ändert sich <strong>die</strong> Position eines Beobachters auf der Oberfläche der Erde. Der Schwerpunkt s⊕ liegt etwa<br />

bei (3/4)R⊕, für <strong>die</strong> Masse gilt<br />

MMond = 7.35 · 10 25<br />

g = 1<br />

81.3 M⊕<br />

Man kann <strong>die</strong> Masse des Mondes auch aus der Amplitude der Gezeiten bestimmen:<br />

h<br />

R<br />

= ∆K<br />

K<br />

= 2<br />

� � �R⊕ �3<br />

MMond<br />

M⊕<br />

d<br />

= 2<br />

� � � �3 1 1<br />

= 10<br />

80 60<br />

−7<br />

also ein maximaler Tidenhub h = 70 cm in der Ebene Erde - Mond.<br />

Der relative Beitrag der Sonne ist von der Größenordnung<br />

� �<br />

∆K⊙ M⊙<br />

=<br />

∆KMond MMond<br />

� �3 d⊕<br />

=<br />

d⊙<br />

1<br />

2<br />

Da für <strong>die</strong> mittlere Entfernung zwischen Erde und Mond, d⊕, und <strong>die</strong> zwischen Erde und Sonne, d⊙<br />

R⊙<br />

d⊙<br />

= RMond<br />

d⊕<br />

gilt, kann <strong>die</strong>s auch wie folgt geschrieben werden:<br />

∆K⊙<br />

∆KMond<br />

= ρ⊙<br />

ρMond<br />

<strong>die</strong> Gezeitenkräfte verhalten sich (zufällig) wie <strong>die</strong> Dichten.<br />

Durch <strong>die</strong> Erddrehung und den Beitrag der Sonne sind <strong>die</strong> Verhältnisse aber wesentlich komplizierter.<br />

• BEISPIEL (GEZEITEN AMPLITUDEN)<br />

Die gemessenen Amplituden der Gezeiten betragen auf offener See etwa 100 cm und 20 cm für <strong>die</strong> feste Erde.<br />

In engen Buchten kann das Wasser dann auf 12m auflaufen! Die Periode der Grundschwingung der Ostsee beträgt 27.5<br />

Stunden.<br />

Die Deformation der festen Erde wurde erstmals von Maxwell mit Lichtstrahlen in der Londoner U-Bahn gemessen.<br />

Beim Bau des LEP (Large Elektron Positron Collider) wurde <strong>die</strong>ser Effekt nicht bedacht, sodaß bei ’Springflut’ in Genf<br />

der Strahl nicht mehr exakt fokussiert.<br />

• BEISPIEL (SCHWEREWELLEN)<br />

Wir betrachten das Problem einer freien Oberfläche einer Flüssigkeit, <strong>die</strong> sich im Scherefeld im Gleichgewicht befindet und<br />

<strong>die</strong> an dünneres Medium angrenzt. Konkretes Beispiel ist Wasseroberfläche auf einer ebenen Erde auf <strong>die</strong> der Luftdruck po<br />

wirkt. Wir wählen <strong>die</strong> z−Achse so, daß sie senkrecht auf Wasseroberfläche steht. Die Gravitationsbeschleunigung �g zeigt<br />

nach unten.<br />

Wird <strong>die</strong> Oberfläche der Flüssigkeit durch eine äußere Einwirkung aus der Gleichgewichtslage z = 0 herausgebracht, so<br />

entsteht eine Flüssigkeitsströmung. Diese Strömung breitet sich über <strong>die</strong> ganze Oberfläche aus in Form von Wellen, <strong>die</strong><br />

Schwerewellen genannt werden. Die neue Oberfläche ist bei z = ζ.<br />

Grundlage unserer Beschreibung <strong>die</strong>ser Schwerewellen sind <strong>die</strong> Gleichungen, <strong>die</strong> wir bereits bei der Untersuchung der<br />

Stabilität eines Sterns bereits diskutiert haben:


366 KAPITEL 7. DIE ERDE.<br />

1. <strong>die</strong> Eulersche Gleichung der Hydrodynamik und<br />

2. <strong>die</strong> Kontinuitätsgleichung für den Massenstrom.<br />

Sie lauten (mit �g = −∇V )<br />

ρ D�v<br />

dt<br />

∂ρ<br />

∂t<br />

= −∇P − ρ�g (7.49)<br />

= −div(ρ�v) (7.50)<br />

Wir nehmen <strong>die</strong> ungestörte Oberfläche der Erde (Koordinaten x und y) als eben an, z = 0. Das Gravitationspotential<br />

V (Lösung der Poisson Gleichung) ist dann einfach V = gz und �g = −∇V ist <strong>die</strong> Gravitationsbeschleunigung. Für<br />

inkompressible Materie und kleine Geschwindigkeit kann <strong>die</strong> linearisierte Eulersche Gleichung der Hydrodynamik wie<br />

folgt geschrieben werden<br />

∂�v<br />

∂t<br />

Daraus folgt<br />

= −∇<br />

� P<br />

ρ<br />

�<br />

+ �g (7.51)<br />

rot�v = 0 und aus der Wirbelfreiheit �v = ∇φ (7.52)<br />

für ein geeignetes Potential φ. Eine Strömung nennt man Potentialströmung.<br />

Die wichtige Vereinfachung, <strong>die</strong> inkompressible Materie mit sich bringt, ist, daß auch<br />

div�v = 0 und damit ∆φ = 0 (7.53)<br />

gilt. Einsetzen in <strong>die</strong> Eulersche Gleichung liefert<br />

p = −gρz − ρ ∂φ<br />

∂t<br />

An der Oberfläche muß der Druck stetig sein, der Luftdruck ändert sich nicht:<br />

po = −gρζ − ρ ∂φ<br />

∂t<br />

Die Gleichung für φ kann vereinfacht werden duch <strong>die</strong> Einführung des neuen Potentials φ ′ = φ + (po/φ)t. Die Grenzbedingung<br />

für φ lautet dann<br />

gρζ + ρ ∂φ<br />

∂t<br />

(7.54)<br />

(7.55)<br />

= 0 (7.56)<br />

und da φ das Potential zu v ist, vz = ∂φ<br />

∂z , gilt<br />

vz = ∂ζ<br />

∂t<br />

=<br />

� �<br />

∂φ<br />

∂z z=ζ<br />

Differenzieren der Grenzbedingung und Einsetzen liefert<br />

�<br />

∂φ 1 ∂<br />

+<br />

∂z g<br />

2φ ∂2 �<br />

t<br />

= 0 (7.58)<br />

z=ζ<br />

Tatsächlich reicht es, <strong>die</strong> Randbedingung für z = 0 zu erfüllen, da φ bereits eine kleine Größe ist. Wir erhalten damit<br />

endgültig<br />

� ∂φ<br />

∂z<br />

+ 1<br />

g<br />

∂ 2 φ<br />

∂ 2 t<br />

(7.57)<br />

∆φ = 0<br />

�<br />

(7.59)<br />

= 0 (7.60)<br />

z=0<br />

wobei <strong>die</strong> zweite Gleichung <strong>die</strong> Grenzbedingung an der Oberfläche der Flüssigkeit ist, <strong>die</strong> später <strong>die</strong> Dispersionsrelation<br />

liefert. Der folgende Ansatz<br />

φ = f(z) cos(kx − ωt) (7.61)


7.2. ASTRONOMIE DER ERDE. 367<br />

liefert Wellen, <strong>die</strong> sich in x−Richtung ausbreiten und <strong>die</strong><br />

∆φ = (f ′′ − k 2 ) cos(kx − ωt) = 0 (7.62)<br />

erfüllen. Aus der partiellen Differentialgleichung ist eine gewöhnliche geworden. Änderungen am festen Ort geschehen mit<br />

der Kreisfrequenz ω, <strong>die</strong> Periode ist T = 2π<br />

2π<br />

ω und <strong>die</strong> Wellenlänge ist λ = k .<br />

Die allgemeine Lösung lautet<br />

φ = (Ae kz + Be −kz ) cos(kx − ωt) = 0 (7.63)<br />

Auf dem Boden der Flüssigkeit muß <strong>die</strong> Normalkomponente der Geschwindigkeit<br />

vz = ∂ζ<br />

∂t<br />

= 0 für z = −h (7.64)<br />

Null sein (inkompressibler Boden) und an der Oberfläche der Flüssigkeit muß <strong>die</strong> Grenzbedingung erfüllt sein. Das liefert<br />

und<br />

φ = ACosh(kz) cos(kx − ωt) (7.65)<br />

ω 2 = gkTanh(kh) (7.66)<br />

Wir betrachten <strong>die</strong> beiden Grenzfälle<br />

1. Für kurze Schwerewellen λ ≪ h (oder kh ≫ 1) gilt Tanh(kh) → 1 und damit<br />

ω 2 = gk ; U = 1<br />

�<br />

g<br />

2 k<br />

(7.67)<br />

dabei ist U <strong>die</strong> Ausbreitungsgeschwindigkeit. Die Wellen sind dispersiv, <strong>die</strong> Ausbreitungsgeschwindigkeit hängt<br />

von der Wellenlänge ab (je läger desto schneller).<br />

2. Für lange Schwerewellen λ ≫ h gilt dagegen Tanh(kh) → kh und somit<br />

ω 2 = ghk 2<br />

; U = � gh (7.68)<br />

dabei ist k = 2π/λ <strong>die</strong> Wellenzahl, g <strong>die</strong> Erdbeschleunigung und h <strong>die</strong> <strong>die</strong> Meerestiefe. Die Wellen sind nicht<br />

dispersiv. Für h = 100 m ergibt sich v = 113 km/h (Auto), für h = 5 km gilt v = 800 km/h (Flugzeug).<br />

• BEISPIEL (DREHIMPULSERHALTUNG IM SYSTEM ERDE-MOND)<br />

Der Gesamtdrehimpuls im System Erde-Mond, also <strong>die</strong> Summe aus Bahndrehimpuls des Mondes und Eigendrehimpuls der<br />

Erde, ist konstant (nicht aber <strong>die</strong> Energie) und es gilt<br />

was mit<br />

J⊕<br />

˙ + ˙ JMond = I⊕ ˙ Ω⊕ + (MD 2 Ω)˙ = 0<br />

∆D = 2 ˙<br />

∆t<br />

J⊕<br />

P⊕<br />

P⊕ JMond<br />

D<br />

ein Entfernen des Mondes um ∆D = 4 cm pro Jahr ergibt, wenn man Kepler III beachtet.<br />

Für den Drehimpuls gilt JMond ≈ 6J⊕. Da <strong>die</strong> Gezeitenreibung <strong>die</strong> Erdperiode P⊕ mit<br />

˙<br />

P⊕ = 10 −12<br />

s s −1 (7.69)<br />

bremst, kann man <strong>die</strong> Endperiode Pf , wenn nämlich Erdtag und Mondtag gleich lang sind, leicht bestimmen:<br />

Pf<br />

P ≈<br />

�<br />

1 + 1<br />

�3/2 ≈ 1.5 Monate<br />

6<br />

oder 47 heutige Tage. Der Abstand ist dann von d⊕ = 3.84 auf d⊕ = 4.49 in Einheiten von 10 10 cm gewachsen und das<br />

ganze dauert ∆T = 4.6 Gyr.


368 KAPITEL 7. DIE ERDE.<br />

Nimmt man zum System Erde-Mond noch <strong>die</strong> Sonne als Störung mit hinzu, dann kann man aus den<br />

Bahnstörungen (1%) bzw. Nipp u. Springfluten (1:3) eine Verbesserung der Entfernungsbestimmung<br />

Erde - Sonne erhalten.<br />

Aus der geodätischen Deviation (Gezeitenkraft) im Abstand l vom Schwerpunkt<br />

∆K = 2 GM<br />

l<br />

r3 erhalten wir <strong>die</strong> relativen Bahnstörungen des Mondes zu<br />

∆d⊕<br />

d⊕<br />

= ∆K⊙<br />

K⊕<br />

= 2 M⊙<br />

M⊕<br />

� �3 d⊕<br />

d⊙<br />

und für den Schwerpunkt der Erde<br />

∆s⊕<br />

s⊕<br />

= 2 M⊙<br />

M⊕<br />

� �3 R⊕<br />

d⊙<br />

= 2.5 · 10 −8<br />

= 5 · 10 −3<br />

Obwohl man <strong>die</strong> Entfernung Erde - Mond auf cm genau vermessen hat, geht <strong>die</strong> letzte Störung vollständig<br />

im Gezeiten - Rauschen unter.


7.2. ASTRONOMIE DER ERDE. 369<br />

7.2.2 Rotation der Erde<br />

Durch <strong>die</strong> Entdeckung der Pulsare im Jahr 1967 ist das Studium der Rotation von massiven, gravisch<br />

gebundenen Objekten wieder aktuell geworden. Einige Konzepte, <strong>die</strong> speziell für <strong>die</strong> Erde entwickelt<br />

wurden, spielen in der Pulsartheorie heute eine grosse Rolle. Sie können aber auch auf <strong>die</strong> Physik der<br />

Planetenmonde Anwendung finden. Im folgenden sollen deshalb zunächst einige Besonderheiten der<br />

Rotation der Erde erläutert werden.<br />

Zeitstandards<br />

Physikalisch gesprochen ist <strong>die</strong> Erde ein schneller Kreisel im Feld der Sonne und des Mondes, das<br />

System Erde - Mond ist ein schwerer Kreisel im Feld der Sonne. Eigendrehimpuls (Spin) und Bahndrehimpuls<br />

sind gegeneinander geneigt. Noch vor 50 Jahren war <strong>die</strong> Rotation der Erde (1 Tag) verbindlicher<br />

Zeitstandard und man glaubte, daß ihre Rotation vollkommen regulär war. Zwei weitere<br />

natürliche Zeitskalen werden durch <strong>die</strong> Bewegung der Erde im Sonnensystem vorgegeben: das Jahr<br />

und der Monat.<br />

• ANMERKUNG (STUNDE UND WOCHE)<br />

Zwei weitere Zeitskalen des allgemeinen Gebrauchs haben ihren Ursprung in Religion und Mythology: <strong>die</strong> Stunde und <strong>die</strong><br />

Woche. Die sieben Tage der Woche werden abgeleitet von Objekten im Sonnensystem, <strong>die</strong> mit nacktem Auge sichtbar sind:<br />

1. Sonne, (Sonntag), Dimanche<br />

2. Mond, (Montag), Lundi<br />

3. Mars oder in der germanischen Mythologie Tyr, Dienstag (Tuesday), Mardi<br />

4. Mercur oder Wotan, (Wednesday), Mercredi<br />

5. Jupiter oder Thor, (Donnerstag), Jeudi<br />

6. Venus oder Freya, (Freitag), Vendredi<br />

7. Saturn (Samstag), Samedi<br />

Die Reihenfolge stammt aus der Astrologie. Die Unterteilung des Tages in 24 Stunden geht scheinbar auf <strong>die</strong> Babylonier<br />

zurück, wohingegen <strong>die</strong> Chinesen den Tag in 12 Einheiten einteilten.<br />

Ein Tag hat 86 400 Sekunden, <strong>die</strong> Länge des tropischen Jahres 1950 betrug 31 556 925.975 Sekunden<br />

und nimmt aufgrund der Gezeitenreibung zwischen Erde und Mond um etwa 2 ms pro Jahrhundert zu.<br />

Die Erde dreht sich im Jahr 366.2422 mal um ihre Achse (bezogen auf <strong>die</strong> Fixsterne) und läuft dabei<br />

einmal (prograd) um <strong>die</strong> Sonne um, d. h. sie dreht sich 365.2422 mal um <strong>die</strong> Sonne (1 Jahr). Die<br />

gesetzliche Definition für ein Jahr ist 1 yr = 365.24250 d.<br />

Die (inertiale) Drehfrequenz beträgt<br />

Ω = 2π<br />

86.400<br />

s −1 = 7.3 · 10 −5 Hz<br />

Am Äquator (Index e) beträgt <strong>die</strong> Zentrifugalbeschleunigung,<br />

�Z = � Ω × �v d.h. Z = Ω 2 Re mit Zo = 3.39 cm s −2<br />

an den Polen (Index p), wo für <strong>die</strong> Gravitationsbeschleunigung<br />

go = 983 cm s −2<br />

gilt, verschwindet sie. Es ist somit das Verhältnis<br />

Zo<br />

go<br />

= 1<br />

298


370 KAPITEL 7. DIE ERDE.<br />

Der mittlere Radius ist definiert zu<br />

R = (ReRp) 1/2 = 6.371 km<br />

Für <strong>die</strong> Vertikalkomponente der Gesamtbeschleunigung ergibt sich so :<br />

g = go<br />

�<br />

1 −<br />

� �<br />

Zo<br />

go<br />

cos 2 φ<br />

wobei φ der Winkel zwischen � Z und �r ist.<br />

�<br />

• ANMERKUNG (NEWTONS BESTIMMUNG DER FORM DER ERDE)<br />

Um <strong>die</strong> Form der Erde zu bestimmen, machte Newton (1687) folgendes Gedankenexperiment: man bohrt an Äquator und<br />

Pol je ein Loch bis zum Erdmittelpunkt (als kommunizierende Röhren). Dann füllt man Wasser auf. Die Länge der beiden<br />

Wasserarme geben dann <strong>die</strong> Form der Erde, d. h. <strong>die</strong>se ist durch das Verhältnis der Kräfte an Pol und Äquator bestimmt. So<br />

konnte er für <strong>die</strong> Abplattung<br />

bestimmen.<br />

f = (Re − Rp)<br />

Re<br />

= 5Ω2R3 =<br />

4GM⊕<br />

1<br />

297<br />

Die Erde ist nicht inkompressibel, gemessen werden<br />

f⊕ = 1<br />

298.25<br />

(7.70)<br />

(7.71)<br />

Für Trägheitsmoment I und Drehimpuls J der Erde gelten folgende Werte, <strong>die</strong> aus einem numerischen<br />

Modell für <strong>die</strong> Erde abgeleitet sind:<br />

I⊕ = 8 · 10 44<br />

g cm2 � 2 2<br />

M⊕R<br />

5<br />

J⊕ = 6 · 10 40<br />

g cm 2 s −1<br />

Für <strong>die</strong> Bestimmung des Trägheitsmoments I ist <strong>die</strong> Erde also in guter Näherung inkompressibel.<br />

Rotationsdeformation<br />

Wir betrachten <strong>die</strong> Rotation eines selbst-gravitatierenden, flüssigen Körpers und zwar zunächst starre<br />

Rotation. Wir bezeichnen mit �r den Ortsvektor im Schwerpunktsystem, dann ist<br />

�u := d�r<br />

dt = � Ω × �r um <strong>die</strong> z-Achse (7.72)<br />

<strong>die</strong> Rotationsgeschwindigkeit. Der Relativabstand zweier Punkte ist<br />

|�r1 − �r2| =<br />

�<br />

(x1 − x2) 2 + (y1 − y2) 2 + (z1 − z2) 2 (7.73)<br />

Wir zeigen nun, daß auch <strong>die</strong> Rotation ein Extremalprinzip erfüllt:<br />

von allen starr rotierenden Körpern mit vorgegebenem Drehimpuls, L, liefert hydrostatisches<br />

Gleichgewicht <strong>die</strong>jenige Konfiguration mit der kleinsten Gesamtenergie, Etot.<br />

δEtot = 0 ; L = L0 (7.74)


7.2. ASTRONOMIE DER ERDE. 371<br />

Dabei ist Etot <strong>die</strong> Summe aus drei Anteilen<br />

mit<br />

Etot = Erot + Egrav + Eint<br />

Erot := L2<br />

2I<br />

1<br />

=<br />

2 IΩ2 = 1<br />

2 IabΩaΩb = 1<br />

�<br />

2<br />

Wir definieren für <strong>die</strong> starre Rotation das Potential Zrot:<br />

Zrot = − 1<br />

2 � ∇(Ω × r) 2<br />

d 3 rρ(r)(Ω × x) 2<br />

(7.75)<br />

(7.76)<br />

und den Trägheitstensor I:<br />

�<br />

Iab = (r 2 δab − xaxb)ρd 3 r (7.77)<br />

Die Gravitationsenergie und <strong>die</strong> interne Energie sind gegeben durch<br />

Egrav = − 1<br />

� �<br />

2<br />

d 3 xd 3 y ρ(�x)ρ(�y)<br />

|�x − �y|<br />

�<br />

; Eint := d 3 rɛ(r) (7.78)<br />

• ZUSATZ (VARIATION DER GESAMTENERGIE)<br />

Wir betrachten nun <strong>die</strong> Variation der Gesamtenergie mit L = L0 = const. und fordern, daß <strong>die</strong>se stationär ist:<br />

δEtot = 0 ; L = L0 (7.79)<br />

Massenerhaltung liefert<br />

δρ = − div(ρδ�r) (7.80)<br />

Wir betrachten explizit nur den Rotationsterm (<strong>die</strong> beiden anderen liefern in bekannter Weise hydrostatisches Gleichgewicht<br />

ohne Rotation)<br />

δErot = − L2<br />

2I<br />

� �<br />

δI<br />

= −<br />

I<br />

1<br />

2 Ω2<br />

�<br />

δρ(r 2 − z 2 )d 3 r<br />

unter Benutzung von Massenerhaltung liefert das für δErot<br />

1<br />

2 Ω2<br />

�<br />

d 3 rdiv(ρδr)(r 2 − z 2 ) = − 1<br />

2 Ω2<br />

�<br />

Daraus folgt, daß<br />

�∇φ = − 1<br />

ρ � ∇P − � ∇Zrot<br />

Die starre Rotation besitzt also ein Potential Zrot:<br />

Zrot = − 1<br />

2 � ∇(Ω × r) 2<br />

d 3 rρδr∇(r 2 − z 2 ) = −<br />

�<br />

d 3 r(ρδr)∇Zrot<br />

Der zweite Term kann ebenfalls als totale Ableitung geschrieben werden und zwar mithilfe der freien Enthalpie h und <strong>die</strong><br />

Bedingung für das hydrostatische Gleichgewicht lautet:<br />

(7.81)<br />

(7.82)<br />

�∇(φ + h + Zrot) = 0 (7.83)<br />

oder integriert, mit der Integrationskonstanten C<br />

φ + h + Zrot = C (7.84)


372 KAPITEL 7. DIE ERDE.<br />

Falls ein externes Drehmoment, � T , an einem starr rotierenden Körper angreift, so daß � Ω = � Ω(t) wird,<br />

liefert Drehimpulserhaltung <strong>die</strong> Bewegungsgleichung:<br />

d<br />

dt � J = d<br />

dt IΩ = � T (7.85)<br />

Skalare Multiplikation <strong>die</strong>ser Gleichung mit � Ω liefert den Energiesatz für <strong>die</strong> Rate der dem Systen<br />

hinzugefügten Energie, ˙ E+:<br />

˙E+ := � Ω � T = � Ω d� L<br />

dt<br />

= 1<br />

2<br />

d<br />

dt<br />

� �<br />

2 L<br />

I<br />

− 1 d<br />

L2<br />

2 dt<br />

1<br />

I = ˙ Etot<br />

wobei für <strong>die</strong> letzte Umformung das Varionationsprinzip benutzt wurde:<br />

1 d<br />

L2<br />

2 dt<br />

1<br />

I<br />

+ d<br />

dt (Egrav + Eint) = 0<br />

(7.86)<br />

Bei starrer Rotation wird <strong>die</strong> gesamte Energierate, ˙ Etot, verlustlos gespeichert, Wärme wird nicht dissipiert<br />

(wichtig beim Abbremsen von Pulsare).<br />

Die inkompressible Flüssigkeit<br />

Die Bedeutung der inkompressiblen Flüssigkeit liegt darin, daß ihre Gleichgewichtsbedingung analytisch<br />

exakt bestimmt werden kann. Die inkompressible Flüssigkeit ist der Grenzfall einer Polytropen<br />

ɛ ∝ n γ<br />

2 d<br />

; P = n<br />

dn<br />

ɛ<br />

n<br />

= (γ − 1)ɛ (7.87)<br />

wobei der adiabatische Index, γ, nach Unendlich geht und <strong>die</strong> innere Energiedichte ɛ nach Null, so<br />

daß P ∝ γɛ endlich bleibt (und ungleich Null, P > 0). Die Gesamtenergiedichte ist relativistisch<br />

ɛtot = ρc 2 + ɛ.<br />

Die Gleichgewichtsbedingung einer inkompressiblen Flüssigkeit (bei der h = p/ρ ist) lautet<br />

∇(Φ + p<br />

ρ + Zrot) = 0 (7.88)<br />

und führt auf<br />

p = ρ(C − Φ − Zrot) (7.89)<br />

Die Gleichgewichtskonfiguration kann exakt (Maclaurin 1742 und Jacobi 1834) bestimmt werden.<br />

• ANMERKUNG (POTENTIALTHEORIE)<br />

Die Aufgabe, <strong>die</strong> Gleichgewichtskonfiguration einer idealen Flüssigkeit unter Einfluß der Gravitation zu bestimmen, gehört<br />

in das Gebiet der Potentialtheorie. Man kann streng zeigen, daß ohne Rotation <strong>die</strong> Gestalt eine Kugel ist.<br />

Newton bestimmte 1687 bereits <strong>die</strong> Abplattung der Erde aufgrund ihrer Rotation. Exakte Ergebnisse mit Rotation gibt es<br />

nur noch für <strong>die</strong> inkompressible, ideale Flüssigkeit.<br />

Maclaurin (1742) fand <strong>die</strong> nach ihm benannten 2-achsigen Rotations-Ellipsoide mit grosser Hauptachse a = b und und<br />

kleiner Hauptachse c = a √ 1 − e 2 .<br />

Jacobi (1834) fand eine weitere Sequenz, und zwar 3-achsige Ellipsoide a > b > c bei hohem Drehimpuls (aber geringerer<br />

Energie). Diese sind von besonderem astrophysikalischem Interesse, da ihr Quadrupolmoment zeitlich veränderlich ist und<br />

sie somit Gravitationswellen abstrahlen.<br />

Poincaré fand (1855) eine weitere Sequenz zur Jacobi Sequenz.<br />

Nicht gefunden hat man bisher exakte toroidale Lösungen, <strong>die</strong> bei sehr hohem Drehimpuls existieren sollten.<br />

Es ist nützlich, dimensionslose Masse für <strong>die</strong> Verformung, <strong>die</strong> Rotations Frequenz Ω und den Drehimpuls<br />

J einer Masse M mit Radius R zu bestimmen.


7.2. ASTRONOMIE DER ERDE. 373<br />

1. geometrisch: <strong>die</strong> Exzentrizität e oder <strong>die</strong> relative Abplattung f<br />

f =<br />

c − a<br />

c<br />

; e 2 = 2f − f 2<br />

(7.90)<br />

2. dynamisch: das Verhältnis von Rotationsenergie Erot zum Betrag der Gravitationsergie, W =<br />

|Egrav|<br />

t = Erot<br />

W oder m = Ω2R3 GM<br />

Für inkompressible Materie ist m unabhängig vom Radius R<br />

m = 3Ω2<br />

4πGρ<br />

3. kritische Drehfrequenz Ωc und Drehimpuls Jc<br />

Jc = MR 2 Ωc = (GM 3 R) 1/2<br />

Für ein 2-achsiges Ellipsoid ist<br />

a = b > c mit e 2 = 1 − c2<br />

a 2<br />

und Ωc = (GM/R 3 ) 1/2<br />

(7.91)<br />

(7.92)<br />

(7.93)<br />

(7.94)<br />

Mit R bezeichnen wir den Radius der (nichtrotierenden) Kugel und mit M <strong>die</strong> (konstante) Masse. Die<br />

Dichte ist ρ = M/V und das Volumen der Kugel ist V = (4π/3)R 3 . Das liefert folgende Relationen:<br />

a = R(1 − e 2 ) −1/6<br />

; c = R(1 − e 2 ) 1/3<br />

Für <strong>die</strong> Masse gilt allgemein (also für ein 3-achsiges Ellipsoid)<br />

(7.95)<br />

M = 4π<br />

3 ρR3 = 4π<br />

ρabc (7.96)<br />

3<br />

Die weiteren Ergebnisse folgen aus der exakten Lösung, welche wir nun betrachten wollen. Für konstante<br />

Dichte ρ muß das Gravitationspotential Φ eine quadratische Funktion der kartesischen Koordinaten<br />

x, y, z sein:<br />

∆Φ = 4πGρ ; Φ = −2πGρ (A0a 2 − A1x 2 − A2y 2 − A3z 2 )<br />

mit A1 + A2 + A3 = 2.<br />

Da Zrot = −Ω 2 (x 2 + y 2 ), muß auch p eine quadratische Funktion der kartesischen Koordinaten x, y, z<br />

sein:<br />

p = pc<br />

�<br />

1 − x2 + y 2<br />

a 2<br />

z2<br />

−<br />

c2 �<br />

(7.97)<br />

Die Konstanten pc und Ai für i = 0 . . . 3 sind aus den Randbedingungen zu bestimmen. Der Rand<br />

R = R(Θ) liegt bei<br />

sin 2 Θ<br />

a 2<br />

+ cos2 Θ<br />

c 2<br />

1<br />

=<br />

R2 (7.98)


374 KAPITEL 7. DIE ERDE.<br />

Die Entwicklung des Gravitationspotentials Φ nach Multipolmomenten liefert exakt nur Monopol und<br />

Quadrupolanteile:<br />

Φ(r) = − GM<br />

r<br />

− GQ<br />

r 3 P2(cos Θ) (7.99)<br />

und <strong>die</strong> Stetigkeit des Gravitationspotentials Φ am Rand liefert <strong>die</strong> Konstanten Ai, was wir hier nicht<br />

zeigen wollen: (Maclaurin, 1742 und Jacobi, 1834)<br />

h(e) = (1 − e2 ) 1/2 arcsin e<br />

e3 (7.100)<br />

A1 =<br />

1 − e2<br />

A2 = h(e) −<br />

e2 A3 =<br />

(7.101)<br />

2<br />

− 2h(e)<br />

e2 (7.102)<br />

A = 2e 2 h(e) (7.103)<br />

Die hydrostatische Gleichgewichtsbedingung verlangt<br />

Ω 2 = 2πGρf(e) wobei<br />

�<br />

c<br />

f(e) = A1 − A3<br />

2<br />

a2 �<br />

oder explizit<br />

und<br />

f(e) =<br />

pc = πGρ 2 c 2 A3<br />

3 − 2e2<br />

e3 (1 − e 2 ) 1/2 arcsin e − 3(1 − e2 )<br />

e2 Die weiteren Relationen folgen daraus:<br />

und<br />

mit<br />

I = 2<br />

5 MR2 (1 − e 2 ) −1/3<br />

Egrav = − 3<br />

2<br />

g(e)GM<br />

5 R<br />

g(e) := (1 − e 2 1/6 arcsin e<br />

)<br />

e<br />

(7.104)<br />

∝ 4<br />

15 e2 + . . . (7.105)<br />

; J = IΩ Drehimpuls (7.106)<br />

(7.107)<br />

∝ 1 − 1<br />

45 e4 + . . . (7.108)<br />

Zum Vergleich geben wir noch <strong>die</strong> folgenden Näherungen erster Ordnung in e 2 :<br />

δIzz<br />

I0<br />

∝ 1<br />

3 e2<br />

; e 2 = 2f = 15Ω2<br />

8πGρ<br />

Daraus folgt für das Quadrupolmoment Q<br />

Q = 1<br />

2 Qzz = − 3<br />

2 δIzz = − 15Ω2<br />

16πGρ I0<br />

und für das Potential<br />

Φ(r) = − GM<br />

r<br />

= 5<br />

2 m<br />

GQ<br />

−<br />

r3 P2(cos Θ) = − GM<br />

�<br />

1 + J2<br />

r<br />

� �3<br />

�<br />

R<br />

P2(cos Θ)<br />

r<br />

(7.109)<br />

(7.110)


7.2. ASTRONOMIE DER ERDE. 375<br />

mit<br />

J2 = 3Ω2<br />

8πGρ<br />

1<br />

= m (7.111)<br />

2<br />

Für <strong>die</strong> Erde ist der von Satelliten gemessene Wert J2 = 1.08270 · 10 −3 . Newtons Ergebnis (1687)<br />

erhalten wir als niedrigste Näherung 2f = 5J2:<br />

f = (Re − Rp)<br />

Re<br />

= 1<br />

2 e2 = 15Ω2<br />

16πGρ = 5Ω2R3 4GM<br />

Die kompressible Flüssigkeit (Polytrope)<br />

Lösbar ist noch <strong>die</strong> Polytrope zum Index 2 in linearer Näherung:<br />

P = Kρ 2<br />

(7.112)<br />

da sie eine analytische Lösung des ungestörten Körpers besitzt. Es sei R der Radius, dann gilt mit den<br />

folgenden Definitionen<br />

sin x<br />

ρ = ρc<br />

x<br />

mit x := π r<br />

R<br />

für Masse M, Trägheitsmoment I und Gesamt Energie Etot<br />

mit<br />

M = 4π<br />

3 ρc<br />

�<br />

sin x<br />

x r2dr = 4<br />

I =<br />

3<br />

ρcR<br />

3π<br />

(7.113)<br />

8π<br />

3 ρc<br />

�<br />

sin x<br />

x r4dr = f ∗ R 2 M (7.114)<br />

Etot = Egrav + Eint = 1 GM<br />

2<br />

2<br />

R<br />

(7.115)<br />

f ∗ = 2(π2 − 6)<br />

π 4<br />

t := Erot<br />

Etot<br />

≈ 1<br />

10<br />

= f ∗ Ω2 R 3<br />

GM<br />

(7.116)<br />

(7.117)<br />

Vergleichen wir <strong>die</strong>s Ergebnis mit der inkompressiblen Materie, wo der Faktor 1/3 ist, so sehen wir,<br />

da 1/3 ≫ f ∗ , daß ein kompressibler Körper stärker deformiert wird bei gleicher Rotation als ein<br />

inkompressibler. Ein solcher Körper fliegt auch früher auseinander.<br />

Die allgemeine Polytrope muß numerisch behandelt werden.<br />

Die Eulerschen Winkel liefern den Übergang vom Inertialsystem mit Achsen �ex, �ey, �ez zum mitrotierenden<br />

Bezugsystem mit Achsen �e1, �e2, �e3.<br />

�ex �ey �ez<br />

�e1 cos ψ cos φ − sin ψ sin φ cos Θ cos ψ sin φ + sin ψ cos φ cos Θ sin ψ sin Θ<br />

�e2 − sin ψ cos φ − cos ψ sin φ cos Θ − sin ψ sin φ + cos ψ cos φ cos Θ cos ψ sin Θ<br />

�e3 sin φ sin Θ − cos φ sin Θ cos Θ<br />

Beispiel: für den Übergang vom Inertial- zum mitrotierenden Bezugsystem gilt also:<br />

�e3 = sin φ sin Θ�ex − cos φ sin Θ�ey + cos Θ�ez<br />

(7.118)


376 KAPITEL 7. DIE ERDE.


Kapitel 8<br />

Die Sonne als Stern<br />

8.1 Überblick<br />

Die Sonne ist naturgemäß, da sie uns am nächsten ist, der am besten untersuchte Stern unserer Galaxis<br />

und zum Glück auch typisch für <strong>die</strong> anderen 10 11 Sterne.<br />

• ANMERKUNG (DAS INNERE DER SONNE)<br />

Wie wir sehen werden, hat man heute eine ziemlich detaillierte Vorstellung von den Prozessen, <strong>die</strong> im Innern der Sonne<br />

und anderer Sterne ablaufen. Alerdings ist das, was wir direkt davon zu sehen bekommen und womit wir unsere Kenntnisse<br />

überprüfen können, nur ein winziger <strong>Teil</strong> des Sterns, es kommt nur aus einer Schicht der Dicke von etwa 180 km (optische<br />

Tiefe der Photosphäre). Der Rand der Sonne ist deshalb scharf. Erst bei einer totalen Sonnenfinsternis sieht man <strong>die</strong> Chromosphäre,<br />

<strong>die</strong> wesentlich ausgedehnter ist (11000 km) und in der Emissionslinien (anstatt Absorptionslinien) auftreten.<br />

Direkt ins Innere der Sonne zu sehen ist nur mithilfe von Neutrinos möglich. Hier gibt es zur Zeit noch eine Diskrepanz<br />

zwischen Vorhersage und Beobachtung. Nur etwa <strong>die</strong> Hälfte der Neutrinos, <strong>die</strong> von der Theorie berechnet werden, sind<br />

bisher auch nachgewiesen.<br />

Daneben liefern <strong>die</strong> Oszillationen der Sonne (Periode etwa 5 Minuten) wichtige Randbedingungen über <strong>die</strong> Physik im<br />

Innern.<br />

• ANMERKUNG (DIE KORONA DER SONNE)<br />

Die Korona der Sonne wird sichtbar bei einer Sonnenfinsternis (der Mond hat in der günstigsten Stellung zufällig <strong>die</strong> gleiche<br />

Winkelaudehnung wie <strong>die</strong> Sonne). Die Leuchtkraft der Korona ist gleich der des Mondes, LKorona : L⊙ = 1 : 500 000.<br />

Die Temperatur erreicht 10 6 K, man findet Spektrallinien von Fe XIV (<strong>die</strong> stärkste bei 5303 ˚Angstrøm ist grün).<br />

Die Physik der Korona wird vom Magnetfeld der Sonne bestimmt, es gibt ein Analogon zum van Allen Gürtel der Erde.<br />

Die Sonne ist zu hell als das sie direkt beobachtet werden könnte. Galilei bildete deshalb <strong>die</strong> Sonne<br />

mit seinem selbstgebauten Teleskop auf einem reflektierende Untergrund ab. Er entdeckte so <strong>die</strong><br />

Sonnenflecken und mit ihnen <strong>die</strong> Rotation der Sonne.<br />

Prot = 25.3 Tage entsprechend Ω = 2.86 µ Hz (8.1)<br />

siderisch. Die siderische Rotationsfrequenz von Ω = 2.86 µ Hz liefert eine terrestrische Rotationsperiode<br />

der Sonne von 27 Tagen.<br />

Angelo Secci (1818 -1898) war Priester und Astronom des Vatikan. Er beginnt eine Klassifizierung der<br />

Spektren nach Absorptionslinien und findet drei Typen von Sternen: weiße, gelbe (Sonne) und rote. Er<br />

machte damit den ersten Versuch, <strong>die</strong> Sonne und Sterne vermittels Spektrum und Farbe zu identifizieren<br />

und stellte fest, daß <strong>die</strong> Sonne nur ein Stern unter vielen ist. Er begründet (1860) <strong>die</strong> Spektroskopie der<br />

Sterne, <strong>die</strong> später von Pickering (1846 - 1919) auf der Grundlage der Photometrie als Grundlage der<br />

Sternklassifikation (Harvard Klassifikation) vollendet wurde. Die Interpretation wurde Miss Antonia<br />

Mauri und von Miss Cannon (1863 - 1941) weitergeführt und revi<strong>die</strong>rt.<br />

Hale erfindet 1890 den Spektroheliographen, der es erlaubt, <strong>die</strong> Sonne im Licht einer einzelnen Spektrallinie<br />

zu betrachten. Er baut sein eigenes Teleskop und entdeckt 1908 das Magetfeld der Sonnenflecken:<br />

<strong>die</strong> Linien werden (durch den Zeeman Effekt) verbreitert oder sogar aufgespalten. Die<br />

stärksten Felder erreichen ein Tesla (10 4 Gauß).<br />

377


378 KAPITEL 8. DIE SONNE ALS STERN<br />

Das Dipolmagetfeld der Sonne wurde von H. Babcock entdeckt:<br />

B⊙ = 5 Gauß (8.2)<br />

es ist zehnmal stärker als das Erdfeld und wechselt <strong>die</strong> Polarität mit dem Zyklus der Sonnenflecken (11<br />

Jahre).<br />

Die Solarpause (Übergang von Sonnenwind und Magnetfeld in <strong>die</strong> intergalaktischen Werte) liegt bei 4<br />

Pluto Entfernungen<br />

RSolarpause = 4DPluto = 155 AE<br />

und wurde von Sonden nachgewiesen anhand eines Schocks, der Radiostrahlung emittiert.<br />

8.1.1 Daten der Sonne<br />

Die folgenden Größen können direkt bestimmt werden<br />

1. <strong>die</strong> Entfernung D<br />

D = 1 AE = 1.49 597 892 · 10 13<br />

cm<br />

2. der scheinbare Durchmesser von d = 32 ′ und<br />

3. <strong>die</strong> auf der Erde bestimmte Solarkonstante<br />

f⊙ = 1.36 · 10 6<br />

erg s −1 cm −2 = 1.99 cal cm −2 min −1 = 236 W m −2<br />

Damit können folgende Größen der Sonne direkt berechnet werden:<br />

1. Masse, M⊙ = 1.989 · 10 33 g<br />

Bestimmt aus Kepler III. Für den Schwarzschildradius folgt RS⊙ = 2.95 · 10 5 cm.<br />

2. <strong>Teil</strong>chenzahl, N⊙ ≈ M⊙<br />

mp<br />

≈ 1057<br />

Da <strong>die</strong> Sonne hauptsächlich aus Protonen (d. h. ionisierter Wasserstoff, H II) besteht. Genauer<br />

ist mp durch das mittlere Molekulargewicht ˜µmu zu ersetzen.<br />

3. Oberflächentemperatur, Tbb = 5800 ◦ K<br />

Folgt aus dem Wienschen Verschiebungsgesetz für einen schwarzen Körper, mit den Werten<br />

λmaxT = 0.29 K cm und mit λmax = 5 · 10 −5 cm für <strong>die</strong> Sonne.<br />

4. Radius, R⊙ = 6.960 · 10 10 cm<br />

Bestimmt aus dem scheinbaren Durchmesser d = 32 ′ und bekannter Entfernung AE. Der sterische<br />

Winkel beträgt Ω = π(R/D) 2 = 7 · 10 −5 Sterad.<br />

5. Leuchtkraft, L⊙ = 4πD 2 f⊙ = 3.85 · 10 33 erg s −1 .<br />

Folgt aus der Solarkonstanten f⊙ = 1.36 · 10 6 erg cm −2 s −1 und wurde erstmals von ˚Angstrøm<br />

1893 gemessen.


8.1. ÜBERBLICK 379<br />

8.1.2 Definition der Sonnentemperatur<br />

Ein schwarzer Körper vom Radius R mit der Temperatur T strahlt nach der Planck Formel folgende<br />

Leistung L<br />

L = 4πR 2 σT 4<br />

ab. Die Astronomen benutzen anstatt Leistung <strong>die</strong> Bezeichnung Leuchtkraft. Wir definieren damit, für<br />

R = R⊙ und für L = L⊙, eine effektive Temperatur, Teff, wie folgt<br />

Teff =<br />

�<br />

L<br />

4πσR2 �1/4<br />

d. h. <strong>die</strong>jenige Temperatur, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Sonne haben müßte, um als schwarzer Körper <strong>die</strong> aus der Solarkonstanten<br />

direkt bestimmte bolometrische Leuchtkraft L⊙ zu ergeben. Sie beträgt etwa 5770 ◦ K.<br />

Das Maximum der Sonnenstrahlung bzgl. der Wellenlänge λ liegt bei<br />

λmax = 5000 ˚A = 500 nm = 0.5µ = 5 · 10 −5<br />

(grün), sodaß <strong>die</strong> aus dem Wienschen Gesetz für Schwarzkörperstrahlung<br />

λmaxTbb = 0.29 cm K<br />

bestimmte Temperatur, Tbb,<br />

Tbb = 5800 K<br />

ergibt. Die dazu gehörende mittlere Energie ist (für Schwarzkörperstrahlung) ɛ = hc/kT λ = 4.965kT<br />

oder 2.5 eV.<br />

Beide Temperaturen stimmen in etwa überein, Teff ≈ Tbb, was besagt, daß <strong>die</strong> Sonne in erster Näherung<br />

als schwarzer Strahler betrachtet werden kann:<br />

Teff = Tbb mit Φ = σT 4 eff = 6.24 · 10 10<br />

cm<br />

(8.3)<br />

(8.4)<br />

erg cm −2 s −1 (8.5)<br />

Was heißt nun Radius der Sonne? Da wir <strong>die</strong> Sonne ’sehen’, kann mit Radius nur <strong>die</strong>jenige Stelle<br />

gemeint sein, von wo <strong>die</strong> Strahlung kommt: der Boden der Photosphäre. Ab hier können Photonen frei<br />

entweichen, während im Innern der Sonne <strong>die</strong> freie Weglänge nur etwa 0.1 cm beträgt. In der Tat zeigt<br />

<strong>die</strong> Sonne zum Rande hin eine sog. Randverdunkelung, welche dadurch zustande kommt, daß man hier<br />

in <strong>die</strong> weniger heißen Schichten blickt.<br />

8.1.3 Die Leuchtkraft der Sonne<br />

Die Verhältnisse im Innern der Sonne können, sieht man von den Neutrinos ab, nicht direkt beobachtet<br />

werden, sondern müssen mithilfe einer physikalischen Theorie erschlossen werden. Bevor wir uns dem<br />

vollständigen Satz von Gleichungen und ihrer Herleitung zuwenden, wollen wir einen qualitativen<br />

Überblick über <strong>die</strong> Verhältnisse im Innern der Sonne geben.<br />

Die Photonen der Sonne beschreiben wir als Schwarzkörper Strahlung, <strong>die</strong> Protonen und Elektronen<br />

als ideales Maxwell - Boltzmann Gas. Damit kennen wir für beide <strong>die</strong> mikroskopische Verteilungsfunktion.<br />

• ANMERKUNG (DIE MAXWELL - BOLTZMANN VERTEILUNGSFUNKTION)<br />

Im Geschwindigkeitsraum (v) lautet <strong>die</strong> normierte Ein-<strong>Teil</strong>chen Verteilungsfunktion<br />

�<br />

1 = fM (x, v) d 3 v (8.6)


380 KAPITEL 8. DIE SONNE ALS STERN<br />

Daraus wird <strong>die</strong> Maxwell - Boltzmann Verteilung im (x, v) Raum<br />

�<br />

m<br />

�3/2 −m v2<br />

fM (v) = n<br />

e 2kT (8.7)<br />

2πkT<br />

wobei m <strong>die</strong> Masse der <strong>Teil</strong>chen und n = N/V <strong>die</strong> Anzahldichte ist.<br />

Beim Übergang zum Impulsraum p = mv wird daraus <strong>die</strong> Ein-<strong>Teil</strong>chen Verteilungsfunktion<br />

�<br />

1<br />

fM (p) =<br />

2πmkT<br />

� 3/2<br />

� � 2 p<br />

exp −<br />

2mkT<br />

und, wenn wir bezüglich der Normierung den auf h 3 normierten (Ein-<strong>Teil</strong>chen) Phasenraum benutzen,<br />

� 2 h<br />

fMB(p) =<br />

2πmkT<br />

�3/2<br />

� � 2 p<br />

exp −<br />

2mkT<br />

mit der Normierung bei Integration über das Volumen V<br />

�<br />

N = n<br />

fMB(p) d3 pd 3 x<br />

h 3<br />

Bei der Kernfusion werden im Innern der Sonne Photonen der mittleren Energie 6.7 MeV erzeugt. Die<br />

Photonen, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Sonne verlassen, haben jedoch nur etwa ¯hω = 0.5 eV. Wie kommt das zustande?<br />

Grundlage für <strong>die</strong> Transportgleichung ist beim Gas neben dem Energiesatz <strong>die</strong> <strong>Teil</strong>chenzahlerhaltung.<br />

Bei Photonen gilt nur der Energiesatz. Der Prozess der Vervielfachung selbst wird gewöhnlich nicht<br />

mikroskopisch beschrieben, man nimmt vielmehr an, daß das Gas eine Thermalisierung bewirkt, an<br />

jeder Stelle gilt dann LTE und <strong>die</strong> Anzahl der Photonen kann aus der Planck Verteilung bestimmt werden.<br />

Im Zentrum (am Ort der Erzeugung) werden <strong>die</strong> Photonen um das 6700-fache, auf dem Weg vom<br />

Zentrum der Sonne zur Photosphäre um das 2000-fache vervielfacht, ihre Energie sinkt (<strong>die</strong> Entropie<br />

wächst, <strong>die</strong> Energie ist erhalten) entsprechend. Zur Bestimmung der Entropie benutzen wir <strong>die</strong><br />

Gibbs-Duhem Relation. Diese lautet (für ein homogenes Medium) allgemein<br />

S = 1<br />

(E + P V − µN) (8.10)<br />

T<br />

Für Photonen ist µ = 0 und der Druck (eines relativistischen Gases) erfüllt pV = E/3. Für <strong>die</strong> Entropie<br />

(einer einzelnen relativistischen Spezies) gilt dann:<br />

S = 4E<br />

3T<br />

(8.8)<br />

(8.9)<br />

(8.11)<br />

Aus der Thermodynamik übernehmen wir im weiteren folgende Relationen für Baryonen (<strong>die</strong> Gasteilchen)<br />

und Photonen.<br />

Baryonen<br />

Die Zustandsgleichung des idealen einatomigen Gases lautet:<br />

P = n kT = 2<br />

3 uth<br />

Die Boltzmann Konstante, k B, hat den Wert<br />

k B = 1.38054 · 10 −16<br />

(8.12)<br />

erg K −1 (8.13)


8.1. ÜBERBLICK 381<br />

chemisches Potential, nichtrelativistisch:<br />

µ = ɛ(pF ) = p2 F<br />

2m =<br />

� �<br />

2 2/3 2<br />

6π ¯h<br />

g<br />

2m n2/3<br />

zur Definition der Entartungstemperatur, Te ≈ µ<br />

kB<br />

Entartungstemperatur, Te, für Elektronen (der <strong>Teil</strong>chenzahldichte ne und Masse me)<br />

(8.14)<br />

Te = 2π¯h2<br />

n<br />

mekB 2/3 ≈ 5.5 · 10 −11 n 2/3<br />

e K (8.15)<br />

Die hier auftretende Größe<br />

�<br />

h<br />

λdB =<br />

2<br />

2πmkT<br />

heißt thermische de Broglie Wellenlänge. Dabei ist m <strong>die</strong> Masse der <strong>Teil</strong>chen.<br />

spez. Entropie (pro <strong>Teil</strong>chen)<br />

Photonen<br />

s<br />

k B<br />

= 5<br />

2 − ln(nλ3 dB)<br />

Energiedichte, ɛ, und Druck P sind integral<br />

ɛ = aT 4<br />

bzw. P = 1 4E<br />

ɛ ; S =<br />

3 3T<br />

Die Strahlungsintensität, F , ist durch<br />

F = σT 4 mit F⊙ = 6.28 · 10 10 erg cm −2 s −1<br />

Die Stefan-Boltzmann Konstante, σ, hat den Wert<br />

σ = π2k4 B<br />

60¯h 3 = 5.669 · 10−5<br />

c2 (8.16)<br />

(8.17)<br />

g s −3 K −4 (8.18)<br />

Die Energiedichte-Konstante, a, hängt mit der Stefan-Boltzmann Konstante, σ, wie folgt zusammen:<br />

σ = 1<br />

4 ac<br />

Sie hat den Wert<br />

a = π2 k 4<br />

15¯h 3 c 3 = 7.56 · 10−15 erg cm −3 K −4<br />

(8.19)<br />

Den Wärmestrom jw (Poyntingvektor) aus einer kleinen Öffnung in senkrechter Richtung erhält<br />

man aus der Energiedichte ɛ wie folgt:<br />

F = σT 4 = jw = 1 1<br />

ɛc =<br />

4 4 aT 4 c


382 KAPITEL 8. DIE SONNE ALS STERN<br />

Wir benutzen nun den Virialsatz für das ideale einatomige Gas<br />

Eth + 1<br />

2<br />

3 GM<br />

U = 0 = NkT −<br />

2 2 2R<br />

(8.20)<br />

Es sei d der mittlere Abstand der <strong>Teil</strong>chen (Protonen bzw. Elektronen). Dann gilt näherungsweise, pro<br />

<strong>Teil</strong>chen<br />

ɛth = kT ; ugrav = U/N = GM<br />

R<br />

2/3 ¯hc<br />

= (α3/2 G N)<br />

d<br />

wobei wir <strong>die</strong> Gravitations - Feinstrukturkonstante αG benutzen<br />

αG = Gm2 p<br />

¯hc<br />

= 5.9 · 10 −39<br />

Der Beitrag der Elektronenentartung ist<br />

ɛent = ¯h2<br />

med 2<br />

Die natürliche Einheit für Sterne ist (skaliert mit (2Z/A) 2 )<br />

No = (2Z/A) 2 α −3/2<br />

G<br />

= 1.9 N⊙<br />

(8.21)<br />

(8.22)<br />

Wir erhalten daraus <strong>die</strong> folgenden abgeleiteten Größen, A, für <strong>die</strong> Sonne, welche wir in einer Tabelle<br />

für den späteren Gebrauch zusammengestellt haben. Es ist üblich<br />

β = PG<br />

P<br />

und 1 − β = Pγ<br />

P<br />

(8.23)<br />

zu definieren. Um nicht stets schreiben zu müssen, benutzen wir gelegentlich ¯ β = 1 − β = 0.003 für<br />

<strong>die</strong> Sonne.<br />

A Definitions-Formel Wert Einheit Bezeichnung<br />

V<br />

4π<br />

3 R3 1033 cm3 Volumen<br />

U<br />

2<br />

GM − R 4 · 1048 erg Grav. Energie<br />

− 1<br />

2U 2 · 1048 ¯T<br />

2Eth<br />

erg kin. Energie<br />

Eth<br />

¯ρ<br />

¯n<br />

¯P<br />

λe<br />

3Nk 107 K Temperatur<br />

M<br />

V 1.5 g cm−3 Massendichte<br />

¯ρ<br />

mp<br />

1024 cm−3 <strong>Teil</strong>chenendichte<br />

NkT<br />

V 1015 dyn cm−2 Druck<br />

h<br />

(2πmekT ) 1/2 2 · 10 −9 cm therm. de Broglie W<br />

ye ¯nλ 3 e 0.008 Entartungsparameter<br />

Eγ aT 4 V 7 · 10 45 erg Photonenenergie<br />

¯ɛF<br />

kT<br />

¯β<br />

(3π2 2/3 ¯h2 )<br />

GmpM<br />

2m n2/3 37 eV Fermi-Energie<br />

3R 1 keV therm. Energie<br />

Eγ<br />

0.003<br />

Eth<br />

Als primäre Größen wurden benutzt: Radius R⊙ = 6.96 · 10 10 cm; Masse, M⊙ = 1.989 · 10 33 g und <strong>Teil</strong>chenzahl<br />

N⊙ = 10 57 . Es bedeutet ā Mittelwert von a.<br />

Tab. 8.1: Abgeleitete Größen


8.1. ÜBERBLICK 383<br />

Das Plasma in Innern der Sonne ist also im Mittel mit T ≈ 107 K und n ≈ 1024 cm−3 nichtentartet,<br />

d. h. y ≪ 1, und vollständig ionisiert. Im Zentrum mit n ≈ 2 · 1026 cm−3 ist das nicht mehr der Fall,<br />

y ≈ 1.<br />

Da für <strong>die</strong> Oberflächentemperatur Teff ≪ T gilt, wird <strong>die</strong> Leuchtkraft der Sonne aus einem thermischen<br />

Reservoir im Innern gespeist. Ab Photosphäre sind Photonen das einzige Transportmittel (den<br />

Sonnenwind kann man vernachläßigen) der Energieabstrahlung.<br />

Das erste Problem ist also, abzuschätzen, wie der thermische Energietransport im Innern der Sonne<br />

vonstatten geht. Grundsätzlich sind 3 Prozesse möglich: Wärmeleitung (durch Elektronen, wie z. B.<br />

bei Eisen), Strahlungstransport (Photonendiffusion) und Konvektion (wie in der Erdatmosphäre).<br />

Um zu sehen, was mit einem einzelnen Elektron bzw. Photon bei der Diffusion geschieht, betrachten<br />

wir das Problem des betrunkenen Seemanns (random walk): bei einer freien Weglänge l kommt er nur<br />

im Mittel<br />

L = l<br />

�<br />

N<br />

d<br />

weit, dabei sind d <strong>die</strong> Anzahl der Raum Dimensionen und N <strong>die</strong> Zahl der Schritte. Ein Photon, das<br />

vom Zentrum des Sterns zum Radius R diffun<strong>die</strong>rt, sind demnach<br />

N = 3 R2<br />

l 2<br />

(8.24)<br />

Schritte nötig.<br />

Einer Massendichte von ρ = 1.5 g cm −3 entspricht eine <strong>Teil</strong>chenzahldichte von n = 10 24 cm −3 , d.<br />

h. in etwa einem mittleren <strong>Teil</strong>chenabstand von d = 10 −8 cm. Wir schätzen <strong>die</strong> freie Weglänge für<br />

Photonen mit dem Wirkungsquerschnitt der Thomsonstreuung als obere Grenze ab und erhalten mit<br />

l = 1/nσ als Ergebnis l ≈ 1 cm.<br />

Das liefert für <strong>die</strong> Diffusionszeit<br />

τdiff = N l<br />

c<br />

= 3R2<br />

lc<br />

(8.25)<br />

Die freie Flugzeit (etwa eines Neutrinos) vom Zentrum zum Rand wird für Photonen um das (3R/l)−fache<br />

verlängert.<br />

Für R = R⊙ = 7 · 10 10 cm erhält man τ ≈ 1.5 · 10 4 Jahre. Eine Temperaturänderung im Zentrum der<br />

Sonne macht sich erst nach 15 Tausend Jahren an der Oberfläche bemerkbar. Für <strong>die</strong> Leuchtkraft der<br />

Sonne erhalten wir, aus dem Photonen Reservoir im Innern,<br />

L = Eγ<br />

τdiff<br />

= (1 − β) Ugrav<br />

τdiff<br />

Hier ist 1 − β das Verhältnis von Photonen zur Gesamtenergie, 1 − β = Eγ<br />

τ ≈ 1.5 · 104 yr liefert das L = 20L⊙, einen Faktor 20 zuviel.<br />

Ugrav<br />

. Mit 1 − β = 0.003 und<br />

• ANMERKUNG (BESTIMMUNG DER WAHREN DIFFUSIONSZEIT)<br />

Bei der Bestimmung der Diffusionszeit haben wir angenommen, daß <strong>die</strong> mittlere Flugzeit l/c ≈ 10 −10 s ist. Tatsächlich<br />

werden <strong>die</strong> Photonen in der äusseren Hülle, wo <strong>die</strong> Ionisation nicht mehr vollständig ist, in den Atomen zwischengespeichert,<br />

und zwar für mindestens 10 −8 s. Dadurch wird <strong>die</strong> Diffusionszeit um den Faktor 100 auf etwa 15 Myr erhöht.<br />

Den Beitrag der Elektronenleitung schätzen wir ab mit dem geometrischen Streuquerschnitt für Elektron<br />

- Proton Streuung,<br />

σ = 4π(d/2) 2 ≈ 10 −16<br />

cm 2


384 KAPITEL 8. DIE SONNE ALS STERN<br />

eines Atoms und erhalten l = 1/nσ = 10 −8 cm. Die Diffusion geht jetzt mit Schallgeschwindigkeit<br />

und das macht (Wärme)Leitung vollends vernachläßigbar. So kann man auch verstehen, warum Diffusion<br />

der schweren Elemente zum Zentrum bei der Sonne keine Rolle spielt: <strong>die</strong> freie Weglänge ist 10 8<br />

mal, <strong>die</strong> Geschwindigkeit (v = 3 · 10 6 cm/s) etwa 10 4 mal kleiner als bei Photonen, dementsprechend<br />

<strong>die</strong> Zeit 10 12 mal länger, d. h. viel länger als das Universum alt ist.<br />

Der Wärmetransport durch Strahlung oder Leitung ist also sehr ineffektiv. Bekanntlich ist es viel<br />

günstiger, Wärme konvektiv zu transportieren und das ist in den äusseren Schichten der Sonne tatsächlich<br />

der Fall. Das allgemeine (Schwarzschild) Kriterium hierfür lautet, daß Konvektion auftritt falls (mit Indizes<br />

hG : hydrostatisches Gleichgewicht und S : adiabatische Druckänderung, d. h. S =const)<br />

(dP/dρ)hG − (dP/dρ)S > 0 (8.26)<br />

ist, was äquivalent dazu ist, daß <strong>die</strong> adiabatisch aufgestiegene Materie leichter ist als ihre im hydrostatische<br />

Gleichgewicht befindliche Umgebung. Ob Konvektion vorliegt kann nur ein detailliertes Modell<br />

entscheiden (s. u.).<br />

Für <strong>die</strong> Leuchtkraft L erhalten wir mit E := Energie des jeweiligen Reservoirs (mit Indizes G: Gas<br />

und ph: Photonen) und τ := Diffusionszeit:<br />

L = EG<br />

τG<br />

+ Eph<br />

τph<br />

=<br />

1<br />

3R 2 (vlGNkT + clphaT 4 V ) (8.27)<br />

Wir berücksichtigen nur den Photonenterm und benutzen den Virialsatz, was für massearme Sterne<br />

gerechtfertigt ist. Dann gilt (3/2)NkT = (1/2)GM 2 /R und für <strong>die</strong> Masse gilt M = mpN, wobei<br />

V = (4π/3)R 3 und a = π 2 k 4 /15(¯hc) 3 ist. Die freie Weglänge schätzen wir ab mit l = V/Nσ T, wobei<br />

σ T = 8π<br />

3<br />

� e 2<br />

mc 2<br />

� 2<br />

= 8π<br />

3 r2 e<br />

(8.28)<br />

der Thomson-Streuquerschnitt ist und erhalten <strong>die</strong> erstmals von Eddington hergeleitete Masse-Leuchtkraft<br />

Relation:<br />

L = 1<br />

3R 2<br />

cπ 2 k 4<br />

15¯h 3 c 3<br />

V 2<br />

Nσ<br />

� �4<br />

GmM<br />

3kR<br />

oder wenn wir <strong>die</strong> Gravitations - Feinstrukturkonstante αG benutzen<br />

endgültig<br />

αG = Gm2 p<br />

¯hc<br />

= 5.9 · 10 −39<br />

L = fvN 3 α 4 ¯hc<br />

G<br />

2<br />

σ mit fv = π4<br />

355 In Zahlen ausgedrückt<br />

L = 2.3 · 10 34<br />

� M<br />

M⊙<br />

� 3<br />

(8.29)<br />

(8.30)<br />

erg s −1 (8.31)<br />

ein erstaunliches Ergebnis in zweierlei Hinsicht. Die Leuchtkraft ist unabhängig vom Radius und hat<br />

in etwa <strong>die</strong> richtige Massenabhängigkeit, nämlich L ≈ M 3 für massearme Sterne, d. h. für Sterne<br />

bei denen der thermische Druck dominiert. Berücksichtigt man über<strong>die</strong>s, daß σ in Wirklichkeit größer<br />

ist, dann kommt sogar der Vorfaktor von L für <strong>die</strong> Sonne quantitativ richtig heraus (3.85 · 10 33 statt<br />

2.3 · 10 34 ).


8.1. ÜBERBLICK 385<br />

8.1.4 Das Energieproblem der Sonne<br />

Ein bis zum Anfang unseres Jahrhunderts ungelöstes Problem war <strong>die</strong> Frage, woher <strong>die</strong> Sonne ihre<br />

Energie bezieht. Man macht sich leicht klar, daß chemische Reaktionen (<strong>die</strong> chemische Energie der<br />

Sonne beträgt maximal E � 10 44 erg) <strong>die</strong> Sonne nur etwa 1250 Jahre am Leben (d. h. am Leuchten)<br />

erhalten können.<br />

Betrachten wir deshalb, wie zuerst von Helmholtz (1854) und Kelvin (1861) vorgeschlagen, ein Gas<br />

der Temperatur T , zusammengehalten von der Gravitation, ohne innere Wärmequellen. Ein solches<br />

System verliert ständig Energie mit der Rate:<br />

− ˙ E = L = 4πσR 2 T 4<br />

(8.32)<br />

Dieser Energieverlust muß durch <strong>die</strong> Gravitation wieder wettgemacht werden, also muß das System<br />

schrumpfen. Die gravische Bindungsenergie eines klassischen Gases ist von der Größenordnung<br />

Ebind =<br />

−GM 2<br />

R<br />

nach dem Virialsatz kann von der beim Schrumpfen gewonnenen Energie nur <strong>die</strong> Hälfte abgestrahlt<br />

werden, <strong>die</strong> andere Hälfte geht in innere Energie bei der Kompression des Gases, also:<br />

L = − ˙ Ebind = −1 GM<br />

2<br />

2<br />

R2 Die typische Halbwerts-Zeit, in der der Radius schrumpft, heißt<br />

tHK = E<br />

L<br />

= GM 2<br />

2RL<br />

= − R<br />

2 ˙ R<br />

˙R (8.33)<br />

Für <strong>die</strong> Sonne erhält man mit den beobachteten Werten für M und L etwa<br />

tHK ≈ 30My = 3 · 10 7<br />

(8.34)<br />

Jahre (8.35)<br />

während unsere Näherungsformel (8.30) für L eine 6mal kürzere Zeit ergeben würde. Aber auch 30<br />

Millionen Jahre als Kollapszeit aufgrund gravischer Schrumpfungsenergie sind natürlich viel zu kurz<br />

für <strong>die</strong> Sonne, sodaß eine andere Energiequelle benötigt wird: <strong>die</strong> Kernfusion.<br />

• ANMERKUNG (DIE ENERGIEQUELLE DER STERNE)<br />

Die Frage nach der Energiequelle der Sterne ist auch heute noch aktuell, insbesondere bei den sog. Super-Eddington Quellen,<br />

allerdings handelt es sich dabei vermutlich um akkretierende Mehrfachsysteme.<br />

Wir fragen zunächst genauer, was ist <strong>die</strong> Energiequelle der Einzelsterne? Da <strong>die</strong> Antwort, Kernfusion mit Tunneleffekt,<br />

wesentlich auf der Quantenmechanik beruht, waren Helmholtz (1854) und Kelvin (1861) bei der Beantwortung <strong>die</strong>ser<br />

Frage gescheitert und selbst Eddington, zu Beginn unseres Jahrhunderts, konnte <strong>die</strong> Wahrheit nur erraten.<br />

Die quantenmechanische Grundlage der Kernfusion im Innern von Sternen ist der Tunneleffekt. Dieser geht auf Gamow<br />

(1928) zurück. Atkinson und Houtermans waren 1929 <strong>die</strong> Ersten, <strong>die</strong> den Gamowschen Tunneleffekt auf das Innere der<br />

Sterne anwandten, auf <strong>die</strong> Kernfusion von Wasserstoff zu Helium. Das ist, wie durch Bethe (1938) und unabhängig durch<br />

von v. Weizsäcker (1938) gezeigt wurde, möglich in Form eines Katalysatorprozesses. Dieser C-N-O Zyklus wird auch<br />

Bethe - Weizsäcker Zyklus genannt. Daneben wurde von Critchfield gemeinsam mit Bethe <strong>die</strong> p-p Kettenreaktion gefunden.<br />

Diese ist für <strong>die</strong> Sonne dominierend.<br />

Die Kenntnis der Energieerzeugung ist wesentlich für <strong>die</strong> Bestimmung des Radius des Sterns und<br />

damit für das Aussehen: bei gegebener Leuchtkraft, <strong>die</strong> ja durch <strong>die</strong> Opazität der Materie bestimmt ist,<br />

bestimmt der Radius R, über <strong>die</strong> Beziehung<br />

L = 4πR 2 σT 4<br />

(8.36)


386 KAPITEL 8. DIE SONNE ALS STERN<br />

mit T = Teff, <strong>die</strong> Farbe des Sterns (s.a. Glchg. (8.4)), wie folgt. Es ist<br />

Teff =<br />

�<br />

L<br />

4πσR2 �1/4<br />

<strong>die</strong> Temperatur. Über das Wiensche Gesetz<br />

(8.37)<br />

λmaxT = const = 0.2898 cm K (8.38)<br />

erhält man dann, mit T = Teff = Tbb<br />

λmaxTbb = 0.29 cm K (8.39)<br />

<strong>die</strong> Farbe des Sterns.<br />

8.1.5 Strahlungstransport und Lebensdauer<br />

Strahlungstransport im homogenen Medium in einer Dimension<br />

Wir geben zunächst ein einfaches Modell für den Strahlungstransport durch eine ebene, homogene<br />

Schicht der Höhe R. Man muß unterscheiden zwischen dem (isotropen) Strahlungsfluß mit der Intensität<br />

I = σT 4 und dem (nach oben gerichteten, anisotropen) Nettostrahlungsfluß j := Leuchtkraft/Fläche.<br />

An der Oberfläche ist j = I = σT 4 eff und beide stimmen überein (Randbedingung). Wir<br />

stellen uns nun <strong>die</strong> Schicht unterteilt vor in M := R/l (l := freie Weglänge der Photonen) Lamellen<br />

mit Vakuum dazwischen. Jede Lamelle m (1 . . . M) hat <strong>die</strong> Temperatur T (m), mit der sie nach beiden<br />

Seiten strahlt.<br />

Damit der Strom erhalten bleibt, muß gelten<br />

I(1) − I(2) = I(2) − I(3) = . . . = I(M) = σT 4 eff<br />

letzteres, da am Rand keine Einstrahlung stattfindet. Die Lösung <strong>die</strong>ser Differenzengleichung lautet<br />

I(m) = (1/m)I(1) bzw. I(1) = MσT 4 eff<br />

Gehen wir von der Differenzengleichung zu der Differentialgleichung über, erhalten wir<br />

j = −l dI<br />

dx<br />

=<br />

4 dT<br />

− lσ<br />

dx<br />

(8.40)<br />

dj<br />

dx<br />

= 0 (8.41)<br />

mit der Lösung<br />

T 4 (x) =<br />

R − x + l<br />

T<br />

l<br />

4 eff<br />

(8.42)<br />

Für <strong>die</strong> Sonne ist M = R/l � 1012 und somit erwarten wir im Zentrum (Index c)<br />

Tc = 4<br />

�<br />

R<br />

l Teff � 10 3 Teff (8.43)<br />

was um einen Faktor 2 zu klein ist. Der Grund dafür ist <strong>die</strong> falsche Geometrie. Für Kugelschalen ist<br />

<strong>die</strong> Verdünnung gegeben durch<br />

1<br />

r 2<br />

jr = −l dI<br />

dr<br />

4 dT<br />

= − lσ<br />

dr<br />

(8.44)<br />

d<br />

dr (r2 jr) = 0 (8.45)


8.1. ÜBERBLICK 387<br />

Für <strong>die</strong> Sonne ist somit in der Nähe des Zentrums, wo noch keine Kernfusion stattfindet<br />

�<br />

T (r) = 4<br />

R 2<br />

lr Teff<br />

(8.46)<br />

<strong>die</strong> Temperatur tatsächlich größer.<br />

Um nun noch abzuschätzen, wieviel Energie durch Kernfusion erzeugt wird, benötigen wir folgende<br />

Fakten:<br />

1. Die bei der Fusion freigesetzte Energie beträgt E � 8 MeV.<br />

Es ist rk := ¯h/mπc = 1.46f (1f := 10 −13 cm; Fermi) <strong>die</strong> Reichweite der Kernkräfte. Die Bindungsenergie<br />

ist etwa<br />

EB = −(1/2)¯h 2 /mpr 2 k (8.47)<br />

= −(1/2)(mπ/mp)mπc 2 � 8 MeV (8.48)<br />

2. <strong>die</strong> Fusion ist ein Tunnelprozeß.<br />

Die Wahrscheinlichkeit W für den extrem temperaturabhängigen Tunneleffekt ist etwa<br />

W � (Tt/T ) 2/3 exp −(Tt/T ) 1/3 = (Tt/T ) 2/3 10 −(Td/T ) 1/3<br />

(8.49)<br />

Tt = (3/2) 3/2 (πe 2 /¯h) 2 (mp/k) = 7.7 · 10 10 K (8.50)<br />

Td = Tt(log e) 3 = 3.2 · 10 9 K (8.51)<br />

Es ist z. B. W = 4 · 10 −5 für T = 10 7 K.<br />

3. der eigentliche (Reaktions) Wirkungsquerschnitt ist der der schwachen Wechselwirkung.<br />

Die Gesamterzeugungsrate pro Volumen, ˙ɛρ, ist dann<br />

˙ɛρ = EBW < nσv > ρ (8.52)<br />

dabei ist σ der Wirkungsquerschnitt für <strong>die</strong> schwache Wechselwirkung und ρ = ˜µmun <strong>die</strong> Massendichte.<br />

8.1.6 Die untere Grenzmasse für Sterne<br />

Mit unserer einfachen Formel (8.30) für <strong>die</strong> Leuchtkraft L ist es nun möglich, <strong>die</strong> thermische Entwicklung<br />

eines massearmen Sterns zu diskutieren.<br />

Die erste Voraussetzung an <strong>die</strong> Masse eines Sterns ist <strong>die</strong>, daß im Innern <strong>die</strong> Temperatur hoch genug<br />

wird beim Schrumpfen, sodaß <strong>die</strong> Materie überhaupt ionisiert wird, also (für Wasserstoff)<br />

was mit<br />

d. h. α −3/2<br />

G<br />

kT ≫ 1<br />

2 α2 mec 2 ≈ 13.6 eV<br />

N = α −3/2<br />

G<br />

= 2.2 · 10 57<br />

≈ 2N⊙ auf <strong>die</strong> Bedingung<br />

M ≫ α 3/2 α −3/2<br />

G mp ≈ 10 −3 M⊙<br />

(8.53)<br />

führt; sonst erhält man einen Planeten.<br />

Die zweite, strengere, ist <strong>die</strong>, daß im Innern <strong>die</strong> Temperatur sogar hoch genug wird, sodaß <strong>die</strong> durch<br />

Kernfusion erzeugte Wärme das Schrumpfen stoppen kann. Dies muß geschehen, solange <strong>die</strong> Materie<br />

nichtentartet ist.


388 KAPITEL 8. DIE SONNE ALS STERN<br />

Es sei d der mittlere Abstand der <strong>Teil</strong>chen (Protonen bzw. Elektronen). Dann gilt näherungsweise, pro<br />

<strong>Teil</strong>chen<br />

oder<br />

ɛth + ɛent ≈ ugrav<br />

kT + ¯h2<br />

2/3 ¯hc<br />

≈ αGN<br />

med2 d<br />

Das Kriterium ist, daß bei Verkleinerung von d <strong>die</strong> Zündtemperatur<br />

Tcrit ≈ αmec 2<br />

erreicht wird. Die Funktion<br />

2/3 ¯hc ¯h2<br />

kT = f(d) = αGN −<br />

d med2 hat ihr Maximum bei f ′ (d) = 0, was<br />

Tmax = 1<br />

2 (αGN 2/3 ) 2 mec 2<br />

(8.54)<br />

(8.55)<br />

und mit Tmax > Tcrit schließlich<br />

Sonst steigt <strong>die</strong> Temperatur (praktisch) instantan (runaway) bis zur Explosion, <strong>die</strong> Gravitationsenergie<br />

geht dann in Pulsationsenergie; der Stern ähnelt einem Motor mit Fehlzündungen (Stottern).<br />

Wir bestimmen <strong>die</strong> kritische Masse für Entartung als Interpolation (geometrisches Mittel) zwischen<br />

Planet und Sonne, <strong>die</strong> im Zentrum fast entartet ist:<br />

Nkrit ≈ α 3/4 α −3/2<br />

G α 3/4 ≈ 0.04N⊙ (8.56)<br />

Wie wir sehen werden, ist <strong>die</strong> kritische Temperatur für Wasserstoffbrennen etwa 10 6 K, in etwa ebenfalls<br />

das geometrisches Mittel zwischen Fusionstemperatur der Sonne (1 keV) und Ionisationsenergie<br />

von Wasserstoff (13 eV).<br />

Die Leuchtkraft solcher Sterne, der sog. braunen Zwerge, ist winzig, wie aus unserer einfachen Formel<br />

(8.30) für <strong>die</strong> Leuchtkraft folgt:<br />

L ≈ 10 −4 L⊙<br />

8.1.7 Die obere Grenzmasse und Leuchtkraft für Sterne<br />

• ANMERKUNG (EINE EINFACHE ABSCHÄTZUNG)<br />

Wir definieren<br />

¯β = Eγ<br />

Eth<br />

= 2π2<br />

45<br />

� �3 kT V<br />

¯hc N<br />

und betrachten <strong>die</strong> Grenzfälle<br />

¯β ≪ 1, d. h. E = EGas = (-1/2)U oder NkT = (1/3)Gm 2 pN 2<br />

bzw.<br />

¯β ≫ 1, d. h. E = Eph = -U oder aT 4 V = Gm 2 pN 2<br />

und ersetzen NkT bzw. akT 4 und erhalten<br />

¯β = (N/16N⊙) 2 bzw. ¯ β = (N/N⊙) 1/2 .<br />

(8.57)


8.2. STERNAUFBAU 389<br />

Sterne mit mehr als 16 Sonnenmassen sind strahlungsdominiert. Für einen solchen Stern vorgegebener<br />

Masse kann <strong>die</strong> Leuchtkraft einen Maximalwert im Mittel nicht überschreiten, den sog. Eddington-<br />

Limit: auf <strong>die</strong> an der Oberfläche des Sterns befindliche ionisierte Materie trifft von Innen ein Strahlungsstrom<br />

der Intensität I. Davon werden σT hI gestreut, was einen Impulsübertrag (pro Zeit) dp/dt =<br />

2I/c zur Folge hat (p = E/c für Photonen!). Gestreut wird natürlich wieder nur an Elektronen. Ersetzt<br />

man I durch <strong>die</strong> Leuchtkraft L = 4πR 2 I, so erhält man für <strong>die</strong> Kraft<br />

K = σL/4πcR 2<br />

Setzt man <strong>die</strong>s gleich der Gravitationskraft auf ein ionisiertes H-Atom (also Proton) K = GmHM/R2 ,<br />

so fällt der Radius heraus und man erhält den Eddington-Limit<br />

LEdd = 4πGmHMc<br />

= 10 4.5<br />

� �<br />

M<br />

L⊙ = 1.3 · 10 38<br />

� �<br />

M<br />

mH erg s−1 (8.58)<br />

σT h<br />

M⊙<br />

Wichtig ist, daß das Plasma vollständig ionisiert und dünn ist, sodaß der Thomsonstreuquerschnitt σT h<br />

den Impulsübertrag beschreibt. Für heiße Sterne ist das gerechtfertigt (für <strong>die</strong> Sonne nicht).<br />

Wie man hier aus der Kräftebilanz oder sonst aus dem Virialsatz für relativistische Materie ersieht<br />

(Eph + U = 0), ist der Stern im neutralen Gleichgewicht und man muß seine Stabilität untersuchen.<br />

Nach dem allgemeinen Kriterium muß dazu γ > 4/3 sein, was es auch ist. Falls jedoch <strong>die</strong> Pulsperiode<br />

vergleichbar wird mit der Photonendiffusionszeit tdiff := 3R 2 /lc (l := freie Weglänge der Photonen),<br />

dann ist <strong>die</strong> Druckänderung nicht mehr adiabatisch sondern isotherm, d. h. γ = 1, und der Stern<br />

ist instabil. Es werden dann Pulsationen mit wachsender Amplitude angefacht, welche letzten Endes<br />

durch Massenverlust gedämpft werden (der innerste Kern besteht aus entarteter, stabiler Materie und<br />

der Rand aus nur teilweise ionisiertem Gas; also ebenfalls stabil). Setzt man LEdd = L, so erhält man<br />

etwa 100 M⊙ für <strong>die</strong> Stabilitätsgrenze.<br />

8.2 Sternaufbau<br />

Als Zustandsgleichung benutzen wir <strong>die</strong> Summe aus idealem Gas plus Photonen:<br />

P = PG + Pγ<br />

wobei der Parameter β<br />

β = PG<br />

P<br />

und 1 − β = Pγ<br />

P<br />

den Gasdruck parametrisiert, also explizit<br />

P = ρ<br />

˜µmH<br />

kT + a 4<br />

T<br />

3<br />

M⊙<br />

(8.59)<br />

(8.60)<br />

(8.61)<br />

Hier ist mH <strong>die</strong> Masse des Wassertstoffatoms und ˜µ ist das mittlere Molekulargewicht. Für ein vollständig<br />

ionisiertes Gas gilt<br />

˜µ −1 ≈ 2xH + 3<br />

4 xHe + 1<br />

2 xMetalle<br />

was wir jetzt (um mit der üblichen Nomenklatur in Übereinstimmung zu bleiben)<br />

schreiben.<br />

˜µ −1 = 2X + 0.75Y + 0.5Z<br />

(8.62)


390 KAPITEL 8. DIE SONNE ALS STERN<br />

Der Wärmestrom in radialer Richtung F = Fr und <strong>die</strong> Leuchtkraft L(r) hängen wie folgt zusammen:<br />

L(r) = (4πr 2 )Fr(r) (8.63)<br />

und somit wird aus dem Energiesatz divFr = ˙ɛρ<br />

L ′ = 4πr 2 ˙ɛρ (8.64)<br />

Die verbleibende Wärmetransport Gleichung F = −k∇T schreiben wir<br />

P ′ γ = − κρL<br />

4πcr 2<br />

mit κ: Massenabsorptionskoeffizient, oder, mit Pγ = a 4 T 3<br />

T ′ = − 3κρL<br />

16πacr 2 T 3<br />

(8.65)<br />

(8.66)<br />

Mit der Zustandsgleichung, <strong>die</strong> wir in der Form ρ = ρ(P, T ) schreiben und der Energie - Erzeugungsfunktion<br />

˙ɛρ sind das 4 Gleichungen für <strong>die</strong> 4 unbekannten Funktionen P, m, L und T .<br />

Die Randbedingungen sind gemischt: zwei am Rand r = R<br />

P (R) = 0 ; T (R) = 0 (8.67) L(0) = 0 ; m(0) = 0 (8.68)<br />

und zwei im Zentrum r = 0.<br />

Zu bestimmen sind <strong>die</strong> Größen m(R) = M und L(R) = 4πσR 2 T 4 . Dabei ist in <strong>die</strong>sem vereinfachten<br />

Modell (wo <strong>die</strong> Atmosphäre des Sterns fehlt) T (R) → Teff zu ersetzen. Dabei gilt spaltenweise, mit<br />

Pγ = a<br />

3 T 4 anstatt T<br />

dm<br />

dr<br />

dP<br />

dr<br />

= 4πρr2<br />

= −ρGm(r)<br />

r 2<br />

(8.69)<br />

(8.70)<br />

dL<br />

dr = 4πr2 ɛρ (8.71)<br />

dPγ<br />

dr<br />

= −ρκL(r)<br />

4πcr 2<br />

Hydrostat. Gleichgewicht Wärmetransport<br />

(8.72)<br />

Für <strong>die</strong> folgenden zwei Fälle gibt es für <strong>die</strong>se Gleichungen (des hydrostatischen Gleichgewichts mit<br />

Wärmetransport ohne Turbulenz) analytische Lösungen:<br />

1. Eddingtons Standardmodell<br />

Hier gilt, mit<br />

β = PG<br />

P<br />

und 1 − β = Pγ<br />

P<br />

(8.73)<br />

<strong>die</strong> Bedingung β = const. Dann sind <strong>die</strong> beiden Sätze von Gleichungen von hydrostat. Gleichgewicht<br />

einerseits und von Wärmetransport andrerseits proportional.<br />

2. Strömgrens Modell<br />

Falls der Massenabsorptionskoeffizient κ und <strong>die</strong> Energieerzeungungsrate ˙ɛ nur von Potenzen<br />

von T und ρ abhängen und zwar, mit beliebigem a, n und s:<br />

κ ∝ ρT −3−s<br />

und ˙ɛ ∝ ρ a T n<br />

z. B. Kramers Opazität liefert s = 0.5 und der pp-Zyklus kann mit a = 1 und n = 4 . . . 5<br />

beschrieben werden.


8.2. STERNAUFBAU 391<br />

Wir betrachten hier nur kurz noch einmal den Fall des Eddingtonschen Standardmodells. Umgeschrieben<br />

Pγ = (1 − β)P und PG = βP (8.74)<br />

liefert β = const auch einen eindeutigen Zusammenhang zwischen ρ und T :<br />

T =<br />

� �1/3 �<br />

3(1 − β)k 1<br />

βa<br />

˜µmH<br />

� 4/3<br />

ρ 1/3<br />

(8.75)<br />

was <strong>die</strong> Gleichungen wesentlich vereinfacht. Man kann nun <strong>die</strong> Zustandsgleichung wie folgt schreiben:<br />

P = Kpρ 4<br />

�<br />

k<br />

3 mit Kp =<br />

˜µmHβ<br />

�4/3 � �1/3 3(1 − β)<br />

a<br />

(8.76)<br />

Eddingtons Standardmodell führt also auf eine Polytrope zum Index n = 3 (oder s = 4/3) und dafür<br />

haben wir <strong>die</strong> Lösung schon angegeben.<br />

8.2.1 Strömgrens Modell<br />

• ANMERKUNG (DER EINFLUSS VON OPAZITÄT UND ENERGIEERZEUGUNG)<br />

Im Eddingtonschen Standardmodell bleibt der Radius und damit <strong>die</strong> Oberflächentemperatur Teff des Sterns unbestimmt. Im<br />

Strömgren Modell sind alle Sternparameter bestimmt. Wir können somit den Einfluß des Massenabsorptionskoeffizienten<br />

κ und der Energieerzeugungsrate ˙ɛ auf <strong>die</strong> Struktur des Sterns analytisch untersuchen. Voraussetzung ist allerdings, daß<br />

<strong>die</strong>se nur von Potenzen von T und ρ abhängen. Daraus folgt dann <strong>die</strong> Gleichung der Hauptreihe im HR-Diagramm.<br />

Grundlage sind <strong>die</strong> Gleichungen des hydrostat. Gleichgewichts und des Wärmetransports in der Form<br />

dm<br />

dr<br />

dP<br />

dr<br />

= 4πρr2<br />

= −ρGm(r)<br />

r 2<br />

(8.77)<br />

(8.78)<br />

dL<br />

dr = 4πr2 ɛρ (8.79)<br />

dT<br />

dr<br />

= − 3κρL<br />

16πacr 2 T 3<br />

(8.80)<br />

Die Idee der Homologietransformation, wie sie der Lane-Emden Dgl. zugrunde liegt, kann wesentlich<br />

erweitert werden. Die Grundvariablen sind m, P, L, T als Funktionen von der Radialkoordinate r.<br />

Alle anderen auftretenden Größen, <strong>die</strong> Dichte ρ eingeschlossen, werden als Materialfunktionen <strong>die</strong>ser<br />

Grundvariablen betrachtet.<br />

• ANMERKUNG (DIE ZUSTANDSGLEICHUNG DES IDEALEN GASES)<br />

Als Beispiel schreiben wir <strong>die</strong> Zustandsgleichung des idealen Gases<br />

ρ = P u (kT ) v ˜µ w mH mit u = 1, v = −1, w = 1<br />

Hier ist ˜µ das mittlere Molekulargewicht<br />

˜µ −1 = 2X + 0.75Y + 0.5Z<br />

X, Y, Z sind <strong>die</strong> Massenanteile von H, He und den Metallen (CNO) und es ist X + Y + Z = 1.<br />

Für zwei Sternmodelle seien m(r) und m ′ (r ′ ) <strong>die</strong> beiden Lösungen. Die Gesamtmasse sei M bzw.<br />

M ′ . Analoges gelte für P , L, T und P ′ , L ′ , T ′ . Homologie bedeutet, daß <strong>die</strong> beiden Lösungen durch<br />

eine Skalentransformation ineinander überführt werden können. Wir führen nun eine dimensionslose<br />

Variable ξ ein<br />

ξ = m<br />

M<br />

= m′<br />

M ′<br />

(8.81)


392 KAPITEL 8. DIE SONNE ALS STERN<br />

<strong>die</strong> eine echte Invariante ist. Damit schreiben wir <strong>die</strong> Gleichungen um zu<br />

dr<br />

dξ<br />

dP<br />

dξ<br />

= k1<br />

= k2<br />

M<br />

ρr2 ξM 2<br />

r 4<br />

(8.82)<br />

(8.83)<br />

Die hier auftretenden universellen Konstanten ki sind<br />

k1 = 1<br />

4π<br />

; k2 = −G<br />

4π<br />

; k4 = −3<br />

64π 2 ac<br />

Wir schreiben damit <strong>die</strong> Homologiebedingung wie folgt:<br />

r(ξ)<br />

r ′ (ξ)<br />

R<br />

= = z(ξ)<br />

R ′<br />

dL<br />

dξ<br />

dT<br />

dξ<br />

Analog verfahren wir mit den anderen Grundvariablen P, L, T , also<br />

P (ξ)<br />

P ′ (ξ)<br />

= p ;<br />

Einsetzen liefert mit<br />

M<br />

= x ;<br />

M ′<br />

als Invarianzbedingung<br />

x<br />

z 3 d<br />

= 1 ;<br />

T (ξ)<br />

T ′ (ξ)<br />

ρ<br />

= d ;<br />

ρ ′<br />

x 2<br />

z 4 p<br />

= 1 ;<br />

= t ; L(ξ)<br />

L ′ (ξ)<br />

ɛ<br />

= e ;<br />

ɛ ′<br />

ex<br />

s<br />

= 1 ;<br />

= l<br />

κ<br />

= k ;<br />

κ ′<br />

= ɛM (8.84)<br />

κLM<br />

= k4<br />

r4T 3<br />

(8.85)<br />

(8.86)<br />

ksx<br />

z4 = 1 (8.87)<br />

t4 Die beiden wichtigen (weil im Vergleich zum Eddingtonschen Standardmodell neuen) Relationen, <strong>die</strong><br />

wir jetzt untersuchen können, sind der Einfluß des Massenabsorptionskoeffizienten κ und der der Energieerzeungungsrate<br />

˙ɛ auf <strong>die</strong> Struktur des Sterns. Wir nehmen an, daß <strong>die</strong>se nur von Potenzen von T<br />

und ρ abhängen und zwar, mit beliebigem a, n und s:<br />

κ ∝ ρT −3−s<br />

und ˙ɛ ∝ ρ a T n<br />

Dann ergeben sich nützliche Relationen auch für Sternradius R und effektive Temperatur Teff, <strong>die</strong><br />

im Eddingtonschen Standardmodell unbestimmt bleiben. Realistische Sterne gehorchen zwar keinen<br />

Homologierelationen, dennoch sind solche Modelle nützlich. Sie liefern <strong>die</strong> Basis für eine statistische<br />

Beschreibung vieler Sterne (etwa in Kugelsternhaufen) und einen ersten Zugang, ganze Galaxien nach<br />

ihrer Farbe zu klassifizieren.<br />

Der Rosselandsche Mittelwert des Massenabsorptionskoeffizienten κ, wie er aus Kramers Opazität<br />

folgt, ist empfindlich abhängig von der chemischen Zusammensetzung. Das Rosseland Mittel für <strong>die</strong><br />

Opazität lautet<br />

1. Kramers Opazität für bound-free (Photoeffekt)<br />

κbf ∝ Z(1 + X)ρT −3.5<br />

2. Kramers Opazität für free-free (Bremsstrahlung)<br />

κff ∝ (1 − Z)(1 + X)ρT −3.5<br />

(8.88)<br />

(8.89)


8.2. STERNAUFBAU 393<br />

Die Energieerzeungungsrate ˙ɛ hängt empfindlich ab vom nuklearen Brennprozeß im Zentrum des<br />

Sterns<br />

˙ɛ ∝ ρT n<br />

Für den pp-Prozeß ist n = 5 ein guter Mittelwert, für den CNO-Prozeß ist dagegen n ≈ 20.<br />

Für <strong>die</strong> Leuchtkraft der Hauptreihe gilt empirisch ungefähr<br />

L = L⊙(M/M⊙) 4<br />

= L⊙(M/M⊙) 2.8<br />

M > M⊙<br />

M < M⊙<br />

Die direkt beobachtbaren Größen Leuchtkraft L und Temperatur Teff umfassen jeweils<br />

− 6 < log(L/L⊙) < 6 und 3.3 < log(Teff) < 5<br />

(also etwa 2000 K und 100 000 Kelvin) und es gilt empirisch<br />

(8.90)<br />

(8.91)<br />

(8.92)<br />

log L = q log Teff + const ; mit q ≈ 6 (8.93)<br />

Ein einfacher Fit ergibt als Masse - Radius Relation<br />

�<br />

R ∼<br />

M 0.6 M > M⊙<br />

M 0.9 M < M⊙<br />

und für <strong>die</strong> Temperatur - Masse Relation<br />

T ∼ M 0.6<br />

Rechnungen liefern <strong>die</strong> folgende Masseabhängigkeit:<br />

⎧<br />

⎪⎨ M<br />

L ∝<br />

⎪⎩<br />

5.5 /R0.5 massearme – normale Sterne<br />

M 3 massereiche Sterne<br />

M sehr massereiche Sterne<br />

(8.94)<br />

(8.95)<br />

Als Mittelwert kann man L ∝ M 3.5 nehmen. Die zur Kernfusion zur Verfügung stehende Masse ist<br />

proportional zur Gesamtmasse des Sterns. Für Hauptreihensterne sind das etwa 10% und es gilt W ≈<br />

0.1 · 7 · 10 −3 Mc 2 . Daraus erhält man für <strong>die</strong> Lebensdauer A des Brennvorgangs auf der Hauptreihe als<br />

Massenabhängigkeit A ∝ M −2.5 .<br />

L ∝<br />

1<br />

Z(Z + 1) ˜µ7.5 M 11/2 R −1/2<br />

Für <strong>die</strong> Leuchtkraft der Hauptreihe gilt genauer<br />

�<br />

L ∝<br />

Z 0.69 X 1.19 T 5.6 CNO-Zyklus<br />

Z 0.36 X 1.46 T 4.11 pp-Zyklus<br />

(8.96)<br />

wie aus detaillierten Rechnungen folgt. Der Übergang von pp zu CNO ist bei etwa 1.5 Sonnenmassen.<br />

Die Leuchtkraft wird bei <strong>die</strong>sen Sternen durch den Massenanteil Z der schweren Elemente, also von<br />

Spurenelementen, durch <strong>die</strong> Opazität bestimmt. Für <strong>die</strong> Sonne beträgt der Massenanteil Z etwa 1%.<br />

Erst bei einem Massenanteil Z von 10 −4 werden <strong>die</strong> Opazitäten vergleichbar. Für massearme Population<br />

II Sterne in Kugelsternhaufen kann <strong>die</strong>ser Übergang sogar beobachtet werden (cf. [San86]).


394 KAPITEL 8. DIE SONNE ALS STERN<br />

8.2.2 Wasserstoffbrennen<br />

• DEFINITION<br />

Die Zustandsgleichung für den Gesamtdruck als Summe aus Gas- und Photonendruck lautet für Hauptreihensterne (ɛ =<br />

aT 4 ist <strong>die</strong> Energiedichte des Photonengases und P = ɛ/3 <strong>die</strong> Zustandsgleichung):<br />

oder<br />

P = Ptot = Pkin + Pphot = nkT + a 4<br />

T<br />

3<br />

P = ρ<br />

˜µmH<br />

kT + a 4<br />

T<br />

3<br />

Für <strong>die</strong> Zustandsgleichung muß also <strong>die</strong> <strong>Teil</strong>chenzahldichte n durch <strong>die</strong> Massendichte ρ und <strong>die</strong> chemische Zusammensetzung<br />

ausgedrückt werden:<br />

(8.97)<br />

Pkin = nkT = ρ<br />

kT (8.98)<br />

˜µmH<br />

wobei ˜µ das mittlere Molekulargewicht ist, welches wir wie folgt bestimmen. Bei vollständiger Ionisation gibt es pro Atom<br />

Z Elektronen und einen Atomkern, also<br />

oder<br />

n =<br />

Z + 1<br />

A<br />

˜µ = A<br />

Z + 1<br />

ρ<br />

mH<br />

Für <strong>die</strong> chemischen Elemente H, He und alle anderen gilt dann etwa ˜µ −1 = 2, 3<br />

4<br />

und 1<br />

2 .<br />

Für eine Mischung aus mehreren Elementen führen wir noch <strong>die</strong> relative Massenhäufigkeit xZ so ein, daß xZ <strong>die</strong> Masse<br />

der <strong>Teil</strong>chen mit Ladung Z pro Einheitsmasse ist und definieren <strong>die</strong> effektive <strong>Teil</strong>chenzahl pro Atom<br />

Das gibt<br />

ˆnZ = ˜µ −1<br />

Z<br />

= (Z + 1)<br />

A<br />

(8.99)<br />

1<br />

˜µ = � xZ ˆnZ ≈ 2xH + 3<br />

4 xHe + 1<br />

2 (1 − xH − xHe) (8.100)<br />

Für ein vollständig ionisiertes Gas gilt<br />

˜µ −1 ≈ 2xH + 3<br />

4 xHe + 1<br />

2 xMetalle<br />

was wir jetzt (um mit der üblichen Nomenklatur in Übereinstimmung zu bleiben)<br />

˜µ −1 = 2X + 0.75Y + 0.5Z ; X + Y + Z = 1<br />

schreiben. Neben den Massenanteilen Xi werden wir gelegentlich <strong>die</strong> numerischen Anteile Yi benötigen<br />

Yi = ni<br />

�<br />

j nj<br />

= ni<br />

n<br />

(8.101)<br />

Für <strong>die</strong> Sonne liefert das heute, mit einem mittleren xHe = 0.36, für das mittlere Molekulargewicht ˜µ ≈ 0.645, <strong>die</strong> Ursonne<br />

hatte etwa ˜µ ≈ 0.6.


8.2. STERNAUFBAU 395<br />

Kosmogonie und Nukleogenese<br />

Wir werden im folgenden <strong>die</strong> wesentlichen Kernreaktionen im Innern eines Sterns wie der Sonne und<br />

(zum Vergleich) im frühen Universum betrachten.<br />

Die Fusion von Urbausteinen (Proton und Elektron) der Materie zu Helium ist der astrophysikalisch<br />

wichtigste Prozeß überhaupt. Er findet im Universum unter extrem verschiedenen Bedingungen statt:<br />

1. im Innern von Sternen, mit der Bilanzgleichung<br />

4p → 4 He + 2e + + 2νe ; Qtot = 4Q1 − Q4 = 26.73 MeV (8.102)<br />

2. im frühen Universum,<br />

2p + 2n → 4 He (8.103)<br />

Den Fusionsprozeß im frühen Universum werden wir später genauer beschreiben. Er ist <strong>die</strong> Grundlage<br />

zum Verständnis der Sterne, da deren Ausgangsmaterial hier erzeugt wurde. Die Fusion im frühen<br />

Universum ist ein dynamischer Prozeß, sie läuft in Konkurrenz zur Expansion; in Sternen ist sie quasistatisch<br />

(mit Ausnahme einer Supernova).<br />

• ANMERKUNG (KLASSISCHE KOSMOGONIE UND NUKLEOGENESE)<br />

Im Innern von Sternen reicht <strong>die</strong> thermische Energie der Protonen (von 1 KeV) in der Sonne klassisch nicht aus, um<br />

<strong>die</strong> Coulombbarriere (von 1 MeV) des anderen Reaktionspartners (Proton oder He) zu überwinden. Die Fusion ist ein<br />

statischer Prozeß, Zeit ist genügend vorhanden. Quantenmechanisch geht das mit Hilfe des Tunneleffekts. Die Erklärung<br />

geht auf Gamow (1928) zurück.<br />

Atkinson und Houtermans wenden (1929) den Gamowschen Tunneleffekt erstmals auf das Innere der Sterne an und beschreiben<br />

<strong>die</strong> Kernfusion von Wasserstoff zu Helium. Ihre Arbeit vom März 1929 beginnt mit den Worten:<br />

Vor kurzem hat Gamow gezeigt, daß positiv geladene <strong>Teil</strong>chen auch dann in den Atomkern einzudringen<br />

vermögen, wenn ihre Energie nach klassischen Begriffen dazu nicht ausreicht . . .<br />

Die detaillierte Ausarbeitung der wichtigsten Kernreaktionen stammt von Bethe (1938) und unabhängig von v. Weizsäcker<br />

(1938). Kernfusion ist möglich als Katalysatorprozess (C-N-O Zyklus) bzw. als Kettenreaktion. Critchfield gemeinsam mit<br />

Bethe (1938) beschreiben erstmals <strong>die</strong> p-p Kettenreaktion.<br />

Im frühen Universum gilt für <strong>die</strong> Kernfusion das umgekehrte: <strong>die</strong> Temperatur ist so hoch, daß das Zwischenprodukt Deuterium<br />

wieder zerfällt. Es herrscht (fast) thermodynamisches Gleichgewicht. Die entscheidende Arbeit hierzu stammt von<br />

Alpher, Bethe und Gamow, 1948. Die ursprüngliche Idee, daß hierbei alle Elemente entstehen, wurde von Fowler und Hoyle<br />

revi<strong>die</strong>rt: nur H und He können im Standardmodell des Urknalls primordial, d. h. kosmologischen Ursprungs sein.<br />

Den Abschluß zur Kosmogonie und Nukleogenese bilden <strong>die</strong> Arbeiten von Fowler und Hoyle, welche <strong>die</strong>se gemeinsam<br />

mit dem Ehepaar Burbidge veröffentlichten, B 2 FH 1957, und von Wagoner, Fowler und Hoyle, in der erstmals (1967)<br />

das kosmogonische Verhältnis von H zu He (Massenverhältnis 4:1) bestimmt wurde. Die damaligen Beobachtungen an<br />

alten Sternen stimmten mit <strong>die</strong>ser Vorhersage überein und wurden damit als ein direkter Beweis für den heißen Urknall,<br />

s = nγ/nb ≈ 10 9 und T ≈ 3K.<br />

Mittlerweile sind <strong>die</strong> Beobachtungen sehr viel genauer. Sterne, <strong>die</strong> keine Metalle enthalten, hat man<br />

nicht entdecken können, selbst <strong>die</strong> ältesten Sterne in Kugelsternhaufen enthalten noch Eisen, Fe. Neben<br />

kosmologischem Lithium, Li, wurde (mit vergleichbarer Häufigkeit) auch Bor, B, gefunden. Das<br />

kann man erklären, (Fowler), falls man inhomogene Urknall Modelle betrachtet. Hier sind zunächst<br />

<strong>die</strong> Quarks inhomogen verteilt (Skala etwa 1 bis 10 Meter), wenn sich Protonen und Neutronen bilden,<br />

verhalten sich beide unterschiedlich: Protonen diffun<strong>die</strong>ren schwerer, da sie geladen sind. Ab 7 Li<br />

verläuft <strong>die</strong> Fusion dann anders, nämlich bis 12 C:<br />

7 Li (n, γ) 8 Li (α, n) 11 B (n, γ) 12 B (e + , ν) 12 C<br />

Hierbei ensteht auch das häufigste Boron Isotop, 11 B. Auch Atome mit höherer Ladung enstehen,<br />

insgesamt etwa 10 −3 .<br />

Die Nukleogenese in Sternen wie der Sonne werden wir im folgenden betrachten. Die chemische Zusammensetzung<br />

der Sonne heute zeigt, daß Deuterium und Lithium fehlen. Diese wurden bereits in der<br />

Kontraktionsphase (vor dem Zünden) zerstört.


396 KAPITEL 8. DIE SONNE ALS STERN<br />

Das Wasserstoffbrennen der Sonne<br />

Die Sonne verbrennt (seit etwa A⊙ = 4.5 Gyr) in ihrem Zentrum Wasserstoff, H, zu Helium, He, sie ist<br />

damit ein entwickelter Hauptreihenstern. Und zwar liegt sie in ihrer Entwicklung ziemlich genau in der<br />

Mitte zwischen ZAMS und ∗ TAMS. Wasserstoffbrennen kann dabei nach verschiedenen Brennzyklen<br />

erfolgen.<br />

1. p-p - Reaktionskette (Bethe-Critchfield)<br />

2. C-N-O - Zyklus (Bethe-Weizsäcker)<br />

3. Mg-Al - Zyklus<br />

4. Ne-Na - Zyklus<br />

Diese Brennvorgänge laufen alle gleichzeitg (in Konkurrenz zu einander) ab, je nach Temperatur T<br />

(und Dichte ρ) dominiert aber normalerweise einer alle anderen. Die Bethe-Critchfield Reaktionskette<br />

wird stets als erste (bei der Sternbildung) durchlaufen, da sie <strong>die</strong> niedrigste Zündtemperatur hat. Für<br />

<strong>die</strong> Sonne gilt für <strong>die</strong> (über das Gesamtvolumen gemittelte) Energieerzeugungsrate, ˙ɛ,<br />

˙ɛpp ∝ ρT 5<br />

; ˙ɛCNO ∝ ρT 18<br />

; ˙ɛCNO/˙ɛpp ≈ 0.01 (8.104)<br />

Der Übergang von pp zu C-N-O Brennen findet bei Sternen mit Massen von etwa 1.4M⊙ und mit einer<br />

Temperatur von T = 2 · 10 7 K statt. Zum Vergleich:<br />

˙ɛ3α ∝ ρ 2 T 30<br />

ist jetzt <strong>die</strong> Temperaturabhängigkeit der Energieerzeugungsrate.<br />

Energieerzeugung<br />

(8.105)<br />

Die Zusammensetzung der Sonnenphotosphäre kann aus der Spektralanalyse erschlossen werden (und<br />

aus dem Sonnenwind). Aus ihr schließt man (mangels anderer Möglichkeit) auf das Innere der Sonne.<br />

Anders als bei Planeten, nimmt man an, daß keine chemische Fraktionierung (Eisenkern) im Innern<br />

der Sonne stattgefunden hat.<br />

Die häufigsten Elemente der Sonnenphotosphäre.<br />

Ein typisches Sonnenmodel hat Z = 0.02. He ist<br />

in der Sonne überhäufig. Weitere wichtige Elemente<br />

der Sonne sind Ne, Si und Fe. Die Elemente<br />

Li, Be und B sind unterhäufig (um einen<br />

Faktor 10 −5 ) in Bezug auf kosmische Strahlung<br />

und Meteorzusammensetzung. Gleiches gilt für<br />

F und Sc (allerdings nur um einen Faktor 10 −2 ).<br />

Die Tabelle ist nach <strong>Teil</strong>chenzahlen der Spezi-<br />

es i = Z, welche wir mit Yi bezeichnen wollen,<br />

Chem. Elemente der Sonnenphotosphäre<br />

Element 1 H 4 He 12 C 14 N 16 O<br />

Z 1 2 6 7 8<br />

Yi 1 0.1 0.00053 0.0001 0.00092<br />

Xi 0.71 0.285 0.0045 0.001 0.01<br />

Qi 7.289 2.425 0.000 2.864 -4.737<br />

Tab. 8.2: Sonnenphotosphäre<br />

geordnet. Aufgeführt sind <strong>die</strong> häufigsten Elemente in der Reihenfolge ihrer Ladung. Die Massenkonzentrationen,<br />

<strong>die</strong> wir wieder Xi nennen, und <strong>die</strong> Massendefekte in MeV bezogen auf 12 C (s.u. Glchg.<br />

(8.114)) sind ebenfalls angegeben.<br />

Der Massendefekt pro Nukleon der Atomzahl A ist dann<br />

Q = Qi<br />

A<br />

= c2<br />

� mi<br />

A<br />

− mu<br />

�<br />

∗ ZAMS: Zero Age Main Sequence, Alter: A = 0 Gyr; TAMS: Termination Age Main Sequence, Alter für <strong>die</strong> Sonne<br />

A⊙ = 9 Gyr.


8.2. STERNAUFBAU 397<br />

Eventuell kosmologisch erzeugtes Deuterium (kosmologische Häufigkeit Yi = 0.00023) wird im Innern<br />

der Sterne zu He verbrannt und damit an der Sternoberfläche um etwa einen Faktor 50 reduziert,<br />

im Zentrum dagegen praktisch vollständig (s.u.).<br />

• ANMERKUNG (DIE ELEMENT-HÄUFIGKEIT DER URSONNE)<br />

Man nimmt an, daß <strong>die</strong> beobachteten Häufigkeiten auch in der Ursonne im Innern herrschten. Damit hat man dann definierte<br />

Anfangsbedingungen. Welche Kernprozsse tatsächlich im Innern der Sterne ablaufen, ist alles andere als leicht zu<br />

beantworten.<br />

Für den C-N-O Zyklus ist auch <strong>die</strong> Gesamthäufigkeit der 3 Elemente wesentlich, da <strong>die</strong>se nicht erhöht werden kann, nur<br />

<strong>die</strong> relative Häufigkeit kann verändert werden.<br />

Die leichten Elemente Li, Be und B sind deutlich unterhäufig. Eine Erkärung dafür mag darin liegen, daß <strong>die</strong>se Elemente<br />

weder primordial noch stellar erzeugt werden, sie stammen von Spallationen der kosmischen Strahlung.<br />

Der Hauptenergielieferant der Sonne und aller Sterne, <strong>die</strong> auf der Hauptreihe sind, ist <strong>die</strong> Kernfusion<br />

von Protonen, p, zu α - <strong>Teil</strong>chen, 4 He ++<br />

4p → 4 He + 2e + + 2νe ; Qtot = 4Q1 − Q4 = 26.73 MeV (8.106)<br />

im Zentrum des Sterns.<br />

Unter den Bedingungen, wie sie im Innern von Hauptreihensternen wie der Sonne herrschen, kann <strong>die</strong>s<br />

auf zwei verschiedene Arten erreicht werden:<br />

1. <strong>die</strong> Bethe-Critchfield-Reaktion (pp Reaktion) läuft direkt zwischen Protonen und Helium ab, der<br />

vorhandene Wasserstoff wird zu Helium verbrannt.<br />

2. der Bethe-Weizsäcker Zyklus ist, chemisch gesehen, ein Katalysatorprozeß mit den Katalysator<br />

- Elementen C, N, O, an <strong>die</strong> Protonen angelagert werden. Die Gesamtzahl von C-N-O Atomen<br />

bleibt erhalten, nur der Wasserstoff wird in Helium verwandelt.<br />

Für alle Reaktionsketten bzw. Zyklen gilt, daß ihre Gesamtrate durch den langsamsten Prozeß bestimmt<br />

wird. Für <strong>die</strong> einzelne Reaktionsrate gilt dabei<br />

R = 1<br />

t =<br />

�<br />

nσvf(v)d 3<br />

wobei σ der Wirkungsquerschnitt der Reaktion ist und wobei über <strong>die</strong> Maxwell Verteilung (der Relativgeschwindigkeit)<br />

der Kerne zu mitteln ist. Die Kernfusion in der Sonne ist dabei ein quantenmechanischer<br />

Tunnelprozeß, wie erstmals von Gamow 1928 gezeigt. Die kinetische Energie der Protonen<br />

�<br />

2Ekin<br />

Ekin ≈ kT ≈ 1 KeV v =<br />

m<br />

reicht bei weitem nicht aus, klassisch <strong>die</strong> Coulomb-Barriere<br />

Epot ≈<br />

ZpZAe 2<br />

r<br />

≈ 1 MeV ; r ≈ 1 fm<br />

zu überwinden. Damit wird <strong>die</strong> Reaktionsrate (Gamowscher Tunneleffekt)<br />

oder auch<br />

Rt ≈ e −W<br />

W ≈ Epot<br />

Ekin<br />

rp<br />

¯h<br />

c<br />

W ≈ 2παZpZA<br />

v<br />

extrem temperaturabhängig, kT ≈ Ekin.<br />

(8.107)


398 KAPITEL 8. DIE SONNE ALS STERN<br />

Summarisch geschrieben lautet <strong>die</strong> Fusions Bilanz (in kerphysikalischer Notation)<br />

4p → α + 2β + + 2νe (8.108)<br />

woraus ersichtlich wird, daß in jedem Fall <strong>die</strong> schwache Wechselwirkung involviert ist. Neutrinos<br />

müssen erzeugt werden um den Erhaltungssatz für Leptonen zu gewährleisten , welche Energie sie<br />

erhalten, kann allerdings nur <strong>die</strong> Theorie der schwachen Wechselwirkung beantworten. Die Energie<br />

der Photonen, Qeff, beträgt etwa 26.2 MeV. Damit bleiben 0.52 MeV für <strong>die</strong> 2 Neutrinos. Für den<br />

Anteil der Neutrinos an der gesamten Leuchtkraft sind das weniger als 2%.<br />

Bezogen auf <strong>die</strong> Kernreaktionen besteht im Innern der Sonne kein thermodynamisches Gleichgewicht.<br />

Die Reaktionen verlaufen alle nur in einer Richtung. Deshalb werden <strong>die</strong> Reaktionsraten (und damit<br />

<strong>die</strong> Wirkungsquerschnitte der Kernfusion) explizit benötigt. Die Ergebnisse hängen empfindlich davon<br />

ab. Bestes Beispiel sind <strong>die</strong> Kernzerfallszeiten der natürlichen Kerne. Man erhält durch eingehende<br />

Rechnungen, daß <strong>die</strong> Temperatur im Innern der Sonne etwa 15 Millionen K (bei einer Dichte von<br />

160 g cm −3 ) beträgt. Die bei der Fusion freigesetzte Energie beträgt pro beteiligtem Nukleon etwa<br />

Qtot/A ≈ 6.7 MeV oder 0.72% Ruhmassenenergie.<br />

• ANMERKUNG (ENERGIEGEWINN)<br />

Von He mit Qtot/A ≈ 6.7 MeV bis Eisen, 56 Fe, mit Qtot/A ≈ 8.5 MeV werden pro Nukleon in den fortgeschrittenen<br />

Brennsta<strong>die</strong>n also nur noch 1.8 MeV (entsprechend etwa 21% der insgesamt umgesetzten Energie) gewonnen.<br />

Die Sonne verbrennt damit 4 · 10 12 g oder 4 Millionen Tonnen Ruhmasse Wasserstoff pro Sekunde<br />

um L⊙ = 3.9 · 10 33 erg s −1 aufrecht zu erhalten, d. h. sie wird dabei pro Sekunde um <strong>die</strong>sen Betrag<br />

leichter durch den Massendefekt. 550 Millionen Tonnen Wasserstoff pro Sekunde werden dabei in<br />

Helium umgewandelt. Dabei werden etwa ˙ Nν = 1.8 · 10 38 s −1 Neutrinos erzeugt. Man erwartet einen<br />

Neutrinofluß von Fν = 6.4 · 10 10 cm −2 s −1 aus der p-p- Reaktion, während für <strong>die</strong> energiereichsten<br />

Neutrinos der Fluß um 5 Zehnerpotenzen kleiner ist.<br />

Zum Vergleich: <strong>die</strong> Photonen werden um den Faktor 10 7 vervielfacht, <strong>die</strong> Energie eines Photons von 6<br />

Mev auf 0.5 eV reduziert. Das ergibt einen Photonenfluß von Fγ = 1 · 10 18 cm −2 s −1 .<br />

Bei einer Fusionsenergie pro Nukleon, Q = Qij, wird <strong>die</strong> Energieerzeugungsrate pro Einheitsvolumen,<br />

˙η(ρ, v), für eine Reaktion zwischen den (zunächst als verschieden angenommenen) Partnern i und j<br />

mit Relativgeschwindigkeit, v = |vi − vj|, <strong>Teil</strong>chenzahldichten nj bzw ni und Wirkungsquerschnitt<br />

σ = σij(v) gegeben durch<br />

˙η(ρ, v) = Qij ni nj σ v erg cm −3 s −1<br />

woraus man dann durch Mittelung über eine thermische Maxwell - Verteilung fMB = f(v)<br />

˙rij =<br />

�∞<br />

0<br />

f(v) dv {v σij(v)} mit<br />

�∞<br />

0<br />

f(v) dv = 1 (8.109)<br />

<strong>die</strong> Volumen Reaktions-Rate ˙rij, Einheit cm 3 s −1 , und damit <strong>die</strong> Energieerzeugungsrate pro Einheitsvolumen,<br />

˙η(ρ, T ),<br />

˙η(ρ, T ) = Qij ni nj ˙rij = n 2 Yi Yj Qij ˙rij (8.110)<br />

erhält. Umgeschrieben auf <strong>die</strong> Materiedichte ρ ist genauer (nämlich auch bei identischen Partnern für<br />

i = j, mi sind ihre Massen)<br />

˙ɛ(ρ, T ) = XiXj<br />

1 + δij<br />

Qij<br />

ρ ˙rij erg g<br />

mimj<br />

−1 s−1 (8.111)


8.2. STERNAUFBAU 399<br />

Die Abnahme der Dichte ni der Spezies i ist gegeben durch <strong>die</strong> Rate aller Reaktionen, <strong>die</strong> das Element<br />

zerstören minus der Rate aller Reaktionen, <strong>die</strong> das Element erzeugen:<br />

˙ni = − �<br />

oder für <strong>die</strong> Konzentrationen<br />

j<br />

˙Yi = − �<br />

j<br />

ninj ˙ri→j + �<br />

ninj ˙rj→i<br />

j<br />

YiYj Ri→j + �<br />

j<br />

(8.112)<br />

YiYj Rj→i mit Ri→j = n ˙ri→j (8.113)<br />

Im stationären Fall müssen alle Ableitungen verschwinden, woraus man <strong>die</strong> Gleichgewichtskonzentrationen<br />

bestimmen kann.<br />

8.2.3 Das Standard-Sonnenmodell<br />

Wir wissen aus Altersbestimmungen der Erde, daß das Sonnensystem etwa 4.5 Milliarden Jahre alt<br />

ist, A⊙ = 4.5 Gyr. Wir wissen ferner, daß <strong>die</strong> chemische Zusammensetzung der Sonne von der der<br />

Urmaterie abweicht, s. (8.2). Nimmt man an, daß <strong>die</strong> chemische Zusammensetzung der Materie an<br />

der Sonnenoberfläche (d. h. an dem spektroskopisch beobachtbaren Ort) gleich der ursprünglichen ist,<br />

dann kann man ausrechnen, wie <strong>die</strong> chemische Zusammensetzung im Innern der Sonne, wo ja <strong>die</strong><br />

Kernreaktionen ablaufen, nach 4.5 Milliarden Jahren aussehen muß. Man erhält so ein Standardmodell<br />

für <strong>die</strong> heutige Sonne, welches in der nachstehenden Tabelle wiedergegeben ist.<br />

Sonnenmodell mit XH = 0.71, XHe = 0.27 und XMetalle = 0.02<br />

m r11 T6 ρ L33 ˙ɛpp ˙ɛCNO k XH<br />

0.00 0.00 15.7 158 0.00 15.9 1.6 1 0.36<br />

0.05 0.06 13.8 103 1.3 10 0.13 1.3 0.52<br />

0.10 0.08 12.8 83 2.13 6.8 0.023 1.5 0.58<br />

0.30 0.13 10.1 43 3.55 1.6 2 0.68<br />

0.50 0.17 8.1 22 3.86 2.8 0.70<br />

0.80 0.26 5.1 5 3.9 4.5 0.71<br />

0.90 0.32 3.9 1.8 3.9 6 0.71<br />

0.99 0.48 1.73 0.1 3.9 9.6 0.71<br />

0.99999 0.62 0.66 0.006 3.9 konv 0.71<br />

1 0.69 0.006 3 · 10 −7 3.9 0.71<br />

Einheiten: Masse m = M(r)/M⊙; Radialkoordinate r in Einheiten von 1011 cm; Temperatur T in Einheiten von 106 K;<br />

Massendichte ρ g cm−3 ; Leuchtkraft L in Einheiten von 1033 erg s−1 ; Energieerzeunugsrate ˙ɛ = ˙ɛ(ρ, T, Xi) erg g−1 s−1 ;<br />

κ<br />

; Massenabsorptionskoeffizient k = ρ cm2 g−1 XH = rel. Massenanteil an Wasserstoff, Xi = NiAi<br />

ΣNjAj<br />

Tab. 8.3: Standardmodell der Sonne.<br />

Für <strong>die</strong> freie Weglänge im Innern der Sonne ergibt sich damit tatsächlich l = 1/κ = 1/ρk < 1 cm<br />

in den äusseren Bereichen der Sonne, wo <strong>die</strong> Photonen am längsten brauchen. Die Skalenhöhe in der<br />

Photosphäre (opt. Tiefe 1) H = mg/kT beträgt 180 km, <strong>die</strong> <strong>Teil</strong>chenzahldichte n = 2 · 10 17 cm −3 .<br />

Etwa x = n e /n = 3 · 10 −4 davon ist ionisiert.


400 KAPITEL 8. DIE SONNE ALS STERN<br />

8.2.4 Elementsynthese und primordiales Helium<br />

Die atomare Masseneinheit, mu, und <strong>die</strong> dazu gehörende Massenenergie Einheit, amu, wird auf neutralen<br />

Kohlenstoff, 12 C, bezogen und ist definiert als<br />

1 amu =<br />

1<br />

12 mC c 2 = mu c 2 = 931.48 MeV (8.114)<br />

Hier einige nützliche atomare Massen<br />

Atomkerne: Bezeichnungen und Massen<br />

Name Elektron Proton Neutron Deuteron Triton Helion α−<strong>Teil</strong>chen<br />

Symbol e p n D T τ, 3 He α 4 He<br />

Masse me mp mn mD mt mτ mα<br />

MeV 0.511 938.25 939.55<br />

amu 5.48·10 −4 1.007825 1.008665 2.014102 3.016050 3.016030 4.002603<br />

Q(MeV) 7.28922 8.07169 13.136 14.950 14.931 2.4249<br />

Die chem. Bezeichnungen sind Deuterium, Tritium und Helium. Bei der Bildung von He (mit der<br />

Atomnummer A = 4) wird insgesamt<br />

Qtot = 4Qp − Qα = c 2 (4mp − mHe) = 26.74 MeV<br />

an Bindungenergie frei, pro <strong>Teil</strong>chen<br />

Q = ∆E = Qtot<br />

4<br />

= 6.6825 MeV<br />

Dabei tritt ein relativer, d. h. pro Kernteilchen gerechnet, Massendefekt von<br />

δ = ∆E<br />

muc 2 = 7 · 10 −3<br />

oder 0.7% auf. Die bei der Kernfusion freigesetzte Energie ist zunächst in Form eines γ−Quants und<br />

eines Neutrinos. Somit wird nicht alles vollständig zum Heizen benutzt, nur das γ−Quant wird thermalisiert,<br />

das Neutrino kann ohne Wechselwirkung aus der Sonne entweichen. Die effektive Heizenergie,<br />

Qeff, beträgt etwa 26.2 MeV. Dem entspricht bezogen auf <strong>die</strong> Gesamtmasse ein Energiereservoir der<br />

Sonne von<br />

Enuc = δ M⊙c 2 = 1.4 · 10 52 erg<br />

Bei der jetzigen Leuchtkraft reicht das für<br />

τ⊙ = Enuc<br />

L⊙<br />

= 10 11 y mit L⊙ = 3.9 · 10 33 erg s −1<br />

also für 100 Milliarden Jahre. Die Sonne wird allerdings nicht alles zu He verbrennen, s.u., sondern<br />

nur etwa eine Kernregion von etwa 10% Masse der gesamten Materie.<br />

Wir betrachten nunmehr <strong>die</strong> Elementsynthese im Innern von Sternen genauer, und zwar zunächst <strong>die</strong><br />

Fusion von Wasserstoff. Diese kann, wie bereits erwähnt, auf zwei verschiedenen Wegen erfolgen: der<br />

pp-Kette und dem Bethe-Weizsäcker Zyklus.


8.2. STERNAUFBAU 401<br />

Die pp-Kette<br />

Bei der Critchfield Reaktion (pp-Kette) werden bei der für <strong>die</strong> Sonne wichtigsten Fusion (pp1) 3 Stufen<br />

durchlaufen:<br />

p + p → D + e + + ν (8.115)<br />

D + p → 3 He + γ (8.116)<br />

3 He + 3 He → 4 He + p + p + γ (8.117)<br />

oder, ausführlich geschrieben:<br />

1<br />

1p 0 + 1 1p 0 → 2 1D 0 + 0 1e + + 0 0ν 1<br />

2<br />

1D 0 + 1 1p 0 → 3 2He 0 + 0 0γ 0<br />

3<br />

2He 0 + 3 2He 0 → 4 2He 0 + 1 1p 0 + 1 1p 0 + 0 0γ 0<br />

(8.118)<br />

(8.119)<br />

(8.120)<br />

Wie durch <strong>die</strong> Indizes deutlich gemacht, müssen 3 Erhaltungssätze erfüllt werden, nämlich für Baryonen-<br />

, el. Ladungs- und Leptonen-Zahl. Das Positron e + zerstrahlt mit einem Elektron. Die dabei auftretenden<br />

γ-Quanten werden thermalisiert. In Kurzschreibweise können <strong>die</strong> 3 Reaktionen wie folgt angegeben<br />

werden:<br />

Die pp1-Kette<br />

Fusions-Reaktion 1/Rate Qtot[MeV] Qν[MeV]<br />

p (p, β + ν) D 10 10 yr 1.44 0.52<br />

D (p, γ) 3 He 6 s 5.45 −<br />

3 He ( 3 He, 2p) 4 He 10 5 yr 12.86 −<br />

Dabei bedeutet Q der Massendefekt, also z.B. für <strong>die</strong> erste Reaktion 2p → D: Q = (2mp − mD)c 2 =<br />

1.44 MeV. Die Wärmetönung ist um 0.511 MeV größer, da das Positron noch zerstrahlt. Qν ist <strong>die</strong><br />

maximale Neutrino Energie.<br />

Alternativ kann der letzte Schritt auch wie folgt aussehen. Statt 3 He wird 4 He angelagert und 7 Be<br />

gebildet (pp2-Kette und pp3-Kette):<br />

3 He (α, γ) 7 Be ; Qtot = 1.58 MeV<br />

Das so erzeugte 7 Be kann sich durch Elektroneneinfang in 7 Li umwandeln<br />

7 Be (β − , ν) 7 Li ; Neutrino Linie Qtot = 0.86 MeV<br />

und anschließend (nach Protoneneinfang) zerfallen (pp2-Kette):<br />

7 Li(p, α) 2 4 He ; Qtot = 17.35 MeV<br />

Dieser Prozeß ist wichtig, da er eine niedrige Schwellenenergie besitzt. Mit ihm kann Li sehr effektiv<br />

zerstört werden.<br />

Alternativ kann sich, ausgehend von 7 Be, ein Proton anlagern (pp3-Kette):<br />

7 Be (p, γ) 8 B (β + ν) 8 Be ∗ (α) 4 He<br />

Für <strong>die</strong> Sonne gilt, daß 86% über <strong>die</strong> pp1-Kette laufen, <strong>die</strong> restlichen 14% sind aufgeteilt in 13.98%<br />

für <strong>die</strong> pp2-Kette und 0.02% für <strong>die</strong> pp3-Kette. Der Nebenzweig pp3 ist hauptsächlich interessant für<br />

den Nachweis der Neutrinos<br />

8 B (β + ν) 8 Be ; Qtot = 18.01 MeV


402 KAPITEL 8. DIE SONNE ALS STERN<br />

da er <strong>die</strong> enegiereichsten Neutrinos erzeugt.<br />

Der erste Schritt ist der schwerste, p (p, β + ν) D, bei ihm ist <strong>die</strong> schwache Wechselwirkung involviert.<br />

Der Wirkungsquerschnitt der schwachen Wechselwirkung ist etwa für Elektron-Neutrino-Streuung<br />

σ = G2F E2 h4 �<br />

E<br />

= 10−44<br />

c4 mec2 �2<br />

cm 2<br />

(8.121)<br />

wobei E <strong>die</strong> Energie des Neutrinos und GF <strong>die</strong> Fermi-Kopplungskonstante ist. Für <strong>die</strong> pp-Reaktion im<br />

Innern der Sonne, wo ein Deuteron gebildet wird, reduziert sich das (Überlappintegral, E < 0.5 MeV)<br />

auf σ = 10−45cm2 . Die Energiedifferenz beträgt nur<br />

�<br />

2m(H) − m(D) − m(e + ) �<br />

c 2 = 0.93 MeV<br />

Als grobe Abschätzung nehmen wir folgenes an: Neutrino und Positron erhalten maximal etwa gleich<br />

viel Energie, also Eν ≈ 0.46 MeV. Bezogen auf den Gesamtprozeß sind das 0.93 MeV von Q = 26.7<br />

MeV insgesamt, damit geht etwa maximal η ≈ 1/27 der Energie in Form von Neutrinos verloren.<br />

Die genauere Analyse berücksichtigt, daß das Positron im Feld des Protons erzeugt wird: <strong>die</strong> Werte<br />

sind dann Eν ≈ 0.42 MeV maximal, Eν ≈ 0.263 MeV im Mittel und η ≈ 1/50. Der Beitrag der<br />

Neutrinokühlung ist für <strong>die</strong> Sonne unwichtig.<br />

Klassisch reicht <strong>die</strong> thermische Energie der Protonen nicht aus, um <strong>die</strong> Coulombbarriere des anderen<br />

Reaktionspartners (Proton oder He) zu überwinden. Quantenmechanisch geht das mit Hilfe des<br />

Tunneleffekts. Die Tunnelwahrscheinlichkeit Pt ist<br />

Pt = e −Wt mit Wt =<br />

2πZ1Z2e 2<br />

¯hv<br />

wobei v <strong>die</strong> Relativgeschwindigkeit ist. Um <strong>die</strong> Fusionsrate zu erhalten, muß man über <strong>die</strong> (Maxwell)<br />

Geschwindigkeitsverteilung f(v) mitteln, s. Glchg. (8.109):<br />

R =<br />

�∞<br />

0<br />

Der Integrand ist proportional zu<br />

�<br />

g(v) = v 3 exp<br />

f(v) dv n v σ e −Wt (8.122)<br />

−<br />

2πZ1Z2e 2<br />

¯hv<br />

− mv2<br />

�<br />

2kT<br />

wobei m <strong>die</strong> reduzierte Masse ist. Das Integral kann mit der Sattelpunktsmethode ausgewertet werden:<br />

<strong>die</strong> Funktion g(v) hat ihr Minimum bei<br />

v =<br />

� 4π 2 Z1Z2e 2 kT<br />

hm<br />

� 1/3<br />

Der Exponentialfaktor im Ausdruck für <strong>die</strong> Reaktionsrate wird dann nach Integration<br />

wenn wir<br />

e −τ mit τ =<br />

To =<br />

definieren.<br />

� 3<br />

2<br />

� �1/3<br />

To<br />

T<br />

�3 � 2πe 2 Z1Z2<br />

h<br />

� 2 m<br />

k = 8 · 1010 K (8.123)


8.2. STERNAUFBAU 403<br />

Für einen Stern wie <strong>die</strong> Sonne mit der Zentraltemperatur Tc = 1.5·10 7 K liefert das einen Tunnelfaktor<br />

von e −τ ≈ 10 −8.5 und τ ≈ 18 und für <strong>die</strong> Reaktionsrate im pp-Kette erhält man R = 10 −10 y −1 .<br />

Insgesamt sieht <strong>die</strong> Bilanz wie folgt aus, wenn wir mit Q <strong>die</strong> in Wärme umgesetzte Energie bezeichnen.<br />

Die ersten 2 Reaktionen laufen jeweils zweimal ab, sodaß insgesamt etwa Q = 26.2 MeV an Wärme<br />

freigesetzt werden, der Rest geht durch Neutrinos verloren.<br />

Das relative Anzahlverhältnis von H zu D bestimmen wir aus Glchg. (8.113) und Glchg. (8.118) bzw.<br />

der anschließenden Tabelle.<br />

˙YD = Y 2<br />

p<br />

R(1)<br />

2 − YD YHe R(2)<br />

Die beiden Reaktionsraten Rpp, Index (1) und RD, Index (2), unterscheiden sich um 16.5 Zehnerpotenzen:<br />

R(2)/R(1) = 2·10 16 und das relative Anzahlverhältnis von H zu D ist im stationären Gleichgewicht,<br />

wo ˙ YD = 0 gilt,<br />

YD<br />

Yp<br />

R(1)<br />

= Yp<br />

2R(2)<br />

≈ 10 −17<br />

Deuterium wird also im Innern von Sternen praktisch vollständig vernichtet. Eventuell gefundenes<br />

interstellares oder intergalaktisches Deuterium muß kosmologischen Urpsrungs sein.<br />

Für <strong>die</strong> Energieerzeugungsrate erhalten wir<br />

˙ɛ(ρ, T ) = 2.81 · 10 6 ρX 2 Hy 2 e −38.8y F(x) erg g −1 s −1<br />

dabei haben wir zur Abkürzung<br />

y = T −1/3<br />

6 x = T6 F(x) = 1 + 1.23 · 10 −2 x 1/3 + 1.09 · 10 −2 x 2/3 + 9.38 · 10 −4 x<br />

gesetzt.<br />

Für 3 He, welches wir zur Abkürzung wieder mit τ bezeichnen wollen, gilt entsprechend<br />

˙Yτ = −Y 2<br />

τ R(3) + YD Yp R(2)<br />

<strong>die</strong>smal ohne den Faktor 1/2, da <strong>die</strong> Reaktion Index 2 zweimal durchlaufen werden muß. Das relative<br />

Anzahlverhältnis von 3He zu H ist im stationären Gleichgewicht, wo ˙ Yτ = ˙ YD = 0 gilt,<br />

�<br />

�<br />

Yτ �<br />

= � YpR(1)<br />

≈ 10 −3<br />

Yp<br />

2R(3)<br />

• FORMELN (SALAM-WEINBERG)<br />

Für niederenergetische Prozesse, E ≪ mW c 2 , liefert <strong>die</strong> SW–Theorie den phänomenologischen V − A Strom–Strom<br />

Hamilton-Operator (wobei es sich praktisch eine von Fermi zuerst vorgeschlagene Kontakt-Wechselwirkung handelt)<br />

HF = GF<br />

√2 J ‡ J (8.124)<br />

und es gilt für <strong>die</strong> Fermi-Kopplungskonstante<br />

GF =<br />

α¯h 3<br />

4 √ 2(mW sin ΘW ) 2 = 1.43 × 10−49<br />

c<br />

erg cm 3<br />

(8.125)<br />

Die Größe ΘW heißt Weinberg Winkel.<br />

Den Wirkungsquerschnitt σ für <strong>die</strong> Streuung eines Elektrons mit Energie Ee an einem Neutrino der Energie Eν bestimmen<br />

wir wie folgt. Wir definieren<br />

σ0 = 4<br />

π<br />

�<br />

mec<br />

� �<br />

4 GF<br />

¯h mec2 �2 = 1.76 × 10 −44<br />

cm 2


404 KAPITEL 8. DIE SONNE ALS STERN<br />

was man auch – in Analogie zur Elektro Dynamik mit rw : klass. W–Boson Radius – schreiben kann als<br />

σ � σT h(me/mW ) 4 � r 2 w(me/mW ) 2<br />

Der Reduktionsfaktor (me/mW ) 2 , der hier aus Dimensionsgründen auftritt, stammt von der Kurzreichweitgkeit der Wechselwirkung<br />

her: das Coulompotential hat Reichweite r = ∞, <strong>die</strong> schwache Wechselwirkung hat Reichweite r ± 0. Bei<br />

entarteten Elektronen ist das Ergebnis noch mit dem Phasenraumfaktor (Eν/(Ee + mec 2 ) zu multiplizieren. Wir erhalten<br />

dann<br />

σ = σT h<br />

� me<br />

mW<br />

�4 �<br />

Eν<br />

mec2 � �<br />

Eν<br />

Ee + mec2 �<br />

(8.126)<br />

dabei steht σT h für den Thomson Streuquerschnitt, σT h = 6.7 × 10 −25 cm 2 , und <strong>die</strong> Reduktion (me/mW ) 4 im Vorfaktor<br />

berücksichtigt <strong>die</strong> größere Masse (bzw. <strong>die</strong> kleinere Reichweite) der Wechselwirkung. Für niederenergetische Prozesse<br />

folgt daraus <strong>die</strong> Standardformel (8.121).<br />

Der C-N-O Zyklus<br />

Alternativ läuft in der Sonne der Bethe-Weizsäcker Zyklus (mit 10% Beitrag zur Energieerzeugung)<br />

ab:<br />

Fusions − Reaktion 1/Rate Q[MeV] (ν)<br />

12 C (p γ) 13 N 10 6 yr 1.95 (−)<br />

13 N (e + ν) 13 C 1.50 (0.7)<br />

13 C (p γ) 14 N 10 5.5 yr 7.54 (−)<br />

14 N (p γ) 15 O 10 8.5 yr 7.35 (−)<br />

15 O (e + ν) 15 N 1.73 (1.0)<br />

15 N (p α) 12 C 10 4 yr 4.96 (−)<br />

Die Fusionsbilanz lautet (in beiden Fällen):<br />

4p → He + 2β +<br />

(8.127)<br />

allerdigs im Vergleich zur pp-Kette mit einer Wärmetönung von Q(γ) = 25.03 MeV und Energieverlust<br />

durch Neutrinos von Q(ν) = 1.7 MeV.<br />

Für <strong>die</strong> Energieerzeugungsrate des C-N-O Zyklus erhalten wir<br />

˙ɛ(ρ, T ) = 8.71 · 10 27 ρXHXCNOy 2 e −152.28y F(x) erg g −1 s −1<br />

dabei haben wir zur Abkürzung<br />

F(x) = 1 + 2.7 · 10 −2 x 1/3 − 7.78 · 10 −3 x 2/3 − 1.49 · 10 −4 x<br />

+2.61 · 10 −5 x 4/3 + 1.27 · 10 −6 x 5/3<br />

gesetzt.<br />

Obwohl mit t = 4 · 10 8 Jahren <strong>die</strong> Reaktionszeit für den C-N-O Zyklus 25mal kürzer ist als <strong>die</strong> der<br />

pp-Kette, macht <strong>die</strong> Energieerzeugungsrate bei der Sonne ˙ɛ(ρ,T) nur 10% aus, da <strong>die</strong> rel. <strong>Teil</strong>chenzahl<br />

Häufigkeit von C-N-O nur etwa 10 −3 beträgt (rel. Massen - Häufigkeit X(CNO)/X(H) = 0.02).<br />

Im C-N-O Zyklus werden Isotope erzeugt, z.B. in Glchg (8.127):<br />

12 C (p, β + ν) 13 C<br />

<strong>die</strong> später wichtig werden für <strong>die</strong> Erzeugung freier Neutronen.


8.2. STERNAUFBAU 405<br />

8.2.5 Sonnen-Neutrinos<br />

Vollständig geschrieben lautet <strong>die</strong> Fusions Bilanz<br />

4p → α + 2β + + 2νe ; Qtot = 26.5 MeV<br />

woraus ersichtlich wird, daß in jedem Fall <strong>die</strong> schwache Wechselwirkung involviert ist. Neutrinos<br />

müssen erzeugt werden, um den Erhaltungssatz der Leptonenzahl zu garantieren. Die bei der Fusion<br />

freigesetzte Energie beträgt pro beteiligtem Nukleon<br />

f = Qtot<br />

A<br />

f<br />

= 6.625 MeV ; δ = = 7 · 10−3<br />

Ampc2 wobei δ = 0.7% der Massendefekt ist. Welche Energie Positron und Neutrino jeweils erhalten, kann<br />

allerdings nur <strong>die</strong> Theorie beantworten. Die Hauptreaktion ist<br />

2p → d + β + + νe ; Q = 1.44 MeV<br />

Die bei der Fusion gewonnene Energie ist der Massendefekt zwischen Deuteron und 2 Protonen, Q =<br />

1.44 MeV. Davon ist abzuziehen <strong>die</strong> potentielle Energie des Positrons, Epot ≈ 1 MeV, im Feld des<br />

Deuterons. Dieser letzte Beitrag ist unsicher. Es verbleiben etwa 0.52 MeV, <strong>die</strong> auf beide <strong>Teil</strong>chen<br />

gleich verteilt werden, also 0.26 MeV für das Neutrino. Da <strong>die</strong> pp-Reaktion zweimal durchlaufen<br />

wird, werden etwa 2.6% der Fusionsenergie in Form von Neutrinos abgestrahlt. Genauere Rechnungen<br />

ergeben, daß insgesamt etwa 3% der Sonnenleuchtkraft durch Neutrinos abgestrahlt werden sollten,<br />

davon auch hochenergetische über Nebenzweige.<br />

In der Sonne werden etwa ˙ Nν = 1.8 · 10 38 s −1 Neutrinos erzeugt. Man erwartet einen Neutrinofluß<br />

von 6.4·10 10 cm −2 s −1 aus der p-p-Reaktion, während für <strong>die</strong> energiereichsten Neutrinos der Fluß um 5<br />

Zehnerpotenzen kleiner ist. Diese Neutrinostrahlung der Sonne (s.u.) sollte messbar sein. Dazu laufen<br />

zur Zeit 4 Experimente, weitere sind in der Planung bzw. fast fertiggestellt:<br />

1. Das Chlorexperiment. Energieschwelle von 0.8 MeV.<br />

Seit mehr als 25 Jahren versucht Davis mit etwa 600 Tonnen Tetrachloräthylen (in der Homestake<br />

Mine, USA) Neutrinos nachzuweisen. Sein Ergebnis von fν = 2.55 ± 0.25 SNU widerspricht<br />

der theoretischen Vorhersage von 8 SNUs.<br />

2. KAMIOKANDE. Energieschwelle von 8 MeV.<br />

In 680 Tonnen reinstem Wasser (im einer Mine in den Japanischen Alpen) werden Cerenkov-<br />

Detektoren zum Nachweis relativistischer Elektronen, e + ν → e + ν, benutzt. Ergebnis (nach ><br />

1000 Tagen) fν(obs)/fν(theor) = 0.46. Nimmt man hingegen das Davis Experiment als Grundlage<br />

einer Extrapolation, dann heißt das fν(obs)/fν(extrap Davis) = 1.6.<br />

3. SAGE (im Kaukasus in Russland). Energieschwelle von 0.2 MeV.<br />

Ergebnis fν = 74 ± 14 SNU, erwartet 137 SNU.<br />

4. GALLEX (im Gran Sasso Tunnel, Italien). Energieschwelle von 0.2 MeV.<br />

Ergebnis fν = 79 ± 12 SNU.<br />

Drei der vier Detektoren benutzen radiochemische Methoden: Umwandlung und Extraktion chemischer<br />

Elemente. Sie sprechen spezifisch auf Elektron Neutrinos an. Das KAMIOKANDE Gerät ist ein<br />

echter astronomischer Detektor mit Richtungsabhängigkeit, Zeitauflösung und dem direkten Nachweis<br />

der Energie der Neutrinos.<br />

• LITERATUR (NEUTRINOS)<br />

J.N. Bahcall et al., Progress and prospects in neutrino astrophysics, Nature 375, 29 (1995)


406 KAPITEL 8. DIE SONNE ALS STERN<br />

Das Chlorexperiment<br />

Der Nachweis geht über <strong>die</strong> endotherme Reaktion (negatives Vorzeichen von Q)<br />

37<br />

17Cl (νe, β − ) 37<br />

18Ar Q = −0.814 MeV (8.128)<br />

wobei das (radioaktive) Argon aus 380 000 Litern (= 610 Tonnen) einer Reinigungsflüssigkeit (Tetrachloräthylen<br />

C2Cl4) extrahiert werden muß. Das Argon wandelt sich anschließend wieder in Cl um<br />

(K-Einfang):<br />

37<br />

18Ar (β − , νe) 37<br />

17Cl (8.129)<br />

• ANMERKUNG<br />

Wegen der Energieschwelle von 0.814 MeV kommt praktisch nur der pp3 Nebenzweig des pp-Zyklus zum Nachweis in<br />

Frage:<br />

3 He (α, γ) 7 Be(p, γ) 8 B(β + , ν) 8∗ Be(α) 4 He mit Eν ≤ 15.1 MeV<br />

Nur 0.015% der Gesamtrate über <strong>die</strong>sen Zweig kann nachgewiesen werden.<br />

Die Gesamtzahl nachgewiesener Neutino Reaktionen Nr ist dann für einen Fluß φ in der Zeit t (<<br />

Halbwertszeit von Ar, t1/2 = 35 Tage) für NCl Targetatome (etwa 10 31 ) bei einem Wirkungsquerschnitt<br />

σ:<br />

Nr = φ t NCl σ<br />

Für <strong>die</strong> Größe φσ hat man <strong>die</strong> Einheit SNU, solar neutrinoflux unit, gewählt: 1SNU = 10 −36 Neutrino<br />

Reaktionen per Targetatom per Sekunde (1 Argonatom pro Tag). Bisher beträgt <strong>die</strong> Rate etwa 2.55<br />

SNU statt der erwarteten 7.9 ± 2.6 SNU.<br />

Das Chlorexperiment wird ergänzt durch das analoge Iridiumexperiment:<br />

127 Ir (β − , νe) 127 Xe<br />

welches höhere Zählraten liefern soll.<br />

KAMIOKANDE<br />

Nachgewiesen werden Neutrinos aus der pp3-Kette.<br />

7 Be (β − , γ) 7 Li(p, α) 4 He<br />

in (mittlerweile 50 000 Tonnen reinem Wasser über den Cerenkov Effekt.<br />

Die Galliumexperimente<br />

Alternativ zu Chlor kann man Gallium als Detektormaterial verwenden, mit der Nachweisreaktion:<br />

71 Ga (ν, β − ) 71 Ge Q = −0.23 MeV (8.130)<br />

Das SAGE (Soviet American Gallium) Experiment benutzt 60 Tonnen (flüssiges metallisches Gallium),<br />

das GALLEX (beteiligte Nationen: D, F, I, USA, Israel) 30 Tonnen Galliumchlorid.<br />

Ewartet werden 132 SNUs, was einer Rate von 20 Ge Atomen in 5 Monaten bei 30 Tonnen Ga entspricht<br />

(also 1 po 11 Tage, der Zerfallszeit von Ge).


8.3. ENTWICKLUNG DER SONNE 407<br />

Status der Experimente<br />

Bisher wurden systematisch zu wenige Neutrinos gefunden. Als Erklärung wird diskutiert: Oszillationen<br />

massiver Neutrinos. Der Mikheyev-Smirnov-Wolfenstein Effekt liefert im Innern der Sonne eine<br />

Umwandlung der Elektron-Neutrinos in Tau- bzw. Myon-Neutrinos. Diese werden im Experiment<br />

nicht nachgewiesen. Damit das möglich ist müßen alle Neutrinosorten massiv sein. Die experimentellen<br />

Daten fordern eine Massendifferenz, ∆m < 10 −3eV , zwischen Elektron– und Myon–Neutrino.<br />

Über <strong>die</strong> absolute Masse liefern <strong>die</strong> Experimente keine Aussage.<br />

Experimente der Zukunft<br />

Das Sudbury Neutrino Observatorium (SNO) in Canada (Ontario) befindet sich in einer besonders tief<br />

gelegenen Nickel Mine und benutzt Schwerwasser zum Nachweis<br />

d + νe → p + p + e (8.131)<br />

d + νx → p + n + νx<br />

(8.132)<br />

Die Energieschwelle ist 5 MeV.<br />

Gleiches gilt für Super-KAMIOKANDE, das Nachfolge Gerät zu KAMIOKANDE, mit 50 000 Tonnen<br />

ultra reinem Wasser. Die erwartete Zählrate beträgt 10 pro Tag, eine 30fache Steigerung der bisherigen<br />

Empfindlichkeit.<br />

8.3 Entwicklung der Sonne<br />

• DEFINITION (CHEMISCHE ZUSAMMENSETZUNG DER INTERSTELLAREN MATERIE)<br />

Zum Nachschlagen:<br />

Mit Yi bezeichnen wir das <strong>Teil</strong>chenzahl - Verhältnis der Spezies i = H, He, Metalle bezogen auf <strong>die</strong> Gesamt - <strong>Teil</strong>chenzahl<br />

N im Volumen V der interstellaren Materie (ISM).<br />

Yi = Ni<br />

=<br />

Ntot<br />

ni<br />

ntot<br />

(8.133)<br />

und mit Xi entsprechend das Massen - Verhältnis der Spezies i<br />

Beispiele:<br />

Xi = ρi<br />

ρtot<br />

(8.135)<br />

Metalle �<br />

i=H,He<br />

Metalle �<br />

i=H,He<br />

1. Das primordiale Verhältnis (Urknallmaterie) ist:<br />

XH = 0.75, XHe = 0.25, XMetalle = 0. Letzterem entspricht YHe = 0.08.<br />

2. In den Wolken unserer Galaxie gilt:<br />

XH = 0.63, XHe = 0.35, XMetalle = 0.01 und XStaub = 0.01.<br />

3. Die Sonnenphotosphäre hat: XH = 0.69, XHe = 0.29, XMetalle = 0.02.<br />

Yi = 1 (8.134)<br />

Xi = 1 (8.136)<br />

Strahlung in der ISM:<br />

1 µ = 1 Mikrometer = 10 −4 cm. Wiensches Gesetz: T3λ−4 = 2.9.<br />

Der Gesamtdruck im Stern ist <strong>die</strong> Summe aus dem kinetischen Druck der <strong>Teil</strong>chen Pkin und dem Druck der Photonen<br />

Pphot:<br />

P = ρ<br />

˜µmH<br />

kT + a 4<br />

T<br />

3<br />

wobei ˜µ das mittlere Molekulargewicht ist. Die innere Energie ist<br />

U = 3<br />

2 Pkin + 3Pphot = 3ρ<br />

kT + aT<br />

2˜µmH<br />

4<br />

Energien (zum Umrechnen 1eV = 10 4 K):<br />

(8.137)


408 KAPITEL 8. DIE SONNE ALS STERN<br />

1. Staub: Eevap = 0.1 eV<br />

2. H2 : Edis = 4.5 eV<br />

3. H : Edis = 13.6 eV<br />

4. He : Edis = 24.6 + 54.4 = 79 eV<br />

Leuchtkraft von Staub, L, optisch dünner Fall:<br />

1. D : Efus = 0.1 KeV<br />

2. C : Efus = 0.5 KeV<br />

3. pp : Efus = 1 KeV<br />

4. CNO: Efus = 2 KeV<br />

LStaub = (nHV YStaub)(σT 4 Staub) (8.138)<br />

8.3.1 Vorbemerkungen<br />

Heute werden (in unserer Galaxie) Sterne hauptsächlich in dichten Wolken geboren, welche aus Material<br />

bestehen, welches selbst wieder in Sternen gekocht wurde. Wie wir aus Beobachtungen von<br />

Molekülwolken wissen, ist das Hauptausgangsmaterial heute in unserer Galaxie Wasserstoff, H, und<br />

Helium, He, mit einer Beimischung von schwereren Elementen, wie C, N, O mit etwa jeweils 10 −3<br />

Massenanteil und mit bis zu 1% Staub. Die numerische kosmische Häufigkeit von Fe und Si beträgt<br />

etwa 3·10 −5 , was einer Massenhäufigkeit von ebenfalls etwa 1:1000 entspricht.<br />

Typische Werte (in den Wolken unserer Galaxie) sind:<br />

XH = 0.63, XHe = 0.35, XMetalle = 0.01 und XStaub = 0.01.<br />

Insgesamt beläuft sich damit der Anteil der Metalle (nach Verdampfen des Staubs bei Bildung des<br />

Sterns) also auf 2%, was in etwa auf das Ausgangsmaterial der Sonne (Kometen und Photosphäre)<br />

zutrifft. Auf <strong>die</strong> Masse bezogen enthält der Staub ebenso viel Materie wie alle Moleküle mit Metallen<br />

(also bis auf H2).<br />

Der Wasserstoff in Molekülwolken ist praktisch vollständig im molekularen Zustand, wie man aus dem<br />

Fehlen der 21-cm Linie schließen kann. CO ist mit Edis = 11.1 eV (und Eel = 11.3 eV) Bindungsenergie<br />

das stabilste (und wahrscheinlich deshalb nach H2 das häufigste Molekül. Der numerische Anteil<br />

beträgt [CO]/[H2] ≈ 8 · 10 −5 . Moleküle (mit permanentem Dipolmoment wie CO und H2O) sind wichtig<br />

zum Kühlen, wenn der Staub verdampft ist und bei niedrigen Temperaturen (da Staub proportional<br />

zu T 4 kühlt).<br />

• BEISPIEL (ORION)<br />

Eine genauere Analyse an der Orion Molekülwolke (C. Kramer 1992, 2001) hat folgendes Bild ergeben. Das Wolkenmaterial<br />

ist stark geklumpt (und damit ist sogar C 13 O optisch dick). In der Sternentstehungsregion NGC 2024 in Orion B ist<br />

ungefähr ein Drittel molekularer Kohlenstoff (in Form vom Hauptisotopomer 12 C 16 O), ein Drittel ist C und C + und ein<br />

Drittel Staub.<br />

Zur Untersuchung von Molekülwolken benutzt man (das dann noch optisch dünne, 67mal seltenere) 13 CO, in dichten<br />

Wolkenkernen benutzt man <strong>die</strong> seltenen C 18 O, CS oder NH3. Es gilt etwa<br />

[ 13 CO]/[C 18 O] ≈ 10 ; [ 12 C 16 O]/[C 18 O] ≈ 500<br />

und für Ammoniak ist das numerische Verhältnis zu CO etwa 10 3 . Bei massiven Wolken wie Orion erhält man für <strong>die</strong><br />

selteneren Moleküle etwa eine Jupitermasse.<br />

Für Orion gilt <strong>die</strong> empirische Relation<br />

N(H2) = 4.7 · 10 5 N( 13 CO)<br />

für <strong>die</strong> Säulendichte N (vom optisch dünnen Isotopomer 13 CO).<br />

Die Lebensdauer auch der massivsten Wolken beträgt nur wenige zig Millionen Jahre, es handelt sich<br />

also um astronomisch junge Gebilde. Wie <strong>die</strong> kalten Gaswolken (T = 10 o K) mit Dichten von einigen<br />

10 2 bis 10 7 cm −3 selbst entstehen und in so kurzer Zeit kühlen ist nicht klar. Da in ihnen Wasserstoff<br />

hauptsächlich in Form von Molekülen vorkommt, trägt <strong>die</strong> Hauptmasse der Wolke nicht zur Kühlung


8.3. ENTWICKLUNG DER SONNE 409<br />

bei. Gleiches gilt für das atomare He. Solche Verdichtungen sind wahrscheinlich durch Stöße von<br />

Wolken miteinander oder durch Schockwellen massiver Sterne in den Spiralarmen entstanden, gekühlt<br />

werden sie durch Staub, der selbst wieder in massiven Sternen erzeugt wird und in Form eines Sternwindes<br />

an <strong>die</strong> ISM abgegeben wird.<br />

Wie Sternentstehung in den Wolken iniziiert wird ist ebenfalls unklar. Falls einmal ein Anfang gemacht<br />

ist, kann Sternentstehung durch bereits entstandene Sterne getriggert werden. Zunächst kühlt ein marginal<br />

stabiler Wolkenklumpen durch Staub so stark ab, bis der Klumpen im freien Fall kollabiert, der<br />

Druck spielt (wegen der Kühlung durch Staub) dabei keine Rolle. Die Zeitskala ist tff = 5 · 107 n −1/2<br />

H<br />

GM 2<br />

yr. Die gewonnene Gravitations - Energie beträgt am Ende (R = R⊙) etwa U = R = 4 · 1048 erg.<br />

In der Anfangsphase beträgt <strong>die</strong> Leuchtkraft damit L = U/tff weniger als <strong>die</strong> heutige Leuchtkraft der<br />

Sonne, L⊙ = 3.9 · 1033 erg s−1 , zwischenzeitlich werden mehr als 100L⊙ erreicht.<br />

Die Kontraktion wird beim Radius R gestoppt, wenn <strong>die</strong> Gaskugel für Staub im IR optisch undurchsichtig<br />

wird, τopt = 1. Einer Massenhäufigkeit von XStaub = 0.01 entspricht eine numerische Häufigkeit<br />

von YStaub = 10−13 . Der Radius s eines Staubkorns liegt zwischen einigen 0.1 bis zu 1 µ. Streuung<br />

und Absorption können mit der Mieschen Theorie modellmäßig behandelt werden, <strong>die</strong> Unsicherheiten<br />

sind allerdings groß. Wir übernehmen als Ergebnis den geometrischen Querschnitt, korrigiert für <strong>die</strong><br />

Wellenlängenabhängigkeit (ähnlich der Rayleigh Streuung):<br />

σStaub = πs 2<br />

� 4<br />

�<br />

s<br />

λ<br />

; λ > s (8.139)<br />

πs 2<br />

; λ < s<br />

Damit wird optische Strahlung vollständig absorbiert und bei größeren Wellenlängen wieder abgestrahlt<br />

(mit Entropievergrößerung!).<br />

Die Emission, d. h. <strong>die</strong> Leuchtkraft von Staub, L, ist im optisch dünnen Fall gegeben durch <strong>die</strong> Summe,<br />

NStaub = nV YStaub, aller Einzelstrahler im Volumen V . Ein Staubkorn strahlt genähert wie ein<br />

Planckscher Strahler, l = 4πs 2 σT 4 .<br />

4π<br />

LStaub = (nYStaub<br />

3 R3 )(4πs 2 σT 4 Staub) < 4πR 2 σT 4 Staub<br />

(8.140)<br />

Die Leuchtkraft L aus dem Volumen V = (4π/3)R 3 ist dabei begrenzt durch <strong>die</strong> Strahlungsformel für<br />

den schwarzen Körper (der optisch dicke Fall).<br />

Wir beginnen mit T = 10K, n = 10 2 cm −3 und R = 1 Parsec. Die optische Tiefe<br />

τopt = nHYStaubσStaubR<br />

beträgt dann nur τopt = 10 −10 . Bei der Kompression skaliert nR wie R −2 . Das Medium wird also bei<br />

der Kompression optisch dicker. Es wird undurchsichtig, τopt = 1, bei einer Kompression von 10 5 .<br />

Der Radius ist mit R = 3 · 10 13 cm doppelt so groß wie <strong>die</strong> Erdbahn. Da zunächst nur das Innere<br />

undurchsichtig ist, wird <strong>die</strong>ses aufgeheizt, <strong>die</strong> äusseren Schichten bleiben kalt.<br />

Die weitere Kontraktion verläuft im Innern mit der Helmholtz-Kelvin Zeitskala, d. h. bei konstanter<br />

Leuchtkraft<br />

τHK = E<br />

L<br />

= GM 2<br />

2RL<br />

(8.141)<br />

während außen der Kollaps fortschreitet, wobei <strong>die</strong> Kühlung so lange hauptsächlich durch Staub bewirkt<br />

wird, wie <strong>die</strong>ser noch nicht verdampft ist (T = 1000 K). Die Materie wird inhomogen. Nacheinander<br />

wird nun Wasserstoff dissoziiert (ab T = 2000 K), ionisiert (ab T = 1 · 10 5 K) und schließlich<br />

wird Helium ionisiert. Diese Phasen sind instabil, es erfolgt jeweils ein Kollaps.


410 KAPITEL 8. DIE SONNE ALS STERN<br />

Wenn <strong>die</strong> Temperatur im Innern etwa 5 · 10 5 K erreicht hat zündet der Protostern erstmals: alles, was an<br />

1. Deuterium (ab 0.5 · 10 6 K)<br />

D (p, γ) 3 He<br />

2. Kohlenstoff (ab 1 · 10 6 K)<br />

12 C (p, γ) 13 N (e + ν) 13 C (p, γ) 14 N<br />

3. Lithium (ab 3 · 10 6 K)<br />

Li (p, γ) 4 He + 4 He<br />

im Ausgangsmaterial vorhanden ist, wird verbrannt. Der Stern ist voll konvektiv, evtl. sogar explosiv.<br />

Kohlenstoff kann später im C-N-O Zyklus wiederhergestellt werden (auf Kosten von N und O), Lithium<br />

nicht.<br />

Realistische Rechnungen hierzu wurden erstmals von Hayashi durchgeführt. In seinem Modell geht das<br />

ganze mit Schockwellen einher: <strong>die</strong> Schockwelle läuft nach außen und heizt dabei <strong>die</strong> äußeren Bereiche<br />

des Sterns auf, sodaß der Wasserstoff dissoziiert und ionisiert wird (erreichte Temperatur T > 10 5 K).<br />

Dies wird als ’core bouncing’ bezeichnet. Im Zentrum sitzt jetzt ein akkretierender Protostern. Dieser<br />

ist konvektiv.<br />

Wenn <strong>die</strong> Temperatur im Innern etwa 10 7 K erreicht hat, zündet der Protostern das Wasserstoffbrennen<br />

und wird zu einem sog. Embryostern. Fällt auf den Stern von außen keine Materie mehr herunter, so<br />

wird er zu einem Hauptreihenstern, einem Stern, der H zu He verbrennt.<br />

• ANMERKUNG (T TAURI STERNE)<br />

Zwischen Embryostern und voll ausgebildetem Hauptreihenstern liegt <strong>die</strong> Phase der T Tauri Sterne. Dies sind eruptive<br />

Veränderliche (Zeitskala für einen Ausbruch etwa 50 Tage), <strong>die</strong> nur in Molekülwolken und dorts stets in Assoziationen<br />

(also mit vielen ähnlichen Objekten) vorkommen. Das Alter beträgt etwa 1 Myr. Im HR Diagramm liegen <strong>die</strong> T Tauri<br />

Sterne etwa 3 m oberhalb der Hauptreihe (im HR- Diagramm).<br />

Auf der Hauptreihe verbleibt der Stern bis etwa 12% seines Wasserstoffvorrats aufgebraucht sind. Für<br />

<strong>die</strong> Sonne sind das etwa 9 Gyr, wovon <strong>die</strong> Hälfte um sind.<br />

8.3.2 Protosterne<br />

Von der Fragmentierung einer Wolke bis zum Zünden des Wasserstoffbrennens im Innern des Sterns,<br />

werden verschiedene Phasen durchlaufen. Neben der Masse spielen dabei Drehimpuls und Magnetfeld<br />

eine zentrale Rolle, <strong>die</strong> wir hier zunächst ignorieren.<br />

• ANMERKUNG (STABILITÄTSÜBERLEGUNGEN)<br />

Eine Gaswolke wird instabil, falls <strong>die</strong> Gravitationsenergie Egrav ≈ −GM 2 R −1 <strong>die</strong> thermische Energie Ekin ≈ NkT<br />

übersteigt.<br />

|Egrav| ≈<br />

2 GM<br />

> NkT ≈ Ekin<br />

R<br />

Für eine Wolke mit vorgegebener Masse und mit Dichte ρ = mn gibt es damit stets einen Radius, RJ, unterhalb dessen<br />

das Gas instabil bezüglich Klumpung wird. Je nachdem, ob der Druck Pext = P (R) an der Oberfläche verschwindet oder<br />

nicht, erhält man leicht unterschiedliche Kriterien.<br />

Das Jeans–Kriterium<br />

Aus dem Virialsatz Egrav + 2Ekin = 0, oder<br />

−GM 2<br />

+ NkT = 0 (8.142)<br />

R


8.3. ENTWICKLUNG DER SONNE 411<br />

folgt (mit M = ˜µmHN) für <strong>die</strong> Jeanslänge (d. h. für den Jeans Radius RJ)<br />

� �1/2 15kT<br />

RJ =<br />

4πG˜µmHρ<br />

(8.143)<br />

Die hier (implizit) auftretende Größe kT/m ist i. w. das Quadrat der Schallgeschwindigkeit. Dies kann man auch so<br />

interpretieren: geht man von konstanter Masse und Temperatur aus, dann gibt stets es einen kritischen Radius (den Jeans<br />

Radius RJ) bei dessen Unterschreitung das Gas instabil wird. Die dazu gehörende kritische Masse (<strong>die</strong> Jeans Masse MJ)<br />

ist gegeben durch<br />

� �1/2 � �3/2 1 kT<br />

MJ ≈<br />

ρ G<br />

Zum Vergleich einige Beispiele für Gas in unserer Galaxis:<br />

1. Interstellares Medium: T � 10000 K, n � 1 cm −3<br />

MJ = 10 7 M⊙ und RJ = 500 pc<br />

2. Medium der Spiralarme: T � 100 K, n � 100 cm −3<br />

MJ = 3 · 10 3 M⊙ und RJ = 4 pc<br />

3. Dunkelwolke: T � 10 K, n � 1000 cm −3<br />

MJ = 10M⊙ und RJ = 1 pc<br />

4. Protostern: T � 10 K, n � 10 7 cm −3 , ρ � 10 −17 g cm −3<br />

MJ = 1M⊙ und RJ = 0.1 pc<br />

Das Ebert-Bonnor–Kriterium<br />

Falls der Druck Pext = P (R) an der Oberfläche nicht mehr verschwindet, dann lautet dem Virialsatz Egrav + 2Ekin =<br />

4πR 3 Pext, oder<br />

−GM 2<br />

R + NkT = 4πR3 Pext (8.144)<br />

Falls also der Stern in einem Medium sitzt, das auf ihn drückt, dann setzt Instabilität bereits ein, falls:<br />

Pext = 1.1G −3 M −2 (kT/m) 4<br />

V = 0.22(GmM/kT ) 3<br />

(8.145)<br />

(8.146)<br />

3. Das Hoyle-Rees Stabilitätskriterium für Fraktionierung<br />

Dies ist ein dynamisches Kriterium, welches zwei Leuchtkräfte vergleicht: <strong>die</strong> beim Kollaps freigesetzte Gravitationsenergierate<br />

2 GM<br />

Lgrav ≈<br />

R (Gρ)1/2 ≈ G3/2 M 5/2<br />

R 5/2<br />

und <strong>die</strong> maximale von Staub, L, optisch dicker Fall (T = T 4 Staub ):<br />

(8.147)<br />

LStaub = f(4πR 2 )(σT 4 ) ; f ≪ 1 (8.148)<br />

Gleichsetzen der beiden Leuchtkräfte liefert eine kritische Masse<br />

� �1/5<br />

3 64π<br />

Mrad =<br />

3 f 2 (σT 4 ) 2R9 G3 (8.149)<br />

Die Fragmentierung stoppt, falls <strong>die</strong>se Masse stabil ist, d. h. kleiner als <strong>die</strong> Jeans Masse MJ. Wir setzen also Mrad = MJ<br />

und eliminieren R vermittels 4πρR 3 = 3M (nicht R = RJ). Das liefert <strong>die</strong> untere Grenzmasse für Fragmentierung, Mfrak<br />

In Zahlen<br />

Mfrak =<br />

� π 9<br />

9<br />

�1/4<br />

1<br />

(σG3 −1/2<br />

f<br />

) 1/2<br />

Mfrak = 0.02M⊙f −1/2 T 1/4<br />

� �9/4 ρk<br />

T<br />

m<br />

1/4<br />

(8.150)<br />

(8.151)


412 KAPITEL 8. DIE SONNE ALS STERN<br />

Die Kollapsphase<br />

Allen Sternen gemeinsam ist eine anfängliche Kollapsphase. Ob <strong>die</strong> Bedingungen dafür vorliegen,<br />

kann mit dem Jeans–Kriterium überprüft werden. Dabei ist in einfachster Näherung <strong>die</strong> Bewegungsgleichung<br />

für den freien Fall im Eigenfeld<br />

¨r = a = − Gm(r0)<br />

r 2<br />

(8.152)<br />

zu lösen. Die Bewegung ist eine homologe Kontraktion: r(t) = f(t)r0, <strong>die</strong> Dichte bleibt homogen und<br />

<strong>die</strong> Masse m(r) = m(r0) ist konstant. Dabei ist m(r0) <strong>die</strong> Masse innerhalb des Radius r(0) = r0 zum<br />

Zeitpunkt t = 0 ist. Die Lösung ist eine Zykloide und lautet in Parameterform für verschwindende<br />

Startgeschwindigkeit ˙r0 = 0<br />

cos 2 ζ = f(t) ; ζ + 1<br />

�<br />

sin 2ζ =<br />

2<br />

8πGρ<br />

t<br />

3<br />

(8.153)<br />

wobei an der Dichte der Index weggelassen wurde: ρ = ρ0 = const. Nach ζ = π ist <strong>die</strong> Masse<br />

2<br />

kollabiert, <strong>die</strong> Zeit für <strong>die</strong>sen freien Fall im Eigenfeld beträgt (bis in <strong>die</strong> Singularität)<br />

�<br />

3π<br />

tff =<br />

32Gρ<br />

(8.154)<br />

Für <strong>die</strong> Sonne wählen wir zur Illustration obige Anfangswerte einer Dunkelwolke (mit anschließender<br />

Bildung eines Protosterns nach der Fragmentierung).<br />

Anfangsdichte: ρ ≈ 10 −22 g cm −3 ; Masse: MJ = 10M⊙ ;<br />

Radius: R = 1 pc ; freie-Fall-Zeit: tff = 10 Myr.<br />

Dieser Kollaps setzt nach dem Virialsatz etwa <strong>die</strong> Hälfte an gravischer Energie frei, <strong>die</strong> in kinetische<br />

Energie geht, falls sie nicht abgestrahlt werden kann. Die andere Hälfte geht in innere Energie.<br />

Anfänglich ist das reine thermische Energie, d. h. das Gas wird erwärmt.<br />

Es folgen das Verdampfen des Staubs, <strong>die</strong> Dissoziation der Moleküle und <strong>die</strong> Ionisierung des Gases.<br />

Letztere Prozesse können das Erwärmen des Gases verzögern.<br />

• FORMELN (ZUM UM- UND NACHRECHNEN)<br />

1 eV = 11605 K; Q Wärmetönung; I: Q in eV<br />

e −Q/kT = 10 −I5040/T<br />

Die thermische de Broglie Wellenlänge<br />

λdB =<br />

� h 2<br />

2πmkT<br />

beträgt für Wasserstoff, λH<br />

(8.155)<br />

λH = 1 · 10 −10 T −1/2<br />

4 cm. (8.156)<br />

Für hohe Temperaturen liefert <strong>die</strong> Bedingung für das chemische Gleichgewicht für <strong>die</strong> Dissoziation von H2 (relativistisch,<br />

zum merken: Q = c 2 (2mH − mH2 ))<br />

H2 ⇐⇒ H + H ; Q = 4.5 eV (8.157) µH2 = 2µH + Q (8.158)


8.3. ENTWICKLUNG DER SONNE 413<br />

mit (nichtrelativistisch)<br />

e −βµ = 1<br />

N Ztrans · Zrot · Zvib · Zel = 1<br />

nλ<br />

Wir ignorieren <strong>die</strong> inneren Anregungen, Z ′ = 1, und erhalten <strong>die</strong> Saha Formel in der Form<br />

nH2 =<br />

�<br />

h 2<br />

2πmHkT<br />

�3/2<br />

n 2 H e Q/kT<br />

3 Z′<br />

(8.159)<br />

(8.160)<br />

Ausgehend von tiefen Temperaturen, wo praktisch alles in molekularer Form ist, n = nH2 , setzen wir für den Dissoziationsgrad<br />

x = nH/n. Zu lösen ist dann <strong>die</strong> Gleichung<br />

x 2 = (nλ 3 )e Q/kT<br />

Für T = 1000K liefert das mit I = 4.5 eV<br />

x = n10 −18 ≪ 1<br />

d. h. x = (nλ 3 ) 1/2 10 I·5040/2T<br />

Analoge Überlegungen gelten für <strong>die</strong> Ionisation.<br />

Die Kontraktionsphase<br />

Die Kontraktion verläuft im Innern mit der Helmholtz-Kelvin Zeitskala<br />

τHK = E<br />

L<br />

= GM 2<br />

2RL<br />

(8.161)<br />

für <strong>die</strong> Sonne sind das etwa τ = 2 Myr, bei einer Anfangsleuchtkraft von L = 100L⊙ und einer<br />

Temperatur von T = 2300K und einem Radius von R = 60R⊙. Wie erstmals von Hayashi anhand<br />

umfangreicher Rechnungen gefunden wurde, verläuft <strong>die</strong> Kontraktionsphase mit voll konvektivem H-<br />

Brennen im HR- Diagramm fast parallel zur Ordinatenachse (also bei konstantem T ).<br />

Allgemein kann man folgende Relation ableiten für <strong>die</strong> Hayashi-Linie<br />

Teff = 2 · 10 3<br />

� �0.194 � �0.058 M R<br />

M⊙ R⊙<br />

(8.162)<br />

Als Annahme geht ein, daß das Innere durch eine Polytrope zum Index 5/3 beschrieben werden kann.<br />

An <strong>die</strong>se wird eine graue Atmosphäre mit realistischer Opazität angeschlossen. Diese bestimmt <strong>die</strong><br />

maximal mögliche Leuchtkraft. Für massearme Sterne wie <strong>die</strong> Sonne wird <strong>die</strong> Opazität ganz wesentlich<br />

durch Spurenelemente wie Na (um Elektronen zu erhalten) und durch ein Radikal (H − ) bestimmt. Die<br />

Opazität ist dann von der Form<br />

k = k0ρ a T b<br />

; a = 1 ; b > 6<br />

d. h. extrem temperaturabhängig (Saha Formel der Ionisation). Quasi statische, voll konvektive Sterne,<br />

d. h. Sterne auf der Hayashi-Linie, haben für gegebene Masse <strong>die</strong> maximal mögliche Leuchtkraft, wird<br />

<strong>die</strong>se überschritten kann der Stern nur noch reagieren indem er dynamisch wird.<br />

Nach etwa 10 Myr ist <strong>die</strong> Kontraktionsphase mit dem Ausbilden eines H-He Kerns beendet. Dabei<br />

nimmt <strong>die</strong> Leuchtkraft, L ∝ R 2 T 4 eff, mit schrumpfendem Radius stark ab.


414 KAPITEL 8. DIE SONNE ALS STERN<br />

8.3.3 Die Ursonne<br />

Die chemische Zusammensetzung der Sonne heute zeigt, daß Deuterium und Lithium fehlen. Diese<br />

wurden bereits in der Kontraktionsphase nach<br />

und<br />

D + p → 3 He + γ<br />

7 Li(p, α) 2 4 He<br />

zerstört. Dies ist möglich, da beide eine niedrige Schwellenenergie besitzen. Damit könn D und Li sehr<br />

effektiv zerstört werden. Beide Elemente sind wichtig für braune Zwerge, wo sie eventuell <strong>die</strong> einzige<br />

Energiequelle darstellen.<br />

Die chemische Zusammensetzung der Ursonne (Alter Null: ZAMS = Zero Age Main Sequence) kann<br />

man (im Prinzip) aus den Kometen (in der Oortschen Wolke) erhalten. Man kann auch <strong>die</strong> heutige Sonne<br />

zeitlich zurückentwickeln (auf dem Komputer). Man erhält so ein Alter von 4.5 Gyr. Die Leuchtkraft<br />

der Ursonne war 25% geringer und der Radius betrug 12% weniger als heute:<br />

R(ZAMS) = 0.886R⊙ ; L(ZAMS) = 0.725L⊙<br />

Am Ende der Hauptreihenentwicklung, nach 10 Gyr, ist <strong>die</strong> Sonne etwa doppelt so groß<br />

R(TAMS) = 2R⊙ ; L(TAMS) = 2.5L⊙<br />

und mehr als doppelt so leuchtkräftig (<strong>die</strong> Temperatur nimmt ab). Im Zentrum hat sich eine Kugel<br />

aus Helium gebildet. Die Materie ist hier entartet, hie hat sich bereits ein Weißer Zwerg gebildet. Sein<br />

Radius beträgt nur noch 1% des Ursprungsradius und ist mit dem der Erde vergleichbar. Wasserstoff<br />

brennt jetzt nur noch am Rand, später in einer Schale oberhalb des Kerns.<br />

• ZUSATZ (ANALYTISCHE MODELLRECHNUNG)<br />

Das Lanesche Gesetz liefert den Zusammenhang zwischen Temperatur, Masse und Dichte<br />

T = 4 · 10 6 � �2/3 M<br />

˜µ ρ<br />

M⊙<br />

1/3 K (8.163)<br />

mit dem mittleren Molekulargewicht ˜µ. Die Strahlungstransportgleichung lautet (für den Wärmestrom jW = bzw. <strong>die</strong><br />

Leuchtkraft L)<br />

4πr 2 jW = L(r) = − 4πr2c daT<br />

3ρκ<br />

4<br />

dr<br />

woraus für <strong>die</strong> Gesamtleuchtkraft am Rande r = R der Sonne<br />

(8.164)<br />

L(R) = 4πRc<br />

3ρκ (aT 4 ) (8.165)<br />

(mit geeigneten Mittelwerten) folgt.<br />

Kramers Opazität ist für Sterne wie <strong>die</strong> Sonne massgeblich (Photoeffekt und Bremsstrahlung) und <strong>die</strong> Formel für <strong>die</strong><br />

Opazität lautet<br />

Das führt auf<br />

κ = κoρT −7/2<br />

L = M 5.33 ρ 0.117 µ 7.5<br />

κo<br />

(8.166)<br />

(8.167)


8.3. ENTWICKLUNG DER SONNE 415<br />

8.3.4 Das Ende der Sonne<br />

Das zukünftige Schicksal der Sonne kann aus Beobachtung (an Sternen, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Entwicklung der Sonne<br />

bereits hinter sich haben) und aus Modellrechnungen (<strong>die</strong> an Beobachtungen anschließen, bei denen<br />

der Stern wieder stetig brennt) deduziert werden. Der wichtigste Parameter, der Massenverlust, ist<br />

allerdings nicht direkt bestimmbar, sodaß z. B. <strong>die</strong> Endmasse der Sonne nicht genau angegeben werden<br />

kann. Man schätzt, daß <strong>die</strong> Sonne noch 40% ihrer Masse verlieren wird, sodaß sie zum Schluß (als<br />

Weißer Zwerg) noch 0.6M⊙ hat.<br />

Phasen starken Massenverlusts sind begleitet von Phasen konvektivem Umrühren des Inneren, dadurch<br />

gelangen neu erzeugte chemische Elemente an <strong>die</strong> Oberfläche und von dort in <strong>die</strong> ISM (Interstellare<br />

Materie). Zirkumstellare Hüllen findet man um solche Sterne im Rote Riesen Stadium.<br />

Das H Brennen (nach der TAMS) verläuft in einer Schale praktisch bereits unter Entartung, der Druck<br />

stammt nicht mehr vornehmlich aus der Thermik (sondern vom Pauli Prinzip für Elektronen). Nach<br />

etwa 13 Gyr sieht <strong>die</strong> Sonne wie folgt aus<br />

R = 100R⊙ ; L = 2000L⊙ ; T = 0.7T⊙ = 4000 K<br />

sie befindet sich auf dem Weg in <strong>die</strong> Roten Riesen Phase. Dabei tritt ein extremer Massenverlust auf<br />

(Super Sternwind). Diese Phase ist instabil und kann deshalb nicht mit Komputermodellen erfasst<br />

werden (zu viele Schwingungen und Explosionen). Beobachtung und Statistik muß hier weiter helfen.<br />

Nach Zünden des He Brennens mit der Triple α−Reaktion<br />

α (2α, γ) 12 C<br />

(Zündtemperatur T3α ≤ 8 · 10 7 K, notwendig involvierte Masse 0.5M⊙) im Zentrum entwickelt sich<br />

der Stern je nach Masse, zum Roten Riesen bzw. zum Roten Überriesen. Die Leuchtkraft für Sterne<br />

von einer Sonnenmasse beträgt beim He Blitz (Zünden des He Brennens) etwa<br />

L ≈ 6 · 10 3 L⊙. . .3 · 10 4 L⊙<br />

Sterne von etwa 5M⊙ können dabei vollständig zerrissen werden. Die Sonne benötigt etwa 1 Gyr nach<br />

Verlassen der Hauptreihe bis zum He Blitz (ein Stern von 2.25M⊙ benötigt dagegen nur 10 Myr).<br />

Dnach brennt sie zunächst stetig mit etwa 50L⊙, dann wird sie wieder instabil und pulsiert.<br />

• BEISPIEL (MIRA)<br />

Ein Beispiel für einen Roten Riesenstern mit extremen Daten hanen wir mit Mira Ceti (Klassifizierung M6e III) bereits<br />

kennengelernt.<br />

Seine Strahlung hat ihr Maximum im Infraroten bei 1µ, mit Schwankungen zwischen 0.69 µ (T = 2000 K) und 1.44 µ<br />

(T = 3000 K). Da das Maximum im Infraroten liegt, bekommt das Auge wenig von den eigentlichen Schwankungen mit,<br />

es sieht den Wienschen Ast.<br />

Dementsprechen groß ist der Radius. Er kann (als einer der ganz wenigen Sternra<strong>die</strong>n) interferometrisch bestimmt werden:<br />

R = 390R⊙ (also 2AE!).<br />

Mira Sterne sind normalerweise reich an O, es gibt aber auch C reiche Sterne. Die Pulsperioden sind lang: 60 bis 500 Tage.<br />

Die Massenverlustrate beträgt<br />

˙M = 10 19<br />

g s −1 = 10 −7 M⊙ yr −1<br />

Im Roten Riesen Stadium beginnt <strong>die</strong> Synthese von s-Elementen.<br />

Bei der Sonne schrumpft der Zentralkern weiter, sein Radius beträgt R ≈ 10 −2 R⊙), seine Materie<br />

besteht aus C und O. Der Kern ist praktisch ein Weißer Zwerg. Die Kühlung erfolgt jetzt mithilfe von<br />

Neutrinos, also sehr effektiv.<br />

Die Hülle dagegen ist riesig, sie ist konvektiv und besteht außen noch aus ursprünglichem H mit (nach<br />

Innen anschließender He Schale). Der Radius der Hülle beträgt etwa<br />

R ≈ 3 · 10 2 R⊙ = 2 · 10 13<br />

cm (8.168)


416 KAPITEL 8. DIE SONNE ALS STERN<br />

für einen Roten Riesen. Die einfache, semiempirische Formel von Reimers (1975)<br />

˙M = 4 · 10 −13 � � �M⊙ �<br />

L<br />

η<br />

M<br />

� �<br />

R∗<br />

M⊙ yr −1<br />

L⊙<br />

R⊙<br />

mit dem dimensionslosen Parameter η = 0.3 . . . 1. und mit R∗ : Abströmradius formen wir um zu<br />

˙M = 2 · 10 −6 �<br />

L<br />

η<br />

104 � �M⊙ �<br />

L⊙ M<br />

� �<br />

R∗<br />

M⊙ yr<br />

500R⊙<br />

−1<br />

Das Ende der Sonne ist ein Weißer Zwerg, der in einer Nova mit planetarem Nebel.<br />

Die verschiedenen Brennphasen<br />

Die anschließende Entwicklung sieht für massearme Einzelsterne (Masse M ≤ 1.5 M⊙) etwa folgendermassen<br />

aus:<br />

1. Extrem massearme Sterne mit 0.08 M⊙ ≤ M ≤ 0.26 M⊙<br />

Der Stern kommt über konvektives H-Brennen nicht hinaus, er endet als He Stern. Die Entwicklungsdauer<br />

überschreitet allerdings das Alter des Universums.<br />

2. Massearme Sterne im Bereich 0.27 M⊙ ≤ M ≤ 1.5 M⊙<br />

wozu auch <strong>die</strong> Sonne gehört. Ausbilden eines He Kerns mit H Schale. Nach H-Brennen erfolgt<br />

He Flash und He-Brennen. Ausbilden eines C Kerns mit He Schale. Nach massivem Massenverlust<br />

(unbeobachtet, indirekt über <strong>die</strong> Endprodukte geschlossen) Ende als weißer Zwerg in einer<br />

Nova mit planetarem Nebel.<br />

Wenn etwa 10% der Masse zu He verbrannt sind, beginnt das H Brennen außerhalb <strong>die</strong>ser Schale. Das<br />

Innere kühlt (vermittels Neutrinos) und das Zentrum ist nicht mehr der heißeste Ort im Stern. Wenn<br />

der ausgebrannte Kern eine kritische Masse (etwa 0.5M⊙) erreicht hat, erfolgt der He Flash (ein Blitz<br />

im Innern, der außen nicht zu sehen ist) unter entarteten Bedingungen (der Pauli Druck stammt von<br />

den Elektronen). Nach einigen 100 Jahren ist das He-Brennen im Zentrum dominierend. Das Brennen<br />

im Innern eines massearme Sterns ist allerdings zeitweise instabil und führt zu starker Pulsation mit<br />

Massenverlust. Der Stern wandert (je nach Stärke des Massenverlusts) auf dem horizontalen Ast des<br />

H-R-Diagramms hin und her.


Anhang A<br />

Datensammlung<br />

A.1 Astronomische Formeln<br />

A.1.1 Mittelwerte<br />

Die Oberfläche der Einheitskugel wird in Steradian gerechnet.<br />

Ω ∗ � �<br />

= Ω =<br />

2π�π<br />

0<br />

0<br />

sin θdθdφ<br />

Der Wert beträgt Ω ∗ = 4π sr (Steradian). Die Oberfläche F eines Sterns mit Radius R ist demnach<br />

F = 4πR 2<br />

Mittelwerte werden wie folgt gebildet:<br />

1. Linearer Dopplereffekt. Dabei ist vsini, <strong>die</strong> auf den Sehstrahl projezierte Geschwindigkeit, zu<br />

mitteln. Bei unbekanntem Winkel i und gleicher a priori Wahrscheinlichkeit (für <strong>die</strong> Inklination<br />

sini) ist<br />

< sin i > = 1<br />

4π<br />

der Mittelwert, oder<br />

< sin i > =<br />

π/2<br />

�<br />

0<br />

�2π<br />

�π<br />

0<br />

0<br />

sin 2 θdθdφ<br />

sin 2 θdθ = π<br />

4<br />

2. Kepler III. Bei der Massenbestimmung ist sin 3 i zu mitteln. Man setzt<br />

sin θ = 1<br />

2i (eiθ − e −iθ )<br />

potenziert, und erhält (mit den Pascalschen Dreieck für <strong>die</strong> Koeffizienten)<br />

< sin 3 i > =<br />

π/2<br />

�<br />

0<br />

sin 4 θdθ = 3π<br />

16<br />

(A.1)<br />

= 0.59 (A.2)<br />

417


418 ANHANG A. DATENSAMMLUNG<br />

A.1.2 Koordinatensysteme<br />

Der Index NGP = GP steht für Galaktischer (Nord) Pol. Seine Koordinaten im Äquatorialsystem<br />

(Rektaszension, Deklination) der Erde, (α, δ), sind für das Julianische Jahr 2000, in Grad<br />

αGP = 192.85948 ◦<br />

bzw. in Stunden und Grad<br />

; δGP = 27.12825 ◦<br />

αGP = 12 h 51 m ; δGP = 27 ◦ 7.7 ′<br />

Das Galaktische Zentrum (l = 0, b = 0) hat <strong>die</strong> Koordinaten<br />

oder<br />

αGZ = 17 h 45.6 m ; δGZ = −28 ◦ 56.2 ′<br />

αGZ = 266.405 ◦<br />

; δGZ = −28.936 ◦<br />

(A.3)<br />

(A.4)<br />

(A.5)<br />

(A.6)<br />

Der Winkel zwischen Himmelsnordpol (Polaris) und galaktischem Nordpol beträgt demnach im Jahr<br />

2000 γGP = 90 − δGP = 62.6 ◦ . Die galaktische Länge von Polaris lp beträgt lp = 123.932 ◦ .<br />

• FORMELN (KOORDINATENTRANSFORMATION)<br />

Die Koordinatentransformation von (α, δ) nach (l, p) lautet<br />

sin b = sin δGP sin δ + cos δGP cos δ cos(α − αGP ) (A.7)<br />

cos b sin(lCP − l) = cos δ sin(α − αGP ) (A.8)<br />

cos b cos(lCP − l) = cos δGP sin δ − sin δGP cos δ cos(α − αGP ) (A.9)<br />

A.2 Masssysteme<br />

A.2.1 Vielfache und <strong>Teil</strong>e der Einheit<br />

Zwischschen Magnitude m (als Faktor), dezi Bel dB, und Dezimal Exponent dex gilt folgender Zusammenhang<br />

1 m = 10 0.4 = 4 dB = 0.4 dex = e 1.086 = 2.512<br />

Im Zusammenhang mit Info Speicher (Byte), Zeit (Sekunde) und Länge (Meter) sind folgende <strong>Teil</strong>e<br />

der entsprechenden Grund Einheiten gebräuchlich:<br />

<strong>Teil</strong>e und Präfixe der SI-Einheiten<br />

dex −1 −2 −3 −6 −9 −12 −15 −18<br />

name Dezi Zenti Milli Mikro Nano Pico Femto Atto<br />

Abk. d c m µ n p f a<br />

Ferner sind folgende Vielfache der Einheiten gebräuchlich:<br />

Vielfache und Präfixe der SI-Einheiten<br />

dex 1 2 3 6 9 12 15 18 21 24<br />

name Deka Hekto Kilo Mega Giga Tera Peta Exa Zetta Yotta<br />

Abk. da h k M G T P E Z Y


A.2. MASSSYSTEME 419<br />

Mit aufgenommen und zukünftig gebräuchlich sind, im Zusammenhang mit Informationseinheiten<br />

(Bytes): Zetta (21) und Yotta (24).<br />

Die entsprechenden <strong>Teil</strong>e sind Zepto (−21) und Yocto (−24).<br />

• BEISPIEL (DIE INFORMATIONSFLUT)<br />

Noch ungewöhnliche Bezeichnungen sind 100 Ym (Hundert Yotta Meter) für den Radius des Universums und 3 ym (3<br />

Yocto Meter) für den Lichtradius des Elektrons (re/c).<br />

Die Datenbank der US Geologischen Gesellschaft umfasst 1999 etwa 12 Tera Bytes, CERN produziert mit seinem Large<br />

Hadron Collider etwa 20 Peta Bytes pro Jahr. Einige Exa Bytes beträgt der Bestand an Druckwerken (im Jahr 2000).<br />

Rechnet man 10 Milliarden Menschen, <strong>die</strong> Hundert Jahre lang pro Sekunde drei Worte (zu 10 Bytes) sprechen, dann sind<br />

das Zetta Bytes. Alle Filme, <strong>die</strong> je gedreht wurden, würden digitalisiert etwa ein Yotta Bytes ergeben.<br />

Dagegen sind ein Yotta cm 0.3 Mpc . . .<br />

A.2.2 Physikalische Masssysteme<br />

Natürliche Grundeinheiten, d. h. solche, <strong>die</strong> ausschließlich auf Fundamentalkonstanten beruhen, gibt<br />

es nicht. Folgende Fundamentalkonstanten werden zugrunde gelegt<br />

1. c, <strong>die</strong> Lichtgeschwindigkeit<br />

2. h oder ¯h, das Plancksche Wirkungsquantum (Einheit des Drehimpulses)<br />

3. e, Ladung des Elektrons<br />

4. <strong>die</strong> Fundamentalkonstanten sind nicht unabhängig: α = e 2 /¯hc ist dimensionslos.<br />

Die verschiedenen, gebräuchlichen Masssysteme leiten sich alle vom Kraftbegriff her und sind den<br />

Bedürfnissen der jeweiligen Beobachter (Menschen) angepasst.<br />

Die Maxwellschen Gleichungen liefern dafür zwei Möglichkeiten:<br />

1. <strong>die</strong> Kraft zwischen zwei Punktladungen nach dem Coulomb Gesetz<br />

�K = 1 q1q2<br />

4πɛ r2 2. <strong>die</strong> Kraft zwischen zwei fadenförmigen Strömen I der Länge l (im Limes l → ∞) nach dem<br />

Ampèreschen Gesetz<br />

�K = κ2 µ<br />

4π<br />

2lI1I2<br />

r<br />

Die beiden Größen ɛ und µ heißen Dielektrizitätskonstante bzw. Permeabilität des Vakuums. Es gilt<br />

κ 2 ɛµ = 1<br />

c 2<br />

wobei c <strong>die</strong> Lichtgeschwindigkeit ist.<br />

Je nach Wahl erhält man verschiedenen Masssysteme, von denen wir <strong>die</strong> folgenden explizit angeben:<br />

1. SI (Système International) oder MKSA System.<br />

Zusätzlich zu Länge (Meter), Masse (kg) und Zeit (Sekunde) ist noch<br />

<strong>die</strong> Stromstärke Ampere A definiert.<br />

κ = 1 ; µ = 4π · 10 −7 Newton · (Ampere) −2<br />

2. Gaußsches Maßsystem<br />

κ = 1<br />

c<br />

; ɛ = 1<br />

4π<br />

; µ = 4π


420 ANHANG A. DATENSAMMLUNG<br />

3. Heavisidesches Masssystem<br />

κ = 1<br />

c<br />

; ɛ = 1 ; µ = 1<br />

• FORMELN (GRUNDEINHEITEN)<br />

Die Grundeinheiten im (um das Grad Kelvin erweiterten) Gaußschen cgs - System sind:<br />

Größe Wert cgs - Einheit Bezeichnung<br />

h 6.62619·10 −27 cm 2 g s −2 Planck-Wirkungsquantum<br />

G 6.6732·10 −8 cm 3 g −1 s −2 Gravitationskonstante<br />

c 29979245800.0 cm s −1 Lichtgeschwindigkeit<br />

e 4.8032·10 −10 cm 3/2 g 1/2 s −1 Ladung des Elektrons<br />

kB 1.38054·10 −16 erg K −1 Boltzmann Konstante<br />

Die Diracsche Form für das Planck-Wirkungsquantum lautet: ¯h = h<br />

2π .<br />

Die vier phys. Fundamentalkonstanten sind nicht unabhängig, sie sind verknüpft durch <strong>die</strong> Sommerfeldsche<br />

Feinstrukturkonstante:<br />

α = e2<br />

¯hc = 7.2973 · 10−3 ≈ 1<br />

137<br />

(A.10)<br />

• FORMELN (ABGELEITETE EINHEITEN)<br />

Magnetische Feldstärke: 1 Gauß = 1 Oersted<br />

gesetzliche Einheit: 1 Tesla = 10 4 Gauß; (seit 1896) in der Geophysik üblich: 1 Gamma = 10 −5 Gauß = 10 µGauß oder<br />

10 −9 Tesla.<br />

Die magnetische Feldstärke am Pol der Erde beträgt 0.31 Gauß.<br />

Die magnetische Feldstärke des Sonnenwinds (in Erdbahnentfernung) beträgt 6 Gamma = 60 µGauß und <strong>die</strong> dazu gehörende<br />

Energiedichte<br />

ɛ = B2<br />

8π<br />

beträgt 90 eV cm −3 . Im Vergleich dazu: <strong>die</strong> Energiedichte der kosmischen Strahlung beträgt 1 eV cm −3 , 2 dex weniger.


A.3. TABELLEN 421<br />

A.3 Tabellen<br />

A.3.1 Der Messier Katalog<br />

Messier Katalog 1 . . . 30<br />

M1 NGC 1952 Krebsnebel<br />

M2 NGC 7089 GC<br />

M3 NGC 5272 GC<br />

M4 NGC 6121 GC<br />

M5 NGC 5904 GC<br />

M6 NGC 6405 OC<br />

M7 NGC 6475 OC<br />

M8 NGC 6523 Lagoonnebel<br />

M9 NGC 6333 GC<br />

M10 NGC 6254 GC<br />

M11 NGC 6705 OC<br />

M12 NGC 6218 GC<br />

M13 NGC 6205 Great GC<br />

M14 NGC 6402 GC<br />

M15 NGC 7078 GC<br />

M16 NGC 6611 OC<br />

M17 NGC 6618 Omega Nebel<br />

M18 NGC 6613 OC<br />

M19 NGC 6273 GC<br />

M20 NGC 6514 Trifid Nebel<br />

M21 NGC 6531 OC<br />

M22 NGC 6656 GC<br />

M23 NGC 6494 OC<br />

M24 NGC 6603 Sterne<br />

M25 NGCI4725 OC<br />

M26 NGC 6694 OC<br />

M27 NGC 6853 Dumbbell Nebel<br />

M28 NGC 6626 GC<br />

M29 NGC 6913 OC<br />

M30 NGC 7099 GC<br />

Messier Katalog 31 . . . 60<br />

M31 NGC 224 Andromeda Nebel<br />

M32 NGC 221<br />

M33 NGC 598 Triangulum Nebel<br />

M34 NGC 1039 OC<br />

M35 NGC 2168 OC<br />

M36 NGC 1960 OC<br />

M37 NGC 2099 OC<br />

M38 NGC 1912 OC<br />

M39 NGC 7092 OC<br />

M40 2 Sterne<br />

M41 NGC 2287 OC<br />

M42 NGC 1976 Orion Nebel<br />

M43 NGC 1982 (Orion Nebel)<br />

M44 NGC 2632 Praesepe<br />

M45 Plejaden<br />

M46 NGC 2437 OC<br />

M47 NGC 2422 OC<br />

M48 NGC 2548 OC<br />

M49 NGC 4472 (Virgo)<br />

M50 NGC 2323 OC<br />

M51 NGC 5194 Whirlpool Galaxie<br />

M52 NGC 7654 OC<br />

M53 NGC 1024 GC<br />

M54 NGC 6715 GC<br />

M55 NGC 6809 GC<br />

M56 NGC 6779 GC<br />

M57 NGC 6720 Ring Nebel<br />

M58 NGC 4579 (Virgo)<br />

M59 NGC 4621 (Virgo)<br />

M60 NGC 4649 (Virgo)


422 ANHANG A. DATENSAMMLUNG<br />

Messier Katalog 61 . . . 90<br />

M61 NGC 4303 (Virgo)<br />

M62 NGC 6266 GC<br />

M63 NGC 5055 SpiralGalaxie<br />

M64 NGC 4826 Blackeye Galaxie<br />

M65 NGC 3623 SpiralGalaxie<br />

M66 NGC 3627 SpiralGalaxie<br />

M67 NGC 2682 OC<br />

M68 NGC 4590 GC<br />

M69 NGC 6637 GC<br />

M70 NGC 6681 GC<br />

M71 NGC 6838 GC<br />

M72 NGC 6981 GC<br />

M73 NGC 6994 4 Sterne<br />

M74 NGC 628<br />

M75 NGC 6864 GC<br />

M76 NGC 650<br />

M77 NGC 1068<br />

M78 NGC 2068<br />

M79 NGC 1904<br />

M80 NGC 6093<br />

M81 NGC 3031 Bodes Nebel<br />

M82 NGC 3034<br />

M83 NGC 5236<br />

M84 NGC 4374<br />

M85 NGC 4382<br />

M86 NGC 4406<br />

M87 NGC 4486 Virgo A<br />

M88 NGC 4501<br />

M89 NGC 4552<br />

Messier Katalog 91 . . . 109<br />

M90 NGC 4569<br />

M91 NGC 4567<br />

M92 NGC 6341<br />

M93 NGC 2447<br />

M94 NGC 4736<br />

M95 NGC 3351<br />

M96 NGC 3368<br />

M97 NGC 3587<br />

M98 NGC 4192<br />

M99 NGC 4254<br />

M100 NGC 4321<br />

M101 NGC 5457 Pinwheel Galaxie<br />

M102 NGC 5866<br />

M103 NGC 581<br />

M104 NGC 4594 Sombrero Galaxie<br />

M105 NGC 3379<br />

M106 NGC 4258<br />

M107 NGC 6171<br />

M108 NGC 3556<br />

M109 NGC 3992<br />

Statistik zum Messier Katalog<br />

Im Messier Katalog fehlen <strong>die</strong> Quellen des Südhimmels,<br />

<strong>die</strong>se finden sich erst im Katalog von Vater und Sohn Herschel.<br />

M81 und M82 wurden 1774 von dem deutschen<br />

Asteroidenjäger Bode entdeckt. M87 wurde 1781 von Messier<br />

entdeckt. Diese Galaxie ist das Zentrum des Virgo Haufens<br />

und eine starke Radiogalaxie (nach Sonne und Mond<br />

<strong>die</strong> stärkste Quelle am Himmel). M73 besteht aus 4 Sternen,<br />

nahe dem Kugelsternhaufen M72, beide entdeckt von<br />

Messier im Jahre 1780.


A.3. TABELLEN 423<br />

Daten der wichtigsten Galaxien der Lokalen Gruppe<br />

• ANMERKUNG<br />

Die erste Beschreibung von Andromeda stammt von von dem deutschen Astronom Simon Fabricius. Er verglich M31 mit<br />

einer Kerze, <strong>die</strong> man durch eine Hornscheibe sieht.<br />

Das erste Foto stammt von Isaac Roberts.<br />

Hubble entdeckte 1925 an NGC 6822, daß es sich dabei um Sterne und nicht um einen Nebel handelte. 1929 veröffentlichte<br />

er seine Arbeit ’Ein Spiralnebel als Sternsystem’, in der gezeigt wird, daß Andromeda eine eigenständige Galaxie darstellt.<br />

In den letzten 27 Jahren wurden mehr Mitglieder der Lokalen Gruppe gefunden, als in den 222 Jahren davor.<br />

Die Anzahl der Mitglieder der Lokalen Gruppe beträgt (1999) 40. Der Radius der Lokalen Gruppe<br />

reicht bis 1.8 Mpc. Die Gesamt Dunkelmasse wird auf Mdark(LG) = 3 · 10 12 M⊙ geschätzt. Sie steckt<br />

in M31 und der Milchstraße (nicht etwa in einer Superkorona). Entfernung zum Virgo Haufen etwa 20<br />

Mpc.<br />

Daten der wichtigsten Galaxien der Lokalen Gruppe<br />

Name α δ l b MV V⊙ m − M D M L<br />

J2000 J2000 deg deg mag mag kpc M⊙ L⊙<br />

Wir 17 h 45 m .7 −29 ◦ 00 0.00 0.00 −20.6 16 14.52 8 2 · 10 11 2 · 10 10<br />

LMC 05 h 23 m .6 −69 ◦ 45 280.46 −32.89 −18.1 324 18.45 49 2 · 10 10<br />

SMC 00 h 52 m .6 −72 ◦ 48 302.80 −44.30 −16.2 175 18.82 58 3 · 10 9<br />

M31 00 h 42 m .7 41 ◦ 16 121.18 −21.57 −21.1 −297 24.43 770 4 · 10 11 3 · 10 10<br />

M32 00 h 42 m .7 40 ◦ 52 121.15 −21.98 −16.4 −200 24.53 805 2 · 10 9 4 · 10 8<br />

M33 01 h 33 m .8 30 ◦ 39 133.61 −31.33 −18.9 −181 24.62 840 5 · 10 10<br />

Geschwindigkeit V⊙ (in km s −1 ) bezogen auf LSR<br />

Mdark(W ir) = 1.4 · 10 12 M⊙ ; Mdark(M31) = 1.9 · 10 12 M⊙<br />

• LITERATUR<br />

J. Kovalevski, [Kov98] First Results from Hipparcos.<br />

E. K. Grebel, [Gre97] Star Formation Histories of Local Group Galaxies.<br />

M. Mateo, [Mat98] Dwarf Galaxies of the Local Group.<br />

J. Binney und M. Merrifield, [BM98] Galactic Astronomy


424 ANHANG A. DATENSAMMLUNG<br />

A.3.2 Fundamentalkonstanten<br />

Größe Definitionsformel Bezeichnung<br />

r B<br />

µe<br />

re<br />

¯h 2<br />

mee2 e¯h<br />

2mec<br />

e2 mec2 Bohrscher Wasserstoffradius<br />

Bohrsches Magnetron<br />

klass. Elektronenradius<br />

Amn 3γklassfmn Einsteinscher A-Koeffizient<br />

γklass<br />

λe<br />

RS<br />

α<br />

Ry<br />

ωp<br />

lP<br />

A.3.3 Zeit und Raum<br />

Zeit<br />

σ<br />

a<br />

klass. Strahlungsdämpfungskonstante<br />

2e2ω2 3mc3 ¯h<br />

mec<br />

2GM<br />

c2 e2 Feinstrukturkonstante<br />

¯hc<br />

1<br />

2α2mec 2 Rydbergkonstante (Energie)<br />

�<br />

4πe2ne � me<br />

¯hG<br />

c3 π2k4 60¯h 3c2 π2k4 15¯h 3c3 Compton-Wellenlänge des Elektrons ⋆<br />

Schwarzschild-Radius der Masse M<br />

Plasmafrequenz<br />

Planck-Länge<br />

Stefan-Boltzmann Konstante<br />

Strahlungsenergiedichte-Konstante<br />

Die Diracsche Form lautet: ∗ ¯h = h<br />

2π ; ⋆ λ- = λ<br />

2π<br />

Tab. A.1: Fundamentalgrößen<br />

Tag: 1 d = 24 h = 86400 s siderisch: 86 164.091 s<br />

˙<br />

P = 10 −12 s s −1 = 8·10 −8 s d −1 = 3 ms pro Jahrhundert (Gezeitenabbremsung)<br />

Jahr<br />

siderisch: 365.25636 d oder 3.1558·10 7 s<br />

tropisches Jahr: 1 yr = 31 556 925.975 (Ephemeridensekunden 1950) oder<br />

365.2422 Tage mittlere Sonnenzeit.<br />

Kalenderjahr: 1 yr = 365 + 1<br />

4<br />

Kalenderjahr - tropisches Jahr = 26s .<br />

Monat<br />

siderisch: 27.32166 d<br />

synodisch: 29.53059 d<br />

drakonitisch : 27.21222 d<br />

Grundeinheiten der Länge<br />

im Sonnensystem gilt:<br />

oder, genauer<br />

− 3<br />

400 d<br />

1AE = D Erde-Sonne = 2.3 · 10 4 R⊕ = 1.49 · 10 13<br />

1AE = 149597892 km<br />

Galaxie (interstellar) Parsec:<br />

1 pc = 206265 AE = 3.08 · 10 18<br />

cm ∼ = 500 s<br />

cm = 3.26 Lichtjahre (A.11)


A.3. TABELLEN 425<br />

Geometrie<br />

Winkel (Einheit: Grad); Einheits - Kreis - Umfang: 2π<br />

Umrechnung Winkelgrad in Bogengrad, nach der Formel b = f(n)w<br />

f(n) = 2π<br />

6 · 60 n<br />

mit den Bezeichnungen Grad, Minute und Sekunde<br />

1 ◦ : n = 1 1 ′ : n = 2 1 ′′ : n = 3<br />

mit den Umrechnungsfaktoren f(n)<br />

f(1) = 1.7 · 10 −2<br />

und mit der Umkehrung,<br />

f(2) = 2.9 · 10 −4<br />

f(3) = 4.848 · 10 −6<br />

f −1 (1) = 57.296 f −1 (2) = 3437 f −1 (3) = 206265<br />

Fläche (Einheit: Steradian, sr bzw. grad 2 = ✷ ◦ ); Einheitskugel-Oberfläche: 4π sr<br />

Das Flächenmaß wird berechnet nach der Formel<br />

mit<br />

Ω(n) = 4πf −2 (n)<br />

Ω(1) = 4.125 · 10 4<br />

bzw. nach der Formel<br />

1sr(n) = f −2 (n)<br />

mit (1 sterad = 1 rad 2 )<br />

1sr = 3282.8 deg 2<br />

Ω(2) = 1.485 · 10 8<br />

1 Quadratgrad, 1✷ ◦ = 3.046 · 10 −4 Sterad.<br />

= 4.2545 · 10 10 (arcsec) 2<br />

Ω(3) = 5.346 · 10 11<br />

Die Galaxis mit den Komponenten :<br />

Ebene (D ≈ 10 23 cm bzw. 30 kpc h ≈ 0.6 kpc);<br />

Bulge (Öffnungswinkel etwa 23 ◦ ) D ≈ 2 · 10 22 cm bzw. 5 kpc;<br />

Kern (Öffnungswinkel etwa 2 ◦ , Durchmesser D ≈ 2 · 10 21 cm bzw. 500 pc;);<br />

Koordinaten des Zentrums: 12 h 49 m Rektasz. −62 ◦ Dekl.;<br />

Halo (D ≈ 10 24 cm).<br />

Leuchtkraft: LGal = 3 · 10 10 L⊙ = 10 44 erg s −1 .<br />

<strong>Teil</strong>chen - Dichte: nGal = 7.<br />

Die Flächendichte für einige typische kosmische Objekte (Die Kugeloberfläche hat Ω(1) = 41 250 Quadratgrad.):<br />

1 Stern pro sec 2 ;<br />

1 Röntgenquelle pro grad 2 ;<br />

0.2 Quasar pro grad 2<br />

Zum Umrechnen von bolometrischen Magnituden Mb in Leuchtkräfte L gilt<br />

L = 10 10 dex(0.4[−M − 20.3])L⊙<br />

A.3.4 Umrechnungen<br />

(A.12)


426 ANHANG A. DATENSAMMLUNG<br />

physikalische Symbol MKSA Umrechnungs Gaußsche<br />

Größe Einheit Faktor Einheit<br />

Länge l Meter 10 2 cm<br />

Masse m kg 10 3 g<br />

Zeit s sec 1 sec<br />

Kraft K Newton 10 5 dyn<br />

Arbeit W Joule 10 7 erg<br />

Leistung ˙ E Watt 10 7 erg s −1<br />

Druck P Pascal 10 dyn cm −2<br />

Ladung q Coulomb 3·10 9 cm 3/2 g 1/2 s −1<br />

Strom I Ampère 3·10 9 cm 3/2 g 1/2 s −2<br />

Spannung U Volt 1<br />

el. Feldstärke E Volt m<br />

300<br />

cm1/2 g1/2 s−1 −1 1<br />

3 10−4 cm−1/2 g1/2 s−1 mag. Induktion B Tesla 10 4 Gauß (wie E)<br />

Widerstand R Ohm 1<br />

9 10−11 cm −1 s<br />

Druck 1 atm = 1.01325 · 10 5 Pa<br />

1 Bar = 1000 Hekto Pascal = 10 5 N m −2 = 10 6 dyn cm −2<br />

Umrechnung vom Heaviside-Lorentz (MKSA) auf Gauß (cgs) System<br />

MKSA cgs<br />

Ladungseinheit e 2 = 4π¯hc e 2 = ¯hc<br />

Potential Φ = q/4πr Φ = q/r<br />

Lagrange-Funktion L = −(1/4)F 2 L = −(1/16π)F 2<br />

Energie - Dichte T 0 0 = (1/2)(E2 + B 2 ) T 0 0 = (1/8π)(E2 + B 2 )<br />

Magnetfeldstärke 1 Tesla 10 4 Gauß


A.3. TABELLEN 427<br />

Symbol Name Zahlenwert Einheit<br />

G Gravitationskonstante 6.6732·10 −8 cm 3 g −1 s −2<br />

c Lichtgeschwindigkeit 29979245800 cm s −1<br />

h Planck-Wirkungsquantum 6.62619·10 −27 ergs<br />

e Ladung des Elektrons 4.8032·10 −10 cm 3/2 g 1/2 s −1<br />

α Feinstrukturkonstante 7.2973·10 −3<br />

me Masse des Elektrons 9.1095·10 −28 g<br />

re klass. Elektronenradius 2.8·10 −13 cm<br />

µe Bohrsches Magnetron 9.273·10 −21 erg (Gauß) −1<br />

r B Bohrscher Radius (H) 5.28·10 −9 cm<br />

Ry Rydbergkonstante 1.09·10 5 cm −1<br />

A21 Einstein A-Koeffizient (Lα) 4.68·10 8 s −1<br />

λe Compton-Länge (Elektron) 2.4263·10 −10 cm<br />

λ - dito (Dirac) 3.6·10 −11 cm<br />

lP Planck-Länge 1.6·10 −33 cm<br />

mamu atomic mass unit 1.66·10 −24 g<br />

mp Masse des Protons 1.0072766 a.m.u.<br />

µp Kern Magnetron des Protons 2.79×5.05·10 −24 erg (Gauß) −1<br />

mn Masse des Neutrons 1.0086652 a.m.u.<br />

µn Kern Magnetron des Neutrons -1.91×5.05·10 −24 erg (Gauß) −1<br />

k Boltzmann Konstante 1.38054·10 −16 erg K −1<br />

σ Stefan-Boltzmann Konstante 5.669·10 −5 erg cm −2 s −1 K −4<br />

a Strahlungsdichte Konstante 7.56·10 −15 erg cm −3 K −4<br />

yr (year) Jahr 31556926 s<br />

ly light year (Lichtjahr) 9.4605·10 17 cm<br />

pc Parsec 3.0856·10 18 cm<br />

AU Astronomical Unit 1.495985·10 13 cm<br />

M⊙ Masse der Sonne 1.989·10 33 g<br />

R⊙ Radius der Sonne 6.960·10 10 cm<br />

L⊙ Leuchtkraft der Sonne 3.9·10 33 erg s −1<br />

S⊙ Solarkonstante 1.36·10 6 erg cm −2 s −1<br />

RS⊙ Schwarzschildradius (Sonne) 2.95·10 5 cm<br />

M⊕ Masse der Erde 5.997·10 27 g<br />

R⊕ Erdradius 6.378·10 8 cm<br />

Tab. A.2: Naturkonstanten


428 ANHANG A. DATENSAMMLUNG<br />

A.3.5 Formeln und Bezeichnungen<br />

Bohrscher Wasserstoffradius<br />

rB = ¯h2<br />

mee 2<br />

Bohrsches Magnetron<br />

µe = e¯h<br />

2mec<br />

klass. Elektronenradius<br />

re = e2<br />

mec 2<br />

el. Leitfähigkeit (s −1 mit τ = (vσn) −1 Stosszeit)<br />

σel = e2ne τ<br />

me<br />

Viskosität (cm −1 g s −1 mit τ: Stosszeit)<br />

η = 1<br />

3 ρ v2 sτ<br />

Einsteinscher A-Koeffizient<br />

Amn = 3γklassfmn<br />

klass. Strahlungsdämpfungskonstante<br />

γklass = 2e2 ω 2<br />

3mc 3<br />

Compton-Wellenlänge des Elektrons<br />

λ = ¯h<br />

mc<br />

Schwarzschild-Radius der Masse M<br />

RS = 2GM<br />

c 2<br />

Feinstrukturkonstante<br />

α = e2<br />

¯hc<br />

gravische Feinstrukturkonstante (für Protonen)<br />

αG = Gm2 p<br />

¯hc<br />

Rydbergkonstante<br />

Ry = 1<br />

2 α2 mec<br />

Plasmafrequenz<br />

ωp =<br />

�<br />

4πe 2 ne<br />

me<br />

(A.13)<br />

Planck-Länge<br />

�<br />

¯hG<br />

lP =<br />

c 3<br />

Stefan-Boltzmann Konstante<br />

σ = π2 k 4<br />

60¯h 3 c 2<br />

Strahlungsenergiedichte-Konstante<br />

a = π2 k 4<br />

15¯h 3 c 3<br />

thermische de Broglie Wellenlänge<br />

�<br />

h2 λdB =<br />

2πmkT


A.3. TABELLEN 429<br />

A.3.6 Energie<br />

Es ist<br />

Energie erg . Atom Einheiten<br />

in Größe Faktor . w λ ν ɛ T<br />

1 eV 1.602·10 −12 . w 1 1 c 1.24·10 −4 0.66<br />

1 Ws 10 7 . λ 1 1 c 1.24·10 −4 0.66<br />

1 cal 4.186·10 7 . ν c −1 c 1 4.5·10 −15 2.2·10 −11<br />

1 kT4 1.38·10 −12 . ɛ 8067 1.29·10 −4 2.41·10 14 1 11605<br />

1 hν15 6.6·10 −12 . T 0.66 1.5 2.0·10 10 8.1·10 −5 1<br />

ɛ = hν = hcw = hc<br />

λ<br />

= kT<br />

mit folgenden Bezeichnungen: ɛ : Energie in eV (erg: cm 2 g s −2 ) λ: Wellenlänge in cm, w: Wellenzahl in cm −1 ,<br />

ν Frequenz in Hz und T : Temperatur in Grad Kelvin.<br />

Ein Photon der Energie 1 eV hat eine Wellenlänge von 1.29 · 10 −4 cm oder 1.29µ oder 12 900 ˚A oder 1290 nm.<br />

1 g TNT � 4·10 10 ergs ;<br />

spektrale Energie Umrechnung:<br />

1 Jansky = 10 −23 erg cm −2 s −1 Hz −1 = 10 −26 Watt m −2 s −1 Hz −1<br />

¯L400: Radioleuchtkraft in (milli Jansky)*kpc 2 *Hz = 3.8 · 10 25 erg s −1 ;<br />

Tab. A.3: Energie Umrechnung


430 ANHANG A. DATENSAMMLUNG<br />

A.3.7 Kosmische Häufigkeit<br />

Element Häufigkeit I [eV]<br />

H 1.0 13.60<br />

He 8.5 ·10 −2 24.59<br />

O 6.6 ·10 −4 13.62<br />

C 3.3 ·10 −4 11.26<br />

N 9.1 ·10 −5 14.53<br />

Ne 8.3 ·10 −5 21.56<br />

Fe 4.0 ·10 −5 7.87<br />

Si 3.3 ·10 −5 8.15<br />

Mg 2.6 ·10 −5 7.65<br />

S 1.6 ·10 −5 10.36<br />

Molekül Häufigkeit D [eV] I [eV]<br />

H2 1.0 4.48 15.46<br />

CO 6.3 ·10 −5 11.09 14.01<br />

H2O 5.2 12.6<br />

NH3 4.3 10.2<br />

NH 6.76 13.10<br />

NO 6.5 9.25<br />

CH 3.47 10.64<br />

SO 5.3 12.1<br />

CS 8.0<br />

H2CO 3.6<br />

Die numerische Häufigkeit bei Atomen im ISM und in Sternatmosphären ist bezogen auf Wasserstoff (HI). I : Ionisationspotential.<br />

Die numerische Häufigkeit bei Molekülen in Wolken ist bezogen auf molekularen Wasserstoff<br />

(H2). D: Dissoziationsenergie. 1 eV = 1.602·10 −12 erg.<br />

Tab. A.4: Kosmische Häufigkeit


A.4. PULSARE 431<br />

A.4 Pulsare<br />

Radio Pulsare<br />

Physikalische Parameter von 706 Pulsaren (Stand: Mai 1996)<br />

P /ms P−15<br />

˙ log(Bs/Gauß) log(τ/yr) log( ˙ E)<br />

PSR: 1939+2134 2129+1210A 2229+2643 0534+2200 0108−1431 :PSR<br />

Min: 1.56 −0.02 7.88 3.10 29.79 :Min<br />

Med: 558.10 2.04 12.04 6.71 32.59 :Med<br />

Max: 5094.08 1536.53 13.33 10.40 38.65 :Max<br />

PSR: 1951+1123 1513−5908 0157+6212 2229+2643 0534+2200 :PSR<br />

P Periode in Millisekunden; ˙<br />

P−15 Perioden-Ableitung in Einheiten von 10 −15 s s −1 ;<br />

Bs Magnetfeldstärke an der Oberfläche; τ = P/2 ˙<br />

P Alter in Jahren (yr);<br />

˙E Verlustrate an Rotationsenergie.<br />

Tab. A.5: Pulsarparameter


432 ANHANG A. DATENSAMMLUNG<br />

A.4.1 Pulsarparameter<br />

Weitere Parameter zur Identifizierung obiger Pulsare sind:<br />

PSR Identität<br />

Name P τ L Typ<br />

1939+2134 1.56 8.37 3.49 MRI<br />

1951+1123 5094.08 7.43 0.52<br />

2129+1210A 110.66 2.23 CR<br />

1513−5908 150.66 3.19 1.46 SH<br />

PSR Identität<br />

Name P τ L Typ<br />

2229+2643 2.98 10.40 1.42 BMR<br />

0157+6212 2351.72 5.29 1.22<br />

0534+2200 33.40 3.10 3.41 SGIH<br />

0108−1431 807.56 9.19<br />

astronomische Parameter von 706 Pulsaren<br />

L400/mJy kpc 2 2 D/kpc s400/mJy W50 (deg)<br />

PSR: 2124−3358 0108−1431 2129+1209G 1951+1123 :PSR<br />

Min: 0.06 0.10 0.10 1.41 :Min<br />

Med: 2.15 3.88 12.00 10.87 :Med<br />

Max: 4.42 57.00 5000.00 153.42 :Max<br />

PSR: 1305−6455 0045−7319 0835−4510 0034−0534 :PSR<br />

L400 = s400D 2 spektrale Radio - Leuchtkraft in mJy kpc 2 ; (1 Jansky = 10 −23 erg cm −2 s −1 Hz −1 = 10 −26 Watt m −2<br />

s −1 Hz −1 ). D Entfernung in kpc; s400 spektraler Radiofluß in mJy (Milli Jansky bei 400 MHz); W50 Halbwertsbreite der<br />

Pulse in Grad. ¯ L = 4 · 10 8 s400D 2 Gesamt Leuchtkraft in mJy kpc 2 Hz; ¯ L = 3.8 · 10 25 (s400/mJy)(D/kpc) 2 erg s −1 .<br />

Weitere Parameter zur Identifizierung obiger Pulsare:<br />

PSR Identität<br />

Name P τ L Typ<br />

2124−3358 4.93 0.06 MR<br />

1305−6455 571.65 6.35 4.42<br />

0108−1431 807.56 9.19<br />

0045−7319 926.28 6.51 3.51 BE<br />

Tab. A.6: Pulsarparameter II<br />

PSR Identität<br />

Name P τ L Typ<br />

2129+1209G 37.66 8.48 1.00 CR<br />

0835−4510 89.31 4.05 3.10 SGH<br />

1951+1123 5094.08 7.43 0.52<br />

0034−0534 1.88 9.65 1.19 BMR


Anhang B<br />

Eine kleine Geschichte der Physik<br />

B.1 Newtonsche Fernwirkung:<br />

Gravitation<br />

Viele Völker haben Schrift und Malerei hervorgebracht, Musik (mit einer Notenschrift) und Physik (mit<br />

Formeln) sind ein Produkt abendländischer Kultur, beginnend etw mit dem siebzehnten Jahrhunderts.<br />

Dabei <strong>die</strong>nten <strong>die</strong> Araber als Vermittler zwischen Antike und Neuzeit.<br />

B.1.1 Die ersten Weltmodelle<br />

Atomismus und Plenismus waren <strong>die</strong> beiden fundamentalen naturphilosophischen Anschauungen der<br />

Antike. ✛ Beide waren rein spekulativer ✘ Natur. Der Atomismus wurde im Altertum vertreten von Sokrates,<br />

Leukipp und Demokrit. Der Begriff Atom stammt von Demokrit<br />

<strong>Astrophysik</strong> = Astronomie +<br />

(Atomos gr. unteilbar). Die Vorstellung war, daß <strong>die</strong> Welt aus dis-<br />

Physik<br />

Unsöld kreten, abzählbaren Atomen besteht, deren einzige Qualitäten Größe,<br />

✚<br />

✙Form<br />

und Bewegung sind. Als Folgerung daraus ergibt sich, daß zwischen<br />

den Atomen der leere Raum (Vakuum) sein muß. Bei Epikur (341 - 270 vor Chr) und Lukrez<br />

(1. Jhdt. vor Chr) besteht auch <strong>die</strong> Seele aus Atomen. Gegen den Atomismus stand der Plenismus (von<br />

plenus lat. voll) im Altertum vertreten von Plato und Aristoteles. Nach <strong>die</strong>ser Vorstellung war <strong>die</strong> Welt<br />

kontinuierlich angefüllt mit Materie, einen leeren Raum gibt es nicht. Aristoteles widerspricht damit<br />

bewusst den Atomisten und behauptet nicht nur, daß der Raum erfüllt sei, sondern sogar, daß <strong>die</strong> Natur<br />

einen Abscheu vor dem Vakuum habe: horror vacui.<br />

Im Gegensatz etwa zur Astronomie (reine Beobachtung) und Mathematik (reine Denkkunst in Form<br />

von Geometrie), welche zu den ältesten Wissenschaften überhaupt zählen, ist <strong>die</strong> Physik (Kombination<br />

von Beobachtung und Analyse), sieht man einmal von der Statik ab, ein Produkt abendländischer<br />

Kultur des siebzehnten Jahrhunderts.<br />

Als Vorläufer kann man Kopernikus, Brahe und Kepler, als Begründer der Physik Galilei und Newton<br />

ansehen. Und somit sind von Anfang an Astronomie und Physik mit der Mathematik vereint. Mathematik<br />

ist weitgehend Himmelsmechanik, astronomische Beobachtungen werden herangezogen, <strong>die</strong><br />

mathematischen Formeln zu Überprüfen. Dabei vollzieht sich im Laufe von eineinhalb Jahrhunderten<br />

eine Vereinheitlichung der Physik, ganz im Sinne des griechischen Ideals einer Axiomatisierung.<br />

B.1.2 Der Anfang der <strong>Astrophysik</strong><br />

Bereits ganz am Anfang der modernen Physik stehen <strong>die</strong> folgenden Fragen, <strong>die</strong> auch heute noch aktuell<br />

sind:<br />

433


434 ANHANG B. GESCHICHTE DER PHYSIK<br />

1. Was ist Materie?<br />

2. Was ist Licht?<br />

3. Welches sind <strong>die</strong> Kräfte, <strong>die</strong> auf <strong>die</strong> Materie wirken?<br />

4. Wie werden <strong>die</strong> Kräfte durch den Raum übertragen?<br />

Im folgenden werden wir erläutern, wie <strong>die</strong>se Fragen von den jeweiligen Protagonisten (Atomisten)<br />

und ihren Antagonisten (Plenisten) behandelt wurden. Im Zentrum der Diskussion stehen dabei neben<br />

der Gravitation das (klassisch paradoxe) Verhalten von Licht und <strong>die</strong> Existenz des Atoms (bzw.<br />

Moleküls). Dazu kommen und kamen zwei weitere Fragen, <strong>die</strong> bis dato unbeantwortet geblieben sind<br />

1. Was zeichnet den Raum aus?<br />

2. Was ist Zeit?<br />

Allerdings wurden sie von Einstein auf eine einzige Frage reduziert: Was bestimmt <strong>die</strong> Raum-Zeit?<br />

Kepler und <strong>die</strong> Geometrie<br />

Bei den Griechen (Empedokles) waren <strong>die</strong> Ur-Elemente Wasser, Luft, Feuer und Erde. Die Himmelsmechanik<br />

war weitgehend Philosophie: <strong>die</strong> Planeten und Sterne bestanden aus einem besonderen Stoff:<br />

dem Äther (oder der quinta essentia). Die Bahnen waren perfekt (nämlich<br />

Harmonia Mundi Kreise), <strong>die</strong> Bewegung harmonisch (daher <strong>die</strong> Sphärenklänge). Das Wort<br />

Astronomie leitet sich aus dem Griechischen ab, von astro = Stern und nomos<br />

= Gesetz. Vor Newton war Astronomie im wesentlichen Geometrie und es galt, <strong>die</strong> Sphärenharmonie<br />

zu erkennen. Bis Kepler versuchte man, nur mit der einfachsten geometrischen Figur auszukommen,<br />

dem Kreis. Da <strong>die</strong>s <strong>die</strong> Beobachtung nicht korrekt wiedergab, benutzte man Epizyklen (Kreise auf<br />

Kreisen), um <strong>die</strong> Bewegung der Planeten zu beschreiben. Kepler markiert das Ende <strong>die</strong>ser Harmonia<br />

Mundi.<br />

Johann Kepler (1571 - 1630) gelangte nach vielen Versuchen (mindestens 70!) zu der Einsicht, daß <strong>die</strong><br />

wahren Bahnen Ellipsen sind, geometrische Figuren, <strong>die</strong> erstmals von Appolonius von Perge beschrieben<br />

worden waren. Die Keplerschen Gesetze sind <strong>die</strong> ältesten physikalischen Gesetze, <strong>die</strong> unverändert<br />

heute noch so gelehrt werden. Sie lauten:<br />

I Jeder Planet bewegt sich in einer elliptischen Bahn, in deren einem<br />

Brennpunkt <strong>die</strong> Sonne steht. (Geometrie)<br />

II Der von der Sonne zum Planeten gezogene Leitstrahl überstreicht in<br />

gleichen Zeiten gleiche Flächen. (Flächensatz)<br />

III Die Quadrate der Umlaufszeiten zweier Planeten verhalten sich wie <strong>die</strong><br />

Kuben der Ra<strong>die</strong>n. (Periode - Radius Relation)<br />

Kepler entwickelt <strong>die</strong> bereits im Altertum formulierte Korpuskulartheorie des Lichts weiter. Bei ihm<br />

sind <strong>die</strong> Korpuskel masselos. Er hat als erster eine dynamische Auffassung von der Bewegung der<br />

Gestirne: <strong>die</strong> Bewegungen sind Folge von Kräften. Seit Kepler gehören Astronomie und Physik eng<br />

zusammen und <strong>die</strong> Sonderstellung des Himmels ist aufgehoben. Die mathematische Formulierung der<br />

Gravitationskraft, welche Kepler als Ursache für <strong>die</strong> Bewegung der Planeten ansah, gelang ihm noch<br />

nicht.<br />

Galilei<br />

Galilei (1564 - 1642) begründet <strong>die</strong> moderne Physik. Forschung (Experiment und Beobachtung) und<br />

Lehre bilden für ihn eine Einheit. Auf ihn gehen <strong>die</strong> korrekte Beschreibung der Fall- und Wurfbe-


B.1. NEWTONSCHE FERNWIRKUNG 435<br />

✗<br />

✔<br />

wegung zurück. Das von ihm erstmals formulierte Prinzip (Galilei Invarianz),<br />

Und sie bewegt sich doch! daß <strong>die</strong> Physik auf einem fahrenden Schiff identisch ist mit der an Land, hatte<br />

Eppur si muove!<br />

bis zu Einsteins Entdeckung der speziellen Relativität Gültigkeit. Seine Fas-<br />

✖<br />

✕sung<br />

des Äquivalenzprinzips (alle Körper fallen gleich schnell im Gravitationsfeld)<br />

prüfte er am schiefen Turm von Pisa.<br />

Galileio Galilei entdeckt <strong>die</strong> vier nach ihm benannten Jupitermonde. Sie sind später Grundlage für<br />

Römers Bestimmung der Lichtgeschwindigkeit. Galilei kann als Begründer der modernen Experimentalphysik<br />

und Astronomie angesehen werden. Mit seinem Teleskop löst er <strong>die</strong> Milchstrasse in einzelne<br />

Sterne auf.<br />

• ZUSATZ (BEDEUTENDE ENTDECKUNGEN)<br />

Das Pendelgesetz (l Länge des Pendels, g Gravitationsbeschleunigung der Erde)<br />

�<br />

l<br />

T = 2π<br />

g<br />

entdeckte er beim Kirchenbesuch im Dom zu Pisa. Als Uhr benutzte er seinen Pulsschlag. Mit der Entdeckung des Isochronismus<br />

(<strong>die</strong> Periode ist unabhängig von der Amplitude) des Pendels ist der Grundstein der Zeitmessung (s. u. Huygens) bis<br />

zum Aufkommen der Atomuhren gelegt.<br />

Galilei beobachtet als erster mit dem von ihm zwar nicht erfundenen, aber weiterentwickelten, Fernrohr den Mond und <strong>die</strong><br />

Planeten. Mit der Entdeckung der Jupitermonde bringt er das Weltbild der Kirche ins Wanken: nicht alles kreist um <strong>die</strong><br />

Erde (sondern 4 Monde um Jupiter).<br />

Er versucht (erfolglos) <strong>die</strong> Lichtgeschwindigkeit zu messen und schließt daraus, daß <strong>die</strong>se sehr groß sein müsse.<br />

Huygens<br />

Christian Huygens (1629 - 1695) war sicher der bedeutendste, nämlich der vielseitigste, Gelehrte einer<br />

an berühmten Naturforschern wahrlich reichen Zeit. Er begründet <strong>die</strong> Wellentheorie ∗ des Lichts<br />

(in Anerkennung der früheren Ideen von Par<strong>die</strong>s und Hooke). Damit das Licht sich in einem Medium<br />

fortpflanzen kann, führte Huygens den elastischen Äther ein. Genau wie <strong>die</strong> Schallwellen sind<br />

Lichtwellen bei ihm longitudinal. Über <strong>die</strong> Entstehung der Farben schweigt er sich aus. Das nach ihm<br />

benannte Prinzip wurde von Kirchhoff 1882 streng mathematisch gefasst. Auf ihn geht der Begriff<br />

Trägheitsmoment zurück (physisches Pendel).<br />

Mit der Bestimmung der Bahnen der Planeten durch Kepler war <strong>die</strong> Physik vor <strong>die</strong> Aufgabe gestell, <strong>die</strong><br />

Kraftgesetze zu formulieren, <strong>die</strong> zu <strong>die</strong>ser Bewegung führen. Von Huygens stammt <strong>die</strong> Erkenntnis, daß<br />

<strong>die</strong> Kraft durch Größe und Richtung bestimmt ist; d. h. daß sie ein Vektor ist. Für <strong>die</strong> Zentrifugalkraft<br />

Z fand er (1673)<br />

Z = mv2<br />

a = mω2 a<br />

wobei m <strong>die</strong> Masse, v <strong>die</strong> Geschwindigkeit und a der Radius des Kreises ist. Basierend auf dem<br />

Galileischen Pendelgesetz entwickelt er eine Pendeluhr, welche 20 Jahre später Grundlage für Römers<br />

Bestimmung der Lichtgeschwindigkeit ist (und <strong>die</strong> für <strong>die</strong> Schiffahrt wichtig war zur geografischen<br />

Längenbestimmung).<br />

Hooke<br />

Robert Hooke (1635 - 1703) fand zwei wichtige Kräfte, welche in der Sprache der Zeit Gesetz genannt<br />

wurden:<br />

1. <strong>die</strong> harmonische Kraft der Federauslenkung aus der Ruhelage und<br />

∗ niedergelegt in ’Traité de la lumière’, Paris (1690)


436 ANHANG B. GESCHICHTE DER PHYSIK<br />

2. das 1<br />

a 2 Gesetz der Gravitation.<br />

Das erste wird auch heute noch Hookesches Gesetz genannt. Er kombinierte das 3. Keplersche Gesetz<br />

mit Huygens Zentrifugalkraft - Gesetz und fand (1666) für <strong>die</strong> Gravitationskraft F den Ausdruck<br />

F = const m<br />

a 2<br />

also das 1<br />

a 2 Gesetz.<br />

Beide Kräfte sind <strong>die</strong> wichtigsten der Physik: es sind <strong>die</strong> einzigen, <strong>die</strong> stets auf geschlossene Bahnen<br />

führen.<br />

Bei Hooke ist Licht eine transversale Welle. Damit erklärt er <strong>die</strong> bekannten Phänomene Prisma, Regenbogen,<br />

Farben dünner Plättchen. Er schreibt 1665 in ’Micrographia’ stolz: ’my theory is capable of<br />

explicating all the phenomena of colors, but of all that are in the world.’<br />

B.1.3 Newton<br />

Beides, das allgemeine Kraftgesetz und der besondere Ausdruck für <strong>die</strong> Gravitationskraft F , wurden<br />

✤von<br />

Newton in den Jahren von ✜1680<br />

bis 1685 gefunden und auf <strong>die</strong> Planetenbewegung angewendet.<br />

Die Newtonsche Gravitationstheorie ist eine Fernwirkungstheo-<br />

If I have seen farther than others it is<br />

rie, <strong>die</strong> Kraft F zwischen zwei <strong>Teil</strong>chen wirkt instantan, Raum und<br />

because I have stood on the shoulders<br />

of giants.<br />

Zeit sind absolut. Der Trägheitskompaß wird durch <strong>die</strong> Verteilung<br />

1675 der Sterne realisiert (überprüft und gedeutet im berühmten Eimer-<br />

✣<br />

✢versuch).<br />

Mit Isaac Newton (1643 - 1727) gibt es zum ersten (und bisher letzten) mal eine erfolgreiche Axiomatisierung<br />

der Physik nach dem Vorbild der Antike. Er formulierte <strong>die</strong> folgenden Axiome:<br />

Die drei Newtonschen Axiome<br />

Er formulierte <strong>die</strong> folgenden Axiome, <strong>die</strong> auch heute noch <strong>die</strong> klassische Physik korrekt beschreiben:<br />

1. Kraft = Masse×Beschleunigung<br />

Newton definiert <strong>die</strong> Kraft<br />

�F = m � b (B.1)<br />

wir definieren heute damit <strong>die</strong> träge Masse.<br />

2. Actio = Reactio<br />

Zu einer Wirkung besteht immer eine entgegengesetzt gerichtete und gleiche Gegenwirkung.<br />

3. Zwei punktförmige Massen ziehen einander an mit einer Kraft, <strong>die</strong> dem Produkt der Massen<br />

direkt und dem Quadrat ihrer Entfernungen voneinander umgekehrt proportional ist.<br />

�F = −G mM<br />

mM<br />

�a bzw. F = −G<br />

a3 a2 (B.2)<br />

Man sieht <strong>die</strong> Symmetrie der Gravitationskraft in den beiden Massen ausgedrückt: M <strong>die</strong> anziehende<br />

und m <strong>die</strong> angezogene, eine direkte Konsequenz aus Actio = Reactio. Die Gravitationskonstante G ist<br />

bis heute eine der nicht mehr deduzierbaren Fundamentalkonstanten der Physik.<br />

Newton hat damit als erster ein Inversionsproblem gelöst: gegeben sei <strong>die</strong> 3-dim Bewegung<br />

�x(t) (B.3)


B.1. NEWTONSCHE FERNWIRKUNG 437<br />

welches ist <strong>die</strong> Kraft, <strong>die</strong> zu <strong>die</strong>ser Bewegung führt? Antwort:<br />

..<br />

�x = 1<br />

m � F (B.4)<br />

Damit konnte er zeigen, daß <strong>die</strong> allgemeine Bewegung zweier Massen eine Kegelschnittlinie (Ellipse,<br />

Parabel, Hyperbel) ist. Newton kann deshalb zu recht (mit Galilei) als Begründer der <strong>Astrophysik</strong><br />

angesehen werden.<br />

Apfel und Mond<br />

Schon viel früher, nämlich 1665, hatte Newton (mit 22 Jahren) <strong>die</strong> Idee, <strong>die</strong> Kraft (der Erde) auf einen<br />

fallenden Apfel mit der auf den Mond zu vergleichen.<br />

Es ist lehrreich sich <strong>die</strong> Herleitung im einzelnen zu vergegenwärtigen und alle Voraussetzungen aufzuzeigen,<br />

<strong>die</strong> dazu notwendig waren: Die Zentrifugalbeschleunigung (s.o. Huygens) des Mondes beträgt<br />

Z = gMond =<br />

� �2 2π<br />

D<br />

P<br />

dabei ist P <strong>die</strong> Umlaufperiode und D <strong>die</strong> Entfernung Erde - Mond.<br />

Es gelten für <strong>die</strong> Zentrifugalbeschleunigung (heutiger Wert: gMond = 0.273 cm s −2 ) und für <strong>die</strong> Beschleunigung<br />

an der Erdoberfläche (heutiger Wert) g⊕ = 981 cm s −2 (s. o. Galilei). Nimmt man nun<br />

an, wie Newton das tat und wofür er von Kollegen kritisiert wurde, daß<br />

g⊕ = C⊕<br />

R 2 ⊕<br />

mit C⊕ = GM⊕<br />

ist, d. h. tut man so, als ob <strong>die</strong> Masse in einem Punkt konzentriert sei, so erhät man für den Quotienten<br />

g⊕/gMond:<br />

g⊕<br />

gMond<br />

=<br />

� D<br />

R⊕<br />

� 2<br />

Die Grobanalyse ergab (Erathostenes + Aristarch + Galilei) nun in der Tat 3600 = (60/1) 2 !<br />

Die genaueren Daten befriedigten Newton jedoch nicht und er gab <strong>die</strong> Bewegunglehre erst einmal auf.<br />

Es gab damals nämlich noch als rivalisierende Theorie <strong>die</strong> Wirbellehre von Descartes und <strong>die</strong> Daten<br />

schienen zusätzlich Wirbel für <strong>die</strong> Anziehung des Mondes zu verlangen. Wie aus der obigen Herleitung<br />

ersichtlich, geht an einer Stelle der Erdradius direkt ein: bei gMond.<br />

Erst als Jean Picard den Erdumfang neu vermessen hatte, wovon Newton zu seiner Zufriedenheit 1682<br />

erfuhr, seine Theorie stimmte!, konnte sein Freund Edmund Halley ihn dazu überreden, seine ’Principia’<br />

zu vollenden und zu publizieren, 1686, auf Halleys Kosten. Die Principia sind nach Demokrit der<br />

zweite bedeutende Versuch, <strong>die</strong> Physik zu axiomatisieren. Sie sind das einflussreichste Physik Buch,<br />

das je geschrieben wurde.<br />

Newton war nicht nur der erste, der eine Theorie entdeckte, welche bekannte Phänomene erklären<br />

konnte, hier also <strong>die</strong> Relationen:<br />

g⊕R 2 ⊕ = C⊕ = GM⊕ = ω 2 MondD 3<br />

er war auch der erste, dem es gelang, eine solche Theorie durch Beobachtung zu überprüfen. (Die<br />

Vorhersage Hipparchs u.a. der Sternparallaxe konnte erst von Bessel bestätigt werden).<br />

Newton versuchte vergeblich, <strong>die</strong> in seiner Theorie auftretende Gravitationskonstante G zu messen.<br />

Das gelang erst Cavendish etwa 70 Jahre nach Newtons Tod, er war aber in der Lage G abzuschätzen:


438 ANHANG B. GESCHICHTE DER PHYSIK<br />

er nahm <strong>die</strong> Dichte der Erde zu ρ = 5 g cm −3 an (Eisen), bestimmte <strong>die</strong> (damals noch unbekannte!)<br />

Masse der Erde M⊕ und berechnete G nach der Formel<br />

G = g⊕R 2 ⊕<br />

M⊕<br />

zu G = 7.35 · 10 −8 cm 3 g −1 s −2 , was um 10% höher liegt als der heutige Wert, G = 6.6732298 · 10 −8<br />

cm 3 g −1 s −2 .<br />

• ZUSATZ (DIE BERECHNUNG DER MONDBAHN DURCH DELAUNAY)<br />

Nach den Worten Newtons war <strong>die</strong> Berechnung der Mondbahn das einzige Problem, welches ihm Kopfschmerzen bereitet<br />

hat.<br />

1847 begann der französische Astronom Charles Delaunay, <strong>die</strong> Bahn des Mondes im Feld der Erde und der Sonne mithilfe<br />

einer Störungstheorie zu berechnen. Er benötigte 10 Jahre für seine Formeln und weitere 10 Jahre zur Überprüfung. Die Ergebnisse<br />

wurden 1867 publiziert und galten bis 1970 (da niemand den Mut aufbrachte, <strong>die</strong> Gleichungen zu überprüfen). Erst<br />

mithilfe der Computer Algebra war eine Prüfung möglich. Es zeigte sich, daß Delaunay nur ein kleiner Fehler unterlaufen<br />

war, mit zwei Folgefehlern: alle damals unbeobachtbar von der Genauigkeit her.<br />

Die (lanzeitige) Berechnung der Mondbahn ist auch heute noch eines der schwierigsten Probleme der <strong>Astrophysik</strong> (Gezeitenreibung).<br />

Der Newtonsche Eimerversuch<br />

Newton sagt in seinen Principia: ’Der absolute Raum bleibt vermöge seiner Natur und ohne Beziehung<br />

zu einem äusseren Gegenstand stets gleich und unbeweglich.’ Er gibt dazu folgenden Versuch an.<br />

• ZUSATZ (NACHWEIS ZUM ABSOLUTEN RAUM)<br />

Man hänge ein Gefäß an einem sehr langen Faden auf, drehe denselben beständig im Kreise herum, bis der Faden durch <strong>die</strong><br />

Drehung sehr steif wird; hierauf fülle man es mit Wasser und halte es zugleich mit letzterem in Ruhe. Wird es nun durch<br />

eine plötzliche Kraft in entgegengesetzte Kreisbewegung gesetzt und hält <strong>die</strong>se, während der Faden sich ablöst, längere<br />

Zeit an, so wird <strong>die</strong> Oberfläche des Wassers anfänglich eben sein, wie vor der Bewegung des Gefäßes; hierauf, wenn <strong>die</strong><br />

Kraft allmählich auf das Wasser einwirkt, bewirkt das Gefäß, daß <strong>die</strong>ses (das Wasser) merklich sich umzudrehen anfängt.<br />

Es entfernt sich nach und nach von der Mitte und steigt an den Wänden des Gefäßes in <strong>die</strong> Höhe, indem es eine hohle Form<br />

annimmt. (Diesen Versuch habe ich selbst gemacht.) . . . Im Anfang, als <strong>die</strong> relative Bewegung am größten war,verursachte<br />

<strong>die</strong>selbe kein Bestreben, sich von der Achse zu entfernen. Das Wasser suchte nicht,sich dem Umfang zu nähern, indem es<br />

an den Wänden emporstieg, sondern blieb eben, und <strong>die</strong> wahre kreisförmige Bewegung hatte daher noch nicht begonnen.<br />

Die Newtonsche Korpuskulartheorie des Lichts<br />

Zur Erinnerung: bei Huygens ist Licht longitudinal, bei Hooke transversale Welle im Äther. Newton<br />

erkärt im Gegensatz dazu Licht als Korpuskel (im Vakuum), welche von Materie angezogen werden. Er<br />

findet dementsprechen keine befriedigende Lösung für <strong>die</strong> Beugung. Er zerlegt 1672 als erster weißes<br />

Licht in Farben mit Hilfe eines Prismas und schreibt † : ’. . . that light itself is a heterogeneous mixture<br />

of differently refrangible rays.’<br />

Nach Newton sollte (wegen der Anziehung) <strong>die</strong> Lichtgeschwindigkeit im Medium größer sein als<br />

in Luft (Vakuum). Er nahm an, daß <strong>die</strong> Farben durch <strong>die</strong> Größe der Korpuskel bewirkt werde: der<br />

roten Farbe entsprachen <strong>die</strong> größten <strong>Teil</strong>chen, der gelben Farbe mittlere und schließlich der blauen <strong>die</strong><br />

kleinsten <strong>Teil</strong>chen.<br />

Er stellt fest, daß er beim Hämmern in der Ferne erst das Licht und dann den Schall beobachtet. Seine<br />

Versuche <strong>die</strong> Lichtgeschwindigkeit zu messen waren (ebenso wie <strong>die</strong> von Galilei vorher) vergeblich,<br />

Römers Bestimmung akzeptierte er nicht.<br />

† Phil. Trans. 6, 3075 (1671 - 1672)


B.1. NEWTONSCHE FERNWIRKUNG 439<br />

• ZUSATZ (VERGLEICH DER LICHT-THEORIEN)<br />

Mit seiner Korpuskel Theorie stellt Newton sich ganz bewusst gegen Hooke und Huygens. Vom damaligen Standpunkt<br />

aus betrachtet waren beide unbefriedigend: Huygens konnte <strong>die</strong> Farben, Newton <strong>die</strong> ihm bereits bekannte Beugung nicht<br />

erklären.<br />

In beiden Theorien ist <strong>die</strong> Lichtgeschwindigkeit konstant. Römer (1644 - 1710) — ein dänischer Astronom, der mit Domenico<br />

Cassini am Observatorium von Paris arbeitete — errechnete <strong>die</strong>se 1676 aus der Verspätung einer Verfinsterung eines<br />

der Jupitermnde (Umlaufszeit um Jupiter 42.5 Stunden) um 20 Sekunden <strong>die</strong> zu 300 000 km/s. (In der Zeit entfernt sich <strong>die</strong><br />

Erde um 4.5 Mio km von Jupiter). Nur Huygens glaubte damals daran.<br />

Grundlage einer solchen Messung ist eine Uhr, <strong>die</strong> über ein Jahr auf 1 Sekunde genau geht (20 Jahre vorher von eben<strong>die</strong>sem<br />

Huygens erfunden, s.o.).<br />

B.1.4 Ausbau der Newtonschen Theorie<br />

Halley, ein Freund Newtons, vermutet, daß Kometenerscheinungen periodisch sind. Anhand von 25 historisch<br />

überlieferten Erscheinungen findet er <strong>die</strong> korrekte Periode, gestützt auf Newtons Methode, Kometenbahnen<br />

zu berechnen. Er behauptet, daß <strong>die</strong> Kometenerscheinungen aus den Jahren 1531, 1607<br />

und 1682 auf denselben Kometen mit einer Periode von 76 Jahren zurückzuführen sein könnten und<br />

sagt seine Wiederkehr für 1758 voraus. Der Komet wurde bei seinem tatsächlichen Erscheinen postum<br />

nach Halley benannt. (Letzte Wiederkehr 1986). Anhand von systematischen Differenzen zwischen historischen<br />

(Beschreibungen von) Sonnenverfinsterungen und aktuellen Beobachtungen entdeckt er <strong>die</strong><br />

Verlangsamung der Erdrotation, welche erstmals von Kant (Ob <strong>die</strong> Rotation der Erde sich geändert<br />

hat (1754).) als Abbremsung durch den Mond erkannt wurde.<br />

Kant erklärt (1755) ferner <strong>die</strong> Abplattung der Galaxis durch Rotation und betont erstmals <strong>die</strong> Bedeutung<br />

des Drehimpulses in der <strong>Astrophysik</strong>. Dargelegt in: Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des<br />

Himmels, oder Versuch von der Verfassung und dem mechanischen Ursprung des ganzen Weltgebäudes<br />

nach Newtonischen Grundsätzen abgehandelt. Er vermutet, daß einige Nebel eigenständige Inselwelten<br />

(Galaxien) sind.<br />

Die Newtonsche Mechanik wurde in zweierlei Richtungen im folgenden erweitert: zum einen wurde<br />

ein immer effektiverer und eleganterer mathematischer Apparat aufgebaut, an dem alle berühmten<br />

Mathematiker und Physiker (oft in erbitterter Konkurrenz zueinander) beteiligt waren. Von Euler und<br />

Lagrange bis zu Laplace, Gauß und Bessel reichen <strong>die</strong> berühmten Namen. Zum anderen wurde <strong>die</strong><br />

Punktmechanik zu einer Theorie der Gase (Thermodynamik), zur Hydrostatik (Lagrange) und zur Hydrodynamik<br />

(Euler) ausgebaut.<br />

Euler (1707 - 1783) — von Hause aus Mathematiker — betont ganz klar <strong>die</strong> Analogie zwischen Schallwellen<br />

(in Luft) und Lichtwellen (im Äther). Auf <strong>die</strong> Schwierigkeiten, welche das Licht bereitete,<br />

gehen wir in einem gesonderten Kapitel ein.<br />

Laplace<br />

Mit der Newtonschen Gravitation war zwar <strong>die</strong> Grundlage zur Beschreibung der Planetenbahnen gegeben,<br />

eine Erklärung, warum <strong>die</strong>se nahezu in einer Ebene liegen, konnte Newton nicht geben. Dies<br />

gelang erst Kant (1755) und Laplace (1796), welche <strong>die</strong> Bedeutung des Drehimpulses (für <strong>die</strong> Bildung<br />

der Planeten (Saturnringe), des Sonnensystems bzw. der Galaxis) erkannten. Erstes Modell des<br />

Sonnensystems (Urnebel).<br />

Darüber hinaus gab es noch eine schwerwiegende Diskrepanz bei der Planetenbewegung, <strong>die</strong> erst 100<br />

Jahre später ihre Erklärung fand: <strong>die</strong> grosse Anomalie von Jupiter und Saturn. Die Beobachtungen<br />

schienen darauf hinzudeuten, daß Jupiter in <strong>die</strong> Sonne stürzen würde und Saturn aus dem Sonnensystem<br />

fliegen würde. Die praktische Lösung Newtons bestand darin, daß Gott von Zeit zu Zeit einzugreifen<br />

hätte und <strong>die</strong> Bahnen korrigieren müßte, <strong>die</strong> physikalische wurde von Laplace (1799) geliefert:<br />

es handelt sich um eine Resonanz der Umlaufperioden im Verhältnis (5:2). Diese ist aber mit 11.8 yr


440 ANHANG B. GESCHICHTE DER PHYSIK<br />

und 29 yr nicht perfekt, das Aufschaukeln der Bahnstörung dauert nur etwa 500 Jahre, nach 900 Jahren<br />

ist der alte Zustand wieder erreicht.<br />

B.1.5 Zusammenfassung<br />

Mit der Newtonschen Punktmechanik und Gravitation erhält man folgende Vorschrift zur Beschreibung<br />

eines physikalischen Systems: gegeben seien <strong>die</strong> Orte und Geschwindigkeiten aller <strong>Teil</strong>chen, dann ist<br />

<strong>die</strong> zeitliche Entwicklung eindeutig bestimmt. Das Gravitationsfeld hat keine eigenen Freiheitsgrade.<br />

Dies war <strong>die</strong> philosophische Grundlage des Materialismus und Determinismus (an der sich sogar Lenin<br />

versucht hat).<br />

B.2 Licht: Relativität und Dualismus<br />

B.2.1 Optik<br />

Die Ideengeschichte des Lichts ist lehrreich und voller Überraschungen. Von Anfang an gibt es einen<br />

Dualismus der Anschauungen: Licht ist entweder Korpuskel (geometrische Optik) oder Welle (Interferenz).<br />

So lange wie man nicht fragt, woraus <strong>die</strong> Korpuskel bestehen, ist es sicher einfacher, Licht als <strong>Teil</strong>chen<br />

zu beschreiben. Einige einfache Konsequenzen <strong>die</strong>ser Theorie sind:<br />

1. (Newton) <strong>die</strong> Lichtgeschwindigkeit im Vakuum muß konstant sein.<br />

2. (Newton, Michell, Laplace) <strong>die</strong> Masse der Licht Korpuskel ist variabel. Aus einem schwarzen<br />

Loch entweicht kein Licht.<br />

3. (Soldner, 1804) Licht wird im Gravitationsfeld abgelenkt.<br />

Nimmt man dagegen an, daß Licht eine Welle ist, dann stellt sich <strong>die</strong> Frage, worin Licht sich ausbreitet.<br />

Zunächst nahm man an, daß dazu ein elastischer Äther notwendig sei und daß <strong>die</strong> Wellen sich darin<br />

longitudinal ausbreiten. Die Entdeckung der Polarisation (Malus, 1808) führte Young und Fresnel dazu,<br />

einen festen Äther zu postulieren. Diese etwas absurde Vorstellung wurde endgültig erst durch den<br />

Versuch von Michelson 1881 ad acta gelegt. Bis dahin versuchte man, <strong>die</strong> Eigenschaften des Äthers<br />

experimentell zu finden und mathematisch zu formulieren.<br />

In der Tat fand Maxwell seine Gleichungen, mithilfe eines detaillierten Modells des Äthers. Hertz und<br />

Heaviside zeigten dann aber, daß ein Vakuum genügt. Vakuum bedeutet dabei, daß das elektromagnetische<br />

Feld kontinuierlich ist wie der Raum, in dem es existiert. Lorentz (Minkowski, Poincaré) und<br />

insbesondere Einstein entdeckten dann ein zusätzliches Phänomen: <strong>die</strong> Konstanz der Lichtgeschwindigkeit.<br />

Die Maxwellsche Theorie des elektromagnetischen Feldes ist das Paradigma einer relativistischen<br />

Feldtheorie. Das Feld ist reell (Photon = Anti-Photon), es breitet sich im Vakuum dispersionsfrei mit<br />

Lichtgeschwindigkeit aus und erfüllt auch klassisch bereits <strong>die</strong> Unschärfe-Relation für Ort und Impuls.<br />

Was zur korrekten Beschreibung fehlt ist der diskrete Drehimpuls (Spin) und damit der <strong>Teil</strong>chencharakter<br />

des Photons.<br />

Das elektromagnetische Feld ist auch mathematisch ausgezeichnet: es ist <strong>die</strong> einfachste Darstellung<br />

zum Spin 1 mit besonders einfacher, nämlich linearer Wellengleichung. Damit gilt das Superpositionsprinzip,<br />

Solitonen entfallen.<br />

Die korrekte Beschreibung von Licht ist allerdings nur möglich, falls seine Wechselwirkung mit Materie<br />

(Moleküle oder Atome) bekannt ist. Die Beobachtung führt zu dem (klassisch unverständlichen)


B.2. LICHT: RELATIVITÄT UND DUALISMUS 441<br />

Befund, daß zwischen Atom und Welle der Austausch von Energie nur in diskreten Einheiten (Quanten<br />

mit Spin eins) erfolgt. Diese Plancksche Hypothese wurde ursprünglich als Rechenvorschrift formuliert,<br />

mit der Hoffnung, daß das wahre Feld im Grunde doch kontinuierlich sei. Die Plancksche<br />

Hypothese wird jedoch direkt im Photo-Effekt und im Compton-Effekt verifiziert, was Einstein dazu<br />

führte, das Konzept der Lichtquanten (Photonen) zu postulieren. Daran hat sich bis heute nichts mehr<br />

geändert. Realisiert werden <strong>die</strong>se Vorstellungen mithilfe der Quantenfeldtheorie.<br />

B.2.2 Das Licht und seine Quellen<br />

Überblick<br />

Der Atomismus wurde in der Neuzeit von Newton, D. Bernoulli, Lavoisier und Dalton vertreten. Daniel<br />

Bernoulli vertritt (1733) <strong>die</strong> These, daß Wärme eine Form der kinetischen Energie vermittels von<br />

Stößen ist. Wichtige Schritte wurden getan von Dalton mit seinem Gesetz der multiplen Proportionen<br />

und von Avogadro. Dieser prägte den Begriff Molekül und er hat als erster <strong>die</strong> Auffassung vertreten,<br />

daß Atome sich chemisch zu Molekülen verbinden. Er fand erstmals <strong>die</strong> nach ihm benannten Anzahl<br />

der Moleküle im Volumen (bei gleichem Druck und gleicher Temperatur, N = N(V, P, T )). Die<br />

Mehrzahl der Chemiker (im Gegensatz zu den meisten Physikern) hatte bis zum Beginn des 20ten<br />

Jahrhundert <strong>die</strong>se Vorstellung übernommen.<br />

Gegen den Atomismus stand der Plenismus, vertreten von von Descartes (1596 - 1650) und Leibniz<br />

(1646 - 1716). Nach <strong>die</strong>ser Vorstellung war <strong>die</strong> Welt kontinuierlich angefüllt mit Materie, einen leeren<br />

Raum gibt es nicht. Die Mehrzahl der Physiker bis zum Beginn des 20ten Jahrhundert hatten <strong>die</strong>se<br />

Vorstellung.<br />

In <strong>die</strong>sem Zusammenhang stellte sich mit Aufkommen der modernen Physik mit Galilei <strong>die</strong> Frage<br />

nach dem Wesen von Licht. Von Anfang an gab es einen Dualismus, allerdings zunächst ebenso wie<br />

in der Antike nur der Anschauungen. In <strong>die</strong>sem Fall standen sich Huygens mit seiner Wellentheorie<br />

und Newton, der dem Licht <strong>Teil</strong>chencharakter zusprach, im Wettstreit gegenüber, welcher durch <strong>die</strong><br />

Autorität Newtons im Sinne der Korpuskulartheorie entschieden wurde. Huygens konnte Beugung,<br />

Interferenz (und Polarisation), Newton dagegen <strong>die</strong> Brechung von Licht beim Übergang von einem<br />

Medium ins andere elegant erklären. Um <strong>die</strong> Brechung im dichteren Medium (zur Normalen hin)<br />

erklären zu können, muß man annehmen, daß <strong>die</strong> Geschwindigkeit von Licht im dichteren Medium<br />

größer ist als in Luft.<br />

1842 entdeckte Christian Doppler den nach ihm benannten Effekt an Schallwellen und sagte einen<br />

analogen Effekt für das Licht der Sterne voraus. Dieser wurde von H. Fizeau 1848 (zwar nicht am<br />

Kontinuum, sondern) an Spektrallinien der Sterne für möglich erachtet und erstmals von Huggins 1868<br />

nachgewiesen.<br />

Trotz beeindruckender Arbeiten von Arago, Malus, Young und Fresnel zur Wellennatur des Lichts<br />

dauerte es bis bis 1850, als Fizeau und Foucault erstmals <strong>die</strong> Wellengeschwindigkeit des Lichts in<br />

Materie messen konnten. Damit war gezeigt, daß <strong>die</strong> Newtonsche Vorstellung falsch war. Da man sich<br />

<strong>die</strong> Ausbreitung von Licht im Vakuum nicht vorstellen konnte und da <strong>die</strong> Fresnelsche Deutung der<br />

Polarisation transversale Lichtwellen forderte, wurde ein hypothetischer elastischer Äther eingeführt,<br />

in dem solche Wellen sich ausbreiten konnten. Maxwell begründet bereits 1860 seine Lichttheorie. Die<br />

Arbeiten von Hertz zeigen experimentell <strong>die</strong> Richtigkeit der Maxwellschen Theorie und das gesamte<br />

Gebiet der optischen Erscheinungen wird damit <strong>Teil</strong> der Elektrodynamik.<br />

Die klassische Epoche<br />

Bradley (1692 - 1762) — Astronom in Greenwich — bestätigt 1727 <strong>die</strong> Entdeckung Römers, welche bis dahin<br />

keine allgemeine Anerkennung gefunden hatte, durch Entdeckung und Messung der Aberration des<br />

Lichts.


442 ANHANG B. GESCHICHTE DER PHYSIK<br />

Dalton, J. (1766 - 1844) — engl. Chemiker — entwickelt, aufgrund von metereologischen und physikalischen<br />

Beobachtungen eine Atomtheorie. Er nannte <strong>die</strong> kleinsten <strong>Teil</strong>chen Atome. Ordnet <strong>die</strong> chemischen Elemente<br />

nach ihren relativen Massen. Schreibt Formeln für chemische Verbindungen. ’Gesetz von der Erhaltung<br />

der Masse’. ’Gesetz der konstanten und multiplen Proportionen’ (1804).<br />

Avogadro, Francois Amadeus (1776 - 1856) entdeckt, daß gleiche Raumteile verschiedener Gase <strong>die</strong> gleiche<br />

Anzahl kleinster <strong>Teil</strong>chen haben müssen. Solche <strong>Teil</strong>chen können sich bei chemischen Reaktionen spalten.<br />

Betrachtet Gase als aus Molekülen bestehend und unterscheidet als erster klar zwischen Molekülen und<br />

Atomen. Die Anzahl Moleküle eines Mols heißt ihm zu Ehren Avogadro’sche Zahl NA. Sie wurde von<br />

J. Loschmidt 1865 zum ersten mal bestimmt und mit größerer Genauigkeit 1907 von J. Perrin zu NA =<br />

6 · 10 23 /Mol.<br />

Arago (1786 - 1853) stellt fest, daß Licht bei der Beugung teilweise polarisiert wird. Gemeinsam mit Fresnel<br />

(s.u.) kann er zeigen, daß senkrecht zueinander polarisierte Lichtstrahlen nicht miteinander interferieren.<br />

Malus, E. L. (1775 - 1812) entdeckt und benennt 1808 (beim Betrachten des Palais Luxembourg in Paris mit<br />

einem Kalkspat) <strong>die</strong> Polarisation des Lichts. (polar in Analogie zum Magnetismus).<br />

Young, Thomas (1773 - 1829) Interferenz von Licht.<br />

Fresnel, A. J. (1788 - 1827) erklärt <strong>die</strong> meisten optischen Phänomene aus einer (Wellen)Theorie des Lichtäthers ‡ .<br />

Er zieht aus seinen Versuchen mit Arago 1821 den Schluß, daß Licht transversal sein muß.<br />

Faraday, Michael (1791 - 1867) findet <strong>die</strong> Elementarladung 1833 aufgrund seiner Elektrolyse-Gesetze. Die<br />

Bezeichnung Ion (gr.: Wanderer) geht auf ihn zurück. Beweist den Erhaltungssatz der elektrischen Ladung<br />

mit dem Faraday-Käfig und dem Becher Versuch. Sein größter Beitrag zur Physik ist das Konzept des<br />

Feldes.<br />

Coulomb, Charles Augustin de (1736 - 1806) misst Ladungen mit dem (Knallgas) Coulo(mb)meter und entdeckt<br />

1785 <strong>die</strong> Leitfähigkeit der Gase bei der Entladung eines Elektroskops.<br />

Stoney, G. Johnstone () betont den Atomismus der Elektrizität und schlägt 1891 den Namen Elektron als Grundeinheit<br />

der Elektrizität vor. Der numerische Wert für e wurde 1874 von ihm abgeschätzt.<br />

Helmholtz, Hermann v. (1821 - 1894) war zunächst Arzt. In seiner Faraday Lecture 1881 betont er, daß e<br />

der kleinstmögliche Wert für eine Ladung ist: ’Wenn wir Atome der chemischen Elemente annehmen, so<br />

können wir nicht umhin, weiter zu schließen, daß auch <strong>die</strong> Elektrizität, positive wie negative, in bestimmte<br />

elementare Quanten geteilt ist, <strong>die</strong> sich wie Atome der Elektrizität verhalten’.<br />

Joule, James Prescott (1818 - 1889) bestimmt 1851 <strong>die</strong> erste (mikroskopische) Molekülgröße: <strong>die</strong> mittlere kinetische<br />

Geschwindigkeit.<br />

Fizeau, H. (1819 - 1896) misst als Erster <strong>die</strong> Lichtgeschwingigkeit terrestrisch und bestätigt den von Römer<br />

gefundenen Wert. Bestätigt 1851 eine Vorhersage Fresnels zum Mitführungskoeffizienten (in stömendem<br />

Wasser).<br />

Foucault, Leon (1819 -1868) — von Haus aus Mediziner — misst 1850 <strong>die</strong> Lichtgeschwindigkeit v in Wasser<br />

und beweist damit <strong>die</strong> Richtigkeit der Hookeschen Vorstellungen (v < c, nach Newton hätte v > c gelten<br />

sollen).<br />

Michelson, A.A. (1852 -1931) misst mit einer verbesserten Foucaultschen Versuchsanordnung sogar <strong>die</strong> Dispersion<br />

der Lichtgeschwindigkeit (in Schwefelkohlenstoff). Zusammen mit Morley findet er, daß im Vakuum<br />

<strong>die</strong> Lichtgeschwindigkeit unabhängig von der (Erd)Bewegung ist.<br />

‡ ’Mémoire sur la diffraction de la lumière’, Paris (1819)


B.2. LICHT: RELATIVITÄT UND DUALISMUS 443<br />

Maxwell, James Clark (1831 - 1889) begründet 1860 <strong>die</strong> Lichttheorie (basierend auf Faradays Vorstellung<br />

des Feldes und des Verschiebungsstroms). Das gesamte Gebiet der optischen Erscheinungen wird damit<br />

<strong>Teil</strong> der Elektrodynamik. Bestimmt 1860 <strong>die</strong> zweite (mikroskopische) Molekülgröße: <strong>die</strong> mittlere freie<br />

Weglänge.<br />

Zeeman, Pieter (1865 - 1943) entdeckt (nach erfolglosem Vorversuch von Faraday) <strong>die</strong> Linienaufspaltung im<br />

Magnetfeld an der Na D-Linie. Auf Grund <strong>die</strong>ses Experimentes entwickelt H. A. Lorentz eine einfache<br />

Theorie des Elektrons.<br />

Lorentz, Hendrik Antoon (1853 - 1928) Überarbeitete 1875 in seiner Dissertation <strong>die</strong> Fresnelsche Wellentheorie<br />

des Lichts und beschreibt Brechung und Reflexion ausschließlich mit transversalen Wellen und erweitert<br />

1892 mit seiner Elektronentheorie <strong>die</strong> Maxwellsche Theorie für Materie. (Dispersion u. Stossdämpfung).<br />

’Versuch einer Theorie der elektrischen und optischen Erscheinungen in bewegten Körpern’ Leiden (1895)<br />

u. ’Theory of Electrons’ Teubner (1909). Dabei bleibt das Elektron ein Fremdling in der Elektrodynamik<br />

(so Einstein). Auch heute kann man nicht erklären, was ein Elektron zusammenhält. 3/4 seiner Ruhmasse<br />

sind rein el.mag. Ursprungs; 1/4 rührt von Wirkungen her, <strong>die</strong> nicht im Bereich der Maxwellschen Theorie<br />

liegen.<br />

Larmor, Sir Joseph (1857 - 1942) Formel für el. Dipolstrahlung (1897) und für <strong>die</strong> Präzession eines Elektrons<br />

im Magnetfeld (Larmor-Präzession)<br />

Hertz, Heinrich (1857 - 1894) krönt <strong>die</strong> Wellentheorie durch <strong>die</strong> Entdeckung el. mag. Wellen am 13.11.1886<br />

(und des Photoeffekts 1887). Hertz fasste <strong>die</strong> Situation 1889 wie folgt zusammen: ’Die Wellentheorie<br />

des Lichts ist, menschlich gesprochen, Gewissheit; was aus derselben mit Sicherheit folgt, ist ebenfalls<br />

Gewissheit.’ Als <strong>die</strong>s gesagt wurde hatte<br />

Hallwachs, Wilhelm (1859 -1922) bereits nach Vorarbeiten von Hertz den ’äusseren lichtelektrischen Effekt’<br />

genauer untersucht und das war der Anfang vom Ende der klassischen Physik. Nach Einsteins Erklärung<br />

widmete Hallwachs sich erneut der Lichtelektrizität und trug massgeblich zur Entwicklung der Photozelle<br />

bei.<br />

Der Übergang<br />

Von einer Krise zur andern.<br />

Röntgen, Wilhelm Konrad (1845 - 1923) endeckt 1895 seine X-Strahlen und erhielt dafür als erster den Nobelpreis<br />

für Physik (1901). 1909 konnte C. G. Barkla <strong>die</strong> Wellennatur der Röntgen-Strahlung durch Streuversuche<br />

nachweisen.<br />

Laue, Max von (1879 - 1960) Die Wellenlänge der Röntgenstrahlung konnte erstmals von M. von Laue 1912<br />

durch Beugungsversuche an Kristallen gemessen werden. Er fand für <strong>die</strong> Wellenlänge etwa 10 −8 cm.<br />

Goldstein, Eugen (1850 - 1930) benennt 1876 <strong>die</strong> Kathodenstrahlung, entdeckt und benennt 1886 <strong>die</strong> Kanalstrahlen<br />

und entdeckt 1907 <strong>die</strong> Funkenspektren ionisierter Atome.<br />

Thomson, Joseph John (1856 - 1940) ionisiert 1896 Gase mit Röntgenstrahlen und identifiziert <strong>die</strong> dabei entstandenen<br />

Ionen als mit denen der Elektrolyse identisch. 1897 Entdeckung des (freien) Elektrons. Dies ist<br />

damit das erste Elementarteilchen. Bestimmung von e/m. Die Bezeichnung Elektron bürgert sich jedoch<br />

erst nach 1910 ein. Durch Ablenkungsversuche an Ionen konnte er <strong>die</strong> Existenz von Isotopen (Ne20 und<br />

Ne22) zeigen. Er entwirft ein Billardkugel Modell vom Atomkern, wo gleich viel negative und positive Ladungen<br />

homogen verteilt sind. Streuformel für Streuung von Licht an freien Elektronen. Durch Vergleich<br />

von e/m für ein Wasserstoff-Ion sagt er ein Massenverhältnis Proton/Elektron von 1836 voraus.<br />

Becquerel, Henri (1852 - 1908) entdeckt und benennt 1896 <strong>die</strong> (natürliche) Radioaktivität an Uranerz (Pechblende).


444 ANHANG B. GESCHICHTE DER PHYSIK<br />

Curie, Pierre (1859 -1906; Curie-Gesetz des Magnetismus, Piezoelektrizität) und<br />

Curie, Marie (1867 - 1934) entdecken und stellen 1898 das bis dahin unbekannte Radium auf chemischem<br />

Wege (später auch Polonium) her. Für 0.1g Radium brauchten sie 1 Tonne Pechblende.<br />

Lenard, Philipp (1862 - 1947) klärt 1897 <strong>die</strong> Natur der Kathodenstrahlung (Elektronen der Ladung −e und<br />

Masse m). Bestimmt e/m beim Photoeffekt und identifiziert so <strong>die</strong> emittierten <strong>Teil</strong>chen als Elektronen.<br />

Wien, Willy (1864 - 1928) entdeckt <strong>die</strong> Protonen. Mit Hilfe von Gasentladungen an Wasserstoff bestimmt er<br />

e/m, welches mit dem von Wasserstoff-Ionen übereinstimmte. Er räumt so mit der Anodenstrahlung<br />

(Kanalstrahlung) auf.<br />

Rutherford, Ernest (1871 - 1937) gelingt es 1902 (gemeinsam mit Soddy) <strong>die</strong> von Madame Curie entdeckte<br />

radioaktive Strahlung in drei Gruppen aufzuspalten, welche sie α, β, und γ Strahlung nennen. Er schlägt<br />

1911 sein Atommodell (Kern aus Protonen, Hülle aus Elektronen) nach Streuversuchen mit α-<strong>Teil</strong>chen<br />

vor. 1919 führte er den ersten künstlichen Kernzerfall durch, indem er N-Atome mit α <strong>Teil</strong>chen (des<br />

Radium-C) beschoß, wobei er Protonen (und O) erhielt: N(α,p)O. Aus dem Vergleich der Atommassen<br />

und der Kernladung schloß er auf <strong>die</strong> Existenz eines neutralen <strong>Teil</strong>chens, welches er Neutron nannte, von<br />

der Masse eines Protons. Die Bezeichnung Proton für den Wasserstoffkern geht ebenfalls auf Rutherford<br />

zurück. Das Proton ist somit nach dem Elektron das 2. entdeckte Elementarteilchen.<br />

Einstein, Albert (1879 - 1955) führt 1905 das Photon ein und erklärt so den Photoeffekt. Die Energie E eines<br />

Photons ist durch das Plancksche Wirkungsquantum h mit der Frequenz ν verbunden: E = hν. Ebenfalls<br />

1905 formuliert er <strong>die</strong> Grundlagen der speziellen Relativitätstheorie. Die Konstanz der Lichtgeschwindigkeit,<br />

d. h. das Ergebnis des Michelson-Morley Versuchs, ist bei Einstein Grundpostulat.<br />

Millikan, Robert Andrews (1868 - 1953) misst (nach Vorarbeiten von Townsend und J. J. Thomson) <strong>die</strong> Elementarladung<br />

e 1909 an Öltröpfchen.<br />

Franck, James (1882 - 1964) führt gemeinsam mit<br />

Hertz, Gustav (1887 - 1975) – Neffe von H. Hertz –<br />

1911 seinen Versuch zur Überprüfung der Quantenhypothese durch.<br />

Bohr, Niels Henrik David (1885 - 1962) begründet 1913 sein quantisiertes Atommodell.<br />

Sommerfeld, Arnold (1868 - 1951) fasst 1919 in seiner ’Theorie des Atombaus und der Spektrallinien’ <strong>die</strong><br />

Quantenphysik zusammen, wo auch relativistische Effekte berücksichtigt sind. Von ihm stammt <strong>die</strong> Feinstrukturkonstante<br />

α. Auf Grund einer Zufallsentartung kann seine relativistische Formel quantitativ <strong>die</strong><br />

Feinstruktur der Spektrallinien erklären. Nicht erklären lassen sich <strong>die</strong> Feinstruktur beim Zeemann-Effekt,<br />

der Stern-Gerlach Versuch und <strong>die</strong> Dublett Aufspaltung der Na D-Linie.<br />

Compton, Arthur Holly (1892 - 1962) erklärt 1923 (Phys. Rev 21, 207, 438; 22, 409) <strong>die</strong> Ergebnisse seiner<br />

Streuexperimente mit X-Strahlen mit Hilfe von Photonen und korrigiert <strong>die</strong> Thomsonsche Streuformel.<br />

Der Wirkungsquerschnitt für <strong>die</strong> Compton-Streuung wurde 1929 von O. Klein u. Y. Nishina berechnet (Z.<br />

Phys. 52, 853, 1929).<br />

Weyl, Hermann (1885 - 1955) (1920) ’Eichinvarianz’.<br />

Die Quantenära<br />

Aus der Krise ins Desaster.<br />

Broglie, Louis-Victor de (1892 - 1976) behauptet <strong>die</strong> Welleneigenschaft für <strong>Teil</strong>chen mit der Wellenlänge λ =<br />

h/mv. Nature 112 (1923) 540; Doktorarbeit (1924); Ann. de Phyique 10, 2 (1925). Seine Überlegungen<br />

(λ = h/mv) wurden sofort von Davisson und Germer 1927 an Elektronen und von O. Stern an Atomen<br />

durch Interferenz bestätigt.


B.3. QUANTEN - FELDTHEORIE 445<br />

Uhlenbeck, George E. (1900 - ) und<br />

Goudsmit, Samuel (1902 - ) führen (trotz Warnungen von H. A. Lorentz und W. Pauli, halbzahliger Drehimpuls<br />

sei Unsinn) 1925 den Spin des Elektrons ein (Naturwiss. 13 (1925),953 und Nature CXVII (1926), 264).<br />

’Spinning Electrons and the structure of the spectra’.<br />

Heisenberg, Werner Karl (1901 - 1976) begründet 1925 seine Form der Quantenmechanik (’Über quantenmechanische<br />

Umdeutungen kinematischer und mechanischer Beziehungen’). Schafft mit Max Born und<br />

Pascual Jordan <strong>die</strong> ’göttinger Matrizenmechanik’. Formuliert 1927 seine Unschärferelation. (’Über den<br />

anschaulichen Inhalt der quantentheoretischen Kinematik und Mechanik’. Z. Phys. 43, 1927, 172).<br />

Born, Max (1882 - 1970) und<br />

Jordan, Pascual (1902 - 1980) schreiben 1925 zum ersten mal <strong>die</strong> Vertauschungsrelationen für Ort und Impuls:<br />

P Q − QP = (h/2πi)I.<br />

Schrödinger, Erwin (1887 - 1961) formuliert 1926 seine Wellengleichung. Ann. d. Phys. 79 (1925) 361 u. 489;<br />

80 (1926), 437; 81 (1926), 109. Er zeigte 1926, daß Heisenbergs Matritzenrechnung und seine Wellengleichung<br />

nur verschiedene Darstellungen ein und derselben Theorie sind.<br />

Pauli, Wolfgang (1900 - 1958) postuliert 1924 den Kernspin, um <strong>die</strong> Hyperfeinstruktur zu erklären. Ebenfalls<br />

1924 formuliert er (durch <strong>die</strong> Annahme einer zusätzlichen Quantenzahl für das Elektron) sein Ausschließungs-<br />

Prinzip für Fermionen . Den Spin akzeptierte er erst, als L. H. Thomas 1926 mit einer relativistischen Herleitung<br />

<strong>die</strong> richtige Spin-Bahn Wechselwirkung fand. Daraufhin beschreibt er 1927 den Spin des Elektrons<br />

mit seinen Matrizen (welche bei Hamilton Quaternionen hießen). Sagt 1930 das Neutrino voraus § . Klärt<br />

1940 den Zusammenhang zwischen Spin und Statistik.<br />

Dirac, Paul Adrien Maurice (1902 - ) verbindet 1928 Quantenmechanik mit Relativitätstheorie und begründet<br />

damit den Spin des Elektrons theoretisch. Zweite Quantisierung der QED. Vorhersage des Anti-Telchens<br />

(Positrons). Problem der Divergenzen.<br />

Anderson, Carl David (1905 - ) entdeckt (ebenso wie unabhängig Joliot-Curie) und benennt 1932 das Positron<br />

beim radioaktiven Zerfall. 1933 findet er Positronen bei Paarerzeugung in der kosmischen Strahlung.<br />

Feynman, Richard ()<br />

Schwinger, Julian () und<br />

Tomonaga () gelingt <strong>die</strong> ’Renormierung’ der QED (1948).<br />

B.3 Quanten - Feldtheorie<br />

B.3.1 Faraday und Maxwell: Feldwirkung<br />

Mit Faraday (1791 - 1867) und Maxwell (1831 - 1879) vollzieht sich ein lang erwarteter Paradigmenwechsel<br />

in der Physik. Der neue Begriff ist der des Feldes und seiner Wirkung. Er stammt von<br />

Faraday (Lines of Force) und wurde von Maxwell zu einer Theorie der Elektrodynamik ausgebaut.<br />

Die Kraftübertragung in <strong>die</strong>ser Theorie wurde zwar anhand eines falschen mechanischen Bildes (eines<br />

Äthers) entwickelt, von <strong>die</strong>sem bleibt aber zum Schluß nur <strong>die</strong> Konstanz der Lichtgeschwindigkeit<br />

übrig.<br />

§ Nachgewiesen von Reines u. Cowan (1956)<br />

Proc. Roy. Soc. A117, 610 (1928) u. A118, 351 (1928)


446 ANHANG B. GESCHICHTE DER PHYSIK<br />

B.3.2 Felder<br />

Bis zu Gauß, Weber und Riemann war <strong>die</strong> Newtonsche Fernwirkung das Vorbild bei der Suche nach<br />

den Gleichungen der Elektrodynamik. Am Anfang steht das Coulombsche Gesetz der Elektrostatik,<br />

das direkte Analogon des Newtonschen Gravitations-Gesetzes.<br />

Allerdings führt <strong>die</strong> Vereinigung von schwacher und elektromagnetischer Wechselwirkung (Weinberg<br />

- Salam Theorie) zu der überraschenden Erkenntnis, daß das elektromagnetische Feld nur eine Komponente<br />

von insgesamt vier Feldern ist, <strong>die</strong> alle nichtlinear gekoppelt sind.<br />

Damit kann man <strong>die</strong> Frage, was Licht ist, nicht mehr beantworten. Der Grund dafür liegt in der Quantelung<br />

der gesamten Physik. Diese impliziert umgekehrt, daß <strong>Teil</strong>chen sich als Welle verhalten können.<br />

Die Antwort auf <strong>die</strong> Frage Korpuskel oder Welle ist abhängig vom Experiment bzw. von der Energie.<br />

B.4 Einstein und <strong>die</strong> Geometrie<br />

B.4.1 Gauß und Riemann<br />

Auch <strong>die</strong> Kosmologie beginnt erst in <strong>die</strong>sem Jahrhundert, mit Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie<br />

(ART). Die Grundlagen dazu waren von Gauß und Riemann 50 Jahre vorher gelegt worden. Beide<br />

hätten bereits zu <strong>die</strong>ser Zeit <strong>die</strong> Newtonsche Gravitationstheorie zu einem konsistenten kosmologischen<br />

Modell ausbauen können.<br />

In der Newtonschen Gravitationstheorie ist Kosmologie nicht möglich: Die Gravitationskraft ist an jedem<br />

Punkt wegen der unendlichen Reichweite unendlich! Nimmt man aber ein statisches Universum<br />

mit endlichem Radius, so stürzt es zusammen. Newton behalf sich mit der Vorstellung eines unendlichen<br />

und, aus Symmetriegründen, kräftefreien Universums. Solch ein Universum ist aber instabil und<br />

müßte expan<strong>die</strong>ren oder kollabieren.<br />

ART<br />

Gleiches gilt für <strong>die</strong> ART, wo <strong>die</strong> Verhältnisse allerdings noch etwas komplizierter sind. Hier gibt<br />

es zwar widerspruchsfreie kosmologische Modelle, allerdings keine statischen. Diese sind nur durch<br />

eine Abänderung der einfachsten Version der Theorie, nämlich mit einem sog. kosmologischem Glied<br />

möglich.<br />

Newton und Einstein hätten also <strong>die</strong> Expansion des Kosmos voraussagen können, da nur eine entsprechende<br />

kinetische Expansions – Energie den Kollaps des Universums verhindern kann. Gauß und<br />

Riemann hätten dazu noch eine negative Raumkrümmung finden können.


Literatur<br />

Empfohlene Literatur<br />

Das Lehrbuch The Physical Universe von Frank Shu umfasst <strong>die</strong> gesamte <strong>Astrophysik</strong>, Kosmologie<br />

und Kosmogonie (Biologie). Das Buch Universe von William J. Kaufmann, III, liefert <strong>die</strong> Bilder dazu.<br />

1. Shu, Frank H. The Physical Universe 1982, University Science Books, Mill Valley, California<br />

2. Kaufmann, W. J. Universe 1991, Freeman, New York<br />

Ideale und sehr preiswerte Ergänzungen dazu <strong>die</strong> beiden Bücher von Carl Sagan, s.u. Unser Kosmos<br />

und Blauer Punkt im All. Letzteres mit spektakulären Bildern der Planeten.<br />

Gesamtdarstellungen<br />

1. Hoyle, F. Astronomy and Cosmology 1975, Freeman, San Francisco<br />

2. Menzel, D. H., F. L. Whipple und G. De Vaucouleurs Survey of the Universe 1970, Prentice Hall,<br />

Englewood Cliffs, New Jersey<br />

3. Mihalas, D. Galactic Astronomy, 1968, Freeman, San Francisco<br />

4. Mihalas, D. Stellar Atmospheres, 1970, Freeman, San Francisco<br />

5. Scheffler, H. und H. Elsässer Physik der Sterne und der Sonne, 1974, Bibliografisches Institut,<br />

Mannheim Wien Zürich<br />

6. Scheffler, H. und H. Elsässer Bau und Physik der Galaxis 1982, Bibliografisches Institut, Mannheim<br />

Wien Zürich<br />

7. Unsöld, A. und Baschek, B. Der neue Kosmos 1988, Springer Verlag, Berlin Heidelberg New<br />

York<br />

8. A. Weigert und H.J. Wendker Astronomie und <strong>Astrophysik</strong> 1989, VCH Verlag, Weinheim<br />

Einzeldarstellungen<br />

Wissenschaftliche Darstellungen<br />

Nach Sachgebieten geordnet<br />

447


448 ANHANG B. GESCHICHTE DER PHYSIK<br />

Physik der Sterne<br />

1. Bahcall, J.N. Neutrino Astrophysics 1989, CUP<br />

2. Clayton, D.D. Principles of stellar Evolution and Nucleosynthesis 1973, McGraw Hill, New<br />

York<br />

3. Kippenhahn, R. und A. Weigert Stellar Strucure and Evolution 1990, Springer Verlag, Berlin<br />

Heidelberg New York<br />

4. Oberhummer, H. Kerne und Sterne 1993 Barth, Leipzig Berlin Heidelberg<br />

5. Rolfs, C.E. und W. Rodney Cauldrons in the Cosmos 1988, University of Chicago Press<br />

6. Shu, F. The Physics of Astrophysics 1991, University Science Books, Mill Valley, California<br />

Interstellare Materie<br />

1. Spitzer, L. Physics of fully ionized gases 1967, John Wiley and Sons, New York<br />

2. Spitzer, L. Diffuse Matter in Space 1968, John Wiley and Sons, New York<br />

3. Fano, U. und L. Fano Physics of Atoms and Molecules 1972, University of Chicago Press,<br />

Relativistische <strong>Astrophysik</strong><br />

1. Lipunov, V. M. Astrophysics of Neutron Stars (ed. M. Harwit und R. Kippenhahn, ’A & A Library’<br />

vol. 12) 1994, Springer Verlag, Berlin Heidelberg New York<br />

2. Lyne, A.G. und F. Graham-Smith, Pulsare, Barth, Leipzig Berlin, 1993<br />

3. Longair, M.S., High energy astrophysics, CUP, Cambridge, 1981<br />

4. Schneider, P. and J. Ehlers and E.E. Falco Gravitational Lenses 1994, (ed.M. Harwit R. Kippenhahn,<br />

’A & A Library’, vol 13, Springer Verlag, Berlin Heidelberg New York<br />

5. Shapiro, S. L. und S. A. Teukolsky Black Holes, White Dwarfs and Neutron Stars 1983, John<br />

Wiley and Sons, New York<br />

Kosmologie<br />

1. Hawking, S.W. and G.F.R. Ellis The large scale structure of spacetime 1973, CUP, Cambridge<br />

2. Kane, G. Modern Elementary Particle Physics 1987, Addison-Wesley, New York<br />

3. Kolb, E. W. und M. S. Turner The Early Universe (Frontiers in physics No 69) 1990, Addison-<br />

Wesley, New York<br />

4. Rowan-Robinson, M. The cosmological distance ladder 1985, Freeman, San Francisco<br />

5. Sciama, D. W. Modern Cosmology 1971, Cambridge University Press


B.4. EINSTEIN UND DIE GEOMETRIE 449<br />

Sonstiges<br />

1. Bevington, Ph. R. Data Reduction and Error Analysis for the Physical Sciences 1969, McGraw<br />

Hill, New York<br />

2. Ecker, G. Theory of fully ionized pasmas 1972, Academic Press, New York<br />

3. Lee, T.D. Particle Physics and Introduction to Field Theory 1981, Harwood Academic Publisher,<br />

Chur London New York<br />

4. Press, W.H. und B.P. Flannery und S.A. Teukolsky und W.T. Vetterling<br />

Numerical Recipes In PASCAL 1988, CUP, Cambridge<br />

5. Sagdeev, R.Z. und D.A. Usikov und G.M. Zaslavsky Nonlinear Physics 1992, Harwood Academic<br />

Publisher, Chur London New York<br />

Populäre Darstellungen<br />

1. Alfven, H. Kosmologie und Antimaterie 1967, Umschau Verlag, Frankfurt<br />

2. Asimov, I. Die schwarzen Löcher 1977, Kiepenheuer & Witsch<br />

3. Börner, G. und J. Ehlers, Vom Urknall zum komplexen Universum, Piper Verlag, München /<br />

Zürich, 1993<br />

4. Greenstein, G. Der gefrorene Stern 1985, Econ Verlag<br />

5. Greenstein, G. Die zweite Sonne 1985, Econ Verlag<br />

6. Hawking, S. W. Eine kurze Geschichte der Zeit 1988, Rowolt, Hamburg<br />

7. Kaufmann, W. J. Universe 1991 Freeman, New York<br />

8. Kippenhahn, R. 100 Milliarden Sonnen 1980, Piper & Co Verlag, München Zürich<br />

9. Novikow, I. D. Evolution des Universums 1982, Teubner, Leipzig<br />

10. Sagan, C. Unser Kosmos 1982, Droemer & Knaur, München Zürich<br />

11. Sagan, C. Blauer Punkt im All 1996, Droemer & Knaur, München Zürich<br />

12. Verschuur, G.L. Interstellar Matters 1989, Springer Verlag, Berlin / Heidelberg / New York<br />

13. Weinberg, S. Die ersten drei Minuten 1981, dtv (Band 880)<br />

Lehrbücher<br />

1. Landau, L. D. und E. M. Lifschitz Theoretische Physik Bände I bis X, Akademie Verlag, Berlin<br />

2. Bergmann, Ludwig und Clemens Schaefer Lehrbuch der Experimentalphysik 1996 Bände 1 bis<br />

8, de Gruyter, Berlin<br />

3. Misner, Ch. W., K. S. Thorne und J.A. Wheeler Gravitation 1973, Freeman, San Francisco<br />

4. Struve, O. Astronomie 1962, de Gruyter, Berlin<br />

5. Weinberg, S. Gravitation and Cosmology 1972, John Wiley and Sons, New York


450 ANHANG B. GESCHICHTE DER PHYSIK<br />

Nachschlagewerke<br />

1. Allen, C. W. Astrophysical Quantities 1978, London, Athlone Press<br />

2. Hermann, Armin Lexikon Geschichte der Physik 1972, Aulis Verlag, Köln<br />

3. Lang, K. R. Astrophysical Formulae 1978, Springer Verlag, Berlin Heidelberg New York<br />

4. Morse P.M. und H. Feshbach Methods of Theoretical Physics 1991, McGraw Hill, New York<br />

5. Voigt, H. H. Abriss der Astronomie 1988, Bibliografisches Institut, Mannheim Wien Zürich


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[BE93] G. Börner and J. Ehlers. Vom Urknall zum komplexen Universum. Piper Verlag, München /<br />

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451


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Inhaltsverzeichnis<br />

Vorwort 3<br />

Einleitung 7<br />

1 Geometrie 1<br />

1.1 Die kosmischen Hierarchien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1<br />

1.2 Längen: Ra<strong>die</strong>n und Entfernungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10<br />

1.2.1 Entfernungen im Sonnensystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11<br />

1.2.2 Die nächste Umgebung der Sonne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15<br />

1.2.3 Die Milchstraße, unsere Heimat-Galaxie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25<br />

1.2.4 Daten einiger wichtiger Nachbargalaxien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48<br />

1.3 Galaxien bei anderen Frequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50<br />

1.3.1 Entdeckung neuer Objekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50<br />

1.3.2 Probleme der Bestimmung grosser Entfernungen . . . . . . . . . . . . . . . . 50<br />

1.3.3 Radio-Astronomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54<br />

1.3.4 Röntgen-Astronomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57<br />

1.3.5 Infrarot Astronomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62<br />

1.3.6 UV Astronomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63<br />

1.3.7 Gamma Astronomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64<br />

1.4 Die Metagalaxie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72<br />

1.4.1 Die 3 Stufen der Hierarchie im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72<br />

1.4.2 Superhaufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72<br />

1.4.3 Daten und Kataloge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72<br />

1.4.4 Überblick: Komponenten der Metagalaxie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79<br />

1.4.5 Die Lokale Gruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84<br />

1.4.6 Andromeda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87<br />

1.4.7 Galaxienhaufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88<br />

1.4.8 Der Lokale Superhaufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90<br />

1.5 Geometrie der Raumzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99<br />

1.5.1 Definitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99<br />

1.5.2 Kosmologie und Geometrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105<br />

1.5.3 Galaxien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111<br />

1.5.4 AGN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116<br />

1.5.5 Das kosmologische Entfernungsnormal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124<br />

1.6 Synopsis und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127<br />

1.6.1 Synopsis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127<br />

1.6.2 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129<br />

459


460 INHALTSVERZEICHNIS<br />

2 Gravitation 131<br />

2.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131<br />

2.2 Mechanik und Newtonsche Gravitationstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132<br />

2.2.1 Die Keplerschen Gesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134<br />

2.2.2 Streuung: Die Rutherford-Formel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139<br />

2.3 Die Massenhierarchie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145<br />

2.3.1 Mitglieder des Sonnensystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145<br />

2.3.2 Die Masse der Galaxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147<br />

2.3.3 Das Zweikörperproblem: Doppelsterne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150<br />

2.3.4 Massenbestimmung in Doppelsternsystemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153<br />

2.3.5 Die ISM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160<br />

2.3.6 Relativistische ISM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164<br />

2.4 Die Masse des Kosmos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166<br />

2.4.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166<br />

2.4.2 Die Dynamik des Kosmos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169<br />

2.4.3 Zum Nachschlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170<br />

2.4.4 Von Newton zu Einstein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172<br />

2.4.5 Die Bewegungsgleichung des Kosmos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177<br />

2.4.6 Die Massendichte des Universums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178<br />

3 Kernphysik: Altersbestimmung 185<br />

3.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185<br />

3.2 Problembestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186<br />

3.3 Altersbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188<br />

3.3.1 Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188<br />

3.3.2 Halbwertszeit radioaktiver Elemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190<br />

3.3.3 Die kosmische Strahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192<br />

3.4 Sternentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196<br />

3.4.1 Sternentwicklungszeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196<br />

3.4.2 Einzelsterne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197<br />

3.4.3 Abkühlen Weißer Zwerge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199<br />

3.4.4 Das Alter von Pulsaren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200<br />

3.4.5 Doppelsterne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203<br />

3.4.6 Das Relaxationsalter der Kugelsternhaufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203<br />

3.4.7 Das Evaporationsalter der Kugelsternhaufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207<br />

3.4.8 Das Alter des Universums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208<br />

4 Thermodynamik: Temperatur 211<br />

4.1 Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211<br />

4.1.1 Leuchtkraft und Temperatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211<br />

4.1.2 Das Spektrum der Linien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213<br />

4.1.3 Unerwartete Entdeckungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219<br />

4.2 Strahlung und ihre Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224<br />

4.2.1 Strahlungserzeugung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224<br />

4.2.2 Klassische Dispersionstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230<br />

4.2.3 Hohlraumstrahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238<br />

4.2.4 Quantenmechanik der Absorption und Dispersion . . . . . . . . . . . . . . . . 243<br />

4.2.5 Quellen: Thermodynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249<br />

4.2.6 Nichtthermische Strahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258


INHALTSVERZEICHNIS 461<br />

4.3 Die Thermodynamik des Kosmos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259<br />

4.3.1 Die Temperatur des Kosmos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259<br />

4.3.2 Der Kosmos heute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259<br />

4.3.3 Der frühe Kosmos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260<br />

4.3.4 Primordiale Elemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260<br />

4.4 Die Sterne: Leuchtkraft und Temperatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262<br />

4.4.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262<br />

4.4.2 Die Harvard-Klassifikation der Sterne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263<br />

4.4.3 Helligkeit und Farbe der Sterne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266<br />

4.4.4 Die Masse der Sterne. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268<br />

4.4.5 Das Hertzsprung-Russell Diagramm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271<br />

5 Hydrodynamik: Sternmodelle 275<br />

5.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275<br />

5.1.1 Physik der Sterne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275<br />

5.1.2 Kompendium: Physik der Sterne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276<br />

5.1.3 Hydrostatisches Gleichgewicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278<br />

5.1.4 Hydrodynamik: Sternpulsationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280<br />

5.1.5 Energieerzeugung durch Kernfusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282<br />

5.2 Analytische Sternmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282<br />

5.3 Hydrodynamisches Gleichgewicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286<br />

5.3.1 Die Grundgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286<br />

5.3.2 Wärmetransport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288<br />

5.4 Licht: Die grossen Entdeckungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291<br />

5.4.1 Die Sonne als Strahlungsquelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292<br />

5.4.2 Die interstellare Materie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295<br />

5.4.3 Hydrostatisches Gleichgewicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297<br />

5.4.4 Polytrope Sterne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298<br />

5.4.5 Eigenschaften polytroper Sterne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303<br />

5.4.6 Das Eddingtonsche Standardmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305<br />

5.4.7 Strömgrens Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309<br />

5.5 Stabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309<br />

5.5.1 Kollaps ohne Druck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310<br />

5.5.2 Lineare Störungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311<br />

5.5.3 Schallwellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313<br />

5.5.4 Das Jeans–Kriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313<br />

5.5.5 Stabilität der Sternpulsationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315<br />

5.5.6 Ein Extremalprinzip für Sternpulsationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320<br />

6 Planeten 323<br />

6.1 Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323<br />

6.2 Das Planetensystem der Sonne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325<br />

6.2.1 Einleitung: <strong>die</strong> Gestalt der Planeten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325<br />

6.2.2 Aufbau der Planeten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325<br />

6.3 Der innere Aufbau der Planeten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327<br />

6.3.1 Inkompressible Materie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327<br />

6.3.2 Die Zustandsgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329<br />

6.3.3 Die Zustandsphasen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330<br />

6.4 Die neun Planeten der Sonne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331


462 INHALTSVERZEICHNIS<br />

6.4.1 Jupiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331<br />

6.4.2 Die anderen Planeten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332<br />

6.4.3 Drehimpulsverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333<br />

6.5 Element- und Molekülverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336<br />

6.5.1 Ursprungsmasse der Planeten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337<br />

6.5.2 Die Atmosphären der Planeten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338<br />

6.6 Interplanetare Objekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339<br />

6.6.1 Die Hauptkomponenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339<br />

6.6.2 Kometen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341<br />

6.7 Probleme der Kosmogonie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342<br />

7 Die Erde. 345<br />

7.1 Physik der Erde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346<br />

7.1.1 Das Innere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347<br />

7.1.2 Kosmogonie der Erde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350<br />

7.1.3 Rotation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352<br />

7.1.4 Die Erdatmosphäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356<br />

7.1.5 Aufbau und Pulsation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363<br />

7.2 Astronomie der Erde. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364<br />

7.2.1 Der Mond . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364<br />

7.2.2 Rotation der Erde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369<br />

8 Die Sonne als Stern 377<br />

8.1 Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377<br />

8.1.1 Daten der Sonne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378<br />

8.1.2 Definition der Sonnentemperatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379<br />

8.1.3 Die Leuchtkraft der Sonne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379<br />

8.1.4 Das Energieproblem der Sonne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385<br />

8.1.5 Strahlungstransport und Lebensdauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386<br />

8.1.6 Die untere Grenzmasse für Sterne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387<br />

8.1.7 Die obere Grenzmasse und Leuchtkraft für Sterne . . . . . . . . . . . . . . . . 388<br />

8.2 Sternaufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389<br />

8.2.1 Strömgrens Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391<br />

8.2.2 Wasserstoffbrennen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394<br />

8.2.3 Das Standard-Sonnenmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399<br />

8.2.4 Elementsynthese und primordiales Helium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400<br />

8.2.5 Sonnen-Neutrinos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405<br />

8.3 Entwicklung der Sonne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 407<br />

8.3.1 Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 408<br />

8.3.2 Protosterne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410<br />

8.3.3 Die Ursonne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 414<br />

8.3.4 Das Ende der Sonne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 415<br />

A Datensammlung 417<br />

A.1 Astronomische Formeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 417<br />

A.1.1 Mittelwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 417<br />

A.1.2 Koordinatensysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 418<br />

A.2 Masssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 418<br />

A.2.1 Vielfache und <strong>Teil</strong>e der Einheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 418


INHALTSVERZEICHNIS 463<br />

A.2.2 Physikalische Masssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419<br />

A.3 Tabellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421<br />

A.3.1 Der Messier Katalog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421<br />

A.3.2 Fundamentalkonstanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424<br />

A.3.3 Zeit und Raum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424<br />

A.3.4 Umrechnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 425<br />

A.3.5 Formeln und Bezeichnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428<br />

A.3.6 Energie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429<br />

A.3.7 Kosmische Häufigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 430<br />

A.4 Pulsare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 431<br />

A.4.1 Pulsarparameter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 432<br />

B Geschichte der Physik 433<br />

B.1 Newtonsche Fernwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433<br />

B.1.1 Die ersten Weltmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433<br />

B.1.2 Der Anfang der <strong>Astrophysik</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433<br />

B.1.3 Newton . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 436<br />

B.1.4 Ausbau der Newtonschen Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439<br />

B.1.5 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 440<br />

B.2 Licht: Relativität und Dualismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 440<br />

B.2.1 Optik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 440<br />

B.2.2 Das Licht und seine Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 441<br />

B.3 Quanten - Feldtheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445<br />

B.3.1 Feldwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445<br />

B.3.2 Felder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 446<br />

B.4 Einstein und <strong>die</strong> Geometrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 446<br />

B.4.1 Gauß und Riemann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 446<br />

Literatur 447<br />

Glossar 451<br />

Literatur 458<br />

IV 459<br />

Tab 463<br />

Pic 465<br />

Index 465


464 INHALTSVERZEICHNIS


Tabellenverzeichnis<br />

1.1 Grundlängen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10<br />

1.2 Erde - Mond System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13<br />

1.3 Bekannte Sterne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16<br />

1.4 Algol . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18<br />

1.5 Entfernungs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23<br />

1.6 gal. Schwarz-Loch-Kandidaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26<br />

1.7 Tierkreiszeichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27<br />

1.8 Konstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28<br />

1.9 Offene Sternhaufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31<br />

1.10 Klassifikation der Sternhelligkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34<br />

1.11 Haufencharakteristika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36<br />

1.12 Populationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37<br />

1.13 Eichhaufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38<br />

1.14 Entfernung gal. Zentrum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41<br />

1.15 gal. Schwarz-Loch-Kandidaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41<br />

1.16 RR Lyrae Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44<br />

1.17 Entfernungsmodul . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44<br />

1.18 Eichklassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48<br />

1.19 Nachbargalaxien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48<br />

1.20 Die Lokale Gruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58<br />

1.21 Sco X-1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59<br />

1.22 Surveys . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65<br />

1.23 16 Multiwellenlängen PSR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68<br />

1.24 γ Repeater . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68<br />

1.25 opt. GRBs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70<br />

1.26 cD Galaxien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76<br />

1.27 Sonne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76<br />

1.28 Galaxientypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78<br />

1.29 Krebsnebelspektrum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79<br />

1.30 Modell der MWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81<br />

1.31 Nachbargalaxien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82<br />

1.32 LMC: Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85<br />

1.33 R136 Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86<br />

1.34 SMC: Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86<br />

1.35 Galaxienhaufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88<br />

1.36 Galaxiengruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90<br />

1.37 Vir A . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90<br />

1.38 Nachbarhaufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91<br />

1.39 Galaxienhaufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93<br />

465


466 TABELLENVERZEICHNIS<br />

1.40 Superhaufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94<br />

1.41 Typ Ia SNe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96<br />

1.42 Galaxien-Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111<br />

1.43 Galaxien in Kollision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113<br />

1.44 Fornax . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114<br />

1.45 N-Galaxien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115<br />

1.46 Cygnus A . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115<br />

1.47 Radio-Galaxien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116<br />

1.48 Seyferts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118<br />

1.49 AGN Kerne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118<br />

1.50 M104 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119<br />

1.51 Blasars . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120<br />

1.52 Blasars . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121<br />

1.53 Linien von QSR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122<br />

1.54 Doppel-Quasare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123<br />

1.55 Rotverschiebung I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123<br />

1.56 Rotverschiebung II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124<br />

1.57 Coma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125<br />

1.58 Entfernungs-Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128<br />

2.1 Mitglieder des Sonnensystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145<br />

2.2 Planet um 55 Cnc . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151<br />

2.3 SAX J1808.4-3658 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156<br />

2.4 Pulsar-Massen I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158<br />

2.5 Pulsar-Massen I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158<br />

2.6 Schwarz-Loch-Kandidaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159<br />

2.7 Pulsar-Planeten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160<br />

2.8 Cygnus A . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163<br />

2.9 phys. Prinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176<br />

3.1 Halbwertszeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190<br />

3.2 Elementäufigkeit I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195<br />

3.3 Elementäufigkeit II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196<br />

3.4 Alter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197<br />

3.5 Masse-Alter-Radius . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199<br />

3.6 Pulsare (kurze Orbitalperiode) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203<br />

4.1 Crab Nebel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221<br />

4.2 Maserentdeckungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228<br />

4.3 Krebsnebelspektrum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250<br />

4.4 Extreme Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252<br />

4.5 Teleskope geordnet nach Frequenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256<br />

4.6 VHE Photonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256<br />

4.7 Leuchtkraft Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256<br />

4.8 Atom Einheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257<br />

4.9 Leuchten der Erdatmosphäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264<br />

4.10 UBV Helligkeitssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267<br />

4.11 Hauptreihe: Temperatur und Leuchtkraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272<br />

4.12 Hauptreihe: Masse - Radius Beziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273<br />

4.13 Leuchtkraftklassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273


TABELLENVERZEICHNIS 467<br />

5.1 Stern-Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276<br />

5.2 Daten zu Nebeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296<br />

5.3 Polytrope . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303<br />

5.4 Pulsperioden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317<br />

6.1 Kugelfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326<br />

6.2 Parameter der Planeten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332<br />

6.3 Die Planeten: Drehimpulsbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334<br />

6.4 Titius-Bode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334<br />

6.5 Die schweren Elemente in der Sonne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336<br />

6.6 Planeten Ursprungsmasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337<br />

6.7 Interplanetare Objekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339<br />

6.8 Solare Elementhäufigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340<br />

6.9 Evaporation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341<br />

6.10 Kosmogonie und Hierarchie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343<br />

7.1 Pulsperioden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348<br />

7.2 Zerfallszeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349<br />

7.3 Monddaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364<br />

7.4 Monat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364<br />

8.1 Abgeleitete Größen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 382<br />

8.2 Sonnenphotosphäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396<br />

8.3 Standardmodell der Sonne. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399<br />

A.1 Fundamentalgrößen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424<br />

A.2 Naturkonstanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427<br />

A.3 Energie Umrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429<br />

A.4 Kosmische Häufigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 430<br />

A.5 Pulsarparameter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 431<br />

A.6 Pulsarparameter II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 432


468 TABELLENVERZEICHNIS


Abbildungsverzeichnis<br />

1.1 Längenhierarchie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6<br />

1.2 Erdbahnparallaxe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11<br />

1.3 Sternstromparallaxe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32<br />

2.1 Keplerbahn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134<br />

2.2 Anomalie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137<br />

2.3 Apex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152<br />

6.1 Jupiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332<br />

7.1 Aufbau der Erde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363<br />

469

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