Einfžhrung i n die Astrophysik Teil 1
Einfžhrung i n die Astrophysik Teil 1
Einfžhrung i n die Astrophysik Teil 1
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H. Heintzmann<br />
Institut für theoretische Physik<br />
Universität zu Köln<br />
( 12. September 2003)
Vorwort<br />
Das Ende eines Jahrhunderts, welches gleichzeitig mit dem Ende eines Jahrtausends zusammenfällt,<br />
ist ✬eine<br />
gute Gelegenheit, einen✩ Blick zurück zu werfen auf das erreichte und gleichzeitig einen Blick<br />
in <strong>die</strong> Zukunft auf das nun mögliche zu riskieren. Die <strong>Astrophysik</strong> und<br />
Der Krieg ist der Vater aller Dinge,<br />
hier ganz besonders <strong>die</strong> Kosmologie sind hiefür hervorragend geeig-<br />
<strong>die</strong> Mutter ist <strong>die</strong> Wissenschaft und<br />
<strong>die</strong> Kinder sind Bomben net: nirgendwo ist der Fortschritt gewaltiger (im wahrsten Sinne des<br />
oder bombige Entdeckungen. Wortes) als hier. Vergleichbar, was <strong>die</strong> Expansion der Vorstellung über<br />
Heraklit plus Eigenzitat <strong>die</strong> Natur betrifft, ist allenfalls das 17te Jahrhundert (mit Descartes,<br />
✫<br />
✪Huygens,<br />
Newton und Leipniz) und der Beginn des 20ten Jahrhunderts<br />
(mit Einstein, Heisenberg, Schrödinger und Dirac). Ähnlich wie damals ist das außerordentlich<br />
große Interesse der Öffentlichkeit an den Entdeckungen.<br />
• BEISPIEL (INTERESSE DER ÖFFENTLICHKEIT)<br />
Folgende Szene stammt aus einem (absurden) polnischen Film. Die Redaktion eines Pop (Musik) Senders hat sich vorgenommen<br />
ihren Hörern zu erläutern, daß alles mit allem zusammenhängt.<br />
Ein Reporter berichtet, er habe soeben erfahren (breaking news), daß das Universum sich ausdehnt. Sein Umfang nimmt<br />
unaufhörlich zu.<br />
Eine Reporterin pflichtet ihm bei, alles hängt mit allem zusammen: auch <strong>die</strong> Armut auf der Welt breitet sich aus. Die Zahl<br />
der Armen nimmt ebenfalls unaufhörlich zu.<br />
Nach einer Weile ruft ein Hörer an: Das mit der Ausdehnung des Universums hat ihm gut gefallen. Seine Freundin dehnt<br />
sich auch unaufhörlich aus. Er hat Angst, daß sie platzt. Kann das Universum platzen? (Es kann).<br />
War damals <strong>die</strong> Theorie führend, so stehen nunmehr <strong>die</strong> Beobachtung und <strong>die</strong> Probleme der damit<br />
verbundene Datenverarbeitung im Zentrum der Forschung.<br />
Im Vordergrund <strong>die</strong>ser Darstellung sollen nun nicht <strong>die</strong> Menge der neuen Entdeckungen stehen (<strong>die</strong>s<br />
ist also kein Guiness Buch der Rekorde, obwohl Rekorde als solche aufgeführt werden, wenn daraus<br />
etwas zu lernen ist), sondern ihr Beitrag zu einer Vereinheitlichung der Physik.<br />
Theorie als ordnendes Prinzip, Experiment als verifizierendes Korrektiv und alles, was sich dem<br />
✤nicht<br />
unterordnet in den Orkus: ✜<strong>die</strong>se<br />
Maxime sind zwar letztendlich Früchte der Aufklärung,<br />
gegen sie wurde (und wird) jedoch immer wieder verstossen. Überlichtgeschwindi<br />
Experiment ohne Theorie ist<br />
(Tachyonen oder Tunneleffekt), und ermüdendes Licht (bei der Rot-<br />
Zoologie, Theorie ohne Experiment<br />
ist Philosophie.<br />
verschiebung von Quasaren), Gravitationswellen von Pulsaren und<br />
W. Pauli von Supernovae (nachgewiesen im Labor wohlgemerkt!), sogar ein<br />
✣<br />
✢magnetischer<br />
Monopol, <strong>die</strong> Liste jüngster Sünden ließe sich beliebig<br />
fortsetzen. Und das nicht nur im Kosmos, wie Polywasser, wie <strong>die</strong> fünfte Kraft (entdeckt u. a. im<br />
Weinkeller vom Baron Eötvös) und wie <strong>die</strong> kalte Fusion gezeigt haben.<br />
In der <strong>Astrophysik</strong> kommt noch als Erschwerung hinzu, daß Experimente normalerweise durch Beobachtungen<br />
(Astronomie) ersetzt werden müßen. Da aber (im Gegensatz zum Experimentator) der<br />
Beobachter <strong>die</strong> Anfangsbedingungen nicht unter Kontrolle hat, kann es lange dauern (oft viele Generationen)<br />
bis genügend Daten gesammelt sind, um zu verläßlichen Aussagen zu gelangen.<br />
So hat etwa Halley das Erscheinen seines korrekt vorhergesagten Kometen nicht mehr erlebt. Die in<br />
sich konsistente Beschreibung der Bewegung der Planeten im Sonnensystem hat <strong>die</strong> Astronomen und<br />
<strong>Astrophysik</strong>er bis heute beschäftigt (und nebenbei <strong>die</strong> klassische Mathematik hervorgebracht).<br />
3
Für den Astronomen ist es allerdings dann oft noch der Normalfall, daß er Dinge beobachtet, <strong>die</strong> zum<br />
Zeitpunkt der Erstbeobachtung noch nicht verstanden sind.<br />
• ZUSATZ (KLASSISCH UNLÖSBARE FÄLLE)<br />
Bekannte Fälle, wo <strong>die</strong> Erklärung nicht möglich war, da <strong>die</strong> notwendige Physik noch nicht existierte, sind <strong>die</strong> folgenden<br />
astronomischen Objekte:<br />
1. Sterne<br />
Kernfusion anstatt Kelvi-Helmholtz Schrumpfen,<br />
2. Weiße Zwerge<br />
Paulischer Entartungsdruck der Elektronen anstatt klassischer – Eddingtonscher – Thermodynamik,<br />
3. Neutronensterne<br />
Paulischer Entartungsdruck der Neutronen.<br />
Ein auch nach mehr als 30jähriger Beobachtung aktuelles Beispiel aus der Kosmologie sind <strong>die</strong> Quasare.<br />
Dieses Acronym (von H.Y. Chiu) steht für quasi stellar radio source und bezeichnet ein sternartiges<br />
Objekt, d. h. eine Quelle, <strong>die</strong> zur Zeit ihrer Entdeckung auch mit dem damals besten Teleskop nicht<br />
aufgelöst werden konnte.<br />
• ZUSATZ (PARADIGMA QUASARE: EMPIRIE UND THEORIE)<br />
Zwei wichtige Fragen sind mittlerweile geklärt: <strong>die</strong> der Identität und <strong>die</strong> der Entfernung.<br />
1. Identität<br />
Es ist gelungen, <strong>die</strong> Aussenbereiche bei einigen starken Quellen in Sterne aufzulösen. Es handelt sich bei Quasaren<br />
demnach um <strong>die</strong> leuchtstarken Kerne von Galaxien.<br />
2. Entfernung<br />
Es ist klar geworden, daß Quasare wirklich so weit weg sind, wie immer angenommen wurde und wie ihre Rotverschiebung<br />
erwarten läßt. Einige von ihnen sind nämlich Quelle einer Gravitationslinse (in bekannter Entfernung),<br />
d. h. sie liegen hinter der Linse und erscheinen mehrfach bei gleicher Rotverschiebung.<br />
Was nicht klar ist, ob <strong>die</strong> heutige Physik bereits ausreicht, <strong>die</strong> Quasare zu erklären. Die Strahlung ist nichtthermisch und hat<br />
ihr Maximum im Gamma Bereich, <strong>die</strong> Energie ɛ = hν der Photonen beträgt einige MeV. Das Standardmodell nimmt an,<br />
daß es sich bei einem Quasar um ein akkretierendes, massives Schwarzes Loch handelt. Was akkretiert wird, Sterne oder<br />
Gas, ist nicht klar.<br />
Mit der kosmologischen Entfernung ergibt sich zunächst folgendes Energie Problem. Ein Stern wie <strong>die</strong> Sonne hat in etwa<br />
3 Kiloparsec (10 22 cm) Entfernung <strong>die</strong> gleiche scheinbare Leuchtkraft wie ein typischer Quasar in einer Entfernung von<br />
etwa 3 Giga Parsec (10 28 cm), nämlich mV = 18. Das liefert für <strong>die</strong> wahren (optischen) Leuchtkräfte LQuasar = 10 12 L⊙.<br />
Zum Vergleich: <strong>die</strong> Milchstraße und <strong>die</strong> Andromeda Galaxie (M31) haben eine wahre Leuchtkraft von etwa<br />
L∗ = 2.5 · 10 10 L⊙ = 10 44<br />
erg s −1<br />
und <strong>die</strong> leuchstärksten Ereignisse, <strong>die</strong> wir aus unserer Nachbarschaft aus Beobachtung kennen, sind Supernova Explosionen,<br />
mit etwa LSupernova = 10 9 L⊙ (im Maximum von L). Der Quasar 3C 273 hat <strong>die</strong> (bolometrische) Gesamt-Leuchtkraft<br />
L ≈ 10 3 L∗ und <strong>die</strong> stärksten Quellen erreichen ein dex mehr, L ≈ 10 4 L∗.<br />
Darüber hinaus ist von einigen Quasaren beobachtet (<strong>die</strong> extremsten Fälle von dem Quasar 3C 279 finden sich auf historischen<br />
Aufnahmen aus den Jahren 1937 und 1943 des Harvard College Observatory), daß sie ihre Leuchtkraft kurzzeitig<br />
(innerhalb von Monaten) um einen Faktor bis zu 25 erhöhen können (und damit fast LQuasar = 10 14 L⊙ erreichen).<br />
Zwischen dem Minimum der Leuchtkraft von Lmin = 40 · L∗ und dem Maximum von Lmax = 1 · 10 4 L∗ beim Quasar 3C<br />
279 liegen nur zwei Jahre. Demnach müßten in zwei Jahren etwa eintausend Supernovae explo<strong>die</strong>rt sein, um <strong>die</strong> Leuchtkraftänderung<br />
zu erklären. Um das Zeitintervall einzuhalten, müßen <strong>die</strong>se in einem Radius (vom Zentrum) von weniger als<br />
1 pc stattfinden.<br />
Neben <strong>die</strong>sem Problem, welches auf einer reinen Energiebetrachtung beruht, ist in neuerer Zeit eine zweite Schwierigkeit<br />
aufgetaucht. Aus spektroskopischen Beobachtungen folgt, daß auch bei den ältesten Quasaren (also denen mit der größten<br />
Rotverschiebung z) bereits alle schweren Elemente (mit Sonnenhäufigkeit) bis zu Fe und sogar Moleküle vorhanden sind.<br />
Da Fe nur in Supernovae erzeugt werden kann, muß <strong>die</strong> eigentliche Phase der Supernovae bereits vorbei sein. Tatsächlich<br />
stimmt das Spektrum der Supernovae mit denen der Quasare nicht überein, das Maximum der Leuchtkraft liegt bei Quasaren<br />
im MeV Bereich, bei den Supernovae im optischen und bei ihren Überresten im Röntgen Bereich.<br />
Damit sind <strong>die</strong> rein astronomischen Beobachtungsmöglichkeiten ausgeschöpft. Jetzt hilft empirisch nur noch <strong>die</strong> Statistik<br />
weiter. Ein Katalog mit allen beobachtbaren Eigenschaften wird anlegt. Mittlerweile sind es mehr als zehn Tausend Objekte<br />
4
(0.2 Quasare pro Quadratgrad), aber der Rosetta Stein, der alles erklären könnte, ist nicht dabei. Die Verteilung scheint sehr<br />
isotrop zu sein, Doppelquasare sind selten (falls es sie überhaupt gibt).<br />
Die räumliche Dichte beträgt (bei besonders sorgfältiger, d. h. bei sehr zeitaufwendiger Analyse) etwa ein Quasar pro (100<br />
Mpc) 3 im Intervall z = 1.8 . . . 3.4. Insgesamt sind das etwa 1 · 10 5 Quasare im beobachtbaren Universum, vergleichbar<br />
mit der Anzahl der Galaxienhaufen. Daraus kann ein wichtiger Schluß gezogen werden. Da wir (d. h. <strong>die</strong> Milchstraße)<br />
selbst zu einem Galaxienhaufen gehören (dem Virgohaufen) und da sich dort keine Quasare befinden, müßen <strong>die</strong>se eine<br />
Lebensdauer haben, <strong>die</strong> deutlich unterhalb dem Alter des Universums liegt. Der nächste Quasar (mit z = 0.05) liegt<br />
außerhalb des Virgosuperhaufens und ist etwa 8 · 10 8 Lichtjahre entfernt.<br />
Damit kommt ein neuer Aspekt ins Spiel, <strong>die</strong> zeitliche Entwicklung von astronomischen Objekten. Quasare scheinen sich<br />
bei z = 2 zu häufen, d. h. sie wurden zu <strong>die</strong>ser Zeit geboren. Einer Rotverschiebung von z = 2 entspricht ein Alter des<br />
Universums von etwa 1/3 des heutigen Alters für ein nahezu leeres und von etwa 1/5 für einen Kosmos mit kritischer<br />
Dichte. Wir blicken also in den Frühzustand der Strukturbildung des Universums (Kosmogonie) zurück. Die Quasare in<br />
unserer kosmologisch nahen Umgebung sind demnach längst ausgegangen. Was ist aus ihnen geworden?<br />
Zeitlich parallel zu den Beobachtungen geschieht folgendes. Ein Modell wird entwickelt, welches <strong>die</strong> wichtigsten Beobachtungsdaten<br />
erklärt. Das heute am meisten diskutierte Modell für Quasare hat ein Schwarzes Loch als Zentralmaschine,<br />
welches aus der Akkretion von Sternen oder Gas gespeist wird.<br />
Im günstigsten Fall führt ein solches Modell zu einer neuen Theorie. Neu heißt hier, daß in ihr (beobachtbare) Elemente<br />
enthalten sind, <strong>die</strong> noch nicht bekannt waren. Das ist das Beeindruckendste und Schönste, was eine Theorie überhaupt<br />
zu leisten vermag: <strong>die</strong> korrekte Vorhersage eines bisher völlig unbekannten physikalischen Phänomens, welches durch<br />
Beobachtung anschließend bestätigt wird.<br />
Einige berühmte Beispiele der jüngeren Vergangenheit sind (aus der Laborphysik) <strong>die</strong> neutralen Ströme<br />
(der Weinberg-Salam Theorie) oder das top Quark und (aus der ART) <strong>die</strong> Lichtablenkung im Schwerefeld<br />
(1918), <strong>die</strong> (trotz der Gamowschen Theorie noch zufällige) Entdeckung der kosmischen Hintergrundstrahlung<br />
(1965, endgültig 1992) und der Neutronensterne (Vorhersage von Landau bzw. Baade<br />
und Zwicky) in Form von Pulsaren (1967). Ein interessanter Sonderfall ist <strong>die</strong> Perihelverschiebung der<br />
Merkurbahn: hier wurde lange vergeblich nach einem 10ten Planeten (Vulkan) gesucht, <strong>die</strong> Erklärung<br />
der Bahnstörung von Merkur folgt aus der ART. Diese wurde aber nicht deshalb entwickelt.<br />
Umgekehrt kann ein Labor Experiment eine völlig neue Theorie erzwingen. Ein berühmtes Beispiel ist<br />
hier <strong>die</strong> Aufspaltung der Natrium D Linie. Erst <strong>die</strong> Entdeckung des halbzahligen Spins des Elektrons<br />
lieferte <strong>die</strong> Erklärung dafür. Einige bekannte Beispiele seien hier (ohne Bewertung der Rangfolge)<br />
aufgeführt: <strong>die</strong> Paritätsverletzung und <strong>die</strong> CP-Verletzung. Ferner Supraleitung und Superfluidität. Alle<br />
<strong>die</strong>se Erkenntnisse finden ihren Niederschlag in der <strong>Astrophysik</strong>.<br />
Je nach Stand der Forschung kann dabei <strong>die</strong> Theorie führend sein (wie z. B. <strong>die</strong> Quantenmechanik bis<br />
zur Entdeckung der Superfluidität und Supraleitung oder wie <strong>die</strong> ART bis heute) oder das Experiment<br />
bzw. <strong>die</strong> Beobachtung, was in der <strong>Astrophysik</strong> praktisch <strong>die</strong> Norm ist. Zu allen Zeiten haben Astronomen<br />
Objekte beobachtet, <strong>die</strong> sie nicht verstehen konnten, weil <strong>die</strong> Theorie dazu noch fehlte. Neueste<br />
Beispiele in der <strong>Astrophysik</strong> sind <strong>die</strong> Gammaburst Quellen und einige extreme Supernovae, manchmal<br />
als Hypernovae bezeichnet und in der Kosmologie Dunkelmaterie und Vakuumenergie.<br />
• ANMERKUNG<br />
Allgemeine Regeln zum Auffinden neuer Theorien oder neuer Objekte gibt es nicht. Die Geschichte lehrt, was nützlich sein<br />
kann:<br />
Baden:<br />
Archimedes entdeckte den Auftrieb beim Baden. Sein Modell vom Kosmos war eine Scheibe, <strong>die</strong> auf dem Wasser<br />
schwimmt. Damit das Wasser nicht wegfließt, postulierte er einen Rand.<br />
Kirchbesuch:<br />
Galilei fand <strong>die</strong> Pendelgesetze beim Betrachten des schwingenden Kirchleuchters.<br />
Gartenbesuch:<br />
Newton fand <strong>die</strong> Gravitationsgesetze durch einen fallenden Apfel im Garten seiner Tante.<br />
Spaziergang (insbesondere über Brücken)<br />
Euler entdeckte dabei das Königsberger Brückenproblem.<br />
5
Mariotte kam auf dem Pont Neuf in Paris auf <strong>die</strong> Idee, <strong>die</strong> Niederschlagsmenge an Regen mit der Durchflussmenge<br />
der Seine zu vergleichen.<br />
Hamilton fand seine Quaternionen an der Brougham Bridge in Dublin.<br />
Reisen:<br />
Kekulé kam auf <strong>die</strong> Struktur von Benzol beim betrachten des Verkehrs am Picadilly Circus.<br />
Neugierde:<br />
Einstein wollte bereits als Kind wissen, wie es ist, wenn man Licht überholt. Er fand, daß <strong>die</strong>s nicht möglich ist.<br />
Fahrstuhlfahren:<br />
Einstein erläuterte <strong>die</strong> Äquivalenz von Raumkrümmung und Beschleunigung anhand eines Fahrstuhls.<br />
Das kosmologische Modell des Archimedes wurde merkwürdigerweise nicht überprüft, obwohl das<br />
leicht möglich gewesen wäre. Die Geometrie auf einer Scheibe ist Euklidisch, <strong>die</strong> Winkelsumme im<br />
Dreieck auf der Erde wurde erst von Gauß bestimmt.<br />
Galileis Pendelgesetze waren für Huygens <strong>die</strong> Grundlage zum Bau einer Uhr, <strong>die</strong> (über 1/2 Jahr hinweg)<br />
genau genug ging, daß Ole Römer damit <strong>die</strong> Lichtgeschwindigkeit messen konnte.<br />
6
Einleitung<br />
Ein Hase sitzt auf einer Wiese<br />
des Glaubens, niemand sähe<br />
<strong>die</strong>se.<br />
Doch im Besitze eines Zeißes,<br />
betrachtet voll gehaltnen Fleißes<br />
vom vis-à-vis gelegnen Berg<br />
ein Mensch den kleinen<br />
Löffelzwerg.<br />
Ihn aber blickt hinwiederum<br />
ein Gott von fern an, mild und<br />
stumm. Ch. Morgenstern<br />
Die Entdeckung mikroskopischer und makroskopischer Hierarchien und <strong>die</strong> Bestimmung der wahren<br />
Größendimensionen unseres Universums sind das herausragende Ergebnis der Physik und Astronomie<br />
des 20ten Jahrhunderts. Das Fundament wurde zu Beginn des Jahrhunderts gelegt. Die Welt besteht<br />
aus Atomen, welche mit der Quantenmechanik beschrieben werden. Der Kosmos fliegt seit dem Urknall<br />
auseinander, was durch <strong>die</strong> Allgemeine Relativitätstheorie beschrieben werden kann. Die Fülle<br />
wesentlicher Entdeckungen und ihre Bedeutung für das Gesamtbild von unserem Universum ist dabei<br />
so groß, daß eine Auswahl und eine Beschränkung auf das wesentliche notwendig sind.<br />
In <strong>die</strong>sem <strong>Teil</strong> 1 der Darstellung behandeln wir <strong>die</strong> Grundlagen der <strong>Astrophysik</strong>, ohne <strong>die</strong> ein Verständnis<br />
unsers Kosmos nicht möglich ist: <strong>die</strong> Astronomie, welche Aussagen über Inhalt und Aufbau liefert und<br />
<strong>die</strong> Physik, <strong>die</strong> es erlaubt, Alter und Temperatur zu bestimmen. Dabei betrachten wir im Überblick<br />
nacheinander <strong>die</strong> vier Grundeinheiten:<br />
Zentimeter, Gramm, Sekunde und Grad Kelvin.<br />
Das Grad Kelvin (Temperatur) wandeln wir explizit mit der Boltzmann Konstanten k B in eine Energie<br />
um.<br />
• ZUSATZ (DIE GRUNDGEBIETE DER ASTROPHYSIK)<br />
Mit der <strong>Astrophysik</strong> sind <strong>die</strong> folgenden Grundgebiete verknüpft:<br />
1. <strong>die</strong> Euklidische (bzw. Riemannsche Differential) Geometrie. Längenmessung (Einheit: cm),<br />
2. <strong>die</strong> Newtonsche Gravitationstheorie (bzw. <strong>die</strong> Einsteinsche Allgemeine Relativitätstheorie). Massenbestimmung<br />
(Einheit: g),<br />
3. <strong>die</strong> Kernphysik. Gamowscher Tunneleffekt, Sternentwicklung. Altersbestimmung. (Einheit: s),<br />
4. <strong>die</strong> Elektro- und Thermodynaik. Temperaturbestimmung (Einheit: Kelvin).<br />
Die benutzten Einheiten (Gauß) sind natürlich (nämlich dem Vorstellungsvermögen des Menschen<br />
angepasst), aber nicht fundamental. Fundamental und invariant sind dagegen:<br />
<strong>die</strong> Lichtgeschwindigkeit c, das Plancksche Wirkungsquantum h, <strong>die</strong> elektrische Ladung<br />
e und <strong>die</strong> Gravitationskonstante G.<br />
7
<strong>Teil</strong> 2 der Darstellung behandelt <strong>die</strong> Physik der klassischen <strong>Astrophysik</strong>, auf der unsere Erkenntnis<br />
vom Kosmos und seinen <strong>Teil</strong>en beruht.<br />
<strong>Teil</strong> 3 der Darstellung behandelt <strong>die</strong> Mathematik und Physik der relativistischen <strong>Astrophysik</strong>, also <strong>die</strong><br />
Allgemeine Relativitätstheorie und <strong>die</strong> Kosmologie.<br />
Erkenntnis ist das höchste Ziel der Wissenschaft. Grundlage der Erkenntnis ist das Wissen.<br />
Allerdings gilt, daß nicht alles, was Wissen schafft, deshalb auch Wissenschaft ist.<br />
Forschung nützt oft nur dem Fortkommen der Wissenschaftler, statt dem Fortschritt der<br />
Wissenschaft. Ein wichtiger Gesichtspunkt ist deshalb <strong>die</strong> adäquate Auswahl, um Wesentliches<br />
vom Unwesentlichen zu trennen: in <strong>die</strong>sem Sinne kann Ignoranz oder Ignorieren<br />
sogar von Nutzen sein.<br />
Dies gilt ganz besonders für <strong>die</strong> älteste Disziplin der Naturwissenschaften, <strong>die</strong> Astronomie. Hier ist im<br />
Laufe der Jahrhunderte eine kaum überschaubare Sammlung von Fakten und Beobachtungen zusammengetragen<br />
worden. Heute wächst <strong>die</strong> Datenflut derart, daß ihre Archivierung — ganz zu schweigen<br />
von einer adäquaten Auswertung — größte Schwierigkeiten macht.<br />
Bei der Auswahl des Materials haben wir uns von dem Prinzip leiten lassen, daß nicht <strong>die</strong> Fakten,<br />
sondern ihr Verständnis im Vordergrund stehen soll und damit <strong>die</strong> Physik, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Grundlage des Verstehens<br />
liefert. Der Stoff ist deshalb i.w. auf <strong>die</strong> klassische <strong>Astrophysik</strong> — <strong>die</strong> Physik der Sterne —<br />
beschränkt. Von den 3 Sta<strong>die</strong>n Geburt, Leben und Tod ist das zweite heute im wesentlichen verstanden,<br />
– auch wenn es hier noch Überraschungen geben kann – <strong>die</strong> beiden anderen sind aktuelle Forschungsschwerpunkte<br />
und deshalb von besonderem Interesse.<br />
Geburt, Leben und Tod von Galaxien oder gar von der gesamten Struktur des Kosmos sind weit weniger<br />
gut verstanden — mit einer wesentlichen Ausnahme: <strong>die</strong> Erzeugung der ersten Elemente. Im<br />
Anschluß an den Urknall wird im Kosmos selbst nach gängiger Anschaung nur Helium erzeugt, Wasserstoff<br />
wird nicht erzeugt sondern bleibt übrig, zunächst in Form von Protonen und Elektronen. Alle<br />
anderen Elemente — <strong>die</strong> sog. schweren Elemente, <strong>die</strong> Astronomen oft einfach als Metalle bezeichnen<br />
— werden im Innern von Sternen gekocht und dann an den interstellaren Raum zurückgegeben. Falls<br />
Galaxien nicht alle zum gleichen Zeitpunkt entstanden sind, sollte ihre chemische Zusammensetzung<br />
deshalb ein Indikator für ihr Alter sein.<br />
Grundlage unserer Kenntnis vom Universum sind Messungen und Beobachtungen, im einfachsten Fall<br />
betreffen sie Längen und Winkel (Entfernungen), Gewichte (Massen von Sternen) und Zeiten (Alter<br />
von Sternen). Zu <strong>die</strong>sen drei physikalischen Grundgrößen Länge, Masse und Zeit kommt noch <strong>die</strong><br />
Temperatur, welche wir als eigenständige Einheit betrachten. In einem ersten Überblick werden wir<br />
<strong>die</strong> Bestimmung <strong>die</strong>ser Größen an astronomischen Objekten behandeln. Wir werden dabei, falls nicht<br />
ausdrücklich anders vermerkt, das c-g-s-System von Gauß benutzen, zusammen mit dem Grad Kelvin<br />
als Temperatur-Einheit (c g s K). Die Schreibweise N57 bedeutet, daß N in (c-g-s) Einheiten von 10 57<br />
zu nehmen ist und T2 ist dasselbe wie 100 ◦ K.<br />
Diese Masseinheiten sind natürlich (nämlich den Bedürfnissen der Menschen auf der Erde) angepasst,<br />
aber nicht fundamental.<br />
Fundamental sind, wie bereits erwähnt, <strong>die</strong> Lichtgeschindigkeit c, das Plancksche Wirkungsquantum<br />
h und <strong>die</strong> Gravitationskonstante G bzw. <strong>die</strong> elektrische Ladung e. Aus <strong>die</strong>sen physikalischen Fundamentalkonstanten<br />
läßt sich keine brauchbare Längeneinheit konstruieren und so hat jeder Zweig der<br />
Physik seine eigenen ’natürlichen’ Einheiten.<br />
1. Entfernung<br />
Die natürliche Entfernungseinheit im Sonnensystem ist <strong>die</strong> astronomische Einheit, AE, (Erde -<br />
Sonne), in unserer Milchstrasse das Parsec (oder, alternativ, das Lichtjahr). Durch moderne Radarmessungen<br />
(aktiv und passiv) ist unser Sonnensystem bis auf Meter genau vermessen. Wie<br />
8
wir sehen werden, sind Entfernungsbestimmungen kosmischer Objekte in unserer Galaxis und<br />
darüber hinaus außerordentlich schwierig. Ihre Genauigkeit nimmt mit der Anzahl der Zwischenschritte<br />
etwa exponentiell ab und so kann man heute nicht sagen, wie groß das beobachtbare<br />
Universum ist, auch wenn optimistische Abschätzungen hier ’nur’ noch um einen Faktor 7/5 =<br />
1.4 voneinander abweichen.<br />
2. Masse<br />
Die Bestimmung der Massen kosmischer Objekte geht mithilfe des Virialsatzes (erstmals für<br />
Galaxien 1933 von Zwicky am Virgo-Galaxienhaufen durchgeführt)<br />
2Ekin + Epot = 0 oder v 2 = GM<br />
R<br />
und ist meist noch ungenauer, da sie <strong>die</strong> Kenntnis der Entfernungen voraussetzt. Die Allgemeine<br />
Relativitätstheorie liefert zwei bemerkenswerte Ausnahmen, welche ihre Genauigkeit nichtlinearen<br />
Termen der Theorie verdanken. Es sind <strong>die</strong>s einerseits Doppelsterne und von <strong>die</strong>sen wieder<br />
einige Binärpulsare, <strong>die</strong> mithilfe der Keplerschen Gesetze bzw. deren allgemein relativistischer<br />
Version direkt gewogen werden können. Die relative und absolute Genauigkeit beträgt hier wenige<br />
Promille und wächst mit der Zeitspanne der Beobachtung.<br />
Andrerseits kann <strong>die</strong> Masse und evtl. <strong>die</strong> Entfernung (über <strong>die</strong> Laufzeitverzögerung von Explosionsereignissen)<br />
von Gravitationslinsen geometrisch bestimmt werden.<br />
Die Masse des beobachtbaren Universums ist unsicher, wobei <strong>die</strong> Unsicherheit nicht einmal<br />
quantifiziert werden kann (Faktor 10?). Es ist möglich, daß 90% der gravitierenden Materie noch<br />
unentdeckt sind.<br />
3. Alter und Zeit<br />
Ähnlich ungenau ist <strong>die</strong> Altersbestimmung kosmischer Objekte. Das Universum selbst ist seit<br />
Hubbles ursprünglicher Bestimmung um etwa einen Faktor 10 älter geworden. Wie wir sehen<br />
werden, gibt es 4 unabhängige Methoden, das Alter kosmischer Objekte und damit Grenzen für<br />
das Weltalter zu bestimmen. Es ist befriedigend, daß, im Rahmen der Ungenauigkeiten, heute alle<br />
Methoden übereinstimmende Ergebnisse liefern: das Weltalter beträgt etwa 12 bis 15 Milliarden<br />
Jahre, vergleichbar mit den ältesten Sternhaufen unserer Galaxis und älter als das Sonnensystem<br />
(4.5 Milliarden Jahre). Es gibt seitens der Beobachtung keine Objekte, <strong>die</strong> seitens der Theorie z.<br />
B. 50 Milliarden Jahre alt sein sollten. Das ist keineswegs selbstverständlich.<br />
4. Temperatur<br />
Im Gegensatz zu Radius, Masse und Alter des beobachtbaren Universums ist seine Temperatur<br />
sehr genau bestimmt. Das Universum ist im Grossen von einer thermischen Strahlung von<br />
Planckschem Charakter und hoher Isotropie angefüllt. Die Geauigkeit der Realisierung und Bestimmung<br />
(des Planckschen Charakters) übertrifft (dank COBE) <strong>die</strong> besten Labormessungen<br />
und beträgt heute etwa 2.73 ◦ K. Die Temperaturbestimmungen bei Sternen und Wolken sind<br />
wesentlich ungenauer und haben darüber hinaus manchmal nur formalen Charakter: <strong>die</strong> formale<br />
Strahlungstemperatur ist nicht thermisch (und kann T ≈ 10 30 ◦ K bei Pulsaren erreichen) oder<br />
sie ist sogar negativ (Maser und evtl. LASER).<br />
9
Kapitel 1<br />
Geometrie: Entfernungsbestimmung<br />
1.1 Die kosmischen Hierarchien<br />
Wir beginnen mit einem Überblick über <strong>die</strong> Längenhierarchie des Universums in Zehnerpotenzen.<br />
• DEFINITION (DAS GAUSSSCHE MASSSYSTEM)<br />
Anhand des c-g-s-Systems von Gauß, erweitert um K (Grad Kelvin), werden wir im folgenden <strong>die</strong> wichtigsten astronomischen<br />
Objekte und <strong>die</strong> sie charakterisierenden physikalischen Prozesse besprechen. Dabei werden wir normalerweise so<br />
vorgehen, daß zunächst <strong>die</strong> notwendigen Variablen aufgesucht werden, <strong>die</strong> das Problem beschreiben. Aus einer Dimensionsanalyse<br />
folgt dann <strong>die</strong> Form und <strong>die</strong> Größenordnung der Gleichung. Dabei werden alle dimensionsbehafteten Variablen<br />
explizit (d. h. mit ihren korrekten Dimensionen im Gaußschen c-g-s-System) aufgeführt. Die Endformel wird in <strong>die</strong>sen<br />
Variablen formuliert, mit einem dimensionslosen Faktor f ∗ . Bei der schrittweisen Herleitung kann <strong>die</strong>ser noch Indizes<br />
erhalten: f ∗ i .<br />
Die beiden wichtigsten Entdeckungen des 20ten Jahrhunderts waren:<br />
in der Astronomie <strong>die</strong> Erkenntnis (Hubble) der wahren Entfernungen im grossen,<br />
in der Physik <strong>die</strong> der gequantelten im kleinen, d. h. <strong>die</strong> Entdeckung des Atoms (Schrödinger und<br />
Heisenberg) und des Photons (Einstein).<br />
Daraus folgt (mithilfe der Allgemeine Relativitätstheorie) in der Kosmologie, daß das beobachtbare<br />
Universum räumlich und zeitlich endlich ist. Der Anfangszustand ist mit den Mitteln der heutigen<br />
Physik nicht beschreibbar.<br />
Die diskrete Natur der Physik im kleinen äussert sich durch eine Quantelung bestimmter Übergänge<br />
(Energie, Frequenz) in atomaren und subatomaren Systemen. Diese Systeme (Atome und ihre Kerne)<br />
sind im gesamten Universum (modulo Rotverschiebung) identisch. Die kosmologische Rotverschiebung<br />
ändert <strong>die</strong> Wellenlänge nämlich ab in der folgenden Form: λempf = (1 + z)λsend. Daraus folgt,<br />
daß <strong>die</strong> Quotienten universell sind, in Übereinstimmung mit allen Beobachtungen.<br />
Wir beginnen mit unserem Überblick über <strong>die</strong> Längenhierarchie anhand ausgewählter Objekte. Die<br />
wichtigsten (weil heute weitgehend verstandenen) sind im Mikrokosmos Atome und Moleküle, im<br />
Makrokosmos Sterne und (mit Einschränkung) Galaxien. In der Natur haben Objekte, <strong>die</strong> zur gleichen<br />
Klasse gehören, offenbar <strong>die</strong> Tendenz, sich zu neuen Einheiten höherer Ordnung zusammenzuschließen.<br />
Quarks bilden Atomkerne, <strong>die</strong>se (zusammen mit Elektronen) Atome, <strong>die</strong>se wieder Moleküle.<br />
Dann folgt, wenn wir <strong>die</strong> Biologie überspringen, Staub in Dimensionen bis zu Wolken, ferner Planeten<br />
und Sterne. Diese wieder bilden Galaxien und Galaxienhaufen. Ob es subatomare <strong>Teil</strong>chen unterhalb<br />
der Quarks (oder ein universelles Elementarfeld wie das Higgs Feld) gibt, oder ob es Superhaufen<br />
(kosmische Strings) ist zur Zeit eine spannende aber unbeantwortbare Frage.<br />
• DEFINITION (ZUM NACHSCHLAGEN)<br />
An atomaren Grundgrößen benutzen wir für Längen:<br />
1
2 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />
1. Fermi: 1 f = 1 · 10 −13 cm. Beispiel: Kernradius R = 1.4A 1/3 f.<br />
2. ˚Angstrøm: 1 ˚A = 1 · 10 −8 cm. Beispiel: Atomradius von H R = 0.5 ˚A.<br />
3. Mikrometer: 1µ = 1 · 10 −4 cm. Beispiel: gal. Staub, Wellenlänge von IR Licht. (1µ = 10 4 ˚A)<br />
und für Massen (<strong>die</strong> de Broglie Wellenlänge des Elektrons ist λ = ¯h/mv):<br />
1. Masse des Elektrons. me = 9.11 · 10 −28 g.<br />
2. Masse des Protons. mp = 1.67 · 10 −24 g.<br />
Größen, <strong>die</strong> sich auf <strong>die</strong> Sonne beziehen, erhalten den Index ⊙.<br />
1. Radius der Sonne R⊙ = 6.9 · 10 10 cm<br />
2. Masse der Sonne, M⊙ = 1.989 · 10 33 g<br />
3. Die entsprechende Anzahl von Baryonen, N⊙ = M⊙/mp = 1 · 10 57 , <strong>die</strong>nt als dimensionslose Richtgröße für<br />
Sterne.<br />
4. Leuchtkraft der Sonne, L⊙ = 3.9 · 10 33 erg s −1 .<br />
Zwei wichtige natürliche Größen in der <strong>Astrophysik</strong> sind <strong>die</strong> gravische Feinstrukturkonstante αG (dimensionslos)<br />
αG = Gm2 p<br />
¯hc<br />
= 5.9 · 10 −39<br />
und <strong>die</strong> Compton-Wellenlänge des Elektrons λe (natürliche Länge für relativistisch entartete Materie)<br />
λ = ¯h<br />
mc<br />
Damit läßt sich <strong>die</strong> kritische <strong>Teil</strong>chenzahl für entartete Sterne angeben<br />
NCh = 0.75(2Z/A) 2 α −3/2<br />
G = 1.4(2Z/A)2 N⊙ (1.3)<br />
und für <strong>die</strong> dazu gehörende Grenzmasse, <strong>die</strong> Chandrasekhar Masse, gilt<br />
MCh = 0.75(2Z/A) 2 mpα −3/2<br />
G = 1.456(2Z/A)2 M⊙ (1.4)<br />
Die Eddingtonsche Grenzleuchtkraft für Sterne ist <strong>die</strong> maximale Leuchtkraft, bei der <strong>Teil</strong>chen der Masse mH noch gravisch<br />
von einem Objekt (Stern oder Galaxienkern) der Masse M an der Oberfläche zurückgehalten werden können:<br />
LEdd = 4πGmHMc<br />
σT h<br />
(1.1)<br />
(1.2)<br />
= 10 4.5<br />
� �<br />
M<br />
L⊙ = 1.3 · 10<br />
M⊙<br />
38<br />
� �<br />
M<br />
mH erg s<br />
M⊙<br />
−1 (1.5)<br />
Als wichtige Anwendung erhalten wir hieraus LEdd für akkretierende entartete Sterne (der Masse MCh) in Fundamentalkonstanten:<br />
LEdd =<br />
9<br />
2α √ αG<br />
2 c<br />
mec = 2 · 10<br />
re<br />
38<br />
erg s −1 (1.6)<br />
Eine weitere universelle Obergrenze für für gravisch erzeugte Strahlung (Akkretion oder Gravitationswellen) ist<br />
in Zahlen<br />
LG = c5<br />
G<br />
LG = c5<br />
G<br />
= 3.63 · 1059<br />
Größen, <strong>die</strong> sich auf <strong>die</strong> Milchstraße beziehen, erhalten den Index ∗.<br />
(1.7)<br />
erg s −1 (1.8)<br />
1. Radialentfernung der Sonne zum Zentrum der Milchstraße D∗ = 2 · 10 22 cm = 8 kpc.<br />
Radius (der leuchtende Anteil) R∗ = 4 · 10 22 cm = 12.5 kpc. Dicke h∗ = 2 · 10 21 cm = 0.6 kpc.<br />
2. Die Masse der gesamten Milchstraße, M∗, beträgt 1.9 · 10 11 M⊙, bestimmt aus dem Keplerschen Gesetz.<br />
3. Alter der Milchstraße, A∗ = 12.7 Gyr.
1.1. DIE KOSMISCHEN HIERARCHIEN 3<br />
Erst <strong>die</strong> Photographie erlaubt es, Photonen aufzuad<strong>die</strong>ren, was das menschliche Auge nicht kann. Der Dopplereffekt liefert<br />
für <strong>die</strong> beobachtete Wellenlänge λ und <strong>die</strong> als bekannt vorausgesetzte Ruhlänge λo <strong>die</strong> Geschwindigkeit der Quelle (bei<br />
bekanntem Winkel Θ zwischen Geschwindigkeit v und Visionsrichtung) in Einheiten der Lichtgeschwindigkeit β := v/c:<br />
1 + β cos Θ<br />
λ = λo �<br />
1 − β2 Der Dopplereffekt wurde 1842 von Doppler für Sterne vorhergesagt, von Fizeau genauer für Linienspektren für nachweisbar<br />
erachtet (Sterngeschwindigkeiten sind viel zu klein für einen Nachweis am Kontinuum) und von Huggins 1868 mit<br />
Photoplatte an den H Linien des Sirius entdeckt. Mittlerweile bestimmt man tatsächlich <strong>die</strong> größten Rotverschiebungen<br />
(mithilfe von Modellannahmen) am Kontinuum von ganzen Galaxien (z > 6).<br />
Für <strong>die</strong> Rotverschiebung einer bewegten Quelle, <strong>die</strong> sich radial vom Beobachter weg bewegt, gilt <strong>die</strong> Doppler Formel<br />
1 + z =<br />
mit der Umkehrung<br />
�<br />
1 + β<br />
1 − β<br />
β = (1 + z)2 − 1<br />
(1 + z) 2 + 1<br />
= z<br />
1 + z<br />
2<br />
1 + z(1 + z<br />
2 )<br />
Ähnlich den Menschen kennt auch <strong>die</strong> Natur eine strenge Hierarchie mit ausgesprochenem Klassenbewusstsein.<br />
So hat z. B. <strong>die</strong> Klasse der Sterne einen eng begrenzten Massebereich von einem Zehntel<br />
bis zu Hundert Sonnenmassen, (genauer: 0.08 . . . 120 M⊙), <strong>die</strong> Klasse der Berge hat eine maximale<br />
Höhe, d. h. Berge werden nicht beliebig hoch (auf der Erde etwa 8 km, auf dem Mars 24 km) und <strong>die</strong><br />
Klasse der Atome bzw. der Atomkerne ist endlich: sie werden weder beliebig klein (Atomradius: ˚A<br />
und Kernradius: f, Fermi) noch beliebig groß. Das gilt auch dann noch, wenn sie durch <strong>die</strong> Gravitation<br />
in Form von Neutronensternen zusammengehalten werden.<br />
Damit ist noch nicht gesagt, daß es auch eine kleinste oder größte Länge gibt. Tatsächlich hat <strong>die</strong><br />
Hoffnung, am Ende der Hierarchie angekommen zu sein, bisher jedesmal getrogen. Das Proton ist<br />
nicht elementar (es besteht aus Quarks), vielleicht nicht einmal stabil. Selbst für den Kosmos sind<br />
<strong>die</strong> Grundbausteine (zunächst Sterne, dann Galaxie, mittlerweile Haufen von Galaxien) immer größer<br />
geworden. Das beobachtbare Universum ist zwar endlich und diskret, da <strong>die</strong> Lichtgeschwindigkeit c<br />
endlich ist und da, wie wir zeigen werden, das Alter des Universums endlich ist. Damit ist dann auch<br />
<strong>die</strong> Anzahl aller quantenmechaischer Prozesse seit Geburt (Urknall) in ihm endlich. Das Universum<br />
als Ganzes kann aber sehr wohl unendlich ausgedehnt sein.<br />
• ANMERKUNG (DAS UNIVERSUM IM ÜBERBLICK)<br />
Nach heutiger Kenntnis gilt für das beobachtbare Universum:<br />
1. Radius RUniv ≈ 10 28 cm, Volumen VUniv ≈ 10 85 cm 3<br />
2. Baryonenzahl Nb,Univ ≈ 10 79 , Masse MUniv ≈ 10 22 M⊙ in etwa 10 11 Galaxien zu 10 11 Sternen von 1M⊙.<br />
3. Alter AUniv ≈ 10 10 Jahre (10 bis 15 Gyr).<br />
4. Temperatur TUniv ≈ 2.735 Kelvin; Photonenzahl Nγ,Univ ≈ 10 88 .<br />
Dabei ist erstaunlich, daß wir <strong>die</strong> Temperatur des Universums viel genauer kennen als z. B. unsere eigene Körpertemperatur,<br />
ganz zu schweigen von der im Zentrum der Erde. Die Temperatur des Universums wird bestimmt von einer universellen (d.<br />
h. unpolarisierten, homogenen und isotropen) Hintergrundstrahlung von etwa 2.7 Grad Kelvin. Die einzigen verbliebenen<br />
Ausnahmen in <strong>die</strong>ser streng diskreten Hierarchie bilden (bisher jedenfalls):<br />
1. Das Elektron.<br />
Formal kann man dem Elektron zwar leicht einen Radius re zuschreiben. Dazu definiert man<br />
Eel ≡ e2<br />
re<br />
= mec 2 ≡ Erest<br />
Das ist der sog. klassische Elektronenradius,<br />
re = e2<br />
mec 2<br />
(1.9)<br />
(1.10)<br />
(1.11)<br />
(1.12)
4 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />
also derjenige Radius bei dem potentielle (elektrostatische) Energie und Ruhmassenenergie des Elektrons gleich<br />
groß sind. Wir erwarten also<br />
rel = f ∗ re = 2.82 · 10 −13 f ∗<br />
cm<br />
mit f ∗ ≈ 1. Unklar ist aber bei <strong>die</strong>ser Abschätzung, warum das Elektron überhaupt zusammenhält. Das Analogon<br />
(für das Proton, welches aus Quarks besteht) in der Quantenchromodynamik bildet das Problem des Einschlusses<br />
(confinement). Die Streuexperimente zeigen tatsächlich, daß beim Elektron etwas fundamentales in unserer<br />
Abschätzung noch fehlt, denn der wahre Ladungsradius ist bisher unmessbar klein. Quantitativ gilt bisher:<br />
rel ≪ 10 −15<br />
cm (1.13)<br />
2. Die Raumzeit.<br />
Länge und Zeit werden als kontinuierlich angenommen, da sie bisher nicht quantisiert werden können.<br />
Wir geben zum Nachschlagen im Anhang <strong>die</strong> wichtigsten Naturkonstanten im<br />
c-g-s-System von Gauß, erweitert um K (Grad Kelvin)<br />
und eine Formelsammlung. Als Einheiten für grosse Zeiträume (yr = year) benutzen wir, wie in der<br />
angloamerikanischen Literatur üblich, <strong>die</strong> folgenden Abkürzungen (Kilo, Mega und Giga)<br />
kyr = 10 3 yr = 1000 Jahre, Myr = 10 6 Jahre und Gyr = 10 9 Jahre.<br />
Die gesamte Längen - Hierarchie vom Mikrokosmos zum Makrokosmos umspannt demnach mindestens<br />
42 Zehnerpotenzen;<br />
RUniv<br />
re<br />
≈ 10 42<br />
(1.14)<br />
wenn man nämlich von einer noch ausstehende Quantisierung der Gravitation mit der Planck-Länge<br />
�<br />
¯hG<br />
lP = � 1.6 · 10−33 cm (1.15)<br />
c3 absieht, sonst sogar etwa 61 Zehnerpotenzen!<br />
RUniv<br />
l P<br />
≈ 10 61<br />
Einige ausgewählte Längen bzw. Entfernungen sind in Tabelle (1.1) zusammengestellt. Analoge Tabellen<br />
werden wir noch für <strong>die</strong> Massen kosmischer Objekte, deren Temperaturen und Alter angeben.<br />
Dabei sollte man sich aber der Vorläufigkeit solcher Angaben stets bewusst sein. Die Entfernung zum<br />
galaktischen Zentrum z. B. ist in vielen Lehrbüchern und Tabellen noch mit 10 kpc angegeben; sie<br />
ist in den letzten Jahrzehnten um 20% geschrumpft und dann (nach Messungen mit dem Astrometrie<br />
Satelliten Hipparcos) wieder um 10% gewachsen. Sie liegt jetzt bei etwa 8 ± 1 kpc, der von der IAU ∗<br />
vorgeschlagene Wert beträgt 8.5 kpc. Es sieht so aus, als ob mit einer neuen Generation von Beobachtungsintrumenten<br />
nun eine Phase der Konsoli<strong>die</strong>rung beginnt: verschiedene, unabhängige Methoden<br />
der Entfernungsbestimmung ergeben übereinstimmende Ergebnisse.<br />
Dabei ist bemerkenswert, daß eine typische Galaxie 10 11 Sterne und das Universum etwa 10 11 Galaxien<br />
enthält! Zum Vergleich und zum Merken: das menschliche Gehirn enthält ebensoviel Neuronen.<br />
An Masse scheint im Universum etwa 10mal mehr vorhanden zu sein als man leuchten sieht (Dunkelmaterie),<br />
während das Alter der ältesten Objekte in etwa mit dem Alter des Kosmos übereinstimmt.<br />
∗ International Astronomical Union. Dachorganisation der nationalen astronomischen Gesellschaften. Zu Beginn des<br />
20ten Jahrhunderts gab es etwa 500 (Berufs) Astronomen, zum Ende mehr als 10 000.
1.1. DIE KOSMISCHEN HIERARCHIEN 5<br />
Obwohl eine typische Galaxie 10 11 Sterne enthält, heißt das noch nicht, daß <strong>die</strong> Masse etwa 10 11<br />
Sonnenmassen beträgt. Die Masse ist (einheitlich für massive Galaxien) um einen Faktor 10 (ein dex)<br />
größer. Die Standarderklärung dafür lautet: es gibt Dunkelmaterie unbekannter Art (und Ursprungs).<br />
Kann man dann überhaupt hoffen, über 42 Zehnerpotenzen hinweg <strong>die</strong> Natur mit Hilfe der Physik<br />
richtig zu beschreiben (wenn das meiste noch gar nicht gesehen ist)? Grundpostulat muß sein:<br />
Die Grundgesetze der Physik, wie sie im Labor bzw. im Planetensystem der Sonne überprüft<br />
worden sind, gelten unverändert zu jeder Zeit und an jedem Ort im ganzen Kosmos.<br />
Eine wichtige Frage ist dabei, inwieweit <strong>die</strong> Grundkonstanten der Physik wirklich überall den gleichen<br />
Wert haben bzw. zeitlich konstant sind.
6 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />
Die folgende Tabelle gibt einige ausgewählte Längen in Gaußschen und den üblichen Einheiten. Die<br />
Formeln für <strong>die</strong> Fundamentallängen der Quanten Gravitation, Kernphysik und Atomphysik sind im<br />
Anhang nochmals zusammengestellt.<br />
Objekt Länge L Abk. L/c Name /<br />
cm s Bemerkung<br />
Planck-Länge 1.6·10 −33 6·10 −44 l P<br />
Atomkern 10 −13 fm 3·10 −24 s Fermi<br />
Atomhülle 10 −8 ˚A 3·10 −19 s ˚Angstrøm<br />
Staub 10 −4 µ 3·10 −15 s Mikrometer<br />
Mensch 10 2 m Meter<br />
Erde 6·10 8 R⊕ Eichstandard<br />
Erde-Mond 4·10 10 1 s<br />
Sonne 7·10 10 R⊙ 2 s<br />
Erde-Sonne 1.5·10 13 AE 500 s astronomische Einheit<br />
Erde-Pluto 6.5·10 14 6 h<br />
Parsec 3·10 18 pc 3 yr Erdbahnradius unter ′′<br />
α-Centauri 1 pc 4 yr nächster Stern<br />
Milchstraße 5·10 22 15 kpc 50 kyr Radius<br />
LMC 1.5·10 23 50 kpc 150 kyr Große Maghellansche Wolke<br />
Lokale Gruppe 3·10 24 1 Mpc 3 Myr Mega Parsec<br />
Virgo (Haufen) 6·10 25 20 Mpc 60 Myr Eichstandard<br />
Grosse Mauer 1·10 26 30 Mpc 100 Myr max. Struktur im Kosmos<br />
Coma 3·10 26 110 Mpc 250 Myr Eichstandard<br />
Quasar 3C273 3·10 27 1 Gpc 3 Gyr Giga Parsec<br />
Universum 10 28 4 Gpc 12 Gyr<br />
Abb. 1.1: Längenhierarchie<br />
Als abgeleitete Größe geben wir einige Anzahldichten des Kosmos:<br />
-15<br />
-10<br />
-5<br />
0<br />
5<br />
10<br />
15<br />
20<br />
25<br />
30<br />
✻<br />
re<br />
Mensch<br />
Erde<br />
Galaxis<br />
Universum<br />
1. Die <strong>Teil</strong>chendichte (von H) beträgt für <strong>die</strong> kritische Dichte, nc, 1 <strong>Teil</strong>chen pro Kubikmeter:<br />
nc = 10 −6 cm −3 .<br />
2. Dem entspricht 1 Galaxie (mit 10 11 Sternen) pro Kubik Mega Parsek.<br />
3. Die mittlere Sterndichte in Sonnennähe beträgt 0.2 Sterne (mit einer halben Sonnenmasse) pro<br />
Kubik Parsec.<br />
4. Dem entspricht eine mittlere Anzahldichte in Sonnennähe von 7 <strong>Teil</strong>chen pro Kubik Zentimeter.<br />
5. Die mittlere Gasdichte in Sonnennähe beträgt 1 H Atom pro Kubik Zentimeter.<br />
Solche Dichten sind im Labor unerreichbar. Zum Vergleich: <strong>die</strong> <strong>Teil</strong>chenzahldichte der Luft (unter<br />
Normalbegingungen) beträgt 10 19 <strong>Teil</strong>chen pro Kubik Zentimeter.<br />
• ZUSATZ (WAS SIND GRUNDGESETZE IN DER PHYSIK?)<br />
Wir wollen darunter – etwas unscharf – <strong>die</strong> grossen physikalischen Theorien wie Thermodynamik, Mechanik bzw. Quantenmechanik,<br />
Maxwellsche Theorie der Elektrodynamik bzw. Quantenfeldtheorie und Newtonsche bzw. Einsteinsche Gravitationstheorie<br />
(ART) verstehen. Quantenchromodynamik und schwache Wechselwirkung haben heute noch Modellcharakter,<br />
gehören aber dazu.<br />
Es entfallen aber z. B. bei der Beschreibung der Kosmos als Ganzes (also bei der Kosmologie) Inflation (Guth, Linde)<br />
oder eine veränderliche Gravitationskonstante (Jordan - Brans - Dicke Theorie) oder Einsteins kosmologische Konstante<br />
(modern: Vakuumenergie). Es werden ferner keine neuen Gesetze eingeführt, wie etwa bei der ’steady state’ Theorie<br />
(Materieerzeugung).
1.1. DIE KOSMISCHEN HIERARCHIEN 7<br />
Zur Beschreibung des Universums als ganzes (Kosmologie) benötigt man <strong>die</strong> Einsteinsche Allgemeine<br />
Relativitätstheorie (ART), <strong>die</strong> Newtonsche Gravitationstheorie ist dazu nicht ausreichend. Damit<br />
sind wir aber vor ein ganz neues, in der sonstigen Physik unbekanntes Problem gestellt: wir müssen<br />
<strong>die</strong> Raumzeit, in der wir leben, erst bestimmen, und das zunächst aus lokalen Messungen. Daß <strong>die</strong>s<br />
überhaupt möglich ist, liegt daran, daß wir (jedenfalls heute) in einen Kosmos mit hoher Ordnung und<br />
Symmetrie leben.<br />
Für alle anderen Objekte, Galaxien, Sterne usw. kann man einen dimensionslosen Parameter σg definieren,<br />
der besagt, wie stark <strong>die</strong> Newtonsche Gravitationstheorie von der ART abweicht,<br />
σg = Rs<br />
R<br />
= 2GM<br />
c 2 R<br />
(1.16) Rs = 2GM<br />
c 2<br />
(1.17)<br />
wobei M <strong>die</strong> gravitierende Masse, R ein Radius oder eine typische Entfernung und c <strong>die</strong> Lichtgeschwindigkeit<br />
ist. Die Größe Rs heißt Schwarzschild - Radius. Im Limes σg → 0 geht <strong>die</strong> ART in <strong>die</strong><br />
Newtonsche Gravitationstheorie über.<br />
Der Zweig der <strong>Astrophysik</strong>, der sich mit den Phänomenen beschäftigt, <strong>die</strong> für nicht verschwindendes<br />
σg auftreten, heißt relativistische <strong>Astrophysik</strong>. Hierzu gehören neben der Kosmologie und den klassischen<br />
Tests (der ART) im Sonnensystem noch weiße Zwerge, Neutronensterne und schwarze Löcher.<br />
Ein Geschenk des Himmels im wahrsten Sinne des Wortes ist hier der Hulse - Taylor Binär - Pulsar.<br />
Es handelt sich dabei um ein Doppelsternsystem (mit der Bezeichnung PSR 1913+16), welches aus<br />
zwei sich umkreisenden Neutronensternen besteht und welches so eng ist, daß es in der Sonne Platz<br />
hat. An ihm können <strong>die</strong> wichtigsten Phänomene der ART direkt nachgewiesen werden, indirekt sogar<br />
<strong>die</strong> bereits von Einstein vorhergesagte Emission von Gravitationswellen.<br />
Für massive <strong>Teil</strong>chen kann man einen zweiten, dimensionslosen, (speziell) relativistischen Parameter<br />
wie folgt definieren<br />
γ = E<br />
=<br />
mc2 1<br />
√ 1 − β 2<br />
(1.18)<br />
wobei jetzt β = v <strong>die</strong> Geschwindigkeit in Einheiten der Lichtgeschwindigkeit c, E <strong>die</strong> (Gesamt)<br />
c<br />
Energie eines <strong>Teil</strong>chens und m seine (Ruh) Masse ist. <strong>Teil</strong>chen mit Rumasse Null (z. B. Photonen)<br />
sind immer relativistisch.<br />
Das Hauptgebiet der relativistischen <strong>Astrophysik</strong> macht jedoch das Studium von Prozessen aus, an<br />
denen Elementarteilchen mit γ ≫ 1 beteiligt sind. Hierher gehört <strong>die</strong> kosmische Strahlung (mit γ<br />
bis zu ≈ 1015 ), Paarerzeugung und Vernichtung (im Zentrum der Galaxis) und <strong>die</strong> γ - Strahlung der<br />
sog. Gamma Burster, aber auch <strong>die</strong> kohärente Radio - Strahlung der Pulsare. Erzeugt werden solche<br />
<strong>Teil</strong>chenenergien in starken (oder grossräumigen) elektromagnetischen Feldern (nicht etwa in starken<br />
Gravitationsfeldern).<br />
Der überwiegende <strong>Teil</strong> des Kosmos – Galaxien, Sterne und Gaswolken – kann durch Newtonsche<br />
Gravitationstheorie ausreichend genau beschrieben werden. Für <strong>die</strong> (mikroskopische) Behandlung der<br />
Materie selbst reicht <strong>die</strong> Schrödinger Gleichung.<br />
Die meisten Objekte des Universums werden durch ihre elektromagnetisch Strahlung nachgewiesen,<br />
wozu <strong>die</strong> Maxwellsche Elektrodynamik zusammen mit der Thermodynamik <strong>die</strong> Grundlage liefern.<br />
Das Universum selbst ist heute extrem kalt – 2.73◦ Kelvin – und liefert mit seiner Hintergrundstrahlung<br />
eine untere Grenze für <strong>die</strong> Temperatur seiner Objekte. Zum kalten Universum gehören ferner <strong>die</strong><br />
Molekülwolken mit Temperaturen von 10 bis 300 ◦K. Wesentlich heißer – und damit für das menschliche Auge sichtbar – sind <strong>die</strong> (nichtentarteten) Sterne,<br />
bei denen <strong>die</strong> (gemessenen) Temperaturen an ihrer Oberfläche von etwa 3000 bis 50000 ◦K reichen. In<br />
der Temperatur zwischen Wolke und Stern gelegen, gibt es noch <strong>die</strong> Protosterne, Sterne bei denen das<br />
Wasserstoffbrennen noch nicht gezündet hat, <strong>die</strong> von der schützenden Wolke noch verdeckt werden
8 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />
(sich aber bereits durch einen Infrarot Exzess bemerkbar machen) und seit kurzem <strong>die</strong> sog. Braunen<br />
Zwerge.<br />
Grundlage zum Studium <strong>die</strong>ser Objekte ist ihre Kontinuumstrahlung. In gröbster Näherung entspricht<br />
<strong>die</strong>se der des schwarzen Körpers (Plancksches Strahlungsgesetz) mit der Sonne als Paradigma. Diese<br />
Strahlung heißt thermisch. Sie ist inkohärent und rührt meist aus der Translations - Energie der Atome<br />
bzw. Moleküle her; Sender sind <strong>die</strong> bei Stößen beschleunigten Elektronen. Einen Sonderfall bildet der<br />
Staub, der wie ein Festkörper erhitzt wird und thermisch strahlt.<br />
Beide, Wolken und Sterne, kann man allerdings wesentlich detaillierter durch ihre Linienstrahlung<br />
untersuchen. Dazu benötigt man <strong>die</strong> Atom- und Molekülphysik, also <strong>die</strong> Quantenmechanik (nichtrelativistisch<br />
und – etwa bei der Feinstruktur und der 21 cm Linie – relativistisch erweitert).<br />
Die verschiedenen Dimensionen von Energie E (erg), Temperatur T (Kelvin) und Frequenz ν (Hertz)<br />
bzw. Wellenlänge λ (cm) werden wie folgt ineinander umgerechnet<br />
E = kT = hν = h c<br />
λ<br />
(1.19)<br />
Wieder mit dimensionslosen Parametern und den Grundeinheiten geschrieben, hat man es für Atome<br />
und Moleküle mit den folgenden physikalischen Prozessen zu tun:<br />
1. elektronische Anregung (Grundeinheit); Bereich: optisch bis UV oder Röntgen<br />
Eel ≈ 1<br />
2 Z2 α 2 mec 2<br />
Für Z = 1 (Wasserstoff) ist <strong>die</strong> übliche Einheit Eel = 13.6 eV.<br />
2. Vibration; Bereich: IR bis optisch<br />
Evib ≈<br />
� me<br />
Amp<br />
Eelekt<br />
3. Feinstruktur; Bereich: IR bis optisch<br />
Efs ≈ α Eelekt<br />
4. Rotation; Bereich: Radio und sub – mm Bereich<br />
Erot = ¯h2<br />
2I<br />
me<br />
≈ Eel<br />
Amp<br />
5. Hyper - Feinstruktur; Bereich: Radio und sub – mm Bereich<br />
Ehfs ≈ me<br />
α<br />
mp<br />
2 Eel<br />
Damit kann man das kalte und das warme Universum hervorragend untersuchen.<br />
• ANMERKUNG (QUANTENMECHANISCHE GRUNDLAGEN)<br />
Alle Felder (und <strong>Teil</strong>chen als Felder aufgefasst) haben einen diskreten, inneren Freiheitsgrad, Spin genannt. Fermionen<br />
(Quarks und Leptonen) haben halbzahligen Spin, Bosonen (Gluonen, Photon und Weakonen) haben ganzzahligen Spin.<br />
Die Natur scheint mit Spin 1/2¯h für Fermionen und Spin 1¯h für Bosonen auszukommen. Die Gravitation bildet (mit Spin<br />
2¯h) <strong>die</strong> einzige Ausnahme, ist aber bisher unquantisiert.<br />
Die natürliche Einheit des Bahn-Drehimpulses J ist für Bosonen und für Fermionen ist<br />
J = n¯h mit n = 0, 1, 2, . . .<br />
Der Bahndrehimpuls kann klassisch verstanden werden und darf verschwinden.<br />
Für Photonen ist auch der Spin S ganzzahlig: S = ¯h. Jedes Photon, welches in einem Strahlungsprozeß erzeugt wird, hat<br />
mindestens den (diskreten) Drehimpuls S = 1 × ¯h plus eventuell einen Bahndrehimpuls. Der Spin kann klassisch nicht<br />
verstanden werden.
1.1. DIE KOSMISCHEN HIERARCHIEN 9<br />
Der Spins S des Elektrons ist<br />
S = 1<br />
2 ¯h<br />
Deutet man den Spin klassisch, dann bedeutet <strong>die</strong>s, daß ein Elektron oder Photon stets drehen muß. (Ein Elektron steht<br />
nach einer Drehung um 360 Grad sogar auf dem Kopf).<br />
Die natürliche Einheit der Energie ist für <strong>die</strong> elektromagnetische Wechselwirkung <strong>die</strong> Ruhmassenenergie des Elektrons<br />
Erest = mec 2<br />
Der dimensionslose Parameter, der <strong>die</strong> Energieniveaus bestimmt, ist <strong>die</strong> Sommerfeldsche Feinstrukturkonstante<br />
α = e2<br />
¯hc<br />
Dabei ist es wesentlich für das Aussehen unserer Welt, daß α ≈ 1<br />
eines Atoms der Ladung Z kann wie folgt geschrieben werden:<br />
Etot = Erest + Ekin + Epot = mec 2 + p2<br />
2me<br />
− Ze2<br />
r<br />
137<br />
(1.20)<br />
klein ist. Die Gesamtenergie des Elektrons im Feld<br />
Die Bindungsenergie Ebin = Etot − Erest ist eine Funktion von α und es gilt für <strong>die</strong> Ableitung E ′ bin = 0, d. h. Ebin hängt<br />
in niedrigster Näherung nur von α 2 ab.<br />
Der zweite dimensionslose Parameter ist das Massenverhältnis von Elektron und (reduzierter) Masse der Atomkerne des<br />
Moleküls. Damit ergibt sich eine Überlappung von Vibration- und Feinstruktur bzw. von Rotation- und Hyper - Feinstruktur<br />
Niveaus. Anregung – und damit Strahlung – findet statt, wenn <strong>die</strong> thermische Energie kT ausreicht, d. h. falls kT ≈ E.<br />
Somit kann man mit Molekülen das kalte Universum untersuchen, mit Atomen <strong>die</strong> heißen Sternhüllen. Bei Molekülen<br />
beobachtet man nur el. Dipol - Strahlungsübergänge, während man bei atomarem Wasserstoff sogar wegen seiner Häufigkeit<br />
den (im Labor extrem verbotenen, weil durch Stöße unterdrückten) Hyper - Feinübergang eines Elektronen - Spinflips (21<br />
cm Linie) beobachten kann. Bei optisch dünnen Me<strong>die</strong>n sieht man <strong>die</strong> Linien meist in Emission, sonst in Absorption.<br />
Damit hat man über den gesamten Spektralbereich (Radio bis UV und weiches Röntgengebiet) hervorragende<br />
Thermometer zur Verfügung. Aus der Intensität der Linien kann man darüber hinaus über<br />
<strong>die</strong> relative Häufigkeit der chemischen Elemente Aussagen gewinnen. Diese (Atomkerne) wurden<br />
bzw. werden bis auf H und He alle im Innern von Sternen erzeugt. Der wichtigste Prozeß im Innern<br />
der Sterne und, bei akkretierenden Neutronensternen (Röntgen - Pulsaren) sogar an deren Oberfläche,<br />
ist <strong>die</strong> Nukleosynthese, welche durch <strong>die</strong> Kernphysik mithilfe der Schrödinger Gleichung und<br />
phänomenologischem Kernpotential beschrieben wird. Neben der elektromagnetisch benötigt man dazu<br />
noch <strong>die</strong> starke und schwache Wechselwirkung.<br />
Der interstellare Raum ist mit einem heißen Gas angefüllt, welches durch Sterne und ihre Explosionen<br />
(Novae und Supernovae) geheizt bzw. nachgefüllt wird. Die heißeste Komponente bildet das Gas in<br />
Supernova Überresten. Hier handelt es sich bereits um ein extrem nichtthermisches Plasma (mit Synchrotronstrahlung):<br />
<strong>die</strong> kosmische Strahlung gehört ebenfalls dazu und wird eventuell dort erzeugt.<br />
Diese nichtthermische Komponente erzeugt ihrerseits ein galaktisches Magnetfeld, in dem <strong>die</strong> relativistischen<br />
Elektronen Synchrotronstrahlung erzeugen, welche dann im Radiobereich nachgewiesen<br />
werden kann. Die verschiedenen Komponenten sind zwar im zeitlichen und räumlichen Mittel im thermodynamischen<br />
Gleichgewicht, womit man grob ihre Struktur erklären kann. Die genauere Analyse<br />
hat aber gerade erst begonnen, es ist denkbar, daß von Zeit zu Zeit sich Instabilitäten bilden und explo<strong>die</strong>ren<br />
in Form von Jets oder Bursts. Diese heizen ein dünnes, thermisches Gas, welches <strong>die</strong> Galaxien<br />
(wie ein Halo) umgibt und welches im Röntgenbereich nachgewiesen wurde.<br />
Wir betrachten als Einführung den Makrokosmos und zwar in <strong>die</strong>ser Reihenfolge<br />
1. Längenhierarchie (Geometrie)<br />
2. Massenhierarchie (Newtonsche Gravitationstheorie, ART)<br />
3. Alter (Kernphysik)<br />
4. Temperatur (Thermodynamik und Elektrodynamik)
10 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />
• ANMERKUNG (DIE FUNDAMENTALEN KONSTANTEN DER PHYSIK)<br />
Die vier Grundgrößen der Physik<br />
1. c Lichtgeschwindigkeit 3. e Ladung des Elektrons<br />
2. h Plancksches Wirkungsquantum 4. G Gravitationskonstante<br />
sind nicht unabhängig, es gilt für sie <strong>die</strong> Sommerfeldsche Relation<br />
α = e2<br />
¯hc<br />
Mit der Feinstrukturkonstanten α können wir jetzt für den wahren Ladungsradius des Elektrons<br />
rel = f ∗ re mit f ∗ ≈ α<br />
schreiben. Um eine natürliche Längeneinheit definieren zu können, benötigt man eine natürliche Masse. Die Massen der<br />
heute bekannten Elementarteilchen werden als nicht fundamental angesehen (dafür gibt es zu viele davon), <strong>die</strong> Planck-<br />
Länge<br />
�<br />
¯hG<br />
l P =<br />
� 1.6 · 10−33<br />
c3 (1.21)<br />
cm (1.22)<br />
ist nicht natürlich (nämlich viel zu klein, lP/re = 10 −20 ).<br />
Zum Schluß betrachten wir <strong>die</strong> dimensionslosen Verhältnisse der verschiedenen Längen, <strong>die</strong> sich ergeben, wenn wir eine<br />
spezielle Masse wählen und erhalten <strong>die</strong> sog. Diracschen grossen Zahlen. Für den Aufbau der Planeten spielt<br />
D1 = e2<br />
≈ 1036<br />
Gm2 ; m = mp (1.23)<br />
<strong>die</strong> entscheidende Rolle. Für relativistische Materie ist e2 durch ¯hc zu ersetzen, D1 = αD2.<br />
D2 = ¯hc<br />
≈ 1038<br />
Gm2 ; m = mp (1.24)<br />
In groben Zahlen beträgt <strong>die</strong> Gesamtzahl der Baryonen im beobachtbaren Universum Nb,Univ ≈ 10 79 . Zwei weitere grosse<br />
dimensionslose Zahlen erhält man, wenn man den Radius des Universums R = 10 28 cm ins Verhältnis zum Elektronenradius<br />
re = 10 −13 cm setzt:<br />
D0 = RUniv<br />
re<br />
≈ 10 41<br />
Grössenordnungsmäßig ergibt sich dann <strong>die</strong> Dirac Relation<br />
Nb,Univ = D0 × D2<br />
wobei bisher niemand weiß, ob es sich hierbei um Zufall oder eine tiefliegende Naturerkenntnis handelt.<br />
1.2 Längen: Ra<strong>die</strong>n und Entfernungen<br />
Die Bestimmung von Ra<strong>die</strong>n und Entfernungen im Sonnensystem sind mittlerweile (durch Radarpeilung<br />
an Planeten und durch Pulsankunftsmessung bei Pulsaren) so präzise bestimmbar, daß man genau<br />
definieren muß, welche Größe überhaupt gemeint ist (Oberfläche, Schwerpunkt). Eine wichtige Frage<br />
ist dabei <strong>die</strong> Konstanz <strong>die</strong>ser Größen in Bezug auf eine durch Atomuhren definierte Zeit.<br />
Einige ausgewählte Längen bzw. Entfernungen haben wir bereits in Tabelle 1.1 zusammengestellt. Die<br />
nebenstehende Tabelle fasst einige nunmehr klassische bzw.<br />
neuer Ergebnisse (vom Astrometrie Satelliten Hipparcos) der<br />
Entfernungsbestimmung, <strong>die</strong> weiter unten abgeleitet werden,<br />
zusammen.<br />
Die Entfernung Erde-Mond ist bis auf cm genau vermessen<br />
(Lunar ranging experiment), sie schwankt aufgrund der Gezeiten<br />
mit einer Amplitude von etwa einem Meter. Der Entfernung<br />
Erde-Mond (etwa 400 000 km) entspricht eine Lichtlaufzeit<br />
von 1.3 Sekunden. Der Durchmesser der Erdbahn,<br />
also 2 AE, ist 3·10 13 cm oder 1000 Sekunden Lichtlaufzeit<br />
(Ole Römer). Der Wert 1 pc = 3.0856 · 10 18 cm entspricht<br />
Grundlängen der Milchstraße<br />
(1.25)<br />
(1.26)<br />
D bzw. R Wert Bez.<br />
Erde 6 378 km R⊕<br />
Erde-Mond 60.2R⊕ DE-M<br />
Erde-Sonne 2.3 · 10 4 R⊕ AE<br />
Sonne-Hyaden 46.34 ± 0.27 pc GE<br />
Sonne-Gal.Zen. 8.0 ± 0.5 kpc RG<br />
Sonne-LMC 50 ± 0.5 kpc<br />
Tab. 1.1: Grundlängen
1.2. LÄNGEN: RADIEN UND ENTFERNUNGEN 11<br />
3.26 Lichtjahre. Die theoretische Berechnung der Mondbahn ist auch heute noch zu kompliziert. Der<br />
französische Astronom Charles Delaunay hat <strong>die</strong> Bahn des Mondes im Feld der Erde und der Sonne<br />
mithilfe einer Störungstheorie 1847 berechnet. Er brauchte 20 Jahre dazu. Eine elegante Diskussion<br />
findet sich in Klein und Sommerfeld: Theorie des Kreisels.<br />
Die Bestimmung der Entfernung Sonne-Galaktisches Zentrum, mit 8.5 ± 0.5 kpc ist immer noch im<br />
Fluß. Der Wert 8 kpc stammt von H2O-Maser Messungen (Trigonometrie und Dopplereffekt an der 1.3<br />
cm Linie, Genauigkeit 1 km s −1 ). Beobachtungen an Radio und Röntgen Pulsaren ergeben dagegen 7.5<br />
kpc. Die beste Bestimmung mit Hipparcos lieferte 8.5 kpc.<br />
Die Große Maghellansche Wolke, mit einer Entfernung von 1.5·10 23 cm (entspr. 50 kpc oder 150 kyr<br />
Lichtlaufzeit), ist da wesentlich genauer vermessen. Aufgrund der Supernova im Jahre 1987 ist auch<br />
hier eine trigonometrische Entfernungsbestimmung möglich. Diese ist genauer als <strong>die</strong> des Galaktischen<br />
Zentrums, da <strong>die</strong> Expansionsgeschwindigkeit viel größer ist als <strong>die</strong> eines Masers.<br />
1.2.1 Entfernungen im Sonnensystem<br />
Heute sind <strong>die</strong> Entfernungen im Sonnensystem dank Raumfahrt und Pulsaren so genau bekannt, daß<br />
<strong>die</strong> Spezielle Relativitätstheorie und <strong>die</strong> Allgemeine Relativitätstheorie damit getestet werden können.<br />
Das Ausmessen unserer nächsten Umgebung, d. h. des Systems Erde - Mond und des Sonnensystems<br />
(mit immer wachsender Zahl an Planeten), hat lange gedauert, praktisch bis<br />
ins 19. Jahrhundert.<br />
Aristarch von Samos hatte als erster um 280 vor Chr. das heliozentrische<br />
Weltbild vertreten; Kopernikus hat <strong>die</strong>se Hypothese (laut Galilei) nur wiederbelebt<br />
und bekräftigt, keinesfalls erfunden (und das auch nur, wie böse<br />
Zungen behaupten, weil ihm <strong>die</strong> Epizyklen des Ptolomäus zu unverständlich<br />
waren). Aristarch war auch der Erste, der erkannte, daß <strong>die</strong> Erde sich am Tag<br />
einmal um ihre Achse und im Jahr einmal um <strong>die</strong> Sonne dreht. Aristarch<br />
hielt bereits <strong>die</strong> Sterne für andere Sonnen und schloß aus der Abwesenheit<br />
einer beobachtbaren Parallaxe (bei der Erdbewegung um <strong>die</strong> Sonne), daß<br />
<strong>die</strong> Sterne sehr viel weiter entfernt sein müßten als <strong>die</strong> Sonne. Er nahm ferner<br />
an, daß es Leben auf anderen Planeten (um andere Sonnen) gebe.<br />
Daß es 1800 Jahre dauerte bis — mit Kopernikus — wieder jemand solche<br />
Gedanken äusserte, lag daran, daß schon <strong>die</strong> Zeitgenossen Aristarchs, <strong>die</strong><br />
Abb. 1.2: Erdbahnparallaxe bereits bei der Vorstellung, <strong>die</strong> Sonne sei so groß wie der Pelepones, außer<br />
sich gerieten, seine Aburteilung wegen Häresie forderten (wie schon vorher bei Anaxagoras und später<br />
bei Giordano Bruno und Galileio Galilei).<br />
In der Abbildung ist π <strong>die</strong> Parallaxe des Sterns. Basislänge ist der Radius der Erdbahn, Re, bei ihrer<br />
jährlichen Bewegung um <strong>die</strong> Sonne. Aus der Abwesenheit einer beobachtbaren Parallaxe (bei der<br />
Erdbewegung um <strong>die</strong> Sonne) schloß man konsequenterweise auf <strong>die</strong> Richtigkeit des geozentrischen<br />
Modells mit einem Fixsternhimmel (sic!).<br />
Insbesondere Aristoteteles hat seine gesamte Philosophie auf <strong>die</strong>se eine fehlende Beobachtung gestützt<br />
und damit einer rationalen Weiterentwicklung des Naturbildes enorm geschadet.<br />
Merke: absence of evidence is not evidence of absence!<br />
Ein schönes Beispiel von evidence of absence ist <strong>die</strong> Verdopplung des Universums durch Baade (durch<br />
eine Neueichung der Entfernungsskala). In Anerkennung seiner Leistung und zum Merken das einge-
12 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />
✛<br />
✘<br />
rahmte Zitat. Die einzelnen Schritte, <strong>die</strong> später genauer erläutert werden,<br />
The Lord made the universe sind wie folgt. Auf der Entfernungsleiter ganz unten sind <strong>die</strong> RR Lyrae<br />
but Baade doubled it. Sterne. An ihnen wurden <strong>die</strong> Cepheiden geeicht. Dazu <strong>die</strong>nte <strong>die</strong> Kleine<br />
Anonymus<br />
Maghellansche Wolke, genauer <strong>die</strong> Cepheiden (vom Typ II) in deren Ku-<br />
✚<br />
✙<br />
gelsternhaufen. Daran angeschlossen wurden <strong>die</strong> Cepheiden (vom Typ I) in<br />
Andromeda (M31) und als Entfernung wurde 250 kpc von Hubble bestimmt. Bei einer Entfernung von<br />
nur 250 kpc zu M31 (der heutige Wert beträgt 770 kpc) hätten dort aber RR Lyrae Sterne direkt beobachtet<br />
werden müßen (und zwar bei m = 22m mit dem Palomar 5m Spiegel). Evidence of absence<br />
führte Baade in <strong>die</strong>sem Falle zur Entdeckung der Populationen I und II bei Cepheiden (1944).<br />
Nicht alle waren mit ihrer Entdeckung so erfolgreich wie Baade. Der umgekehrte Fall, wo <strong>die</strong> Evidenz<br />
da war, aber <strong>die</strong> Zeitgenossen sie nicht glauben konnten (oder wollten), ist recht häufig vorgekommen.<br />
Frühe Beispiele sind <strong>die</strong> Bestimmung der Lichtgeschwindigkeit durch Ole Römer, 1650, oder Michells<br />
Entdeckung der Doppelsterne, 1767, (von seiner Hypothese des schwarzen Lochs ganz zu scheigen).<br />
Die Ablehnung Eddingtons der Arbeiten Chandrasekhars über Weiße Zwerge gehört zur neueren Geschichte.<br />
Einsamer Höhepunkt: <strong>die</strong> Ablehnung der Einsteinschen Relativitätstheorie seitens der Nazi<br />
Physiker.<br />
• ZUSATZ (DER RADIUS DER ERDE ALS GRUNDLÄNGE)<br />
Eratosthenes (300 vor Chr) hatte als erster eine halbwegs richtige Vorstellung von der Größe (heute: R⊕ = 6 378 km<br />
am Äquator) und Form der Erde (Kugel). Allerdings konnte sich sein Weltmodell nicht durchsetzen. Die tatsächliche und<br />
erfolgreiche Erkundung der Erde beginnt mit Kolumbus. Damit war auch <strong>die</strong> Frage des sich Zurechtfindens auf dem Globus<br />
von fundamentalem (Überlebens)Interesse.<br />
Die moderne Geodäsie geht auf Snellius (1617) zurück. Dabei wird eine (kurze) Strecke genau vermessen. Der Rest sind<br />
Winkelmessungen (incl. Polhöhendifferenz). Daß <strong>die</strong> Erde aufgrund ihrer Rotation ein (an den Polen) abgeplattetes Ellipsoid<br />
(Newton: Gleichgewicht von Zentrifugalkraft und Gravitationskraft liefert 230:229) sein müsse, sagten erstmals<br />
Huygens und Newton voraus. Picard führte 1669/70 bei Paris <strong>die</strong> erste moderne Gradmessung der Erde durch. Diese Messungen<br />
wurden von Jaques Cassini (und anderen) in Europa fortgesetz mit dem Ergebnis (1720), daß <strong>die</strong> Erde <strong>die</strong> Gestalt<br />
einer Zitrone hatte.<br />
Es entspann sich dann ein Steit zwischen Newtonianern (England) und Kartesianern (Frankreich — Descartes hatte eine<br />
eigene Theorie mit Wirbelkräften). Um <strong>die</strong> Form der Erde endgültig zu bestimmen, sah man ein, mussten weiter auseinanderliegende<br />
Meridiangrade gemessen werden und so wurden im Auftrag Ludwig XV. von der Pariser Akademie<br />
zwei Expeditionen ausgerüstet, eine nach Peru (1736-1743), <strong>die</strong> andere nach Lappland (unter der Leitung von Maupertuis<br />
1736/37). Das Ergebnis bestätigte <strong>die</strong> Newtonsche Gravitationstheorie: Die Abplattung war unstrittig, der Wert leider<br />
nicht (Um den Ruhm einheimsen zu können, wurden <strong>die</strong> Messungen in Lappland von Maupertuis in größter Eile — gemeinsam<br />
mit Clairault und Celsius — durchgeführt und ergaben einen Wert für <strong>die</strong> Abplattung, der doppelt so groß wie<br />
der aus der Peru Expedition war). Endgültig wurde er (nach einer Wiederholung der Messungen in Lappland, wobei sich<br />
<strong>die</strong> Richtigkeit der sorgfältigeren Messung in Peru ergab) 1803 bestimmt. Heute erhält man aus Satelliten-Messungen :<br />
(Re − Rp)/Re = 1/298.25 mit Index e für Äquator und p für Pol.<br />
Die Entfernung zum Mond<br />
• ZUSATZ<br />
Der Öffnungswinkel des Mond Durchmessers beträgt Θ ≈ 0. ◦ 5. Damit ist<br />
DMond<br />
DE-M<br />
= sin Θ = 1<br />
2<br />
π<br />
180<br />
und damit DMond = 0.27D⊕. Hipparchus, der beim Vergleich von historischen Beobachtungen mit seinen eigenen <strong>die</strong><br />
Präzession der Äquinoxien entdeckte, konnte Winkel von etwa 240 arc sec mit der Armillasphäre messen. Die ersten<br />
Präzisionsmessungen (auf 6 Stellen Genauigkeit) wurden von Bradley durchgeführt. Er bestimmte dazu sogar Temperatur<br />
und Luftdruck.<br />
Bis heute ist das System Erde - Mond von grossem physikalischen Interesse (Gezeitenreibung). Die<br />
Parallaxe π = R⊕/D Erde-Mond = 3 422 ′′ (Winkelgrad) kann direkt gemessen werden. Die Methode des<br />
Aristarch, der <strong>die</strong> Abbildung des Erdradius auf den Mond betrachtete, ist sogar noch genauer. Legen<br />
wir den Erdradius R⊕ = 6 400 km als natürliche Grundeinheit für Längenmessungen zugrunde, dann
1.2. LÄNGEN: RADIEN UND ENTFERNUNGEN 13<br />
dann beträgt <strong>die</strong> Entfernung Erde-Mond: D E-M = 60.2R⊕ (Eratosthenes, der als erster <strong>die</strong> Entfernung<br />
zum Mond bestimmte, erhielt 64R⊕). Bei bekanntem Öffnungswinkel des Mondes hat man damit auch<br />
den Radius bestimmt: R = 1 738 km oder R = 0.27R⊕. Damit ist unser Mond größer als Pluto.<br />
Erst Picards Wert des Erdradius war genau genug, Newtons Erklärung der Mondanziehung zu bestätigen<br />
(s.u.). Newton behandelte auch als erster <strong>die</strong> Gezeitenkräfte im Erde - Mond - Sonne System.<br />
Mit Lagrange und Laplace beginnt <strong>die</strong> systematische Behandlung des Keplerproblems mehrerer Körper<br />
und damit <strong>die</strong> analytische Geometrie mit ihren Invarianten der Bewegung. Laplace gelingt es so, gewisse<br />
Diskrepanzen, <strong>die</strong> Halley aus der Prüfung alter und neuer Mondfinsternisse erschlossen hatte (der<br />
Mond lief früher langsamer um <strong>die</strong> Erde um, Jupiter schien in <strong>die</strong> Sonne zu fallen, Saturn das Sonnensystem<br />
zu verlassen), als säkulare (langzeitige) Störungen des Planetensystems zu erklären. Aus Ebbe<br />
und Flut Beobachtungen (<strong>die</strong> er einige Jahre in Brest anstellen ließ) bestimmte er (als erster direkt) <strong>die</strong><br />
Masse des Mondes zu (M⊕/M Mond = 80/1). Der moderne Wert beträgt 81.3.<br />
M⊕<br />
M Mond<br />
= 81.3<br />
Die Mondbahn ist um i = 5◦9 ′ gegen <strong>die</strong> Erdbahnebene (Ekliptik) geneigt. Die Bahn hat eine Exzentrizität<br />
von e = 0.0549. Vom Schwerpunkt des Erde<br />
- Mond Systems aus gemessen heißt <strong>die</strong> kleinste<br />
Entfernung Perigäum, <strong>die</strong> größte Apogäum. Der<br />
mittlere Bahnradius beträgt D = 384 400 km und<br />
<strong>die</strong> Umlaufgeschwindigkeit v = 1.01 km s−1 Daten des Erde - Mond Systems<br />
.<br />
Perigäum Rp = a(1 − e) = 356.410 km d = 33 ′ 31 ′′<br />
Apogäum Ra = a(1 + e) = 406.697 km d = 29 ′ 22 ′′<br />
Tab. 1.2: Erde - Mond System<br />
Mondumlauf und Rotation sind synchron, des-<br />
halb sieht man von der Erde aus stets <strong>die</strong> gleiche Seite des Mondes.<br />
Die Geometrie der Bewegung Erde – Mond – Sonne sieht etwa folgendermassen aus:<br />
D E-M = 60R⊕ und D E-S = 23 000R⊕<br />
Daraus ergibt sich eine Kernschattentiefe hinter der Erde von 217R⊕. Bei einer Sonnenfinsternis beträgt<br />
der Kernschatten bei größter Mondannäherung 264 km im Durchmesser. Er wandert mit einer<br />
Geschwindigkeit von 35 km/min über <strong>die</strong> Erde, <strong>die</strong> maximale Dauer (an festem Ort) beträgt 265/35 =<br />
7.57 Minuten.<br />
Die Daten für <strong>die</strong> Sonnenfinsternis von 1999: maximale Dauer 2 Minuten 23 Sekunden, Kernschattenradius<br />
100 km. Nur bei wolkenlosem Himmel wird es im Kernschatten wirklich dunkle Nacht, bei<br />
starker Bewölkung nur neblig grau.<br />
Die Astronomische Einheit<br />
Für <strong>die</strong> Sonne allerdings beträgt <strong>die</strong> Parallaxe<br />
π = R⊕/D Erde-Sonne = 8.8 ′′<br />
was unmessbar ist. Eratosthenes, der als erster <strong>die</strong> Entfernung zur Sonne bestimmte, erhielt 1 160R⊕,<br />
Tycho Brahes Mauerquadrant erlaubte Messungen mit einer Genauigkeit von 25 ′′ . Man kann leider nur<br />
abschätzen, daß <strong>die</strong> Sonne ’sehr weit’ entfernt ist.<br />
Aus der Größe des Erdschattens auf dem Mond bei einer Mondfinsternis schloß Aristarch, daß <strong>die</strong><br />
Sonne viel größer als <strong>die</strong> Erde sein müsse. Bis zu Newtons Zeit war <strong>die</strong> Entfernung zur Sonne nur<br />
sehr ungenau bekannt. Um trozdem zum Ziel zu kommen, verwendet man ein in der Astronomie gebräuchliches<br />
Verfahren und legt einen Zwischenschritt ein: man bestimmt zunächst <strong>die</strong> Entfernung zu<br />
einem Planeten (und dessen Umlaufperiode P um <strong>die</strong> Sonne).
14 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />
Nach dem 3. Keplersche Gesetz gilt dann für <strong>die</strong> Entfernung Erde-Sonne:<br />
� �2/3<br />
P⊕<br />
DErde−Sonne = DErde-Planet. PPlanet Diese Methode wurde 1672 von Cassini am Mars und 1835 von Encke an der Venus (nach dem Vorschlag<br />
von Halley, 1716, in Absorption vor der Sonne) angewandt, mit dem Ergebnis:<br />
1AE = D Erde-Sonne = 2.3 · 10 4 R⊕ = 1.49 · 10 13 cm<br />
Die genauesten Messungen (Fehler am Fernrohr 2 ′′ ) stellte am Anfang des 18. Jahrhunderts Bradley<br />
an, der, im Bemühen Sternparallaxen zu messen,<br />
1. <strong>die</strong> Aberration des Lichts (1728) und<br />
2. <strong>die</strong> Nutation der Erde (1747 s.u.)<br />
entdeckte. Bradley kann als Begründer der Präzisionsmessungen gelten. Er erreichte als erster sechsstellige<br />
Genauigkeit und setzte damit den Standard für Beobachtung und Rechnung für künftige Generationen<br />
(Laplace, Bessel, Gauß und Poincaré). Seine Bestimmungen der Aberration des Lichts waren<br />
der erste direkte Nachweis, daß <strong>die</strong> Erde sich um <strong>die</strong> Sonne bewgegt.<br />
Der Aberrationswinkel α ist in einfachster Näherung gegeben durch<br />
tan α = v⊥<br />
c<br />
(1.27)<br />
wobei v⊥ <strong>die</strong> Komponente senkrecht zur Visionsrichtung ist. Die Umlauf - Geschwindigkeit der Erde<br />
um <strong>die</strong> Sonne beträgt etwa 30 km s −1 , was für v/c etwa 10 −4 ergibt. Ausgedrückt als Winkel sind das<br />
20.47 ′′ . Jeder in der Bahnebene gelegene Stern beschreibt eine Linie, jeder senkrecht auf der Ekliptik<br />
stehender Stern einen Kreis mit <strong>die</strong>ser Amplitude.<br />
Die Parallaxe, auch der nächsten Sterne, ist sehr viel kleiner. Proxima Centauri hat π = 0.77 ′′ bei<br />
r = 1.3 pc Entfernung (s.u.).<br />
• ZUSATZ (ENTDECKUNG DER PLANETEN UND GENAUIGKEIT IHRER BAHNEN)<br />
Mit dem Bau immer leistungsfähigerer Teleskope, der auch heute noch nicht abgeschlossen ist, wurden immer neue Objekte<br />
entdeckt.<br />
Eine der (bis heute unbeantworteten) Urfragen (Kepler) an <strong>die</strong> Kosmogonie war <strong>die</strong> Frage, ob es eine Gesetzmäßigkeit beim<br />
Aufbau des Planetensystems der Sonne gibt. Nach dem Titius-Bode Gesetz (1772) kann man <strong>die</strong> Entfernung der Planeten<br />
von der Sonne rp durch folgende Formel beschreiben:<br />
rp(n) = 0.1 × (4 + 3 × 2 n ) AE mit n = −∞, 0, 1 . . . 7 (1.28)<br />
Dieses ’Gesetz’, das keines ist, war jedenfalls eine Orientierungshilfe beim Entdecken neuer Objekte im Sonnensystem. Es<br />
waren <strong>die</strong>s unter anderem:<br />
1. Uranus: Herschel, der größte Astronom der Neuzeit, entdeckt ihn 1781 durch Zufall.<br />
2. Piazzi in Italien entdeckt den ersten Asteroiden (Ceres). Die Anzahl von Piazzis Beobachtungen und <strong>die</strong> damalige<br />
Mathematik reichten nicht aus, um <strong>die</strong> Bahn zu bestimmen. Die Entdeckung drohte verloren zu gehen. Davon hörte<br />
Gauß und im November 1801 lieferte er <strong>die</strong> allgemeine Lösung. Der Asteroid wurde daraufhin wiedergefunden.<br />
3. Neptun wurde von Leverrier (1846) berechnet und von Galle (in Berlin) sofort gefunden.<br />
4. Pluto wurde von Lowell (1930) bestimmt und von Tombaugh entdeckt. Neuerdings wird Pluto nicht mehr zu den<br />
Planeten gezählt, er ist das größte Mitglied (Asteroid) im Kuiper Gürtel.<br />
Begleitet wurden <strong>die</strong> Himmelsbeobachtungen durch <strong>die</strong> Ausarbeitung einer Himmelsmechanik – der Lehre von der Bewegung<br />
der Himmelskörper – durch Lagrange und Laplace und ihre Schüler. Laplace konnte so aus den Störungen der<br />
Planetenbahnen <strong>die</strong> Masse der Sonne (ähnlich wie beim Mond!) direkt bestimmen. Diese Rechnungen wurden durch seine<br />
Schüler immer weiter vervollkommnet und gipfelten in der korrekten Vorhersage (Herschel hatte Uranus noch durch Zufall<br />
gefunden!) der Position zweier Planeten (aufgrund von Bahnstörungen): Neptun wurde von Leverrier (1846) berechnet und<br />
von Galle (in Berlin) sofort gefunden; Pluto wurde von Lowell (1930) bestimmt und von Tombaugh entdeckt.
1.2. LÄNGEN: RADIEN UND ENTFERNUNGEN 15<br />
Die Rechnungen Leverriers stimmten mit den Beobachtungsdaten hervorragend überein, mit einer Ausnahme: bei Merkur<br />
ergab sich eine Abweichung im Voreilen des Perihels um 43 ′′ (von insgesamt 5599 ′′ ). Leverrier vermutete daraufhin einen<br />
weiteren Planeten als Grund der Störung und berechnete seine Position (näher an der Sonne als Merkur, deshalb am besten<br />
in Absorption vor der Sonne zu beobachten). Vulkan, wie Leverrier seinen Planeten nannte, wurde nie gefunden (trotz vieler<br />
gegenteiliger Behauptungen). Daß es sich nicht um Beobachtungsfehler handelte, zeigte Einstein in seiner Arbeit (1915)<br />
’Erklärung der Perihelbewegung des Merkur aus der allgemeinen Relativitätstheorie’. Bis heute halten sich Spekulationen,<br />
daß im Sonnensystem ein zweiter unsichtbarer Stern (mit Namen Nemesis) verborgen sein könnte.<br />
In neuerer Zeit haben Oort (Oortsche Wolke) und Kuiper (Asteroidengürtel) auf das Vorhandensein weiterer Ansammlungen<br />
von Materie (Kometen Reservoir) hingewiesen.<br />
Bis 1961 waren Messungen am Asteroiden Eros, einem erst 1898 entdeckten ziegelähnlicher Brocken<br />
mit den Abmessungen 22 km (Länge) mal 6 km (Durchmesser), <strong>die</strong> genauesten, da Eros sich bis auf<br />
0.12 AE der Erde nähert. Die Reduktion der Daten zwischen 1901 und 1945 ergab π = 8.8 ′′ . Seitdem<br />
haben Radarmessungen <strong>die</strong> Genauigkeit so weit gesteigert, daß Entfernungen im Sonnensystem heute<br />
auf etwa 1 km genau sind:<br />
1AE = 149597892 km (1.29)<br />
dabei sind 1 km etwa durch <strong>die</strong> Unebenheiten der Planeten gegeben.<br />
• ZUSATZ (DATEN ZUR ERDBAHN)<br />
Für <strong>die</strong> Erdbahn ergibt sich folgendes:<br />
Periheldistanz Rp = a(1 − e) = 147 · 10 6 km; vp = 30.3 km s −1 Periheldurchgang: Anfang Januar<br />
Apheldistanz Ra = a(1 + e) = 152 · 10 6 km; va = 29.3 km s −1 Apheldurchgang: Anfang Juli<br />
Damit beträgt <strong>die</strong> lineare Dopplerverschiebung β = v/c ≈ 10 −4 .<br />
1.2.2 Die nächste Umgebung der Sonne<br />
Normalerweise versteht man unter der nächsten Umgebung der Sonne, rein phänomenologisch, <strong>die</strong>jenige<br />
Entfernung, <strong>die</strong> noch mit geometrischen Mitteln (Parallaxe) direkt bestimmt werden kann. Dazu<br />
zählten bis vor kurzem einzelne Sterne mit bis zu 25 pc Entfernung und Sternhaufen mit bis zu maximal<br />
1 kpc Distanz. Für weitergehende Entfernungsbestimmungen musste ein kompliziertes System<br />
von Eichkerzen verwendet werden. Messungen mit dem Astrometrie Satelliten Hipparcos haben hier<br />
enorme Fortschritte gebracht.<br />
Der enorme technische Forschritt, zusammen mit einigen (für den Astronomen glücklichen) Ereignissen<br />
(wie der Supernova 1987A), ermöglicht neuerdings (seit mit VLBI im radio und mit dem HST im<br />
optischen Bereich Präzisionsmessungen auf einer Skala von µas bzw. mas zu Verfügung stehen) auch<br />
kinematische Entfernungsbestimmungen bis zu 4 Mpc! Dabei wird <strong>die</strong> Expansion einer Kugel einerseits<br />
direkt über <strong>die</strong> Winkeländerung (Parallaxe), andererseits über <strong>die</strong> Dopplerverschiebung bestimmt.<br />
Die Änderung des Radius ist dann gegeben durch R = vt = ∆θd.<br />
Relevante Beispiele, wo <strong>die</strong>se Methode bereits Ergebnisse gebracht hat, sind:<br />
1. H2O-Maser (Orion, gal. Zentrum).<br />
2. Nova mit Planetarem Nebel (stingray nebula).<br />
3. Supernovae mit Supernova Überresten (SN 1987A in LMC und SN 1993J in M81).<br />
Diese erlauben mittlerweile Entfernungsbestimmungen zu ausgewählten Gebieten mit einer formalen<br />
Genauigkeit von weniger als 1% über grosse Entfernungen hinweg.<br />
Wir fassen im folgenden zunächst kurz <strong>die</strong> klassischen Ergebnisse zusammen. Betelgeuze und Rigel<br />
sind sehr bekannte Sterne im Sternbild Orion. Sie gehören zu den scheinbar und absolut hellsten Sternen<br />
unserer Milchstraße und sie werden uns noch häufiger beschäftigen.
16 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />
• ANMERKUNG (FRÜHE VORSTELLUNG VON DER ENTFERNUNG ZUM NÄCHSTEN STERN)<br />
Roger Bacon (1214 - 1294, nicht zu verwechseln mit Francis Bacon) zitiert (den arabischen Philosophen) Alfar’abi (870<br />
- 950) in seinen ’Opus Majus’, der <strong>die</strong> Entfernung zur Fixsternsphäre mit d = 130 715 000 römischen Meilen (zu 1000<br />
rechten Füßen) bestimmte. Das ist 0.2 AE, also etwa 10 −6 der Entfernung zum nächsten Stern und 10 −10 zum galaktischen<br />
Zentrum!<br />
Eine realistische Bestimmung der Entfernung zum nächsten Stern hat naturgemäß am längsten gebraucht.<br />
Die Sterne der Sonnenumgebung haben keinen gemeinsamen Ursprung. Es handelt sich also um eine<br />
zufällige Ansammlung irgendwelcher Sterne, welche sich wahllos relativ zueinander bewegen. In<br />
einigen Myr (1Myr = 10 6 Jahre) werden es ganz ande-<br />
re Sterne sein. Allerdings ist <strong>die</strong> Lage der Sonne insofern<br />
ausgezeichnet, als sie sich nur 500 pc von einem<br />
massiven Wolkenkomplex entfernt befindet (dem Orion<br />
Nebel mit dem Trapezium Komplex). Exotische Objekte<br />
wie Geminga oder massive Schnellläufer könnten von<br />
dort gekommen sein.<br />
In der nebenstehenden Tabelle bedeutet D Distanz von<br />
der Sonne; ly: Lichtjahr, 1 ly = 9.4605 · 10 17 cm (1 pc<br />
Name D π mv<br />
ly ′′ mag<br />
Sonne −26.72<br />
Proxima Cen 4.22 0.772 11.05<br />
α–Cen (A,B) 4.35 0.75 −0.01<br />
Barnards Stern 5.98 0.545 9.54<br />
Sirius 8.65 0.377 −1.46<br />
= 3.26 ly = 3.0856 · 1018 cm); und π: Parallaxe in Bogensekunden<br />
(π/1 ′′ = 1pc<br />
Arkturus 36 0.1 −0.20<br />
Wega 26 0.125 0.03<br />
). Die scheinbare visuelle Hel-<br />
D Betelgeuze 310 0.012 0.10<br />
ligkeit mv ist in Magnituden angegeben. Aufgeführt sind Canopus 600 0.006 -0.73<br />
<strong>die</strong> nächsten (mit gemessener Parallaxe) bzw. <strong>die</strong> hell-<br />
Rigel 900 0.003 0.15<br />
sten Sterne. Barnards Stern hat <strong>die</strong> größte Eigenbewegung.<br />
Mit µ = 10.25 Bogensekunden pro Jahr, was mit<br />
Tab. 1.3: Bekannte Sterne<br />
v = µ/π einer (orthogonal) Geschwindigkeit von 89 km s−1 entspricht, hat <strong>die</strong>ser Stern fast schon <strong>die</strong><br />
Geschwindigkeit von Pulsaren. Betelgeuze (α Ori) und Rigel (β Ori) sind viel langsamer und liegen<br />
im Sternbild Orion, letzterer gehört (mit vielen anderen Sternen von Kopf, Gürtel und Schwert) auch<br />
physisch zu Orion.<br />
Wega (α Lyrae) liegt im Sternbild Leier und Canopus (α Car) im Sternbild Carina. Es handelt sich um<br />
besonders leuchtstarke Sterne, Canopus hat <strong>die</strong> absolute Helligkeit von M = −8.5, was L = 105L⊙ entspricht. Wega ist nur 8 pc entfernt und wird mittlerweile als Eichstern benutzt.<br />
Betelgeuze (M = −5.28; L = 104L⊙) ist der erste Stern (außer der Sonne), dessen Radius direkt (also<br />
nicht interferometrisch oder über Spekle Interferometrie) gemessen wurde (1996, mit dem HST).<br />
Die nächsten Sterne<br />
Eine erste Vorstellung von der relativen Entfernung bekam bereits Huygens dadurch, daß er <strong>die</strong> Helligkeit<br />
der Sonne (deren Entfernung er allerdings nicht genau kannte) mit der des Sirius verglich. Dazu<br />
bohrte er Löcher in eine Messingplatte und schwächte das Sonnenlicht weiter durch eine Glasperle.<br />
Er kam so zu der Auffassung, daß Sirius etwa 27 664mal so weit entfernt sei wie <strong>die</strong> Sonne, was einer<br />
Entfernung von 1/2 Lichtjahr entspricht. Tatsächlich ist Sirius 8.8 Lichtjahre entfernt (und heller als<br />
<strong>die</strong> Sonne).<br />
Durch eine geniale (Variante der Huygenschen) Idee des schweizer Astronomen Jean-Philippe Löys de<br />
Chéseaux (1744) war es <strong>die</strong>sem möglich <strong>die</strong> Entfernung zum nächsten Stern zu bestimmen, 100 Jahre<br />
bevor Bessel eine direkte Messung gelang: <strong>die</strong> Entfernung zwischen Erde und Mars ändert sich und<br />
damit <strong>die</strong> relative Helligkeit des Mars. Chéseaux kannte D = Entfernung Erde-Mars, R = Entfernung<br />
Mars- Sonne und b = Radius von Mars. Die scheinbare Helligkeit des Mars ist dann gegeben (bei<br />
idealer Reflektion) durch<br />
f Mars = (πb 2 )<br />
�<br />
L⊙<br />
4πR2 � �<br />
1<br />
4πD2 �<br />
(1.30)
1.2. LÄNGEN: RADIEN UND ENTFERNUNGEN 17<br />
Die Gleichung ist folgendermassen zu verstehen: Wie im Abschnitt Eichung der Sternhelligkeiten ausgeführt,<br />
wird mit Leuchtkraft, L, Einheit: erg s −1 , der totale Energieverlustrate eines Sterns, L = ˙ E,<br />
bezeichnet. Bei isotroper Abstrahlung kommt im Abstand D (bei Euklidischer Geometrie) ein Strahlungsfluß<br />
f beim Beobachter an, also<br />
f = L<br />
4πD 2<br />
(1.31)<br />
Der Strahlungsfluß f (Einheit: erg cm −2 s −1 ) ist also das Maß zur Bestimmung der Leuchtkraft L des<br />
Sterns, wenn man seine Entfernung D kennt. Im Falle Sonne Mars ist der einfallende Strahlungsfluß<br />
fein also fein = L⊙/4πR 2 . Die Fläche senkrecht zum Einfall ist πb 2 . Bei idealer Refektion beträgt<br />
dann <strong>die</strong> Leuchtkraft L Mars = (πb 2 )(L⊙/4πR 2 ). Auf dem Weg zur Erde wird sie nochmals reduziert um<br />
den letzten Faktor. Setzt man <strong>die</strong>se gleich der scheinbaren Helligkeit des Sterns, f = (Ls/4πd 2 ), so<br />
folgt unter der Annahme Ls = Sternhelligkeit = Sonnenhelligkeit = L⊙ für den unbekannten Abstand<br />
d zum Stern:<br />
d = 2 RSonne−Mars<br />
DErde−Mars<br />
bMars<br />
(1.32)<br />
Chéseaux erhielt so einige Lichtjahre (in Übereinstimmung mit der wahren Entfernung der nächsten<br />
Sterne), allerdings war seine Annahme über <strong>die</strong> Leuchtkraft des nächsten Sterns nicht korrekt (gleiches<br />
gilt für den Refektionskoeffizienten des Mars). Beide Fehler heben sich in etwa auf. Die Formel von<br />
Chéseaux ist mittlerweile wieder hochaktuell, wie folgende Anmerkung zeigt.<br />
• ANMERKUNG (DIREKTER NACHWEIS VON EXTRASOLAREN PLANETEN)<br />
Der Nachweis extrasolarer Planeten beruht bisher darauf, <strong>die</strong> Dopplerverschiebung an möglichst vielen Linien des Primärsterns<br />
zu messen. Neuerdings kennt man auch Fälle, wo der Primärstern seine Planeten verschlingt (Kannibalismus).<br />
Zum direkter Nachweis von extrasolaren Planeten kann man versuchen, das am Planeten reflektierte Licht eines Primärsterns<br />
zu beobachten. In der Form<br />
fPlanet = A(πb 2 )<br />
� LStern<br />
4πR 2<br />
� �<br />
1<br />
4πD2 �<br />
wobei A der Reflexionskoeffizient (<strong>die</strong> Albedo) ist, kann <strong>die</strong> Chéseaux Formel als Grundlage <strong>die</strong>nen, zur Abschätzung der<br />
Möglichkeit, ob das reflektierte Licht eines extrasolaren Planeten direkt von der Erde aus nachgewiesen werden kann. Das<br />
Licht des Zentralsterns muß dazu ausgeblendet werden.<br />
Aus seinen Messungen konnte Bradley schließen, daß Fixsternparallaxen kleiner als 1 ′′ sein müßten.<br />
Beim Vergleich seiner Positionsbestimmungen von Sirius, Procyon und Arcturus mit denen von Hipparch<br />
stellte Halley (1718) fest, daß <strong>die</strong>se keineswegs fix sind, sondern eine Pekuliarbewegung aufweisen.<br />
• BEISPIEL (STERNE MIT GROSSER PEKULIARBEWEGUNG)<br />
Die größte Pekuliarbewegung (also meßbare Parallaxe) haben<br />
1. Kapteyns Stern (D = 4 pc) hat 8 ′′ , 89 yr −1 (entspricht v = 245 km s −1 und<br />
(1.33)<br />
2. Barnards Stern (D = 1.5 pc) hat 10 ′′ , 3 yr −1 (entspricht v = −108 km s −1 . Es handelt sich hierbei um Schnellläufer.<br />
Es handelt sich hiebei um besonders nahe Sterne.<br />
Pulsare sind schnell, allerdings nicht unbedingt nah. Der Pulsar PSR J0633+1746 (Geminga) ist der nächst gelegene (Entfernung<br />
D = 157 pc) γ−ray Pulsar mit einer Periode von P = 237 ms und einem formalen Alter von 30 kyr. Seine<br />
Pekuliarbewegung ist messbar<br />
µα = 0.138 ′′ yr −1 , µδ = 0.097 ′′ yr −1<br />
Die Pekuliargeschwindigkeit beträgt damit v = 122 km s −1 .
18 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />
Auf dem Wege zur Parallaxenbestimmung wurden auch noch eine Klasse besonders wichtiger Sterne<br />
entdeckt: <strong>die</strong> Doppelsterne (bzw. Mehrfach - Sternsysteme). Erstmals beschrieben wurde mit<br />
Omikron Ceti (1596) von David Fabricius ein<br />
veränderlicher Stern. Riccioli löste 1650 Mizar<br />
Daten zu Algol (βPer)<br />
(Zeta Ursae Majoris, der vorletzte Stern in der Parameter Primärstern Begleiter<br />
Deichsel des grossen Wagens) in zwei Kom- Masse 6.54·10<br />
ponenten auf (was Indianer Nordamerikas mit<br />
blossem Auge konnten und als Sehtest benutzten).<br />
Der im Jahre 1667 von dem Bologneser Astronomen<br />
Gemiani Montanari als veränderlich beschriebene<br />
Algol (Beta Persei) wurde 1782 von<br />
John Goodricke als Kurzzeit Bedeckungsveränderlicher<br />
33 g 1.64·1033 g<br />
Radius 2.51·1011 cm 2291·1011 cm<br />
Sp Typ B8V K2III<br />
Leuchtkraft 5.95·1035 erg s−1 2.44·1034 erg s−1 Rotationsperiode 2.8673 d 2.8673 d<br />
Abstand 1.02·1012 cm; Orbitalperiode 2.8673 d<br />
Tab. 1.4: Algol<br />
(Periode: 2.86 Tage, Dauer der Bedeckung: 9.8 Stunden) erkannt. Ein weiteres Jahrhundert verging,<br />
bis man seiner Deutung Glauben schenkte.<br />
Heute weiß man, daß Algol ein Tripel System ist, der dritte Stern hat eine Periode von 1.9 Jahren.<br />
Algol ist ein wichtiger Vertreter und Namensgeber für aktive halbgetrennte Systeme, da es ein naher<br />
Bedeckungsveränderlicher ist. Alle Bahnparameter können sehr genau bestimmt werden. Algol ist sogar<br />
ein Radio und Röntgen Stern, mit starken Ausbrüchen in beiden Frequenzbereichen (etwa alle zwei<br />
Bahnumdrehungen). Die Änderungen im optischen kommen dagegen rein geometrisch zustande. Die<br />
Röntgenleuchtkraft beträgt im Maximum eines Ausbruchs LX = 3 · 1032 erg s−1 gesamten Leuchtkraft des Begleiters, Algol B.<br />
, das sind 1% der<br />
Wir wollen das Doppelsternsystem Alcor (arab: das Reiterchen) und Mizar genauer betrachten. Das<br />
menschliche Auge kann Winkel von 1’ gerade noch auflösen. Bei genauerer Analyse mit dem Teleskop<br />
stellt sich heraus, daß <strong>die</strong> beiden Sterne nur zufällig zusammenstehen (Zufallsprojektion). Es handelt<br />
sich um einen optischen Doppelstern (optical double) oder optisches Binärsystem (Abstand 11’).<br />
Mizar ist allerdings dennoch, wie man im Teleskop entdeckt, ein enges Doppelsternsystem, bestehend<br />
aus Mizar A und Mizar B. Hier können beide Komponenten getrennt und spektroskopiert werden, es<br />
handelt sich um ein visuelles Doppelsternsystem (Abstand 14”5, Periode 3 kyr). Schaut man sich <strong>die</strong><br />
Dopplerverschiebung genauer an, dann ist jeder der beiden nochmals ein Doppelsternsystem (Periode<br />
von Mizar A 20.5 d)). Da der Begleiter hier nur über <strong>die</strong> Dopplerverschiebung erkennbar ist, handelt<br />
es sich um ein spektroskopisches Doppelsternsystem. Insgesamt handelt es sich demnach ein hierarchisches<br />
Quadrupelsystem und falls Alcor dazu gehört (gleiche Geschwindigkeit), dann sogar um ein<br />
in Auflösung begriffenes Quintupel.<br />
Aufgrund statistisch korrekter Überlegungen interpretierte J. Michell 1767 solche und viele andere<br />
als physische Doppelsterne, d. h. gravisch gebundene Systeme. Von Christian Mayer wurden <strong>die</strong>se<br />
ab 1777 systematisch beobachtet (welche er in einem Katalog mit 80 sogenannten ’Fixsterntrabanten’<br />
veröffentlichte), aber niemand glaubte daran, insbesondere William Herschel (der bedeutendste<br />
Beobachter der Neuzeit) nicht.<br />
Aufgrund 25-jähriger Beobachtungen (um <strong>die</strong> jährliche Parallaxe der erdnächsten zu bestimmen) wurde<br />
Herschel 1803 zu der Erkenntnis gezwungen, daß es sich bei vielen scheinbar zusammenstehenden<br />
Sternen tatächlich um physische (d. h. gravisch gebundene) Doppelsterne handelte. So konnte er an<br />
Castor (α Geminorum) <strong>die</strong> Separation von 4, ′′ 58 direkt messen und ihre zeitliche Änderung feststellen.<br />
Damit war <strong>die</strong> Existenz von Doppelsternen etabliert. Mittlerweile kennt man schon Doppelsterne<br />
mit Planeten.<br />
Bessel hat dann 1839 an 61 Cygni <strong>die</strong> erste Parallaxenbestimmung vorgenommen, mit dem Ergebnis<br />
π = 0.296 ′′ . Solche Messungen benutzen <strong>die</strong> Erdbahn als Grundlinie (1 AE = 1.5·10 13 cm) und sind<br />
Relativmessungen (bezogen auf <strong>die</strong> Fixsterne).
1.2. LÄNGEN: RADIEN UND ENTFERNUNGEN 19<br />
• ANMERKUNG<br />
Um <strong>die</strong> Leistung von Bessel zu ermessen, mache man sich folgendes klar: Das theoretische Auflösungsvermögen eines<br />
Teleskops mit Durchmesser D beträgt für Licht der Wellenlänge λ:<br />
Θmin = 1.22 λ<br />
D und 1′′ =<br />
2π<br />
360 · 60 · 60 =<br />
1<br />
≈ 4.85 · 10−6<br />
206 265<br />
also können auch <strong>die</strong> größten Teleskope (D = 10 m) bei einer Wellenlänge von λ = 5000 ˚A = 5 · 10 −5 cm bestenfalls<br />
Θmin ≈ 10 −7 ≈ 0.02 ′′ auflösen. Die Auflösung des HST (D = 2.4 m) beträgt 0.1”, im UV 0.05”.<br />
Dabei setzt <strong>die</strong> (Turbulenz der) Erdatmosphäre eine Grenze – das sog. seeing – von 0.01 ′′ für kurzzeitige Beobachtung und<br />
von 1 ′′ für lange Zeiten). Um <strong>die</strong> Parallaxe von 61 Cyg zu messen, benötigt man ein Teleskop mit 35 cm Durchmesser.<br />
Tatsächlich kann man man Winkel natürlich nicht mit absoluter Genauigkeit messen, sondern nur relativ zu echten Fixsternen<br />
und zwar mit einem Mikrometer im Strahlengang. Man benötigt also einen Fundamentalkatalog, dessen Positionen<br />
vorher durch Sterndurchgang bestimmt wurden.<br />
Umgekehrt würde ein Stern mit Radius 1 AE (roter Riese) im Teleskop auf 1” abgebildet, falls er 1 Parsec entfernt ist. Der<br />
nächste rote Riese ist allerdings 100 pc entfernt (Betelgeuze = α Ori im Sternbild Orion), somit kann man Sterne gerade<br />
(von der Erde aus) nicht auflösen, sie sind Punktquellen. Mit Interferometrie oder mit dem HST ist das aber möglich.<br />
Es ist in der Astronomie üblich, <strong>die</strong> Namen von Objekten, <strong>die</strong> (wie <strong>die</strong> Sterne) nicht aufgelöst werden können mit der<br />
Endsilbe ar zu versehen: Quasar, Pulsar, Blasar . . .<br />
Dabei ist ein Pulsar (oder Magnetar) wirklich ein Stern (dazu noch mit Radius 10 km), ein Quasar (oder Blasar) jedoch eine<br />
Galaxie in kosmologischer Entfernung.<br />
Als neue Grundeinheit haben wir so das Parsec, pc, (Parallaxen Sekunde).<br />
Ein Parsec ist <strong>die</strong> Entfernung unter der <strong>die</strong> Astronomische Einheit, AE, (also der Bahnradius!)<br />
unter einem Winkel πo von einer Bogensekunde erscheint:<br />
sinπo = AE/pc = 1/206 265<br />
Der Wert 1 pc = 3.0856·10 18 cm entspricht 3.26 Lichtjahre.<br />
Erscheint umgekehrt der Durchmesser D eines Objekts unter einem Winkel α Bogensekunden und<br />
kennt man <strong>die</strong> Entfernung d, dann gilt zunächst<br />
D = αd<br />
206 265<br />
oder in Parsec, Astronomischen Einheiten und Bogensekunden<br />
D<br />
pc<br />
= 2α d<br />
AE<br />
Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts war eine Bogensekunde <strong>die</strong> Auflösungsgrenze der Teleskope und<br />
demnach <strong>die</strong> Entfernung der allernächsten Sterne gerade messbar. Der nächste Stern, Proxima Centauri,<br />
ist 270.000 AE von der Sonne entfernt!<br />
Zur Bestimmung der Parallaxe eines Sterns wird <strong>die</strong>ser im Abstand von 1/2 Jahr fotografiert, und seine<br />
Position mit echten Fixsternen (d. h. sehr weit entfernten Sternen) verglichen. Die besten (langbrennweitigen)<br />
Instrumente bilden immer noch mehr als 13 ′′ pro Millimeter ab, sodaß <strong>die</strong> Auflösung bei<br />
0.04 ′′ (entsprechend 25 pc) liegt. Die scheinbare Eigenbewegung senkrecht zur Blickrichtung erhält<br />
man nach mehreren Jahren, während <strong>die</strong> Radialgeschwindigkeit mithilfe des Dopplereffekts gemessen<br />
werden kann.<br />
Damit erhält man ein vollständiges Bild der Dynamik der (sichtbaren) Sterne in Sonnennähe. Unter<br />
den 5776 mit blossem Auge sichtbaren Sterne sind weniger als 400 sonnennah (Entfernung < 25 pc).<br />
Mehr als <strong>die</strong> Hälfte aller (entdeckten) Sterne in Sonnenumgebung sind Doppelsterne, viele Begleiter<br />
sind Weiße Zwerge.<br />
Die beiden Sterne mit den größten Eigenbewegungen sind nicht nur nah sondern auch noch besonders<br />
schnell (Schnellläufer = engl. runaway stars). Es stellt sich damit <strong>die</strong> Frage, wieviel sonnennahe Sterne<br />
gibt es wirklich, d. h. wieviele hat man bis jetzt übersehen (Dunkelsterne)?<br />
(1.34)
20 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />
Synopsis: Sonnennahe Sterne<br />
Sonnennahe Sterne sind seit der Entdeckung von Planeten um einige von ihnen wieder von besonderem<br />
Interesse. Dabei muß berücksichtigt werden, daß es sich bei <strong>die</strong>sen nur um Sterne mit nachweisbaren<br />
(also hinreichend massiven und kurzperiodischen) Trabanten handelt. Typische Abstände sind 10 pc<br />
und mehr, der nächste ist Gliese 876 in einer Entfernung von 4.7 pc (der erste, 51 Peg, ist 15.4 pc<br />
entfernt).<br />
Name Entfernung Helligkeit Farbindex Spekt.Typ<br />
Bezeichnung Lichtjahr mv Mv B-V<br />
zum Vergleich<br />
Sonne 1.5 · 10 −5 -26.72 4.85 0.65 G2<br />
Mond -12.7<br />
Venus -4.07<br />
Die nächsten Sterne<br />
Proxima Centauri 4.22 11.05 15.49 1.97 M5<br />
α–Centauri A † 4.35 −0.01 4.37 G2<br />
α–Centauri B † dito 1.33 5.71 K6<br />
Barnards Stern 5.98 9.54 13.22 M5<br />
Die hellsten (mv) Sterne der Galaxis<br />
Sirius A ‡ 8.65 −1.46 1.4 0.00 A1<br />
Sirius B ‡ DA<br />
Canopus 200 −0.73 −4.6 F0 I<br />
Arkturus 36 −0.06 0.1 K0<br />
Wega 26 0.03 0.5 0.00 A0<br />
Rigel 900 0.1 −7.0 B8<br />
Deneb 1800 1.26 −7.2 A2<br />
Die historisch ersten Parallaxen<br />
π/ ′′ Entdecker Jahr<br />
61 Cygni 11.2 5.2 0.29 Bessel 1838<br />
Wega 26 0.03 0.12 Struve 1839<br />
α–Centauri 4.35 -0.01 0.76 Henderson 1840<br />
Die größten Eigenbewegungen<br />
π( ′′ /y) v(km/s)<br />
Kapteyns Stern 12.7 8.8 0.256 8.89 245 ♯<br />
Barnards Stern 5.98 9.54 0.552 10.31 −108 ♯<br />
† : Doppelstern; ‡ Weißer Zwerg Begleiter: ♯ : Schnellläufer (runaway)<br />
Der Stern Wega (alternative Bezeichnungen: α Lyrae = BD +38 3238 = HD 172 167) ist ein wichtiger<br />
Eichstern. Er wird später noch genauer betrachtet.<br />
Castor (α Geminorum), einer der hellsten Sterne der Galaxis, ist ein 6faches Sternsystem. Es handelt<br />
sich dabei um ein hierarchisches Tripelsystem. Die beiden hellsten Komponenten laufen mit einer
1.2. LÄNGEN: RADIEN UND ENTFERNUNGEN 21<br />
Periode von etwa 300 Jahren umeinander, und um <strong>die</strong>se läuft <strong>die</strong> dritte Komponente in 10 000 Jahren<br />
um. Jede <strong>die</strong>ser Komponenten ist selbst wieder ein Doppelstern.<br />
Vermutlich handelt es sich hier, wie zuerst von Ambartzumian diskutiert, um ein Überbleibsel von einem<br />
offenen Sternhaufen. Die Erzeugung solcher hierarchischer Multisysteme ist sehr selten, normalerweise<br />
laufen solche Sternsysteme nach einigen Myr auseinander, wie Komputersimulationen gezeigt<br />
haben (s. Trapezium Sterne).<br />
Betelgeuze (α Ori) im Sternbild Orion<br />
Ein Stern von beträchtlichem Interesse ist der Rote Überrriese Betelgeuze (engl: Betelgeuse). Er liegt<br />
im Sternbild Orion und bildet den Schulterstern des Jägers (gr. Orion). Direkt messbar sind <strong>die</strong> folgenden<br />
klassischen Daten:<br />
1. Koordinaten (1900) : α = 5 h 49.8, δ = 7 ◦ 7 ′ .23. Liegt räumlich vor Orion.<br />
2. Parallaxe. Sie beträgt π = 0.047 ′′ , was eine Entfernung von d = 100 pc liefert.<br />
3. Eigengeschwindigkeit. Es ist µ = 0.032 ′′ yr −1 , oder v = µd = 15 km s −1 .<br />
4. Die scheinbare Helligkeit beträgt mV = 0.7. (MV = −4.1).<br />
Neu sind <strong>die</strong> folgenden beobachteten Eigenschaften des Sterns selbst. Alle Parallaxen werden wir hier<br />
in mas (MilliArcSec) angeben. Im UV ( λ = 2 550 ˚A) kann das HST <strong>die</strong> Chromosphäre auflösen. Der<br />
Durchmesser beträgt 113 mas. Gleiches gilt für Radiobeobachtungen mit dem VLA (Beamsize: 45<br />
mas, bei λ = 7 mm). Bei einer Entfernung von D = 100 pc ist das ein Radius von 370 R⊙ (Marsbahn).<br />
Die Chromosphäre reicht (im UV) sogar bis 800 R⊙ (Jupiterbahn).<br />
Die Leuchtkraft beträgt (Entfernung D = 100 pc) L = 10 4 L⊙ oder (MV = −4.1), <strong>die</strong> Oberflächentemperatur<br />
ist 3200 Kelvin. Der Stern ist deutlich deformiert, und zwar ist er in einfachster<br />
Näherung eine Ellipse. Er zeigt (für sein geschätztes Alter extrem) starken Massenverlust, <strong>die</strong> Rate<br />
beträgt ˙ M = 2 · 10 −7 M⊙ yr −1 . Der Stern oszilliert, der Anregungsmechanismus dafür ist unbekannt.<br />
Die spektroskopische Klassifizierung ist M2 Iab. Die aktuelle Masse kann damit zu M = 9M⊙ abgeschätzt<br />
werden. Nach Modellrechnungen von I. Iben braucht ein solcher Stern 21 Myr bis zum<br />
Verlassen der Hauptreihe und nochmals 0.6 Myr bis zur Entwicklung des Roter Riese Stadiums in dem<br />
er sich jetzt befindet. In 27 Myr kann Betelgeuze mit 15 km s −1 = 15 pc Myr −1 bequem <strong>die</strong> Differenz<br />
zwischen 500 pc (Entfernung zu Orion) und aktueller Entfernung D = 100 pc zurücklegen.<br />
Orion (der Jäger) enthält vermutlich vier Generationen von Sternen:<br />
1. Betelgeuze (α Ori) und andere, <strong>die</strong> Orion bereits verlassen haben. Alter etwa 30 Myr.<br />
2. Rigel (β Ori, blauer Riese) und <strong>die</strong> drei Gürtelsterne (δ, ɛ und ζ Ori) und viele andere haben ein<br />
geschätztes Alter von etwa 5 Myr.<br />
3. Die Schnellläufer (engl. runaway stars) µ Columbae, AE Aurigae und 53 Arietis sind (nach<br />
Blauw) vor etwa 3 Myr aus Orion hervorgegangen. Die Pekuliargeschwindigkeiten betragen bis<br />
zu 200 km s −1 . Nach einem Vorschlag von Zwicky könnten sie aus einem engen Vielfachsystem<br />
nach einer Supernova Explosion hervorgegangen sein.<br />
4. θ 1 Orionis (im Schwert) ist der hellste der vier Trapezium Sterne. Alter etwa 2 Myr. Auflösung<br />
des Systems in einigen Myr.<br />
Sterneigenbewegung und<br />
der Local Standard of Rest<br />
Betrachtet man <strong>die</strong> Sterne der Sonnenumgebung, so kann man keinerlei physikalische Gemeinsamkeiten<br />
feststellen. Es handelt sich also um eine zufällige Begegnung irgendwelcher Sterne, welche sich<br />
wahllos relativ zueinander bewegen.
22 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />
Daß sich <strong>die</strong> Sonne relativ zu weit entfernten Sternen (Fixsterne) bewegt, hat als erster (1783) W.<br />
Herschel gemessen. Sein Ergebnis wurde von Argelander in Bonn (1837) anhand eines viel umfangreicheren<br />
Materials bestätigt. Typische Eigengeschwindigkeiten belaufen sich auf 30 km/sec oder 30<br />
pc/Myr (relativ zur Sonne), sodaß <strong>die</strong> Sterne der Sonnenumgebung nach etwa einer Million Jahre ganz<br />
andere sein werden.<br />
In einer Kugel mit dem Radius 5 pc um <strong>die</strong> Sonne als Zentrum sind bisher 62 Objekte entdeckt: nämlich<br />
32 Einzelsterne, 12 Doppelsterne und 2 Tripelsterne. Dem entspricht eine Anzahldichte von 0.12 Sterne<br />
pro pc 3 . Schätzt man deren Massen (s.u.), dann erhält man für <strong>die</strong> lokale, gesehene Massendichte etwa<br />
ρlokal = 0.1M⊙pc −3 . Der Literaturwert der gesehen Masse beträgt<br />
ρlum = 0.09M⊙ pc −3<br />
Der beste Wert der von Hipparcos (aufgrund der Stellardynamik sonnennaher Sterne) ermittelt wurde<br />
ist sogar kleiner: ρdyn = 0.076M⊙ pc −3 . Dem entspricht in cgs Einheiten ρ = 10 −23 g cm −3 , was (mit<br />
einem mittleren Molekulargewicht von µ = 2 · 10 −24 ) eine <strong>Teil</strong>chendichte von n = 5 cm −3 ergibt.<br />
ρdyn = 10 −23<br />
g cm −3 , ndyn = 5 cm −3 (1.35)<br />
Der Wert vor Hipparcos war ρdyn = 0.12M⊙ pc −3 , sodaß 30% Dunkelmaterie bereits in allernächster<br />
Sonnenumgebung impliziert wurde.<br />
Da nun <strong>die</strong> Sonne kein ausgezeichneter Stern ist, legt <strong>die</strong>s nahe, ein lokales Ruhsystem zu definieren<br />
(local standard of rest, LSR). Dazu werden besonders ausgewählte, sonnennahe Sterne herangezogen<br />
und ihr Geschwindigkeitschwerpunkt als LSR genommen. Im LSR hat <strong>die</strong> Sonne eine Pekuliargeschwindigkeit<br />
von 20 km s −1 . Der Wert, der vom Satelliten Hipparcos neuerdings ermittelt wurde, ist<br />
(nur unwesentlich) kleiner: 14 km s −1 .<br />
Sterne mit Planeten<br />
Wenn es stimmt, daß Einzelsterne Planeten benötigen, in denen (wie bei der Sonne) der Drehimpuls<br />
gespeichert wird, dann sollte es um alle (Einzelsterne) Trabanten geben. Eventuell werden bei der<br />
Bildung einige das System verlassen (interstellare Planeten). Wie können <strong>die</strong>se nachgewiesen werden?<br />
Aktuelle Grundlage zum Nachweis extrasolarer Planeten ist der Dopplereffekt. Über <strong>die</strong> statistische<br />
Messung sehr vieler Linien und ihrer Dopplerverschiebung kann man damit noch Massen bis zu einer<br />
halben Jupitermasse herab bestimmen. Entdeckt werden mittlerweile immer mehr (27 Sterne mit<br />
Planeten, 2 Pulsare und 3 Sterne mit Planet und Staubscheibe. Stand: 22 Okt. 1998).<br />
Es stellt sich dann, bei so vielen positiven Entdeckungen, <strong>die</strong> Frage, ob es auch Sterne ohne Planeten<br />
gibt. Die Antwort ist ja, bei 21 Sternen (mit gleicher Methode) konnten keine Dopplerverschiebung<br />
gefunden werden. Das heißt aber nicht, daß hier keine sind. Zur Erinnerung: absence of evidence is not<br />
evidence of absence!<br />
Synopsis: Die lokale Entfernungsskala<br />
Die Griechen um 300 BC hatten bereits das richtige, nämlich ein heliozentrisches, Weltbild. Die Entfernungen<br />
stimmten allerdings nicht.<br />
Aristarch nahm <strong>die</strong> Entfernung zur Sonne (AE: Astronomische Einheit) zu 20 EM (Entfernung<br />
Erde-Mond) an. Bei Archimedes ist um 215 BC <strong>die</strong> Sonne im Zentrum eines statischen, sphärischen
1.2. LÄNGEN: RADIEN UND ENTFERNUNGEN 23<br />
Universums. Erde und Planeten umkreisen <strong>die</strong><br />
Sonne, <strong>die</strong> Sterne sind fest. Eratosthenes misst<br />
den Durchmesser der Erde. Damit gibt es erstmals<br />
eine natürliche Länge in <strong>die</strong>ser Kosmologie.<br />
Der Grund, warum das richtige Modell<br />
wieder aufgegeben wurde, war das Fehlen einer<br />
messbaren Parallaxe, d. h. <strong>die</strong> vollkommen<br />
falschen Vorstellungen von den wahren Entfernungen.<br />
Dies ändert sich erst für <strong>die</strong> Entfernung<br />
zur Sonne (AE) mit Christian Huygens<br />
und Ole Römer (1650) und für <strong>die</strong> Entfernung<br />
zum nächsten Stern mit Friedrich Wilhelm<br />
Bessel (1839).<br />
In der zusammenfassenden Tabelle bedeuten:<br />
RE: Radius der Erde (6.378 km), EM: Entfernung<br />
Erde-Mond (60.3 RE), AE: Astronomische<br />
Einheit (23.455 RE = 390EM), pc: Par-<br />
sec als Maß zu den nächsten Sternen (206.265<br />
Die lokale Entfernungsskala<br />
Jahr Autor RE EM AE pc<br />
-300 Aristarch 0.5 0.05<br />
-250 Eratosthenes 0.95<br />
-140 Hipparchos 1.1 0.9<br />
140 Ptolemäus 0.95 1.05 0.05<br />
1250 Bacon 10 −8<br />
1532 Kopernicus 0.95 1.05 0.06<br />
1596 Kepler 0.95 1.04 0.12<br />
1650 Huygens 1 0.13<br />
1671 Picard 0.9999<br />
1673 Cassini 0.99 0.98<br />
1744 Chéseaux 0.9<br />
1835 Encke 0.99 0.99<br />
1839 Bessel 1.01<br />
Tab. 1.5: Entfernungs<br />
AE). Angegeben ist der Quotient f := (damaliger Wert/heutiger Wert).<br />
Hipparchos kann bereits Sonnenfinsternisse berechnen (129 BC). Die Fixsterne werden erstmals von<br />
Hipparchos katalogisiert. Ptolomäus führt <strong>die</strong>se Arbeit fort. Sein Katalog enthält etwa 1000 Sterne.<br />
Er (oder aber bereits Hipparchos, so klar ist das nicht) führen wieder das geozentrische Weltbild ein,<br />
welches von Aristoteles favorisiert wird und welches bis Kopernikus bestehen bleibt.<br />
Das Weltbild des Kopernikus (mit Epizyklen) wird von Galilei populär gemacht, Alternativmodelle<br />
stammen von Tycho Brahe (geozentrisch, <strong>die</strong> anderen Planeten umkreisen jedoch <strong>die</strong> Sonne) und<br />
Johann Kepler (heliozentrisch, Ellipsenbahnen). Ein wichtiger Punkt betrifft <strong>die</strong> Bewegung der Himmelskörper.<br />
Nach Aristoteles kommt ein Körper (vermittels Reibung) zum Stillstand. Damit <strong>die</strong>s nicht<br />
geschieht, muß also ständig eine Kraft wirken (und Arbeit leisten). Galilei fand mit seinen Roll und<br />
Gleitexperimenten heraus, daß ein reibungsfreier Körper sich stetig bewegt. Dies ist Grundlage für<br />
Newtons erstes (Bewegungs) Axiom. Es lautet:<br />
Jeder Körper beharrt in seinem Zustand der Ruhe oder der gleichförmigen Bewegung,<br />
wenn er nicht durch einwirkende Kräfte gezwungen wird, seinen Zustand zu ändern.<br />
Zu Newtons Zeit gab es drei wichtige, rivalisierende Weltmodelle: das von Descartes (Wirbel), von<br />
Leibniz (Monaden) und Newton (Fernwirkung). Alle enthielten explizit Gott als Schöpfer und Lenker.<br />
Insbesondere Leibniz meinte, daß <strong>die</strong>se Welt <strong>die</strong> beste aller möglichen Welten sei (worüber Voltaire<br />
sich in senem Candide lustig macht). Bei Newton ist Gott nur noch dafür zuständig, dafür zu sorgen,<br />
daß seine Schöpfung nicht in Unordnung gerät. Seine Aufgabe bestand darin, von Zeit zu Zeit<br />
einzugreifen, um Feinreparaturen vorzunehmen.<br />
Kant und Laplace waren <strong>die</strong> ersten Weltenschöpfer, <strong>die</strong> ohne Gott auskamen (Urnebel Hypothese). Die<br />
Abplattung der Milchstraße erklärten sie mit der Rotation der Galaxis (in Analogie zum Sonnensystem).<br />
Auf <strong>die</strong> Frage Napoleons, wo denn in seiner Welt Gott vorkomme, antwortet Laplace mit den Worten:<br />
Diese Annahme benötige ich nicht, Sire und von Kant stammt der Ausspruch: Gebt mir Materie und<br />
ich will euch <strong>die</strong> Welt daraus machen.<br />
Bis zum 18ten Jahrhundert gab es keinen Anlaß zu glauben, das Universum als Ganzes (Sterne inklusive)<br />
sei nicht statisch (Newtons kosmisches Ruhsystem bzw. sein absoluter Raum, dessen Existenz er<br />
mit dem Eimerversuch nachwies). W. Herschel war der erste, der in der Lage war, Eigenbewegungen
24 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />
von Sternen zu messen. Und das nur, weil er nicht glauben konnte, daß es Doppelsterne gibt, wie von<br />
Michell behauptet. Die Expansion des Weltalls wurde von Hubble um 1930 etabliert (allerdings um 1<br />
dex zu schnell) und wird heute Hubble Flucht genannt. Die logische Konsequenz <strong>die</strong>ser Fluchtbewegung<br />
ist der Urknall: vor etwa 10 Gyr war das Universum sehr klein (und sehr heiß).
1.2. LÄNGEN: RADIEN UND ENTFERNUNGEN 25<br />
1.2.3 Die Milchstraße, unsere Heimat-Galaxie<br />
Was <strong>die</strong> Sonne für <strong>die</strong> Erde und <strong>die</strong> Milchstraße für <strong>die</strong> Sonne, das ist der Virgo Haufen für <strong>die</strong> Milchstraße<br />
bzw. für <strong>die</strong> gesamte Lokale Gruppe. Dabei liegen wir ziemlich am Aussenrand (20 Mpc entfernt)<br />
und das gravische Zentrum des Virgo Haufens ist vermutlich nicht allein für <strong>die</strong> Anziehung<br />
verantwortlich: eine ’Grosser Attraktor’ genannte (aber nicht gesehene) Massenkonzentration in Richtung<br />
Hydra-Centaurus Superhaufen in etwa 50 Mpc Entfernung liefert einen wesentlichen Anteil. Der<br />
Grosse Attraktor wird später noch genauer besprochen.<br />
Die Milchstraße und <strong>die</strong> Andromeda Galaxie (M31) sind <strong>die</strong> zentralen Objekte der Lokalen Gruppe<br />
(Abstand der Zentren: etwa 770 kpc; Relativgeschwindigkeit der Zentren: etwa −120 km s −1 ; für den<br />
LSR ist vpec = −299 km s −1 ). Diese selbst besteht aus mehr als 40 (meist leuchtschwachen) Zwerggalaxien<br />
und befindet sich am Rande des Virgo Haufens, der von der Zentralgalaxie M87 (Abstand etwa<br />
20 Mpc) dominiert wird. Die wichtigsten (d. h. hellsten und massivsten) Begleiter der Milchstraße sind<br />
<strong>die</strong> Große Maghellansche Wolke und <strong>die</strong> Kleine Maghellansche Wolke. Ihnen entspricht bei der Andromeda<br />
Galaxie das Paar M33 (entspricht LMC) und M32 (gleicht SMC). Die beiden Zentren (von<br />
Milchstraße und M31) bewegen sich auf langgestreckten Ellipsen (oder auf Hyperbeln?) aufeinander<br />
zu, vermutlich ein Indiz dafür, daß das System noch nicht relaxiert ist (Kreisbahn).<br />
Da sich in den Zentren einiger (eventuell aller) Galaxien je ein supermassives Schwarzes Loch befindet,<br />
welches in einigen Frequenzbereichen direkt nachgewiesen werden kann, ist <strong>die</strong> Entfernung<br />
(langfristig jedenfalls) sehr genau bestimmbar.<br />
Neben der Milchstraße (mit M = 2.6 · 10 6 M⊙) sind NGC 205 und M32 <strong>die</strong> bisher besten Schwarz-<br />
Loch-Kandidaten mit vergleichbarer Masse.<br />
Das Zentrum vom Virgo Haufen wird von M87 gebildet, der massivsten Galaxie mit M = 3 · 10 13 M⊙<br />
Dunkelmaterie. Diese E0 Galaxie (M87 = NGC 4486 = Virgo A) enthält im Zentrum den bisher<br />
massivsten, galaktischen Schwarz-Loch-Kandidaten mit einer Masse von M = 5 · 10 9 M⊙. M87 ist<br />
damit <strong>die</strong> bisher einzige Galaxie im Virgo Haufen, <strong>die</strong> früher einmal ein Quasar gewesen sein kann.<br />
Neuere Ergebnisse der Entfernungsbestimmung im Überblick<br />
Die Andromeda Galaxie (M31), <strong>die</strong> Große Maghellansche Wolke (LMC) und <strong>die</strong> Kleine Maghellansche<br />
Wolke (SMC) bilden, zusammen mit der Entfernung zum Zentrum der Milchstraße, <strong>die</strong> Grundlage<br />
für <strong>die</strong> Eichung der wichtigsten Längenskalen bis hinaus in den gesamten Kosmos.<br />
Diese Skala, <strong>die</strong> auf den lokalen Eigenschaften der Sterne (UnterZwerge) unserer Umgebung beruht,<br />
wird <strong>die</strong> kurze Entfernungsskala genannt, <strong>die</strong> lange benutzt <strong>die</strong> Eigenschaften der RR Lyrae Sterne<br />
(und damit <strong>die</strong> Entfernung zur LMC).<br />
Im Gegensatz dazu gibt es <strong>die</strong> kosmologische Entfernungsskala, <strong>die</strong> Eigenschaften von Objekten grosser<br />
Rotverschiebung (und demnach früherer Entstehung) benutzt, welche jedoch wieder in unserer<br />
Umgebung geeicht werden (Cepheiden in Virgo, Supernovae vom Typ Ia).<br />
Die Messungen des Astrometrie Satelliten Hipparcos und Beiträge des HST (Hubble Space Teleskop)<br />
haben <strong>die</strong>se auf eine neue, gut gesicherte Basis gestellt, mit dem Fazit: <strong>die</strong> lokalen Entfernungen sind<br />
um 10 % größer als Vor-Hipparcos Bestimmungen, <strong>die</strong> Alter der Kugelsternhaufen um 10 % jünger<br />
(nämlich etwa 13 Gyr).<br />
Die wichtigsten Daten sind:<br />
DGC = 8 kpc, Entfernung zum Galaktischen Zentrum<br />
und als neue, gesicherte Eichstandards <strong>die</strong> Entfernung zu den Maghellanschen Wolken<br />
DLMC = 50 kpc, DSMC = 57 kpc<br />
und zur Andromeda Galaxie (M31)
26 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />
DM31 = 770 kpc.<br />
• ZUSATZ (MASSIVE SCHWARZ-LOCH-KANDIDATEN IM ZENTRUM EINER GALAXIE)<br />
Die Kugelsternhaufen einer Galaxie zeigen eine Konzentrationszunahme zu ihrem Zentrum hin. Die Anzahldichte fällt mit<br />
dem Abstand vom Zentrum, r, wie r−3 ab. Gleiches gilt für Sterne der Population II und für Röntgenquellen.<br />
Es ist wahrscheinlich, daß das Zentrum der Galaxie und <strong>die</strong> Kugelsternhaufen zusammen enstanden sind (nach einem Modell<br />
entsteht der Bulge (zentrale Auswölbung) sogar aus der Verschmelzung<br />
solcher Kugelsternhaufen). Ursprünglich nahm man deshalb an, daß<br />
<strong>die</strong> Zentren der Andromeda Galaxie und der Milchstraße nur alte Sterne<br />
enthalten, ganz so, wie <strong>die</strong> Kugelsternhaufen. Eine Korrelation zwischen<br />
Schwarz-Loch-Kandidaten, Masse einer<br />
Galaxie und Zahl ihrer Kugelsternhaufen<br />
den drei in der nebenstehenden Liste aufgeführten Parametern wäre dann<br />
verständlich.<br />
Die Liste von massiven Schwarz-Loch-Kandidaten im Zentrum einer Galaxie<br />
zeigt, daß <strong>die</strong> Anzahl der Kugelsternhaufen korreliert ist mit der<br />
Name<br />
M87<br />
gal. Masse<br />
M⊙<br />
2 · 10<br />
SLK Masse<br />
M⊙<br />
N<br />
KGH<br />
Masse der gesamten Galaxie und mit der Masse des zentralen Schwarzen<br />
Lochs. Die in der Liste zugrunde gelegte Anzahl an Kugelsternhaufen<br />
bezieht sich auf <strong>die</strong> nach einheitlichen Kriterien optisch entdeckten Objekte.<br />
MWG bedeutet Milchstraße= Milky Way Galaxy und M31 ist <strong>die</strong><br />
Andromeda Galaxie. Bei beiden ist nur <strong>die</strong> Halo Masse berücksichtigt<br />
(nicht <strong>die</strong> viel größere Korona Masse).<br />
13 5 · 109 6000<br />
M31 4 · 1011 3 · 107 325<br />
MWG 2 · 1011 2.6 · 106 LMC 2 · 10<br />
130<br />
10 2 · 105 SMC 3 · 10<br />
? 14<br />
9 3 · 104 ? 1<br />
Tab. 1.6: gal. Schwarz-Loch-Kandidaten<br />
Sollte sich herausstellen, daß <strong>die</strong> Anzahl der Kugelsternhaufen einer Ga-<br />
laxie mit ihrer Masse korreliert ist, dann stellt <strong>die</strong>s eine weitere entfernungsunabhängige Methode der Massenbestimmung<br />
dar.<br />
Eine weitere Größe, <strong>die</strong> mit der Anzahl der Kugelsternhaufen korreliert ist, ist <strong>die</strong> Röntgen Leuchtkraft der LMXB, nicht<br />
aber <strong>die</strong> Leuchtkraft der Zentralquelle. Im Falle der MWG ist nur im Radiobereich <strong>die</strong>se Leuchtkraft auffällig: <strong>die</strong> Zentralquelle<br />
ist SgrA ⋆ mit Lradio = 10 29 erg s −1 .<br />
Die Zentralquelle SgrA ⋆ hat ihr Leuchtkraft-Maximum im IR mit LIR = 10 36 erg s −1 . Mittlerweile ist auch <strong>die</strong> Röntgenleuchtkraft<br />
von Chandra bestimmt worden: LX = 10 32 erg s −1 .
1.2. LÄNGEN: RADIEN UND ENTFERNUNGEN 27<br />
Die klassischen Daten<br />
Harlow Shapley hat erstmals (1918) <strong>die</strong> Lage des Zentrums unserer Galaxis korrekt bestimmt. Ihm<br />
<strong>die</strong>nte dazu <strong>die</strong> Verteilung der Kugelsternhaufen. Er fand, daß sich in Richtung des Sternbildes Schütze<br />
(Sagittarius) etwa 30% aller damals bekannten Kugelsternhaufen befanden (in einer Fläche, <strong>die</strong> nur 2%<br />
der Himmelssphäre ausmacht). Die Sonne liegt ziemlich genau in der galaktischen Ebene (20 Parsec<br />
oberhalb) und zwar zwischen zwei Spiralarmen, dem Sagittarius-Carina Arm und dem Perseus Arm,<br />
am Innenrand eines dritten, sehr kleinen Spiralarms, dem Orion Arm.<br />
Das Zentrum der Galaxis ist optisch nicht zu sehen (<strong>die</strong> Absorption durch Staub schwächt <strong>die</strong> Strahlung,<br />
abhängig vom Weg durch Staubwolken, um bis zu 20 dex = 100 Magnituden), es liegt in Richtung<br />
Sagittarius (Schütze) etwa 8.5 kpc entfernt. Von der Nordhalbkugel aus ist es im Sommer sichtbar, im<br />
Winter ist das Antizentrum mit Orion (und der Perseus Arm) zu sehen. Der Sagittarius Arm und der<br />
Perseus Arm sind jeweils etwa 2 kpc von der Sonne entfernt, der Durchmesser des Orion Arms beträgt<br />
gut 500 Parsec. Die Namen erhalten <strong>die</strong> Spiralarme nach den Konstellationen (Sternbild s. u.), in denen<br />
sich ihre Segmente befinden. Die genaue Erforschung der Topologie <strong>die</strong>ser Spiralarme ist noch nicht<br />
abgeschlossen. In ihnen ist <strong>die</strong> Sterndichte höher als außerhalb (Dichtewellen Theorie von Ch. Lin und<br />
F. Shu), sodaß hier bevorzugt Sterne (aus molekularen Gaswolken) entstehen.<br />
• DEFINITION (DIE NAMEN DER KONSTELLATIONEN UND DER STERNE)<br />
Die Himmelssphäre wird heute in insgesamt 88 Konstellationen (lat. von con stella = Sternbild) eingeteilt. Viele davon<br />
gehen auf Mythen und Sagen zurück, andere wurden später hinzu erfunden, insbesondere am Südhimmel, um <strong>die</strong> Lücken<br />
am Himmel auszufüllen. Ursa Major ist <strong>die</strong> größte und Crux <strong>die</strong> kleinste Konstellation. Die Bezeichnung Milchstraße (lat.<br />
via lactae) kommt aus der griechischen Mythologie. Hera, Schwester und Gemahlin des Zeus, soll in der Hochzeitsnacht in<br />
Samos <strong>die</strong> Milch verspritzt haben (als Nahrung für <strong>die</strong> Erde?).<br />
Berühmt sind <strong>die</strong> 12 Konstellationen des Zodiak (griechisch: Tierkreis), <strong>die</strong> auch heute noch gebräuchlichen sog. Tierkreiszeichen.<br />
Sie stehen beiderseits nahe (über oder unter) der Ekliptik. Von der<br />
Erde aus gesehen, durchläuft <strong>die</strong> Sonne <strong>die</strong> Tierkreiszeichen in der hier angebenen<br />
Reihenfolge innerhalb eines Jahres, beginnend am Frühlingspunkt (heute<br />
mit Aquarius) und – ein halbes Jahr später – im Herbstpunkt (heute Leo). Nach<br />
Beobachtungen der alten Babylonier hat <strong>die</strong> Stellung der Sonne im Zodiak zum<br />
Zeitpunkt der Geburt Einfluß auf das Schicksal und den Charakter des dann<br />
Geborenen. Welchen Einfluß genau, das sagt <strong>die</strong> Astrologie (bzw. der Astrologe<br />
gegen Entgelt). Ferner war noch der Aszendent wichtig. Vor 2000 Jahren,<br />
als <strong>die</strong> Astrologie ihre endgültige Fassung erhielt, lag der Frühlingspunkt allerdings<br />
im Sternbild des Schützen (Aries). Da sich also <strong>die</strong> Stellung der Sonne<br />
im Zodiak in den letzten zwei Jahrtausenden entscheidend (um zwei Sternbilder)<br />
geändert hat, ist <strong>die</strong> Astrologie zumindest überholungsbedürftig. Merke<br />
für <strong>die</strong> Astrologie: Aus Stier mach Krebs.<br />
Anmerkung: Saturn war (frühem Aberglauben zufolge) der verderblichste aller<br />
Planeten. Deshalb war ursprünglich Samstag = Saturntag der Ruhetag (Sabbath).<br />
Der Brauch, den Sonntag zum Ruhetag zu wählen, wurde offiziell erst<br />
im Jahr 321 eingeführt. Eine self-fulfilling prophecy ist eine Prophezeiung, <strong>die</strong><br />
deshalb wahr wird, weil der Betroffene daran glaubt (nicht weil das Schicksal<br />
es so will).<br />
Konstellationen im Zodiak<br />
Aquarius Aqu Wassermann<br />
Pisces Pis Fische<br />
Aries Ari Widder<br />
Taurus Tau Stier<br />
Gemini Gem Zwillinge<br />
Cancer Can Krebs<br />
Leo Leo Löwe<br />
Virgo Vir Jungfrau<br />
Libra Lib Waage<br />
Scorpius Sco Skorpion<br />
Sagittarius Sag Schütze<br />
Capricornus Cap Steinbock<br />
Tab. 1.7: Tierkreiszeichen<br />
Die bekanntesten Persönlichkeiten der Geschichte, <strong>die</strong> solch einer Prophezeiung zum Opfer fielen, waren Tschingis-Khan<br />
(1226, weil Jupiter dabei war, Saturn zu überholen, was Unglück bedeutet, brach er seinen Eroberungsfeldzug ab) und<br />
Wallenstein (1634, ihm wurde für <strong>die</strong>ses Jahr von Johannes Kepler grosse Unordnung vorhergesagt, was Wallenstein in<br />
derart tiefe Depressionen stürzte, daß er von seinen Offizieren, <strong>die</strong> fürchteten den Krieg zu verlieren, ermordet wurde).<br />
Die Namen der Sterne in den Konstellationen sind ein Muster archaischer Methodologie. Viele besonders helle Sterne tragen<br />
noch arabische Namen. Der grosse Wagen (Ursa Major) besteht aus den folgenden 7 hellsten Sternen: Dubhe, Merak,
28 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />
Phecda, Megrez, Mizar und Alkaid. Johann Bayer ersann 1603 ein rationaleres<br />
System, welches kleine griechische Buchstaben und den Namen<br />
der Konstellation benutzt. Der hellste kommt normalerweise zuerst: also<br />
α Ursae Majoris (grosser Bär = großer Wagen). So ist α Librae sicher<br />
sinnvoller als Zubenebelgenubi.<br />
Da das griechische Alfabet aber nur 24 Buchstaben hat, kann man damit<br />
nur <strong>die</strong> hellsten Sterne bezeichnen. Weniger helle bekommen Zahlen<br />
anstatt griechischer Buchstaben. Um auch <strong>die</strong> schwachen Sterne zu eindeutig<br />
zu kennzeichnen, wurden im Laufe der Zeit umfangreiche Sternkataloge<br />
angelegt. Die Sterne wurden dann nach der Katalognummer<br />
bezeichnet, oder nach ihren Himmelskoordinaten.<br />
So von F. W. Argelander <strong>die</strong> Bonner Durchmusterung (1859/62) mit<br />
ihren BD Nummern von 320 000 Einträgen. Diese wurde für den<br />
Südhimmel durch <strong>die</strong> Südliche Bonner Durchmusterung (SD) und<br />
durch <strong>die</strong> Cordoba Durchmusterung (<strong>die</strong> CD mit 580 000 Einträgen)<br />
ergänzt. Hier werden Sterne nach steigender Rektaszension gradweise<br />
eingeteilt. Der Stern α Lyrae = Wega hat <strong>die</strong> Bezeichnung BD +38<br />
3238. Der Henry Draper Katalog ist mit seinen HD Nummern (durchlaufend<br />
gezählt, geordnet ebenfalls nach Rektaszension) fast noch gebräuchlicher.<br />
Wega hat hier <strong>die</strong> Bezeichnung HD 172 167. Neben der<br />
Bezeichnung spielt auch <strong>die</strong> genaue Position eines Sterns eine wichtige<br />
Rolle.<br />
Konstellationen am Nordhimmel<br />
Andromeda And Andromeda<br />
Aquila Aql Adler<br />
Cassiopeia Cas Cassiopeia<br />
Coma Berenices Com Haar der Berenice<br />
Cygnus Cyg Cygnus<br />
Hercules Her Hercules<br />
Lacerta Lac Leopard<br />
Ophiuchus Oph Schlangenträger<br />
Perseus Per Perseus<br />
Ursa Major UMa Grosser Bär<br />
Konstellationen am Südhimmel<br />
Canis Major CMa Grosser Hund<br />
Carina Car Schiffskiel<br />
Circinus Cir Kompass<br />
Doradus Dor Schwertfisch<br />
Fornax For Chemischer Ofen<br />
Monoceros Mon Einhorn<br />
Orion Ori Jäger<br />
Puppis Pup Schiffsheck<br />
Vela Vel Schiffssegel<br />
Tab. 1.8: Konstellationen<br />
• DEFINITION (DIE FUNDAMENTALKATALOGE: MODERNE BEZEICHNUNG DER STERNE)<br />
Beginnend mit Bessel, der 1818 den ersten Fundamentalkatalog (FK) mit dem Titel Fundamenta Astronomiae herausgab,<br />
wurden dazu ausgewählte Sterne besonders genau absolut vermessen. Die Nachfolger hießen FK 1, FK 2 . . . und mittlerweile<br />
ist FK 5 (im Astronomischen Rechen-Institut Heidelberg) in Arbeit.<br />
Bezogen auf <strong>die</strong>se Sterne kann man dann <strong>die</strong> restlichen differentiell vermessen, was sehr viel einfacher ist. Ein wichtiges<br />
Hilfsmittel ist ferner der Palomar Observatory Sky Survey (POSS). Er wurde (ab 1950 in mehreren Jahren) aufgenommen<br />
und enthält auf 579 Doppelseiten (mit Blau und Rotfilter) den vollständigen Nordhimmel bis herunter zur Deklination<br />
δ = −33 ◦ in Segmenten von 6 ◦ × 6 ◦ . Dieser wurde nach 1980 nochmals aufgenommen, sodaß Sterneigenbewegungen<br />
(innerhalb von 30 Jahren) stu<strong>die</strong>rt werden können.<br />
Mittlerweile ist man teilweise dazu übergegangen, astronomische Objekte strikt nach ihren astronomischen Koordinaten<br />
zu bezeichnen. Das geht eine Weile gut, da aber alle 50 Jahre <strong>die</strong> Äquinoktien neu angepasst werden müßen, führt <strong>die</strong>se<br />
Methode auch nicht zum Ziel einer dauernden, einheitlichen Bezeichnung.<br />
Der Pulsar, der in 1950er Koordinaten <strong>die</strong> Bezeichnung PSR B0458+46 trägt, hat in den neuen (Äquinoktium 2000)<br />
Koordinaten <strong>die</strong> Bezeichnung J0502+4654, sodaß er kaum wiederzuerkennen ist.<br />
Bei den Bezeichnungen des Äquinoktiums steht B für Bessel, J für Julianischer Kalender. Langfristig wird man zu extragalaktischen<br />
Koordinaten übergehen, <strong>die</strong> etwa in Quasaren verankert werden können.<br />
• ANMERKUNG (HISTORISCHE FEHLBEZEICHNUNGEN BEI STERNEN)<br />
Viele Objekte, offene Sternhaufen, Kugelsternhaufen und sogar Galaxien sind in einer Zeit, da <strong>die</strong> Auflösung der Teleskope<br />
unzureichend waren, mit Bezeichnung versehen worden, <strong>die</strong> für Sterne reserviert sind. Dazu gehören <strong>die</strong> folgenden,<br />
wichtigen Objekte, <strong>die</strong> weiter unten aufgeführt sind: τ CMa und h-χ Per (Offene Sternhaufen), 47 Tuc und ω Cen (Kugelsternhaufen).<br />
Weitere Beispiele finden sich im Katalog von Charles Messier.<br />
Bevor Galaxien als solche erkannt werden konnten, wurden allgemein diffuse Objekte als Nebel (oder<br />
Wolken) bezeichnet, da man annahm, daß es sich bei ihnen um eine Ansammlung von leuchtendem<br />
Gas handelte. Die Bezeichnungen für solch diffuse (und zum <strong>Teil</strong> spektakuläre) Objekte gehen auch<br />
heute noch auf <strong>die</strong> ersten Kataloge zurück. Dabei steht<br />
1. M für den Katalog von Charles Messier (einem Kometenforscher aus Frankreich, 1784), mit 109<br />
Objekten<br />
2. NGC für ’New General Catalogue’ von dem dänischen Astronomen Johan L. E. Dreyer (publiziert<br />
in Irland, 1888, hervorgagangen aus dem Katalog der Herschels, Vater Sir William und<br />
Sohn Sir John, 1864) mit 7840 Objekten<br />
3. IC <strong>die</strong> Fortsetzung des NGC. IC steht für ’Index Catalogue’. Er enthält zusätzlich 5086 Objekte.
1.2. LÄNGEN: RADIEN UND ENTFERNUNGEN 29<br />
• ZUSATZ (OBJEKTE AUS DEM KATALOG VON CHARLES MESSIER)<br />
Hier seien einige wichtige Beispiele (mit kurzer Erläuterung, worum es sich dabei wirklich handelt) angeführt. Sie sind<br />
aus dem Katalog von Ch. Messier, der sie notiert hat, da es sich nicht um Kometen handelte (er sie als Kometenforscher<br />
füglich ignorieren durfte). Es handelt sich um Bezeichnungen von Objekten, <strong>die</strong> später noch betrachtet werden. Die Zahl<br />
steht dabei für <strong>die</strong> Nummer (des Eintrags im Katalog). Der Krebsnebel, M1, hat <strong>die</strong> Nummer eins.<br />
der Krebsnebel M1 = NGC 1952, ein Supernova Überrest mit Neutronenstern<br />
der Orion Nebel M42 = NGC 1976, <strong>die</strong> nächste massive Molekülwolke<br />
der Ring Nebel M57 = NGC 6720, ein Nova Überrest in Lyra mit weißem Zwerg<br />
der Adler Nebel M16 = NGC 6611, offener Sternhaufen in Serpens<br />
<strong>die</strong> Plejaden M45, offener Sternhaufen (Eichstandard) mit Reflektionsnebel<br />
der offene Sternhaufen M67 = NGC 2682, (ältester offener Haufen, A = 5 Gyr)<br />
der Kugelsternhaufen M3 = NGC 5272, (sehr alt, A = 15 Gyr)<br />
der Andromeda Nebel M31 = NGC 224, Nachbargalaxie<br />
der Triangulum Nebel M33 = NGC 598, Nachbargalaxie, M = 5 · 10 10 M⊙<br />
Whirlpool Galaxy M51 = NGC 5194, Nachbar-Doppelgalaxie in Canes Venatici<br />
<strong>die</strong> Sombrero Galaxie M104 = NGC 4594 in Virgo<br />
M106 = NGC 4258 ist der bisher beste, galaktische Schwarz-Loch-Kandidat mit einer Masse von M = 3.9 · 10 7 M⊙<br />
innerhalb von einem Radius von R = 0.12 pc.<br />
M61 = NGC 4303 Galaxie in Virgo mit Supernova im Jahre 1961<br />
der Virgo Haufen (wird dominiert von M84 = NGC 4374, M86 = NGC 4406 und M87)<br />
M87 = NGC 4486 = Virgo A ist der bisher massivste, galaktische Schwarz-Loch-Kandidat mit einer Masse von M =<br />
5 · 10 9 M⊙.<br />
M82 = NGC 3034 ist eine nahe Starburst-Galaxie.<br />
M101 = NGC 5457 ist <strong>die</strong> nächste (D = 7 Mpc) Riesengalaxie.<br />
M92 ist ein naher Kugelsternhaufen, D = 8 kpc, geeignet zur Parallaxenbestimmung mit Hipparcos. (Sehr alt, A = 16<br />
Gyr)<br />
Es handelt sich also um eine Sammlung extrem verschiedener Objekte.<br />
Die Bezeichnung Nebel wird heute nur noch benutzt für<br />
1. Dunkelwolke (dark nebula)<br />
2. Emissionsnebel (z. B. der Orionnebel),<br />
3. planetare Nebel bzw.<br />
4. Supernova Überreste<br />
5. und Reflektionsnebel (z. B. der Electra Nebel um <strong>die</strong> Plejadensterne Electra (17 Tau) oder NGC 6888 mit dem<br />
Wolf-Rayet Stern HD 192 163).<br />
Da <strong>die</strong>selben Objekte auch im New General Catalogue von J. L. E. Dreyer und auch in anderen Katalogen (Radio oder<br />
Röntgen) verzeichnet sind, gibt es gelegentlich Schwierigkeiten, ein bestimmtes Objekt wiederzuerkennen.<br />
Die Verteilung der Sterne<br />
Für <strong>die</strong> Beobachtung unserer Galaxis sind drei Drehimpulsvektoren bestimmend: der Spin der Erde,<br />
�S⊕, der des Planetensystems (Umlauf der Planeten in der Ekliptikebene um <strong>die</strong> Sonne, Bahndrehimpuls<br />
der Erde � J⊕) und der unserer Milchstraße, � G. Ob <strong>die</strong> Galaxis als ganzes, also mit Halo, einen<br />
Drehimpuls hat, ist nicht klar.<br />
Der Stern in Richtung des Spins der Erde heißt Polaris (Polarstern). Der Inklinationswinkel zwischen<br />
dem Spin der Erde, � S⊕, und dem Bahndrehimpuls der Erde � J⊕ beträgt 23.5 ◦ und der mit dem unserer<br />
Galaxis (galaktischer Nordpol), � G beträgt δp = 62.6 ◦ .<br />
Alle drei Drehimpulsvektoren stehen jeweils senkrecht auf einer Ebene. Diese heißen<br />
1. Erdäquator Ebene (Spin der Erde, � S⊕),<br />
2. Ekliptik Ebene (Bahndrehimpuls der Erde � J⊕) und<br />
3. galaktische Äquator Ebene (galaktischer Nordpol, � G).
30 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />
Zwei Ebenen schneiden sich jeweils in einer Geraden. Diese wird benutzt um den Nullpunkt der Rektaszension<br />
zu definieren. Die Bahn der Sonne, projeziert auf <strong>die</strong> Erdäquator Ebene, heißt Ekliptik,<br />
<strong>die</strong> beiden Schnittpunkte sind der Frühlingspunkt (oder Widderpunkt genannt) und der Herbstpunkt<br />
(Löwe). Die Rektaszension wird vom Frühlingspunkt aus gezählt, für den galaktischen Nordpol beträgt<br />
sie αp = 192.5 ◦ . Die Deklination δ wird vom Himmelsäquator aus gemessen.<br />
Da sich der Frühlingspunkt aufgrund der Präzession der Erde im Feld des Mondes und der Sonne<br />
retrograd um 50·(360/26000) = 40 ′ pro 50 Jahre verschiebt, muß das Referenzjahr angegeben werden.<br />
Diese Anpaßung wird alle 50 Jahre vorgenommen. Ältere Kataloge haben als Referenz das Jahr 1900,<br />
<strong>die</strong> meisten Angaben beziehen sich auf 1950, neuerdings ist es der Beginn des Jahres 2000 (zum<br />
Zeitpunkt 1. Jan. um 0 h .00). In 1950-er Koordinaten gilt für den galaktischen Nordpol (Index gp)<br />
αgp = 12 h 49 m ; δgp = 27 ◦ 24 ′<br />
(1.36)<br />
Der Winkel zwischen Himmelsnordpol (Polaris) und galaktischem Nordpol beträgt demnach γp =<br />
90 − δp = 62.6 ◦ . Für den Nullpunkt der galaktischen Länge gilt (Index gl)<br />
αgl = 17 h 42 m 26.603 ′′<br />
; δgl = −28 ◦ 55 ′ 0.45 ′′<br />
(1.37)<br />
Zur Umrechnung von Stundenwikel t in Rektaszension α wird <strong>die</strong> Sternzeit Θ = Θ(t) benötigt, d. h.<br />
der Stundenwinkel des Frühlingspunktes. Die Rektaszension α ist wie folgt definiert:<br />
t = Θ − α<br />
• DEFINITION (ASTRONOMISCHE KOORDINATENSYSTEME)<br />
Die hier vorgestellten Koordinatensysteme stellen wir mit ihren Eigenschaften und Bezeichnungen tabellarisch zusammen.<br />
Koordinatensysteme<br />
System Grundkreis Nullpunkt Koordinaten<br />
Horizontal Horizont Meridian Azimut A, Höhe h<br />
Äquatorial fix Äquator Meridian Stunde t, Dekl. δ<br />
Äquatorial var Äquator Frühlingspunkt Rektas. α, Dekl. δ<br />
Ekliptikal Ekliptik Frühlingspunkt Länge λ, Breite β<br />
Galaktisch gal. Äquator gal. Zentrum Länge l, Breite β<br />
Erst mit der Bestimmung der Entfernungen der Sterne erhalten wir ihre wahre räumliche Verteilung in<br />
unsere Galaxis. Wie wir sehen werden, sind <strong>die</strong> Sterne, abgesehen von dem optischen Phänomen der<br />
Spiralarme, nicht gleichmäßig verteilt. Man unterscheidet zwischen echten gravischen Verdichtungen,<br />
Haufen genannt und Ansammlungen seltener Sterne, den sog. Assoziationen (wo <strong>die</strong> Sterne zusammen<br />
sind, da sie gemeinsam geboren wurden, <strong>die</strong> aber langsam auseinander laufen):<br />
1. OB, W-R und T Tauri Assoziationen (sehr jung, etwa 100 Objekte bekannt)<br />
2. offene Sternhaufen (etwa 100 Mitglieder bekannt, bis 2 Myr alt)<br />
3. Kugelsternhaufen (sehr alt, etwa 200 Mitglieder bekannt)<br />
Dieser Anordnung entsprechen in etwa Alter und Anzahl der Sterne. Die Kugelsternhaufen sind <strong>die</strong><br />
ältesten bisher gefundenen Objekte im Kosmos, daher das grosse Interesse an ihnen. Im Gegensatz<br />
dazu gehören OB und T Tauri Assoziationen (neben planetaren Nebeln und Supernova Überresten)<br />
zu den jüngsten Objekten. Eine OB Assoziation noch ohne Wolf Rayet Sterne ist etwa 1 bis 2 Myr<br />
alt, mit W-R Sternen ist sie etwa 3 bis 4 Myr alt. Als extremes Gegenbeispiel sind RR Lyrae Sterne<br />
in Kugelsternhaufen bis zu 12 Gyr alt, bestimmt aus dem Abknickpunkt auf dem Hauptast des<br />
Hertzsprung-Russel-Diagramms.
1.2. LÄNGEN: RADIEN UND ENTFERNUNGEN 31<br />
Die Hyaden und <strong>die</strong> Plejaden<br />
Die Hyaden sind der sonnennächste offene Sternhaufen. Die Entfernung zu den Hyaden, GE (46 pc),<br />
hat damit (ähnlich wie <strong>die</strong> astronomische Einheit, AE, für das Sonnensystem) <strong>die</strong> Bedeutung eines<br />
Eichmasses für <strong>die</strong> Galaxie als ganzes. Zum galaktischen Zentrum ist es dann ’nur noch’ etwa 200 GE<br />
weit; zum Vergleich sind es zum nächsten Stern immerhin 270.000 AE. Der moderne Wert für GE ist<br />
46 pc, mit einer Unsicherheit von nur 0.27 pc (zum Schwerpunkt der Hyaden, nach Messungen vom<br />
Astrometrie Satelliten Hipparcos):<br />
GE = 46.34 ± 0.27 pc<br />
Die Bedeutung der Hyaden liegt darin, daß es der einzige Sternhaufen ist, der einerseits eine messbare<br />
Parallaxe aufweist und andererseits genügend reich (an Sternen) ist, daß noch Sterne der Spektralklassen<br />
G bis A (einheitlich) überdeckt werden. Die Geschwindigkeitsdispersion beträgt nur<br />
σv = 0.3 km s −1<br />
Bezogen auf den Schwerpunkt der Hyaden konnte keine systematische Expansion festgestellt werden.<br />
Die halbe Masse ist innerhalb eines Radius von 6 pc konzentriert, der Kernradius beträgt 2.7 pc. Chemie<br />
und Alter: Y = 0.26 (Helium), Z = 0.024 (Metalle) und Alter 625 Myr.<br />
Da <strong>die</strong> Hyaden keine O und B Sterne enthalten, nimmt man noch <strong>die</strong> Plejaden als zweiten Eichstandard<br />
hinzu. Die Entfernung zu den Plejaden (M45) beträgt:<br />
D = 116.34 ± 3.3 pc<br />
ebenfalls nach Messungen vom Astrometrie Satelliten Hipparcos.<br />
Die offenen Sternhaufen<br />
Ein (unverstandenes aber willkommenes) Phänomen war (und ist) <strong>die</strong> Existenz von offenen Sternhaufen<br />
(von denen viele schon Messier und W. und J. Herschel entdeckt hatten).<br />
Man kennt heute etwa 1000 offene Sternhaufen. Einige bekanntere davon sind bereits in Messiers<br />
Katalog verzeichnet. Die meisten Haufen sind mehr als 1 kpc von der Sonne entfernt. Eini-<br />
ge der bekannteren sind in der nebenstehenden Tabelle aufgeführt.<br />
Die Einträge haben folgende Bedeutung: Θ ist der Öffnungswinkel<br />
in Bogenminiuten, ( ′ ), unter dem der Haufen von der Erde aus<br />
erscheint. D ist <strong>die</strong> Entfernung in Parsec (pc) zum Schwerpunkt<br />
und N ist <strong>die</strong> Anzahl der Sterne im Haufen. T ist der<br />
Logaritmus des Alters des Haufens in Jahren. Dabei ist Alter<br />
≈ Relaxationszeit ≈ Entwicklungszeit der Sterne gesetzt und<br />
Te ist der Logaritmus der Evaporationszeit (in Jahren), d. h.<br />
<strong>die</strong> Zeit zum Verdampfen des gesamten Haufens.<br />
Die Namen sind wie folgt: UMa Cl. = Ursae Majoris Cloud,<br />
<strong>die</strong> Hyaden heißen auch Taurus Cloud (Wolke), <strong>die</strong> Plejaden<br />
Name Θ<br />
′<br />
D<br />
pc<br />
N T<br />
yr<br />
Te<br />
yr<br />
Einzelhaufen<br />
UMa Cl. 1000 22 100 8.2 9<br />
Hyaden 400 46 218 8.8 9<br />
Plejaden 120 116 120 7.8 10<br />
Praesepe 90 158 100 8.4 10<br />
τ CMa 7 1500 30 6.1 9<br />
M67 18 830 80 9.6 10<br />
Doppelhaufen<br />
h-χ Per 30 2360 240 7.1<br />
Tab. 1.9: Offene Sternhaufen<br />
= M45, Praesepe = M44 und τ CMa = τ Canis Majoris (der jüngste Haufen). Der Doppelhaufen h-χ<br />
Perseus ist mit T = 10 Myr einer der jüngsten (er enthält noch Sterne mit fast 20 Sonnenmassen), M67<br />
der älteste, er reicht an den Kugelsternhaufen M3 heran.<br />
Die Daten sind, falls nicht durch Hipparcos vermessen, (Ref. [Kov98]), nach Trümpler (1930), von<br />
dem <strong>die</strong> ursprüngliche Untersuchung stammt, zusammengestellt. Zu finden in den Standard Referenzen:<br />
Lang, (Ref. [Lan78], Table 55) und Allen (Ref. [All73] §130).
32 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />
Die hier benutzte Formel für <strong>die</strong> Evaporationszeit, d. h. <strong>die</strong> Zeit, <strong>die</strong> der Sternhaufen mit Radius R und<br />
mittlerer Geschwindigkeit v zum verdampfen benötigt, lautet<br />
tEvap =<br />
� �<br />
8R N<br />
v ln(N/2)<br />
(1.38)<br />
Die Größe 2R/v ist <strong>die</strong> Zeit, <strong>die</strong> ein Stern benötigt, den Haufen zu durchqueren (crossing time). Diese<br />
Formel werden wir später ableiten.<br />
Die Bezeichnung Sternstrom geht auf Kapteyn (1904) zurück und <strong>die</strong> erste Parallaxenbestimmung an<br />
einem Sternstrom wurde von Boss (dessen ’Preliminary General Catalogue’ von 1910 lange Zeit das<br />
Standardwerk für Örter und Bewegungen der helleren Sterne war) an den Hyaden (1915) vorgenommen.<br />
Boss hatte nämlich (1908) entdeckt, daß (nach Korrektur der Erd- und Sonnenbewegung) <strong>die</strong><br />
Mitglieder der Hyaden (Taurus Strom) sich alle parallel zueinander bewegen. Die eigentliche Parallaxe<br />
liegt dabei mit π = 0.024 ′′ an der Grenze des Messbaren. Die neue Idee ist, daß man <strong>die</strong> Änderung<br />
∆Θ des scheinbaren Winkel-Durchmessers Θ über mehrere Jahre t hinweg (relativ zu den Fixsternen)<br />
misst. Es gilt dann für <strong>die</strong> Entfernung (und kleine Winkeländerung)<br />
tan Θ<br />
d = vt<br />
∆Θ<br />
Nach 10 Jahren hat man so einen Faktor 10 in der Auflösung gewonnen. In Zahlen:<br />
d = 1<br />
4.74<br />
v<br />
kms −1<br />
(t/yr)<br />
(1.39)<br />
tan Θ<br />
∆Θ/ ′′ pc (1.40)<br />
Die nebenstehende Abbildung zeigt <strong>die</strong> Geometrie zur Sternstromparallaxe an einem offenen Sternhaufen. Der<br />
Einfachheit halber sei <strong>die</strong> Geschwindigkeit rein tangential vom Beobachter<br />
weg gerichtet und das bei senkrechter Aufsicht. Der Beobachter<br />
sieht einen Kreis, dessen Radius im Winkelmaß relativ zur den dahinter<br />
liegenden Fixsternen im Laufe der Zeit kleiner wird. Der wahre Radius<br />
des offenen Sternhaufens ändert sich während der Beobachtungszeit<br />
nicht.<br />
Die Seitenansicht erläutert <strong>die</strong> räumliche Situation. In der Zeit t entfernt<br />
sich der Sternhaufen um σ = vt. Die Winkeländerung beträgt<br />
Abb. 1.3: Sternstromparallaxe<br />
∆θ = θ − θ ′ , dabei ist θ der Öffnungswinkel des offenen Sternhaufens<br />
zu Beginn der Beobachtung. Daraus folgt für <strong>die</strong> Winkelgeschwindigkeit µ für kleine Zeiten ∆θ = µt.<br />
Verbindet man <strong>die</strong> zu einem Stern gehörenden Örter mit einer Geraden, so schneiden sich alle Geraden der verschiedenen<br />
Sterne in einem Punkt, dem Fluchtpunkt. Im hier betrachteten Fall ist das das Zentrum des offenen<br />
Sternhaufens.<br />
Möglich wurde <strong>die</strong>se Bestimmung erst durch zwei technische Entwicklungen, welche <strong>die</strong> Astronomie<br />
ähnlich revolutionierten wie <strong>die</strong> Erfindung des Teleskops:<br />
1. <strong>die</strong> Benutzung der Photoplatte (H. Draper, 1840; Whipple, 1850) und<br />
2. <strong>die</strong> Anwendung des Dopplerprinzips zur Messung von Radialgeschwindigkeiten (W. Huggins,<br />
der dabei <strong>die</strong> Linien-Spektroskopie der Sterne entscheidend weiterentwickelte).<br />
Die Photographie erlaubt es, Photonen aufzuad<strong>die</strong>ren, was das menschliche Auge nicht kann. Der<br />
Dopplereffekt liefert für <strong>die</strong> beobachtete Wellenlänge λ und <strong>die</strong> als bekannt vorausgesetzte Ruhlänge<br />
λo <strong>die</strong> Geschwindigkeit der Quelle (bei bekanntem Winkel Θ zwischen Geschwindigkeit v und Visionsrichtung)<br />
in Einheiten der Lichtgeschwindigkeit β := v/c:<br />
1 + β cos Θ<br />
λ = λo √<br />
1 − β2 (1.41)
1.2. LÄNGEN: RADIEN UND ENTFERNUNGEN 33<br />
An den galaktischen Sternhaufen hat Trümpler <strong>die</strong> Standardkerzen der Galaxis geeicht und dabei nebenbei<br />
(1930) <strong>die</strong> interstellare Absorption AV durch Staub bestätigt! Diese war bereits 1847 von Struve<br />
aus Sternzählungen deduziert worden (mit der korrekten Größenordnung für <strong>die</strong> mittlere Extinktion<br />
von Av ≈ 1 m pro kpc), wurde aber erst durch <strong>die</strong> Arbeiten von Trümpler allgemein anerkannt.<br />
Eichung der Sternhelligkeiten<br />
Mit Leuchtkraft, L, Einheit: erg s −1 , bezeichnet man <strong>die</strong> totale Energieverlustrate eines Sterns, L = ˙ E.<br />
Für isotrope Abstrahlung kommt im Abstand D (bei Euklidischer Geometrie) ein Strahlungsfluß f an,<br />
f = L<br />
(1.42)<br />
4πD2 Der Strahlungsfluß f (Einheit: erg cm−2 s−1 ) ist also das Maß zur Bestimmung der Leuchtkraft L des<br />
Sterns, wenn man seine Entfernung D kennt, und weiß, daß <strong>die</strong> Strahlung isotrop ist<br />
L = 4πD 2 f (1.43)<br />
Der Strahlungsfluß wird oft auch mit S bezeichnet (Poyntingfluß).<br />
Die astronomischen Bezeichnungen für <strong>die</strong>selben Größen sind <strong>die</strong> wahre und scheinbare bolometrische<br />
Helligkeit, Mbol und mbol, allerdings werden sie mit anderen Masseinheiten angegeben (nämlich so, s.<br />
u., daß der optische Astronom leicht erkennen kann, ob ein Objekt noch mit blossem Auge erkennbar<br />
ist oder ob er ein besonders gutes Teleskop benötigt).<br />
Die Strahlung eines Sterns kann (jedenfalls in einfachster Näherung) durch <strong>die</strong> Plancksche Schwarzkörperstrahlung<br />
approximiert werden: Es sei L <strong>die</strong> Leuchtkraft, R der Radius, T <strong>die</strong> Temperatur und σ <strong>die</strong> Stefan-<br />
Boltzmann Konstante, dann gilt näherungsweise<br />
L = 4πR 2 σT 4<br />
(1.44)<br />
Die Größe Φ = σT 4 ist der Gesamtstrahlungsstrom an der Oberfläche des Sterns. Die Energiedichte<br />
der Strahlung (im Innern des Sterns) ist u und es gilt der folgende Zusammenhang<br />
u = aT 4<br />
; B = c<br />
c<br />
u ; Φ = u (1.45)<br />
4π 4<br />
mit der Strahlungsenergiedichte-Konstante<br />
15¯h 3 c3 = 7.56 · 10−15 erg cm −3 K −4<br />
(1.46)<br />
Wir greifen vor und geben hier bereit <strong>die</strong> Spektralverteilung für einen Stern mit Radius R, welcher<br />
Schwarzkörperstrahlung der Temperatur T emittiert. Sie sieht wie folgt aus:<br />
a = π2 k 4<br />
Iν = Bν(T ) = 2hν3<br />
c2 1<br />
ehν/kT − 1<br />
Φ = σT 4<br />
L = 4πR 2 Φ<br />
und Φν(R) = πBν<br />
• ZUSATZ (STERNHELLIGKEITEN BEI HIPPARCH UND PTOLOMÄUS)<br />
Der Katalog von Hipparch enthält 1022 Sterne mit geschätzten (visuellen) Helligkeiten. Dieser Katalog wurde von Ptolomäus<br />
ergänzt und durch eigene Beobachtungen verbessert. Seine Eintragungen wurden von Pogson so geeicht, daß sich<br />
Übereinstimmung bei der 6. Größenklasse (den schwächsten und damit den meisten Sternen) ergab. Pogson nahm an, daß<br />
<strong>die</strong> Empfindlichkeit des Auges exakt dem Weber-Fechnerschen Gesetz folgt, also daß<br />
1 m = 1<br />
5√ 100 = 10 −0.4 = 1 : 2.512 Magnitude<br />
gilt, was nicht stimmt. Da es sehr viel mehr leuchtschwache m = 6 Sterne gibt, hat man <strong>die</strong> Anschlusseichung bei <strong>die</strong>sen<br />
vorgenommen, um möglichst viele antike Beobachtungen korrekt zu übernehmen. Einige der leuchtstarken Sterne sind<br />
dann allerdings falsch. So kommt es, daß Sirius sogar eine negative Magnitude von −1.4 hat.
34 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />
Die Einteilung der Sternhelligkeiten in ’Größen’ geht auf Hipparch zurück, der <strong>die</strong><br />
Sterne in 6 Klassen einteilte: <strong>die</strong> hellsten Sterne als 1. Größe und <strong>die</strong> schwächsten als<br />
6. Größe.<br />
Dieses System wurde auch nach Erfindung des Fernrohrs i.w. beibehalten, um den<br />
Anschluß an historische Beobachtungen nicht zu verlieren, es wurde nach der Aufdeckung<br />
der Zusammenhänge beim physiologischen Sehen im Weber-Fechnerschen<br />
Gesetz (1834) auf Vorschlag von Pogson (1854) so geeicht, daß einem Unterschied<br />
von 1 Größenklasse (Magnitude) das Intensitätsverhältnis 1:2.512 mit dem Logarithmus<br />
0.4 entspricht:<br />
1 m = 10 −0.4 = 1 : 2.512 Magnitude<br />
Zur Fixierung des Nullpunkts der Größenskala wurde ursprünglich der Polarstern<br />
gewählt, bis man entdeckte, daß <strong>die</strong>ser veränderlich ist, dann <strong>die</strong> Polsequenz ausgewählter<br />
polnaher Sterne und heute besondere Eichsterne (z. B. Wega, s. u.). Der<br />
Polarstern hat nach <strong>die</strong>ser Eichung eine visuelle scheinbare Helligkeit von m = 2.12.<br />
Der grosse Vorteil <strong>die</strong>ser Methode, Sterne zu klassifizieren ist der, daß man nur noch<br />
Relativmessungen durchzuführen hat, der grosse Nachteil, daß man <strong>die</strong> Entfernung<br />
nicht kennt und damit nichts über <strong>die</strong> primäre Größe, <strong>die</strong> Leuchtkraft, aussagen kann.<br />
Deshalb ist man bemüht, eine Methode zu finden, <strong>die</strong> es gestattet, unabhängig von der<br />
Kenntnis der Entfernung <strong>die</strong> Leuchtkraft zu bestimmen. Eine solche Klassifikation der<br />
Sterne liefert <strong>die</strong> Harvard Spektral - Klassifikation.<br />
Moderne Teleskope erreichen mvis = 20 als visuellen Grenzwert (Beobachtung mit<br />
dem Auge), mph = 24 (mit der Photoplatte nach langer Belichtung) und mph = 27<br />
(mit CCD) und mR = 29 (mit HST nach 10 Tagen Belichtung).<br />
Tab. 1.10: Klassifikation der Sternhelligkeiten<br />
-25<br />
-20<br />
-15<br />
-10<br />
-5<br />
0<br />
5<br />
10<br />
15<br />
20<br />
25<br />
Sonne<br />
Vollmond<br />
Venus<br />
Sirius<br />
✛<br />
Polarstern<br />
Auge<br />
Fernglas<br />
Pluto<br />
Teleskop vis<br />
Teleskop ph<br />
Galilei war der erste, der ein (selbst gebautes) Teleskop an den Himmel richtete und damit <strong>die</strong> Vorstellungen<br />
über <strong>die</strong> Objekte des Kosmos revolutionierte. Newton, Huygens, Fraunhofer und Herschel<br />
haben alle ihre Teleskope selbst gebaut. Mit dem Aufkommen neuer Techniken und dem Bau immer<br />
leistungsfähigerer (und teurerer) Teleskope wurde der Schwerpunkt astronomischer Beobachtung (und<br />
als Folge astrophysikalischer Forschung) immer stärker in <strong>die</strong> USA verlagert. Pickering (ab 1880) stellte<br />
<strong>die</strong> Photometrie auf eine exakte Grundlage und vermisst dazu mit dem Meridianphotometer 80 000<br />
Sterne. Unter seiner Leitung wurde der ’Henry Draper Catalogue’ (HD) geschaffen, der auf einer halben<br />
Million Platten <strong>die</strong> Grundlage einer Klassifikation der Sterne (Harvard Klassifikation) lieferte.<br />
Solche Sternkataloge gibt es mittlerweile in digitalisierter Form (für ROSAT und HST). Sie benötigen<br />
etwa 600 Giga Byte Speicher.<br />
Die Einordnung der Sternspektren wurde, basierend auf Secchis Arbeiten, zunächst von Miss A. Maury<br />
übernommen, dann von Miss Annie Cannon weitergeführt und revi<strong>die</strong>rt. Die Klassifizierung wurde versucht<br />
zu einer Zeit, wo <strong>die</strong> Physik der Sterne nicht existent war, musste also nach rein phänomenologischen<br />
Gesichtspunkten geschehen. Die Klassifikation wurde dabei so vorgenommen, daß man <strong>die</strong> Spektren<br />
in einer linearen Sequenz so anordnete, daß von einem zum nächsten Spektrum möglichst wenig<br />
Änderungen auftraten. Da <strong>die</strong> Beschreibung der einzelnen Klassen von Miss Mauri bereits festlag (im<br />
wesentlichen nach abnehmender Temperatur geordnet) geriet bei der endgültigen Sequenz das Alfabet<br />
etwas durcheinander:<br />
O B A F G K M R N S<br />
Ein zweites Hindernis (neben der fehlenden Physik) war, daß auch <strong>die</strong> Entfernungen der Sterne unbekannt<br />
waren. Der entscheidende Durchbruch, Sterne zu eichen, wurde erst möglich, als genügend<br />
Sterne einheitlicher Entfernung (bzw. genau vermessener Parallaxe) gefunden werden konnten. Hertzsprung<br />
(1905 –an Riesen- und Zwergsternen) und Russel (1913 –an von ihm selbst besonders genau
1.2. LÄNGEN: RADIEN UND ENTFERNUNGEN 35<br />
trigonometrisch vermessenen Sternen) fanden so den Zusammenhang zwischen Temperatur (astron.:<br />
Spektraltyp oder Farbe) und Leuchtkraft (astron.: Helligkeit). Er wird Hertzsprung-Russel-Diagramm<br />
oder kurz H-R-Diagramm, allgemeiner Farben-Helligkeits-Diagramm genannt und stellt ein wichtiges,<br />
wahrscheinlich das wichtigste Arbeitsmittel des (optischen) Astronomen dar.<br />
Mit Karl Schwarzschild, der 1904 <strong>die</strong> photographische Sternphotometrie mit der ’Göttinger Aktinometrie’<br />
begründete, beginnt <strong>die</strong> moderne <strong>Astrophysik</strong>. Schwarzschild versucht, <strong>die</strong> Quantenmechanik<br />
auf <strong>die</strong> Physik der Sterne anzuwenden und erkennt, daß der Farbindex ein Maß für <strong>die</strong> Temperatur<br />
darstellt (Theorie des Strahlungsfeldes der Sternatmosphäre). Sieht man von der chemischen Zusammensetzung<br />
der Sternmaterie einmal ab, dann bedeutet <strong>die</strong> Aussage des H-R-Diagramms, daß ein Stern<br />
auf der Hauptreihe durch einen einzigen Parameter bestimmt ist, z. B. seine effektive Temperatur. Daraus<br />
folgen alle anderen Größen wie Radius, Masse und Leuchtkraft.<br />
Der holländische Astronom Kapteyn vermisst an der Südhalbkugel insgesamt 455 000 Sterne (in 12jähriger<br />
Arbeit) und macht (1922) ein Modell der Galaxis: Das sog. Kapteynsche (Insel) Universum (auf dem<br />
auch das hierarchische Universum von Charlier basiert) mit der Sonne im Zentrum.<br />
Wie aus dem H-R-Diagramm folgt, kann man nicht alle Sterne mit einem einzigen Parameter, T , klassifizieren.<br />
Diese Möglichkeit gilt nur für <strong>die</strong> Hauptreihensterne, also für <strong>die</strong> überwiegende Mehrzahl, allerdings<br />
auch dafür nur bei Vernachläßigung ihrer chemischen Entwicklung. Kohlschlütter und Adams<br />
entdeckten <strong>die</strong> Leuchtklasse (d. h. <strong>die</strong> Leuchtkraft L) als zweiten Parameter zur Sternklassifikation.<br />
Morgan, Keenan und Kellman führten schließlich (1943) <strong>die</strong> Leuchtklasse (I bis V) als zweiten Parameter<br />
zur Sternklassifikation in ihrem ’Atlas of Stellar Spectra’ ein. Die Klassen sind nach fallender<br />
Leuchtkraft L der Sterne geordnet.<br />
Man erhält den zusätzlichen Parameter, <strong>die</strong> Klasse, ebenfalls rein spektroskopisch: aus der Breite,<br />
Schärfe oder Unschärfe bestimmter Eichlinien. Die Genauigkeit der Bestimmung liegt bei etwa 0.1<br />
Gößenklassen bei den Klassen III bis V.<br />
Baade entdeckt dann noch (1944, zunächst an der Galaxie Andromeda) den Unterschied zwischen<br />
alten (Population II) und jungen (Population I) Sternen, <strong>die</strong> er Populationen nennt. Sie unterscheiden<br />
sich in ihren Metallhäufigkeiten (Chemische Entwicklung der Galaxis). Er findet so (1952), daß es<br />
in der Milchstraße zwei Typen von Cepheiden gibt, δ-Cephei Sterne (jung, Metallhäufigkeit solar,<br />
konzentriert in der galaktischen Ebene) und W-Virginis Sterne (alt, Metalle stark unterhäufig, im Halo),<br />
deren Leuchtkräfte sich um einen Faktor 4 unterscheiden.<br />
Damit ist das rein empirisch gewonnene Bild der optischen Sternklassifikation vollständig. An ihm<br />
hat sich bis heute nichts mehr geändert, es ist allerdings mit wachsendem Verständnis der zugrunde<br />
liegenden Sternentwicklung verfeinert worden.<br />
Mittlerweile geht man daran, ein analoges Klassifikationsschema für Galaxien (zunächst nach ihrer<br />
Farbe und zusätzlich nach ihrer Form) zu erstellen. Wichtige Stationen auf dem Weg dahin sind <strong>die</strong><br />
jüngsten und ältesten Bestandteile der Milchstraße, <strong>die</strong> Molekülwolken und <strong>die</strong> in ihnen geborenen<br />
massiven Sterne bzw. <strong>die</strong> Kugelsternhaufen und <strong>die</strong> in ihnen verbliebenen RR Lyrae Sterne.<br />
Das Hertzsprung-Russel-Diagramm<br />
Bei bekannter Entfernung D und gemessener scheinbarer Helligkeit, m, kann <strong>die</strong> absolute Helligkeit<br />
M eines Sterns bestimmt werden.<br />
� �2 D<br />
M = m − 2.5 log<br />
(1.47)<br />
10pc<br />
Als Grundlage zur Eichung <strong>die</strong>nen <strong>die</strong> hellsten Sterne bekannten Spektraltyps in Sonnenumgebung mit<br />
messbarer Parallaxe π<br />
5 log π = M − m − 5 (1.48)
36 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />
oder Sterne gleicher Entfernung (offene Sternhaufen, Kugelsternhaufen). Die stillschweigende Annahme,<br />
<strong>die</strong> hier eingeht, ist <strong>die</strong>, daß <strong>die</strong> Sterne in Sonnenumgebung nicht nur typisch für <strong>die</strong> Milchstraße<br />
sind, sondern auch für weit entfernte Galaxien.<br />
Die offenen Sternhaufen haben den Vorteil, daß alle Mitglieder praktisch bei gleicher Entfernung gesehen<br />
werden, daß man also <strong>die</strong> Entfernung nur einmal bestimmen muß. Ferner sind <strong>die</strong> Sterne alle<br />
chemisch gleich, da sie aus dem gleichen Wolkenmaterial<br />
entstanden sind.<br />
Die Einträge in der nebenstehenden Tabelle haben<br />
folgende Bedeutung:<br />
Nbek ist <strong>die</strong> Anzahl bekannter Objekte,<br />
Ntot deren geschätzte Gesamtzahl,<br />
T ist das Alter in Jahren (yr), Pop. ist <strong>die</strong> Sternpopulation,<br />
met. bedeutet hier ausnahmsweise <strong>die</strong><br />
Häufigkeit an Elementen schwerer als O,<br />
M ist <strong>die</strong> mittlere Sternmasse (in Einheiten der<br />
Parameter offene Kugel OB<br />
Sternhaufen Sternhaufen Assoziationen<br />
Nbek 1039 125 70<br />
Ntot 3000 10 5 − 10 6 300<br />
T 10 6 − 10 9 10 10 10 6 − 10 7<br />
Pop. I II I<br />
met. reich arm extrem reich<br />
M/M⊙ 1 M⊙ 0.5 M⊙ 5 M⊙<br />
Ort Scheibe Halo Scheibe<br />
Tab. 1.11: Haufencharakteristika<br />
Sonnenmasse M⊙), Ort gibt <strong>die</strong> räumliche Verteilung an.<br />
Trägt man nun, wie Trumpler es zuerst (1930) getan hat, mB − mV gegen M auf, d. h. 1/T gegen L,<br />
so stellt man fest, daß <strong>die</strong> Sterne in einen schmalen Band liegen. Die Größe mB − mV (meist B − V<br />
abgekürzt) ist unabhängig von der Entfernung, <strong>die</strong>se wird nur zur Bestimmung von M benötigt.<br />
Die Bandbreite ist i. w. bestimmt durch <strong>die</strong> chemische Zuammensetzung und durch nichtaufgelöste<br />
Doppelsterne, (s. u.). Vergleicht man nun einen offenen Sternhaufen der scheinbaren Helligkeit mo mit<br />
einem Eichhaufen mit Helligkeit me (z. B. den Hyaden mit gut bekannter Entfernung), so kann man im<br />
H-R-Diagramm den einen vertikal so lange verschieben bis seine Hauptreihe mit der des Eichhaufens<br />
zur Deckung kommt. Die Differenz in scheinbarer Helligkeit ∆m = mo − me heißt Entfernungsmodul.<br />
Damit kann man dann <strong>die</strong> Entfernung (in Einheiten der Entfernung zum Eichhaufen) bestimmen.<br />
Einem Faktor von z. B. 100 in der Leuchtkraft, ∆m = 5, entspricht ein (Do/De) 2 = 10 2 , ein Faktor<br />
10 in der Entfernung, Do = 10De.<br />
• BEISPIEL (WEGA ALS EICHSTERN ZU A0)<br />
Die Entfernung beträgt 8 pc. Damit unterscheiden sich scheinbare, m, und absolute Helligkeit, M, um etwa eine halbe<br />
Magnitude: m − M = 5 log(0.8) = −0.48.<br />
Astronomische Daten : Wega<br />
Mv B − V BC Te Tc Mb L R M<br />
0.7 0.00 −0.7 0.97 1.5 0.0 90L⊙ 3R⊙ 3M⊙<br />
Mv: absolute visuelle Helligkeit, entspricht 3600 Jy im V Band; Mb: absolute bolometrische Helligkeit,<br />
B − V Farb Index, BC bolometrische Korrektion,<br />
Te effektive Temperatur, Tc Farb - Temperatur in Einheiten 10000 K.<br />
Da <strong>die</strong> Hyaden keine O und B Sterne enthalten, nimmt man noch <strong>die</strong> Plejaden als zweiten Eichstandard<br />
hinzu. Ein prinzipiell unlösbares Problem ist allerdings noch, daß –selbst bei vorausgesetzter chemischer<br />
Homogenität– <strong>die</strong> Sterne nicht eine eindeutig bestimmte Leuchtkraft mV bei gegebener Temperatur<br />
(B − V ) besitzen. Das liegt daran, daß es viele unaufgelöste Doppelsterne gibt. Damit kommt<br />
man entfernungsmäßig bereits durch <strong>die</strong> ganze Galaxie. Es ergibt sich jedoch eine Schwierigkeit: <strong>die</strong><br />
interstellare Absorption A. Diese verschiebt <strong>die</strong> Hauptreihe horizontal und es gilt näherungsweise<br />
m − M = 5 log (D/10pc) + A (1.49)<br />
Empirisch stellte Baade (1944) so fest, daß es zwei Typen von Sternen gibt, welche er mit Population I<br />
und Population II bezeichnete. Insbesondere Cepheiden der Population I sind in der Milchstraße wegen<br />
der starken interstellaren Absorption in der Scheibe schwer zu finden.
1.2. LÄNGEN: RADIEN UND ENTFERNUNGEN 37<br />
1. Population I, wozu <strong>die</strong> Sonne gehört, umfasst <strong>die</strong> hellen (jungen) Sterne der galaktischen Scheibe.<br />
Diese Sterne haben ’normale’ chemische Häufigkeiten (metallreich wie <strong>die</strong> Sonne) und befinden<br />
sich in der mit Gas und Staub durchsetzten Scheibe der Galaxis. Die Population I wird<br />
manchmal nochmals unterteilt in Spiralarm- und Scheiben-Population.<br />
2. Population II Sterne sind leuchtschwächer (und metallarm und masseärmer), weshalb sie erst<br />
später entdeckt wurden (daher <strong>die</strong> Bezeichnung II). Sie befinden sich (hauptsächlich) im Bulge,<br />
im Halo und in Kugelsternhaufen.<br />
Neben <strong>die</strong>sen beiden beobachteten Populationen vermutet man noch eine bisher nicht gesehene Population<br />
III, welche Sterne aus reinem H und He beinhalten sollten (kosmisches Ursprungsmaterial).<br />
Bisher sind jedoch keine Anzeichen dafür vorhanden, daß es einmal eine Phase im Universum ohne<br />
schwere Elemente gegeben hat. Selbst Eisen, Fe, (oder sgar Moleküle wie CO) sind immer schon<br />
vorhanden, wenn auch in geringerer Häufigkeit (im Vergleich zur Sonne 2 dex bis 3 dex weniger).<br />
Eine feinere Aufteilung der beiden Grund-Populationen und ihre physikalischen Eigenschaften enthält<br />
<strong>die</strong> nebenstehende Tabelle.<br />
Z ist der Betrag des Abstands von der galaktischen<br />
Ebene und ˙ Z ist <strong>die</strong> Komponente<br />
der Geschwindigkeit senkrecht zur galaktischen<br />
Ebene. M ist der geschätzte Massenanteil<br />
der Komponente.<br />
Zur extremen Stern Population I kommt noch<br />
<strong>die</strong> Komponente des interstellaren Gases hinzu,<br />
mit einer Masse von je etwa 109 Astronomische Feineinteilung der Populationen<br />
mit ihren physikalischen Eigenschaften<br />
Population Z Z˙ M A<br />
pc km s<br />
M⊙ für<br />
neutralen H und für H2. Hierher gehören <strong>die</strong><br />
Progenitoren der Supernovae vom Typ II (und<br />
Ib). Ferner <strong>die</strong> massivsten Sterne der Milch-<br />
−1 109M⊙ Gyr<br />
extreme Pop I 120 8 3 < 0.1<br />
ältere Pop I 160 10 10 0.1 . . . 1<br />
Scheibenpopulation 400 16 40 2 . . . 6<br />
jüngere Pop II 700 25 40 6 . . . 9<br />
extreme Pop II 2000 75 20 10 . . . 12<br />
Tab. 1.12: Populationen<br />
straße.<br />
Die Scheibenpopulation enthält den Hauptteil der (sichtbaren) Sterne, <strong>die</strong> Zentralsterne der planetaren<br />
Nebel und <strong>die</strong> Novae.<br />
Zur extremen Population II gehören <strong>die</strong> RR Lyrae Sterne und <strong>die</strong> Progenitoren der Supernovae vom<br />
Typ Ia. Ferner <strong>die</strong> Sterne in Kugelsternhaufen und <strong>die</strong> ms Pulsare.<br />
Ein weiteres wichtiges Kriterium ist <strong>die</strong> Metallhäufigkeit der einzelnen Populationen. Sie nimmt mit<br />
wachsendem Alter ab.<br />
Die Kugelsternhaufen<br />
• DEFINITION (EIN MASS FÜR DIE METALLHÄUFIGKEIT)<br />
Die numerische Häufigkeit eines Elements wie Fe sei n(Fe) und das von Wasserstoff sei n(H). Die relative Häufigkeit von<br />
Fe bezogen auf H ist dann n(Fe)/n(H). Dies wird ins Verhältnis gesetzt zu den Werten der Sonne. Der Logaritmus davon<br />
wird mit [Fe/H] bezeichnet.<br />
[Fe/H] = log[n(Fe)/n(H)] − log[n(Fe)/n(H)]⊙<br />
In Kugelsternhaufen ist [Fe/H] ein Maß für ihr Alter. Der Wert für [Fe/H] reicht von -2.19 (bei M92) bis -0.40 (NGC 6838).<br />
• DEFINITION (KING FUNKTION)<br />
Die Massenverteilung wird bei gravischen Systemen wie Kugelsternhaufen wie folgt approximiert (King Modell)<br />
n = no<br />
�<br />
1 + r2<br />
a2 �b<br />
; b = 3β<br />
2<br />
Die King Funktion hat drei freie Parameter: no, <strong>die</strong> Dichte im Zentrum; a, der effektive Radius und β (bzw. b) für <strong>die</strong><br />
Konzentration. Diese Parameter sind nicht direkt beobachtbar.<br />
(1.50)
38 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />
Neben den offenen Sternhaufen (mittelalt) gibt es noch <strong>die</strong> Kugelsternhaufen (sehr alt). Sie unterscheiden<br />
sich durch <strong>die</strong> in den Tabellen (1.11) und (1.9) gegebenen physikalischen Parameter. Abgesehen<br />
von der Möglichkeit lokale Eichkerzen zu vermessen, sind sie wichtig zur Altersbestimmung.<br />
Die Kugelsternhaufen enthalten <strong>die</strong> für <strong>die</strong> Galaxis wichtigsten lokalen Eichkerzen: RR Lyrae Sterne<br />
(alt) und Cepheiden (vom Typ II). Sie haben zwar den Vorteil, daß alle Mitglieder praktisch bei<br />
gleicher Entfernung gesehen werden, daß man also <strong>die</strong><br />
Entfernung nur im Mittel bestimmen muß, aber <strong>die</strong><br />
Sterne sind nicht alle chemisch gleich, obwohl <strong>die</strong> Kugelsternhaufen<br />
vermutlich aus dem gleichen Urmaterial<br />
entstanden sind.<br />
Die Kugelsternhaufen stammen aus der Frühzeit der<br />
Galaxis, denn 10 5 bis 10 6 Sterne werden heute in unserer<br />
Galaxis selbst in den massivsten Wolken nicht mehr<br />
geboren. Einige vermuten, daß <strong>die</strong> Kugelsternhaufen<br />
sogar vor den Galaxien gebildet wurden. Die einfachste<br />
Erklärung für <strong>die</strong> beobachtete chemische Inhomo-<br />
genität der Haufen ist <strong>die</strong>, daß <strong>die</strong> Sterne in ihnen in<br />
NGC Name Entfernung log(L/ Anzahl<br />
Nr kpc L⊙) Veränderl.<br />
6121 M4 2.2 5 43<br />
6656 M22 3.2 6.8 24<br />
6752 4.1 1<br />
104 47 Tuc 4.5 11<br />
5139 ω Cen 4.8 164<br />
5904 M5 7.0 5 97<br />
5272 M3 9.2 6.3 187<br />
7006 48.0 40<br />
2419 58.0 36<br />
Tab. 1.13: Eichhaufen<br />
mehreren Perioden (und damit aus unterschiedlich stark angereichertem Urmaterial) entstanden sind.<br />
Heute enthalten sie allerdings kein Gas mehr, obwohl noch Sternentwicklung stattfindet.<br />
Ihre Durchmesser betragen zwischen 15 und 150 pc. Ihre Gesamtmasse in Scheibe und Halo wird auf<br />
nur M = 5 · 10 7 M⊙ geschätzt. In der Tabelle sind einige ausgewählte Eich - Exemplare aufgeführt,<br />
mit Leuchtkräften L (in Einheiten der Sonnenleuchtkraft, L⊙ = 3.9 · 10 33 erg s −1 ) und der Anzahl<br />
gefundener Veränderlicher.<br />
Nach heutiger Vorstellung nehmen Kugelsternhaufen nicht an der galaktischen Rotation teil, gemessen<br />
ist das aber noch nicht (Dopplereffekt). Sie bewegen sich auf langgestreckten Tauchbahnen (Ellipsen)<br />
und gehören damit zur Halo Population. Einige (z. B. ω Cen, NGC 6522 und NGC 6528) durchqueren<br />
gerade <strong>die</strong> galaktische Ebene. Etwa hundert Kugelsternhaufen befinden sich im Halo (zwischen 20 und<br />
220 kpc vom Zentrum der Galaxis entfernt) und ebenso viele liegen in oder in der Nähe der Scheibe.<br />
Die Verteilung der Kugelsternhaufen bestimmt somit das Zentrum der Galaxis (falls wir nämlich nicht<br />
uns selbst zum Zentrum machen).<br />
Der hellste Kugelsternhaufen in der Nähe der Sonne ist Omega Centauri (ω Cen) in einer Entfernung<br />
von 4.8 kpc. Er enthält einige Hunderttausend Sterne innerhalb von einem Radius von nur 15 Parsec.<br />
Zum Vergleich (s. u.): Der Schwarz-Loch-Kandidat im Zentrum der Galaxis hat einen Radius von RZ<br />
von 0.005 pc bei einer Masse von M = 2.6 · 10 6 M⊙.<br />
Die der Sonne am nächsten gelegenen Kugelsternhaufen sind etwa 2 bis 3 kpc entfernt (NGC 6397 mit<br />
2.2 kpc ist der nächste).<br />
Man erhält mithilfe der Kugelsternhaufen als<br />
Entfernung zum Zentrum D = 8.5 ± 1.5 kpc<br />
(früher D = 10 kpc, Tendenz fallend).<br />
• ANMERKUNG (ENTFERNUNGSBESTIMMUNG DER KUGELSTERNHAUFEN)<br />
Die Bestimmung der Entfernungen der Kugelsternhaufen (und ihrer Bewegung um das Zentrum) ist von zentraler astrophysikalischer<br />
Bedeutung, da <strong>die</strong> Ausdehnung (<strong>die</strong> linearen Abmessungen) Rückschlüße auf <strong>die</strong> zeitliche Entwicklung<br />
derselben erlauben. In insegesamt 46 Kugelsternhaufen sind etwa 1200 RR Lyrae Sterne nachgewiesen, das sind ein Drittel<br />
aller bekannten.<br />
Kennt man <strong>die</strong> Entfernungen der Kugelsternhaufen, dann ist es möglich, ihre (Anzahl und Massen) Dichte zu bestimmen.<br />
Für <strong>die</strong> Milchstraße hat man eine Verteilung n(r) der Form<br />
n(r) = no (Ro/r) 3
1.2. LÄNGEN: RADIEN UND ENTFERNUNGEN 39<br />
gefunden, was auch auf <strong>die</strong> RR Lyrae Sterne zutrifft.<br />
Genauer unterscheiden wir zwischen<br />
1. Bulge (mit einem Radius von Ro = 2.5 kpc),<br />
2. Feld (Ro < r < 15 kpc),<br />
3. Halo (r bis etwa 30 kpc) Population.<br />
Der Radius ist bezogen auf das Zentrum der Galaxis. Dazu kommt <strong>die</strong> Korona mit Kugelsternhaufen, Zwerggalaxien und<br />
Wolken (high velocity clouds).<br />
Eine bessere Approximation des Dichteverlaufs ist <strong>die</strong> sog. King Profilfunktion:<br />
n = no<br />
�<br />
1 + r2<br />
a2 �b<br />
; b = 3β<br />
2<br />
wobei in unserem Fall Ro = a und β = 1 zu setzen ist.<br />
Übersichtartikel dazu: [San86] und [VBS96].<br />
Ein bisher unverstandenes Phänomen ist, neben der bereits erwähnten chemischen Inhomogenität, daß<br />
Objekte in Kugelsternhaufen auftreten, <strong>die</strong> eigentlich dort nicht mehr sein sollten.<br />
Dazu gehören <strong>die</strong> Blauen Nachzügler, (engl.: ’blue straggler’). Das sind Sterne, oberhalb des Abknickpunkts<br />
(turn off point) im H-R-Diagramm. Vermutlich handelt es sich um reanimierte<br />
Binärobjekte oder verschmolzene Sterne.<br />
Dazu zählen sogar Radiopulsare, Gamma- und Röntgensterne. Der erste Radiopulsar, der in einem<br />
Kugelsternhaufen endeckt wurde, war PSR J1824-2452 in M28 mit einer Periode von nur 3 ms.<br />
1987 wurde er sogar als Röntgenpulsar von ROSAT nachgewiesen.<br />
• ANMERKUNG (DIE ’BLUE STRAGGLER’ IN KUGELSTERNHAUFEN)<br />
Entdeckt wurden sie von Sandage (1953) in M3. Es sind Sterne, <strong>die</strong> 2 bis 2.5 Magnituden oberhalb des Abknickpunkts<br />
(turn off point) im H-R-Diagramm liegen. Bisher ist nur ein ’blue straggler’ als Variabler, also als Doppelstern, (in ω Cen)<br />
bekannt.<br />
(1.51)
40 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />
Das Zentrum der Galaxis<br />
In bis zu 3 Parsec Abstand vom Zentrum der Galaxis finden sich <strong>die</strong> dichtesten Sternansammlungen<br />
und <strong>die</strong> massivsten H II Regionen (Molekülwolken) der Galaxis. Auch <strong>die</strong> Kugelsternhaufen haben<br />
hier ihr Dichtemaximum. Gleiches gilt für Röntgenpulsare und Röntgenburster.<br />
• BEISPIEL (DER ARCHES HAUFEN)<br />
In 25 pc Entfernung vom Zentrum der Galaxis liegt der Sternhaufen G0.121+0.017, der Arches Haufen (Bogenhaufen).<br />
Dieser enthält etwa 100 bis 120 massive O Sterne (mit einer Einzelmasse M > 20M⊙), <strong>die</strong> zusammen eine Masse von<br />
5 · 10 3 M⊙ haben. Extrapoliert man (mithilfe der IMF) auf nicht gesehene, masseärmere Sterne, so erhält man eine Gesamtmasse<br />
von bis zu 6 · 10 4 M⊙. Das ist <strong>die</strong> Masse eines kleinen Kugelsternhaufens (und nicht ganz vergleichbar mit dem<br />
Zentrum von 30 Doradus mit dem Sternhaufen R136). Dabei ist das Alter des Arches Haufens nur einige Myr (vergleichbar<br />
mit 30 Dor) und der Kernradius beträgt nur 0.23 pc (entspricht 6 ′′ bei D = 8 kpc Entfernung).<br />
• BEISPIEL (DER QUINTUPLET HAUFEN)<br />
Ähnlich wie der Arches Haufen, aber nicht so kompakt, ist der Quintuplet Haufen. Er enthält den Pistol Stern, den hellsten<br />
Stern der Milchstraße. Das Alter beträgt etwa 6 Myr und damit sind <strong>die</strong> massivsten Mitglieder alle kurz davor zu<br />
explo<strong>die</strong>ren.<br />
Das Zentrum der Galaxis (SgrA ⋆ ) ist damit einzigartig in der Milchstraße: Es ist nicht nur ein Ort alter<br />
Sterne, sondern gleichzeitig massivster Sternbildung. Sgr B2 ist ein massiver Wolkenkomplex (Masse<br />
3 · 10 6 M⊙, Durchmesser 35 pc) mit H2O Masern.<br />
• ANMERKUNG (ZENTRUM DER GALAXIS: DATEN DER UMGEBUNG)<br />
Für <strong>die</strong> Grobeinteilung benutzen wir zentraler Bulge (Auswölbung), Core (Kern) und Zentrum mit den folgenden Werten.<br />
1. Bulge: erscheint von der Erde aus unter einem Öffnungswinkel von etwa 23 ◦ , was einem Durchmesser von D ≈<br />
1.5 · 10 22 cm bzw. einem Radius von 2.5 kpc entspricht. Masse M = 2 · 10 10 M⊙. Im Kernbereich des Bulge mit<br />
Radius von 1 kpc ist <strong>die</strong> Masse M = 1 · 10 10 M⊙.<br />
2. Kern: Öffnungswinkel etwa 2 ◦ , Durchmesser D ≈ 1.3 · 10 21 cm bzw. Radius von 220 pc. Masse M = 1 · 10 8 M⊙.<br />
Hauptsächlich molekular.<br />
3. Zentrum der Galaxis: Winkel etwa 0.1 ′′ , Radius RZ ≈ 1.2 · 10 16 cm bzw. 0.005 pc, Masse M = 2.6 · 10 6 M⊙.<br />
Damit ein Schwarzes Loch.<br />
Das Zentrum der Galaxis liegt in SgrA ⋆ in D = 8 kpc Entfernung, der Winkel zwischen Zentrum und den nächsten noch<br />
aufgelösten Sternen beträgt etwa 0.1 ′′ , was einem Radius von nur RZ ≈ 1.2 · 10 16 cm (oder 5 Lichttagen) entspricht. Die<br />
Keplergeschwindigkeit erreicht hier 1500 km s −1 , was eine Zentral - Masse von M = 2.6 · 10 6 M⊙ ergibt. Es ist damit ein<br />
guter, wenn auch leuchtarmer, Schwarz-Loch-Kandidat.<br />
Zum Vergleich: Der Kugelsternhaufen Omega Centauri enthält ein Zehntel an Sternen innerhalb des 50fachen Radius. Die<br />
Andromeda Galaxie hat in einem Radius von 0.5 pc etwa halb so viele Sterne.<br />
Wenn <strong>die</strong> Galaxis ein wohldefiniertes gravisches Zentrum besitzt, dann sollte <strong>die</strong> Materie, also Sterne,<br />
Gas etc. um <strong>die</strong>ses Zentrum kreisen. Das ist aber bei der Milchstraße nicht der Fall: <strong>die</strong> Hauptmasse<br />
steckt im Halo bzw. in ungesehener Form in der Korona.<br />
Trozdem ist das Zentrum der Milchstraße ausgezeichnet: es gibt dort ein (und nur ein) Schwarzes Loch,<br />
ferner junge, massive Sterne (aber viel zu wenig Röntgenstrahlung).<br />
Die geometrische Definition des Zentrums der Galaxis und <strong>die</strong> damit verbundene Erkenntnis, daß <strong>die</strong><br />
Sonne nicht selbst das Zentrum der Galaxis ist, geht auf den amerikanischen <strong>Astrophysik</strong>er Harlow<br />
Shapley zurück. Er benutzte <strong>die</strong> Verteilung der Kugelsternhaufen (und <strong>die</strong> Cepheiden als Eichkerzen)<br />
und fand das geometrische Zentrum in Sagittarius, in einer Entfernung von etwa 13 kpc von der Sonne.<br />
Dieser Wert ist im Laufe der Zeit mehrfach revi<strong>die</strong>rt worden und liegt jetzt bei 8 kpc.<br />
Die Entfernung zum Zentrum der Galaxis, also zu SgrA ⋆ und IRS16, kann man zwar bisher nicht<br />
direkt messen, mit der Quelle Sgr B2 kommt man aber sehr nahe (0.3 pc). H2O - Maser sind heu-
1.2. LÄNGEN: RADIEN UND ENTFERNUNGEN 41<br />
te das genaueste Mittel um Entfernungen in unserer Galaxis zu<br />
bestimmen. Über <strong>die</strong> Dopplerverschiebung erhält man den Radialanteil<br />
der Bewegung der Maser, <strong>die</strong> beiden senkrechten Komponenten<br />
bestimmt man aus der Eigenbewegung (Einheit in Mikro-<br />
Bogensekunden pro Jahr). Die Genauigkeit beträgt bei VLBI etwa<br />
10 −6 ′′ , bezogen auf ein Feld mit einem Durchmesser von 3 ′′ .<br />
Man findet, daß Maser etwa einen Durchmeßer von einer AE, also<br />
etwa 10 13 cm, haben und sich geradlinig von einem neu geborenen,<br />
heißen, anregenden Stern weg entfernen. Die erste solche<br />
Eich-Messung an IRc2 in Orion ergab, mithilfe eines einfachen<br />
Modells für <strong>die</strong> Expansion, eine Entfernung von 480 ± 80 pc, in<br />
Übereinstimmung mit bisherigen Bestimmungen.<br />
Die Entfernung zu Sgr B2 wurde von Reid et al. 1988 zu 7.2±0.7<br />
Entfernung zum Zentrum der Galaxis<br />
Methode Entfernung<br />
[kpc]<br />
H2O - Maser 7.2 ± 0.7<br />
RR Lyrae 7.8 ± 0.4<br />
Kugelsternhaufen 8.0 ± 0.8<br />
Cepheiden 8.0 ± 0.5<br />
IR Sterne 8.4 ± 0.4<br />
Pulsare 8.5 ± 0.7<br />
Hipparcos 8.5 ± 0.4<br />
Tab. 1.14: Entfernung gal. Zentrum<br />
kpc bestimmt, und von Gwinn et al. wurde <strong>die</strong> Entfernung zum bisher stärksten H2O - Maser der<br />
Galaxis, in W49, zu 11.1 ± 1.2 kpc gemessen. Dieser liegt zwar nicht im Zentrum der Galaxis,<br />
(l, v) = 0. ◦ 66, 55 km s −1 , man kann aber seine kinematische Geschwindigkeit benutzen, <strong>die</strong> Entfernung<br />
zum Zentrum abzuschätzen: sie erhalten 8.1 ± 1.1 kpc.<br />
Damit erhält man für <strong>die</strong> Umlaufgeschwindigkeit der Sonne um das galaktische Zentrum ˙ Θ = 220 km<br />
s −1 und als Entfernung zur LMC d = 49.4 kpc. Die Relativgeschwindigkeit zwischen LSR und LMC<br />
ist zufällig vergleichbar, nämlich etwa v = 270 km s −1 . Zwischen dem Zentrum der Galaxis und LMC<br />
dagegen gilt v = 140 km s −1 .<br />
• ZUSATZ (VORGRIFF: DIE ZENTREN ANDERER GALAXIEN)<br />
Das Standard Modell für einen Quasar ist eine massive Galaxie mit einem Schwarzes Loch im Zentrum. Was ist <strong>die</strong> Evidenz<br />
bisher für ein solches Modell?<br />
Nach der Bestimmung der Entfernung, D, zum Zentrum unserer Galaxis und damit ihrer Masse, M, vergleichen wir<br />
hier noch zum Abschluß <strong>die</strong> Eigenschaften<br />
einiger galaktischer Zentren, im Hinblick auf<br />
mögliche Schwarz-Loch-Kandidaten, und zwar<br />
Schwarz-Loch-Kandidaten im Zentrum einer Galaxie<br />
geordnet nach ihrer Entfernung. Die Bestim- Name alternativ Distanz Masse Radius Dichte<br />
mung von M ist analog, <strong>die</strong> Bestimmung von<br />
Entfernung D und Radius, R, ist wesentlich<br />
schwieriger.<br />
M⊙ pc M⊙ pc<br />
Die ersten beiden Galaxien sind im Virgo<br />
Haufen gelegen und besitzen ebenfalls H2O<br />
- Maser. Die Ra<strong>die</strong>n wurden mit VLBI bestimmt.<br />
Wie ersichtlich, sind sowohl Entfernung<br />
und Radius als auch Masse und Entfernung<br />
korreliert, was aber unverständlich ist.<br />
−3<br />
M87 NGC 4258 20 Mpc 5 · 109 3 5 · 107 M106 NGC 4258 7 Mpc 3.9 · 107 0.12 4 · 109 Andromeda M31 770 kpc 3 · 107 0.05 5 · 10 10<br />
Milchstraße 8 kpc 2.6 · 106 0.005 5 · 1012 Stern-Dichte: (Masse/Volumen)<br />
Tab. 1.15: gal. Schwarz-Loch-Kandidaten<br />
Vermutlich sind <strong>die</strong> Ra<strong>die</strong>n und Massen nur<br />
eine obere Grenze.<br />
Besonders deutlich wird <strong>die</strong>s bei der abgeleiteten Größe der der Stern-Dichte, ρ = Masse/Volumen.<br />
Da <strong>die</strong> Bestimmung der Masse, M, von galaktischen Schwarz-Loch-Kandidaten <strong>die</strong> Kenntnis ihrer<br />
Entfernung D voraussetzt, (Bestimmung von R nach Kepler III)<br />
und<br />
R = GM<br />
v 2<br />
tan Θ = R<br />
D<br />
wird sich hier im Laufe der weiteren Entwicklung (der Interferometrie) noch einiges ändern. Wir halten<br />
uns an <strong>die</strong> Empfehlung der IAU (oder nehmen für <strong>die</strong> Entfernung zum Zentrum der Galaxis D den<br />
Mittelwert der Tabelle) und verwenden im folgenden
42 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />
Entfernung zum Zentrum der Galaxis D = 8 kpc.<br />
Umlaufgeschwindigkeit der Sonne Θ = 220 km s −1 .<br />
Dauer eines Umlaufs T = 225 Myr.<br />
Eingeschlossene Masse M = 1 · 10 11 M⊙.<br />
als geeignete Mittelwerte (sehr unterschiedlicher Bestimmungen).<br />
Fenster aus der Galaxis<br />
Die Verteilung der ISM in der Galaxis ist stark inhomogen. Je nach Frequenz (Radio, optisch, Röntgen)<br />
gibt es Löcher, durch <strong>die</strong> man weitgehend ungehindert aus der Galaxis herausschauen kann. Im verallgemeinerten<br />
Sinne wollen wir darunter auch <strong>die</strong>jenigen Felder am Himmel verstehen, wo ’nichts<br />
zu sehen’ ist. Mittlerweile berühmte Beispiele sind <strong>die</strong> beiden Hubble Felder: das Hubble Deep Field<br />
(North) und und das Hubble Deep Field (South).<br />
• BEISPIEL (BAADES FENSTER)<br />
Da <strong>die</strong> Wolken stark geklumpt sind, gibt es auch bei niedrigen Breiten b Löcher, durch <strong>die</strong> man durch <strong>die</strong> Galaxis hindurchsehen<br />
kann (mit einer Extinktion AV < 2). Das zentrumnächste Fenster (Baades Fenster) liegt bei l = 0 ◦ .9 und b = −3 ◦ .9,<br />
der Sehstrahl passiert das Zentrum der Galaxis im Abstand von 700 pc. Die Flächengröße beträgt ein Viertel Quadratgrad,<br />
etwa 100 mal 100 Parsec in Zentrumsnähe. Im Sehstrahl liegen der Kugelsternhaufen NGC 6522 (Entfernung 6.5 kpc) und<br />
insgesamt etwa 120 RR Lyrae Sterne (<strong>die</strong> meisten in der Nähe des Zentrums).<br />
Für <strong>die</strong> Anzahldichte der RR Lyrae Sterne folgt daraus zu n = 120(100) −3 = 10 −4 pc −3 . Am Ort der Sonne folgt daraus<br />
mit n ∝ D −3 etwa n < 10 −7 pc −3 . Der Literaturwert beträgt n = 10 −8 pc −3 .<br />
Die Anzahl der RR Lyrae Sterne in der Milchstraße ist dann<br />
N = 4π10 −8 (10 4 ) 3 ln(10 3 ) = 10 6<br />
Frühere Schätzungen, <strong>die</strong> den Anstieg zum Zentrum unberücksichtigt ließen, ergaben nur 10 5 . Dies sind alles Feldsterne,<br />
weniger als 1% befindet sich in Kugelsternhaufen. Mit einer Lebensdauer von 10 7 yr müßen insgesant 1000mal soviel<br />
Sterne durch <strong>die</strong>se Phase gegangen sein: also insgesamt 10 9 Sterne.<br />
• BEISPIEL (LOCKMANS LOCH)<br />
Das absolute Minimum der interstellaren Säulendichte und damit der Absorption im Röntgenbereich liegt in Richtung<br />
Grosser Wagen. Lockmans Loch ( l = 149 ◦ b = 53 ◦ ) ist wichtig für <strong>die</strong> Röntgenbeobachtung der Hintergrundstrahlung.<br />
Die Säulendichte beträgt hier N (H) = 0.6 · 10 20 cm −2 , sie ist damit um 1 dex niedriger als im Mittel in der Milchstraße.<br />
Am Nord-Ekliptikalen Pol beträgt sie z. B. N (H) = 4 · 10 20 cm −2 und bis zum Galaktischen Zentrum N (H) = 2 · 10 21<br />
cm −2 .<br />
Damit ist Lockmans Loch am besten geeignet für Langzeitmessungen am Röntgenhintergrund. Eine solche Messung mit<br />
ROSAT von 150 ks hat etwa 1200 Quellen in 10 Quadratgrat gefunden. Mehr als 90 % der Quellen sind extragalaktisch (was<br />
allerdings nur durch Folgeuntersuchungen im Radio und optischen Bereich gefunden werden kann). Über <strong>die</strong> Verteilung<br />
logN (Anzahl) logS (Leuchtkraft) kann man nach Abzug der identifizierten Quellen eine Aussage über eine mögliche<br />
kosmologische Restkomponente erhalten.<br />
Mit seiner Messung am Lockman Loch konnte ROSAT (für <strong>die</strong>se Richtung jedenfalls) den Anteil einer mögliche kosmologischen<br />
Komponente an der diffusen Hintergrundstrahlung auf maximal 25% beschränken (Aschenbach, 1992).<br />
• BEISPIEL (PLAUTS FENSTER)<br />
Plauts Fenster bei (l = 0 ◦ b = −8 ◦ ) markiert den Übergang zwischen Bulge und Kern der Milchstraße und verläuft<br />
etwa 1 kpc unterhalb der galaktischen Ebene. Falls es gelingt, für <strong>die</strong> Sterne in <strong>die</strong>ser Zwischenschicht <strong>die</strong> Hauptreihe zu<br />
bestimmen, dann kann man Aussagen über das Alter und über <strong>die</strong> Bildung des Kerns gewinnen.<br />
• BEISPIEL (DAS HUBBLE DEEP FIELD (NORTH))<br />
Das Hubble Deep Field (North) bei (l = 125.9 ◦ b = 54.8 ◦ ) wurde während 10 Tage Dauerbelichtung vom HST aufgenommen.<br />
Die Grenzleuchtkraft betrug im optimalen Fall 30 Magnituden.<br />
• BEISPIEL (DAS HUBBLE DEEP FIELD (SOUTH))<br />
Das Hubble Deep Field (South) enthält mehr Quellen als das nördliche Pendant.
1.2. LÄNGEN: RADIEN UND ENTFERNUNGEN 43<br />
Sternassoziationen (OB Assoziationen)<br />
Die OB Assoziationen (entdeckt 1947 von Ambartsumian) sind Gruppierungen von sehr jungen, leuchtstarken<br />
O und B Sternen mit ausgeprägter Konzentration in der galaktischen Scheibe, s. Tabelle (1.9),<br />
und dort wieder in den Spiralarmen. Im Gegensatz zu den Sternhaufen handelt es sich bei den Assoziationen<br />
nicht um eine Verdichtung an Sternen, sondern um eine sphärische Ansammlung seltener<br />
(massiver, leuchtstarker) Sterne. Beispiele sind:<br />
1. Orion Ori OB1 (Entf. D = 500 pc, 1000 Sterne)<br />
2. Perseus (α Persei = Per OB2)<br />
3. Sco-Cen (Sco OB2 ist mit D = 160 pc <strong>die</strong> nächste Assoziation)<br />
Sie fliegen mit etwa 10 bis 15 km/sec auseinander, sie sind sehr jung (Entwicklungsalter < 10 Myr) und<br />
meist noch mit der Molekülwolke assoziiert (dynamisches Alter), in der sie entstanden sind. Spektroskopisch<br />
und dynamisch kann man obere Altersgrenzen angeben, <strong>die</strong> einige Myr nicht überschreiten.<br />
Besonders interessant sind hier <strong>die</strong> Schnellläufer. Da bei ihnen Richtung und Geschwindigkeit messbar<br />
sind, können sie zur Ursprungswolke zurück extrapoliert werden. (Beispiel Orion: AE Aurigae und µ<br />
Columbae). Man kennt etwa 10 2 Assoziationen mit 10 bis 10 3 Mitgliedern. Auf ihre Bedeutung für <strong>die</strong><br />
Kosmogonie hat erstmals Ambartsumian (1947) hingewiesen. Sie sind bisher der direkteste Nachweis<br />
dafür, daß auch heute noch Sterne geboren werden.<br />
RR Lyrae Sterne<br />
RR Lyrae Sterne sind wichtige Eichkerzen (konstanter Leuchtkraft, SpTyp A2 bis F2, im Mittel MV =<br />
0.6) zur Entfernungsbestimmung und zur Altersbestimmung. Sie gehören zur Population II (Halo mit<br />
Konzentration zum galaktischen Zentrum) und kommen sowohl als Feldsterne als auch in Kugelsternhaufen<br />
vor. Es handelt sich um massearme Sterne, 0.6M⊙ < Masse < 0.9M⊙, <strong>die</strong> sich vom Hauptast<br />
des Hertzsprung-Russel-Diagramms fortentwickelt haben (bis zum Horizontalast, wo sie im Zentrum<br />
He zu C verbrennen) und mit Perioden zwischen 0.05 und 1.1 Tage (1.5 bis 25 h) pulsieren.<br />
Da ein Stern mit weniger als einer Sonnenmasse mehr als 10 Gyr Jahre (also länger als das Universum<br />
alt ist) auf der Hauptreihe verbringt, ergibt sich ein Problem, das noch bei vielen anderen Sternen<br />
auftritt: der Stern muß beträchtlich Masse verloren haben, um heute in einem derart fortgeschrittenen<br />
Stadium angekommen zu sein. Wie er dort hingekommen ist (oder ob er schon einmal in <strong>die</strong>ser Phase<br />
war) ist ihm aber nicht anzusehen. Starker Masseverlust wird bisher nur bei Sternen beobachtet, <strong>die</strong> <strong>die</strong><br />
Hauptreihe bereits verlassen haben (Riesen und Überriesen). Diese Entwicklung ist aber sehr schnell<br />
im Vergleich zur Verweildauer bein H Brennen. Somit kann über <strong>die</strong> Vorläufer (Progenitoren) nichts<br />
gesagt werden: man schätzt für Feldsterne (aufgrund ihrer Häufigkeit) 1.5M⊙ < Masse < 2M⊙. Für<br />
Sterne in Kugelsternhaufen kann der Weg direkt aus dem Hertzsprung-Russel-Diagramm abgelesen<br />
werden. Sie verbrennen He im Innern, müßen also genügend He angesammelt haben zum Zünden<br />
(etwa 0.5M⊙) und den He Zündvorgang (He Flash) überlebt haben ohne zerrissen zu werden.<br />
Beim Zünden gilt (nach Rechnungen von Iben und Renzini) für <strong>die</strong> minimale Masse an Helium<br />
Mcore = 0.476 − 0.221(Y − 0.3) − 0.009(3 + log Z) − 0.023(M − 0.8) (1.52)<br />
Die Massen sind hier in Einheiten von M⊙ zu nehmen, Y ist der Massenanteil an Helium und Z der an<br />
Metallen. Ein typischer Wert für RR Lyrae Sterne ist Mcore = 0.5. Das liefert <strong>die</strong> untere Massengrenze.<br />
Die Dauer auf dem Horizontalast (horizontal branch, index HB) kann wie folgt abgeschätzt werden<br />
log(tHB/yr) = 7.74 − 2.2(Mcore − 0.5) (1.53)
44 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />
Die Pulsation wird, wie bei Cepheiden, durch den Eddingtonschen Kappa Mechanismus ermöglicht.<br />
Empirisch gilt für <strong>die</strong> Periode (<strong>die</strong> Näherungsformel, <strong>die</strong> van Albada und Baker 1973 bestimmten)<br />
log(Π/d) = 0.84(log(L/L⊙) − 0.68(log(M/M⊙) − 3.48(log(Teff) (1.54)<br />
Etwa 1200 RR Lyrae Sterne sind in Kugelsternhaufen bekannt, es gibt jedoch auch isolierte Feldsterne<br />
(mehr als 3200). Diese sind stark zum galaktischen Zentrum hin konzentriert. RR Lyrae Sterne entwickeln<br />
sich im H-R-Diagramm von rechts nach links aufgrund von starkem Massenverlust, der bis<br />
zu ˙ M = 10 −4 M⊙ yr −1 erreichen kann. Ein massearmer Weißer Zwerg ist <strong>die</strong> Endstation der immer<br />
schneller verlaufenden Entwicklung.<br />
Als theoretische Näherungsformel für Sternpulsationen von RR Lyrae Sternen gilt allgemein (nach<br />
Rechnungen von Iben) für <strong>die</strong> Fundamentalmode<br />
log(Π/d) = −0.34 + 0.825(log(L/L⊙) − 1.7) (1.55)<br />
−3.34(log(Teff) − 3.85) (1.56)<br />
−0.63(log(M/M⊙) + 0.19) (1.57)<br />
Dabei ist Π <strong>die</strong> Periode in Tagen. Daraus kann anhand der Beobachtungsdaten <strong>die</strong> untere und <strong>die</strong> obere<br />
Grenzmasse (aller RR Lyrae Sterne) bestimmt werden.<br />
Die physikalischen Parameter eines typischen RR Lyrae Sterns sind in der folgenden Tabelle zusammengestellt.<br />
RR Lyrae Sterne sind wegen ihrer konstanten Leuchtkraft ideale<br />
Standardkerzen in der Galaxis, leider aber auch praktisch nur<br />
dort. Die hellsten erreichen scheinbare bolometrische Helligkeiten<br />
von mV = 7m , sind also gerade nicht mehr mit naktem<br />
Auge sichtbar. Der Namensgeber RR Lyrae variiert zwischen<br />
mV = 7m .1und8m RR Lyrae Sterne: Daten<br />
Periode P 12 h<br />
.0.<br />
RR Lyrae Sterne wurden zuerst von S. Bailey (1895) in Kugelsternhaufen<br />
entdeckt und sie wurden anschließend von Shapley<br />
Masse M<br />
Radius R<br />
Temperatur Teff<br />
Puls-Amplitude<br />
Leucht-Amplitude<br />
0.6M⊙<br />
4M⊙<br />
log(Teff ) = 3.85<br />
∆R/R = 0.1<br />
∆L/L = 1.<br />
(1918) benutzt, um <strong>die</strong> Entfernungen der Kugelsternhaufen zu<br />
bestimmen (nach Eichung mit Hilfe der Cepheiden).<br />
Tab. 1.16: RR Lyrae Daten<br />
Es gilt (heutiger Wert) für <strong>die</strong> absolute Leuchtkraft MB im blauen bzw. <strong>die</strong> gesamte Leuchtkraft L<br />
MB = 0.8 ± 0.15 d. h. L = 100L⊙ (1.58)<br />
Mit RR Lyrae Sternen war es erstmals möglich, eine realistische Vorstellung über den Aufbau unserer<br />
Milchstraße zu gewinnen. Absorption kannte man allerdings damals<br />
noch nicht. Aus der Definition des Entfernungsmoduls,<br />
∆m = m − M = 5 log (D/10pc),<br />
entnehmen wir, wann <strong>die</strong> Grenzempfindlichkeit für <strong>die</strong> in der Tabelle<br />
gegeben Beispiele erreicht wird. IC 5152 ist <strong>die</strong> bisher am weitesten<br />
entfernte Zwerggalaxie der Lokalen Gruppe.<br />
Unter der Annahme MV = 0m und mV = 22m (für ein gutes Teleskop)<br />
kommt man 250 kpc weit, und das reicht für <strong>die</strong> beiden Maghellanschen<br />
Wolken (<strong>die</strong> Große Maghellansche Wolke mit m − M = 18. m5 und <strong>die</strong><br />
Kleine Maghellansche Wolke mit m − M = 18. m9), <strong>die</strong> Andromeda<br />
Galaxie (M31) ist allerdings 770 kpc entfernt (m − M = 24. m43). Nur<br />
<strong>die</strong> hellsten Sterne können hier noch aufgelöst werden.<br />
Einige wenige RR Lyrae Sterne sind tatsächlich in den Maghellanschen<br />
Wolken gefunden worden (Relativgeschwindigkeit v = 275 km s−1 Entfernungsmodul<br />
zu Nachbargalaxien<br />
Name m − M Dist<br />
mag<br />
GC 14.52 8 kpc<br />
15 10 kpc<br />
LMC 18.45 50 kpc<br />
20 100 kpc<br />
M31 24.43 770 kpc<br />
25 1 Mpc<br />
IC 5152 26.01 1.6 Mpc<br />
),<br />
und zwar 10 in LMC und 3 in SMC. Die Übereinstimmung mit anderen<br />
Methoden der Entfernungsbestimmung ist für RR Lyrae Sterne nicht gut.<br />
Tab. 1.17: Entfernungsmodul
1.2. LÄNGEN: RADIEN UND ENTFERNUNGEN 45<br />
Cepheiden<br />
Cepheiden sind periodisch Veränderliche (SpTyp F6 bis K2, Periode 1 bis 50 d) mit besonders grosser<br />
Leuchtkraft (von MV = −6 bis etwa 0). Etwa ein Dutzend sind in unserer Galaxis mit blossem<br />
Auge sichtbar. Sie wurden in der SMC (Kleine Maghellansche Wolke) von Miss Henrietta Leavitt als<br />
mögliche Standardkerzen (1912) entdeckt. Sie fand eine Korrelation zwischen scheinbarer Helligkeit,<br />
m und Periode, P : je größer <strong>die</strong> Periode, um so größer <strong>die</strong> Leuchtkraft. Auch hier war <strong>die</strong> entscheidende<br />
Entdeckung nur möglich, weil Sterne einheitlicher Entfernung gefunden werden konnten. Wichtig<br />
war hier noch das Fehlen von Staub (Absorption, wie in LMC).<br />
Leider gibt es zwei Klassen von Cepheiden (was man bei ihrer Entdeckung nicht wusste, sondern von<br />
W. Baade erst 1952 endgültig herausgefunden wurde): Population I und Population II. Sie unterscheiden<br />
sich in der Leuchtkraft um einen Faktor 4 (und in der Konstanz der Periode). Die zwei Typen von<br />
Cepheiden sind<br />
1. <strong>die</strong> δ-Cephei Sterne (jung) und<br />
2. W-Virginis Sterne (alt).<br />
In der Milchstraße sind <strong>die</strong> δ-Cephei Sterne auf <strong>die</strong> galaktische Ebene (und dort auf <strong>die</strong> Spiralarme)<br />
konzentriert, Skalenhöhe etwa |z| = 100 Parsec. Die W-Virginis Sterne haben eine Verteilung (Halo<br />
Sterne) wie <strong>die</strong> Kugelsternhaufen, in denen sie auch vorkommen.<br />
Sie liefern eine von Absorption unverfälschte Leuchtkraftbestimmung durch ihre Periode - Leuchtkraft<br />
Beziehung. Misst man bei verschiedenen Frequenzen, so kann man <strong>die</strong> Absorption herauskorrigieren.<br />
Man unterscheidet Cepheiden der Population I (junge Sterne mit extremer Konstanz der Periode, konzentriert<br />
in der galaktischen Ebene) und solche der Population II (alte Sterne in Kugelsternhaufen,<br />
welche ursprünglich zur Anschlusseichung benutzt wurden) an der Form der Lichtkurve.<br />
Es gilt empirisch MV = −1.67 − 2.54 log(P/day) oder, grob genähert, für <strong>die</strong> bolometrische Helligkeit<br />
LI = 500L⊙(P/day) (1.59)<br />
Genauer gilt (für <strong>die</strong> visuelle Helligkeit)<br />
MV = −2.47 − 3.53 log (P/day) + 2.647(B − V ) (1.60)<br />
und ebenfalls grob genähert für <strong>die</strong> bolometrische Helligkeit der Cepheiden der Population II, <strong>die</strong> W-<br />
Virginis Sterne<br />
LII = 125L⊙(P/day) (1.61)<br />
Cepheiden werden heute geeicht anhand der offenen Sternhaufen, (s. (1.9)), welche selbst wieder durch<br />
’main sequence fitting’ an <strong>die</strong> Hyaden angeschlossen werden.<br />
Die Bestimmung an 220 Cepheiden mit Hipparcos lieferte (Feast und Catchpole, 1997)<br />
MV = −1.43 − 2.81 log(P/day) (1.62)<br />
Empirisch weichen einzelne Objekte um ± 1/2 Magnitude vom Mittelwert ab, man muß also viele<br />
Objekte messen, um verläßliche Werte zu erhalten.<br />
Beispiele klassischer Cepheiden sind RS Puppis (mit P = 41 d , 38 in Pup OB III) und Namensgeber δ<br />
Cephei (mit mV = 3 m .6 . . . 4 m .4 und einer Periode von 5.37 Tagen).<br />
Die Zahlen für <strong>die</strong> Maghellanschen Wolken sind: Beide enthalten jeweils mehre Tausend Objekte. Im<br />
Falle von LMC wurden zur Eichung Cepheiden in offenen Sternhaufen ausgesucht, 14 in NGC 2031,<br />
9 in NGC 1866 und 3 in NGC 2157.
46 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />
• ANMERKUNG (RADIENBESTIMMUNG)<br />
Rechnet man <strong>die</strong> Helligkeitsschwankungen um in Temperatur- und Radiusschwankungen, dann kann man den Radius direkt<br />
bestimmen. Aus<br />
L = 4πR 2 σT 4<br />
folgt für adiabatische Änderungen (P = nkT und P ∝ n 5/3 ) zunächst T ∝ n 2/3 ∝ R 2 und daraus L ∝ R 10 . Genauer<br />
kann man aus<br />
m1 − m2 = −2.5 log(R 2 1Φ1/R 2 2Φ2)<br />
mithilfe der Wienschen Näherung der Planck Formel<br />
Φ ∝ exp(−hν/kT )<br />
differentiell, d. h. für gegebene Frequenz ν, für <strong>die</strong> beiden Zustände 1 und 2<br />
m1 − m2 = 1.086 hν<br />
�<br />
1<br />
−<br />
k T1<br />
1<br />
�<br />
− 5 log(R1/R2)<br />
T2<br />
erhalten. Daraus kann der Radius bestimmt werden.<br />
Für δ Cephei ergibt sich R = R⊙ und eine Amplitudenschwankung des Radius von<br />
R − Rmin<br />
∆ = = 0.1.<br />
Rmax<br />
Dies gilt allgemein für Cepheiden der Population I. Bei anderen Variablen können <strong>die</strong> relativen Amplitudenschwankung<br />
aber wesentlich größer sein. Für W Virginis z. B. ist ∆ = 0.5 beobachtet.<br />
In unserer Galaxis gilt für <strong>die</strong> hellsten Vertreter Pmax = 45 d (für SV Vul in Vul OB1), während in<br />
der Galaxie M31 (Andromeda) Pmax = 150 d gilt. Beispiele von Typ II Cepheiden (auch W Virginis<br />
Veränderliche genannt) sind neben W Virginis noch RV Tauri und Mira Ceti (welche bei genauerer<br />
Klassifizierung wieder Unterklassen darstellen).<br />
Mira Sterne<br />
Eine Besonderheit weisen <strong>die</strong> langperiodischen Mira Sterne auf. Ihre absolute Helligkeit ist nahezu<br />
konstant. Mira z. B. hat Mbol ≈ −5, das entspricht L = 7.7 · 10 3 L⊙, ihre visuelle Helligkeit, d. h. ihr<br />
optisches Erscheinungsbild, schwankt dagegen stark, mit einer typischen Amplitude von ∆mV = 3 m .<br />
Mira Ceti (Omicron Ceti = o Cet) selbst variiert sogar um ∆mV = 7 m , d. h. Mira ist ein Stern der<br />
periodisch (alle 11 Monate) am Himmel erscheint (mit mV = 3 ist er mit blossem Auge gut sichtbar),<br />
um dann wieder zu verschwinden (mit mV = 10 ist er selbst mit Feldstecher unsichtbar). Das war im<br />
Altertum ein unverständliches Phänomen, deshalb der Name Mira = der Wunderbare.<br />
Die genaue Klassifizierung von Mira ist M6e III, ein roter Riesenstern mit extremen Daten. Seine<br />
Strahlung hat ihr Maximum im Infraroten bei 1µ, mit Schwankungen zwischen 0.69 µ (T = 2000 K)<br />
und 1.44 µ (T = 3000 K). Da das Maximum im Infraroten liegt, bekommt das Auge wenig von den<br />
eigentlichen Schwankungen mit, es sieht den Wienschen Ast.<br />
Dementsprechen groß ist der Radius. Er kann (als einer der ganz wenigen Sternra<strong>die</strong>n) interferometrisch<br />
bestimmt werden: R = 390R⊙ (also 2AE!).<br />
Die Oberflächentemperatur von o Cet schwankt maximal zwischen 2100 und 2700 K. Es handelt sich<br />
um einen Doppelstern, dadurch kann sogar seine Masse bestimmt werden: M = 1 · R⊙. Die Oszillationen<br />
sind nicht streng periodisch, was sich damit erklären läßt, daß Mira Sterne konvektiv sind.<br />
Es gibt etwa so viele Mira Sterne wie RR Lyrae Sterne. Der SpTyp reicht von M0e bis M10e. Dazu<br />
kommen <strong>die</strong> Typen N, R, S. Das kleine e bedeutet, daß Mira Sterne Emissionslinien (z. B. von dem<br />
Molekül TiO) zeigen, einige haben zirkumstellare Hüllen. Die Verteilung ist jedoch anders. Mira Sterne<br />
befinden sich auf dem Weg, ein Weißer Zwerg zu werden.<br />
(1.63)
1.2. LÄNGEN: RADIEN UND ENTFERNUNGEN 47<br />
Die hellsten Sterne<br />
Klassifikation: Variable Sterne<br />
Name Periode Pop SpTyp MV<br />
RR Lyrae 1.5 – 25 h II A2 – F2 0.6<br />
δ Cephei 1 – 50 d I F6 – K2 −6 bis −0.5<br />
W Virginis 2 – 45 d II F2 – G6 −3 bis 0<br />
RV Tauri 205 – 150 d II G – K −3<br />
Mira 100 – 700 d I und II M,N,R,S −3 bis −1<br />
Die Oszillationen sind radial. Miras sind konvektiv.<br />
Für <strong>die</strong> hellsten RR Lyrae Sterne haben wir unter der Annahme MV = 0 m und mV = 22 m als Maximalentfernung<br />
250 kpc bestimmt. Eine Cepheide (vom Typ I) hat für P = 20 Tage etwa MV = −5,<br />
damit kommt man bei gleicher Annahme über <strong>die</strong> Teleskop-Empfindlichkeit mit<br />
D1<br />
D2<br />
= 10 0.2(M2−M1)<br />
(1.64)<br />
einen Faktor 10 weiter, also bis 2.5 Mpc.<br />
Als Maximalhelligkeit (für P = 150 Tage) gilt etwa MV = −7 und damit Dmax = 4 Mpc.<br />
Kosmologisch interessante Entfernungen liegen jedoch jenseits von 100 Mpc. Cepheiden reichen demnach<br />
nicht aus, um den entscheidenden Schritt zur kosmologischen Entfernungsbestimmung zu vollziehen.<br />
Hubble benutzte deshalb <strong>die</strong> hellsten Sterne einer ganzen Galaxie (einige waren allerdings H<br />
II Regionen bzw. unaufgelöste Sternhaufen). Er fand MV = −6 m , 1, was etwa L = 10 4 L⊙ entspricht.<br />
Heute gilt dagegen MV = −8 m , 5 und für<br />
blaue Überriesen MV = −9 m , 3 ± 0.1 (1.65)<br />
In unserer Galaxie gehören zu den hellsten Sternen:<br />
1. HD 97950, ein Stern mit MV = −7 m , 9; vom SpTyp O3, Masse ≈ 80M⊙ in NGC 3603.<br />
2. Eta Carinae, ein Stern vom SpTyp O3, Masse ≈ 100M⊙.<br />
3. ζ Pup und χ Vel ein Doppelsternsystem mit MV = −7 m , 3; SpTyp O5.<br />
Zu unserer nächsten Nachbarschaft gehört <strong>die</strong> Große Maghellansche Wolke. Die hellsten Sternen dort<br />
sind:<br />
1. Mk42, ein Stern mit SpTyp O3, Masse ≈ 110M⊙, T = 42000 K, L = 2.3 · 10 6 L⊙ (MV =<br />
−7 m , 1).<br />
2. R136a1, ein Stern mit SpTyp O3, Masse ≈ 100M⊙ im Sternhaufen R136 im Zentrum des 30-<br />
Doradus-Nebels.<br />
3. R127 = HDE 269858, ein variabler Stern mit SpTyp OIafpe und mit bipolarem Ausfluß (im<br />
Zentrum des 30-Doradus-Nebels).<br />
Die Entfernung zu <strong>die</strong>sen Sternen ist damit gut bekannt. Es ist allerdings fraglich, ob <strong>die</strong>se Sterne<br />
wirklich als Eichstandards zu gebrauchen sind. Sie sind nicht mehr im hydrostatischen Gleichgewicht,<br />
sie pulsieren und verlieren Masse mit einer Rate von bis zu ˙ M = 3 · 10 −4 M⊙ yr −1 . Die Massenverlust-<br />
Rate ist hier so groß, daß <strong>die</strong> Entwicklungszeit von 1 Myr für solche Sterne deutlich unterschritten<br />
wird, <strong>die</strong> Leuchtkraft wird damit eine Funktion der Zeit. Der Stern R127 = HDE 269858 war 1989 der<br />
hellste in LMC.<br />
Hier können (langfristig) Typ Ia Supernovae weiterhelfen. Sie haben<br />
Typ Ia Supernovae MV = −19 m ; Dmax = 250 Mpc<br />
damit kann dann <strong>die</strong> Hubble Konstante bestimmt werden.
48 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />
• FORMELN (INDIKATOREN ERSTER ORDNUNG)<br />
Die derzeit wichtigsten Indikatoren erster Ordnung sind in der folgenden Tabelle zusammengestellt.<br />
Die Eichklassen erster Ordnung sind in der Tabelle nach Reichweite geordnet. RR<br />
Lyrae Sterne und Cepheiden vom Typ I sind auch in den Maghellanschen Wolken<br />
vermessen worden. Dort entfällt eine Unsicherheit: Es sind alle Sterne gleich weit<br />
entfernt und es ist sogar möglich, zwischen Feldsternen und Sternen in Kugelsternhaufen<br />
zu unterscheiden. Es zeigt sich, daß <strong>die</strong>se keineswegs gleiche Helligkeit besitzen.<br />
Gleiches gilt für Novae. Insgesamt kennt man (bis 1991) 18 Novae in den<br />
Maghellanschen Wolken, 14 in LMC und 4 in SMC. Ihre Eigenschaften sind vergleichbar<br />
mit denen der Milchstraße. Wichtige Ausnahme ist <strong>die</strong> Nova 1991 in LMC<br />
mit Mv = −9 m im Maximum, eine Magnitude heller als <strong>die</strong> hellsten Novae in der<br />
Milchstraße.<br />
Primäre Eichstandards<br />
Sternklasse Mv Dmax<br />
RR Lyrae 0 m .5 200 kpc<br />
Cepheiden −7 m 4 Mpc<br />
Überriesen −7 m 2 Mpc<br />
Novae −8 m 4 Mpc<br />
Supernovae −19 m 250 Mpc<br />
Tab. 1.18: Eichklassen<br />
Eine interessante Fragestellung, <strong>die</strong> nunmehr mit den zur Verfügung stehenden Beobachtungsinstrumenten geklärt werden<br />
kann, ist <strong>die</strong> Abhängigkeit der Leuchtkraft vom Ort des Eichstandards (chemische Zusammensetzung). Da es sich um <strong>die</strong><br />
jeweils hellsten Objekte einer Klasse handelt, ist hier <strong>die</strong> Malmquist Verfälschung besonders zu berücksichtigen.<br />
Ein gutes Beispiel dafür ist der bereits erwähnte 30-Doradus-Nebel in der Große Maghellansche Wolke. Ursprünglich (Feast<br />
et al. 1960), als <strong>die</strong>ser noch nicht aufgelöst werden konnte, wurde als Modell ein supermassiver Stern von M = 2 · 10 4 M⊙<br />
vorgeschlagen. Um 1990 war der Kern in 111 OBA Sterne aufgelöst, der Kern R139 enthielt aber immer noch etwa <strong>die</strong> gleiche<br />
Masse. Erst mit dem Hubble Space Teleskop konnte R139 aufgelöst werden. Das Ergebnis wird später weiter diskutiert<br />
werden.<br />
Von den Eichklassen erster Ordnung sind <strong>die</strong> wichtigsten, nämlich <strong>die</strong> Supernovae, noch am wenigsten gut verstanden (weil<br />
sie so selten bzw. so weit weg sind).<br />
1.2.4 Daten einiger wichtiger Nachbargalaxien<br />
Mit den primären Eichstandards kommen wir bequem bis M31. Wir geben hier einen kleinen Ausblick, <strong>die</strong> eigentliche Behandlung<br />
der Entfernungsbestimmung in unserer Metagalaxie verschieben wir, bis wir Galaxien bei anderen als optischen<br />
Frequenzen behandelt haben.<br />
Die Andromeda Galaxie (M31, mit ihren beiden Begleitern M32 und M33) bildet zusammen mit der Milchstraße (plus<br />
LMC und SMC) ein Doppelgalaxie System. Solche Systeme sind häufig in Galaxienhaufen. Das Gesamtsystem wird zur<br />
Lokalen Gruppe zusammengefasst. Weitere Gruppen in unserer Nähe (wie M81 mit M82 und NGC 2403 oder <strong>die</strong> Maffei<br />
Gruppe mit NGC 6946) werden wir später kennenlernen.<br />
Wir beschließen <strong>die</strong>sen Überblick mit einer Tabelle von Daten der wichtigsten Nachbargalaxien und Literatur für genauere<br />
Angaben.<br />
Die Koordinaten der folgenden Tabelle enstammen der SIMBAD Datenbank. Die Gesamtmasse der lokalen Gruppe, mit<br />
nunmehr insgesamt 40 Mitgliedern, wird in <strong>die</strong>sem<br />
Modell zu<br />
MLG = 5 · 10 12 M⊙<br />
angenommen. Die Rektaszension α in Spalte 2<br />
und <strong>die</strong> Deklination δ in Spalte 3 beziehen sich<br />
auf das Jahr 2000. Spalte 4 und 5 geben <strong>die</strong> galaktischen<br />
Koordinaten l und b in Grad. Die letzte<br />
Spalte gibt <strong>die</strong> Beträge der Entfernungen Dist<br />
(in Mpc). Sie sind hier auf den Schwerpunkt der<br />
lokalen Gruppe bezogen. Die angegebenen Geschwindigkeiten<br />
V⊙ (in km s −1 ) sind dagegen<br />
bezogen auf den LSR (local standard of rest).<br />
Der Einflussbereich der lokalen Gruppe reicht<br />
bis etwa 1.8 Mpc vom Schwerpunkt, Galaxien,<br />
<strong>die</strong> weiter entfernt sind, gehören zum Virgo Haufen.<br />
Die Masse des Virgo Haufens beträgt in <strong>die</strong>sem<br />
Daten der wichtigsten Nachbargalaxien<br />
Name α δ l b V⊙ Dist<br />
J2000 J2000 deg deg Mpc<br />
MWG 17 h 45 m .7 −29 ◦ 00 0.00 0.00 16 0.440<br />
LMC 05 h 23 m .6 −69 ◦ 45 280.46 −32.89 278 0.469<br />
SMC 00 h 52 m .6 −72 ◦ 48 302.80 −44.30 158 0.468<br />
M31 00 h 42 m .7 41 ◦ 16 121.18 −21.57 −301 0.329<br />
M32 00 h 42 m .7 40 ◦ 52 121.15 −21.98 −200 0.326<br />
M33 01 h 33 m .8 30 ◦ 39 133.61 −31.33 −181 0.436<br />
Geschwindigkeit V⊙ (in km s −1 ) bezogen auf LSR<br />
Dist (in Mpc) bezogen auf Schwerpunkt<br />
Tab. 1.19: Nachbargalaxien<br />
Modell etwa MV irgo = 1 · 10 15 M⊙. Wir kommen auf <strong>die</strong> Bestimmung später zu sprechen.<br />
• LITERATUR (FÜR GENAUERE ANGABEN)<br />
Marcy, G. W. und R. P. Butler, [MB98] Detection of extrasolar Planets.<br />
Woolf, N. und J. R. Angel, [WA98] Astronomical Searches for Earth-like Planets ans Signs of Life.<br />
J. Kovalevski, [Kov98] First Results from Hipparcos.<br />
T.R. Geballe, [Geb85] Das Zentrum der Milchstrasse.
1.2. LÄNGEN: RADIEN UND ENTFERNUNGEN 49<br />
B.J. Bok, [Bok85] Die Milchstrassengalaxie.<br />
B. Westerlund, [Wes97] The Magellanic Clouds.<br />
P.W. Hodge, [Hod85] Die Andromedagalaxie.<br />
M. Rowan-Robinson, [RR85] The cosmological distance ladder.<br />
E. K. Grebel, [Gre97] Star Formation Histories of Local Group Galaxies.<br />
M. Mateo, [Mat98] Dwarf Galaxies of the Local Group.<br />
D. Branch, [Bra98] Type Ia Supernovae and the Hubble constant.
50 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />
1.3 Galaxien bei anderen Frequenzen<br />
1.3.1 Entdeckung neuer Objekte<br />
Jeder neu erschlossene Frequenzbereich und jede wesentliche Verbesserung bei der Untersuchung<br />
(wie spektrale Auflösung, Nachweisempfindlichkeit oder Positionsgenauigkeit) des elektromagnetisch<br />
Spektrums hat einerseits bisherige Vorstellungen in der <strong>Astrophysik</strong> bestätigt und präzisiert, hat aber<br />
darüber hinaus auch zur Entdeckung völlig neuer Objekte geführt, <strong>die</strong> zunächst nicht verstanden wurden.<br />
Darunter sind einige Quellen, <strong>die</strong> im gesamten heute zugänglichen Frequenzbereich, der mittlerweile<br />
von 10 6 Hz bis zu 10 25 Hz reicht, beobachtbar sind und damit für den Beobachter den Status von<br />
Standards erhalten haben (ähnlich wie <strong>die</strong> Sonne). Dazu gehört der Krebsnebel mit seinem Pulsar<br />
(galaktisch, D = 2 kpc ) und der Quasar 3C 273 mit seinem Jet (extragalaktisch, z = 0.158 entspricht<br />
etwa 0.9 Gpc).<br />
Hier ein kurzer Abriss der Entwicklung der Astronomie in Frequenzbereichen außerhalb des optischen.<br />
Viele der entdeckten Quellen sind in kosmologischer Entfernung, d. h. ihre optischen Linien, <strong>die</strong> ein<br />
Beobachter (Index o) misst, sind um<br />
1 + z = λo<br />
λe<br />
= ωe<br />
ωo<br />
(1.66)<br />
gegenüber der des Emitters (Index e) verschoben. Das führt bereits auf das bisher ungelöste Problem<br />
der kosmologischen Entfernungsbestimmung.<br />
Was wir sehen, besser, was wir bisher (in kosmologischer Entfernung) gesehen haben, ist nur <strong>die</strong><br />
Spitze des Eisbergs. Manches werden wir nie sehen können, selbst wenn wir alle möglichen Beiträge<br />
des Sonnensystems berücksichtigen.<br />
Der Grund dafür ist folgender: Als Beobachter sitzen wir am Innenrand eines hellen Spiralarms. Das<br />
ist so, als wenn wir aus einem erleuchteten Zimmer heraus den Sternhimmel betrachteten. Quantitativ<br />
gibt es dafür eine universelle Flussgrenze,<br />
flim = 10 −12 erg s −1<br />
was 1 Jy im Radio (100 GHz) entspricht. Von Quellen, deren Fluß wesentlich kleiner ist als flim, muß<br />
man <strong>die</strong> Position genau kennen und lange messen.<br />
Zusätzlich zu <strong>die</strong>sem Hintergrundrauschen kommt im Bereich von 0.1 eV bis 10 keV <strong>die</strong> Absorption<br />
des H Atoms. Für ein Gas kosmischer Häufigkeiten und einer Dichte von 1 <strong>Teil</strong>chen pro cm 3 fällt<br />
<strong>die</strong> Absorptionslänge von 10 24 cm (300 kpc) auf 10 22 cm (3 kpc) kurz vor 10 eV (Lyα) um dann auf<br />
10 17 cm (0.03 pc) zu springen. Im UV kann man also nicht einmal <strong>die</strong> nächste Umgebung der Sonne<br />
betrachten. Bis 10 keV wächst <strong>die</strong> Absorptionslänge wieder auf 10 24 cm.<br />
1.3.2 Probleme der Bestimmung grosser Entfernungen<br />
Definitionen und Formeln<br />
Zum Nachschlagen vorweg einige Definitionen und Formeln, mit denen wir uns dabei behelfen müßen<br />
und <strong>die</strong> hier nur zur Illustration benutzt werden. Sie werden später hergeleitet, wobei <strong>die</strong> hier angegebenen<br />
Beispiele untersucht werden.<br />
• FORMELN (PARAMETER DER HUBBLE EXPANSION)<br />
Mit den Bezeichnungen H = Ho für <strong>die</strong> Hubble Konstante (der Index o erinnert an Observer und den heutigen Zeitpunkt)<br />
und c für <strong>die</strong> Lichtgeschwindigkeit gilt, für nicht zu grosse Rotverschiebungen, das lineare Hubble Gesetz<br />
z = H<br />
r (1.67)<br />
c
1.3. GALAXIEN BEI ANDEREN FREQUENZEN 51<br />
für ein Objekt in der Entfernung r vom Ursprung, wo der Beobachter sitzt. In Zukunft wollen wir r = D für <strong>die</strong> Entfernung<br />
setzen. Hat man erst einmal H bestimmt, dann kann man <strong>die</strong> Gleichung umkehren und<br />
D = c<br />
Ho<br />
z = 6 1<br />
z Gpc (1.68)<br />
2h<br />
zur Entfernungsbestimmung benutzen. Die Größe h ≈ 0.5 ist <strong>die</strong> natürliche, dimensionslose Entfernungs - Masseinheit<br />
(Hubble Parameter) für Kosmologen und wird später erklärt. Es gilt dann<br />
Hubble Konstante, H<br />
Als Einheiten wählt man gewöhnlich für <strong>die</strong> Geschwindigkeit v 100 km s −1 und für <strong>die</strong> Entfernung l das Mpc,<br />
sodaß H = v/l <strong>die</strong> Einheit<br />
H100 ≡ 100 km s −1 Mpc −1 (1.69)<br />
hat. Es ist dann üblich<br />
H = h H100 oder H = 1<br />
(2h) H100<br />
(1.70)<br />
2<br />
zu definieren, sodaß h eine dimensionslose Einheit für H ist (und wobei <strong>die</strong> zweite Version berücksichtigt, daß<br />
2h ≈ 1 ist).<br />
In Zahlen:<br />
1<br />
H = 19.56(2h)−1 Gyr = 6 · 10 17 (2h) −1<br />
und (wenn wir c = 3 · 10 5 km s −1 setzen)<br />
Dichteparameter Ω<br />
c<br />
H = 6(2h)−1 Gpc = 1.85 · 10 28 (2h) −1<br />
Ω = κρa2<br />
3˙a 2<br />
Dezelerationsparameter q:<br />
q = − äa<br />
˙a 2<br />
Für Λ = 0 (keine kosmologische Konstante) gilt für den Dichteparameter Ω<br />
Ω = ρ<br />
ρc<br />
= κρc2<br />
3H 2<br />
und den Dezelerationsparameter q <strong>die</strong> einfache Relation Ω = 2q.<br />
s (1.71)<br />
cm (1.72)<br />
Die Größe a ist ein nicht meßbarer Skalenfaktor (’Radius des Universums’), der durch beobachtbare Größen ersetzt<br />
werden muß. Er hängt wie folgt<br />
1 + z = ao<br />
=<br />
ae<br />
� �2/3 to<br />
te<br />
mit dem Alter des Universums zum jeweiligen Zeitpunkt zusammen.<br />
Die Größe 1<br />
H = 20 (2h)−1 Gyr ist <strong>die</strong> obere Grenze für das Alter des Universums.<br />
• FORMELN (ENERGIE, LEUCHTKRAFT UND FLUSS I)<br />
Mit <strong>die</strong>sen Definitionen gilt für den Zusammenhang zwischen beobachtetem Fluß fo einer Quelle und ihrer Leuchtkraft Le<br />
zum Zeitpunkt der Emission<br />
Le = 4πr 2 A(1 + z) 2 fo<br />
Die Größe rA ist ebenfalls ein nicht meßbarer Skalenfaktor, der durch beobachtbare Größen ersetzt werden muß. Wie wir<br />
zeigen werden, kann hier<br />
(1.73)<br />
(1.74)<br />
(1.75)<br />
(1.76)<br />
Dl = rA(1 + z) (1.77)
52 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />
als Leuchtdistanz interpretiert werden. Die Formel lautet dann<br />
Le = 4πD 2 l fo<br />
Im folgenden werden wir zeigen, wie rA aus der Rotverschiebung z und der Hubble Konstanten, H, in den einfachen Fällen<br />
bestimmt werden kann, wo das kosmologische Modell mit dem Dezelerationsparameter q bestimmt ist.<br />
Die Größe � fodto wird als fluence bezeichnet und spielt bei den Gamma Bursts eine wichtige Rolle. Wir bezeichnen sie<br />
mit<br />
�<br />
E = fodto<br />
Mit der wichtigen Rotverschiebungs Relation für <strong>die</strong> Eigenzeit dt und Frequenz ν<br />
dte(1 + z) = dto bzw. νe = (1 + z)νo<br />
kann aus ihr auf <strong>die</strong> Gesamtenergie Ee geschlossen werden<br />
Ee = 4πD 2 �<br />
1<br />
l fodto<br />
1 + z<br />
Für <strong>die</strong> besonders einfachen Fälle, q = 0, (Milne-Schücking)<br />
rA = c<br />
�<br />
1<br />
1 −<br />
2H (1 + z) 2<br />
�<br />
und q = 1/2, (EdS)<br />
rA = 2c<br />
H<br />
�<br />
1 −<br />
�<br />
1<br />
√<br />
1 + z<br />
kann rA geschlossen analytisch angegeben werden. In beiden Fällen gilt für kleine z <strong>die</strong> Näherung<br />
(1.78)<br />
(1.79)<br />
(1.80)<br />
(1.81)<br />
rA = c<br />
z (1.82)<br />
H<br />
<strong>die</strong> wir meistens benutzen werden. Die allgemeine Form ist auch noch für Λ = 0 und p = 0 möglich, (Mattig, 1958)<br />
rA = H −1 q −2 (1 + z) −2 {zq + (1 − q)[(1 + 2qz) 1/2 − 1]} (1.83)<br />
Für den Entfernungsmodul m(z) − M ergibt sich allgemein<br />
m − M = 5 log10Dl(z) − 5 (1.84)<br />
und daraus in zweiter Näherung<br />
z<br />
m − M = 42.38 + 5 log10<br />
h + 1.086(1 − q0)z + . . . (1.85)<br />
wobei 1.086 = 2.5<br />
ln10 ist.<br />
Beispiel<br />
Moderne Werte für MB sind: MB − 5log(2h) = −19.78, −17.18 und −16.19 für Supernovae vom Typ Ia, Ib und Ic.<br />
Mit m = 25 und z = 1 ergibt sich, falls wir MB = −19.78 und 2h = 1 akzeptieren: 44.78 = 43.89 + 1.086(1 − qo) und<br />
damit etwa qo = 0.1.<br />
• FORMELN (ENERGIE, LEUCHTKRAFT UND FLUSS II)<br />
Die Energiedichte der Strahlung, u, ändert sich wie folgt: <strong>die</strong> Anzahl der Photonen ist erhalten na 3 = const, jedes Photon<br />
wird rotverschoben, insgesamt also<br />
uo = ue<br />
� �4 ae<br />
ao<br />
=<br />
ue<br />
(1 + z) 4<br />
Gleiches gilt damit für <strong>die</strong> Strahlungsintensität der Quelle<br />
Io = Fo<br />
Ω<br />
= c<br />
4π uo<br />
(1.86)<br />
(1.87)
1.3. GALAXIEN BEI ANDEREN FREQUENZEN 53<br />
Die jeweilige Spektral-Komponente hat einen Faktor (1 + z) mehr, da durch <strong>die</strong> Frequenz zu teilen ist.<br />
Io,ν = Ie,ν<br />
(1 + z) 3<br />
Für <strong>die</strong> Fläche folgt<br />
A = a 2 eσ 2 (u)Ω = a2 oσ 2 (u)Ω<br />
(1 + z) 2<br />
und mit Io = Fo/Ω gilt<br />
und<br />
fo =<br />
fo,ν =<br />
Le<br />
4πD2 Le<br />
=<br />
(1 + z) 2 4πD2 l<br />
(1 + z)Le,ν<br />
4πD 2 l<br />
Benutzte kosmologische Formeln<br />
bei der Entfernungsbestimmung<br />
In konkreten Fällen werden wir das nahezu leere Universum mit q = 0, (Milne-Schücking) und, falls<br />
nicht anders angegeben, h = 0.5 zur Berechnung der Entfernung aus der Rotverschiebung z benutzen.<br />
Dl = 6 1 1 + 0.5z<br />
z<br />
2h 1 + z<br />
und mit in fo erg cm −2 s −1<br />
Le = 4 · 10 57 foz 2<br />
(1.88)<br />
(1.89)<br />
(1.90)<br />
(1.91)<br />
Gpc (1.92)<br />
� �2 1 + 0.5z<br />
1 + z<br />
erg s −1 (1.93)<br />
Zum Umrechnen von bolometrischen Magnituden Mb in Leuchtkräfte L gilt<br />
L = 10 10 dex(0.4[−M − 20.3])L⊙<br />
(1.94)<br />
Die Milchstraße hat etwa Mb = −21 oder LMWG = 4 · 10 10 L⊙ und <strong>die</strong> Leuchtkraft der Sonne beträgt<br />
L⊙ = 3.9 · 10 33 erg s −1 .<br />
Die hellste Galaxie im Shapley-Ames Katalog, NGC 1961, hat Mb = −23.7 oder <strong>die</strong> optische Leuchtkraft<br />
L = 3 · 10 11 L⊙ und eine Masse M = 2 · 10 11 L⊙. Solche Galaxien, wo <strong>die</strong> gesamte Masse wie<br />
<strong>die</strong> Sonne leuchtet, sind insgesamt sehr selten. Es gibt sie auch im Radio- und Röntgenbereich.
54 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />
1.3.3 Radio-Astronomie<br />
So wie es aussieht hat jeder Frequenzbereich, Radio, IR, Optisch, Röntgen und Gamma seine spezifischen<br />
Quellen, <strong>die</strong> nur in <strong>die</strong>sem Bereich leuchten. In der Radio-Astronomie sind das mit Sicherheit<br />
<strong>die</strong> Pulsare, eventuell auch spezielle Galaxien. Die meisten Pulsare sind sogar nur in einem winzigen<br />
Unterbereich der Radiofrequenz Skala (vornehmlich um 400 MHz oder 75 cm) nachweisbar.<br />
Die Radio-Astronomie untersucht einerseits das kalte Universum, wobei <strong>die</strong> kosmologische Hintergrundstrahlung<br />
allgegenwärtig ist, andererseits <strong>die</strong> heißesten Objekte, <strong>die</strong> Supernova Überreste und<br />
<strong>die</strong> Radiopulsare. Alle Strahlungsarten kommen vor: kohärent und inkohärent, polarisiert und unpolarisiert,<br />
Kontinuum und Linienstrahlung, thermisch und nichtthermisch, nichtrelativistisch und relativistisch<br />
erzeugt. Eine neue, unverstandene Klasse sind <strong>die</strong> (reinen) Radio Supernovae. In NGC 6052 =<br />
Mrk 297 (eine nahe Starburst-Galaxie) wurde 1979 eine solche Supernova entdeckt.<br />
In der Regel ist <strong>die</strong> Energie der Strahlung unbedeutend, Ausnahme sind <strong>die</strong> kalten Molekülwolken, <strong>die</strong><br />
nur mit CO und Staub kühlen können, was für <strong>die</strong> Sternbildung (und Planeten) wichtig ist. Punktquellen<br />
sind in der Radio Astronomie <strong>die</strong> Ausnahme (Pulsare und Maser), <strong>die</strong> häufigsten Quellen sind Galaxien<br />
in grosser Entfernung (Median Rotverschiebung: z = 0.8). Die starke Polarisation der Strahlung weist<br />
auf das Vorhandensein entweder starker (Pulsare) oder grossräumiger (Galaxien) Magnetfelder hin.<br />
Wie <strong>die</strong>se Felder einmal entstanden sind ist unklar, sicher ist nur, daß, falls sie erst einmal existieren,<br />
sie nicht so schnell (Pulsare) oder gar nicht (Galaxien) zerfallen.<br />
Die (geschätzte) Radio Leuchtkraft der Milchstraße ist mit Lradio = 10 38 erg s −1 bescheiden, für M31<br />
wird sie auf Lradio = 10 40 erg s −1 veranschlagt. Das Spektrum ist bei den meisten Quellen ein typisches<br />
Synchrotron Spektrum von der Form<br />
Φν ∝ ν α<br />
; α = 0.75 ± 0.2 (1.95)<br />
<strong>die</strong> Milchstraße hat α = 0.7.<br />
Die grossen, ausgehnten Radioquellen (Ausdehnung bis zu Mpc) sind wesentlich leuchtstärker und<br />
erreichen <strong>die</strong> optische Leuchtkraft Lopt: Cygnus A (stärkste Radioquelle s. u.) hat Lradio = Lopt = 10 45<br />
erg s −1 .<br />
Der Beginn der Radio-Astronomie<br />
• ZUSATZ (DIE PIONIERE DER RADIO-ASTRONOMIE)<br />
Die Amerikaner Karl Jansky und Grote Reber sind <strong>die</strong> Pioniere der Radio Astronomie. Jansky (ein Ingenieur bei Bell Labs)<br />
fand <strong>die</strong> Radio Strahlung (λ etwa 10 Meter) zufällig beim Versuch, das Antennenrauschen zu unterdrücken, im Jahr 1931.<br />
Frühere Versuche, Radio Strahlung von der Sonne nachzuweisen, waren wegen ungenügender Empfindlichkeit der Apparatur<br />
fehlgeschlagen (Nordmann, 1901, auf dem Mt Blanc). Jansky dagegen entdeckte eine atmosphärische Komponente in<br />
Richtung Sagittarius. Reber war der erste, der ein richtiges Radio Teleskop (λ etwa 1.87 Meter) baute. Er fand <strong>die</strong> Strahlung<br />
der Milchstraße, hauptsächlich in der galaktischen Ebene konzentriert. Die Radio Strahlung von der Sonne konnte er erst<br />
1943 nachweisen, <strong>die</strong> Galaxis strahlt im Meterwellenbereich stärker als <strong>die</strong> Sonne. Diese frühen Entdeckungen blieben ohne<br />
grosse Resonanz seitens der Astronomen, der eigentliche Aufschwung der Radio-Astronomie kommt nach dem Zweiten<br />
Weltkrieg (zunächst in England und Australien, mit 20 Jahren Verzögerung dann auch in den USA).<br />
Zu Beginn der Radio-Astronomie war der Charakter einer Radio Quelle natürlich nicht klar. So kommt<br />
es, daß <strong>die</strong> besonders starken Quellen, ähnlich wie im optischen bei Messier, verschiedene Arten von<br />
astronomischen Objekten erfassen (Sterne, Supernova Überreste und Galaxien). Sie wurden am Anfang<br />
nach dem Sternbild, in dem sie gefunden wurden und mit grossen Buchstaben in der Reihenfolge<br />
ihrer Entdeckung bezeichnet. Cen A ist also <strong>die</strong> erste Radio Quelle, <strong>die</strong> in Centaurus gefunden wurde<br />
(von Hey, Parsons und Phillips, 1945 in England und 1948 von Bolton, Stanley und Slee in Australien).<br />
Bolton, Stanley und Slee identifizierten <strong>die</strong> ersten drei mit Taurus A (NGC 1952 = Krebsnebel), Centaurus<br />
A (NGC 5128) und Virgo A (NGC 4486). Diese Identifizierungen wurden zunächst mit Skepsis<br />
aufgenommen, das änderte sich erst mit den Arbeiten von Baade und Minkowski.
1.3. GALAXIEN BEI ANDEREN FREQUENZEN 55<br />
Cen A (Typ dE) ist auch überhaupt <strong>die</strong> erste und damit <strong>die</strong> hellste extragalaktische Radio Quelle am<br />
Himmel. Das ist erstaunlich, es handelt sich hierbei nämlich um eine 4 Mpc entfernte Radio Galaxie.<br />
Ihr optisches Pendant war bis dahin unbekannt, es wurde erst 1953 von Baade und Minkowski als<br />
peculiar galaxy identifiziert. Im optischen ist Cen A etwa 100 kpc langgestreckt mit Andeutung von<br />
Materieauswurf, im Radio ist <strong>die</strong> Ausdehnung sogar 700 kpc lang. Die Leuchtkraft im Radio (von 10<br />
MHz bis 10 GHz) beträgt L = 10 42 erg s −1 .<br />
Radio Galaxien mit vergleichbarer Leuchtkraft, L = 10 42 erg s −1 , sind Fornax A (NGC 1316, Typ cD)<br />
und Perseus A (3C 84, NGC 1275).<br />
Der zweite Radio Stern und der scheinbar hellste überhaupt war Cas A, 1947 entdeckt von Ryle und<br />
Smith und von Minkowski später als Supernova Überrest identifiziert (3C 361 = 3U 2321 + 58).<br />
Cygnus A (stärkste Radioquelle, 1954 optisch entdeckt von Baade und Minkowski) mit<br />
Lradio = Lopt = 10 45<br />
erg s −1<br />
und Virgo A (M 87, 1949 endeckt von Bolton et al.) sind weitere bekannte Beispiele für Radio Galaxien.<br />
Die Bezeichnung Tau A (3C 144), der dritthellste im 3C Katalog, im Falle des Krebsnebels ist<br />
nicht mehr üblich, Cas A und Puppis A für <strong>die</strong> entsprechenden Supernova Überreste sind aber noch<br />
gebräuchlich (mangels anderer Namen).<br />
Entdeckung neuartiger Quellen<br />
Cen A in einer Entfernung von 4 Mpc und Cyg A (z = 0.0562) in einer Entfernung von 340 Mpc<br />
sind typische Beispiele leuchtstarker Radio Galaxien, <strong>die</strong> einfach mit optischen Quellen identifiziert<br />
werden konnten. Die Identifizierung der Quasare war wesentlich schwieriger.<br />
• ZUSATZ (AUF DEM WEG ZUR IDENTIFIZIERUNG DER QUASARE)<br />
Zu Beginn der Radio-Astronomie (1950) waren <strong>die</strong> Positionen nicht mit genügender Genauigkeit bekannt, um sie mit<br />
optischen Objekten identifizieren zu können. Ein wichtiger Fortschritt war hier der dritte Cambridge Katalog (1960). Die<br />
bisher genannten Galaxien konnten identifiziert werden:<br />
1. Vir A = NGC 4486 = M87 = 3C 274<br />
2. Cen A = (keine M Nummer, da von Paris aus nicht zu sehen) = NGC 5128<br />
3. Cyg A = (keine NGC Nummer, neuer Typ) = 3C 405<br />
Am Anfang der sechziger Jahre konnte durch Interferometrie <strong>die</strong> Genauigkeit in der Positionsbestimmung im Radiobereich<br />
so verbessert werden (Matthews, 1960 an 3C 48), daß <strong>die</strong> ersten optischen Identifikationen mit scheinbar = quasi stellaren<br />
Objekten möglich wurde. Es zeigte sich, daß Quellen wie 3C 48 vorher optisch nicht untersucht bzw. bekannt waren.<br />
Sandage fand (1961) das optische Gegenstück zu 3C 48. Es handelte sich um eine neue Kategorie von Quellen, bei 3C<br />
48 um einen Stern 16ter Größe mit völlig unbekanntem Spektrum, und dazu noch variabel. Bis 1963 wurden eine Reihe<br />
weiterer Objekte optisch mit Punktquellen unverständlichen Spektrums identifiziert.<br />
• ZUSATZ (DER QUASAR 3C 273)<br />
Die Identifizierung der Rotverschiebung gelang anhand der heute berühmtesten Quelle 3C 273. Diese wird vom Mond<br />
bedeckt und somit konnte eine extrem genaue Radio (Hazard, 1963) und optische Position bestimmt werden. M. Schmidt<br />
fand dann am bereits früher aufgenommenen Spektrum <strong>die</strong>ses Sterns 13ter Größe, daß <strong>die</strong> Linien Hɛ, Hδ, Hγ und Hβ alle <strong>die</strong><br />
gleiche Rotverschiebung aufwiesen: z = 0.158. Die Hα Linie wird bereits bei <strong>die</strong>ser Rotverschiebung ins IR verschoben,<br />
sie wurde später von Oke (1963) bestätigt. Die Quellen wurden Quasar, für Quasi stellar radio source benannt (Acronym<br />
von H.Y. Chiu).<br />
Wenden wir unserer Gleichung (1.92) auf 3C 273 an, dann erhalten wir Dl = 0.9 Gpc, also etwa ein Giga Parsec. Für 3C<br />
48 ist z = 0.368 und das liefert etwa das Doppelte, Dl = 2.2 Gpc.<br />
• ZUSATZ (ENTDECKUNG DER BL LAC OBJEKTE)<br />
1969 wurde (zufällig, bei einem Hochfrequenz Survey) eine neue Klasse von Radio Galaxien entdeckt: <strong>die</strong> BL Lac Objekte,<br />
<strong>die</strong> später Blasars genannt wurden (E. Spiegel). In <strong>die</strong>ses Jahr fällt auch <strong>die</strong> Entdeckung der Radiopulsar durch J. Bell. Der<br />
erste Linsen Quasar wurde bei einem 960 MHz Survey in Jodrell Bank entdeckt.
56 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />
In nicht einmal 20 Jahren hat damit <strong>die</strong> Radio-Astronomie durch <strong>die</strong> Entdeckung völlig neuer Objekte<br />
wie<br />
Quasare, Pulsare, BL Lac und Gravitationslinsen<br />
<strong>die</strong> Astronomie revolutioniert. Die meisten bisher entdeckten Radio Quellen sind weit entfernt. Von 40<br />
Tausend Quellen mit f > 25 mJy bei 4.85 GHz sind weniger als 1 % mit Galaxien innerhalb von 100<br />
Mpc korreliert. Die median Rotverschiebung der Radio Quellen liegt bei z = 0.8, d. h. am Rande des<br />
Universums (Dl = 5 Gpc).<br />
Die 21cm Linie des neutralen Wasserstoff stellt ein wichtiges Hilfsmittel der Entfernungsbestimmung<br />
dar in den Fällen, wo ein optisches Spektrum fehlt (Staub). So findet man <strong>die</strong> Entfernung zu den<br />
riesigen IR Quellen (und damit ihre Massen von bis zu 10 11 M⊙).<br />
Die Entdeckung der kosmischen Hintergrundstrahlung<br />
Wie wir mittlerweile wissen, geschah <strong>die</strong> erste Entdeckung der kosmischen Hintergrundstrahlung, wie<br />
sie von Gamow vorhergesagt worden war, anhand von (optischen) Absorptionsmessungen an dem<br />
Radikal CN (Klemperer, 1941). Sie wurde damals von den Chemikern nicht verstanden und bei den<br />
Astronomen war sie unbekannt.<br />
Beim Versuch, eine rauscharme Übertragung im Mikrowellenbereich zu ermöglichen, finden Penzias<br />
und Wilson (1964) unerwartet eine universelle Schwarzkörper Hintergrundstrahlung von 2.7 K. Den<br />
definitiven Nachweis, daß <strong>die</strong>se Strahlung der Überrest des Urknalls ist, lieferte allerdings erst COBE.<br />
Auf den Beitrag von COBE zur Aufklärung des Planckschen Charakters der Hintergrundstrahlung<br />
kommen wir später zurück. Wir erwähnen ihn hier, weil als Alternative auch ein galaktischer Ursprung<br />
<strong>die</strong>ser Strahlung (von Layzer) diskutiert wird. Die Röntgen-Astronomie hat hier ein Problem: es gibt<br />
ebenfalls einen (im Rahmen der Auflösung) isotropen Röntgenhintergrund.
1.3. GALAXIEN BEI ANDEREN FREQUENZEN 57<br />
1.3.4 Röntgen-Astronomie<br />
Die Röntgen-Astronomie untersucht das heiße Universum. Die Strahlung der beobachteten Quellen<br />
kann ✗ thermisch ✔ (Bremsstrahlung) und nichtthermisch (Synchrotron) sein. Von den neuartigen Quellen,<br />
<strong>die</strong> nur im Röntgenbereich entdeckt werden, sind <strong>die</strong> wichtigsten <strong>die</strong> Burster (ein neu-<br />
Bereit sein<br />
er Typ kataklysmischer Variabler) und das heiße intracluster Gas. Eine Besonderheit der<br />
ist alles.<br />
Hamlet Röntgenquellen ist <strong>die</strong> extreme Variabilität, <strong>die</strong> bis zu Millisekunden bei den Neutronen-<br />
✖ ✕sternen<br />
und zu bis zu 30 Sekunden bei ganzen Galaxien (AGNs) herunter reicht. Ein Film<br />
aus der Anfangszeit der Röntgen-Astronomie zeigt den Himmel (im Zeitraffer), wie er im Hochenergiebereich<br />
blitzt und funkt. Er wurde von Terrell und Priedhorsky aus den Militär Daten des Vela Satelliten<br />
aus den Jahren 1969 bis 1979 zusammengestellt. Optisch ist davon allerdings nichts zu bemerken.<br />
In der Röntgen-Astronomie ist es üblich, Frequenzen in Energien auszudrücken. Weiche Röntgen-<br />
Strahlung reicht von etwa 100 eV bis einige keV. Eine nützliche Umrechnung für ɛ in keV, λ in<br />
˚Angstrøm und ν in Hertz ist<br />
ɛ = 12.4<br />
λ = 4.13 · 10−18 ν (1.96)<br />
• BEISPIEL (RÖNTGENEMISSION DER SONNE)<br />
Die Solarkonstante, also der auf der Erde gemessene Strahlungs Fluß beträgt f⊙ = 1.36·10 6 erg cm −2 s −1 . Die Röntgenemission<br />
der Korona der ruhigen Sonne beträgt dagegen nur fX = 0.1 erg cm −2 s −1 . Das ist mehr als 7 dex weniger als im optischen:<br />
fopt/fX > 7 dex.<br />
Aus der Leuchtkraft der Sonne L⊙ = 4πD 2 f⊙ = 3.85 · 10 33 erg s −1 wird somit LX = 3 · 10 26 erg s −1 . Das Maximum<br />
liegt bei 400 eV, was 30 ˚A entspricht. Die Leuchtkraft der Sonne im harten Röntgenbereich beträgt nur 10 −5 davon.<br />
In Flares (Dauer etwa 10 3 s) kann <strong>die</strong> Sonne bis zu 3 dex mehr emittieren, also LX = 3 · 10 29 erg s −1 . Sogar Gamma<br />
Strahlung ensteht in solchen Flares. Die Gesamtenergie eines Flares beträgt etwa 10 32 erg.<br />
• BEISPIEL (RÖNTGEN FLARES VON ALGOL)<br />
Algol ist der Prototyp eines halbgetrennten, weiten Systems mit Eklipse (Typ EA). Typische Flares dauern auf der Sonne<br />
etwa 15 Minuten, das Maximum liegt bei 400 eV. Bei Algol dagegen dauert ein Flare (des Begleiters) 8 Stunden, mit<br />
dem Energiemaximum bei etwa 1 keV. Die Eisenlinie (bei 6.7 keV) ist extrem stark (und breit). Die maximale Röntgen<br />
Leuchtkraft (in einem Flare von Algol B) beträgt LX = 3 · 10 32 erg s −1 , <strong>die</strong> Gesamtenergie des gesamten Flares beträgt<br />
etwa EX = 1.5 · 10 37 erg.<br />
• BEISPIEL (RÖNTGEN FLARES VON UX ARIETIS)<br />
UX Ari = HD 21242 ist vom RS CV Typ, ein Binärsytem (G5V + K0IV) im Abstand von 50 Parsec mit einer Umlaufperiode<br />
von 6.44 d. Die Dauerleuchtkraft beträgt etwa LX = 1 · 10 31 erg s −1 , in Flares 1.3 dex mehr. Besonderheit:<br />
hartes Spektrum, bis 15 keV nachgewiesen. Die weiteren Daten für UX Ari sind: Dauer der Flares 13 h, Gesamtenergie<br />
EX > 5 · 10 36 erg.<br />
Zu den Punktquellen gehören zunächst zwei Klassen von Sternen, <strong>die</strong> auch vor dem Beginn der<br />
Röntgen-Astronomie bekannt waren.<br />
1. Leuchtkräftige, normale Sterne, <strong>die</strong> Röntgenstrahlung aus ihrer Korona mit Leuchtkräften von<br />
etwa Lx = 10 28 erg s −1 bis Lx = 10 33 erg s −1 emittieren.<br />
2. Weiße Zwerge in Binärsystemen, hauptsächlich kataklysmische Variable (also mit entwickeltem<br />
Begleitstern).<br />
Neu als Klasse sind:<br />
1. Die Neutronensterne, <strong>die</strong> praktisch zweimal unabhängig von einander entdeckt wurden, einmal<br />
als Radiopulsar zum andern als Röntgenpulsar.<br />
2. Und schließlich <strong>die</strong> Schwarz-Loch-Kandidaten. Es mag sich bei ihnen tatsächlich um ein Schwarzes<br />
Loch handeln oder, falls nicht, um etwas neues.
58 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />
Die Quellen leuchten im Röntgenbereich, weil sie akkretieren, jedenfalls ist das der Normalfall. Materie,<br />
<strong>die</strong> auf Weiße Zwerge oder Neutronensterne fällt, wird spätestens an ihrer Oberfläche gestoppt und<br />
bringt <strong>die</strong>se zum Leuchten. Die Eddingtonsche Grenzleuchtkraft für Sterne ist <strong>die</strong> maximale Leuchtkraft,<br />
bei der <strong>Teil</strong>chen der Masse mH noch gravisch an der Oberfläche gelangen können:<br />
LEdd = 4πGmHMc<br />
= 10 4.5<br />
� �<br />
M<br />
L⊙ = 1.3 · 10 38<br />
� �<br />
M<br />
mH erg s−1 (1.97)<br />
σT h<br />
M⊙<br />
Akkretiert wird Wasserstoff (Masse mH) und typische Temperaturen, <strong>die</strong> dabei entstehen, sind einige<br />
keV für Neutronensterne. Ein Schwarzes Loch hat aber keine Oberfläche, deshalb muß hier <strong>die</strong><br />
Strahlung aus der Akkretionsscheibe stammen.<br />
Eine eher lästige Erfahrung, <strong>die</strong> man gleich zu Beginn der Röntgen-Astronomie gemacht hat, war <strong>die</strong>,<br />
✤daß<br />
manche Quellen ✜eine<br />
Zeit lang sehr stark sein können, anschließend aber nicht mehr nachweisbar<br />
sind. Dies stand im krassen Gegensatz zu dem, was man vom optischen Verhalten<br />
Wer zu spät kommt,<br />
von Sternen gewohnt war und kam auch bei Radio Sternen bis dahin kaum vor. Da<br />
den bestraft das<br />
Leben.<br />
<strong>die</strong> ersten Beobachtungen mit Ballonen oder Raketen gemacht wurden, bedeutete<br />
M. Gorbatschow das für den Beobachter, daß alles umsonst war, wenn der Start außerhalb des Zeit-<br />
✣<br />
✢fensters<br />
lag. Ein bekanntes Beispiel ist hier Her X-1, eine Bedeckungsveränderliche<br />
mit Präzession.<br />
Eine weitere neue Klasse von Röntgen Punktquellen, galaktisch und extra galaktisch, wurde erst relativ<br />
spät, von ROSAT, entdeckt: <strong>die</strong> supersoft Röntgensterne, mit riesiger Leuchtkraft (Lx = 5 · 1038 erg<br />
s−1 ), aber mit Spektren im Bereich von 20 bis 60 eV. Bei ihnen könnte es sich um akkretierende Weiße<br />
Zwerge (mit massivem Begleiter) handeln.<br />
Die bisher entdeckten Punktquellen gehorchen dem Gesetz der Malmquist Verfälschung: je weiter<br />
entfernt, desto leuchstärker sind sie (Super Eddington Leuchtkräfte mit Lx > 1038 erg s−1 ).<br />
Zu den ausgedehnte Quellen in der Milchstraße gehören <strong>die</strong> Supernova Überreste. Viele liegen um<br />
<strong>die</strong> galaktische Ebene herum, mit Leuchtkräften von etwa Lx = 1 · 1035 erg s−1 bis Lx = 5 · 1038 erg s−1 (Cas A). Ein wichtiger Beitrag der Röntgen-Astronomie war (mit ROSAT), bisher unentdeckte<br />
Supernova Überreste gefunden zu haben. Allerdings wurde kein wirklich junger (viel jünger als Cas<br />
A) Supernova Überrest gefunden.<br />
Zu den ausgedehnten, leuchtstarken Röntgen Quellen gehören besondere Typen von Galaxien (AGN)<br />
und, erstaunlicherweise, ganze Galaxienhaufen. Bei normalen Galaxien<br />
kommt <strong>die</strong> Strahlung vornehmlich aus dem Kern und den<br />
Supernova Überresten.<br />
Um <strong>die</strong> Galaxien herum (in der Korona) hat man eine ausgedehnte,<br />
thermische Halo Strahlung gefunden, <strong>die</strong> auch in Galaxienhaufen<br />
nachgewiesen werden kann. Sie stammt von einem extrem<br />
dünnen, heißen Elektronengas. Die dazu (aus Neutralitätsgründen<br />
gehörenden) Protonen haben eine Masse, <strong>die</strong> mit der der gesamten<br />
Galaxie vergleichbar ist. Diese Intergalactic Matter (IGM), oder<br />
von uns auch mit Intracluster Gas bezeichnet, liefert auch wertvolle<br />
Information über <strong>die</strong> Chemie der Korona. Die Daten der Tabelle<br />
stammen vom Einstein Satelliten.<br />
Zum Umrechnen: L38 = 1038 erg s−1 Weitere Daten der Lokalen Gruppe<br />
Name D Lopt L38<br />
kpc L⊙ erg s<br />
entspricht der Eddington<br />
−1<br />
MWG 8 2.5 · 10 10 30<br />
LMC 50 3 · 109 66<br />
SMC 57 6 · 108 0.6<br />
M31 770 4 · 109 360<br />
M32 710 3 · 108 0.5<br />
M33 730 2.5 · 10 10 110<br />
Tab. 1.20: Die Lokale Gruppe<br />
Leuchtkraft eines Sterns mit einer Sonnenmasse, L = 2.5 · 104L⊙. Setzt man den Wirkungsgrad mit<br />
0.1 der Ruhmassenenergie an, dann entspricht <strong>die</strong>ser Leuchtkraft eine Massen-Akkretionsrate ˙ M von<br />
˙M = 1018 g s−1 , das sind etwa ˙ M = 10−8M⊙ yr−1 .<br />
Mit der Röntgen-Astronomie beginnt <strong>die</strong> hektische Phase der Astronomie. Als Paradigma hat sich<br />
herausgestellt: Je höher <strong>die</strong> Energie, desto kürzer <strong>die</strong> Zeitspanne, in der sie vom Beobachter nachgewiesen<br />
werden kann. Die entscheidende Beobachtungs Größe für solche Kurzzeitphänomene hat im<br />
M⊙
1.3. GALAXIEN BEI ANDEREN FREQUENZEN 59<br />
Englischen den Namen ’fluence’. Sie ist das Integral von Leuchtkraft und Zeit (Dimension erg cm−2 ).<br />
Viele Phänomene (Aktivität genannt) spielen sich innerhalb von Stunden oder gar Minuten ab, und das<br />
oft nur ein einziges Mal: Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.<br />
Bei den Gamma Bursts, <strong>die</strong> teilweise harte (100 keV bis 1 MeV) Röntgen Bursts sind, ist <strong>die</strong> Situation<br />
noch extremer: viele sind kürzer als eine Sekunde.<br />
Solche Gamma Bursts werden klassifiziert nach dem Flussintegral, engl. ’fluence’ genannt. Die Größe<br />
’fluence’, Energie pro Fläche,<br />
�<br />
E = fodto<br />
hat bisher kein eigenes Symbol, mangels besserem wird es hier mit E bezeichnet.<br />
Die Entdeckung der ersten Quellen<br />
Die erste (von H. Friedmann) untersuchte Quelle von Röntgenstrahlung war natürlich <strong>die</strong> Sonne. Der<br />
mittlere Röntgen Fluß in der Entfernung der Erde beträgt 10 6 Photonen pro cm 2 und Sekunde. Abgesehen<br />
davon und analog zur Radio-Astronomie beginnt auch <strong>die</strong> Röntgen Astronomie mit der völlig<br />
unerwarteten Entdeckung einzelner starker Quellen unbekannter Art. Sterne wie <strong>die</strong> Sonne wären bereits<br />
in 1 Parsec Entfernung nicht mehr beobachtbar gewesen (mit der damaligen Technologie).<br />
• DEFINITION (NOMENKLATUR)<br />
Die Röntgen Astronomie beginnt mit Ballon und Raketenbeobachtungen im weichen Röntgenbereich. Hier wurde als Nomenklatur<br />
z. B. für <strong>die</strong> erste Quelle, <strong>die</strong> in der Konstellation Scorpius entdeckt wurde, Sco X-1 gewählt. Analoges gilt für<br />
<strong>die</strong> erste Quelle in Herkules, Her X-1 und <strong>die</strong> Quellen in Cygnus wurden mit Cyg X-1, Cyg X-2 und Cyg X-3 bezeichnet.<br />
Da das Alfabet dafür bekanntlich nicht geeignet ist, hat man anschließend <strong>die</strong> frühe Pulsar Nomenklatur (α, δ) mit individueller<br />
Katalogbezeichnung, <strong>die</strong> den Namen des Instruments bzw. der Beobachter erkennen läßt, gewählt.<br />
Im harten Röntgenbereich und im Gammabereich, wo <strong>die</strong> Positionsgenauigkeit wesentlich geringer ist, hat man allerdings<br />
anstatt (α, δ) <strong>die</strong> galaktischen Koordinaten l und b gewählt. Besonders viele Quellen wurden in der Nähe des galaktischen<br />
Zentrums gefunden: Sie erhielten Bezeichnungen, <strong>die</strong> in Andeutung der gal. Koordinaten gewählt wurden, wie GX9+1<br />
oder GX5−1.<br />
Die eigentliche Entdeckung (akkretierender Neutronensterne) kam mehr aus Neugier, <strong>die</strong> mögliche<br />
Existenz von Röntgenquellen, <strong>die</strong> mit der damaligen Technologie hätte nachgewiesen werden können,<br />
war theoretisch nicht vorhergesehen und als Extrapolation der Sonnendaten auch nicht zu erwarten<br />
gewesen. Pulsare waren 1960 noch nicht entdeckt.<br />
Die Pioniere der Röntgen Astronomie waren Bruno Rossi (MIT und AS&E), Herbert Friedmann (NRL)<br />
und, als Entdecker der ersten Röntgen Quelle, Riccardo Giacconi (AS&E) und seine Gruppe von Mitarbeitern.<br />
Die erste Röntgen Quelle, <strong>die</strong> (mit einer Raketenbeobachtung und zwei Geiger Zählern) 1961 gefunden<br />
wurde, war unerwartet stark. Sie ist <strong>die</strong> bis heute <strong>die</strong> hellste, persistente<br />
Röntgen Quelle in der Milchstraße und liegt in der Konstellation Scorpius.<br />
Ausgerechnet <strong>die</strong> stärkste Quelle ist ein extremer Ausnahmefall. Erst<br />
1975 gelang <strong>die</strong> endgültige und eindeutige optische Identifizierung mit<br />
dem Veränderlichen Stern V818Sco (als Begleiter).<br />
Die meisten Punkt Quellen in der Milchstraße sind mittlerweile mit akkretierenden<br />
Neutronensternen identifiziert, <strong>die</strong> ausgedehnten mit Supernova<br />
Überresten. Eine wichtige Grobeinteilung der Punkt Quellen ist<br />
nach der Masse des Begleiters, eine andere nach dem Alter und dem Magnetfeld<br />
des Neutronensterns. Viele starke Punkt Quellen sind Pulsare.<br />
Die hellste, persistente Röntgen Quelle, Sco X-1, hat einen Fluß von<br />
spektral fν ≈ 20.000 µJy und integral f = 3 · 10−7 erg cm−2 s−1 Daten zu Sco X-1<br />
Sco X-1 = 3U 1617−15<br />
= X 1617−155 = V818Sco<br />
l Grad 359.09<br />
b Grad 23.77<br />
D pc 800<br />
fν mJy 20<br />
Lx erg s<br />
. Die<br />
Entfernung beträgt nur D ≈ 800 pc, was eine Röntgen Leuchtkraft von<br />
−1 3 · 1037 Lx/Lopt<br />
500<br />
Porb d 0.787<br />
Tab. 1.21: Sco X-1
60 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />
Lx ≈ 3 · 10 37 erg s −1 , also fast ein drittel der Eddington Leuchtkraft (für eine Sonnenmasse) ergibt.<br />
Die Bahnperiode beträgt 0.787 d. Der Begleiter ist ein massearmer, entwickelter Stern. Die optische<br />
Leuchtkraft stammt wahrscheinlich von der Akkretionsscheibe, und nicht vom Begleiter.<br />
Da <strong>die</strong> extragalaktischen Quellen (scheinbar) wesentlich schwächer sind, ist es bei ihrer Benennung<br />
aber nicht zu Verwechselungen des Charakters gekommen.<br />
Die extragalaktischen Quellen<br />
Die hellsten Punkt Quellen in der Milchstraße sind akkretierende Neutronensterne. Die hellsten davon<br />
wieder liegen in ihrem Zentrum, mit Eddington Leuchtkraft und darüber. Die leuchtkräftigsten, ausgedehnten<br />
Quellen sind <strong>die</strong> Supernova Überreste mit vergleichbarer Leuchtkraft. Solche Objekte sind<br />
noch bis M31 nachweisbar. Überrascht hat allerdings zunächst, daß auch ganze Galaxien und sogar<br />
Galaxienhaufen gesehen wurden.<br />
• ZUSATZ (ERSTE EXTRAGALAKTISCHE QUELLEN)<br />
Bereits bei den ersten Raketen und Ballonbeobachtungen ergab sich, daß auch ausgedehnte, extragalaktische Quellen im<br />
Röntgenbereich nachweisbar sein könnten. Am 12. Dezember 1970 wurde der erste Röntgen Satellit (von Giacconi gebaut)<br />
von der NASA in den Weltraum gebracht. Ein früher Katalog, nach dem viele Quellen heute benannt werden, ist der daraus<br />
resultierende Uhuru Katalog. Starke extragalaktische Quellen sind hierin<br />
1. Cen A = NGC 5128 = 3U 1322 − 42<br />
2. Cyg A = 3C 405 = 3U 1957 + 40<br />
3. Vir A = NGC 4486 = M87 = 3C 274 = 3U 1228 + 12<br />
Vir A hat eine Röntgenleuchtkraft von LX = 1 · 10 10 L⊙.<br />
Normale Galaxien haben dagegen Röntgen Leuchtkräfte (s. Tab. (1.33), L⊙ = 3.9 · 10 33 erg s −1 , Leuchtkraft der Sonne)<br />
im Bereich 2.5 · 10 8 L⊙ > LX > 2.5 · 10 4 L⊙, erreichen also nur wenige % der optischen Leuchtkraft. Die Milchstraße<br />
liegt im median, M31 im oberen Bereich.<br />
Die Große Maghellansche Wolke und <strong>die</strong> Kleine Maghellansche Wolke, unsere beiden Nachbargalaxien, enthalten beide<br />
viele Röntgen Punkt Quellen. LMC ist sogar stärker als MWG. Sie wurden zunächst (in der Reihenfolge ihrer Entdeckung)<br />
mit LMC X-1 . . . bzw. SMC X-1 . . . bezeichnet. Der Zwillingspulsar zum Krebs wurde zuerst im Röntgenbereich gefunden.<br />
Bis M31 konnten noch Röntgen Punkt Quellen (M31 X-1 . . . ) nachgewiesen werden, Perioden allerdings bisher nicht. Dazu<br />
reicht <strong>die</strong> Empfindlichkeit nicht.<br />
Eine besonders leuchtstarke Galaxie ist IRAS 13224 − 3809 mit fast LX = 10 11 L⊙, noch 10mal heller als Vir A. Die<br />
Rotverschiebung beträgt z = 0.06 (Entfernung D = 360 Mpc). Sie variiert um einen Faktor zwei in der Leuchtkraft und<br />
das in 800 Sekunden. Die IR Leuchtkraft ist mit LIR = 5 · 10 11 L⊙ = 1.5 · 10 45 erg s −1 noch 5mal größer.<br />
Vom isotropen Röntgenhintergrund sind mittlerweile zwei drittel des Beitrags geklärt: ein drittel stammt<br />
von lokalen Quellen der Milchstraße und ein weiteres drittel von den Halos und Koronen der Galaxien.<br />
Neuere Röntgen Satelliten<br />
Neuere Röntgen Satelliten nach UHURU und EINSTEIN sind:<br />
GINGA (Jap. Galaxie) mit Gamma Ray Burst Detector.<br />
ROSAT (Röntgen Satellit).<br />
ASCA (Advanced Satellite for Cosmology and Astrophysics).<br />
RXTE (Rossi X-ray Timing Explorer).<br />
BeppoSAX (Beppo Satellite di Astronomia X).<br />
CHANDRA (ursprünglich AXAF: Advanced X-ray Astronomical Facility).<br />
NEWTON (MMX: multi mirror X-ray) Satellite
1.3. GALAXIEN BEI ANDEREN FREQUENZEN 61<br />
Eine Beschreibung der wichtigsten Eigenschaften erfolgt an der Stelle, wo sie benötigt werden und im<br />
Glossar.<br />
Ein wichtiger physikalischer Effekt, der Photoeffekt mit dem Compton Streuquerschnitt, erlaubt es,<br />
Entfernungen Röntgen-spektroskopisch zu bestimmen und chemische Elemente (insbesondere Fe)<br />
nachzuweisen.
62 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />
1.3.5 Infrarot Astronomie<br />
Meilenstein der Infrarot Astronomie war IRAS, der Infrared Astronomical Satellite, eine holländischenglisch-amerikanische<br />
Kollaboration für den IR Messbereich [100 µm bis 10 µm].<br />
Bereits bei der ersten Eichmessung (Januar 1983) an Wega (ein A0 V Hauptreihenstern in 8 pc Entfernung<br />
mit einem Alter von 1 Gyr) wurde eine Staubscheibe (gedeutet als Planetensystem bei der<br />
Bildung) entdeckt.<br />
• BEISPIEL (NEUE TYPEN VON IR QUELLEN)<br />
Viele Entdeckungen, <strong>die</strong> (seit 1984) im IRAS Survey katalogisiert wurden, sind noch nicht mit anderen Objekten identifiziert.<br />
Unter den 600 Tausend Quellen des IRAS Katalogs befinden sich über 20 Tausend neue (d. h. vorher nicht bekannte)<br />
IR Galaxien. Diese werden klassifiziert in<br />
1. Hyper Luminous IR Galaxy, HyLIG, falls LIR > 10 13 L⊙,<br />
2. Ultra Luminous IR Galaxy, ULIG, falls LIR > 10 12 L⊙,<br />
3. Luminous IR Galaxy, LIG, falls LIR > 10 11 L⊙, ferner<br />
4. normale (Sb bis Sd Galaxien, median LIR/Lopt = 0.4) bis<br />
5. schwache (elliptische Galaxien, LIR/Lopt < 0.1) IR Quellen sonst.<br />
Die klassischen Starburst-Galaxien M82 (LIR = 10 10.3 L⊙) und NGC 253 (LIR = 10 10.8 L⊙, D = 3 Mpc, mV = 8.04)<br />
haben etwa LIR/Lopt 3 und 5.<br />
Hyligs sind selten (5 Objekte im ersten IRAS survey), z. B. IRAS 15307+3252 und IRAS 10214+4724;<br />
ULIGs sind etwa so häufig wie optische Quasare, z. B. Arp 220 und NGC 6240;<br />
LIGs sind so häufig wie Seyfert Galaxien, z. B. Mrk 231 und IRAS 13224 − 3809, <strong>die</strong> wir schon kennengelernt haben.<br />
Neun IR Quellen haben LIR/Lopt > 50 und sind bis heute nicht identifiziert.<br />
Ref.: [SM96], Sanders, D. B. and Mirabel, I. F., Luminous infrared galaxies, Ann.Rev.A.A. Vol34, (1996), 749<br />
Zu den bemerkenswertesten Entdeckungen von IRAS gehören <strong>die</strong> Megamaser und Gravitationslinsen<br />
mit CO in kosmologischer Entfernung.<br />
• ZUSATZ (MASER UND MEGAMASER)<br />
Das Molekül OH hat zwei starke Maserlinien bei den Frequenzen 1665 und 1667 MHz (mit ∆F = 0 und zwei schwache<br />
bei 1612 und 1720 MHz mit ∆F = ±1). Es handelt sich um <strong>die</strong> Hyperfeinaufspaltung eines l = 18 cm Übergangs (Λ<br />
Verdopplung des 2 Π 3/2 Grundzustands). Die stärksten Quellen mit Linienstrahlung sind <strong>die</strong> sog. Megamaser. Die (isotrope)<br />
Leuchtkraft in extra galaktischen Quellen kann L = 10 4 L⊙ erreichen. Das ist etwa 1 Million mal <strong>die</strong> Leuchtkraft<br />
galaktischer Quellen: deshalb der Name Megamaser. Der erste Hydroxyl Megamaser wurde 1982 in der Galaxie Arp 220<br />
gefunden (Baan, Wood und Haschick).<br />
Mehr als 20 Mega-Maser hat man mittlerweile in Galaxien mit starkem IR Exzess gefunden.<br />
Bei dem Objekt III Zw 35 konnte mithilfe der OH Maserlinie ein Kerngebiet von nur 15 pc Radius aufgelöst werden.<br />
Interpretiert man <strong>die</strong> Linienbreite als Rotation, dann beträgt <strong>die</strong> dynamische Masse M = 1 · 10 9 M⊙. Die Entfernung<br />
beträgt bei z = 0.03 etwa 170 Mpc und vrot = 450 km s −1 .<br />
Ein Beispiel für einen H2O Maser in kosmologisch interessanter Entfernung ist IRAS 22265-1826 mit z = 0.025 (entspr<br />
D = 150 Mpc bei h = 0.5 nach der Formel D = 6(2h) −1 z Gpc) und einer Leuchtkraft von L = 6 · 10 3 L⊙.<br />
Der H2O Maser in M106 (NGC4258) erlaubt eine rein geometrische Bestimmung aller relevanten Größen, wie der Entfernung<br />
zum Zentrum, D = 7.2 Mpc, dem Inklinationswinkel i = 82 Grad und der Zentrumsmasse,<br />
MZentrum = 3.9 · 10 7 M⊙<br />
�<br />
D sin(i)<br />
7.2Mpc sin(82)<br />
�2 Der stärkste OH Maser, IRAS 20100-4156, hat eine kosmologische Fluchtgeschwindigkeit von 38650 km s −1 (Rotverschiebung<br />
z = 0.129). Bei einer Flussdichte von 200 mJy entspricht das einer (isotropen) Leuchtkraft von L = 10 4 L⊙ in<br />
einer Linie der Dopplerbreite 1500 km s −1 ! Die Gesamt IR-Leuchtkraft beträgt L = 3 · 10 12 L⊙.<br />
• ZUSATZ (GRAVITATIONSLINSEN)<br />
Vollkommen unerwartet war 1991 Entdeckung einer Protogalaxie, Quelle F10214+4724 im IRAS Katalog, mit einer Rotverschiebung<br />
von z = 2.286. Gesehen wird hier der CO(3 → 2) Rotationsübergang, welcher von λr = 850µm nach λ = 3<br />
mm verschoben ist. Mittlerweile gibt es eine ganze Reihe von Kandidaten und drei weitere Quellen mit CO: das Kleeblatt<br />
(s.u.), MG0414 + 0534 mit z = 2.64 und der Linsenbogen BR1202 − 0725 mit z = 4.69.
1.3. GALAXIEN BEI ANDEREN FREQUENZEN 63<br />
Folgeuntersuchungen wurden bzw. werden von folgenden Satelliten durchgeführt<br />
1. COBE<br />
Bei Wellenlängen länger als 100 µm hat DIRBE (Diffuse Infrared Background Experiment an<br />
Bord von COBE) von 1989 bis 1995 <strong>die</strong> Staubstrahlung des Universums untersucht.<br />
2. ISO<br />
Danach hat ISO, das Infrared Space Observatory (1995 - 1998) der ESA <strong>die</strong> Beobachtungen im<br />
IR fortgeführt. ISO war ein auf 2 Kelvin gekühlter Satellit mit 60 cm Teleskop. Bereich: Infrarot<br />
[240 µm . . . 2.5 µm]. Die Winkel Auflösung betrug 17 ′′ .<br />
3. SIRTF<br />
Geplant für das Jahr 2002 ist SIRTF, <strong>die</strong> Space Infrared Telescope Facility, das nach Comptel,<br />
Hubble und Chandra noch fehlende Grossinstrument für den IR Bereich der NASA.<br />
4. FIRST<br />
Geplant (von der ESA) für das Jahr 2005 ist FIRST (zusammen mit dem PLANCK surveyor),<br />
das Far InfraRed Space Telescope.<br />
• BEISPIEL (IR QUELLEN MIT STAUB)<br />
Einige Quasare mit grosser Rotverschiebung (maximal z = 4.693) sind starke IR Quellen mit Staub. In einigen Fällen wird<br />
zusätzlich CO entdeckt.<br />
Typische Staubtemperaturen liegen bei 50 K und <strong>die</strong> Masse des Staubs beträgt etwa 3 · 10 7 M⊙. Dauraus schließt man auf<br />
eine molekulare Masse von etwa M(H2) = 3 · 10 9 M⊙.<br />
Die Gesamt IR-Leuchtkraft beträgt wie bei ULIGs etwa L = 3 · 10 12 L⊙. Der Fluß bei 1.25 mm beträgt einige Milli Jansky.<br />
• BEISPIEL (IR QUELLEN MIT CO)<br />
Bei einem 5 − 4 Übergang beträgt <strong>die</strong> Ruhfrequenz ν = 576 GHz. Diese wird bei z = 4.3 nach ν = 106 GHz verschoben.<br />
Der über <strong>die</strong> Linienbreite (von etwa 200 km s −1 ) integrierte Fluß bei 3 mm (Frequenz um ν = 106 GHz) beträgt einige<br />
[Jansky km s −1 ].<br />
1.3.6 UV Astronomie<br />
Nicht nur <strong>die</strong> Erdatmosphäre sondern auch <strong>die</strong> ISM absorbiert stark (Photoeffekt an H und He).<br />
Man unterscheidet FUV (far ultraviolet) und EUV (extreme ultraviolet) nach physikalischen Gesichstpunkten:<br />
FUV ist der Bereich von 6 bis 13.6 eV, EUV oberhalb von 13.6 eV (etwa 80 nm) bis etwa<br />
200 eV (6 nm), dem Beginn des Röntgenbereichs.<br />
• ZUSATZ (MISSIONEN)<br />
Folgende Missionen wurden durchgeführt:<br />
1. TD-1; (von 1968 bis 1973) all sky survey mit 31215 Quellen. Bereich 150 nm bis 280 nm.<br />
2. Copernicus, OAO 3; UV Satellit (1972 bis 1982); Untersuchung diffuser Wolken (ISM).<br />
3. EUVE Extreme Ultraviolet Explorer (1991 bis 1994) Bereich: 7 nm bis 70 nm (18 bis 170 eV).<br />
Die Mehrzahl der identifizierten Objekte von EUVE sind G, K und M Sterne. Nur 17 % sind Weiße Zwerge. Keine extragalaktische<br />
Quelle wurde bisher im EUV entdeckt.
64 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />
1.3.7 Gamma Astronomie<br />
Die frühen Entdeckungen<br />
• ZUSATZ (DIE ZIVILE FRÜHPHASE)<br />
Vor 1967 wurde nicht ein einziges extrasolares Photon mit einer Energie jenseits von 100 keV (harte Röntgenstrahlung)<br />
detektiert. Auch <strong>die</strong> Gamma Astronomie beginnt mit Ballon und Raketenbeobachtungen um 1967 und am Anfang wurden<br />
<strong>die</strong> einzelnen Photonen, nicht <strong>die</strong> Quellen, gezählt. Das änderte sich erst 1972 mit SAS-2 (mit 8000 Photonen und 4 Punkt<br />
Quellen) und besonders 1975 mit COS B, dem ESA Satelliten (der insgesamt bereits 10 5 Photonen, 4 identifizierte und 20<br />
nicht identifizierte Quellen nachweisen konnte) für Energien jenseits von 100 MeV (harte Gammastrahlung).<br />
Weiche Gammastrahlung konnte (mangels geeignetem Satelliten) bis zum Start von HEAO-4 (1977 bis 79) und Compton<br />
Observatory (1991 bis auf weiteres) nur mit Ballon und Raketenbeobachtungen untersucht werden, was bei variablen Quellen<br />
frustrierend sein kann, wenn der Start in eine Phase fällt, wo <strong>die</strong> Quelle ein Minimum durchläuft. Eine variable Quelle<br />
im galaktischen Zentrum (GX1+4 = 4U 1728 − 24 = V2116 Oph ?) bereitete besondere Schwierigkeiten, sie wurde bei<br />
der Zerstrahlungsenergie von Elektron und Positron bei 511 keV zwischen 1970 und 1990 wahlweise entdeckt (1970 bis<br />
1980; 1988 bis 1990) oder auch nicht (1981 bis 1988 und seit dem Start von Compton Observatory).<br />
In geheimer Mission wurde der Röntgen und Gammabereich von Spähsatelliten im Rahmen des Atom<br />
Teststop Abkommens (engl. Outer Space Treaty) zwischen den USA (Vela 5A und 5B) und der UdSSR<br />
(Konus) von beiden Seiten ab 1968 untersucht. Hier wurden erstmals <strong>die</strong> Gamma Bursts entdeckt. Die<br />
Daten sind später (1973) freigegeben worden und enthalten einige interessante Beobachtungen hoher<br />
Qualität, <strong>die</strong> in Zeiten fallen, wo kein ziviler Satellit Beobachtungen angestellt hat. Auch <strong>die</strong> Quantität<br />
der Daten übertrifft <strong>die</strong> zivilen Möglichkeiten der damaligen Zeit.<br />
Einige der besonders interessanten Beobachtungen:<br />
1. der Burst GRB790613<br />
war einer der kürzesten überhaupt mit einer (nicht aufgelösten) Anstiegszeit tr < 20 ms und<br />
einer Dauer von nur ∆t = 0.5 s.<br />
2. <strong>die</strong> Bursts GRB730721 und 730725<br />
mit einer Dauer von ∆t = 8 s und ∆t = 4 s stammen vermutlich aus derselben Quelle. Sie waren<br />
damit der insgesamt längste Puls überhaupt, mit verschwindender Amplitude zwischendrin, oder<br />
es handelt sich um einen Wiederholungstäter (engl. repeater).<br />
3. <strong>die</strong> Radio Galaxie Cen A<br />
war in der Zeit von 1973 bis 75 besonders hell und aktiv, sie könnte damit ein Blasar sein.<br />
4. Bei Cyg - X1<br />
wurde neben der Bahnperiode von 5.6 Tagen noch eine weitere Periode von 294 Tagen erstmals<br />
entdeckt.<br />
Nach <strong>die</strong>sen frühen Entdeckungen, <strong>die</strong> bereits zeigten, wie wichtig <strong>die</strong> Hochenergie <strong>Astrophysik</strong> für<br />
das Verständnis wesentlicher Aspekte der Stern und Galaxien Entwicklung ist, beginnt 1991 eine neue<br />
Phase mit dem Start des Compton Observatory der NASA und seinen 4 Instrumenten.<br />
Das Compton Observatory<br />
• ZUSATZ (KURZBESCHREIBUNG: DAS COMPTON OBSERVATORY)<br />
Start April 1991. An Bord des Compton Observatory befinden sich<br />
1. BATSE das Burst and Transient Source Experiment [15 keV . . . 2 MeV], 0.6 sterad,<br />
2. COMPTEL das Compton Imaging Teleskop [1 MeV . . . 30 MeV], 1 sterad,<br />
3. OSSE das Oriented Scintillation Spectrometer Experiment [0.1 MeV . . . 10 MeV] 4 ◦ ×11 ◦<br />
4. EGRET das Energetic Gamma Ray Experiment [20 MeV . . . 30 GeV].<br />
Die Abbildungsgenauigkeit beträgt etwa 1 Quadratgrad.
1.3. GALAXIEN BEI ANDEREN FREQUENZEN 65<br />
Jedes der vier Instrumente an Bord des Compton Observatory hat wesentliche Entdeckungen gemacht,<br />
<strong>die</strong> ohne es nicht möglich gewesen wären. Es zeigt sich aber, daß Astronomie ganz wesentlich bisher<br />
auf optischer Identifizierung aufgebaut ist.<br />
EGRET:<br />
Das Energetic Gamma Ray Experiment<br />
EGRET, das Hochenergie Gamma Experiment hat bei seiner Himmelsdurchmusterung gezeigt, daß es<br />
Quellen gibt, <strong>die</strong> auch noch bei 30 GeV strahlen. Beispiele dafür sind der Krebsnebel in der Milchstraße<br />
und der Quasar 3C 273 in kosmologischer Entfernung (z = 0.158). Insgesamt 50 Punktquellen in der<br />
(Ebene der) Milchstraße mit Strahlung oberhalb von 100 MeV wurden entdeckt, aber nur 6 konnten<br />
identifiziert werden. Es sind <strong>die</strong>s klassische Pulsare, <strong>die</strong> vorher schon bekannt waren, und <strong>die</strong> in der<br />
Tabelle, (1.23), bei COMPTEL mit aufgeführt sind.<br />
Die Leuchtkraft der Milchstraße (MWG) oberhalb 100 MeV beträgt insgesamt L = 10 39 erg s −1 oder<br />
2.5 · 10 5 L⊙. Das ist nur 10 −5 der optischen Leuchtkraft.<br />
MWG: Lγ = 10 −5 Lopt<br />
Beeindruckend ist im Vergleich dazu, daß <strong>die</strong> Leuchtkraft bei einigen AGN im Gammabereich ein dex<br />
höher ist als im optischen.<br />
Ebenfalls in (Ebene der) Milchstraße gibt es eine diffuse Hintergrundstrahlung, <strong>die</strong> gut mit der Gasverteilung<br />
korreliert. Quelle <strong>die</strong>ser extrem hochenergetischen Strahlung sind unterhalb von 150 MeV<br />
Elektronen der kosmischen Strahlung (Bremsstrahlung an Atomen)<br />
und oberhalb <strong>die</strong> Protonen (Nukleon - Nukleon Wechselwirkung) der Grenzempfindlichkeit<br />
kosmischen Strahlung.<br />
einiger Surveys<br />
Die nebenstehende Tabelle gibt <strong>die</strong> Grenzempfindlichkeit einiger Name log ν [Hz] νIν [cgs]<br />
wichtiger Surveys. FIRST steht für ’Faint Images of the Radio Sky FIRST 9 −17<br />
at Twenty Centimeters’, ein Radio Katalog mit dem VLA. POSS ist IRAS 13 −11<br />
der ’Palomar Observatory Sky Survey’.<br />
POSS I 14.5 −13.5<br />
Ferner wurden 40 AGN von EGRET (AGN = active galactic nucleus) ROSAT 17.5 −14.5<br />
entdeckt, alle vom Blasar Typ und in kosmologischer Entfernung. EGRET 23.5 −10.5<br />
Die hochenergetische Strahlung wird vermutlich durch inverse Compton<br />
Streuung von optischen Photonen an relativistischen Elektronen Tab. 1.22: Surveys<br />
in den AGN erzeugt. Beeindruckend ist auch hier wieder, daß <strong>die</strong> Leuchtkraft bei einigen AGN ein dex<br />
höher ist als im optischen. Die Radio Galaxie PKS 0528 + 134 hat im Gammabereich eine Leuchtkraft<br />
von Lγ = 1011L⊙. • BEISPIEL (AGN ENTDECKT VON EGRET)<br />
Bei Gamma Energien E > 100 MeV wurden insgesamt 40 Quellen von EGRET entdeckt. Von <strong>die</strong>sen gibt <strong>die</strong> folgende<br />
Tabelle einige wichtige Beispiele. Bestimmt wird jeweils der spektrale Photonenfluß, den wir mit ˜ f bezeichnen wollen, mit<br />
hν = E:<br />
˜f = dfν/dν<br />
Ein Maß für <strong>die</strong> Leuchtkraft ist<br />
ν 2 ˜ f = νfν = f<br />
Typische Werte bei 1 GeV (2 × 10 23 Hz), <strong>die</strong> EGRET spektral nachweisen kann, sind 10 −7 [Photonen cm −2 s −1 GeV −1 ].<br />
Jedes Photon hat 10 −3 erg und für <strong>die</strong> Flussdichte f ergibt sich als typische Einheit f = 10 −10 cm −2 s −1 (entspr 10 13<br />
JyHz).<br />
Der erste Eintrag in der Tabelle ist ein Quasar aus dem Parkes Katalog von Radio Quellen, PKS 0208 − 512. Sein spektraler<br />
Fluß von 10 MeV bis 30 GeV ist ein reines Potenzgesetz, mit Spektralindex α = −1.7<br />
˜f = 10 −7 (E/GeV) −1.7 .
66 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />
Für den Quasar PKS 0528 + 134 gilt ganz analog ein reines Potenzgesetz, mit gleichem Fluß bei 1 GeV und mit ˜ f =<br />
10 −7 (E/GeV) −2.4 .<br />
Wo liegt das Maximum der Emission? Für PKS 0208 − 512 ist <strong>die</strong> Antwort einfach und erstaunlich: das Maximum liegt<br />
am oberen Ende der Nachweismöglichkeit von EGRET, bei 30 GeV. Die beiden Quasare 3C 273 und 3C 279 haben kein<br />
so einfaches Potenzgesetz und hier ist COMPTEL zuständig. Der Quasar 3C 273 hat sein Maximum der Leuchtkraft bei 1<br />
MeV (2 × 10 20 Hz), 3C 279 bei 10 MeV.<br />
AGN bei E > 100 MeV entdeckt von EGRET<br />
Name alt. l b f−6 α z L48 Rem<br />
Bez. Grad Grad cm −2 s −1 erg s −1 Rem<br />
0208 − 512 PKS 276 −62 0.4 −1.7 1.00 2 a)<br />
0528 + 134 PKS 191 −11 0.4 −2.4 2.06 4 b)<br />
1226 + 023 3C 273 290 +64 0.3 −2.4 0.158 0.008 c)<br />
1253 − 023 3C 279 305 +57 0.6 −1.8 0.54 0.3 d)<br />
1633 + 382 4C+38.41 61 +42 0.4 −2.0 1.81 3 e)<br />
Der Photonenfluß, f−6, ist in 10 −6 cm −2 s −1 angegeben. Dem entspricht der Energiefluß 10 −10 erg cm −2 s −1 .<br />
Anmerkungen zur Tabelle:<br />
a) stark variable (f−6 von 0.4 bis 0.9) Radio Quelle mit hartem Spektrum.<br />
b) stark variable (f−6 von 0.4 bis 1.6) Radio Quelle mit weichem Spektrum; L48(max) = 13.<br />
c) als einziger Quasar von COS B vor 1991 entdeckt.<br />
d) stark variabler (f−6 von 0.4 bis 4.9) Quasar mit hartem bis flachem Spektrum und variablem Index (α von −1.7 bis<br />
−1.98).<br />
e) stark variabler (f−6 von 0.4 bis 1.4) Quasar; L48(max) = 11.<br />
Der extremste Fall von Variabilität liegt beim Quasar 3C 279 vor: Innerhalb von Tagen variiert <strong>die</strong> Leuchtkraft (fast um<br />
einen Faktor 7) zwischen L = 3 × 10 47 erg s −1 und L = 2 × 10 48 erg s −1 , dabei variiert der Spektralindex α zwischen<br />
α = −1.98 und α = −1.7. Ein solcher Strahlungsausbruch (wie der vom 16 bis 28 Juni 1991) setzt eine Energie von<br />
2 × 10 48 × 10 5 erg oder 0.1M⊙c 2 im harten Gamma Bereich frei. Die Energie in den Bursts ist vergleichbar, nicht aber <strong>die</strong><br />
Zeitskala oder das Spektrum.<br />
COMPTEL:<br />
Das Compton Teleskop<br />
Die Ergebnisse der Himmelsdurchmusterung sind ähnlich für COMPTEL und EGRET. Zusätzlich kann<br />
COMPTEL allerdings Linien im Bereich 1 bis 30 MeV spektroskopieren. Für niedrigere Energien ist<br />
dagegen OSSE zuständig.<br />
Zwei radioaktive Elemente wurden entdeckt: 26 Al bei 1.809 MeV und 44 Ti bei 1.156 MeV. Die Halbwertszeit<br />
von 26 Al beträgt 0.770 Myr (e-folding time: 1 Myr) und <strong>die</strong> von 44 Ti nur 90 yr. Mit seiner<br />
grossen Halbwertszeit kann 26 Al benutzt werden, <strong>die</strong> Anreicherung der ISM aus Supernovae mit<br />
schweren Elementen wie 26 Al zu untersuchen. 44 Ti ist dagegen ein Indikator für junge Supernova<br />
Überreste. Tatsächlich findet man 26 Al entlang der galaktischen Ebene, in Richtung Orion und in Richtung<br />
der Spiralarme, 44 Ti wurde zuerst in Cas A entdeckt.<br />
• ZUSATZ (DIE 44 TI LINIEN)<br />
Der Zerfall von 44 Ti, bei dem 3 Linien entstehen, sieht folgendermassen aus<br />
44 T i K 44 Sc I K 44 Ca<br />
Dabei bedeutet K Konversion (Elektron Einfang) und I Isomerie (Emission eines Photons). 44 Ti hat zwei (Konversions)<br />
Linien bei 78.4 keV und 67.9 keV. Die Zerfallszeit beträgt τ = 85 yr. Im Gammabereich ist eine (Isomerie) Linie bei 1.156<br />
MeV (mit einem τ etwa 5.7 yr).<br />
Die 44 Ti Gamma- Linie (bei 1.156 MeV mit einem Gesamt - τ von etwa 90 yr) ist 1994 im Supernova Überrest Cas A und<br />
1998 in einem bis dahin unbekannten Supernova Überrest RX J0852.0 - 4622 gefunden worden. Die beobachtete Menge<br />
von 10 −4 M⊙ stimmt mit theoretischen Rechnungen, <strong>die</strong> vor der Entdeckung liegen, überein.
1.3. GALAXIEN BEI ANDEREN FREQUENZEN 67<br />
Eine der ersten Quelle, <strong>die</strong> von COMPTEL 1991 untersucht wurden, war Cen A. Beim Vergleich mit<br />
Messungen aus dem Jahre 1981 mit COS B zeigte sich, daß der Fluß sowohl variabel in der Intensität<br />
als auch im Spektralindex α ist.<br />
˜f = 10 −4 (E/MeV) α<br />
[Photonen cm −2 s −1 MeV −1 ]<br />
Die frühen Messungen ergaben α = −1, COMPTEL fand dagegen α = −7/4, das ist fast der doppelte<br />
Wert.<br />
Die Identifizierung von Quellen, deren Positionsgenauigkeit nur ein Quadrat Grad am Himmel beträgt,<br />
ist nur möglich, falls sie variabel sind, und das am besten simultan in verschiedenen Frequenzbereichen<br />
(Radio oder optisch). Wie <strong>die</strong> folgende Tabelle zeigt, sind von insgesamt 16 Radiopulsaren, <strong>die</strong> sonst<br />
noch außerhalb des Radio Bereichs strahlen, insgesamt 7 im Gamma Bereich über ihre Pulsperiode<br />
eindeutig nachgewiesen. Der Gamma Pulsar GRO J1744−28 ist dabei ein Sonderfall: seine Periode<br />
wurde sogar anhand der Gamma Daten gefunden. Wir kommen später auf ihn zurück.<br />
Die Identifizierung von extragalaktischen Quellen ist dagen sehr viel schwieriger, da <strong>die</strong>se keine reguläre<br />
Variabilität zeigen. Hier helfen Multiwellenlängen Beobachtungen weiter, wie wir bei BATSE<br />
besprechen werden.<br />
• ZUSATZ (IDENTIFIZIERTE QUELLEN)<br />
Ein extremes Beispiel, das zeigt, wie schwer es ist, eine mit dem Compton Observatory gefundene Quelle zu identifizieren,<br />
ist Geminga, der einzige isolierte Neutronenstern, der bisher aufgrund seiner Gammastrahlung entdeckt wurde. Die<br />
Quelle wurde erstmals 1975 mit dem SAS-2 Satelliten als Gamma Punktquelle (damals mit der Bezeichnung γ195 + 5)<br />
nachgewiesen. Die Periode wurde 1991 von ROSAT gefunden und von EGRET (nicht von COMPTEL) bestätigt.<br />
Der Pulsar PSR J0633+1746 (Geminga) ist der nächst gelegene (Entfernung D = 157 pc) γ−ray Pulsar mit einer Periode<br />
von P = 237 ms und einem formalen Alter von 30 kyr. Er ist mittlerweile in allen Frequenzbereichen nachgewiesen. Es<br />
handelt sich hierbei um einen nahen (<strong>die</strong> Parallaxe von 6 ′′ .4 · 10 −3 entspricht D = 157 pc), isolierten Neutronenstern, von<br />
dem nach 20 Jahren heroischer Anstrengungen alle astronomisch relevanten Daten gemessen sind.<br />
α = 06 : 33 : 54, δ = +17 : 46 : 11; (l = 195 ◦ b = 4.27 ◦ ) µα = 0.138 ′′ yr −1 , µδ = 0.097 ′′ yr −1<br />
Die Pekuliargeschwindigkeit beträgt v = 122 km s−1 , seine Periode von P = 237 ms ändert sich um ˙ P = 1.099 · 10−14 s<br />
s−1 . Für das Alter, τ = P/2 ˙ P , ergibt das 30 kyr. Dem entspricht ein Rotationsenergieverlustrate von Lrot = 3.2 · 1034 erg<br />
s −1 und eine Magnetfeldstärke von B = 1.5 · 10 12 Gauß. Die Verlustrate ist um 4 dex geringer als <strong>die</strong> des Krebspulsars,<br />
Geminga ist einer der schwächsten Pulsare.<br />
Die Leuchtkraft im Gamma Bereich beträgt, unter der Annahme isotroper Abstrahlung, Lγ = 1.5·10 34 erg s −1 . Vermutlich<br />
ist <strong>die</strong> Strahlung gebeamt (azimutal auf einen kleinen Öffnungswinkel konzentriert), da sonst der Wirkungsgrad der Umsetzung<br />
von Rotationsenergie in Gamma Energie unwahrscheinlich hoch wäre (Drehimpulstransport). Im optischen beträgt<br />
<strong>die</strong> bolometrische Leuchtkraft Lbol = 1 · 10 31 erg s −1 , was einer Temperatur von Teff = 2.5 · 10 5 K entspricht.<br />
Vollkommen unverstanden ist, warum Geminga praktisch keine Radiostrahlung hat, nachgewiesen wurde ein stark variabler<br />
Fluß bisher nur bei 102 MHz (extrapoliert auf 400 MHz ergibt das L400 = 0.1 mJy·kpc 2 oder L400 = 1 · 10 24 erg s −1 ).<br />
Eine Möglichkeit wäre <strong>die</strong> sehr spezielle Blickrichtung des Beobachters: Puls und Interpuls sind um exakt 180 auseinander,<br />
und wir scheinen es hier mit einem exakt orthogonalen Rotator zu tun zu haben.<br />
Die 16 Radiopulsare, für <strong>die</strong> Multiwellenlängen Nachweise außerhalb des Radiobereichs existieren, sind in der nebenste-
68 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />
henden Tabelle aufgeführt. Es handelt sich bei allen Objekten der<br />
Tabelle um isolierte Neutronensterne (keine Akkretion). Die Ein- Liste der 16 Multiwellenlängen PSRs<br />
träge sind nach dem Alter vorgenommen. Die jüngsten Pulsare PSR B opt EUV X X γ γ<br />
sind der Krebspulsar und sein Zwilling in LMC (LMC = Große 1950 soft hard soft hard<br />
Maghellansche Wolke).<br />
0531+21 P P P P P<br />
P bedeutet gepulst, D steht für Dauerquelle (wahrscheinlich ther- 0540-69 P P<br />
mische Strahlung). Alle sind also mindestens im Radio und im 1509-58 D P P P<br />
weichen Röntgenbereich nachgewiesen.<br />
0833-45 P P P P<br />
Der Gamma Pulsar PSR J0633+1746 = Geminga ist ein Sonder- 1706-44 D P<br />
fall. Er wurde 1975 als hellste γ-ray Quelle vom Compton Tele- 1800-21 D<br />
skop (Compton Observatory) entdeckt. Es dauerte dann bis 1995, 1823-13 D<br />
bis der Pulsar als nächst gelegene γ-ray Quelle auch optisch iden- 2334+61 D<br />
tifiziert werden konnte.<br />
1951+32 D P<br />
Die optischen Nachweise, <strong>die</strong> mit H gekennzeichnet sind, stam- 0656+14 H D P P<br />
men vom Hubble Space Teleskop (HST), <strong>die</strong> Röntgennachweise Geminga H P P P<br />
von ROSAT und Einstein.<br />
1055-52 P P<br />
Geminga ist auch im extremen UV von EUVE und im Röntgenbereich0355+54<br />
D<br />
als gepulste Quelle nachgewiesen, drei weitere sind Dauerquel- 1929+10 H D P<br />
len. Ob damit eine neue KLasse von Neutronensternen entdeckt 0823+26 D<br />
wurde (mit hoher räumlicher Dichte), muß sich erst noch zeigen. 0950+08 H D D<br />
Ganz neu ist <strong>die</strong> Entdeckung des Radiopulsars J1124−5916 mit<br />
einer Periode von 135 ms (und einem nominellen Alter τ=2.9 Tab. 1.23: 16 Multiwellenlängen PSR<br />
kyr) im Supernova Überrest G292+1.8 (Expansionsalter 1.6 kyr). Dieser Pulsar war vorher als Röntgen Punktquelle (von<br />
Chandra) entdeckt worden.<br />
BATSE:<br />
das Burst and Transient Source Experiment<br />
BATSE, mit einem Energiebereich von 15 keV bis 2 MeV, wurde speziell zur Untersuchung der Gamma<br />
Bursts gebaut, <strong>die</strong> in <strong>die</strong>sem Energiebereich ihr Maximum haben.<br />
Mehrere Tausend Bursts sind mittlerweile registriert, <strong>die</strong> Rate beträgt 1 bis 2 pro Tag.<br />
Es scheint mindestens drei verschiedene Klassen von Gamma Burst Quellen zu geben: soft Repeater<br />
(bisher drei an der Zahl, <strong>die</strong> hier in der Tabelle<br />
aufgeführt sind), ein echter Gamma Pulsar mit Pe-<br />
Daten zu den Gamma Repeatern<br />
riode P = 467 ms und, bisher jedenfalls, alle et-<br />
und zum Gamma Pulsar<br />
wa 2000 anderen Einzel Bursts. Die Einzel Bursts Name Bemerkung D<br />
können nochmals in kurze und lange unterteilt wer- SGR 0525−66 SNR N49 in LMC 50 kpc<br />
den (wobei <strong>die</strong> langen mit der Ebene der Supergala- SGR 1806−20 SNR G10.0−0.3 17 kpc<br />
xie korreliert sind).<br />
SGR 1900+14 SNR + GRS 1915 + 105<br />
Hier nur einige kurze Anmerkungen zu den soft<br />
Repeatern vorweg. Bei <strong>die</strong>sen handelt es sich nach<br />
Tab. 1.24: γ Repeater<br />
gängiger Meinung um Neutronensterne in Supernova Überresten. SGR 0525−66 in LMC ist <strong>die</strong> Quelle<br />
vom berühmten (5. März 79) Burst, einem der scheinbar hellsten überhaupt (mit periodischer Struktur<br />
von 8 s). Der eigentliche Burst dauerte nur 0.2 Sekunden, das gepulste Nachglühen etwa 200 s.<br />
Eine Analyse im Jahre 1995 von Fenimore (mit grossem Komputeraufwand) ergab ein typisches Burst<br />
Spektrum mit < E > = 200 keV. Insgesamt 17 Burst wurden von SGR 0525−66 nachgewiesen.<br />
Die beiden anderen soft Repeater Quellen sind in der Milchstraße ziemlich weit weg gelegen. Für <strong>die</strong><br />
Leuchtkräfte gilt als grobe Abschätzung (für nicht kosmologische Quellen) Lγ = 1 · 1039 (D/1kpc) 2<br />
erg s−1 . Die Leuchtkräfte liegen damit zwischen Lγ = 1 · 1041 und Lγ = 1 · 1043 erg.<br />
Der Gamma Pulsar GRO J1744−28 liegt in Richtung galaktisches Zentrum und ist etwa 8 kpc entfernt.<br />
Diese transiente harte Röntgenquelle (Energie: 20 bis 75 keV) wurde am 2ten Dezember 1995 anhand<br />
eines Ausbruchs von BATSE entdeckt, ist also als Gamma Burster zu klassifizieren. Es handelt sich<br />
dabei um einen neuen Typ von Röntgen-Transient, den ersten echten (Hochenergie) Röntgenpulsar mit
1.3. GALAXIEN BEI ANDEREN FREQUENZEN 69<br />
einer Periode von P = 467 Milli Sekunden, der gleichzeitig Bursts (vom Typ II) hat. Die Drehfrequenz<br />
wurde schneller (Akkretion mit Drehimpuls Übertrag) im Beobachtunszeitraum, ˙ν = 9.22·10 −12 s s −1 ,<br />
nach etwa 60 Tagen war eine deutliche Abflachung zu erkennen. Auch <strong>die</strong> Orbitalperiode konnte (von<br />
Finger et al., 1996) aus den Gamma Daten bestimmt werden: Porb = 11.8 d. Aus den Binärdaten (asini<br />
= 2.6 lt sec und f(m) = 1.3 · 10 −4 M⊙) folgt, daß der Begleitstern eine Masse von mindestens 1M⊙<br />
gehabt haben muß, um den Roche Lobe füllen zu können. Der optische Begleiter ist bisher noch nicht<br />
identifiziert.<br />
Letztere, <strong>die</strong> normalen Bursts und ihre kosmologischen Quellen (also <strong>die</strong> non Repeater), wollen wir im<br />
weiteren nur noch betrachten (weil sie evtl. in kosmologischer Entfernung liegen).<br />
Drei wichtige Punkte konnten mithilfe von BATSE geklärt werden:<br />
1. keine Wiederholung der Bursts innerhalb von 20 Jahren,<br />
2. <strong>die</strong> vollkommene Isotropie der Bursts und<br />
3. <strong>die</strong> Verteilung im Raum über logN - logf.<br />
Die Quellen konnten aber nicht identifiziert werden, d. h. es wurde kein Wirt (Galaxie oder Stern)<br />
in einem anderen Frequenzbereich gefunden. <strong>Astrophysik</strong>alisch ist <strong>die</strong>s eine interessante (und häufig<br />
anzutreffende) Situation. Eine neue Klasse von Objekten wird entdeckt, für <strong>die</strong> eine physikalische<br />
Erklärung fehlt. Hier hilft dann nur <strong>die</strong> Statistik weiter. Eine Frage, <strong>die</strong> schnell geklärt ist, ist <strong>die</strong> der<br />
Winkelverteilung der Quellen. Sind <strong>die</strong> Quellen isotrop verteilt? Falls ja, wie in <strong>die</strong>sem Falle, kommen<br />
praktisch nur drei Erklärungen infrage, <strong>die</strong> im Laufe der Zeit alle versucht wurden:<br />
1. das kosmologische Modell (relativistischer Feuerball)<br />
2. das galaktische Halo Modell (tote Neutronenstern)<br />
3. das solare Modell (unbekannte Objekte in der Oortschen Wolke).<br />
Wirkliche Isotropie ist dabei nur beim kosmologischen Modell gewährleistet. Beim Halo Modell stört<br />
<strong>die</strong> Andromeda Galaxie <strong>die</strong> beobachtete Isotropie, von der Verteilung der Kometen in der Oortschen<br />
Wolke ist zu wenig bekannt. Gegen das kosmologische Modell spricht hauptsächlich <strong>die</strong> Energiebilanz:<br />
Bei einer Leuchtkraft von<br />
Lγ = 1 · 10 39 (D/1kpc) 2<br />
erg s −1 (1.98)<br />
erhält man für einen typischen Burst mit 1 s Dauer und isotroper Strahlung<br />
Eγ = 1 · 10 40 (D/1kpc) 2<br />
erg s −1 (1.99)<br />
Bei einer kosmologischen Entfernung führt <strong>die</strong>s (D = 10 7 kpc) zu extremen Anforderungen an den<br />
Burst Mechanismus. Die freigesetzte Energie entspricht etwa M⊙c 2 , was schwierig zu bewerkstelligen<br />
ist, insbesondere bei Abwesenheit eines sichtbaren Wirts.<br />
Der 28 Februar 1997 brachte mithilfe von BeppoSAX (Beppo Satellite di Astronomia X) einen ersten<br />
Durchbruch bei der Identifizierung eines Gamma Bursts: GRB970228. BeppoSAX ist ein Gamma und<br />
Röntgen Beobachtungssatellit, der speziell auf das Aufspüren solcher Quellen konzipiert wurde: neben<br />
einem Gamma Detektor (Weitwinkel) hat er eine extrem genaue Röntgenkamera (Auflösung etwa 1 ′ )<br />
für <strong>die</strong> Untersuchung eines etwaigen Röntgennachglühens. In den in der Tabelle (1.25) aufgeführten<br />
Fällen ist es damit 1997 gelungen, anhand von Folgeuntersuchungen, <strong>die</strong> Quellen der Ausbrüche optisch<br />
und im Radiobereich zu identifizieren und damit das kosmologische Modell zu bestätigen.<br />
Der 23 Januar 1999 brachte mithilfe von ROTSE den zweiten Durchbruch bei der Identifizierung eines<br />
Gamma Bursts: GRB990123. Das Robotic Optical Transient Search Experiment beinhaltet 4 zusammengeschaltete<br />
opt. Teleskope mit CCD, <strong>die</strong> innerhalb 3 Sekunden jeden Punkt am Himmel erreichen<br />
können. Die Grenzhelligkeit beträgt 15 Magnituden.
70 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />
• ZUSATZ (GAMMA BURSTS)<br />
Gamma-ray bursts (GRB) sind einmalige Ausbrüche hochenergetischer Gamma Strahlung, sie werden nach dem Datum<br />
ihrer Registrierung katalogisiert.<br />
Beispiel: GRB970228 ist der Ausbruch vom 28. Februar 1997.<br />
Gamma Bursts wurden erstmals 1969 von Militärs registriert und ihre Existenz 1973 veröffentlicht. Die primären Gamma<br />
Bursts bestehen aus Photonen mit Energien zwischen 0.1 und 1 MeV.<br />
Der Ausbruch vom 28. Februar 1997 markiert eine erste Wende, im Versuch herauszufinden, woher <strong>die</strong> GRBs kommen.<br />
Mithilfe des BeppoSAX wurde zunächst <strong>die</strong> dem Gamma Burst zugeordnete Röntgen Quelle entdeckt, und mit <strong>die</strong>ser<br />
Position wurde dann das optische Gegenstück gefunden.<br />
Zur Illustration der Leuchtkraft und Energie Verhältnisse betrachten wir den bisher energetischsten, den Gamma Burst<br />
GRB990123, mit einer Absorptions Rotverschiebung von z = 1.6. Es<br />
ist der letzte Eintrag in nebenstehender Tabelle.<br />
Im optischen wäre er mit mV = 8.86 mit einfachem Feldstecher (allerdings<br />
nur wenige Minuten lang) zu sehen gewesen. Auf <strong>die</strong> Entfernung<br />
von 11 Gpc umgerechnet (was z = 1.6 bei 2h = 1 entspricht), sind<br />
das im optischen Lopt = 5·10 49 erg s −1 . Dem entspricht eine optische<br />
Leuchtkraft von mehr als Lopt = 10 16 L⊙. Das Maximum im optischen<br />
war um 700 Sekunden zeitversetzt zum Gamma Burst. Dieser wurde<br />
von ROTSE bereits 20 Sekunden nach dem Ausbruch im Gamma Bereich<br />
(also noch auf dem im optischen ansteigenden Ast) entdeckt.<br />
Im Radio konnte GRB990123 ebenfalls nachgewiesen werden. Der<br />
Fluß betrug allerdings nur f = 2 · 10 −4 Jy bei etwa 8 GHz, was derzeit<br />
an der Nachweisgrenze liegt.<br />
Das Energie Maximum liegt allerdings im Gamma Bereich. Starke<br />
Gamma Bursts wie <strong>die</strong>ser, haben Flüsse von fγ = 4 · 10 −6 erg cm −2<br />
Daten zu optisch<br />
identifizierten Gamma-ray bursts<br />
Burst E−7 z E<br />
Datum erg cm −2 erg<br />
GRB970508 20 0.835 2 · 10 51<br />
GRB971214 100 3.418 1 · 10 53<br />
GRB980425 40 0.0085 7 · 10 47<br />
GRB980703 500 0.966 1 · 10 53<br />
GRB990123 40 1.6 4 · 10 54<br />
Tab. 1.25: opt. GRBs<br />
s −1 und Fluß Energien (engl. fluence) von E = f · ∆t = 3 · 10 −4 erg cm −2 . Für eine Dauer von etwa 100 Sekunden war<br />
<strong>die</strong> Leuchtkraft bei Lγ = 2 · 10 52 erg s −1 oder Lγ = 10 19 L⊙. (Im Verhältnis zum optischen mit Lopt = 5 · 10 49 erg s −1<br />
oder Lopt = 10 16 L⊙ ist das ein Promille). Etwa 20 Sekunden nach Ausbruch betrug Lγ sogar (etwa 5 Sekunden lang)<br />
Lγ = 10 20 L⊙, das ist mehr als alle Galaxien des Universums im optischen ausstrahlen. Die Gesamtenergie belief sich auf<br />
Eγ = 3 · 10 54 erg (oder auf E = 1.5M⊙c 2 ) am Ort der Quelle.<br />
Das Nachglühen des Gamma Bursts GRB990123 wurde im Radio (bei 4.8 GHz und 15 GHz), im optischen und im Röntgen<br />
Bereich nachgewiesen. Der mittlere Spektralindex für den Fluß, fγ ∝ ν β , zwischen Radio (ab 100 GHz), optisch und<br />
Gamma beträgt β = −0.671.<br />
Der GRB980425 in einer Entfernung von nur 50 Mpc (z = 0.0085) mit einer Energie von E = 7·10 47 erg ist ein Sonderfall,<br />
wie aus der Tabelle hervorgeht.<br />
• ZUSATZ (NACHGLÜHEN DER GAMMA BURSTS)<br />
Die Dauer des Gamma Bursts GRB990123 ist energieabhängig. Sie betrug etwa 40 Sekunden bei der höchsten Energie, im<br />
Kanal 320 keV bis 1.8 MeV, und 100 Sekunden im Kanal 25 bis 230 keV.<br />
Das Nachglühen im optischen, um 700 Sekunden zeitversetzt zum Gamma Burst, kann für <strong>die</strong>sen Burst beschrieben werden<br />
durch eine Funktion der Form<br />
m = mo(t/to) α<br />
; α = −1.14 ; to = 1 d ; mo = 21<br />
• ZUSATZ (AUSFÜHRLICHE RECHNUNG ZUR KOSMOLOGIE: ENERGIE DER GAMMA BURSTS)<br />
Die Gesamt Fluß Energie (fluence) des Gamma Pulses beträgt<br />
E = f · ∆t = 3 · 10 −4<br />
erg cm −2<br />
(2 MeV cm −2 ), etwa 0.3% der optische Anteil, und der Fluß ist<br />
fγ = 4 · 10 −6<br />
erg cm −2 s −1<br />
Umgerechnet auf <strong>die</strong> Entfernung<br />
Dl = (1 + z) zc<br />
H = 5 · 1028 (2h) −1<br />
beträgt demnach <strong>die</strong> Leuchtkraft im Maximum<br />
Lobs = 4πfoD 2 l = 1 · 10 53<br />
erg s −1<br />
cm = 11 Gpc
1.3. GALAXIEN BEI ANDEREN FREQUENZEN 71<br />
Mit unserer Formel für <strong>die</strong> Gesamtenergie und obigem Dl = 11 Gpc ergibt sich<br />
Ee = 4πD 2 �<br />
1<br />
l<br />
1 + z<br />
fodto = 3 · 10 54<br />
erg<br />
Überträgt man <strong>die</strong>ses Ergebnis auf GRB als astronomische Klasse, dann reichen, wie Pachynski vorhergesagt hat, <strong>die</strong><br />
Energien sogar darüber hinaus, was wichtig ist für ein mögliches Erklärungsmodell.<br />
OSSE:<br />
Das Oriented Scintillation Spectrometer Experiment<br />
Mit einem Spektralbereich von [0.1 MeV bis 10 MeV] und einer Winkelauflösung von (4 ◦ ×11 ◦ ) ist<br />
OSSE das am noch besten geeignete Instrument zum Nachweis der Positronium Vernichtungslinie bei<br />
0.511 MeV.<br />
Am 25 November 1970 wurde erstmals in Richtung Galaktisches Zentrum <strong>die</strong> Positronium Vernichtungslinie<br />
bei 0.511 MeV nachgewiesen. Der Fluß an Gamma Quanten betrug etwa 10 −2 cm −2 s −1 (bei<br />
einem Hintergrund von etwa der Hälfte <strong>die</strong>ser Rate). Mit leichten Intensitätsschwankungen (Maximum<br />
1977) wurde <strong>die</strong> Quelle bis zum 20 November 1981 in 7 Messungen von unabhängigen Gruppen nachgewiesen.<br />
Von <strong>die</strong>sem Datum an, wo <strong>die</strong> Quelle erstmals verschwunden war, blieb sie bis zum 1 Mai<br />
1988 bei drei Messungen unentdeckt. Danach war sie bis zur letzten Messung am 29 Oktober 1988<br />
aktiv, allerdings bei reduzierter Rate (nämlich von 1.46·10 −2 cm −2 s −1 auf 0.99·10 −2 cm −2 s −1 ).<br />
Seit dem Start des Compton Observatory im Jahr 1991 ist <strong>die</strong> Quelle inaktiv. Was nachgewiesen wird,<br />
mit besserer spektraler Auflösung und besserer Richtgenauigkeit ist eine ausgedehnte, diffuse Linienstrahlung<br />
• ZUSATZ (DIE 26 AL LINIE)<br />
Der Zerfall von 26 Al, bei dem eine Gamma Linie von 1.81 MeV entsteht, sieht in 82 % der Fälle folgendermassen aus:<br />
26 Al β + 26 Mg ∗<br />
I<br />
26 Mg<br />
Dabei bedeutet I Isomerie (Emission eines Photons). Die Zerfallszeit beträgt τ = 0.74 Myr.
72 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />
1.4 Die Metagalaxie<br />
1.4.1 Die 3 Stufen der Hierarchie im Überblick<br />
Die Milchstraße heißt ab jetzt MWG und <strong>die</strong> Andromeda Galaxie M31. Die nächsten Stufen der Hierarchie,<br />
<strong>die</strong> wir betrachten werden, sind<br />
1. <strong>die</strong> Lokale Gruppe mit MWG und M31 als Zentren (mit einem Radius R = 1.8 Mpc),<br />
2. der Virgo Haufen (R = 20 Mpc) mit (M49, M58, M60, M84, M86, M87, M100, M101) und<br />
3. der Virgo Superhaufen (R = 60 Mpc).<br />
Das führt bereits auf das bisher ungelöste Problem der kosmologischen Entfernungsbestimmung.<br />
1.4.2 Superhaufen<br />
Die größte bisher gefundene (Dichte) korrelierte Volumeneinheit haben <strong>die</strong> Superhaufen mit einer<br />
Abmessung von etwa (100 Mpc) 3 = 10 6 Mpc 3 . Dabei kann ein Superhaufen sowohl einen positiven<br />
Dichtekontrast gegenüber seiner Umgebung aufweisen, als auch einen negativen: man spricht dann im<br />
letzteren Fall von Leerraum (engl. void). Um solche Räume aufzufinden, reicht es nicht, zwei dimensionale<br />
(2D) Korrelationen zu betrachten (wie das früher nur möglich war), sondern <strong>die</strong> Rotverschiebung<br />
muß als dritte Dimension hinzukommen. Das bedeutet, es müßen Spektren bestimmt werden (von ohnehin<br />
schwachen Quellen, nämlich von Sternen in Galaxien oder von der 21 cm H Gas Linie). Eines<br />
der Grossprojekte ist hier der Sloan Digital Sky Survey, SDSS, der von 200 Millionen Sternen Position<br />
und Leuchtkraft in 5 Frequenzbändern bestimmt, mit Rotverschiebungen von 1 Million Objekten.<br />
Das ist zeitaufwendig, erste Ergebnisse (von sehr kleinen Himmelsausschnitten) liegen aber bereits<br />
vor. Der Durchmesser des Virgo Superhaufens, bei dem wir als Mitglied am Rande liegen, beträgt<br />
etwa 120 Mpc. So weit reichen lokale Methoden der Entfernungsbestimmung (noch) nicht, <strong>die</strong> hellsten<br />
Cepheiden kann man noch bis zum Virgo Haufen in etwa 20 Mpc Entfernung nachweisen.<br />
1.4.3 Daten und Kataloge<br />
Optische Kataloge<br />
Einige Kataloge optischer Quellen haben wir schon im Zusammenhang mit der Entfernungsbestimmung<br />
innerhalb der Milchstraße kennengelernt. So <strong>die</strong> Bonner Durchmusterung (1859/62) von F. W.<br />
Argelander mit ihren BD Nummern. Für den Südhimmel <strong>die</strong> Südliche Bonner Durchmusterung (SD)<br />
und <strong>die</strong> Cordoba Durchmusterung (CD). Ferner der Henry Draper Katalog mit seinen HD Nummern.<br />
Hierbei handelt es sich um Sternkataloge. Ferner den berühmten Katalog von Messier, der nebelartige<br />
Objekte enthält, <strong>die</strong> bis zum Virgo Haufen reichen.<br />
• ANMERKUNG (BEZEICHNUNGEN UND KATALOGE)<br />
Viele der bekannteren (optischen) Kataloge sind mittlerweile historisch. Mit M werden <strong>die</strong> Objekte im Katalog von Messier<br />
bezeichnet. M33 (Triangulum Nebel) ist das Objekt mit der Nummer 33 in <strong>die</strong>sem Katalog und wirklich ein Nebel. Messier<br />
war Kometenforscher und der Katalog war eine Zusammenstellung von nebelartigen Objekten, <strong>die</strong> er nicht zu beachten<br />
brauchte, da es sich nicht um Kometen handelte.<br />
M1 ist der Krebsnebel in der Milchstraße, M32 und M33 sind Begleitgalaxien zu Andromeda (M31) im Abstand von etwa<br />
700 kpc.<br />
Auch der Virgo Haufen im Abstand von R = 20 Mpc ist mit M49, M58, M60, M84, M86, M87 vertreten. Das Zentrum<br />
wird von M87 gebildet.<br />
Weitere berühmte (optische) Kataloge (für Galaxien = Nebel) sind<br />
1. GC für ’General Catalogue’, ein Katalog von (Vater und Sohn) Herschel.
1.4. DIE METAGALAXIE 73<br />
2. NGC für ’New General Catalogue’ von J. L. E. Dreyer (Irland, 1888)<br />
3. IC für ’Index Catalogue’, <strong>die</strong> Fortsetzung von NGC.<br />
Daneben gibt es (optische) Spezialkataloge, z. B. von Abell und Zwicky (Galaxienhaufen) und von Arp<br />
(peculiar galaxies), <strong>die</strong> selbst wieder auf früheren Katalogen beruhen (plus eigenen Beobachtungen).<br />
Der Hubble Atlas of Galaxies (Sandage, 1961). Der Reference Catalogue of Bright Galaxies. (G. de<br />
Vaucouleurs, A. de Vaucouleurs und G. Corwin, 1976)<br />
Der Shapley-Ames Catalog (SA) enthält 1249 Galaxien heller als 13te Magnitude, also <strong>die</strong> hellsten Galaxien.<br />
Sandage und Tammann haben ihn überarbeitet und erneut herasgegeben als Revised Shapley-<br />
Ames Catalog (RSA), mit einem Appendix von weiteren 827 Galaxien. Anhand des Shapley-Ames<br />
Catalogs, der 1932 erstellt wurde, hat de Vaucouleurs den Virgo Superhaufen identifiziert. Die Milchstraße<br />
liegt auch hier am Rande. Ähnlich wie wir in Richtung galaktisches Zentrum mehr Sterne sehen<br />
als in Rischtung Antizentrum, so sieht man in Richtung Virgo Superhaufen mehr helle Galaxien als in<br />
Gegenrichtung.<br />
Anhand von 342 Galaxien des Shapley-Ames Katalogs, <strong>die</strong> alle zum Virgo Haufen gehören und deren<br />
Blauhelligkeiten mB < 16 erfüllen, haben van den Berg und Tammann, [VT91], (bis 1991) folgende<br />
Mittelwerte für Leuchtkraft<br />
L = 2.5 · 10 10 L⊙(B) (1.100)<br />
und Supernova Raten R bestimmt:<br />
R = 25[100yr10 10 L⊙(B)] −1<br />
(1.101)<br />
Das liefert 80 Supernovae pro Jahr für alle 342 Galaxien. Die Aufteilung in <strong>die</strong> verschiedenen Typen<br />
ist wie folgt<br />
II:Ib/c:Ia 4.0:0.8:1.8<br />
Ein wichtiges Hilfsmittel ist ferner der Palomar Observatory Sky Survey (POSS). Er wurde (ab 1950<br />
in mehreren Jahren) aufgenommen und enthält auf 579 Doppelseiten (mit Blau und Rotfilter) den<br />
vollständigen Nordhimmel bis herunter zur Deklination δ = −33 ◦ in Segmenten von 6 ◦ × 6 ◦ . Dieser<br />
wurde nach 1980 nochmals aufgenommen, sodaß Sterneigenbewegungen (innerhalb von 30 Jahren)<br />
stu<strong>die</strong>rt werden können.<br />
Der POSS war <strong>die</strong> Grundlage für Abell (1958, mit 2712 Einträgen) und für Zwicky et al. (1961 bis<br />
1968, mit 9134 Einträgen) bei der Zusammenstellung ihrer Kataloge von Galaxienhaufen. Abell wählte<br />
Rotverschiebungen im Bereich 0.02 < Z < 0.2, was ein Volumen von fast 10 9 Mpc 3 ergibt.<br />
Radio Kataloge<br />
Stellvetretend für <strong>die</strong> vielen Radio Kataloge seien 2 nunmehr historische und 2 moderne Kataloge von<br />
Radioquellen erwähnt<br />
1. 3C für ’Third Cambridge Catalogue’ (Nordhalbkugel, 1959), 471 Quellen bei 177 MHz mit<br />
I > 9 Jy.<br />
2. PKS, ditto von Parkes (Südhalbkugel);<br />
3. NVSS (NRAO/VLA Sky Survey) mit 2 Millionen Einträgen,<br />
4. FIRST (Faint Images of the Radio Sky at 20 cm Catalog) mit 270 Tausend Einträgen.<br />
Röntgen Kataloge<br />
Die historischen Kataloge von Röntgenquellen, nach denen <strong>die</strong> stärksten ihre Namen haben, sind<br />
1. 3U für ’Third Uhuru Catalogue’<br />
2. 2E Einstein
74 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />
Moderne Kataloge<br />
Die ESA Mission (von 1989.85 bis 1993.21) des Astrometrie Satelliten Hipparcos hat zwei Kataloge<br />
erbracht: den Hipparcos Catalogue ( J. Kovalevski, [Kov98] ’First Results from Hipparcos’)<br />
mit 120 000 Einträgen besonders genau vermessener Sterne und den Tycho Catalogue mit 1 052 031<br />
Einträgen. Die Positionsgenauigkeit des Hipparcos Catalogue beträgt 2 mas für 117 955 Sterne mit<br />
m < 8.5 Magnitude, bei den hellsten ist sie besser als 1 Milli Bogensekunde (mas). Die mittlere Sterndichte<br />
(an Referenzsternen) beträgt mit dem Hipparcos Catalogue 3 Sterne pro Quadratgrad. Etwa 10%<br />
sind visuelle Doppelsterne (12 195). Für den Tycho Catalogue lauten <strong>die</strong> Daten: Positionsgenauigkeit<br />
(im Mittel) 26 mas mit m < 11.5 Magnitude.<br />
• LITERATUR (EIN KATALOG DER KATALOGE)<br />
Einen Überblick über moderne Kataloge findet man im IAU Symp. Nr. 179, (abgehalten in Baltimore, 1996) mit dem Titel<br />
’New Horizons from multi-wavelength sky surveys’; [MG98].<br />
Die ADC Datenbank enthält Zugang zu mehr als 300 Katalogen.<br />
Der HST Guide Star Catalog (GSC) enthält 40 Millionen Sternpositionen, Genauigkeit 0.25 arcsec.<br />
Der USNO-A1.0 Katalog (des U. S. Naval Observatory) enthält 488 006 860 Einträge.<br />
Der Palomar Observatory Sky Survey liegt mittlerweile in digitalisierter Form vor.<br />
Neu und sehr nützlich ist<br />
1. Skyview, ein Internet Zugang zu verschiedenen Archiven unter http:<br />
skyview.gsf.nasa.gov mit Daten von IRAS, ROSAT, COBE, EUVE und EGRET.<br />
2. Die Milchstraße in verschiedenen Frequenzen unter http:<br />
adf.gsfc.nasa.gov/adf/adf.html als Poster.<br />
Galaxienklassifizierung<br />
Die ursprüngliche Galaxienklassifizierung von Hubble kannte 4 Typen:<br />
1. normal elliptisch (E), Unterteilung (E0) bis (E7),<br />
2. lenticular (L), später aufgeteilt und in (S0) bzw. (SB0) umbenannt,<br />
3. Spiralsysteme mit den beiden Klassen<br />
(a) normale Spiralsysteme (S),<br />
(b) Balken Spiralsysteme (SB),<br />
jede nochmals mit der Fein Unterteilung (Sa) bis (Sc),<br />
4. irreguläre Systeme (I).<br />
Wir führen sie hier auf, da sie häufig noch zur groben Klassifizierung benutzt werden.<br />
• ZUSATZ (ELLIPTIZITÄT (En) BEI ELLIPTISCHEN GALAXIEN)<br />
Die Elliptizität bei normal elliptisch (En) Galaxien ist definiert durch<br />
n =<br />
a − b<br />
a<br />
wobei a <strong>die</strong> grosse Halbachse, b <strong>die</strong> kleine Halbachse der Ellipse sind. In guter Näherung sind solche elliptische Galaxien<br />
Rotationsellipsoide, welche unter dem Inklinationswinkel i gesehen werden. Flachere Ellipsoide als n = 7 (E7) sind<br />
nicht bekannt. Eine wichtige Eigenschaft, <strong>die</strong> Auskunft über <strong>die</strong> Entwicklung gibt, ist: elliptische Galaxien haben kein<br />
(nachweisbares) Gas und keine jungen (massiven) Sterne.
1.4. DIE METAGALAXIE 75<br />
• ZUSATZ (BEDEUTUNG DES KERNS BEI SPIRALSYSTEMEN)<br />
Die Bedeutung des Kerns nimmt bei Spiralsystemen von S0 → Sc ab, <strong>die</strong> der Spiralarme nimmt zu.<br />
Der Buchstabe B in (SB) bedeutet Balken. SB-Galaxien haben zusätzlich zum Spiralsystem noch einen Balken im Zentrum.<br />
(S0) und (SB0) Galaxien haben ebenfalls kein (nachweisbares) Gas und keine jungen (massiven) Sterne.<br />
Ab (Sa) gibt es Gas und junge (massive) Sterne in den Galaxien, <strong>die</strong> irregulären Systeme (I) und (IB)<br />
werden von jungen Sternen dominiert. Der Gasanteil (in Form von HI) in verschiedenen Galaxientypen<br />
wächst von Null (E und S0 Typ) auf etwa 20% bei irregulären. MWG (Gasanteil 5%) und Andromeda<br />
wurden von Hubble als (Sb) klassifiziert, LMC und SMC als (Im).<br />
Die Hubble Sequenz teilt sich ab E7 auf in Spiralgalaxien ohne und mit Balken<br />
E0 . . . E3 . . . E7<br />
S0 - Sa - Sb - Sc - I<br />
SB0 - SBa - SBb - SBc - IB<br />
Dieses grundlegende Schema der Galaxienklassifizierung wurde von Hubble in seinem Buch The<br />
Realm of the Nebulae erstmals vorgestellt. Die Vorstellung war <strong>die</strong> einer Entwicklung (analog der der<br />
Sterne), Galaxien ganz links wurden als frühe, solche ganz rechts als späte Typen bezeichnet. Die Einordnung<br />
des Typs (S0) ist problematisch. Tatsächlich gibt es Eigenschaften, <strong>die</strong> sich längs der Hubble<br />
Sequenz stetig ändern:<br />
1. Der Gasanteil nimmt von (E0) nach (Im) zu.<br />
2. Die Supernova-Rate nimmt ebenfalls zu.<br />
3. Die Radio bzw. Röntgen Leuchtkräfte nehmen (von links nach rechts) zu.<br />
4. Die Alter der Objekte nehmen ab.<br />
Die <strong>die</strong>ser Galaxienklassifizierung zugrunde liegenden Photoplatten wurden posthum von Sandage im<br />
The Hubble Atlas of Galaxies veröffentlicht. Im Shapley-Ames Catalog (SA) sind alle Galaxien von<br />
Sandage und Tammann nach <strong>die</strong>sem Hubble Schema klassifiziert.<br />
In Konkurrenz dazu gibt es Galaxienklassifizierungen von G. de Vaucouleurs, von Morgan (Yerkes<br />
Klassifizierung) und von S. van den Bergh (DDO Klassifizierung).<br />
• ZUSATZ (BAADES KONZEPT DER POPULATIONEN)<br />
1943 gelang es Baade erstmals, bestimmte Sternklassen in M31 und den Begleitgalaxien M32, NGC 147, 185 und 205<br />
aufzulösen. Er fand, daß verschiedene Galaxientypen verschiedene Typen von Sternen beherbergen, <strong>die</strong> er Populationen<br />
nannte.<br />
Population I<br />
beinhaltet junge, massereiche Sterne (Typ O und B) oder Überriesen (Typ K und M). Sie kommen in irregulären<br />
Systemen und in den Armen von Spiralsystemen vor. Sie sind <strong>die</strong> Progenitoren der Supernovae vom Typ II und Ib/c.<br />
Population II<br />
enthält alte, massearme Sterne im Riesenstadium (Typ G5 bis K5). Sie kommen in normal elliptischen (E) und<br />
lenticularen (S0) Galaxien, in den Kernen von Spiralsystemen vom Typ Sa und Sb und in den Kugelsternhaufen der<br />
Milchstraße vor. Sie sind <strong>die</strong> Progenitoren der Supernovae vom Typ Ia.<br />
Ausnahmen von der Regel sind junge Sterne in den Kernen von Spiralsystemen vom Typ Sa und Sb (z. B. im Zentrum der<br />
Milchstraße) und Pulsare bzw. ’blue straggler’ (vermutlich junge Objekte) in (alten) Kugelsternhaufenen. Dazu gehören<br />
ferner Supernovae vom Typ II und massive Röntgensysteme weit weg von der Galaktischen Ebene. Hier bietet sich als<br />
Erklärung an, daß <strong>die</strong>se durch Schnellläufer (Binärsysteme nach einer ersten Supernova Explosion) dorthin transportiert<br />
wurden (wie z. B. im Falle des Krebsnebels plus Pulsar).<br />
Neben <strong>die</strong>sen 4 Hubble-Typen, mit denen der Grossteil der Galaxien abgedeckt wird, gibt es noch Son-
76 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />
derfälle, engl. peculiar galaxies. Diese sind besonders interessant, es handelt<br />
sich um gestörte Galaxien (Kollision oder Verschmelzung). Sie geben (heute<br />
noch) Auskunft über <strong>die</strong> Wechselwirkung und Dynamik von Galaxien unter<br />
extremen physikalischen Bedingungen, wie sie bei der Urbildung im Kosmos<br />
geherrscht haben mögen.<br />
Die extremsten Exemplare in der Metagalaxie (bis zu 100 Mpc Entfernung<br />
von der Milchstraße) sind <strong>die</strong> elliptischen cD Galaxien, <strong>die</strong> sich im Zentrum<br />
von Galaxienhaufen befinden (c = cluster), mit einer riesenhaft ausgedehnten<br />
Hülle (D = diffus), deren Radius etwa 1 Mpc erreicht (mit einer Masse von<br />
bis zu 1 · 1013M⊙). Das A hinter dem Namen des Galaxien-Haufen bedeutet,<br />
daß <strong>die</strong> Galaxie als starke Radio Quelle bekannt ist. Typische Radioleuchtkräfte<br />
sind 1042 erg s−1 Typ cD Galaxien<br />
NGC Galaxien<br />
Nummer Haufen<br />
253<br />
4486<br />
5128<br />
1316<br />
4881<br />
1265<br />
Sculptor<br />
Virgo A<br />
Centaurus A<br />
Fornax A<br />
Coma A<br />
Perseus A<br />
.<br />
Tab. 1.26: cD Galaxien<br />
Die Tabelle enthält einige bekannte Galaxien Haufen und <strong>die</strong> NGC Nummer der Zentralgalaxie vom<br />
Typ cD.<br />
NGC 253 ist eine nahe, gut untersuchte Starburst-Galaxie mit einem beträchtlichen Anteil an Gas und<br />
Staub. Sie ist <strong>die</strong> dominierende elliptische Galaxie der Sculptor Gruppe.<br />
• FORMELN (UMRECHNUNG WAHRE HELLIGKEIT)<br />
Zum Umrechnen von Magnituden M in optische Leuchtkräfte L gilt genähert für Galaxien<br />
L = 10 10 dex(0.4[−M − 20.3])L⊙<br />
(1.102)<br />
Eine einfache Begründung <strong>die</strong>ser empirischen Formel folgt.<br />
Für <strong>die</strong> Milchstraße mit ihren N∗ = 1011 leuchtenden Sternen ist <strong>die</strong> Sonne ein typischer Vertreter. Ihre Daten sind der<br />
nebenstehenden Tabelle zu entnehmen. U − B ist eine abgekürzte Schreibweise für<br />
mU − mB.<br />
Für <strong>die</strong> Klassifizierung von ganzen Galaxien nach Leuchtkräften und Farbe ist <strong>die</strong><br />
astronomische Daten der Sonne<br />
Sonne und ihr Spektrum demnach für Galaxien (vom Typ der Milchstraße) eine geeignete<br />
Grundlage für <strong>die</strong> einfachste Näherung, in der alle Sterne gleich sind. Um<br />
nach Morgan das integrierte Spektrum alle N∗ Sterne der Galaxis zu erhalten, werden<br />
wir also annehmen, daß für <strong>die</strong> Leuchtkraft der gesamten Galaxie<br />
L⊙ 3.9·1033 erg s−1 f⊙ 1.36·106 erg cm−2 s−1 V⊙ −26.78<br />
MV 4.79 BC = −0.07<br />
L∗ = N∗ × L⊙<br />
gilt und daß das Spektrum mit dem der Sonne übereinstimmt. In nächster Näherung U − B = 0.10; B − V = 0.62<br />
kann man dann Korrekturen, je nach Galaxientyp, für Blau- und Rot-Helligkeit anbringen,<br />
<strong>die</strong> nicht mit denen der Sonne übereinstimmen müßen.<br />
Tab. 1.27: Sonne<br />
Für <strong>die</strong> Umrechnung Leuchtkraft L aus absoluter Helligkeit M gilt (mit den Werten der Tabelle)<br />
L = 3.02 · 10 35 · 10 −0.4M erg s −1 (1.103)<br />
mit der Umkehrung<br />
Mbol = 4.72 m − 2.5 m lg(L/L⊙) (1.104)<br />
und Analoges für <strong>die</strong> verschiedenen Farbhelligkeiten. Für <strong>die</strong> Umrechnung wahre Helligkeit f aus scheinbarer Helligkeit<br />
m gilt<br />
f = 2.52 · 10 −5 · 10 −0.4m erg cm −2 s −1 (1.105)<br />
• FORMELN (DIE GALAKTISCHE LEUCHTKRAFTFUNKTION Φ(L))<br />
Achtung: mit M ist hier Magnitude, nicht Masse, gemeint.<br />
Die galaktische Leuchtkraftfunktion Φ(M) ist <strong>die</strong> Anzahldichte (von Galaxien) im Magnituden-Intervall [M, M + dM].<br />
Die Normierung ist also<br />
�<br />
Φ(M)dM = (N/V )<br />
Dabei ist N <strong>die</strong> Anzahl der Galaxien im Volumen V . In guter Näherung gilt <strong>die</strong> von Schechter (1976) gefundene Funktion<br />
Φ(M) = Φ ∗ (0.4ln10) exp(−dex[0.4(M ∗ − M)]) (1.106)
1.4. DIE METAGALAXIE 77<br />
mit empirischen Konstanten Φ ∗ und M ∗ . Äquivalent dazu gilt für <strong>die</strong> Leuchtkraft<br />
Φ(L) = (Φ ∗ /L ∗ )(L ∗ /L) exp(−L/L ∗ ) (1.107)<br />
Diese Verteilung muß irgendwo für kleine L abbrechen, da das Integral logaritmisch divergiert; <strong>die</strong> Leuchtkraft ist allerdings<br />
endlich.<br />
= −20.3 +5log(2h) mit<br />
Für <strong>die</strong> Blau-Helligkeit sind <strong>die</strong> empirischen Konstanten Φ∗ = 5 · 10−3 (2h) 3 Mpc−3 und M ∗ B<br />
den Beobachtungen des SA-Katalogs verträglich. Einem M ∗ B = −20.3 entspricht L∗B = 5 · 1010L⊙. Besser geeignet sind <strong>die</strong> IR Werte, da hier <strong>die</strong> Mehrzahl der Sterne einer Galaxie strahlt. Man findet für das K-Band<br />
identische Werte für Φ∗ = 5 · 10−3 (2h) 3 Mpc−3 und für M ∗ K = −24.6 +5log(2h). Galaxien sind zwar intrinsisch rot, <strong>die</strong><br />
Blau-Helligkeit ist aber ebenfalls zur Charakterisierung geeignet.<br />
Wir haben bewusst vereinfacht, der Ansatz für <strong>die</strong> allgemeine Schechter Funktion lautet<br />
Φ(L) = (Φ ∗ /L ∗ )(L/L ∗ ) α exp(−L/L ∗ ) (1.108)<br />
Neurere, wesentlich umfangreichere Beobachtungen, haben gezeigt, daß selbst <strong>die</strong>ser Ansatz für <strong>die</strong> Leuchtkraft Funktion<br />
insbesondere für den leuchtschwachen Anteil (MR > −17.5) ungeeignet ist. Die Daten des Las Campanas Redshift Survey<br />
(1996) von 19 Tausend Galaxien liefern darüber hinaus α = −0.7 (anstatt α = −1) für MR < −17.5.
78 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />
• ANMERKUNG (DIE GALAXIENKLASSIFIZIERUNG VON HUBBLE)<br />
Ein Versuch, Galaxien zu klassifizieren, ist nach morphologischem Galaxientyp (Hubble und Zwicky: Aussehen auf der<br />
Photoplatte) und nach Leuchtkräften bzw. Farbe (Morgan: integrierte Spektren der Sterne). Nach Morgan werden irreguläre<br />
Systeme mit Typ a (Sternspektren B, A, F) bezeichnet. Elliptischen Galaxien, S0-Galaxien und <strong>die</strong> Kerne von Sa-Galaxien<br />
haben Typ k (Sternspektren wie K-Riesen). Daneben gibt es Zwischentypen af, f, fg, g und gk. Dem entspricht eine Variation<br />
der Farbe von Blau nach Rot.<br />
Die Tabelle gibt repräsentive Beispiele für <strong>die</strong> 4 Typen der Galaxienklassifizierung von Hubble. Angegeben sind NGC<br />
Klassifizierung und numerische Verschlüsselung der Galaxientypen<br />
Morphologischer Kode vis. H. Radius Bsp. Masse<br />
Galaxientyp Hubble de Vauc. T MV kpc NGC M⊙<br />
extrem kompakt elliptisch cE −6<br />
zwergenhaft elliptisch dE E −5 −17.5 147<br />
normal elliptisch En −4 4486 4 · 10 12<br />
riesenhaft elliptisch E + / cD S0 − −3 1000 4881 1 · 10 13<br />
Spiralsysteme S0/a S0 + 0 4976 4 · 10 12<br />
Scheiben mit Spiralarmen Sa Sa 1 15 2811 2 · 10 12<br />
Sa-b Sab 2 (1291)<br />
(ohne: S bzw. mit: SB Sb Sb 3 −21.9 20 2841 6 · 10 11<br />
Balken) Sb-c Sbc 4 (1300)<br />
Sc Sc 5 −21.5 30 628 3 · 10 11<br />
Sc-d Scd 6 (7741)<br />
Sd Sd 7 7793<br />
Sc-Irr Sdm 8 1 · 10 10<br />
Sm 9<br />
irreguläre Systeme Irr Im 10 −16.5 1 · 10 9<br />
irreguläre kompakte Systeme cI 11<br />
vis. Helligkeit MV (Sonne) = 4.79; Hubble Konstante 2h = 1<br />
Beispiele in Klammern: Galaxien mit Balken<br />
Tab. 1.28: Galaxientypen<br />
Nummern für jeweils <strong>die</strong> Haupttypen, in Klammern sind Galaxien mit Balken aufgeführt.<br />
Die Werte für <strong>die</strong> Ra<strong>die</strong>n und Massen in der Tabelle sind Mittelwerte für 2h = 1. Bei den Scheiben mit Spiralarmen ist <strong>die</strong><br />
leuchtende Masse gemeint.<br />
Die Leuchtkraftklassen reichen von I (gut ausgeprägte Spiralstruktur, hohe Flächenhelligkeit) bis V (Zwergsysteme).<br />
Galaxien, deren absolute Helligkeit M < −15 erfüllt (entspricht etwa L > 10 8 L⊙) haben ausgeprägte Kerne (Gebiete<br />
hoher Sterndichte), weniger helle haben keine Kerne.
1.4. DIE METAGALAXIE 79<br />
1.4.4 Überblick: Komponenten der Metagalaxie<br />
Die Bezeichnung Metagalaxie ist heute nicht mehr gebräuchlich. Wir benutzen sie hier für den Bereich,<br />
der noch mit der Newtonsche Gravitationstheorie beschrieben werden kann, bis z = 0.3. Das ist gerade<br />
der Bereich, der durch <strong>die</strong> klassischen Kataloge abgedeckt wird. Bis hierher reicht auch <strong>die</strong> 21cm H-<br />
Linie zur Entfernungsbestimmung.<br />
Vergleichsquellen<br />
Zwei Quellen haben den Status universeller Prototypen erlangt, auf <strong>die</strong> Messungen an anderen Objekten<br />
oft bezogen werden: Der Krebsnebel in einer Entfernung von 2 kpc und der radio-laute Quasar 3C<br />
273 in einer Entfernung von 0.9 Gpc. Sie sind dadurch ausgezeichnet, daß sie besonders stark sind und<br />
im gesamten bisher überhaupt nachgewiesenen elektromagnetisch Spektrum lückenlos aktiv sind.<br />
Von 10 12 Hz bis 10 21 Hz verläuft das Spektrum bei beiden praktisch parallel, an den beiden Enden, bei<br />
10 8 Hz und bei 10 24 Hz, gewinnt der Quasar 1 dex.<br />
Von historischen Aufnahmen ist bekannt, daß beide Quellen stark variabel sind. Im Krebsnebel werden<br />
<strong>die</strong> Klumpungen, <strong>die</strong> da leuchten, wisps genannt und deren zeitliche Änderung activity (Aufleuchten).<br />
Bei 3C 273 hat man erstmals zeitliche Änderungen in einem jet (Strahl) mit Überlichtgeschwindigkeit<br />
gefunden. Die Zeitskala der Intensitäts- Änderungen beträgt Wochen bis Jahre, <strong>die</strong> Amplitude 0.3 dex.<br />
• ZUSATZ (DER KREBSNEBEL)<br />
Bei einer Entfernung von 2 kpc gilt für <strong>die</strong> Gesamtstrahlung des Nebels (optisch plus Röntgen)<br />
L Crab = 10 38<br />
erg s −1 = LEdd(M⊙) (1.109)<br />
Das entspricht der Eddingtonschen Grenzleuchtkraft für einen akkretierenden Neutronenstern. Die Synchrotron Strahlung<br />
des Nebels im Röntgenbereich, wo das Maximum liegt, wird erzeugt von relativistischen Elektronen. Diese haben eine<br />
Lebensdauer, <strong>die</strong> viel geringer ist, als das Alter des Nebels. Relativistische Elektronen müßen also ständig nachgeliefert<br />
werden. Das war ursprünglich ein Problem, da <strong>die</strong> Quelle nicht bekannt war. Heute wissen wir, daß <strong>die</strong> Leuchtkraft aufrecht<br />
erhalten wird durch den Verlust an Rotationsenergie des Radiopulsars<br />
L Crab = ˙ Erot = IΩ ˙ Ω ; Erot =<br />
�<br />
I<br />
2 Ω2<br />
�<br />
(1.110)<br />
Die Größen Ω = 2π/P und ˙ Ω sind direkt meßbar, das Trägheitsmoment von etwa I ≈ M⊙R2 = 1045 g cm2 folgt aus der<br />
Theorie der Neutronensterne.<br />
Der Krebsnebel (M1 = NGC 1952), ist ein Supernova Überrest aus dem Jahr 1054 mit einem Neutronenstern als Radiopulsar<br />
im Zentrum. Der Krebsnebel ist dabei im optischen fast mit blossem Auge zu sehen, mV<br />
starke Quelle. Die Radioleuchtkraft (bis 10 GHz) des Nebels ist 3 dex<br />
= 8, ist also eine extrem<br />
kleiner, L10GHz = 1 · 1035 erg s−1 .<br />
Der Pulsar im Nebel ist ebenfalls extrem stark (und mit einem guten<br />
Spektrum des Krebsnebels<br />
UKW Empfänger zu empfangen). Im Radiobereich ist der Pulsar un- von bis Φν Index<br />
terhalb von 100 MHz sogar stärker als der gesamte Krebsnebel, im (Hz) (Hz) Jansky n<br />
Röntgenbereich beträgt <strong>die</strong> gepulste Komponente etwa 10% des Nebels,<br />
ab etwa 1 MeV sind 100% gepulst. Die Ränder des Spektrums<br />
werden also durch den Pulsar bestimmt.<br />
Das Spektrum reicht bis VHE (very high energy, GeV) und UHE (ultra<br />
high energy, TeV). Diese Photonen werden mit atmosphärischen<br />
107 1012 1040 · (ν/109 ) n 2 · 10<br />
−0.30<br />
13 3 · 1015 1.8 · (ν/1015 ) n 10<br />
−0.85<br />
16 1019 1.2 · (ν/1018 ) n −1.15<br />
Schauer Experimenten anhand der erzeugten Čerenkov-Strahlung<br />
Tab. 1.29: Krebsnebelspektrum<br />
nachgewiesen. Die TeV Komponente ist mit L TeV = 2 · 10 34 erg s −1 noch enorm hoch, sie erreicht 10% der gesamten<br />
Radioleuchtkraft des Nebels.<br />
Der Quasar 3C 273 ist im Radiobereich eine Doppelquelle, <strong>die</strong> durch einen jet verbunden ist. Der Anfang<br />
(Komponente B) fällt mit dem optischen Quasar zusammen, das Ende (Komponente A) mit der<br />
Radio Quelle. Die Radio Leuchtkraft der Komponente A ist 4mal stärker als <strong>die</strong> optische (Komponente
80 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />
B). Beide Komponenten scheinen sich mit zehnfacher Lichtgeschwindigkeit voneinander wegzubewegen.<br />
Diese beobachteten (scheinbaren) Überlichtgeschwindigkeiten stellten zunächst ein grosses Problem<br />
dar, da <strong>die</strong> Spezielle Relativitätstheorie solches nicht erlaubt, jedenfalls nicht als Signalgeschwindigkeit.<br />
Die heute allgemein akzeptierte Erklärung des Phänomens lautet denn auch, daß es sich um eine<br />
relativistische Phasengeschwindigkeit entlang eines Strahls handelt. Beobachtet wird das Aufleuchten<br />
des jet, was senkrecht zur Sichtlinie zu einer Winkeländerung der Quelle von<br />
dθ = dte(v/re) sin θ und zu dx = re∆θ = dte(v sin θ)<br />
wobei re der Abstand zwischen Quelle und Beobachter ist. Die dazu benötigte Zeit ist <strong>die</strong> aus der<br />
Hertzschen Lösung bekannte retar<strong>die</strong>rte Zeit<br />
to = te + re<br />
c mit ∆to = ∆te + ∆re<br />
c = ∆te(1 − β cos θ)<br />
Damit wird <strong>die</strong> Phasengeschwindigkeit<br />
vo = dx<br />
dto<br />
β sin θ<br />
= c<br />
1 − β cos θ<br />
Falls β und θ geeignet gewählt werden, kann dabei vo ≫ c erreicht werden.<br />
• ZUSATZ (DER QUASAR 3C 273)<br />
Er wurde als Radioquelle entdeckt, da war seine Entfernung allerdings noch nicht bekannt<br />
L 10GHz = 1 · 10 44<br />
3C 273 ist mit mV = 13 der hellste optische Quasar<br />
f 3C273<br />
vis<br />
= 1 · 10 −10<br />
erg s −1 (1.111)<br />
erg s −1 cm −2<br />
Im Gegensatz zum Krebsnebel ist er aber nur von grossen Observatorien aus nachweisbar (etwa COMPTEL im Gamma Bereich<br />
oder IRAS im Infraroten). Mit z = 0.158 beträgt seine Entfernung 0.9 Gpc. Daraus folgt für <strong>die</strong> optische Leuchtkraft<br />
etwa<br />
Lopt = 10 46<br />
erg s −1 (1.112)<br />
Das ist <strong>die</strong> Leuchtkraft von etwa 10 9 Krebsnebeln. (Ähnlich wie beim Krebsnebel gibt es auch einen IR Exzess.) Die<br />
Röntgen Leuchtkraft, [1. . . 10] keV, ist etwa doppelt so groß<br />
LX = 2.5 · 10 46<br />
erg s −1 (1.113)<br />
Der Quasar 3C 273 hat sein Maximum der Leuchtkraft jedoch erst bei Eγ = 1 MeV, was ν = 2 × 10 20 Hz entspricht.<br />
Lγ = 10 47<br />
erg s −1 (1.114)<br />
Das ist an beiden Enden des Spektrum <strong>die</strong> Leuchtkraft von etwa 10 11 Krebsnebeln.<br />
Das aktuelle Modell der Milchstraße<br />
Im folgenden gilt, daß Größen, <strong>die</strong> sich auf <strong>die</strong> Milchstraße beziehen, den Index ∗ erhalten. Bisher<br />
haben wir <strong>die</strong> Milchstraße in zwei Komponenten aufgeteilt: <strong>die</strong> stark abgeplattete Scheibe mit ihren<br />
Spiralarmen, (hauptsächlich Sterne der Population I, Höhe je nach Sternklasse bis zu 1 kpc), mit einem<br />
Radius von etwa 10 kpc und den sphärischen Halo (Sterne der Population II) mit einem Radius von<br />
etwa 20 kpc. Diese Vorstellung galt bis etwa zur der Mitte des 20ten Jahrhundert, das Konzept der<br />
Sternpopulationen wurde von Baade zunächst an Andromeda entdeckt und dann auf <strong>die</strong> Milchstraße<br />
übertragen. Bis etwa 1976 glaubte man, daß der direkte gravische Einfluß unserer Galaxis höchstens
1.4. DIE METAGALAXIE 81<br />
bis etwa 50 kpc reicht, also nicht bis zu den beiden Maghellanschen Wolken, LMC und SMC. Diese<br />
selbst wurden als eigenständige, nicht mehr an <strong>die</strong> Milchstraße gebundene Galaxien angesehen.<br />
Der Bereich jenseits 20 kpc bis etwa 200 kpc wird jetzt Korona (um ihn vom Halo zu unterscheiden)<br />
genannt und es wurde frühzeitig spekuliert, daß hier ein grosser <strong>Teil</strong> der Dunkelmaterie versteckt sein<br />
könnte. Aus der sichtbaren (d. h. leuchtenden) Materie, mit einer Leuchtkraft von etwa<br />
L∗ = 2.5 · 10 10 L⊙ = 10 44<br />
erg s −1<br />
innerhalb einem Radius von etwa 10 kpc, kann man nämlich nur auf eine Masse von maximal<br />
M∗ = 2 · 10 11 M⊙<br />
schließen. Es ist üblich, <strong>die</strong> Masse M auf <strong>die</strong> spezifische Leuchtkraft zu normieren und <strong>die</strong>se auf<br />
<strong>die</strong>jenige der Sonne (M⊙/L⊙) zu beziehen, also für <strong>die</strong> Milchstraße innerhalb einem Radius von etwa<br />
10 kpc<br />
M∗/L∗ = 8(M⊙/L⊙)<br />
Dieses Verhältnis nimmt nach außen um 1 dex zu. Nach der dazu gehörenden Dunkelmaterie der Korona<br />
wird intensiv gesucht.<br />
Die direkte Methode, schwach leuchtende Objekte zu finden, besteht darin, eine Langzeitbeobachtung<br />
an ausgewählten Stellen am Himmel durchzuführen. Beispiele solcher Untersuchungen sind<br />
1. das Hubble Deep Field (North)<br />
2. das Hubble Deep Field (South) im optischen und<br />
3. Lockmans Loch mit ROSAT.<br />
Eine (indirekte) Methode, unsichtbare gravitierende Objekte aufzuspüren, bietet das Mikrolensing (Abbildung<br />
von starken optischen Hintergrundquellen durch Sterne im Halo oder in der Korona der Milchstraße).<br />
Seitdem findet man aber immer weiter entfernte Kugelsternhaufen und Satelliten (Zwerggalaxien), deren<br />
Pekuliargeschwindigkeiten (bezogen auf das galaktische Zentrum) Keplersch sind. Etwa hundert<br />
Kugelsternhaufen befinden sich im Halo zwischen 20 und 220 kpc<br />
vom Zentrum der Galaxis entfernt, und zwischen 100 und 220 kpc<br />
sind es immerhin noch vier Zwerggalaxien und zwei Kugelsternhaufen.<br />
Um <strong>die</strong>se noch gravisch zu dominieren, muß an Dunkelmaterie etwa<br />
20mal soviel (im Halo bzw. in der Korona) vorhanden sein, also<br />
etwa M = 2 · 10 12 M⊙, davon M = 4.5 · 10 11 M⊙ innerhalb von 50<br />
kpc (LMC), Tendenz steigend.<br />
Das aktuelle Modell der Milchstraße sieht damit wie in der Tabelle<br />
Modell der Milchstraße<br />
Komponente Radius Masse<br />
kpc 10 11 M⊙<br />
Scheibe 10 1<br />
Halo 20 2<br />
Korona 250 20<br />
Tab. 1.30: Modell der MWG<br />
angegeben aus. Die Höhe der Scheibe beträgt etwa 1 kpc, <strong>die</strong> Masse der Korona ist bestimmt an 12<br />
Zwerggalaxien.<br />
Unter Metagalaxie verstehen wir im folgenden alles, was über unsere Galaxis (MWG = milky way<br />
galaxy) hinausgeht und noch als Sternansammlung aufgelöst (und spektoskopisch vermessen) werden<br />
kann.<br />
Nachbargalaxien<br />
Zur Metagalaxie zählen wir hier zunächst <strong>die</strong> Lokale Gruppe (MWG plus SMC, LMC und Andromeda<br />
= M31 plus M32 und M33). Ferner alle Galaxien bzw. Galaxiengruppen bis zum Zentrum des Virgo<br />
Haufens (M84, M86, M87).
82 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />
Die Milchstraße ist, ebenso wie <strong>die</strong> Andromeda Galaxie, Zentralgalaxie der Lokalen Gruppe, welche<br />
mittlerweile aus mindestens 40 weiteren Galaxien besteht (es werden auch hier immer neue, leuchtschwache<br />
Zwerggalaxien entdeckt).<br />
• BEISPIEL (DIE WICHTIGSTEN NACHBARGALAXIEN: DIE LOKALE GRUPPE)<br />
Im folgenden geben wir einige Daten der wichtigsten Galaxien der Lokalen Gruppe. Die vielen leuchtschwachen Zwerggalaxien<br />
spielen bei der Dynamik keine Rolle, sie sind ideale Testmassen zum Ausmessen des Gravitationsfeldes. Erstaunlicherweise<br />
unterscheiden sich <strong>die</strong> Zwerggalaxien sehr stark in ihrer Chemie; das gilt mittlerweile auch für <strong>die</strong> Kugelsternhaufen.<br />
Die bekanntesten Exemplare der Lokalen Gruppe sind in der nebenstehenden Tabelle aufgeführt. Es handelt sich um <strong>die</strong><br />
nach Leuchtkraft L und Masse M wichtigsten Mitglieder<br />
der Lokalen Gruppe: wir = MWG und M31 plus jeweils<br />
zwei nahe Satelliten. Alle anderen bisher bekannten Mitglieder<br />
sind Zwerggalaxien.<br />
Die Masse, M, der Galaxie ist hier in Einheiten von<br />
M⋆ = 10 9 M⊙ angegeben, das ist <strong>die</strong> typische Einheit<br />
für Zwerggalaxien. Gleiches gilt für <strong>die</strong> Leuchtkraft: L ist<br />
in Einheiten von L⋆ = 10 8 L⊙ angegeben.<br />
D ist der Durchmesser in kpc und Dist ist <strong>die</strong> Entfernung<br />
in kpc. und h der Abstand von der gemeinsamen Ebene<br />
(welche senkrecht zum Gesamt Drehimpuls steht) in<br />
kpc. Die Lokale Gruppe ist physisch praktisch eine Doppelgalaxie,<br />
<strong>die</strong> dominanten Mitglieder sind wir (MWG =<br />
Milchstraße) und M31 (Andromeda), mit einem Abstand<br />
von etwa 770 kpc. Allerdings handelt es sich vermutlich<br />
nicht um eine Kreisbahn, auf der <strong>die</strong> beiden Zentren sich<br />
Daten der Lokalen Gruppe<br />
Name Typ M D Dist MV L h<br />
M⋆ kpc kpc L⋆ kpc<br />
MWG Sb 200 30 – −20.5 250 0<br />
LMC Irr 20 7 50 −18.8 30 3<br />
SMC Irr 2 3 57 −16.8 6 −60<br />
M31 Sb 400 30 725 −21.2 250 0<br />
M32 E3 2 8 725 −16.4 3 +35<br />
M33 Sc 40 14 795 −19.1 40 +160<br />
M⋆ = 10 9 M⊙; L⋆ = 10 8 L⊙<br />
Tab. 1.31: Nachbargalaxien<br />
bewegen, sondern eher um einen zentralen Stoß (Relativgeschwindigkeit der Zentren: etwa 120 km s −1 ).<br />
Mit Typ ist hier <strong>die</strong> Klassifizierung von Hubble gemeint (S steht für spiral und E für elliptisch). Für <strong>die</strong> zwei Maghellanschen<br />
Wolken ist hier noch Irr = irregulär angegeben, eine neuere Klassifikation ist für LMC: Sb(s)m und für SMC:<br />
Sb(s)mp.<br />
Weitere, hier nicht aufgeführte, Mitglieder der Milchstraße sind: Sagittarius, Ursa Minor, Draco, Sextans, Sculptor, Carina,<br />
Fornax, Leo II, Phoenix und NGC 6822. Beide, Milchstraße und M31 haben jeweils 12 Satelliten. Dazu kommen noch<br />
leuchtschwache, isolierte Zwerggalaxien wie Leo I, Tucana, Pegasus.<br />
Die Milchstraße hat zwei größere, nahe Satelliten: <strong>die</strong> Große Maghellansche Wolke (LMC) und <strong>die</strong> Kleine Maghellansche<br />
Wolke (SMC). (Relativgeschwindigkeit LSR - LMC v = 275 km s −1 ). Dem entsprechen bei Andromeda (M31) <strong>die</strong><br />
Satelliten M32 und M33. Die Masse von Andromeda ist etwa doppelt so groß wie <strong>die</strong> der Milchstraße, auch <strong>die</strong> Zahl<br />
der bekannten Kugesternhaufen ist doppelt so groß (355 im Vergleich zu 150).<br />
Die Mitglieder der Lokale Gruppe liegen praktisch in einer Ebene. Wir (d. h. das Zentrum der Milchstraße)<br />
bewegen uns mit etwa 120 km s −1 (ältere Abschätzungen geben 90 km s −1 ) auf Andromeda<br />
zu (Relativgeschwindigkeit der beiden Schwerpunkte), was eine Zeit von etwas weniger als 5 Gyr bis<br />
zur Kollision ergibt (das allerdings nur, falls <strong>die</strong> Bewegung wirklich hauptsächlich radial ist). Diese<br />
Geschwindigkeit ist jedoch nicht direkt bestimmbar, für den LSR ist vpec = −299 km s −1 .<br />
Die Große Maghellansche Wolke, <strong>die</strong> Kleine Maghellansche Wolke, Andromeda (M31) mit M32 und<br />
Triangulum (M33) sind heute das, was <strong>die</strong> offenen Sternhaufen und <strong>die</strong> Kugelsternhaufen einmal für<br />
Sterne waren (und jetzt für Pulsare sind): Sie sind ideal geeignet zur Eichung und zum Vergleich<br />
(Chemie, zeitliche Entwicklung) iher astronomischen Mitglieder, da ihre Entfernungen gut bekannt<br />
und für alle Mitglieder gleich sind. Es reichen dann Vergleichsmessungen.<br />
• ZUSATZ (WICHTIGE NEUERE ENTDECKUNGEN)<br />
Die folgende Liste ist, um einen ersten Eindruck zu vermitteln, eine nicht repräsentative Aufzählung wichtiger neuerer<br />
Entdeckungen an Objekten und an Eigenschaften von Objekten in unserer nächsten Nachbarschaft, <strong>die</strong> zeigen, wie wichtig<br />
<strong>die</strong>se für <strong>Astrophysik</strong> (und Kosmologie) sind (eine systematische Darstellung folgt):<br />
1. Kleine Maghellansche Wolke: Erstentdeckung einer neuen Klasse von Röntgensternen: den supersoft sources (SSS).<br />
Die erste SSS, <strong>die</strong> als solche (von ROSAT) erkannt wurde, war RX J0048.4−7332. Auch <strong>die</strong> erste Röntgenquelle<br />
in SMC, SMC X-1, gehört dazu. Eine weitere (RX J0058.6−7146) wurde beobachtet, wie sie innerhalb eines Tages<br />
anging.
1.4. DIE METAGALAXIE 83<br />
2. Große Maghellansche Wolke: Erste Supernova seit Kepler (1604), <strong>die</strong> mit unbewaffnetem Auge ( m = 4.74) 1987<br />
etwa 124 Tage lang (Maximum, mit m = 3, am 86ten Tag) beobachtbar war. Und damit möglich: Erste rein geometrische<br />
Entfernungsbestimmung anhand der Expansion der Schale des Supernova Überrests von SN 1987A. D = 50<br />
kpc. Erster extragalaktischer Neutrino Nachweis. Erster Nachweis radioaktiver Elemente und Entdeckung von Gamma<br />
Linienstrahlung.<br />
3. Andromeda: (Entfernung 770 kpc. Entfernungsmodul m − M = 24.48.) Letzte Supernova 1885. Wichtigste Begleitgalaxien<br />
sind M32 und M33. Weitere 9 Satelliten sind bekannt. In bzw. um M31 kennt man (Stand 1999) 335<br />
Kugelsternhaufen, 403 offene Sternhaufen (Assoziationen) und 150 Röntgenquellen. Auch <strong>die</strong> Masse des Zentrums<br />
von M31 hat man versucht zu bestimmen. Es wird vermutet, daß auch hier im Zentrum ein Schwarz-Loch-Kandidat<br />
vorhanden ist, mit einer Masse von 3 · 10 7 M⊙ (früher 2 · 10 8 M⊙).<br />
4. M32: Sogar <strong>die</strong> kleine Begleitgalaxie M32 ist ein Schwarz-Loch-Kandidat, allerdings mit einer Masse von 8 ·<br />
10 6 M⊙.<br />
5. M33: In M33 (Triangulum Nebel) wurde das erste extragalaktiche Molekül entdeckt, H2O. Mithilfe von H2O Masern<br />
wurde erstmals eine extragalaktische Entfernung geometrisch (interferometrisch) bestimmt.
84 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />
1.4.5 Die Lokale Gruppe<br />
Überblick<br />
Die wichtigsten Mitglieder der Lokalen Gruppe haben wir in Tabelle (1.31) bereits kennengelernt.<br />
Die beiden uns am nächsten benachbarten Galaxien sind:<br />
1. <strong>die</strong> Große Maghellansche Wolke, (LMC = large magellanic cloud)<br />
Masse: M = 2 · 10 10 M⊙; Modul: m − M = 18. m 5, Entfernung D = 50 kpc.<br />
2. <strong>die</strong> Kleine Maghellansche Wolke, (SMC = small magellanic cloud)<br />
Masse: M = 2 · 10 9 M⊙; m − M = 18. m 9, Entfernung D = 57 kpc.<br />
Die SMC, mit etwa 10 % an Masse von LMC, ist selbst Satellit von LMC (also gravisch an sie gebunden)<br />
und nur etwa 7 kpc weiter (von unserem LSR) entfernt. Die Entfernungsangabe bezieht sich<br />
auf das jeweilige Zentrum der Galaxie. Dies wird, je nach Autor und Bestimmungsmethode, etwas<br />
unterschiedlich angegeben, dadurch ergeben sich auch heute noch kleine Abweichungen für <strong>die</strong> Entfernungsangaben<br />
in der Literatur (und in unserer Darstellung).<br />
• ANMERKUNG (BEZEICHNUNGEN UND KATALOGE)<br />
Die Maghellanschen Wolken wurden bereits von Herschel (1847) untersucht und ihre Objekte (meist Sternhaufen) katalogisiert.<br />
Sein New General Catalogue of Nebulae and Clusters, NGC, enthält 919 für LMC und 214 für SMC. Moderne<br />
Spezialkataloge gibt es für fast alle Arten von astronomisch interessanten Objekten: Sternhaufen, Sterne und Supernova<br />
Überreste.<br />
1.a. Sternhaufen<br />
Moderne Kataloge von Sternhaufen gibt es von<br />
1. Kron (1956) K<br />
2. Lindsay (1958) L<br />
3. Brück (1975, 1976) Br<br />
4. Shapley und Lindsay (1963) SL<br />
5. Lynga und Westerlund (1963) LW<br />
6. Hodge (1988) H<br />
Die ersten drei beziehen sich auf SMC und enthalten zusammen etwa 601, <strong>die</strong> letzten drei auf LMC mit 2000 Sternhaufen.<br />
Der neueste, umfassende Katalog von Sternhaufen von LMC stammt von Kontizas (1990) mit 1762 Sternhaufen.<br />
1.b. OB Stern Assoziationen<br />
Der Katalog von Lucke und Hodge ist <strong>die</strong> Standardreferenz für OB Stern Assoziationen in LMC<br />
1. Lucke und Hodge (1970) LH<br />
mit 122 Objekten. Die Ra<strong>die</strong>n der Assoziationen liegen zwischen 1’ und 20’, was bei D = 50 kpc etwa 15 und 300 pc<br />
entspricht. Die Identifizierung der Assoziationen ist hier im Vergleich zur Milchstraße wesentlich erleichtert. Helle, blaue<br />
Sterne sind selten und ihr Dichtekontrast kann sehr gut bestimmt werden. Das Alter der Assoziationen ist nur für wenige<br />
bestimmt worden und liegt zwischen 2 (für LH10) und 5 Myr (für LH9 und LH58).<br />
Für SMC gibt es nichts vergleichbares, da <strong>die</strong> Anzahl der OB Stern Assoziationen gering ist. Die Identifizierungen gehen<br />
noch auf Shapley (1956) zurück (NGC 346, NGC 456-460-465 und NGC 602). Das Alter liegt zwischen 5 und 10 Myr. Das<br />
Tripel NGC 456-460-465 könnte ein Beispiel für sequentielle (d. h. getriggerte) Assoziationenbildung (auf einer Zeitskala<br />
von 10 Myr) sein.<br />
2. Sterne<br />
Ein wichtiger Katalog für Sterne ist von Feast et al. (1960) erstellt worden, mit der Bezeichnung R (Radcliffe Observatorium)<br />
für seine Objekte.<br />
1. Feast et al. (1960) R<br />
2. Sanduleak, Nicholas (1969) Sk<br />
Der Stern Sk−69 ◦ 202 (also Stern Nr. 202 im Katalog Sanduleak) ist der Progenitor der Supernova SN 1987A in LMC.<br />
3.Röntgenquellen<br />
Ein wichtiger Katalog für (ursprünglich 97) Röntgenquellen (Sterne und Supernova Überreste), basierend auf den Daten des<br />
Einstein Satelliten, stammt von Long, Helfand und Grabelsky (1981), [LHG81],. Er wurde von Wang und Helfand (1991),<br />
[WH91], überarbeitet und auf 105 Einträge erweitert. Diese tragen <strong>die</strong> Bezeichnungen CAL (Columbia Astrophysical<br />
Laboratory) für seine 105 Objekte. Viele neue Quellen wurden von ROSAT (Röntgen Satellit) gefunden.
1.4. DIE METAGALAXIE 85<br />
Es handelt sich hier (bei den Maghellanschen Wolken) um eigenständige Galaxien mit von unserer<br />
Milchstraße stark abweichender chemischer Entwicklungsstufe, eigenständiger Sternbildung, Molekülwolken,<br />
Pulsaren etc. und deren Alter. Selbst Kugelsternhaufen werden hier anscheinend noch<br />
geboren, wie in M31 auch.<br />
Ein Gasstrom, der sog. Magellanic Stream, entdeckt 1974 von Mathewson et al. und mit einer geschätzten<br />
H - Masse von M = 10 8 M⊙, reicht in seiner Länge etwa bis zur Milchstraße, ist aber entgegengesetzt<br />
gerichtet (Schwanz). Das derzeit beste Modell erklärt <strong>die</strong>sen als Auswirkung der Gezeitenkraft<br />
der Milchstraße auf <strong>die</strong> beiden Wolken. Der in <strong>die</strong>sem Modell zu erwartende Kopfstrom wurde 1998<br />
von Putman und 25 weiteren Radioastronomen, [PGBa98], mithilfe der 21 cm Emission von neutralem<br />
Wasserstoff (HI) entdeckt und vermessen. Die Säulendichte beträgt NH = 10 18 cm −2 und <strong>die</strong><br />
geschätzte Masse beträgt 1/25 vom Stream (Schwanz).<br />
Das zeigt, daß Milchstraße, Große Maghellansche Wolke und Kleine Maghellansche Wolke in starker<br />
Wechselwirkung begriffen sind (ein echtes, hierarchisches 3-Körper System). In einem Modell von Lin<br />
und Lynden-Bell (1977) bilden LMC und SMC ein lose gebundenes System, welches <strong>die</strong> Galaxis auf<br />
einer elliptischen Bahn umläuft. Die größte Annäherung (Perigalaktikon) beträgt 50 kpc, <strong>die</strong> größte<br />
Entfernung 125 kpc. Der Maghellansche Strom ist in <strong>die</strong>sem Modell Gas, welches <strong>die</strong> Kleine Maghellansche<br />
Wolke an <strong>die</strong> Große Maghellansche Wolke durch Gezeitenkräfte verloren hat. Dieser Strom<br />
ist dann durch unsere Galaxis zu ihr hin abgelenkt worden. Die Umlaufzeit beträgt etwa 4.5 Gyr und<br />
<strong>die</strong> Masse der Galaxis, <strong>die</strong> innerhalb von 50 kpc liegt und damit <strong>die</strong> Bewegung bestimmt, beträgt in<br />
<strong>die</strong>sem Modell M = 7 · 10 11 M⊙.<br />
• LITERATUR (ORIGINAL)<br />
1. D.N. Lin und D. Lynden-Bell, [LL77c],<br />
Simulation of the Magellanic Stream to estimate the total mass of the Milky Way.<br />
2. Gardiner, L.T. und Noguchi, M., [GN96],<br />
N-body Simulations of the Small Magellanic Cloud and the Magellanic Stream.<br />
3. Putman, M.E., Gibson, B.K. und 24 weitere Autoren, [PGBa98]<br />
Tidal disruption of the Magellanic Clouds by the Milky Way.<br />
Der Kugelsternhaufen 47 Tuc mit (l,b) = (305.92, −44.89) liegt räumlich<br />
vor SMC mit (l,b) = (303.5, −43.8). Dadurch ist ein direkter Vergleich der Eigenschaften ihrer Objekte<br />
(wie Sterne, Pulsare etc.) möglich.<br />
Die Große Maghellansche Wolke<br />
Die uns am nächsten liegenden Galaxie ist <strong>die</strong> Große Maghellansche Wolke (LMC). Mit einer Masse<br />
von 2 · 10 10 M⊙ hat LMC etwa 10% der leuchtenden Masse, und etwa 4% der gravitierenden Gesamtmasse<br />
der Milchstraße. Dabei ist hier mit Gesamtmasse <strong>die</strong> gravitierende Masse der Milchstraße, also<br />
inklusive Halo, bis zur Entfernung der LMC, D = 50 kpc, gemeint.<br />
Es ist deshalb erstaunlich, daß 1987 dort eine Supernova explo<strong>die</strong>rte (und nicht etwa in der Milchstraße<br />
mit 10-mal mehr Masse oder in Andromeda mit 20-mal mehr Masse).<br />
Die Koordinaten des Zentrums von LMC sind von van den Bergh<br />
anhand von Novae zu 5 h 28 m Rektaszension und −69 ◦ 06 ′ Deklination<br />
bestimmt. Andere Objekte (wie Kugelsternhaufen) geben etwas<br />
abweichende Daten.<br />
Mit i ist hier der Inklinationswinkel der Scheibe relativ zur Milchstraße<br />
gemeint. Beide sind fast parallel, während SMC senkrecht<br />
dazu steht. Die Fläche der LMC beträgt etwa 100 deg 2 und <strong>die</strong><br />
Flächenhelligkeit B = 0.9 Magnituden. Der Öffnungswinkel Θ, un-<br />
ter dem LMC erscheint, beträgt 10 Winkelgrad, was einem Durchmesser<br />
von d = 9 kpc entspricht.<br />
Steckbrief der LMC<br />
α 25:24:8 l 280.5<br />
δ −69:06 b −32.9<br />
Vp 275 i 40 Grad<br />
D 50 kpc M 2 · 10 10 M⊙<br />
Θ 10 Grad d 9 kpc<br />
Tab. 1.32: LMC: Daten
86 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />
LMC hat mindestens 8 Kugelsternhaufen als Begleiter: NGC 1466, NGC 1786, NGC 1835, NGC 1841,<br />
NGC 2210, NGC 2257, Hodge 11 und Reticulum. Weitere Kandidaten sind NGC 1754, NGC 1898,<br />
NGC 1916, NGC 2005 und NGC 2019. Das Alter beträgt mehr als 10 Gyr und alle haben RR Lyrae<br />
Sterne. Die Radialgeschwindigkeiten (im LSR) <strong>die</strong>ser Kugelsternhaufen liegen zwischen 200 und 280<br />
km s−1 .<br />
Bezogen auf das Zentrum von LMC (lokaler Schwerpunkt) sind <strong>die</strong> Radialgeschwindigkeiten der Mitglieder<br />
von LMC klein, v < 50 km s−1 . Mithilfe der SN1979A als Hintergrundquelle konnte z. B. <strong>die</strong><br />
Relativgeschwindigkeit (mit v = 220 km s−1 ) sogar an Molekülen (CH und CH + ) gemessen werden.<br />
Eine Besonderheit der LMC, <strong>die</strong> es in <strong>die</strong>ser extremen Form nicht in unserer Milchstraße nicht gibt, ist<br />
eine riesige HII Region: 30 Doradus (der Name kommt von dem Sternkatalog<br />
des ersten Astronomer Royal, John Flamsteed aus dem Jahr 1712), auch<br />
der Tarantula Nebel genannt, mit einer Gesamtmasse von Mtot = 5·106M⊙. Im Zentrum von 30 Doradus gibt es einige extrem helle Sterne, der hellste<br />
mit der Bezeichnung HD38268 = R136. Um 1900 hielt man ihn für einen<br />
supermassiven O Stern. Mittlerweile ist er in etwa 5 · 106 30 Doradus<br />
Mtot 5 · 10<br />
Sterne (Sonnen)<br />
aufgelöst. Der Durchmesser beträgt 18 Bogenminuten, was bei einer Entfernung<br />
von 50 kpc etwa 270 pc entspricht. Der Kern (Radius 4 pc) enthält<br />
6M⊙ M 1.5 · 104M⊙ L 7.8 · 107L⊙ ρc 1.9 · 104M⊙ pc−3 Tab. 1.33: R136 Daten<br />
165 Sterne, <strong>die</strong> massiver als 10 Sonnenmassen sind. Von <strong>die</strong>sen ist R136a besonders bemerkenswert.<br />
Auch <strong>die</strong>sen hielt man lange für einen supermassiven Stern, mit einer Masse von M = 2·103M⊙. Auch<br />
R136a ist weiter aufgelöst worden, in R136a1 und R136a2 (1984) und R136a1 . . . R136a5 (1998). Die<br />
Masse von R136a1 ist immer noch mit M = 750M⊙ zu hoch. Es handelt sich nochmals um 8 Sterne<br />
von jeweils M = 100M⊙.<br />
Der Haufen muß sehr jung sein, da viele massive Sterne in ihrer Entwicklung noch nicht auf der<br />
Hauptreihe angekommen sind. Das geschätzte Alter beträgt 3 Myr, er enthält mit R136a5 einen O3<br />
Stern (mit einer Massenverlustrate von ˙ M = 2 · 10−5M⊙ yr−1 ). Die Supernova SN1979A ist (18’ West<br />
und 10’ Süd) etwa 300 pc von 30 Doradus entfernt explo<strong>die</strong>rt.<br />
In LMC kennt man 32 Supernova Überreste mit Durchmessern von 2 pc bis 100 pc. Davon sind 27<br />
im Röntgenbereich nachgewiesen, in zweien steht ein Pulsar. Einer (PSR B0540−69) ist dem Krebs<br />
Pulsar sehr ähnlich (P = 50 ms), der andere (PSR J0537−6910) hat mit 16 ms <strong>die</strong> kürzeste Periode<br />
eines normalen (also jungen, nicht recycled) Pulsars. Sein formales Alter beträgt allerdings 5 kyr. Der<br />
jüngste (PSR J1846−0258, ebenfalls im Röntgenbereich erstmals nachgewiesene) Pulsar ist nur 700 yr<br />
alt, hat aber eine Periode von 325 ms! Die Radioleuchtkräfte unterscheiden sich gewaltig, <strong>die</strong> beiden<br />
stärksten sind <strong>die</strong> in LMC.<br />
Die Kleine Maghellansche Wolke<br />
Die Kleine Maghellansche Wolke (SMC) ist nur unwesentlich weiter als LMC von uns entfernt. Mit<br />
einer Masse von 2 · 109M⊙ hat SMC sogar nur 1% der Masse der Milchstraße. Ein besonderes Kennzeichen<br />
(abgesehen vom zerquetschten Aussehen) sind <strong>die</strong> vielen blauen Sterne.<br />
Ein wesentlicher Unterschied zwischen LMC und SMC besteht im Gasanteil: LMC hat einen Massenanteil<br />
von etwa 8% HI, SMC dagegen 30 %. Der molekulare Anteil (Masse von H2 über CO bestimmt)<br />
beträgt 20 % (oder M = 1.4 · 108M⊙) für LMC, der von SMC nur 5<br />
% (M = 3 · 107M⊙). Die Bestimmung des Massen - Anteils an Staub<br />
(Bestimmung warm: IRAS bzw. kalt: mm) ist schwierig (ungenau)<br />
und liegt zwischen M = 1 · 106M⊙ und M = 1 · 107 Steckbrief der SMC<br />
α 0:51:0 l 302.8<br />
M⊙ im Verhältnis δ −73:1 b −44.3<br />
1:10 für warm und kalt. Dabei enthält SMC trotz der kleineren Masse Vp 148 i 90<br />
absolut mehr warmen Staub als LMC. Im Vergleich haben beide etwa D 57 kpc M 2 · 10<br />
dreimal so viel Gas wie Milchstraße.<br />
Mit i ist hier wieder der Inklinationswinkel der Scheibe relativ zur<br />
9M⊙ Tab. 1.34: SMC: Daten
1.4. DIE METAGALAXIE 87<br />
Milchstraße gemeint. Die Fläche der SMC beträgt etwa 12 deg 2 und <strong>die</strong> Flächenhelligkeit ist B = 2.9<br />
Magnituden.<br />
SMC hat mindestens einen Kugelsternhaufen als Begleiter: NGC 121.<br />
1.4.6 Andromeda<br />
Überblick<br />
Die Frage, ob es außerhalb der Milchstraße weitere Galaxien gebe, wurde erst 1929 von Hubble definitiv<br />
beantwortet. Hier <strong>die</strong> wichtigsten logischen Schritte.<br />
1. Auch vor Hubble waren schon viele Anzeichen, <strong>die</strong> dafür sprachen, daß der Andromeda Nebel<br />
ebenfalls eine Galaxie war, von anderen bemerkt worden. Das wiederholte Aufleuchten von<br />
’Novae’ — und sogar einer von Baade und Zwicky später so genannten ’Supernova’ im Jahre<br />
1885 — in einem so kleinen Raumgebiet, wie dem des Andromeda Nebels, ist einmalig am<br />
Nordhimmel, konnte demnach kein Zufall sein.<br />
2. Hubble entdeckte an NGC 6822, einer Zwerggalaxie der Lokalen Gruppe, daß es sich dabei um<br />
Sterne und nicht um einen Nebel handelte. Daß er das konnte (und nicht jemand in Europa, das<br />
bis dato in der Astronomie führend war), lag daran, daß er das beste Teleskop (und bald auch <strong>die</strong><br />
besten Fotoplatten) besaß.<br />
3. Es gelang ihm, <strong>die</strong> Spiralstruktur des Andromedanebels, also <strong>die</strong> Aussenpartien von M31, teilweise<br />
in Sterne aufzulösen. 1929 veröffentlichte er seine Arbeit ’Ein Spiralnebel als Sternsystem’,<br />
in der gezeigt wird, daß Andromeda eine eigenständige Galaxie darstellt. Es gelang ihm,<br />
<strong>die</strong> Entfernung zum Andromedanebel (mithilfe von Cepheiden) zu bestimmen. Dazu bedurfte es<br />
wahrhaft heroischer Anstrengungen: 80 Stunden Belichtungszeit photographischer Platten waren<br />
vor der Entwicklung heutiger CCD Techniken keine Seltenheit. Damit war klar, daß in der<br />
Umgebung unserer Galaxis weitere Galaxien existieren (Metagalaxie).<br />
Die Andromeda Galaxie hat bisher eine wichtige Rolle gespielt bei der Entdeckung der wahren Entfernungen<br />
im Universum. Die wichtigsten Schritte waren dabei<br />
1. Hartwig entdeckt 1885 eine leuchtstarke (Super-) Nova. Es folgen viele schwächere Novae.<br />
2. Hubble kann 1923 <strong>die</strong> Sterne im Aussenbereich auflösen. Es sind leuchtstarke O und B Sterne.<br />
Die Entfernungsbestimmung mit Cepheiden ergibt 250 kpc.<br />
3. Baade und Zwicky erfinden 1933 <strong>die</strong> Supernova anhand von S Andromeda.<br />
4. Baade kann 1944 <strong>die</strong> Sterne im Innenbereich auflösen. Es sind Rote Riesen.<br />
5. Baade entdeckt 1952, daß <strong>die</strong> Roten Riesen in M31 leuchtschwächer sind als Cepheiden, in der<br />
Milchstraße sind sie jedoch scheinbar gleich.<br />
6. Baade entdeckt in M31 den Ort der Sternentstehung: <strong>die</strong> Spiralarme, etwa 10 kpc vom Zentrum<br />
entfernt. Das Zentrum von M31 enthält dagegen nur alte Sterne.<br />
Dieses Bild, welches man von M31 leichter erhalten kann, weil man von außen auf <strong>die</strong> Galaxie schaut,<br />
wurde auf <strong>die</strong> Milchstraße (wo wir in einem Spiralarm sitzen) erfolgreich übertragen. Es gibt jedoch<br />
auch einige gravierende Unterschiede, <strong>die</strong> wir später behandeln werden. Es ist sicher, daß M31 =<br />
Andromeda auch weiterhin eine wichtige Rolle spielen wird.
88 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />
• ZUSATZ (EINIGE DATEN)<br />
In der griechischen Mythologie ist Andromeda <strong>die</strong> Tochter der Cassiopeia.<br />
Daten der Andromeda Galaxie<br />
Bezeichnungen: Andromeda, M31 (NGC 224)<br />
α δ l b V⊙ M Dist<br />
J2000 J2000 deg deg M⊙ kpc<br />
00 h 42 m .7 41 ◦ 16 121.18 −21.57 −300 4 · 10 11 770<br />
Der Öffnungswinkel von M31 beträgt 3 Grad, sechsmal soviel wie der Mond. Die Entfernung beträgt etwa 0.7 Mpc, und<br />
damit der Duchmesser 42 kpc. Die sichtbare Masse wird auf M = 2 . . . 4 · 10 11 M⊙ geschätzt. Bezogen auf den LSR ist<br />
V⊙ = vpec = −299 km s −1 , <strong>die</strong> Relativgeschwindigkeit der beiden Zentren ist (Stand: 1998) vrel = −130 km s −1 .<br />
Supernova Überreste in M31<br />
Obwohl Andromeda (M ≈ 4·10 11 M⊙) etwa doppelt so massiv wie <strong>die</strong> Milchstraße ist, hat man in M31<br />
keine weitere Supernova seit 1885 (Hartwig in Dorpat) entdeckt. Von S Andromeda abgesehen, hat man<br />
auch keinen jungen Supernova Überrest gefunden. Der Supernova Überrest von SN 1885a wurde im<br />
Radiobereich sogar erst 1989 (von Fesen et al.) entdeckt. Insgesamt nur 7 Supernova Überreste hat<br />
man in M31 optisch gefunden, im Radiobereich (wo sie in der Milchstraße gefunden werden) gehen<br />
sie im Rauschen unter. Die Röntgen-Astronomie kann hier wichtige Beiträge liefern.<br />
M31 im Röntgenlicht<br />
In M31 kennt man etwa 150 starke Röntgen Quellen, 400 weitere sind Kandidaten (d. h. assoziiert im<br />
Feld von M31). 21 sind Bulge Quellen, davon 2 superweiche mit Eddington Röntgen Leuchtkraft. Die<br />
Gesamt Röntgen Leuchtkraft beträgt, ähnlich der Milchstraße, nur LX ≈ 2 · 10 9 L⊙.<br />
1.4.7 Galaxienhaufen<br />
Galaxienhaufen sind <strong>die</strong> größten gravisch gebundenen, (mehr oder weniger) relaxierten Materieansammlungen.<br />
Ihre Bedeutung liegt, abgesehen von der Frage der Kosmogonie (Entstehung) darin, daß<br />
sie, wie wir sehen werden, ideal zur Massenbestimmung geeignet sind.<br />
Galaxienhaufen werden ähnlich wie Galaxien klassifiziert: von früh (kompakt) bis spät (irregulär).<br />
Frühe Galaxienhaufen haben grosse Radio- und Röntgenleuchtkräfte, späte nur geringe.<br />
Massive Galaxienhaufen haben etwa 10 3 Galaxien<br />
als Mitglieder, Masse Mtot beträgt typisch 10M⋆ =<br />
10 15 M⊙. Für <strong>die</strong> Volumen Anzahldichte gilt, daß ein<br />
Galaxienhaufen in (100 Mpc) 3 vorkommt. Es gibt<br />
Anzeichen dafür, daß Galaxienhaufen durch Verschmelzen<br />
mit anderen Galaxienhaufen wachsen.<br />
Der Abell Cluster of Galaxies A2256 und der Coma<br />
Haufen (A1656) haben beide einen Subcluster, der<br />
mit ihnen zu verschmelzen (merging) scheint. Solche<br />
Strukturen sind nicht direkt sichtbar, sie erschei-<br />
Röntgen Daten zu massiven Galaxienhaufen<br />
Name Zentral kTX LX RX Mgrav<br />
Galaxie keV L⋆ Mpc M⋆<br />
Virgo M87 2.4 0.3 2 8<br />
Perseus NGC 1275 5.3 14 3 16<br />
A2256 6.9 8.2 4 28<br />
Coma NGC 4839 7.5 8.5 4 30<br />
L⋆ = 10 44 erg s −1 ; M⋆ = 10 14 M⊙<br />
nen erst, wenn man von den Gesamtdaten ein glattes<br />
Tab. 1.35: Galaxienhaufen<br />
Modell abzieht (Kontrastmethode). Nur so kann man noch Verdichtungen, <strong>die</strong> nur 10 % über dem Mittel<br />
liegen, sichtbar machen.<br />
Die (aufintegrierte Flächen) Leuchtkraft von einigen L⋆ = 2.5 · 10 10L⊙ = 1044 erg s−1 . ist erstaunlich<br />
hoch. Sie stammt von heißem (10 bis 100 Millionen Grad) Zwischenhaufen Gas (IGM). In der Tabelle
1.4. DIE METAGALAXIE 89<br />
ist kTX in Einheiten von keV angegeben, was 10 7 K entspricht. Dieses Gas erlaubt eine unabhängige<br />
Massenbestimmung (Röntgenbild, s.u.) und ist erstaunlich massiv: es beträgt bei allen hier (von RO-<br />
SAT) vermessenen Galaxien bis zu 50 % der Virialmasse, Mgrav.<br />
Die Masse MGas beträgt typisch einige M⋆ = 10 14 M⊙. Damit hat sich das Problem der Dunkelmasse<br />
erheblich reduziert (ähnlich wie in Sonnennähe).<br />
Die Daten der Tabelle stammen vom ROSAT All Sky Survey (U. Briel, 1992).<br />
• FORMELN (MASSENBESTIMMUNG MITHILFE VON RÖNTGENBILDERN)<br />
Das Zwischenhaufen Gas (Inter Galactic Medium = IntraCluster matter = ICM) sitzt in den Potentialmulden des Gravitationsfeldes.<br />
Ausgehend von<br />
GmM<br />
r 2<br />
= −p′<br />
ergibt sich für <strong>die</strong> grav. Masse<br />
M(r) = − rkBT (r)<br />
Gm<br />
; p = nkBT<br />
� �<br />
d ln n d ln T<br />
+<br />
d ln r d ln r<br />
Dabei ist m <strong>die</strong> Masse des Atoms.<br />
Die Massenverteilung wird nun wie folgt approximiert (King Modell)<br />
n = no<br />
�<br />
1 + r2<br />
a2 �b<br />
; b = 3β<br />
2<br />
(1.115)<br />
Sie hat drei freie Parameter: no, <strong>die</strong> Dichte im Zentrum; a, der effektive Radius und β (bzw. b) für <strong>die</strong> Konzentration. Diese<br />
Parameter sind nicht direkt beobachtbar.<br />
Mehrfachsysteme<br />
Galaxien sind häufig zu mehreren (20 . . . 100), nur etwa 25% sind einzeln oder in kleinen Gruppen,<br />
zusammen. Ein berühmtes Beispiel für eine benachbarte Doppelgalaxie ist M51 = NGC 5194, im englischen<br />
Whirlpool Galaxy genannt. Diese etwa 4 Mpc entfernte Galaxie war das erste Objekt (damals<br />
als Nebel bezeichnet) an dem eine Spiralstruktur entdeckt wurde (1845 von William Parson, 3. Earl<br />
of Rosse, von dem auch <strong>die</strong> erste Beschreibung der Filamente des Krebs Nebels stammt). Ferner ist<br />
Andromeda ein (enges) Triplett (mit M32 und NGC 205) und eine lose Gruppe u.a. mit M33, NGC<br />
147 und NGC 15. Wir selbst bilden eine lose Gruppe mit LMC und SMC. Berühmt sind z. B. Stephens<br />
Quintett oder Seyferts Sextett. Einen Spezialkatalog solcher Mehrfachsysteme (peculiar galaxies) hat<br />
H. Arp aufgestellt. Das interessante an <strong>die</strong>sen engen Mehrfachsystemen ist (neben dem beeindruckenden<br />
Aussehen) <strong>die</strong> Tatsache, daß <strong>die</strong>se keinesfalls ihre Konfiguration über mehr als 1 Gyr beibehalten<br />
können. Was also passiert mit ihnen in Zukunft (z. B. stossen hier Galaxien zusammen) und wie alt<br />
sind <strong>die</strong>se Mehrfachsysteme?<br />
Galaxiengruppen und Galaxienhaufen<br />
Als Gruppe bezeichnet man eine räumlich begrenzte Ansammlung von bis zu 50 Galaxien und massive<br />
Galaxienhaufen können einige Tausend Galaxien enthalten. Kriterium für <strong>die</strong> Zugehörigkeit ist <strong>die</strong><br />
gravische Bindung und der räumliche 3dim Dichtekontrast.<br />
Weitere solche nahe Gruppen sind sind in der nebenstehenden Tabelle aufgeführt, alle Entfernungen<br />
sind hier in Mpc angegeben. Die (räumlich) nächsten Galaxiengruppen (Galaxienhaufen) sind M81,
90 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />
<strong>die</strong> Sculptor und <strong>die</strong> Ursa Major Gruppe in einer<br />
Entfernung von etwa 2.5 Mpc. Bis hierher reichten<br />
<strong>die</strong> Teleskope der Vor Kek und HST Ära mithilfe<br />
der Typ I Cepheiden.<br />
In einem Radius von etwa 20 Mpc befinden sich<br />
(mehr als) 50 solcher Haufen, gravisch werden<br />
sie dominiert vom Virgo Haufen (Entfernung 16<br />
Mpc, mit den Mitgliedern M84, M86 und M87)<br />
und dem Grossen Attraktor in Richtung Hydra-<br />
Name Mitglieder D<br />
Lokale Gruppe s.o. 0.4<br />
Sculptor NGC 55, 247, 253 2.4<br />
U Ma (Cam) Maffei (1, 2), NGC (4736, 4258) 3.3<br />
M81 NGC 3031, 2403 3.63<br />
U Ma II NGC 4051, 5053 5.2<br />
Leo NGC 3368, 3623 6.6<br />
Tab. 1.36: Galaxiengruppen<br />
Centaurus Superhaufen, etwa 50 Mpc entfernt. Anhand <strong>die</strong>ser Galaxienhaufen werden neue Standardkerzen<br />
geeicht.<br />
Die Faber-Jackson (optisch) und <strong>die</strong> Tully-Fisher (Radio, 21 cm) Relation werden wir ausführlich besprechen.<br />
Auch Typ I Supernovae können hier angeschlossen werden. Die Entfernung zu dem Mitglied<br />
M81 ist neuerdings mithilfe von Cepheiden mit dem HST und direkt (v = 2.42 ± 0.15 µas d −1 entspr.<br />
v = 18000 ± 1000 km/s) anhand der Expansionsgeschwindigkeit der Supernova SN 1993J zu<br />
d = 3.63 ± 0.34 Mpc gemessen worden.<br />
Der Virgo Haufen<br />
Die uns am nächsten gelegene massive Konzentration von Galaxien ist der Virgo Haufen, zu dem wir<br />
selbst gravisch noch gehören. Wir liegen am Aussenrand, etwa 20 Mpc vom Zentrum (M87) entfernt.<br />
Der Kern nimmt eine Fläche von 10 × 12 Grad am Himmel ein und enthält mehr als 1000 Galaxien mit<br />
einer (Virial) Masse von insgesamt M = 2 . . . 8·10 14 M⊙. Bei einer Entfernung von 18 Mpc beträgt der<br />
Radius des Haufenkerns R ≈ 1 Mpc. Die mittlere Geschwindigkeit beträgt 1500 km s −1 , woraus <strong>die</strong><br />
Abschätzung für <strong>die</strong> Masse nach dem Virialsatz folgt. Für <strong>die</strong> Stosszeit zweier Galaxien im Haufenkern<br />
ergibt sich damit tcol = 1 Gyr.<br />
Der Virgo Haufen wird gravisch dominiert von den Mitgliedern M84, M86 und M87. Eichgalaxie<br />
für <strong>die</strong> Entfernung ist M100 (mit ihren Cepheiden). Allerdings<br />
scheint auch der Hydra-Centaurus Superhaufen (bzw. der Grosse<br />
Attraktor) für <strong>die</strong> weiter außen liegenden Galaxien (wie für <strong>die</strong><br />
Milchstraße) einen wesentlichen gravischen Einfluß auszuüben.<br />
Die Galaxie M87 in Virgo ist der bisher massivste (galaktische)<br />
Schwarz-Loch-Kandidat mit einer Masse von M = 5 · 109M⊙, <strong>die</strong> Gesamtmasse von M87 beträgt dabei M = 3 · 1013M⊙. Die<br />
Leuchtkraft ist dagegen bescheiden, L = L∗ = 1 · 1011 Daten zu Virgo A<br />
Vir A = M87 = NGC 4486 = 3C 274<br />
L⊙.<br />
z<br />
Lradio<br />
Lopt<br />
LX<br />
0.003<br />
0.01·L∗<br />
1 · L∗<br />
0.1 · L∗<br />
Um M87 hat man 6000 Kugelsternhaufen entdeckt, viele davon<br />
Tab. 1.37: Vir A<br />
sind bereits aufgelöst. Mit einer Gesamtleuchtkraft aller 6000 Kugelsternhaufen von L = 3 · 109L⊙ erreichen sie nur 3% der Leuchtkraft von M87.<br />
1.4.8 Der Lokale Superhaufen<br />
Der Virgo Superhaufen<br />
Alle <strong>die</strong>se Gruppen und Haufen (beginnend mit den nahen Haufen M81, M101, M51 . . . ) werden zum<br />
Lokalen Superhaufen (local supercluster) gerechnet, der vom Virgo Haufen (mit etwa 2500 Galaxi-
1.4. DIE METAGALAXIE 91<br />
en und M/L = 20(M⊙/L⊙) dominiert wird und etwa tausend<br />
Gruppen und Haufen enthält, mit einem Durchmesser von 30<br />
Mpc.<br />
Wir selbst befinden uns ziemlich am Rande vom Virgo Haufen<br />
und fallen mit 200 km s −1 (vom LSR aus etwa 500 km s −1 ) in<br />
den Schwerpunkt des Virgo-Haufens hinein.<br />
Die Daten der Tabelle stammen von Sandage und Tammann<br />
(1982). Sie erhielten für <strong>die</strong> Entfernung zum Zentrum des Virgo<br />
Haufens DV irgo = 21 Mpc. Der HST Wert beträgt 16 Mpc.<br />
Damit ergibt sich für <strong>die</strong> lokale Bestimmung des Hubble Para-<br />
Hellste Galaxien in Nachbarhaufen<br />
Name m − M MV v<br />
mag mag km s −1<br />
Leo 31.50 −23.24 926<br />
Dorado 31.21 −22.71 950<br />
Virgo 31.32 −23.09 1019<br />
Fornax 31.21 −22.69 1527<br />
Tab. 1.38: Nachbarhaufen<br />
meters h = 0.5 (bzw. HST: h = 0.8) und als Abstandsgesetz D = DV irgo(v/1000), wobei v in km s −1<br />
aus der Tabelle entnommen werden kann.<br />
Die direkte Entfernungsbestimmung zum Kern (Zentrum des Virgo Haufens) ist 1994 erstmals mit<br />
Cepheiden geglückt.<br />
1. Bestimmung mit dem Kek Teleskop (Mauna Kea) von Pierce et al.<br />
(a) Galaxie NGC 4571<br />
(b) Entfernung d = 14.9 ± 1.2 Mpc.<br />
(c) H = 87 ± 7 km s −1 Mpc −1<br />
(d) Basis: 3 Cepheiden<br />
2. Bestimmung mit dem HST von Freedman et al.<br />
(a) Galaxie M100<br />
(b) Entfernung d = 17.1 ± 1.8 Mpc.<br />
(c) H = 80 ± 17 km s −1 Mpc −1<br />
(d) Basis: 20 Cepheiden mit Perioden zwischen 20 und 65 Tagen<br />
Daraus folgt für den Durchmesser des Haufenkerns D ≈ 2 Mpc. Zum Umrechnen geben wir folgende<br />
Relation<br />
1000 km s −1 = 1 kpc (Myr) −1 = 1 Mpc (Gyr) −1<br />
Mit Relativgeschwindigkeiten der Mitglieder von maximal 1000 km s −1 kann der Virgo Superhaufen<br />
(selbstbei einem Alter des Universums von etwa 15 Gyr) nicht virialisiert sein. Superhaufen sind<br />
also gerade im Begriff sich gravisch zu organisieren. Die kausale Entstehung von Strukturen der<br />
Größenordnung 100 Mpc ist damit aus Störungen der Dichte im Ortsraum (Rayleigh-Jeans) nicht<br />
möglich.<br />
Der Grosse Attraktor<br />
Der Grosse Attraktor wurde entdeckt (1986 von Dressler et al., den sog. 7 Samurai) aufgrund einer<br />
Anomalie im Strömungsfeld der Galaxien im und um den Virgo Haufen. Er liegt in Richtung<br />
der Hydra-Centaurus Superhaufen, etwa 50 Mpc entfernt und hat eine Masse von M = 1 · 10 17 M⊙.<br />
Der Durchmesser des Virgo Superhaufens beträgt etwa 120 Mpc. Er ist damit eine der bisher größten<br />
(kausal) zusammenhängenden Ansammlung von massiven Objekten (an nicht gesehenen Galaxien) im<br />
Kosmos. Vergleichbar damit sind nur noch <strong>die</strong> Grosse Mauer, <strong>die</strong> größte bisher optisch nachgewiesene<br />
Struktur im Kosmos (mit R ≈ 180 Mpc und Ngal ≈ 3962 an gesehenen Galaxien) und wenige, weiter<br />
entfernt gelegene Superhaufen.
92 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />
Sekundäre Eich-Normale<br />
Bis hierher, D = 20 Mpc, reichen noch hellste Sterne zur Bestimmung der Entfernung, danach müßen<br />
neue Kerzen benützt (und mit den bereits besprochenen geeicht) werden. Diese sind <strong>die</strong> klassischen,<br />
rein phänomenologisch gefundenen, Indikatoren hellste Kugelsternhaufen mit einer maximalen visuellen<br />
Helligkeit MV = −9.8 mit einer Reichweite von bis zu 20 Mpc und <strong>die</strong> hellsten H II Regionen<br />
(Riesen Molekülwolken) mit bis MV = −12 mit einer Reichweite von bis zu 30 Mpc. Diese Objekte<br />
können noch direkt an <strong>die</strong> primären Eich-Normalen angeschossen werden.<br />
Noch weiter kommt man mit Indikatoren dritter Ordnung. Dazu zählen <strong>die</strong> hellste Galaxien (ScI) eines<br />
Haufens. Mit MV = −21.68 kommt man dann etwa 1 Gpc weit. Vielversprechend, weil qualitativ<br />
physikalisch verstehbar, sind <strong>die</strong> folgenden neueren Methoden.<br />
1. Die Tully-Fisher Methode<br />
Nach Brent Tully und Richard Fisher (1977) ist <strong>die</strong> Breite der 21 cm HI Linie einer ganzen<br />
Spiralgalaxie ein Maß für <strong>die</strong> Radio Leuchtkraft. Es gilt <strong>die</strong> Tully-Fisher Relation<br />
M = −3.5 − 6 log(W/ sin i) (1.116)<br />
Dabei ist W <strong>die</strong> mittlere Breite der 21-cm Radio Linie in elliptischen Galaxien in km/sec und i<br />
der Inklinationswinkel der Galaxie.<br />
Es ist (zum Umrechnen): m − M = 5 log(D/10pc), also m − M = 30 entspricht D = 10 Mpc.<br />
Mit L⋆ = 10 10 L⊙ kann <strong>die</strong>s auch wie folgt<br />
vc = 220(L/L⋆) 0.22<br />
km s −1 (1.117)<br />
geschrieben werden. Dabei ist vc <strong>die</strong> Rotationsgeschwindigkeit des H-Gases außerhalb des Kerns<br />
der Galaxie. Damit kommt man etwa 200 Mpc weit, entsprechend einer Hubble Fluchtgeschwindigkeit<br />
von 10 4 km s −1 .<br />
2. Die Faber-Jackson Methode<br />
Nach Sandra Faber und Jackson (1976) gilt im Zentralteil der Galaxie <strong>die</strong> Faber-Jackson Relation<br />
vc = 220(L/L⋆) 0.25<br />
für <strong>die</strong> Breite der optischen Linien-Strahlung.<br />
km s −1 (1.118)<br />
3. Supernovae (vom Typ Ia)<br />
Diese werden wir noch ausführlich besprechen. Mit einer Leuchtkraft (im visuellen, wo das<br />
Maximum liegt) von MV = −19.3 (entspr. 10 10 L⊙) kommt man damit fast 1 Gpc weit. Die<br />
Messungen an Supernovae (vom Typ Ia) liefern für <strong>die</strong> dimensionslose Hubble Konstante h<br />
MV = −19.3 + 5 log(h/0.6)<br />
Sie sind an nahen Galaxien (z. B. an Virgo), deren Entfernung bereits bekannt ist, geeicht. (Ref.:<br />
D. Branch, [Bra98]).<br />
Für <strong>die</strong> Grenzempfindlichkeit wurde bei unseren obigen Abschätzungen mv = 22 zugrunde gelegt.<br />
Mittlerweile kommt man aber mit den besten Teleskopen 5 Magnituden (also einen Faktor 100) weiter,<br />
und damit durch das ganze Universum hindurch, bis zu kosmologischen Rotverschiebungen (z = 1).
1.4. DIE METAGALAXIE 93<br />
• FORMELN (DIE WICHTIGSTEN INDIKATOREN)<br />
Hier zunächst eine Zusammenfassung aller besprochenen Indikatoren:<br />
hellste Kugelsternhaufen MV = −9.8 (Reichweite bis 40 Mpc),<br />
hellste H II Regionen MV = −12 (Reichweite bis 100 Mpc),<br />
<strong>die</strong> Tully-Fisher Relation (W : mittlere Breite der 21-cm Radio Linie)<br />
M = −3.5 − 6 log(W/ sin i) (1.119)<br />
oder, mit L⋆ = 10 10 L⊙ und vc Rotationsgeschwindigkeit<br />
vc = 220(L/L⋆) 0.22<br />
<strong>die</strong> Faber-Jackson Relation (vc Rotationsgeschwindigkeit)<br />
vc = 220(L/L⋆) 0.25<br />
Supernovae (vom Typ Ia) mit MV = −20. (Reichweite bis 800 Mpc),<br />
hellste Galaxien (ScI) MV = −23 (Reichweite bis 1 Gpc),<br />
Gravitationslinse mit Lauzeitdifferenz,<br />
der Sunyaev - Zeldovich Effekt.<br />
km s −1 (1.120)<br />
km s −1 (1.121)<br />
Allen Indikatoren ist gemeinsam, daß sie <strong>die</strong> Leuchtkraft L als Entfernungsnormal für <strong>die</strong> Entfernung<br />
D nach der Formel L = 4πD 2 f benutzen, wobei f der gemessene Fluß ist. Ein Fehler in der Entfernung<br />
D eines Indikators pflanzt sich quadratisch für alle folgenden fort. Eventuelle Absorption oder<br />
Rötung muß separat herauskorrigiert werden.<br />
Wir können zwei verschiedene Skalen unterscheiden : <strong>die</strong> kurze (lokal), mit einer Basislänge von etwa<br />
100 Mpc (Eichnormale: Virgo und Coma) und <strong>die</strong> weite (kosmologisch), mit einer Basislänge von<br />
mehr als 1 Gpc (Eichnormale: Supernovae, Gravitationslinsen und Sunyaev - Zeldovich Effekt).<br />
Die wichtigsten lokalen Eichnormale, <strong>die</strong> mit geometrischen Mitteln verifiziert sind, sind <strong>die</strong> Große<br />
Maghellansche Wolke mit 50 kpc und <strong>die</strong> Andromeda Galaxie (M31) mit 770 kpc Entfernung.<br />
Deshalb ist es wichtig, im nächsten Schritt (bis zum Coma Haufen) möglicht viele Objekte mit Überschneidungen<br />
der einzelnen Intervalle zu haben. Ein grosses Manko war z. B. bisher, daß in den wichtigsten Eichnormalen<br />
der Zwischenschritte, wie sie in der folgenden Tabelle aufgeführt sind, keine Supernovae (vom<br />
Typ Ia) beobachtet wurden.<br />
Was man mit <strong>die</strong>sen Indikatoren findet sind zunächst einmal Entfernung und Durchmesser der Objekte.<br />
Man findet eine Hierarchie von Galaxienhaufen und sogar Haufen von Haufen, Superhaufen<br />
genannt.<br />
In der Tabelle ist D <strong>die</strong> Distanz in Mega Parsec (vom<br />
Zentrum der Milchstraße aus gerechnet, bis zum Zentrum<br />
des Galaxien-Haufens), L <strong>die</strong> optische Gesamtleuchtkraft<br />
in Einheiten von L⋆ = 10 10 L⊙ (mit L⊙ = 3.9 · 10 33 erg<br />
s −1 , Sonnenleuchtkraft) und R der Radius (bestimmt aus<br />
Öffnungswinkel und Distanz D). Die letzte Spalte, v3, ist <strong>die</strong><br />
Fluchtgeschwindigkeit (mittlere Rotverschiebung der Galaxien<br />
im Haufen) in Einheiten von 10 3 km s −1 .<br />
Virgo und Coma sind <strong>die</strong> bereits besprochenen Eich-Haufen<br />
(zum Vergleich). Für Hydra ergibt sich bereits 1/5 der Licht-<br />
Name D L R v3<br />
Mpc L⋆ Mpc km s −1<br />
Virgo 19 120 1.07 1.2<br />
Perseus 97 100 1.00 5.5<br />
Coma 110 490 2.63 6.5<br />
Centaurus 250 13.7<br />
Ursa Major 270 71 1.31 15.0<br />
Boötes 675 39.0<br />
Hydra 1080 61.0<br />
geschwindigkeit und <strong>die</strong> daraus bestimmte Hubble Konstan- Tab. 1.39: Galaxienhaufen<br />
te hat den Wert 61 km s−1 Mpc−1 . Die Daten (und viele mehr) wurden von Alan Sandage und Gustav<br />
Tammann gewonnen. Der Mittelwert der aus der Tabelle bestimmten Hubble Konstante hat sogar den<br />
Wert von nur 50 km s−1 Mpc−1 , also 2h = 1.<br />
Nimmt man <strong>die</strong> Entfernung (Rotverschiebung) als dritte Dimension mit hinzu (was außerordentlich<br />
zeitaufwendig ist), dann löst sich das, was auf zweidimensionalen Bildern von Galaxien wie verstreutes<br />
Salz auf einem Blatt Papier aussieht, auf in langgezogene Fäden (Spinnennetz) mit viel Dunkelraum<br />
dazwischen. Superhaufen von Galaxien sind also weder kugelförmig (was etwa <strong>die</strong> Jeans Instabilität
94 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />
in naivster Vorstellung über das Anwachsen von Dichteschwankungen liefern würde) noch pfannkuchenartig<br />
(sog.. ’Blini’, wie Zeldovich als erster aufgrund theoretischer Überlegungen gefunden hat)<br />
sondern fadenförmig.<br />
Solche fadenförmigen Strukturen (Strings) können nur sehr schwer aufgrund gravischer Instabilitäten<br />
erklärt werden, evtl. handelt es sich hier um <strong>die</strong> verstärkten Überbleibsel (Phasenübergänge als topologische<br />
Defekte) des frühen Universums. Superhaufen sind bisher <strong>die</strong> größten, gravisch gebundenen<br />
bzw. statistisch korrelierten Gebilde im Universum, <strong>die</strong> wir kennen. Ihre Mitglieder nehmen nicht an<br />
der Expansion des Universums teil.<br />
In der nebenstehenden Tabelle sind <strong>die</strong> bisher gefundenen Beispiele von Superhaufen aufgeführt. Superhaufen<br />
werden meist nach den wichtigsten, d. h. den massivsten Mitgliedern bezeichnet: z. B. der<br />
Coma-A1367 Superhaufen nach dem Coma Haufen und dem<br />
Haufen Abell 1367 (A1367) in einer Entfernung von etwa 100<br />
Mpc.<br />
Sie haben gewaltige Ausmasse an der Himmelskugel. Das Band<br />
des Pisces-Perseus Superhaufens z. B. reicht über fast ein Drittel<br />
der Himmelskugel, was bei der Entfernung etwa einer Länge<br />
von 60 Mpc (und einer Beite von 10 Mpc) ausmacht. In der Tabelle<br />
ist D <strong>die</strong> Distanz (von der Milchstraße aus bis zum geo-<br />
metrischen Zentrum des Superhaufens)In der letzten Spalte ist<br />
Name D v3<br />
Mpc km s −1<br />
Pisces-Perseus 100 5.0<br />
Coma-A1367 130 6.5<br />
Hydra-Centaurus<br />
Herkules<br />
Tab. 1.40: Superhaufen<br />
v3 <strong>die</strong> Fluchtgeschwindigkeit (mittlere Rotverschiebung der Haufen) in Einheiten von 10 3 km s −1 .<br />
Neben den Superhaufen (als Ansammlung von Haufen von Galaxien) gibt es auch grosse Gebiete, wo<br />
<strong>die</strong> Materie fehlt: Leerräume (engl. voids), <strong>die</strong> ebenfalls Abmessungen von einigen 100 Mpc erreichen<br />
können. Ein bekanntes Beispiel ist in Richtung Boötes, <strong>die</strong> Rotverschiebungs-Lücke reicht hier von<br />
v3 = 12 bis v3 = 18 km s −1 , was etwa einer Tiefe von 120 Mpc entspricht.<br />
Supernovae, <strong>die</strong> leuchtkräftigsten Entfernungsindikatoren<br />
Nach einem Paradigma, welches allerdings langsam an Gültigkeit verliert, ist ein astronomisches Objekt<br />
erst dann vollständig determiniert, wenn es optisch (mit Spektrum) nachgewiesen ist. Also, im<br />
wahrsten Sinne des Wortes, wenn man es gesehen hat. Jedenfalls ist dann <strong>die</strong> Position hinreichend<br />
genau bestimmt.<br />
Gammaburst Quellen, Quasare und Supernovae sind, in <strong>die</strong>ser Reihenfolge, <strong>die</strong> leuchtkräftigsten Objekte<br />
im Universum und demnach auch bei grosser Rotverschiebung noch gut zu beobachten (nicht<br />
unbedingt aber zu spektroskopieren). Gammaburst Quellen mit gemessener Rotverschiebung sind allerdings<br />
noch zu selten, als daß etwas über ihre Eignung als Entfernungsindikatoren gesagt werden<br />
könnte und Quasare sind bisher als Entfernungsindikatoren ungeeignet, da ihre Leuchtkräfte um mehr<br />
als 2 dex für gegebenes z variieren.<br />
Gleiches gilt zwar auch für <strong>die</strong> maximalen optischen Leuchtkräfte der Supernovae als ganzes, d. h. für<br />
Typ I und II zusammen genommen. Es ist allerdings gelungen, eine rein empirische (nämlich spektroskopische)<br />
Unterteilung der optischen Supernovae in zwei verschiedene Typen mit weiteren Unterklassen<br />
vorzunehmen, <strong>die</strong> auch theoretisch verstehbar erscheint. Von <strong>die</strong>sen besitzt der Typ Ia <strong>die</strong> besten<br />
Eigenschaften für eine Standardkerze, seine Progenitoren sind allerdings am wenigsten verstanden.<br />
Statistisch läßt sich zunächst folgendes sagen: jede Sekunde explo<strong>die</strong>rt im beobachtbaren Universum<br />
(bis z = 5) eine Supernova, jeden Tag wird der Blitz einer Gammaburst Quelle entdeckt. Die Zahl der<br />
beobachtbaren Quasare wird auf eine Million geschätzt (im Vergleich zu 10 11 Galaxien). Es handelt<br />
sich also um sehr seltene Phänomene, <strong>die</strong> hier als Standardkerzen <strong>die</strong>nen sollen, evtl. liegen <strong>die</strong>sen<br />
sogar extrem zeit- und ortsabhängige physikalische Prozesse zugrunde.<br />
Moderne Werte für <strong>die</strong> absolute Helligkeit im Blauen, MB, sind für Supernovae der verschiedenen
1.4. DIE METAGALAXIE 95<br />
Typen:<br />
−19.78 Ia (1.122)<br />
MB − 5log(2h) = −17.18 I(b,c) (1.123)<br />
−16.19 II(P,L) (1.124)<br />
−15.50 IIb (1.125)<br />
Ein rein empirisches Klassifikationsschema wurde erstmals von Minkowski (1941) eingeführt und von<br />
ihm zusammen mit Baade und Zwicky im Laufe der Zeit modifiziert. Sie gaben auch <strong>die</strong> theoretische<br />
Begründung: in jedem Fall wird in einer Supernova ein Neutronenstern geboren. Diese Deutung wird<br />
heute allgemein akzeptiert. Das Hauptunterscheidungsmerkmal der Klasseneinteilung ist <strong>die</strong> Abwesenheit<br />
(Typ I) bzw. Anwesenheit (Typ II) von Wasserstoff Linien in den Spektren. Die Theorie erklärt<br />
<strong>die</strong>s dadurch, daß<br />
1. beim Typ Ia ein Weißer Zwerg geringer Masse und mit wasserstoffarmer Atmosphäre,<br />
2. beim Typ II ein massiver O oder B Stern, mit einer Masse von mehr als 8 M⊙ und mit viel H in<br />
der ausgedehnten Hülle,<br />
explo<strong>die</strong>rt. In beiden Fällen entsteht radioaktives 56 Ni und der Zerfall des Tochterelements 56 Co (Halbwertszeit<br />
78 d) bestimmt <strong>die</strong> Lichtkurve.<br />
Diese klassische Einteilung (von Baade) in nur zwei Typen kann empirisch nicht mehr aufrecht erhalten<br />
werden, was seitens der Theorie mittlerweile auch verständlich ist. Auch massive (Wolf Rayet)<br />
Sterne können, wie man aus Beobachtung plus Komputersimulationen weiß, ihre Wasserstoff Hülle<br />
(und nicht nur <strong>die</strong>se) verlieren, sodaß H im Spektrum fehlt. Hinzu kommt nunmehr beim Typ I Abbzw.<br />
Anwesenheit von He Linien (und als zusätzliches Kriterium evtl. sogar Ab- bzw. Anwesenheit<br />
von Fe).<br />
Um Supernovae als Standardkerzen benützen zu können, muß folgendes gewährleistet sein:<br />
1. Die Leuchtkraft L(t) der Supernova muß bereits vor dem Maximum bekannt sein, um das Maximum<br />
Lmax der Leuchtkraft bestimmen zu können.<br />
2. Dieses Lmax sollte empirisch als Funktion der Entfernung (d. h. der Fluchtgeschwindigkeit cz)<br />
eindeutig sein.<br />
Bei beiden Typen wird seitens der Theorie das Maximum Lmax der Leuchtkraft bestimmt aus der<br />
Menge an radioaktivem 56 Ni, welches in der Supernova erzeugt wurde. Beim Typ Ia ist <strong>die</strong> Masse des<br />
explo<strong>die</strong>renden Sterns eindeutig: <strong>die</strong> kritische Chandrasekhar Masse von M = Mch = 1.4M⊙ = 2.8 ·<br />
10 33 g muß bei der Akkretion erreicht werden, damit es zum Kollaps kommt. Bei den anderen Typen<br />
liegen auf <strong>die</strong>sem Kern mit kritischer Masse noch weitere Massenschalen plus einer ausgedehnten<br />
Hülle. Die erzeugte Menge an radioaktivem 56 Ni hängt jedoch von der Chemie und damit von der<br />
Vorgeschichte des Sterns bis zur Explosion ab.<br />
Nach bisherigen Beobachtungen (und nach der Theorie) kommen am ehesten Supernovae vom Typ<br />
Ia in Frage. Hier schwankt <strong>die</strong> erzeugte Masse an radioaktivem 56 Ni (modellabhängig) zwischen 0.49<br />
und 0.67 M⊙. Um Übereinstimmung mit den empirischen Daten zu erhalten, MB = −19.5, erfordert<br />
<strong>die</strong>ses Modell eine Masse von 0.6 M⊙ an 56 Ni für das dazu gehörende Lmax. Zum Vergleich: in SN<br />
1987A ist an radioaktivem 56 Ni etwa 0.075M⊙ freigesetzt worden.<br />
Supernovae vom Typ Ia sind durch folgende Eigenschaften charakterisiert:<br />
1. Spektrum<br />
kein H, P Cygni Profil mit starker Absorption bei λ = 6150 ˚A.
96 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />
2. Vorkommen<br />
in allen Galaxien und dort überall (im Zwischenarm Bereich und im Halo).<br />
3. Explosionsgeschwindigkeit der ausgeworfenen Materie<br />
vex ≥ 10 4 km s −1 .<br />
4. Lichtkurve und absolute Helligkeit<br />
steiler Anstieg, Abfall um ∼ 0 m .1 d −1 <strong>die</strong> ersten 30 Tage, dann expontieller Abfall um ∼ 0 m .02<br />
d −1 . Maximal bis MV = −20 m (homogenes Erscheinungsbild).<br />
5. Keine Radiostrahlung im ersten Jahr.<br />
Alle 5 Kriterien sind wichtig. Das Vorkommen in allen Galaxien und dort wieder überall, im Zwischenarm<br />
Bereich und im Halo, erlaubt praktisch nur massearme Sterne als Vorläufer. Das folgende<br />
Modell ist theoretisch einleuchtend, empirisch aber bisher nicht verifiziert: ein Weißer Zwerg geringer<br />
Masse wird von einem Begleitstern mittels Masseüberfluß über <strong>die</strong> kritische Chandrasekhar Masse<br />
Mch gebracht. Möglich sind<br />
1. ein Hauptreihenstern<br />
(Masse ≈ 2.5M⊙) in engem Orbit, Porb = 0.3 bis 3 d,<br />
2. ein entwickelter Stern<br />
(Roter Riese mit Masse ≈ 1M⊙) in weitem Orbit, Porb = 100 bis 1000 d,<br />
3. ein weiterer Weißer Zwerg<br />
mit Verschmelzung aufgrund von Gravitationsstrahlung.<br />
Das breite Absorptionsminimum bei λo = 6150 ˚A wird gedeutet als blau verschobenes Si II (einfach<br />
ionisiertes Si mit λrest = 6355 ˚A), was vex ≥ 104 km s−1 liefert, sollte es sich jedoch um C II<br />
(λrest = 6580 ˚A) handeln, dann wäre <strong>die</strong> Blauverschiebung etwa doppelt so groß, vex ≥ 2 · 104 km<br />
s−1 .<br />
In der Milchstraße selbst hat es seit Kepler keine Supernova mehr gegeben, deshalb kann nur noch<br />
der Ort (nicht aber mehr der Typ) bestimmt werden. Falls der Supernova Überrest in der galaktischen<br />
Ebene (und dort in einem Spiralarm) liegt, dann kann es sich<br />
um Typ II handeln, in allen anderen Fällen ist Typ Ia nahelie-<br />
Nahe SNe vom Typ Ia<br />
gend.<br />
NGC Konstel- SN<br />
Mit der wachsenden Zahl an untersuchten Supernovae ist <strong>die</strong> Nr lation Jahr<br />
Einteilung in Typen komplexer geworden. Beim Typ Ib und Ic 3627 Leo Gruppe 1989B<br />
ist das räumliche Vorkommen in Sternentstehungsgebieten wie 4639 Virgo 1990N<br />
beim Typ II, es fehlt zusätzlich das Absorptionsminimum bei 1380 Fornax 1992A<br />
λo = 6150 ˚A und beim Typ Ic fehlt auch noch He im Spek- 4526 Virgo 1994D<br />
trum.<br />
extreme SN vom Typ Ic<br />
In der nebenstehenden Tabelle sind Beispiele von besonders<br />
ESO184-G82 D = 40 Mpc 1998bw<br />
gut untersuchten, besonders nahen Supernovae vom Typ Ia aufgeführt.<br />
Für <strong>die</strong>se gibt es auch unbhängige Entfernungsbestim-<br />
Tab. 1.41: Typ Ia SNe<br />
mungen mittels Cepheiden, sodaß <strong>die</strong> Anschlusseichung gewährleistet ist (mit dem Ergebnis h = 0.5).<br />
Zwei Ausnahmen, <strong>die</strong> nicht ins Konzept (von Standardkerzen) passen, sind SN1991bg in NGC 4374<br />
(in Virgo) und NGC 5128 = Cen A mit SN 1986G. Diese waren zu schwach und zu rot (also eine Art<br />
Fehlzündung). Spektroskopische Besonderheit von SN1991bg war das Auftreten von Ti II Absorptions<br />
Linien (bei 4200 ˚A. Diese Ausnahmen werden nunmehr als peculiar, alle anderen Supernovae vom Typ<br />
Ia als normal bezeichnet.
1.4. DIE METAGALAXIE 97<br />
Eine weitere Klasse sind <strong>die</strong> Hypernovae, <strong>die</strong> am ehesten zum Typ Ic passen, <strong>die</strong> allerding <strong>die</strong> hellsten<br />
Supernovae überhaupt darstellen, also viel zu hell für ihren Typ sind (und damit das genaue Gegenteil<br />
einer Fehlzündung darstellen). Als mögliche Deutung wurde hier ein Schwarzes Loch als Endprodukt<br />
angenommen, wobei für <strong>die</strong> Bildung ein Begleiter massgeblich gewesen sein kann. Als Beispiel wird<br />
in der Tabelle Supernova 1998bw aufgeführt (in der Galaxie mit der Bezeichnung ESO184-G82, im<br />
Abstand D = 40 Mpc). Ein Beispiel für einen Supernova Überrest mit Schwarz-Loch-Kandidat, der<br />
aus einer Hypernova hervorgegangen sein könnte, wird GRO J1655 − 40 = Nova Scorpii 1994, aufgrund<br />
seiner chemischen Anomalien diskutiert. Hier fehlt Fe, welches ein Schwarzes Loch schlucken<br />
kann, ein Neutronenstern jedoch nicht.<br />
In der Milchstraße ist, bei einer geschätzten Supernova-Rate von einer Explosion pro (50 bis 100)<br />
Jahre, <strong>die</strong> Anzahl der tatsächlich beobachteten jungen Überreste (ganz zu schweigen von den Supernovae,<br />
<strong>die</strong> mittlerweile auch über ihre Neutrinos nachgewiesen werden können) gering. Selbst bis zur<br />
Andromeda Galaxie gibt es nur zwei Supernovae, <strong>die</strong> mit dem Teleskop (also mit modernen Mitteln)<br />
untersucht wurden. Beide waren vom Typ II, also für <strong>die</strong> Eichung ungeeignet. Um zu statistisch relevanten<br />
Aussagen zu kommen, ist man also gezwungen, weit entfernte Supernovae zu untersuchen.<br />
• ANMERKUNG (DAS LINEARE HUBBLE GESETZ FÜR SUPERNOVAE)<br />
Für nicht zu grosse Rotverschiebungen gilt das lineare Hubble Gesetz<br />
z = H<br />
r (1.126)<br />
c<br />
welches wir mit Supernovae als Entfernungsindikatoren überprüfen wollen.<br />
Aus historischen Gründen wird bei Supernovae oft noch <strong>die</strong> Fluchtgeschwindigkeit cz als Variable (und Dl als Leucht-<br />
Entfernung) benützt.<br />
v = cz = HDl<br />
Für den Entfernungsmodul m(z) − M ergibt sich allgemein für eine Standardkerze im linearen Bereich<br />
in Zahlen<br />
m − M = 5log(Dl/10pc) = 5 log(cz/10H) (1.127)<br />
m − M = 43.89 + 5 log(z/2h) (1.128)<br />
wobei 2h = 1 <strong>die</strong> im folgenden Beobachtungen an Supernovae in etwa wiedergibt.<br />
Supernovae vom Typ Ia haben MV = −19.78 und damit (nach unserer Formel mit 2h = 1), falls man mv = 20 zugrunde<br />
legt, m − M = 4.11 + 5 log(z). Das liefert z = 0.14, was einer Reichweite von 0.8 Gpc entspricht. Die besten Teleskope<br />
(z. B. das Keck Teleskop) erreichen mv = 25, sodaß sogar kosmologische Entfernungen erreicht werden.<br />
Zwei Gruppen von Astronomen,<br />
1. Pierce et al., Projektname ’The High−z Supernova Search Team’ (hochauflösende Kamera am Keck Teleskop) und<br />
2. Freedman et al., ’The Supernova Cosmology Project’ (HST)<br />
haben Cepheiden im Virgo Haufen entdeckt und vermessen.<br />
Die ersten Messungen ergaben zu große Werte für <strong>die</strong> Hubble Konstante H.<br />
1. Pierce et al., (1994) erdgebundene Bestimmung an NGC 4571 liefert H = 87 km s −1 Mpc −1 .<br />
2. Freedman et al., (1994) Bestimmung an M100 mit dem Hubble Space Telescope liefert H = 80 km s −1 Mpc −1 .<br />
Das endgültige Ergebnis lautet H = 72 km s −1 Mpc −1 .<br />
Die aus der Beobachtung von Cepheiden in 18 Galaxien gewonnenen Daten kombinierten Freedman und ihre Kollegen mit<br />
verschiedenen anderen Messungen. Nach der Auswertung, <strong>die</strong> das Team (2001 im ’Astrophysical Journal’) veröffentlichte,<br />
beträgt <strong>die</strong> Hubble-Konstante 72 Kilometer pro Sekunde und Megaparsec - und liegt damit ziemlich genau in der Mitte der<br />
früheren Schätzungen.<br />
Basierend auf <strong>die</strong>sen lokalen Eichmessungen haben<br />
zwei Gruppen, The Supernova Cosmology Project (geleitet von S. Perlmutter) und The High−z Supernova Search Team<br />
(Teamchef Brian Schmidt) haben Typ Ia Supernovae entdeckt und vermessen, <strong>die</strong> zu einer Zeit explo<strong>die</strong>rt sind, z = 0.83,
98 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />
wo das Universum nur halb so alt war wie heute. Damit kann dann <strong>die</strong> Dichte des Universums bestimmt werden. 1998<br />
haben sie ihre ersten Ergebnisse (Sources and Detection of Dark Matter in the Universe) veröffentlicht.<br />
Ref.: [PAm98], Perlmutter, S. and Aldering, G. and 14 more authors, Discovery of a supernova at half the age of the<br />
Universe, Nature 391, 51 (1998)<br />
und<br />
Maesurements of Ω and Λ from 42 High-redshift Supernovae, Ap. J. 517, 565 (1999)<br />
Supernovae haben ihr Maximum der Leuchtkraft im sichtbaren Bereich (und nicht etwa im UV). Dies<br />
weiß man von den Supernovae in kosmologischer Entfernung über ihre Rotverschiebung. Der UV<br />
Blitz beim Ausbruch der Photonen aus der opaken Hülle ist bisher nur indirekt über sein Lichtecho<br />
nachgewiesen.<br />
Radioaktives 56 Ni zerfällt wie folgt in stabiles Eisen:<br />
56 Ni (νβ + )<br />
� �� �<br />
6.1d<br />
56 Co (νβ + )<br />
� �� �<br />
77d<br />
56 Fe (1.129)<br />
mit (aus dem Labor bekannten) Halbwertszeiten. Die mittlere Energie (Wärmetönung) beim Zerfall<br />
von 56 Ni beträgt ∆E1 = 1.72 MeV, bei 56 Co sind es ∆E2 = 3.59 MeV.<br />
Die Menge an zerfallenden Atomkernen (der Spezies i = 1 oder 2)<br />
Ni(t) = m −1<br />
p M( 56 Ni) exp(−t/τi) (1.130)<br />
liefert mit der beim radioaktiven Zerfall freigesetzten Energie ∆Ei <strong>die</strong> Energie(verlust)rate<br />
˙Ei = ∆Ei ˙ Ni<br />
(1.131)<br />
Für <strong>die</strong> Leuchtkraft liefert unser einfaches Modell Li = − ˙ Ei, wobei angenommen ist, daß <strong>die</strong> Gamma<br />
Photonen im Plasma des Supernova Überrests geeignet degada<strong>die</strong>rt werden:<br />
Li(t) = τ −1<br />
i ∆EiNi(t) (1.132)<br />
Auch <strong>die</strong> Zeitdilatation an der Lichtkurve<br />
τo = (1 + z)τe<br />
ist für Supernovae mit z > 0.1 gut bestätigt.<br />
(1.133)
1.5. GEOMETRIE DER RAUMZEIT 99<br />
1.5 Geometrie der Raumzeit<br />
Das folgende Kapitel ’Konventionen und Definitionen’ ist zum Nachschlagen der wichtigsten Begriffe<br />
und Formeln gedacht.<br />
1.5.1 Konventionen und Definitionen (SRT und ART)<br />
Die Spezielle Relativitätstheorie<br />
Die Spezielle Relativitätstheorie wird im folgenden mit SRT und <strong>die</strong> Allgemeine Relativitätstheorie<br />
mit ART abgekürzt. Die Metrik der SRT ist<br />
ds 2 = ηikdx i dx k = c 2 dt 2 − (dx 2 + dy 2 + dz 2 ) (1.134)<br />
Hier wird <strong>die</strong> Summationskonvention benutzt:<br />
ds 2 =<br />
3� 3�<br />
ηikdx<br />
i=0 k=0<br />
i dx k<br />
d. h. über doppelt vorkommende Indizes (einer ko- und einer kontravariant) wird summiert. Die Komponenten<br />
des Tensors ηik sind:<br />
ηik = diag ( + 1, − 1, − 1, − 1) (1.135)<br />
sind. Die Vorzeichen, mit denen Zeit und Raumkomponenten eingehen,<br />
(+ − − −) (1.136)<br />
heißen Signatur der Metrik.<br />
Für <strong>die</strong> Norm der 4-er Geschwindigkeit folgt, nach Division von ds 2<br />
dx<br />
ηik<br />
i dx<br />
ds<br />
kds = ηiku i u k = u 2 = 1 (1.137)<br />
und entsprechendes für den 4-er Impuls<br />
p i = meu i<br />
oder kurz p = meu<br />
eines massiven <strong>Teil</strong>chens mit Ruhmasse me<br />
p 2 = m 2 ec 2<br />
• BEISPIEL (KOVARIANTE FORMULIERUNG DER MAXWELLSCHEN GLEICHUNGEN I)<br />
In 3-er Schreibweise lauten <strong>die</strong> Maxwellschen Gleichungen:<br />
1. Die inhomogenen Gleichungen.<br />
Quelle des Feldes sind q, <strong>die</strong> Ladungsdichte im 3-dim. Raum und der Strom, für eine einzelne Ladung durch �j :=<br />
q(d�x/dt) gegeben<br />
div � E = 4πq (1.138)<br />
1 ∂<br />
c<br />
� E<br />
∂t = rot � B − 4π<br />
c �j (1.139)<br />
2. Die homogenen Gleichungen.<br />
div � B = 0 (1.140)<br />
− 1 ∂<br />
c<br />
� B<br />
∂t = rot � E (1.141)
100 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />
3. Ladungserhaltung.<br />
Aus den Maxwellschen Gleichungen folgt <strong>die</strong> Ladungserhaltung, welche durch den Strom wie folgt gewährleistet<br />
wird:<br />
∂q<br />
∂t + div�j = 0 (1.142)<br />
Eine relativistische Bewegung wird kovariant mithilfe der Weltlinie x i = x i (s) beschrieben, wobei s <strong>die</strong> Eigenzeit des<br />
Punktteilchens ist. Die Komponenten der 4-Geschwindigkeit sind<br />
u i = dxi<br />
ds<br />
u i u k gik = 1 (1.143)<br />
Die relativistischen Bewegungs - Gleichungen, also Lorentzkraft, K i , und 4–Beschleunigung, a i = ˙u i , lauten für ein<br />
Elektron mit Masse me<br />
K i = eF ik uk Lorentzkraft (1.144)<br />
me ˙u i = 1<br />
c Ki Bewegungsgleichung ˙u i = dui<br />
dτ<br />
In 3-Schreibweise, nichtrelativistisch, reduziert sich das auf<br />
�<br />
d�ve<br />
me = e �E +<br />
dt �ve<br />
c × � �<br />
B<br />
Die Ladung beschreiben wir mit der Weltlinie x i = x i (T ) und der 4–er Stromdichte<br />
j i �<br />
(X) = ec<br />
(1.145)<br />
(1.146)<br />
δ 4 (X − x(T ′ ) dxi<br />
dT ′ dT ′ = ecδ 3 ( � X − �x(T ))β i (T ) (1.147)<br />
wobei wir β i = u i /u 0 definiert haben. Diese Form der Darstellung der Quellfunktion für <strong>die</strong> Ladung ist besonders geeignet<br />
zur Untersuchung relativistischer Bewegungen. Kovariant geschrieben lauten <strong>die</strong> Maxwellschen Gleichungen in gleicher<br />
Reihenfolge<br />
1. Die inhomogenen Gleichungen.<br />
F ik ,k = − 4π<br />
c ji<br />
2. Die homogenen Gleichungen.<br />
(1.148)<br />
∗ F ik ,k = 0 (1.149)<br />
Mit dem zu F dualen Pseudotensor<br />
∗ F ik = 1<br />
2 ɛiklm Flm<br />
Man erhält den dualen Tensor ∗ F durch <strong>die</strong> Substitution E → −H und H → E. Der 4er Tensor ɛ iklm ist der<br />
(vollständig antisymmetrische) Levi-Civita Pseudotensor<br />
ɛ iklm = ±1 ; ɛ 0123 = +1<br />
3. Ladungserhaltung.<br />
j i ,i = 0<br />
Die homogenen Gleichungen sind automatisch erfüllt über den Potential-Ansatz<br />
Fik = Ak,i − Ai,k<br />
Die Wellen–Gleichung für das 4-er Potential A, in der Lorentz-Eichung<br />
(1.150)<br />
A i ,i = 0 (1.151)<br />
lautet für jede Komponente A i = f<br />
also<br />
✷f = −∆f + ∂2 f<br />
∂t 2<br />
✷A i = 4π<br />
c ji<br />
(1.152)
1.5. GEOMETRIE DER RAUMZEIT 101<br />
Grundlage der klassischen Mechanik ist <strong>die</strong> Existenz eines Inertialsystems. Kräftefreie Körper bewegen<br />
sich in ihm geradinig und mit konstanter Geschwindigkeit. Eine geradinige Bewegung ist<br />
äquivalent mit einer Geodäten im Euklidischen Raum. Kartesische Koordinaten sind also dadurch ausgezeichnet,<br />
daß sie Geodäten darstellen. Jedes Bezugsystem, das sich zu einem Inertialsystem mit<br />
konstanter Geschwindigkeit bewegt, ist selbst ein Inertialsystem.<br />
• BEISPIEL (HERLEITUNG AUS DEM HAMILTONSCHEN WIRKUNGSPRINZIP)<br />
Wir beginnen mit den nichtrelativistischen Bewegungs - Gleichungen, formulieren <strong>die</strong>se anschließend kovariant um und<br />
betrachten schließlich den Übergang vom <strong>Teil</strong>chen zum Feld.<br />
Nichtrelativistisch wird <strong>die</strong> Bahn des <strong>Teil</strong>chens durch x(t) beschrieben. Die Wirkung S ist durch <strong>die</strong> Lagrange-Funktion L<br />
L = T − V = m<br />
2 �v2 − V (x) (1.153)<br />
bestimmt. Die nichtrelativistische Lagrange-Funktion ist <strong>die</strong> Differenz von T (kinetische Energie) und V (potentielle Energie).<br />
S =<br />
� T<br />
0<br />
L(�x, .<br />
�x, t) dt (1.154)<br />
Die Bewegungsgleichungen, <strong>die</strong> Euler-Lagrange Gleichungen, folgen aus der Variation der Wirkung S nach der Bahn x(t)<br />
bei festgehaltem Anfangs- und Endpunkt.<br />
δS = 0 (1.155)<br />
durch Nullsetzen derselben.<br />
δS =<br />
Sie lauten für<br />
∂L<br />
∂�v δ�x<br />
�<br />
�<br />
�<br />
�<br />
Ende �<br />
Anfang<br />
Ende<br />
Anfang<br />
�<br />
− d<br />
� �<br />
∂L ∂L ∂L<br />
+ δ�x dt +<br />
dt ∂�v ∂�x<br />
∂�v δ�x<br />
�Ende Anfang<br />
= 0<br />
also z. B. für δ�x = 0 am Anfangs- und Endpunkt<br />
�<br />
d ∂L<br />
dt ∂ .<br />
�<br />
=<br />
�x<br />
∂L<br />
∂�x<br />
Die Bewegungsgleichungen lauten explizit<br />
m d<br />
�v = −∂V<br />
dt ∂�x<br />
V = 0 ist <strong>die</strong> Lagrange-Funktion des freien Massenpunktes und<br />
(1.156)<br />
(1.157)<br />
�v = �vo ; �x = �vot (1.158)<br />
ist <strong>die</strong> Bahn. Mit drei geeignet gewählten Bahnen kann ein (inertiales) Kartesisches System realisiert werden.<br />
Analog zur Galileischen Mechanik gehen wir wieder von einem Hamiltonschen Wirkungsprinzip aus mit der Wirkung<br />
S und mit der Lagrange-Funktion L. Daraus folgen wieder Bewegungsgleichungen und Feldgleichungen. Für ein freies<br />
<strong>Teil</strong>chen ist <strong>die</strong> Wirkung gegeben durch den einzig möglichen Lorentz–Skalar: <strong>die</strong> Eigenzeit, τ, des <strong>Teil</strong>chens.<br />
S = −mc 2<br />
�<br />
�<br />
dτ = −<br />
mc<br />
�<br />
ηik<br />
dx i<br />
dλ<br />
dxk dλ (1.159)<br />
dλ<br />
Hier ist λ = s = cτ und kann durch einen beliebigen affinen Parameter zur Beschreibung der <strong>Teil</strong>chenbahn ersetzt werden.<br />
Die Variation ergibt<br />
d ∂L ∂L<br />
=<br />
dλ ∂u ∂x<br />
(1.160)
102 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />
Für ein freies <strong>Teil</strong>chen ist<br />
u = uo ; x = uoτ<br />
<strong>die</strong> Bahn. Mit drei geeignet gewählten Bahnen kann ein (inertiales) Minkowski System realisiert werden.<br />
Der 4-Impuls ist<br />
p i = mcu i in Komponenten: (E/c, �p) (1.161)<br />
wobei m = me <strong>die</strong> Ruhmasse ist und<br />
E = meγc 2<br />
und �p = meγ�v<br />
<strong>die</strong> nichtrelativistischen Komponenten sind.<br />
Die Lagrange-Funktion bzw. Dichte für <strong>die</strong> Kopplung zwischen geladenem <strong>Teil</strong>chen und el. mag. Feld kann nicht durch<br />
Invarianzforderungen bestimmt werden, sie beruht auf experimenteller Erfahrung.<br />
Der folgende Ansatz berücksichtigt <strong>die</strong> Beobachtung, daß es el. Ladungen gibt, aber keine mag. Monopole:<br />
S = − e<br />
c<br />
�<br />
Ai ˙x i dτ = − 1<br />
c<br />
� �<br />
Aij i d 3 xdt<br />
mit der 4-Stromdichte ji für eine Punkt - Ladung. Für <strong>die</strong> Maxwellschen Gleichungen ist demnach <strong>die</strong> Gesamt - Wirkung<br />
S gegeben durch<br />
S = −mc 2<br />
�<br />
dτ − e<br />
�<br />
Aidx<br />
c<br />
i − 1<br />
�<br />
(FikF<br />
16π<br />
ik )d 3 xdt (1.162)<br />
bzw. wenn wir <strong>die</strong> Wechselwirkung als Dichte schreiben<br />
S = −mc 2<br />
�<br />
dτ − 1<br />
�<br />
(Aij<br />
c<br />
i )d 3 xdt − 1<br />
�<br />
16π<br />
Die Lagrange-Dichte der elektromagnetischen Feldes ist<br />
Λem = − 1 ik<br />
FikF<br />
16π<br />
(FikF ik )d 3 xdt (1.163)<br />
(1.164)<br />
der einzige Lorentz Skalar, der zu linearen Gleichungen führt.<br />
Die Bewegung der Elektronen ergibt sich aus der Variation der Bahn x(τ), mit u(τ) = ˙x(τ) und mit δA i (x) = A i k δxk<br />
nach partieller Integration zu<br />
� �<br />
δS = δxi mcú i − e<br />
c F ik �<br />
uk<br />
und liefert <strong>die</strong> kovariante Form der Lorentzkraft und <strong>die</strong> Bewegungsgleichung.<br />
Die Allgemeine Relativitätstheorie<br />
(1.165)<br />
Die logische Erweiterung der SRT ist <strong>die</strong> Riemannsche Differential-Geometrie. Die Metrik wird hier<br />
zum Feld und <strong>die</strong> Feldkomponenten gik = gik(x) sind jetzt ortsabhängig<br />
ds 2 = gikdx i dx k<br />
(1.166)<br />
Das Feld kann (in einem gekrümmten Raum) nicht mehr global (d.h. für alle x) auf Diagonalform mit<br />
konstanten Koeffizienten gebracht werden, wohl aber noch in einem Punkt (punktal).<br />
Die Einsteinschen Feldgleichungen folgen, wie jede gute Theorie, aus einem Wirkungsprinzip<br />
δS = 0 ; S = 1<br />
�<br />
Λ<br />
c<br />
√ −gdΩ ; dΩ = d 4 x = cdtdV (1.167)<br />
wobei <strong>die</strong> Wirkung S <strong>die</strong> Summe aus den verschiedenen Feldanteilen ist. Alle Felder tragen (in linearer<br />
Superposition) bei<br />
�<br />
S = (Λg + Λm + Λv) √ −g dΩ<br />
(1.168)<br />
c<br />
Wir geben hier vorerst nur drei Felder explizit an:
1.5. GEOMETRIE DER RAUMZEIT 103<br />
1. das metrische Feld<br />
Λg = − 1<br />
R (1.169)<br />
2ˆκ<br />
2. das elektromagnetischen Feld<br />
Λem = − 1 ik<br />
FikF<br />
16π<br />
3. das ’Vakuum’, mit Λv = const<br />
Sv = − 1<br />
�<br />
ˆκ<br />
√ dΩ<br />
Λv −g<br />
c<br />
(1.170)<br />
(1.171)<br />
mit dem Index g für Geometrie, em für elektromagnetisch und mit dem Index v für Vakuum.<br />
Die Materie (mit Index m) wird meist phänomenologisch als Staub behandelt. Die Größen Λv (Einsteins<br />
Kosmologische Konstante) und R (Ricci Skalar) haben <strong>die</strong> Dimension eines inversen Längenquadrats,<br />
<strong>die</strong> metrischen Koeffizienten gab sind dimensionslos. Die dimensionelle Umrechnung auf <strong>die</strong> Energiedichte<br />
Λem geschieht mit ˆκ<br />
κ = 8πG<br />
= 1.86 · 10−27<br />
c2 cm g−1 ; ˆκ = κ<br />
= 2 · 10−48<br />
c2 cm 3 g −1 s −2 (1.172)<br />
anstelle der Gravitationskonstanten G. Die Wirkung S ist ein Skalar, was garantiert, daß das Plancksche<br />
Wirkungsquantum h der Quantisierung unabhängig vom Bewegungszustand ist.<br />
Die Einsteinschen Feldgleichungen lauten, mit der Gravitationskonstanten der ART (relativistische<br />
Kopplungskonstante ˆκ)<br />
Gab = ˆκTab<br />
Der Energie-Impulstensor des Vakuums erscheint auf der rechten Seite als:<br />
Tab = 1<br />
ˆκ Λvgab<br />
(1.173)<br />
(1.174)<br />
Bei Einstein (in seinem statischen Universum) war er auf der linken Seite als −R −2<br />
E gab.<br />
Im isotropen Kosmos gilt folgendes: im mitbewegten System ist der gesamte Energie-Impulstensor<br />
(Materie plus Photonen) diagonal mit Komponenten<br />
T i k = diag(ɛ, − p, − p, − p) (1.175)<br />
Das (Robertson-Walker) Linienelement, ds 2 , ist von der Form:<br />
ds 2 = gikdx i dx k = c 2 dt 2 − a(t) 2 dl 2 (k) (1.176)<br />
dl 2 (k) = dχ 2 + σk(χ) 2 (dΘ 2 + sin 2 Θdφ 2 ) (1.177)<br />
Damit lauten <strong>die</strong> (einzigen nichttrivialen) Einsteinschen Gleichungen<br />
G 0 �<br />
′ a<br />
0 = 3<br />
a<br />
G 1 1 = 2 a′′<br />
a +<br />
�<br />
′ a<br />
a<br />
� 2<br />
� 2<br />
� �2 1<br />
+ 3k<br />
a<br />
� �2 1<br />
+ k<br />
a<br />
= ˆκT 0 0 = ˆκɛ (1.178)<br />
= ˆκT 1 1 = −ˆκp (1.179)<br />
Sie wurden erstmals von Friedmann aufgestellt und gelöst (Urknall) und von Lemaître (Atome primitif)<br />
auf den Kosmos angewandt.
104 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />
• FORMELN (DAS FRIEDMANN - LEMAÎTRE UNIVERSUM)<br />
Die Isotropie des Raums führt auf das Robertson-Walker Linienelement, ds 2 :<br />
ds 2 = gikdx i dx k = c 2 dt 2 − a(t) 2 dl 2 (k) (1.180)<br />
dl 2 (k) = dχ 2 + σk(χ) 2 (dΘ 2 + sin 2 Θdφ 2 ) (1.181)<br />
Daraus folgen <strong>die</strong> Friedmannschen Gleichungen<br />
� ′ a<br />
3<br />
a<br />
2 a′′<br />
a +<br />
� ′ a<br />
a<br />
� 2<br />
� 2<br />
�<br />
1<br />
+ 3k<br />
a<br />
�<br />
1<br />
+ k<br />
a<br />
� 2<br />
� 2<br />
= ˆκɛ (1.182)<br />
= −ˆκp (1.183)<br />
Setzt man <strong>die</strong> kosmologische Konstante gleich Null, so erhält man das Friedmann-Lemaître Universum. Es ist heute das<br />
Standardmodell (F-L Modell) für den Kosmos. Zur Beschreibung definiert man zwei dimensionslose Parameter, den Dichteparameter<br />
Ω<br />
Ω = κρa2<br />
3˙a 2<br />
und den Dezelerationsparameter q:<br />
q = − äa<br />
˙a 2<br />
(1.184)<br />
(1.185)<br />
Beide Parameter sind in Wahrheit zeitabhängig, ebenso <strong>die</strong> Hubble Konstante. Ihre Bestimmung zum heutigen Zeitpunkt,<br />
Index o, legt das Standard F-L Modell eindeutig fest. Gewöhnlich benutzt man <strong>die</strong> direkt messbare Hubble Konstante H<br />
Ω = ρ<br />
ρc<br />
= κρc2<br />
3H 2<br />
und eine kritische Dichte ρcr:<br />
ρc = 3H2<br />
c 2 κ<br />
Der Zusammenhang zwischen den Parametern q, k und H ist<br />
(1.186)<br />
(1.187)<br />
kc 2<br />
a 2 = (2q − 1)H2 = H 2 (Ω − 1) (1.188)<br />
• BEISPIEL (KOVARIANTE FORMULIERUNG DER MAXWELLSCHEN GLEICHUNGEN II)<br />
Die inhomogenen Gleichungen lauten explizit<br />
F ik ;k = − 4π<br />
c ji<br />
(1.189)<br />
dabei bedeutet das Semikolon <strong>die</strong> kovariante Ableitung. Da F ik ein anti-symmetrischer Tensor (2ter Stufe) ist, gilt eine<br />
besonders einfache Form<br />
F ik ;k = 1 �√ ik √ −gF<br />
−g<br />
�<br />
= −4π<br />
,k c ji<br />
Daraus folgt <strong>die</strong> kovariante Form der Ladungserhaltung<br />
(1.190)<br />
1 �√ k √ −gj<br />
−g<br />
�<br />
= 0 (1.191)<br />
,k
1.5. GEOMETRIE DER RAUMZEIT 105<br />
1.5.2 Kosmologie und Geometrie<br />
Der Euklidische Raum<br />
Bisher haben wir stillschweigend angenommen, daß der Raum, in dem wir Längenmessungen durchführen,<br />
ein Euklidischer Raum ist und daß <strong>die</strong> Messungen instantan sind (was unendliche Signalgeschwindigkeit<br />
beim synchronisieren der Uhren voraussetzt).<br />
• ANMERKUNG (DIE FÜNF AXIOME DER EUKLIDISCHEN GEOMETRIE)<br />
Euklid (330 - 270 vor Chr) benötigt zum Aufbau seiner Geometrie nur fünf Axiome. Diese bestimmen also <strong>die</strong> Geometrie<br />
eindeutig.<br />
Die fünf Axiome seiner Geometrie lauten original:<br />
1. Daß man von jedem Punkt nach jedem Punkt <strong>die</strong> Strecke ziehen kann.<br />
2. Daß man eine begrenzte Linie zusammenhängend gerade verlängern kann.<br />
3. Daß man mit jedem Mittelpunkt und Abstand den Kreis ziehen kann.<br />
4. Daß alle rechten Winkel einander gleich sind.<br />
5. Daß es zu einer Geraden g und einem Punkt P nur eine Gerade durch <strong>die</strong>sen Punkt P gibt, der <strong>die</strong> Gerade g nirgends<br />
schneidet. (Parallelenaxiom).<br />
Zwei weitere Axiome waren für Euklid selbstverständlich und wurden nicht einmal erwähnt, nämlich:<br />
1. Daß man ein ebenes Gebilde frei von einem Ort zum andern bewegen kann, ohne seine Form zu ändern (Bewegungsgeometrie).<br />
2. Daß gleich-ortigkeit gleich-zeitig (d. h. instantan) feststellbar ist, d. h. daß Signalübermittlung mit unendlicher<br />
Geschwindigkeit stattfindet.<br />
Diese fünf Axiome hatten mehr als 2000 Jahre ihre Gültigkeit behaupten können. In <strong>die</strong>ser Zeit hat es zahllose ’Beweise’<br />
gegeben, daß man ohne das Parallelenaxiom auskommen kann, daß also vier Axiome zur Bergründung der Geometrie<br />
ausreichen.<br />
Läßt man das Parallelenaxiom fallen, dann gibt es genau drei verschiedene Geometrien, welche durch<br />
<strong>die</strong> ersten vier Axiome bestimmt werden: <strong>die</strong> Flächen konstanter Krümmung (Gauß, Bolay und Lobatschewski).<br />
Übertragen auf den 3dim Raum gelangen wir so zu den Räumen konstanter Krümmung.<br />
Räume konstanter Krümmung<br />
Solche Räume sind in der Kosmologie von besonderem Interesse: sie erfüllen das kosmologische<br />
Prinzip (Einstein), welches verlangt, daß kein Raumpunkt vor dem anderen ausgezeichnet sei. Infinitesimal<br />
gilt dabei stets <strong>die</strong> Minkowskische Raum-Zeit (ds 2 = ηikdx i dx k mit Euklidischer Geometrie),<br />
lokal wird <strong>die</strong> Geometrie durch einen Riemannschen Raum (Differential-Geometrie mit Metrik<br />
ds 2 = gikdx i dx k ) beschrieben.<br />
Das kosmologische Prinzip führt (in der ART) zwingend auf <strong>die</strong> Homogenität und Isotropie des Raums.<br />
Diese wiederum führt eindeutig auf das Robertson-Walker Linienelement, ds 2 :<br />
ds 2 = gikdx i dx k = c 2 dt 2 − a(t) 2 dl 2 (k) (1.192)<br />
dl 2 (k) = dχ 2 + σk(χ) 2 (dΘ 2 + sin 2 Θdφ 2 ) (1.193)<br />
mit dem Raum-Linienelement a(t) 2 dl 2 (k). Es beschreibt <strong>die</strong> Metrik eines Raums örtlich konstanter,<br />
dl 2 (k), (aber durch den Vorfaktor zeitlich veränderlicher) Raumkrümmung mit Radius a(t) und mit der<br />
topologischen Invarianten k. Diese ist (in der ART) diskret, k = 0 oder k = ±1 mit der dazugehörigen<br />
Massstabsfunktion σk(χ):<br />
σ1(χ) = sin χ (1.194)<br />
σ0(χ) = χ (1.195)<br />
σ−1(χ) = Sinhχ (1.196)
106 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />
wobei k = 1 ein geschlossenes Universum, k = 0 ein flaches (Minkowski) und k = −1 ein offenes<br />
Universum konstanter negativer Raumkrümmung ergeben. Zu verschiedenen Zeiten können <strong>die</strong><br />
Raumschnitte (der Krümmungsradius a(t)) verschieden sein. Es wird im Standardmodell, d. h. den<br />
Friedmannschen Lösungen der ART realisiert. Im Rahmen der ART kann der Charakter einer Raumzeit<br />
nicht geändert werden, k ist eine topologische Invariante.<br />
Bestimmung der Raumkrümmung<br />
Tatsächlich ist aber Geometrie (Raum) nichts Absolutes, wie etwa Galilei und Newton annahmen noch<br />
folgt sie aus philosophischen Prinzipien. Die Allgemeine Relativitätstheorie Einsteins zeigt, daß <strong>die</strong><br />
Geometrie durch <strong>die</strong> Verteilung der Masse verbogen wird und es ist nötig (und möglich), durch Messungen<br />
(von Längen und Winkeln) im Grossen (D > 1000 Mpc) festzustellen, in welcher Geometrie<br />
wir wirklich leben. Das kosmologische Prinzip findet seine beste Stütze in der Isotropie der Hintergrundstrahlung.<br />
• FORMELN (TESTS DER GEOMETRIE)<br />
Der einfachste Test, herauszufinden, in welcher Geometrie wir leben, ist, <strong>die</strong> Winkelsumme im Dreieck zu bestimmen. Ein<br />
solches Dreieck sollte allerdings als Basislänge von einigen Gigaparsec haben (Gauß versuchte 1827 eine solche Bestimmung<br />
am Brocken im Harz). Alternativen sind Anzahlmessungen von Standardkerzen, N(z), oder scheinbare Durchmesser<br />
von Standardlängen als Funktion der Rotverschiebung z.<br />
1. N(< z) = nV ∝ z3 .<br />
2. logN - logf Anzahl N von Objekten der Leuchtkraft L bis zum Fluß f.<br />
N(> f) = nV = 4π<br />
3 r3n = 4π<br />
3 n<br />
� �3/2 L<br />
4π<br />
oder<br />
(1.197)<br />
N(< m) ∝ dex(0.6m) (1.198)<br />
3. Öffnungswinkel α(z) einer Standardlänge d<br />
d(1 + z)<br />
α(z) =<br />
Dl<br />
∝ 1<br />
z<br />
Ob <strong>die</strong> Geometrie allerdings vollständig durch <strong>die</strong> Massenverteilung bestimmt wird, wie zuerst von<br />
Newton vermutet (Eimerversuch), dann von Ernst Mach postuliert und schließlich von Einstein in<br />
seinem ersten Modell vom Kosmos realisiert, ist im Rahmen der ART eine offene Frage. Denkbar und<br />
erlaubt ist z. B. ein Universum, welches von Gravitationswellen in der Frühphase dominiert wird. Das<br />
ist möglich da <strong>die</strong> Anfangsbedingungen des Universums unbekannt sind.<br />
Newtonsche Kosmologie<br />
Kosmologie ist <strong>die</strong> physikalische Beschreibung der Welt als Ganzes, also des Universums (lat. ’Alles’)<br />
bzw. des Kosmos (gr. ’das Schöne’, ’das Wohlgeordnete’).<br />
Eine Kosmologie, <strong>die</strong> <strong>die</strong>sen Namen ver<strong>die</strong>nt, gibt es erst seit Beginn <strong>die</strong>ses Jahrhunderts. Die mathematische<br />
Beschreibung geschieht mithilfe der Riemannschen Differential Geometrie. Die Grundgleichungen<br />
wurden von Einstein (1915) als Allgemeine Relativitätstheorie (ART) bezeichnet. Damit wird<br />
betont, daß <strong>die</strong> ART als <strong>die</strong>jenige Erweiterung der Spezielle Relativitätstheorie zu verstehen ist, <strong>die</strong> es<br />
erlaubt, <strong>die</strong> Gravitation mit einzubeziehen.<br />
Die Einsteinsche Gravitation führt keine neue Fundamentalkonstante ein, sie übernimmt <strong>die</strong> Lichtgeschwindigkeit<br />
c von der SRT und <strong>die</strong> Gravitationskonstanten G<br />
G = 6.6732 · 10 −8<br />
der Newtonschen Gravitation.<br />
cm 3 g −1 s −2 (1.199)
1.5. GEOMETRIE DER RAUMZEIT 107<br />
Für <strong>die</strong> Kosmologie ist folgendes wichtig. Es handelt sich um Differentialgleichungen 2ter Ordnung,<br />
bestimmt wird der dynamische <strong>Teil</strong> der Metrik. Wir definieren dazu <strong>die</strong> relativistischen Kopplungskonstanten<br />
κ = 8πG<br />
= 1.86 · 10−27<br />
c2 cm g−1 ; ˆκ = κ<br />
= 2 · 10−48<br />
c2 cm 3 g −1 s −2 (1.200)<br />
anstelle der Gravitationskonstanten G.<br />
Die (heutigen) Anfangsbedingungen für den Raum, Homogenität und Isotropie, wurden ebenfalls von<br />
Einstein erstmals formuliert und werden heute noch in <strong>die</strong>ser Form akzeptiert.<br />
In Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie ist das Gravitationsfeld ein metrisches Tensorfeld gab (vom<br />
Spin 2) mit der Energie–Impuls Tensordichte Tab als Quelle. Es kann lokal (etwa in einem frei fallenden<br />
Fahrstuhl) wegtransformiert werden, für <strong>die</strong> anderen Felder gilt dann <strong>die</strong> Spezielle Relativitätstheorie,<br />
d. h. <strong>die</strong> Feldgleichungen haben punktal <strong>die</strong> Minkowski Form (wie in einem Raum ohne Gravitation).<br />
Wir werden hier <strong>die</strong> Newtonsche Form der Einsteinschen Kosmologie betrachten.<br />
Der Grund dafür, daß es eine sinnvolle Newtonsche Näherung der Kosmologie überhaupt gibt, liegt<br />
darin, daß bei sphärischer Symmetrie der Materieverteilung so wie bei Newton auch in der ART <strong>die</strong><br />
Materie außerhalb einer Kugelschale keinen Beitrag zur Kraft innerhalb derselben liefert (Birkhoffscher<br />
Satz). Beschränkt man sich demnach auf genügend kleine Unterbereiche des Kosmos, dann sollte<br />
<strong>die</strong> Dynamik Newtonsch zu beschreiben sein.<br />
Wir benutzen <strong>die</strong> während der Expansion des Universums erhaltene Masse M<br />
M = 4πρ<br />
3 r3<br />
(1.201)<br />
als Referenz für den Radius r. Der Index o bezieht sich auf den heutigen Zeitpunkt und Beobachter.<br />
Aus der Massenerhaltung folgt für alle Zeiten t<br />
ρr 3 = 3M<br />
4π = ρor 3 o<br />
(1.202)<br />
Da nach dem kosmologischen Prinzip <strong>die</strong> Materiedichte ρ nur eine Funktion der Zeit sein kann, folgt,<br />
daß <strong>die</strong> Bewegung jeder Massenschale homolog verlaufen muß:<br />
� �1/3 ρo<br />
r(t) = ro = f(t)ro<br />
(1.203)<br />
ρ(t)<br />
mit f(to) = 1. Für <strong>die</strong> Geschwindigkeit ˙r erhält man<br />
˙r = ˙<br />
fro = ( ˙<br />
f/f)r = Hr (1.204)<br />
Damit haben wir das Hubble Gesetz erhalten: für jedes r gilt zum Zeitpunkt t für <strong>die</strong> Bewegung<br />
˙r = H(t) r (1.205)<br />
Unser nächstes Ziel ist es, in <strong>die</strong>ser Newtonsche Kosmologie <strong>die</strong> Funktion H(t) zu bestimmen.<br />
Bei Kugelsymmetrie lautet <strong>die</strong> Bewegungsgleichung des Radius a<br />
ä = − GM<br />
= −4πG ρa (1.206)<br />
a2 3<br />
Zu einem gegebenen Zeitpunkt ist <strong>die</strong> rücktreibende Beschleunigung proportional zum Abstand. Zur<br />
Integration gehen wir aus von der konstanten Masse M mit räumlich konstanter Dichte ρ = ρ(t). Die<br />
Bewegung hat das erste Integral mit der willkürlich so normierten Integrationskonstanten −kc2 :<br />
˙a 2 = 2GM<br />
− kc2<br />
(1.207)<br />
a<br />
welches unschwer als Energiesatz der ART wiedererkannt werden kann, falls man a geeignet wählt.
108 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />
• ANMERKUNG (ZEITVARIABLE)<br />
Es ist üblich in der ART Dimensionen zu benutzen, wo G = c = 1 ist. Aus didaktischen Gründen wollen wir <strong>die</strong><br />
Abhängigkeit von den Fundamentalkonstanten (zur bequemeren Nachprüfbarkeit) stets vollständig angeben. Wir definieren<br />
stattdessen ξ = ct für <strong>die</strong> Zeitvariable, sodaß ′ <strong>die</strong> Ableitung nach ξ = ct bedeutet. Damit schreibt sich obiger Energiesatz<br />
der ART in pseudo Einsteinscher Form<br />
(a ′ ) 2 + k = 2GM<br />
c 2 a = κρa2 = ˆκɛ 2<br />
Hier ist ɛ = ρc 2 <strong>die</strong> Energiedichte. Sie enthält in der ART jegliche Form an Energie.<br />
Der 1. Hauptsatz der Thermodynamik (für <strong>die</strong> Energie und Materie im Universum) lautet:<br />
T k<br />
i ;k = 0 ; (ɛa 3 ) ′ = −3pa 2 a ′<br />
oder in bekannter Form<br />
(1.208)<br />
(1.209)<br />
˙E = (ɛa 3 )˙ = −p(a 3 )˙ = −p ˙ V (1.210)<br />
In der ART folgt er notwendig aus den Einsteinschen Feldgleichungen.<br />
• ZUSATZ (DIE EINSTEINSCHEN FELDGLEICHUNGEN)<br />
Die Einsteinschen Feldgleichungen lauten<br />
Gab = ˆκTab<br />
(1.211)<br />
Im isotropen Kosmos ist der gesamte Energie-Impulstensor (Materie plus Photonen) im mitbewegten System diagonal mit<br />
Komponenten<br />
T i k = diag(ɛ, − p, − p, − p) (1.212)<br />
Damit lauten <strong>die</strong> (einzigen nichttrivialen) Einsteinschen Gleichungen<br />
G 0 0 = 3<br />
G 1 1 = 2 a′′<br />
a +<br />
� a ′<br />
a<br />
� ′ a<br />
a<br />
� 2<br />
� 2<br />
�<br />
1<br />
+ 3k<br />
a<br />
�<br />
1<br />
+ k<br />
a<br />
� 2<br />
� 2<br />
= ˆκT 0 0 = ˆκɛ (1.213)<br />
= ˆκT 1 1 = −ˆκp (1.214)<br />
Einfache Umformungen liefern <strong>die</strong> folgenden nützlichen, expliziten Relationen für den Skalenfaktor a:<br />
(a ′ ) 2 = −k + ˆκ<br />
3 ɛa2<br />
(1.215)<br />
a ′′ = − ˆκ<br />
(ɛ + 3p)a (1.216)<br />
6<br />
(a 2 ) ′′ = −2k + ˆκ<br />
(ɛ − 3p)a2<br />
3<br />
(1.217)<br />
Die erste Gleichung enthält den Druck überhaupt nicht. Sie ist formal identisch mit der Newtonschen. Der Druck steckt<br />
implizit über den 1. Hauptsatz der Thermodynamik in der Bewegung von a(t). Geeignet uminterpretiert geht sie in <strong>die</strong><br />
Newtonsche Bewegungsgleichung über und zwar kann sie dort als Energiesatz des Kosmos bezeichnet werden.<br />
Die zweite Gleichung kann als Kraftgleichung (Beschleunigungsgleichung des Kosmos) interpretiert werden: sie enthält<br />
<strong>die</strong> Kombination ɛ + 3p, also auch den Druck, als aktive gravitierende Masse (fehlt bei Newton, stammt aus der SRT) und<br />
ist unabhängig von der 3er-Geometrie k.<br />
Bei bekannter Zustandsgleichung können <strong>die</strong> Gleichungen leicht gelöst werden.<br />
Oft wird anstelle von a(t) <strong>die</strong> Bezeichnung R(t) für den Radius der Raumkrümmung benutzt. Der Hubble Expansionsparameter<br />
H und <strong>die</strong> kritische Dichte des Universums wird damit wie folgt definiert:<br />
H = ˙ R<br />
R<br />
; ρc = 3<br />
8πG H2<br />
; Ω = ρ<br />
ρc<br />
= 8πG<br />
3 ρH−2<br />
(1.218)
1.5. GEOMETRIE DER RAUMZEIT 109<br />
Wir sehen, daß es drei fundamental verschiedene Bewegungen gibt, welche durch <strong>die</strong> Gesamtenergie,<br />
bei Einstein durch <strong>die</strong> Geometrie<br />
Etot = Ekin + Epot<br />
des Systems bestimmt werden:<br />
1. Etot < 0 (gebundenes System, k = +1).<br />
Die Expansion verläuft bis zu einem maximalen Radius, dem Schwarzschild Radius Rs der Masse<br />
M,<br />
a = amax<br />
ct =<br />
(1 − cos η)<br />
2<br />
(1.219)<br />
amax<br />
(η − sin η)<br />
2<br />
(1.220)<br />
amax = 2GM<br />
c2 = Rs (1.221)<br />
und rekollabiert dann (wieder in eine Singularität).<br />
2. Etot > 0 (ungebundenes System, k = −1).<br />
Im Falle positiver Gesamtenergie expan<strong>die</strong>rt das System für alle Zeiten mit von Null verschiedener<br />
Grenzgeschwindigkeit: ˙a(∞) = c.<br />
Dabei ist<br />
a = a1(cosh η − 1) (1.222)<br />
ct = a1(sinh η − η) (1.223)<br />
a1 = GM 1<br />
=<br />
c2 2 Rs<br />
(1.224)<br />
3. Etot = 0 (indifferentes System, k = 0).<br />
Im Grenzfall verschwindender Gesamtenergie ist <strong>die</strong> Lösung besonders einfach. Die Bewegungsgleichung<br />
(Energiesatz) lautet:<br />
˙a 2 = 2GM<br />
a<br />
Mit der Lösung<br />
a =<br />
= c2 Rs<br />
a<br />
�<br />
3√<br />
�2/3<br />
2GM t =<br />
2<br />
8πGρ<br />
= a<br />
3<br />
2 = H 2 a 2<br />
�<br />
3�<br />
�2/3<br />
Rsct<br />
2<br />
Das System expan<strong>die</strong>rt für alle Zeiten, allerdings mit Grenzgeschwindigkeit Null: ˙a(∞) = 0.<br />
(1.225)<br />
(1.226)<br />
In unserer Näherung ist ein kosmologisches Modell durch zwei Parameter eindeutig bestimmt, welche<br />
zu beliebigem Zeitpunkt gemessen werden können. Diese sind z. B.<br />
1. <strong>die</strong> Hubble Konstante H(to) = Ho und<br />
2. <strong>die</strong> Dichte ρo = ρ(to).
110 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />
Die für k = 0 auftretende Dichte<br />
ρc = 3H2<br />
c 2 κ<br />
(1.227)<br />
stellt eine kritische Dichte dar: ein Kosmos mit höherer Dichte rekollabiert wieder (in unserer jetzigen<br />
Näherung). In Zahlen<br />
ρc = 3H2<br />
8πG = 5 · 10−30 (2h) 2<br />
gcm −3<br />
Wir definieren damit den dimensionslosen Dichteparameter Ω = Ω(t)<br />
Ω = ρ<br />
ρc<br />
= κρc2<br />
3H 2<br />
(1.228)<br />
(1.229)<br />
Damit ist demnach ein kosmologisches Modell eindeutig durch <strong>die</strong> dimensionslosen Parameter h und<br />
Ω zum heutigen Zeitpunkt festgelegt. Wir wollen im folgenden versuchen, <strong>die</strong> Parameter h(to) und<br />
Ω(to) zu bestimmen, wir werden dabei den Index weglassen, falls keine Missverständnisse möglich<br />
sind. Dazu definieren wir zunächst nützliche Einheiten für Masse und Leuchtkraft (von Galaxien und<br />
Galaxienhaufen).<br />
• ANMERKUNG (DIE ZUSTANDSGLEICHUNG DES KOSMOS)<br />
Die Bestimmung der Zustandsgleichung aller Komponenten eines Universums extrem hoher spezifischer Entropie, nγ/nb ≈<br />
10 8 . . . 10 10 ist besonders einfach. Jedenfalls gilt <strong>die</strong>s für <strong>die</strong> sichtbare Materie. Die Bestimmung gelingt weitgehend mit<br />
den Hauptsätzen der Thermodynamik. Die genauere Behandlung folgt später. Hier geben wir <strong>die</strong> einfachsten Anteile.<br />
Sowohl <strong>die</strong> Sterne (oder <strong>die</strong> Galaxien) als ganzes als auch das Plasma aus Protonen und Elektronen (plus kleiner Beimengungen)<br />
kann als eine ideale Flüssigkeit approximiert werden. Insbesondere ist heute P = 0 vollkommen ausreichend.<br />
Für Zustandsgleichung und Entropiedichte s der Photonen gilt<br />
p = 1<br />
3<br />
ɛ ; s =<br />
3 4<br />
ɛ<br />
T<br />
Dabei ist ɛ <strong>die</strong> Energiedichte und p der Druck.<br />
Die Zustandsgleichung des Vakuums ist p = −ɛ = const.<br />
Wir betrachten <strong>die</strong> allgemeine Zustandsgleichung der Form p = γɛ. Dafür wird Glchg. (1.210)<br />
(ɛa 3 ) ′ = −γɛ(a 3 ) ′ mit ɛ = ɛo<br />
Für alle drei Grenzfälle<br />
� �<br />
ao<br />
3(1+γ)<br />
a<br />
1. p = 0, d. h. γ = 0, (Näherung für heute, Staubuniversum)<br />
� �<br />
ao<br />
3<br />
ɛ = ɛo<br />
a<br />
2. P = ɛ/3, d. h. γ = 1/3, (frühes Universum, strahlungsdominiert)<br />
� �<br />
ao<br />
4<br />
ɛ = ɛo<br />
a<br />
3. P = −ɛ, d. h. γ = −1, (Vakuum, dominiert <strong>die</strong> Zukunft)<br />
ɛ = ɛo<br />
können <strong>die</strong> Einsteinschen Gleichungen geschlossen gelöst werden.<br />
(1.230)<br />
(1.231)
1.5. GEOMETRIE DER RAUMZEIT 111<br />
Kosmologisch geeignete Einheiten für Masse und Leuchtkraft<br />
Wir werden im folgenden <strong>die</strong> Hubble Relation zur Entfernungsbestimmung<br />
Dl = 6 1 1 + 0.5z<br />
z<br />
2h 1 + z<br />
und für <strong>die</strong> Leuchtkraft<br />
Le = 4πD 2 l fo<br />
Gpc (1.232)<br />
(1.233)<br />
benutzen. Der Index o bezieht sich auf den Beobachter, fo ist der (der direkt messbare) Fluß (einer<br />
Linie), z ist <strong>die</strong> Rotverschiebung und h ist <strong>die</strong> natürliche, dimensionslose Entfernungs - Masseinheit<br />
(Hubble Parameter) für Kosmologen. Sie wird später erklärt.<br />
Mit h = 0.5 als Richtwert ergibt sich<br />
Le = 4 · 10 57 foz 2<br />
� �2 1 + 0.5z<br />
erg s<br />
1 + z<br />
−1 (1.234)<br />
Eigentlich sollte <strong>die</strong>se Relation erst ab D = 100 Mpc verwendet werden (also ab z = v/c = 1/30 oder<br />
v = zc = 10 4 km s −1 für <strong>die</strong> Fluchtgeschwindigkeit), sie <strong>die</strong>nt mangels besserem hier als Richtwert<br />
und scheint durchaus geeignet zur Entfernungsbestimmung ab Virgo Haufen (z = 1/150).<br />
Wir nehmen an, daß <strong>die</strong> Milchstraße typisch für Galaxien ist, ähnlich wie <strong>die</strong> Sonne für Sterne. Für das<br />
folgende führen wir damit neue, praktische Einheiten ein<br />
1. für <strong>die</strong> Gesamtleuchtkraft<br />
L∗ = 2.5 · 10 10 L⊙ = 10 44<br />
2. und <strong>die</strong> Gesamtmasse (Dunkelmasse inklusive)<br />
erg s −1 (1.235)<br />
M∗ = 1 · 10 12 M⊙ = 2 · 10 45 g (1.236)<br />
Für <strong>die</strong> Milchstraße und für M31 gilt dann L ≈ L∗ und (inklusive Dunkelmasse) M ≈ M∗. Der<br />
Quasar 3C 273 hat dagegen L ≈ 10 3 L∗ und <strong>die</strong> stärksten Quellen erreichen ein dex mehr, L ≈ 10 4 L∗<br />
an Dauerleuchtkraft. Allerdings liegt das Maximum der Strahlung im Gammabereich.<br />
1.5.3 Galaxien<br />
Für <strong>die</strong> Kosmologie sind Galaxienhaufen <strong>die</strong> Grundbausteine, sie folgen nicht der kosmologischen<br />
Expansion. Ob Galaxien oder einzelne ihrer Objekte (wie Sterne, Novae, Supernovae usw.) als Standardkerzen<br />
taugen, hängt letztlich davon ab, ob sie physikalisch verstanden werden können.<br />
Direkt beobachtbar an Galaxien sind <strong>die</strong> Flächenhelligkeit (bzw. aufintegriert ihre Leuchtkraft), <strong>die</strong><br />
Dopplerverschiebung, <strong>die</strong> Breite von Linien und <strong>die</strong> chemische Häufigkeit der Elemente.<br />
• ANMERKUNG (INTEGRALE EIGENSCHAFTEN DER GALAXIEN)<br />
Bisher haben wir Galaxien betrachtet, wie sie in unserer näheren Umgebung vorkommen. Das Hauptanliegen war, ihre<br />
Entfernung zu bestimmen und daraus, wenn möglich, neue Eichkerzen zu finden.<br />
Wir geben zunächst eine tabellarische Zusammenfassung der integralen Eigenschaften für <strong>die</strong> Galaxien unserer näheren<br />
Umgebung, wie wir sie leicht ableiten können, falls <strong>die</strong><br />
Entfernung bekannt ist.<br />
D ist hier der optische Durchmesser der Galaxie, das<br />
Klasse Mv(min) Mv(max) Dmin Dmax<br />
Doppelte des sog. Holmberg Radius. Dieser ist definiert<br />
mag mag kpc kpc<br />
durch den Abfall der Flächenhelligkeit auf einen phänomenologischen Elliptisch −16 −22 10 50<br />
Festwert. Die nach dem Virialsatz bestimmten Massen reichen<br />
von M = 1 · 10 10 M⊙ bis etwa M = 1 · 10 12 M⊙, der<br />
Rekord beträgt dabei M = 3 · 10 13 M⊙ für M87. In <strong>die</strong>sen<br />
Massen ist <strong>die</strong> Dunkelmaterie enthalten.<br />
Zwerg Galaxien sind nochmals leichter. Über Dunkelmaterie<br />
ist bei ihnen nichts bekannt. Sie bilden den Übergang<br />
Spirale −16 −21 10 30<br />
Irregulär −14 −18 5 20<br />
Zwergsystem −10 −16 1 10<br />
Tab. 1.42: Galaxien-Eigenschaften
112 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />
zu den Kugelsternhaufen, für <strong>die</strong> entsprechendes gilt.<br />
Eine cD Galaxie ist eine (vorangestelltes c bedeutet cluster) riesenhaft elliptische Galaxie mit hellem Kern und diffusem<br />
(D) Rand. Ein Galaxienhaufen hat meist eine cD Galaxie im Zentrum. Man nimmt an, daß solche Galaxien durch Kannibalismus<br />
so groß geworden sind, damit dürfte <strong>die</strong> Leuchtkraft von der Umgebung und der Vorgeschichte abhängen. Als<br />
Standardkerze scheiden cD Galaxien damit aus. Eine cE Galaxie ist eine extrem kompakte Galaxie, eine dE Galaxie ist<br />
zwergenhaft elliptisch.<br />
• BEISPIEL (OBJEKTE DES VIRGO HAUFENS)<br />
In der näheren Umgebung des Virgo Haufens mit der Lokalen Gruppe am Rand (in einem Radius von maximal 50 Mpc)<br />
befinden sich, neben vielen Gruppen<br />
1. der grosse Attraktor und gegenüberliegend<br />
2. der Pisces-Perseus Haufen,<br />
3. <strong>die</strong> grosse Mauer und<br />
4. ein Leerraum von 100 Mpc.<br />
Diese Objekte sind alle erst kürzlich als solche erkannt worden (hauptsächlich über <strong>die</strong> dritte Dimension: <strong>die</strong> Bestimmung<br />
der Rotverschiebung an vielen Mitglieds Galaxien).<br />
Es zeigt sich aber, daß es darüberhinaus noch weite Objekte (und Strukturen) gibt, wahrscheinlich<br />
Galaxien in einem anderen Entwicklungszustand, <strong>die</strong> in unserer Nähe nicht vorkommen. Es handelt<br />
sich zwar nur um eine sehr geringe Anzahl (etwa 2%) solcher Objekte, dafür sind ihre Charakteristika<br />
um so erstaunlicher.<br />
Kolli<strong>die</strong>rende Galaxien<br />
Die Kollision (Zusammenstoss) von zwei Sternen ist selbst in Kugelsternhaufen so selten, daß kein einziges<br />
Ereignis bisher beobachtet wurde. Ganz anders sieht es bei Galaxien in Galaxienhaufen aus. Es<br />
mag deshalb überraschen, daß es viele Beispiele von kolli<strong>die</strong>rende Galaxien gibt, den sog. Starburst-<br />
Galaxien, (engl. burst: Schwall, Ausbruch). Gemeint sind allgemein Sterngeburten mit extrem hoher<br />
Rate, <strong>die</strong> nach bisheriger Interpretation durch einen Stoß getriggert wurden. Obwohl es direkte optische<br />
Evidenz für kolli<strong>die</strong>rende Galaxien seit langer Zeit gibt, so haben doch erst moderne Beobachtungstechniken<br />
im Radio- und vor allem im Röntgen-Bereich zu einem befriedigenden und eindeutigen<br />
Gesamtbild geführt. Ursprünglich wurden Galaxien <strong>die</strong>ses Typs als explo<strong>die</strong>rende Galaxien<br />
von Ambartsumian interpretiert. Typisch für stossende Galaxien sind gravische Verformung, Jets und<br />
Starbursts.<br />
• DEFINITION (STARBURST)<br />
Nach Larson und Tinsley versteht man unter einer Starburst-Galaxie eine Galaxie, in der ein Burst (Ausbruch) an Sternbildung<br />
von einer Dauer von 10 bis 100 Myr abläuft, bei dem mehr als 5% der Masse der Galaxie umgesetzt wird. Analoges<br />
gilt für einen Starburst in einer massiven Molekülwolke.<br />
Der Starburst kommt hier praktisch durch den Zentralstoß zweier Galaxien zustande (auf kleinerer<br />
Skala sind auch Wolken denkbar). Wichtig ist dabei das Massenverhältnis der Stosspartner, wie man<br />
aus Komputersimulationen schließen kann. Jets entstehen, falls eine Galaxie <strong>die</strong> Masse der anderen<br />
dominiert, M1 ≫ M2. Nachgewiesen sind Jets, <strong>die</strong> aus Sternen und solche, <strong>die</strong> aus leuchtendem Gas<br />
bestehen. Bei vergleichbaren Massen, M1 ≈ M2, verschmelzen <strong>die</strong> beiden Galaxien zu einer Riesengalaxie<br />
(engl. merger).<br />
Ein noch dramatischeres Szenario ist folgendes. Falls eine solche Riesengalaxie (meist vom Typ cD)<br />
in einem dichten Galaxienhaufen eingebettet ist, kann es zu Kannibalismus kommen, wobei <strong>die</strong> Riesengalaxie<br />
ganze Galaxien des Haufens verschlingt, sodaß ihre Masse wächst.<br />
• BEISPIEL (GALAXIEN IN KOLLISION)<br />
Viele Beispiele von Galaxien in Kollision bzw. im Stadium der Verschmelzung (engl. merger) sind von IRAS gefunden<br />
worden<br />
Ein wichtiges Ergebnis der IRAS Mission war dabei <strong>die</strong> Erkenntnis, daß <strong>die</strong>se Galaxien extren leuchtstark sind, mit IR
1.5. GEOMETRIE DER RAUMZEIT 113<br />
Leuchtkräften L ≈ 10 12 L⊙. Solch hohe Leuchtkräfte kann entweder<br />
durch das Vorhandensein vieler (insgesamt etwa 10 Mio)<br />
massiver Sterne mit Leuchtkräften L ≈ 10 5 L⊙ oder aber eines<br />
AGN erklärt werden.<br />
Die Galaxie NGC 253 ist (wie M82) eine nahe, gut untersuchte<br />
Starburst-Galaxie mit einem beträchtlichen Anteil an Gas und<br />
Staub. Sie ist <strong>die</strong> dominierende elliptische Galaxie der Sculptor<br />
Gruppe, <strong>die</strong> sonst nur noch viele Zwerggalaxien enthält. Mit 1 ′′<br />
kann man noch Strukturen von 15 Parsec auflösen. Man kann<br />
so einzelne Regionen von Sternentstehungsgebieten mit extremer<br />
Geburtsrate auflösen. Sie enthalten mehr Sterne (mehrere<br />
Tausend mit Leuchtkräften L > 10 5 L⊙) im Volumen als 30<br />
Dor in LMC. Die Supernova Rate ist entsprechend hoch, etwa<br />
1 SN in 5 Jahren. Diese Sternentstehungsgebiete liegen in einem<br />
Abstand von etwa 200 pc um <strong>die</strong> beiden Kerne von NGC<br />
253 herum. Der Abstand der Kerne beträgt etwa 10 kpc, ihre<br />
Leuchtkräfte jeweils L = 10 11 L⊙ und <strong>die</strong> Stossgeschwindig-<br />
keit (Relativgeschwindigkeit der beiden Kerne) beträgt 150 km s −1 .<br />
Antennae ist eine Starburst-Galaxie mit starker Radio und Röntgen Emission.<br />
In NGC 6052 = Mrk 297 wurde 1979 eine Radio-Supernova entdeckt.<br />
NGC 7252 wird interpretiert als Stoß zweier Galaxien mit Jets.<br />
Galaxien (mit AGN) in Kollision<br />
NGC alternative D Bemerkung<br />
Nummer Bezeichnung Mpc<br />
253 3 Starburst-Galaxie<br />
3034 M82 3 Starburst-Galaxie<br />
1068 20 Seyfert 2<br />
1316 Fornax A 26 Verschmelzung<br />
2623 Antennae 58 Starburst-Galaxie<br />
6052 Mrk 297 100 Starburst-Galaxie<br />
6240 140 Starburst-Galaxie<br />
7252 Stoß (mit Jets)<br />
Tab. 1.43: Galaxien in Kollision<br />
• BEISPIEL (M82 UND NGC 253)<br />
Diese klassischen Beispiele einer Galaxie mit AGN wurden ursprünglich als explo<strong>die</strong>rende Galaxie interpretiert. Die<br />
Strömungsgeschwindigkeit des H Gases vom Zentrum weg, ließ auf eine Explosion vor etwa 2 Myr schließen (Burbidge,<br />
1964).<br />
Mittlerweile werden sie als Prototypen einer neuen Klasse interpretiert: Starburst-Galaxieen.<br />
NGC 3034 = M82 und NGC 253 sind beide auch eine starke Radio Galaxie (3C231). Das legte schon früh den Verdacht<br />
nahe, daß <strong>die</strong> Strahlung nichtthermisch ist.<br />
M82 war <strong>die</strong> erste Galaxie, bei der Polarisation im optischen (von Sandage und Miller, 1964) nachgewiesen werden konnte.<br />
Damit war der nichtthermische Charakter im gesamten Frequenzbereich <strong>die</strong>ser Klasse von Quellen etabliert.<br />
M82 (LIR = 10 10.3 L⊙) und NGC 253 (LIR = 10 10.8 L⊙, D = 3 Mpc, mV = 8.04) haben etwa LIR/Lopt 3 und 5.<br />
In NGC 253 ist erstmals (von BeppoSAX 1998) <strong>die</strong> Fe XXV K-Linie bei 6.7 keV (Breite 300 eV) nachgewiesen worden.<br />
Die Röntgen Leuchtkraft beträgt im Imtervall [0.2 . . . 10] keV LX = 10 6.6 L⊙ = 10 40 erg s −1 . Für M82 gelten ähnliche<br />
Werte.<br />
Im Gamma Bereich ist NGC von OSSE nachgewiesen.<br />
• BEISPIEL (FORNAX)<br />
Ein besonders gut untersuchtes Beispiel für eine bereits abgeschlossene Galaxien Verschmelzung ist Fornax A (NGC 1316,<br />
PKS 0320 − 37, Arp 154).<br />
Es handelt sich hier um eine der am nächsten gelegenen und hellsten (scheinbare Helligkeit) Radio-Galaxien, Lradio =
114 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />
2 · 10 42 erg s −1 . NGC 1316 liegt am Rande des armen Fornax Haufens (arm = arm an<br />
Galaxien) in 24 Mpc Entfernung. Diese Situation ist vergleichbar mit der Milchstraße<br />
plus M31 am Rande des Virgo Haufens (mit der Zentralgalaxie M87).<br />
In der nebenstehenden Tabelle sind Daten zum Fornax Haufen gesammelt. Die Haufen<br />
Koordinaten (1950) sind:<br />
α = 03:20:47.2, δ = −37 : 23 : 08.<br />
Die Fluchtgeschwindigkeit beträgt 1422 km s −1 , was einem z = 5 · 10 −3 entspricht.<br />
Die Tabelle gibt <strong>die</strong> Mitglieder im Zentrum. Zentralgalaxie ist NGC 1399 mit einer<br />
Masse von M = 6 · 10 12 M⊙ und einer Gas Masse (im Halo bis 125 kpc) von M ≈<br />
1.6 · 10 11 M⊙. Die Röntgenleuchtkraft beträgt LX = 4 · 10 41 erg s −1 .<br />
NGC 1317 ist eine 6 ′′ entfernte Begleitgalaxie zu Fornax A und liegt praktisch am Rand<br />
von NGC 1316. Beide haben viele Kugelsternhaufen um sich. Optisch ist NGC 1316<br />
eine cD Galaxie mit einem schwachen AGN Kern. AGNs werden weiter unten erklärt.<br />
Bei einem Abstand von D = 23 Mpc beträgt <strong>die</strong> Auflösung für eine Bogensekunde<br />
100 pc. Der Abstand der beiden Radio Ohren beträgt 30 ′ , was 240 kpc entspricht. Die<br />
Radio Emission ist polarisiert und kommt aus Filamenten, <strong>die</strong> korreliert (ausgerichtet)<br />
sind. Das optische Gegenstück, NGC 1316, ist eine D Galaxie (MB ≈ −22.7) in<br />
der Mitte zwischen den beiden Radio Ohren. Der morphologische Typ passt in kein<br />
Klassifikationsschema. Der Kern der Galaxie NGC 1316 ist aktiv in praktisch allen<br />
Frequenzbereichen (optisch, UV, Röntgen). Er ist von einem Röntgen Halo geringer<br />
Ausdehnung umgeben (geschätzte Gas Masse allerdings nur M ≈ 1 · 10 9 M⊙ bei einer<br />
Temperatur von 1 · 10 7 K). Die Röntgenleuchtkraft beträgt LX = 2 · 10 41 erg s −1 .<br />
Radio-Galaxien<br />
Daten zum Fornax Haufen<br />
NGC Nr MB Typ<br />
1399 −21.35 E1<br />
1374 −19.89 E0<br />
1375 −18.81 S0<br />
1379 −20.03 E0<br />
1380 −20.98 S0/Sa<br />
1380A −18.56 Spiral<br />
1381 −19.44 S0(10)<br />
1382 −18.09 E<br />
1386 −19.78 Sa<br />
1387 −20.20 SB0<br />
1389 −19.46 S0/SB0<br />
1404 −21.35 E2<br />
1427 −20.09 E5<br />
1427A −18.63 Irr<br />
Tab. 1.44: Fornax<br />
Galaxien strahlen, von wenigen Ausnahmen abgesehen, hauptsächlich im optischen Bereich. Für <strong>die</strong><br />
optische Gesamtleuchtkraft typischer Galaxien hatten wir<br />
L∗ = 2.5 · 10 10 L⊙ = 10 44<br />
definiert und für <strong>die</strong> Gesamtmasse (Dunkelmasse inklusive) ist<br />
erg s −1 (1.237)<br />
M∗ = 1 · 10 12 M⊙ = 2 · 10 45 g (1.238)<br />
<strong>die</strong> Einheit.<br />
Die Radiostrahlung aus dem Kernbereich der Galaxien ist gering, der Hauptbeitrag kommt zudem von<br />
nichtthermischen Quellen (Synchrotron Strahlung von relativistischen Elektronen, erkennbar am Spektralindex<br />
und an der Polarisation). Als Beispiel sei hier M31 (Andromeda) angeführt. Im optischen Bereich<br />
gilt (genauer als vorher angegeben) Lopt(M31) = 2.5Lopt(MW G) = L∗. Die Radioleuchtkraft<br />
beträgt nur 10 38 erg s −1 , d. h. Lrad(M31) = 2.5 · 10 −6 Lopt(MW G).<br />
Es war deshalb eine Überraschung, daß es Galaxien gibt, <strong>die</strong> fast ausschließlich im Radiobereich strahlen<br />
und <strong>die</strong> dazu noch extrem ausgedehnt sind. Es handelt sich dabei meist um eine Doppelstruktur:<br />
zwei riesige Ohren (engl. lobes) strahlen, im Zentrum sitzt eine (oft auch optisch nachweisbare) Punktquelle<br />
als Sender. Prototyp ist Cen A, eine nahe aktive Galaxie, <strong>die</strong> sowohl im Radio als auch im<br />
Röntgenbereich (seit 1961) gut untersucht ist.<br />
• DEFINITION ( N-GALAXIEN )<br />
Zur Klasse der Radio-Galaxien gehören <strong>die</strong> von Morgan so bezeichneten N-Galaxie (N steht für Nukleus = Kern).<br />
Es handelt sich (im optischen) um AGN Galaxien, mit hellem Kern und deutlich schwächerer Umgebung.
1.5. GEOMETRIE DER RAUMZEIT 115<br />
Zu <strong>die</strong>sem morphologischen Typ gehören verschiedene Klassen von<br />
Galaxien,<br />
Seyferts wie 3C382 und<br />
Galaxien mit (M82 und NGC 1275) ohne Linienspektrum (NGC<br />
4782-83).<br />
In der nebenstehenden Tabelle sind einige Röntgen Daten angegeben.<br />
Der Unterschied zu echten Quasaren ist nicht sehr groß. Zum<br />
Vergleich: QSR 3C351 hat bei einer Rotverschiebung z = 0.371<br />
eine Röntgen Leuchtkraft Log(LX/erg s −1 ) = 44.96 und QSR<br />
PKS1510−089 hat z = 0.361 mit Log(LX/erg s −1 ) = 45.32. Beide<br />
Daten zu N-Galaxien<br />
Name Rotverschiebung Log(LX)<br />
z erg s −1<br />
3C445 0.057 42.83<br />
3C227 0.085 43.30<br />
PKS1417 − 190 0.119 44.50<br />
3C109 0.306 45.23<br />
rahmen damit <strong>die</strong> N-Galaxie 3C109 ein.<br />
Tab. 1.45: N-Galaxien<br />
Seyfert Galaxien sind im Mittel etwas schwächer, BL Lacs und Quasare etwas stärker.<br />
Grosse Galaxienhaufen sind starke Radio- und Röntgen-Emitter. Wir selbst sind Mitglied des Virgo<br />
Haufens.<br />
Die uns am nächsten gelegene Radio-Galaxie, Cen A = NGC 5128, ist etwa 4 Mpc entfernt und hat<br />
Lrad = 7 · 10 41 erg s −1 . Sie kann noch gut aufgelöst werden. Sie besteht aus drei Doppelquellen<br />
(aufgereiht wie Perlen auf einer Schnur) mit einer Gesamtausdehnung von etwa 1 Mpc.<br />
Weitere bekannte nahe Haufen sind Perseus und Cygnus (Schwan). Perseus enthält <strong>die</strong> stärkste bisher<br />
gefundene Röntgenquelle (NGC 1275).<br />
• BEISPIEL (CYGNUS A)<br />
Cygnus ist mit 8400 Jy <strong>die</strong> stärkste bisher gefundene Radioquelle (Cygnus A). Selbst bis z = 1 gibt es neuerdings nur eine<br />
Radioquelle (3C 280 mit Lradio = 4·L∗), <strong>die</strong> (absolut) stärker ist als Cyg A. Die Radioquelle 8C1435+635 hat L ≈ 10 1 L∗<br />
im Radiobereich.<br />
Das Erstaunliche an der Radio-Galaxie Cygnus A ist, bei der grossen scheinbaren Helligkeit, ihre Entfernung, welche sich<br />
auf D = 340 Mpc beläuft. Bei <strong>die</strong>ser Entfernung beträgt <strong>die</strong> Auflösung für eine Bogensekun-<br />
de 1.5 kpc (d. h. es gilt 1 ′′ � 0.75h −1 kpc und wir benutzen h = 0.5).<br />
Mit VLBI sind noch 10 −3 einer Bogensekunde, 1 mas, mit 1 mas � 1.5h −1 Parsec (bei starken<br />
Quellen wie Cygnus A) möglich. Der Durchmesser beträgt R = 206 kpc.<br />
Die Leuchtkraft L∗ enthält noch den Faktor h −2 , sodaß in der Tabelle L∗ = 2.5 · 10 10 L⊙ =<br />
10 44 erg s −1 noch mit um <strong>die</strong>sen Faktor zu korrigieren ist, falls h von 0.5 verschieden ist. Die<br />
Galaxie wird im gesamten Spektrum nachgewiesen, im IR beträgt der Fluß (bei 60 µ) 2.85<br />
Jy.<br />
Daten zu Cygnus A<br />
Cyg A NGC 5128<br />
z 0.0562<br />
Lradio<br />
LX/Lopt 0.8<br />
20 · L∗<br />
LX 24 · L∗<br />
• BEISPIEL (NAHE RADIO-GALAXIEN)<br />
Tab. 1.46: Cygnus A<br />
Ein besonders gut untersuchtes Beispiel für das den Zusammenstoß von zwei Galaxien im Frühstadium ist Antennae (NGC<br />
4038/39). Dieses System ist Prototyp und Namensgeber einer ganzen Klasse von Starburst-Galaxien und liegt im Abstand<br />
von D = 29 Mpc vom Zentrum der Lokalen Gruppe (Index LG). Die Fluchtgeschwindigkeit beträgt vLG = 1439 km<br />
s−1 , was mit h = 0.5 eine Entfernung von 29 Mpc ergibt. Es handelt sich hier um eine der am nächsten gelegenen,<br />
hellen (scheinbare Helligkeit) Galaxien (mit Emission im gesamten elektromagnetisch Spektrum, von Radio bis Röntgen),<br />
LX = 1 · 1041 erg s−1 .<br />
Bei einem Abstand von D = 29 Mpc beträgt <strong>die</strong> Auflösung für eine Bogensekunde 140 pc und einer Bogenminute entspricht<br />
8.4 kpc. Der Ausdehnung der beiden Radio Antennen (Jets) beträgt 20 ′ , was 240 kpc entspricht. Die beiden optische<br />
Galaxien, NGC 4038 und NGC 4039, sind 15 kpc voneinander entfernt und jeweils von einem Ring H II Plasma mit eingelagerten<br />
hellen optischen Knoten (MV ≈ −16) umgeben, <strong>die</strong> Gesamtleuchtkraft beträgt MB ≈ −22.4). Die Gas Masse<br />
beträgt M(H) ≈ 4 · 109M⊙ und steckt hauptsächlich in den Antennenflügeln (Ende der Jets).<br />
Der morphologische Typ ist Sc/Sc mit Gezeitenverformung (Klassifikation von Sandage und Tammann). Mit dem HST<br />
können <strong>die</strong> optischen Knoten aufgelöst werden. Ein Knoten besteht typisch aus einem Dutzend Sternhaufen (Sternentstehung<br />
mit einer Intensität <strong>die</strong> 30 Doradus im Tarantula Nebel weit übertrifft). Diese sind in molekulares Gas (nachgewiesen<br />
über CO) von insgesamt M(H2) ≈ 4 · 109M⊙ eingebettet. Die Kerne der beiden Galaxien NGC 1316 sind aktiv (d. h.<br />
sie zeigen Emissionslinien und sind variabel) in praktisch allen Frequenzbereichen (optisch, UV, Röntgen). Sie haben eine<br />
geschätzte Masse von jeweils nur M ≈ 7 · 10 10M⊙. Weitere wichtige Beispiele sind:<br />
1. M82 = NGC 3034 Starburst-Galaxie in einer Entfernung von D = 3 Mpc.<br />
2. Centaurus A = NGC 5128 D = 4 Mpc.<br />
3. Fornax A = NGC 1316 D = 23 Mpc. (s. o. merger). Lradio = 2 · 10 42 erg s −1 .<br />
4. Arp 244 = VV245 = Antennae = NGC 4038/39 Starburst-Galaxie im Frühstadium. D = 29 Mpc.
116 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />
5. Cygnus A D = 170h −1 Mpc.<br />
6. Super Antennae = IRAS 19254−7245; ULIG mit L ≈ 50L∗ = 10 12 L⊙ und M(H2) ≈ 4 · 10 10 M⊙.<br />
7. Arp 220 = IC4553/4554 Mit D = 77 Mpc nächste ULIG, sonst wie Super Antennae.<br />
Die meisten Radio-Galaxien sind allerdings in kosmologischer Entfernung.<br />
Sie stellen hier eine wichtige Unterklasse der<br />
Quasare, <strong>die</strong> sog. radio-lauten Quasare. Zwei<br />
wichtige Kataloge, nach denen <strong>die</strong> Radio Quellen<br />
bezeichnet werden sind der dritte Cambridge<br />
Katalog für den Nordhimmel (Code 3C, mittlerweile<br />
bei 8C) und der Parkes Katalog (Code<br />
PKS) für den Südhimmel.<br />
Die hier aufgeführten Radio-Galaxien werden<br />
PKS Nr alt. z mV LX<br />
Name erg s −1<br />
0305 + 03 NGC 1218 0.029 13.84 3 · 10 42<br />
0625 − 35 OH 342 0.055 16.50 5 · 10 43<br />
1648 + 05 Her A 0.154 18.50 3 · 10 44<br />
Tab. 1.47: Radio-Galaxien<br />
wir weiter unten genauer besprechen.<br />
Starke Radio Galaxien (Lradio > 1 · 10 41 erg s −1 (mit Fluß Φradio > 1 · 10 32 erg s −1 Hz −1 am Ort der<br />
Quelle bei 1 GHz) und QSOs haben Eigenschaften, <strong>die</strong> denen der ULIGs ähneln.<br />
• BEISPIEL (STARKE RADIO GALAXIEN)<br />
Ein berühmtes Beispiel für eine explo<strong>die</strong>rende Galaxie ist NGC 1275. Weitere Beispiele sind:<br />
1. NGC 326 (Dumbbell Galaxy),<br />
2. Mrk 1014,<br />
3. QSO 3C 48,<br />
4. PKS 1345+12.<br />
Mrk steht hier für Markarian.<br />
• BEISPIEL (NGC 326, DIE HANTEL GALAXIE)<br />
NGC 326, (engl. Dumbbell Galaxy), ist <strong>die</strong> hellste Galaxie im Zwicky Haufen Zw 0056.9+2636. Die Rotverschiebung<br />
beträgt z = 0.047, was mit h = 0.5 eine Entfernung von etwa 300 Mpc ergibt.<br />
Daraus folgt für <strong>die</strong> Leuchtkräfte im Röntgen<br />
LX = 6 · 10 9 L⊙ = 1.6 · 10 43 erg s −1 und im Radio<br />
Lradio = 2 · 10 41 erg s −1 .<br />
Röntgen-Galaxien<br />
Gewöhnliche Galaxien haben Leuchtkräfte von einigen 10 39 erg s −1 , was mit 10 hellen Röntgensternen<br />
der Eddingtonleuchtkraft erreicht wird (s. Tab. 1.33). Sie liegen im Bereich 2.5 · 10 8 L⊙ > LX ><br />
2.5 · 10 4 L⊙ und erreichen also nur wenige % der optischen Leuchtkraft. Die Milchstraße liegt im<br />
median, M31 im oberen Bereich.<br />
Die leuchtstärksten Galaxien in Virgo und Coma haben Leuchtkräfte von einigen 2.5 · 10 8 L⊙ = LX =<br />
10 41 erg s −1 .<br />
Der Blasar PKS 0528+134 (mit z = 2.07) ist stark variabel, im Maximum erreicht er 2.5 · 10 16 L⊙ =<br />
Lγ = 10 49 erg s −1 und zwar im Bereich MeV bis GeV.<br />
1.5.4 AGN:<br />
Aktive Galaxien Kerne<br />
Das Acronym AGN steht für Active Galactic Nucleus. Zu den Aktiven Galaxien(kernen) gehören Seyfert<br />
Galaxien (Typ I und Typ II), BL Lac Objekte (Blasare) und Quasare (QSRs und QSOs). Die ersten<br />
Quellen wurden als Radio Galaxien entdeckt, heute unterteilt man <strong>die</strong> verschiedenen AGN zusätzlich<br />
in radio-laut und leise.<br />
Daneben gibt es noch Übergangs Stufen wie Markarian Galaxien und <strong>die</strong> Klasse der LINER (low ionization<br />
nuclear emission region) Objekte, eine Untergruppe der Seyfert Galaxien. Die verschiedenen
1.5. GEOMETRIE DER RAUMZEIT 117<br />
Typen sind entweder nach ihren Entdeckern (Carl Seyfert, USA und Markarian, Armenien) oder nach<br />
Prototypen wie BL Lac oder mit Kunstnamen (Quasar, Blasar) benannt. Aktivität bedeutet hier variabler<br />
Energieausstoß, am besten polarisiert (also keine Sternstrahlung). Dieser wird nach nunmehr<br />
50jähriger Anstrengung, <strong>die</strong> Zentralmaschine des AGN Phänomens zu verstehen, mit einem vereinheitlichten<br />
Modell erklärt. Danach wird <strong>die</strong> Energie durch Akkretion auf ein supermassives Schwarzes<br />
Loch erzeugt. Vermutlich können Typen alle mit <strong>die</strong>sem Einheitsmodell beschrieben werden, wenn<br />
man annimmt, daß <strong>die</strong> Blickrichtung der entscheidende Parameter ist.<br />
• ZUSATZ (ABSCHÄTZUNG DER LEUCHTKRAFT)<br />
Eine einfache Abschätzung der Leuchtkraft erhält man wie folgt: <strong>die</strong> Gravitationsenergie Egrav und <strong>die</strong> Einfallgeschwindigkeit<br />
vinf beträgt etwa<br />
2 GM<br />
Egrav = −<br />
R<br />
; v 2 inf = GM<br />
R<br />
wobei M <strong>die</strong> Masse und R der Abstand ist. Für <strong>die</strong> Leuchtkraft ergibt sich (eine skaleninvariante Relation)<br />
Lgrav = vinf<br />
R (−Egrav) = v5 inf<br />
G<br />
mit der universellen Obergrenze<br />
LG = c5<br />
G<br />
(1.239)<br />
Die Bezeichnungen und Namen stammen noch aus der Zeit, da <strong>die</strong> Objekte nicht verstanden wurden<br />
(BL Lac = BL Lacertae selbst ist also kein variabler Stern, wie man nach der Bezeichnung vermuten<br />
würde, sondern eine Galaxie, <strong>die</strong> bei geringer Auflösung punktförmig erscheint). Als Oberbegriff hat<br />
sich AGN eingebürgert.<br />
Aktive Galaxien (AGN) sind genauer Galaxien, <strong>die</strong> wenigstens zwei der folgenden Kriterien erfüllen:<br />
der helle Kern überstrahlt den Rest der Galaxie,<br />
Emissionslinien nichtstellaren Ursprungs,<br />
variable Leuchtkraft auf einer Zeitskala von 10 4 bis 10 6 Sekunden,<br />
nichtthermische Emission aus dem Kern.<br />
Viele Quasare, Seyfert Galaxien und Radio Galaxien sind bekannt, <strong>die</strong> alle Kriterien erfüllen und das<br />
bei verschiedenen Frequenzen. Manche zeigen Jets in denen sich Knoten mit scheinbaren Überlichtgeschwindigkei<br />
vom Zentrum wegbewegen.<br />
Seyfert Galaxien<br />
Die ersten Linienspektren wurden an extragalaktischen Objekten (ohne es zu wissen) 1907 von Fath an<br />
NGC 1068 und 1917 von Slipher am gleichen Objekt mit besserer Spektralauflösung gemacht. Slipher<br />
bemerkte <strong>die</strong> grosse Breite der Spektrallinien (und erklärte sie mit Druckverbreiterung im Nebel).<br />
1943 gab Seyfert <strong>die</strong> erste Liste von 12 Galaxien mit breiten Spektrallinien (300 bis 3000 km s −1 )<br />
heraus.
118 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />
Die nebenstehenden Exemplare aus <strong>die</strong>ser Liste (waren im nachhinein korrekt und)<br />
erfüllen <strong>die</strong> folgenden, von Seyfert aufgestellten, empirischen Kriterien über das Linienspektrum:<br />
es gibt Emissionslinien von He II und [Ne V], <strong>die</strong> besonders hohe<br />
Anregungsenergien verlangen. Ferner findet man <strong>die</strong> verbotenen Linien von [O II],<br />
[Ne III], [N II], [S II] und [O III] (wie sie auch in planetaren Nebeln vorkommen).<br />
Die Arbeiten von Carl Seyfert wurden zunächst weitgehend ignoriert. Das Interesse<br />
wuchs erst mit der Untersuchung von Radiogalaxien. Zwei Objekte in Seyferts Liste<br />
(hier mit RG = Radiogalaxie gekennzeichnet) gehören dazu: NGC 1068 = 3C71 mit<br />
Lradio = 1 · 10 40 erg s −1 und NGC 1275 = 3C 84 = Per A mit Lradio = 3 · 10 42 erg<br />
s −1 . Die Besonderheiten der breiten Spektrallinien wurden aber immer noch ignoriert.<br />
Das änderte sich erst mit den Arbeiten von Morgan über N-Galaxie und endgültig mit<br />
der Entdeckung der Quasare.<br />
Seyferts sind heute per Difinitionem Galaxien mit hellen Kernen und Emissionsli-<br />
nien. Etwa 1 % aller hellen Galaxien sind Seyfert Galaxien. Die Leuchtkräfte von<br />
Erste Seyferts<br />
NGC Rem<br />
1068 RG<br />
1275 RG<br />
3227<br />
3516<br />
4051<br />
4141<br />
5548<br />
7469<br />
Tab. 1.48: Seyferts<br />
Seyfert Galaxien liegen zwischen 10 42 erg s −1 und 10 45 erg s −1 . Die bisher kürzeste Zeitskala für Intensitätsvariationen<br />
bei Seyferts wurden bei NGC 6814 mit 800 Sekunden und bei NGC 4051 mit 10 3<br />
Sekunden gemessen. Die Seyfert Galaxie M106 = NGC 4258 ist der bisher beste, galaktische Schwarz-<br />
Loch-Kandidat mit einer Masse von M = 3.9 · 10 7 M⊙ innerhalb von einem Radius von R = 0.12 pc.<br />
Ihre zeitliche Veränderlichkeit im harten Röntgenbereich skaliert mit 7.3 dex ähnlich wie <strong>die</strong> Masse<br />
mit dem besten stellaren Schwarz-Loch-Kandidat, Cyg X-1.<br />
Seyfert Galaxien werden nochmals (rein spektroskopisch) unterteilt in zwei Typen.<br />
Seyfert I haben erlaubte, breite Linien (entspr. von 1000 bis 5000 km s −1 Linienhalbwertsbreite) und<br />
Seyfert II haben erlaubte und verbotene, schmale Linien (entspr. 300 bis 1000 km s −1 Linienhalbwertsbreite).<br />
Im Standardmodell werden <strong>die</strong> beiden Typen wie folgt gedeutet. Bei Seyferts vom Typ 1 sieht man direkt ins Zentrum. Die<br />
Säulendichte NH ist normal. Dort befindet sich ein Schwarzes Loch<br />
mit einer Masse von dex(6 - 9)M⊙. Um das Zentrum, im Abstand<br />
von einigen Parsec, befindet sich ein Torus aus undurchsichtigem<br />
Gas (optisch dick). Bei Seyferts vom Typ 2 sieht man auf <strong>die</strong>sen<br />
Torus. Die Säulendichte NH ist anormal groß. Der Kern bleibt unsichtbar,<br />
seine Existenz folgt aus einer Energiebilanz. Eine ähnliche<br />
Einteilung gilt für Radio Galaxien mit AGN.<br />
Die Tabelle gibt Beispiele von leuchtschwachen Radio Galaxien,<br />
wo man vermutlich den Torus sieht, den Kern aber nicht. Bei PKS<br />
0305+03 handelt es sich um eine isolierte Galaxie mit heißer Korona,<br />
<strong>die</strong> anderen Quellen sind alle Mitglieder eines Galaxienhau-<br />
fens.<br />
Radio Galaxien mit Dunkelkern<br />
PKS Nr alt. Bez. z mV<br />
0305 + 03 3C78, NGC 1218 0.029 13.84<br />
0620 − 52 0.051 15.50<br />
0625 − 53 0.054 15.54<br />
0625 − 35 OH 342 0.055 16.50<br />
1648 + 05 3C58, Her A 0.154 18.50<br />
Tab. 1.49: AGN Kerne<br />
Die Röntgen Leuchtkraft, LX, beträgt im Extremfall für Her A 3 · 10 44 erg s −1 . NGC 1218 hat LX = 3 · 10 42 erg s −1 und<br />
OH 342 hat LX = 5 · 10 43 erg s −1 .<br />
• BEISPIEL<br />
Neben den reinen Typen Seyfert 1 mit breiten Linien und Seyfert 2 mit schmalen Linien, gibt es als<br />
Sonderfälle Seyfert 1 mit schmalen Linien und Seyfert Galaxien mit beidem: gleichzeitig schmale und<br />
breite Linien. Ein Beispiel für letzteren Typ ist NGC 4151.<br />
• BEISPIEL (SEYFERTS I)<br />
Eine besonders leuchtstarke Seyfert 1 Galaxie ist IRAS 13224 − 3809 mit fast LX = 10 11 L⊙, <strong>die</strong> wir schon kennen. Die<br />
Rotverschiebung beträgt z = 0.06 (Entfernung D = 360 Mpc). Sie variiert um einen Faktor zwei in der Leuchtkraft und<br />
das in 800 Sekunden. Die IR Leuchtkraft ist mit LIR = 5 · 10 11 L⊙ = 1.5 · 10 45 erg s −1 noch 5mal größer als im Röntgen.
1.5. GEOMETRIE DER RAUMZEIT 119<br />
• BEISPIEL (SEYFERTS II)<br />
Eine besonders leuchtstarke Seyfert 2 Galaxie ist NGC 1068. Der Fluß beträgt im IR bis sub mm Bereich etwa f(30µ) =<br />
10 −8 erg cm −2 s −1 , etwa 2 dex mehr als 3C273 in <strong>die</strong>sem Bereich.<br />
Ein weiteres Beispiel ist Mrk 3 (z = 0.0135). Die Wasserstoff Säulendichte beträgt NH = 10 24 cm −2 . Die Quelle ist stark<br />
variabel (High/Low = 1.5dex) und hat eine extrem starke und breite Fe Röntgen Linie.<br />
LINER:<br />
Die Low Ionization Nuclear Emission Regionen<br />
Als Untergruppe der Seyfert Galaxien haben LINER stark variablen Fluß und Emissionslinien. Es handelt<br />
sich um normale Sternsysteme, wobei <strong>die</strong> Emissionslinien allerdings nicht von Sternen stammen.<br />
Etwa 1/3 aller AGN gehören zu <strong>die</strong>sem Typ.<br />
• BEISPIEL (DIE SOMBRERO GALAXIE M104)<br />
Die Sombrero Galaxie M104 sei hier als Beispiel einer Galxie mit Low Ionization Nuclear Emission Regionen vorgestellt.<br />
Sie ist ein besonders gut untersuchter, massiver Schwarz-Loch-Kandidat.<br />
Zur Klasse der LINER gehört <strong>die</strong> (wegen ihres Aussehens) berühmte Sombrero Galaxie.<br />
Ihre Bezeichnungen lauten M104 = NGC 4594. Sie gehört zum Virgo Haufen. Sie ist eine<br />
leuchtstarke Sa Galaxie,<br />
Lopt = 2 · 10 11 L⊙,<br />
von der Kantenseite gesehen in einer Entfernung von D = 18 Mpc.<br />
Der Kern von M104 ist ein Schwarz-Loch-Kandidat mit geschätzter Masse von<br />
MBH = 5 · 10 8 M⊙.<br />
Die Röntgen Leuchtkraft des LINER von M104 beträgt etwa<br />
LX = 10 7 L⊙ = 3.5 · 10 40 erg s −1 .<br />
Die dazu notwendige Akkretionsrate ist sehr gering (falls nicht der Hauptteil absorbiert wird):<br />
er beträgt nur 10 −7 der kritischen Eddington Rate,<br />
˙M = 10 20 g s −1 .<br />
Daten zu M104<br />
D 18 Mpc<br />
α 12:39:59<br />
δ −11 : 37 : 23<br />
Lopt 2 · 10 11 L⊙<br />
LX<br />
10 8 L⊙<br />
Tab. 1.50: M104<br />
Das ist ungewöhnlich niedrig, es scheint, daß M104 eine Hungerperiode durchmacht (ähnlich wie das Zentrum unserer<br />
Milchstraße).<br />
• BEISPIEL (DIE GALAXIEN NGC 4528 UND NGC 3998)<br />
Eine mit M104 vergleichbare Galaxie ist NGC 4528. Die Daten sind hier<br />
LX = 10 7 L⊙ = 4 · 10 40 erg s −1 und MBH = 1.4 · 10 7 M⊙.<br />
Weitere LINER sind <strong>die</strong> Galaxie Fornax A, <strong>die</strong> wir schon besprochen haben, und <strong>die</strong> S0 Galaxie NGC 3998 in 35 Mpc<br />
Entfernung. Diese hat eine Gesamt Leuchtkraft von LX = 2 · 10 8 L⊙ = 8 · 10 41 erg s −1 und und einen Kern (AGN<br />
im Röntgen) mit LX = 1 · 10 41 erg s −1 . Falls der Kern mit der kritischen Eddington Rate gefüttert wird, dann muß<br />
MBH = 1 · 10 4 M⊙ sein.<br />
Damit variieren <strong>die</strong> geschätzten Massen der Schwarz-Loch-Kandidaten um 4 dex allein bei den LINER<br />
Galaxien.<br />
BL Lac Galaxien<br />
Die BL Lac Galaxien gehören zu den extremsten Objekten, <strong>die</strong> man bisher gefunden hat. BL Lac selbst<br />
ist ein sternähnliches Objekt (optische Punktquelle) ohne Spektrallinien (weder in Emission noch in<br />
Absorption) mit starker (aperiodischer) Variabilität der Leuchtkraft (∆Lopt = 1 dex). Andere BL Lac<br />
Galaxien können sogar um ∆Lopt = 2 dex variieren.<br />
• BEISPIEL (BL LAC OBJEKTE)<br />
BL Lac und AP Librae (mit LX = 10 43 erg s −1 ) sind <strong>die</strong> bekanntesten Beispiele für zunächst nicht erkannte, stark variable<br />
Galaxien.<br />
Daß BL Lac kein variabler Stern ist, wurde eher 1969 zufällig entdeckt.
120 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />
Bis dahin galt BL Lac als ein Stern ohne Linienspektrum<br />
(ähnlich wie Baades south preceding star im Krebsnebel). Man<br />
fand, daß <strong>die</strong>ser mit einem Objekt in einem Radio Katalog (des<br />
Vermilion River Observatory) übereinstimmte. Es handelte sich<br />
dabei um eine polarisierte Radio Quelle mit extrem flachen<br />
Spektrum. Damit konnte BL Lac kein Stern sein.<br />
Ein weiteres bekanntes aber zunächst nicht erkanntes Beispiel<br />
ist AP Librae. Erst wesentlich später wurde <strong>die</strong>se Quellen auch<br />
anhand schwacher Linien identifiziert. Es handelt sich um einen<br />
Blasar mit z = 0.05 bzw. z = 0.069. Bei einigen anderen<br />
Blasars hat man bis heute noch keine Linien finden können (und<br />
damit ist ihre Entfernung unbestimmt. Beispiel: 4C20.29).<br />
Die in der Tabelle aufgeführten BL Lac Galaxien (Blasars) sind<br />
leuchtstark praktisch im gesamten Frequenzbereich, 10 13 Hz bis<br />
BL Lac Objekte<br />
Name z mV fradio fX<br />
Jy 10 −12<br />
AP Lib 0.050<br />
BL Lac 0.069 14.9 4.8 9.8<br />
PKS 2005 − 489 0.071 14.4 1.2 105<br />
PKS 1144 − 379 1.048 17.4 1.6 5.8<br />
fradio bei 5 GHz; fX in [0.1 bis 10] keV<br />
Tab. 1.51: Blasars<br />
10 18 Hz, wie <strong>die</strong> Tabelle an ausgewählten Exemplaren zeigt. Der spektrale Radiofluß, fradio ist bei 5 GHz in Jansky und<br />
der Röntgenfluß, fX im Intervall [0.1 bis 10] keV in Einheiten von 10 −12 erg cm −2 s −1 angegeben. Das Maximum liegt<br />
im IR (bei 5·10 13 Hz) und ist dort (also im IR) für BL Lac selbst mit der Leuchtkraft von 3C 273 vergleichbar.<br />
Die folgenden drei Eigenschaften:<br />
1. stellares Aussehen (optische Punktquelle),<br />
2. Variabilität und Polarisation (im optischen Bereich) und<br />
3. starke Radioquelle mit flachem Spektrum.<br />
wurden zum Kennzeichen einer ganzen Klasse von Objekten, <strong>die</strong> schnell als extragalaktisch erkannt<br />
wurden.
1.5. GEOMETRIE DER RAUMZEIT 121<br />
• BEISPIEL (TEV BLASARS)<br />
Bei den Blasars Mkn 501, Mkn 421 und 1ES2344+514 reicht das Spektrum sogar bis in den TeV Bereich. Sie wurden in<br />
<strong>die</strong>ser Reihenfolge von EGRET entdeckt.<br />
• BEISPIEL (EXTREM VARIABLE GALAXIEN)<br />
Das BL Lac Objekt H0323+022 hat mit 30 Sekunden <strong>die</strong> bisher kürzeste Zeitskala für Intensitätsvariationen bei AGN.<br />
Blasars sind wesentlich seltener als Quasare.<br />
Röntgen und optische Daten für Blasars<br />
Objekt mV fo(V ) fo(X) L(V ) L(X) L(X)/L(V )<br />
Name mag. f∗ f∗ L∗ L∗<br />
PKS0548 − 322 15.5 1.32 4.05 2.70 8.31 3<br />
Mrk 501 13.8 6.31 3.82 3.14 1.90 0.6<br />
Mrk 421 13.5 8.32 4.20 3.22 1.62 0.5<br />
3C 371 14.9 2.29 0.96 2.47 1.03 0.4<br />
PKS0521 − 365 16.0 0.83 0.89 1.08 1.16 1<br />
PKS0537 − 441 15.5 1.32 0.64 0.5<br />
PKS2155 − 304 14.5 4.25 10.3 2.4<br />
f∗ = 10 −10 erg cm −2 s −1 ; L∗ = 10 44 erg s −1<br />
Tab. 1.52: Blasars<br />
Die Tabelle (1.52) vergleicht Röntgen und optische Daten für besonders starke Blasars. Bei den beiden<br />
letzten Objekten ist <strong>die</strong> Entfernung nicht bekannt (keine Linien).
122 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />
Quasare: radio-laut und leise<br />
QSR und QSO<br />
Mit Quasar im strengen Sinne werden <strong>die</strong> Quasi stellar radio sources, QSRs, also radio-laute Objekte<br />
und mit QSO <strong>die</strong> Quasi stellar optical sources bezeichnet. Quasare sind <strong>die</strong> stärksten Dauerquellen im<br />
Kosmos mit Leuchtkräften im IR, optischen und Röntgen von 1047 erg s−1 und mehr, das Maximum<br />
liegt im Gamma Bereich.<br />
Die untere Grenze für QSO liegt bei MV<br />
bezeichnet.<br />
= −23, AGN mit MV > −23 werden meist als Seyferts<br />
Oft wird Quasar aber verallgemeinernd für alle sternartigen Objekte Emissionslinien von Quasaren<br />
grosser Rotverschiebung gebraucht.<br />
Atom λ Rem.<br />
Die lange Kontroverse, ob Quasare lokaler Natur sein können, ist zugun-<br />
Angst.<br />
sten der kosmologischen Erklärung beendet. Die grosse Rotverschie- OIII 5007 *<br />
bung bedeutet demnach grosse Fluchtgeschwindigkeit. Die folgenden Hβ 4861<br />
beiden Indizien, Gravitationslinsen und der Lα forest, liefern den Beweis.<br />
Für den Nachweis gibt <strong>die</strong> Tabelle einige ausgewählte Emissionslinien<br />
von Quasaren. In manchen Quasaren findet man keine verbotenen Linien<br />
(in der Tabelle mit * gekennzeichnet). Sie sind schwächer als <strong>die</strong><br />
NeIII<br />
MgII<br />
CIV<br />
Lyα<br />
3869<br />
2798<br />
1549<br />
1216<br />
*<br />
stark<br />
stark<br />
stark<br />
erlaubten, ähnlich den Seyfert Galaxien.<br />
Tab. 1.53: Linien von QSR<br />
Das Erstaunlichste ist, daß <strong>die</strong> aus den Linienstärken abgeschätzten Häufigkeiten mit denen der Sonne<br />
übereinstimmen.<br />
• ZUSATZ (ERSTES INDIZ: GRAVITATIONSLINSEN)<br />
Das Auffinden von (immer mehr) Gravitationslinsen mit Quasaren als Leuchtquelle im Hintergrund, erlaubt es, <strong>die</strong> Entfernung<br />
der Linse größenordnungsmäßig abzuschätzen, da <strong>die</strong> Entfernung der Linse (meist ein Galaxienhaufen) bekannt ist.<br />
Selbst <strong>die</strong> Laufzeitdifferenz längs der beiden verschiedenen Wege konnte in einigen Fällen bestimmt werden.<br />
• ZUSATZ (ZWEITES INDIZ: DER Lα FOREST)<br />
Quasare sind wegen ihrer enormen Leuchtkraft ideale Punktquellen, um das dazwischen liegende Medium (IGM) über<br />
kosmologische Entfernungen hinweg zu untersuchen. Dieses Gas ist, wie man findet, nicht homogen verteilt.<br />
Das Element mit der größten Häufigkeit im Universum ist Wasserstoff, H. Zwei Energien des H Atoms sind wichtig: <strong>die</strong><br />
Ionisationsenergie (13.6 eV) und <strong>die</strong> Energie beim Übergang 1s nach 2p, Absorption, oder 2p nach 1s, Emission. Diese<br />
Linie heißt Lα.<br />
Quasare haben jeweils (mindestens) eine rotverschobene Emissionslinie, Lα, bei λα = (1 + z)1215.67 ˚Angstrøm (entspr.<br />
10.2 eV im Ruhsystem) und (oft) eine Vielzahl von Absorptionslinien (<strong>die</strong> alle bei kleineren Rotverschiebungen liegen).<br />
Daß <strong>die</strong> stärkste Emissionslinie <strong>die</strong> Lyman α Linie ist, ist dank der Häufigkeit von H im Universum verständlich. Gleiches<br />
gilt für <strong>die</strong> Vielzahl von Absorptionslinien: <strong>die</strong> nachgewiesene Anzahl ist mittlerweile so groß, daß sie mit Lα forest<br />
bezeichnet wird.<br />
In wenigen Fällen hat man <strong>die</strong> absorbierende Wolke gefunden und damit <strong>die</strong> Entfernung bestimmen können.<br />
Eine wichtige, von der Beobachtung nunmehr zu beantwortende Frage ist, ob Quasare mit anderen<br />
Objekten in Verbindung gebracht werden können, ob sie etwa eine besondere Entwicklungsphase von<br />
speziellen Galaxien darstellen.<br />
Das Auffinden von Quasaren ist, darin sind sie den Pulsaren ähnlich, bis heute eine Kunst geblieben.<br />
QSR sind radio-laute Objekte und können aus Radio Katalogen extrahiert werden, bei genügend genauen<br />
Positionsangaben durch einen Abgleich mit optischen Katalogen. QSO sind radio-leise Objekte<br />
und können an spektralen Besonderheiten (UV-Exzess, Polarisation oder besonders breiten Linien)<br />
entsprechenden Katalogen heraus gefiltert werden. Quasare sind ferner starke Röntgen und Gamma<br />
Strahler, auch hiermit hat man neue Quasare finden können.<br />
Die bisherige Suche hat (anhand von etwa 10 Tausend gefundenen AGN Objekten) ergeben, daß bei<br />
z = 2 ein deutliches Maximum in der Quasarverteilung N(z) liegt, mit steilem Abfall bis z ≈ 5.
1.5. GEOMETRIE DER RAUMZEIT 123<br />
Der nächste Quasar, 2S 0241+622 liegt 250 Mpc entfernt (z = 0.04), also bereits weit außerhalb<br />
unseres lokalen Superhaufens. Er wurde erst 1978 (und zwar als Röntgenquelle) entdeckt. Seit 1991<br />
wurde kein Quasar mit größerer Rotverschiebung als der von PC1247+3406 mit z = 4.897 gefunden.<br />
Damit liegen Quasare im Intervall 0.04 ≤ z ≤ 5. Für festes z variieren ihre Leuchtkräfte um etwa 2<br />
dex. Die meisten Objekte im Kosmos gibt es doppelt, in kleinen Gruppen oder in Haufen.<br />
• BEISPIEL (DOPPEL-QUASAR KANDIDATEN)<br />
Machen Quasare eine Ausnahme? Gibt es Doppel-Quasare oder gar Quasarhaufen?<br />
Wie <strong>die</strong> Tabelle zeigt, gibt es tatsächlich Doppel-Quasare (jedenfalls Kandidaten). Die nebenstehende Tabelle gibt den Na-<br />
men (d. h. <strong>die</strong> Koordinaten) der beiden Quasare, ihre Rotverschiebung Ze und<br />
den maximalen Winkelabstand ∆θ (in Bogensekunden).<br />
Auch bei mehr als N = 10 000 bekannten Quasaren ist es statistisch unwahrscheinlich,<br />
daß zwei von ihnen um weniger als 10 Bogensekunden bei nahezu<br />
gleichem Abstand (d. h. bei gleichem z = Ze) zusammenstehen. Die Kugeloberfläche<br />
enthält 5 · 10 11 arcsec 2 und eine Dopplerdifferenz von 100 km s −1<br />
entspricht einer Radiusdifferenz von ∆r/R = 1/3000. Damit ist <strong>die</strong> Wahrscheinlichkeit,<br />
zufällig zwei Quasare innerhalb der angegeben Volumengrenzen<br />
Doppel-Quasar Kandidaten<br />
Name Ze ∆θ<br />
QSO 1343 + 164 2.03 9.5<br />
QSO 1145 − 071 1.35 4.2<br />
QSO 1146 + 111 1.01 157<br />
QSO 1548 + 114 1.90 (0.44) 4.8<br />
zu finden, W = N(∆V/V ) ≈ 5 · 1011 .<br />
Tab. 1.54: Doppel-Quasare<br />
Beim Doppel-Quasar QSO 1145 − 071 mit z = 1.35 ist einer radio-laut der andere nicht.<br />
• ANMERKUNG (DIE LEUCHTKRAFT DER QUASARE)<br />
Die scheinbare visuelle Helligkeit von den bekannten Quasaren liegt zwischen mV = 13 und mV = 20. Erstaunlicherweise<br />
ist für <strong>die</strong> nächsten (mit Rotverschiebungen logz < −1.2) <strong>die</strong> Variation in der (optischen) Helligkeit, sie variieren im<br />
gesamten Intervall (von mV = 13 bis mV = 20). Als Standardkerzen sind sie damit denkbar ungeeignet.<br />
Die visuellen Leuchtkräfte von den bekannten Quasaren liegen zwischen 10 45 erg s −1 und 10 49 erg s −1 oder in Magnituden<br />
−24 > MV > −32. Zur Erinnerung:<br />
Die Leuchtkraft der Milchstrasse beträgt etwa LGal = 2.5 · 10 10 L⊙ = 10 44 erg s −1 .<br />
Die Leuchtkraft von L = 10 49 erg s −1 muß etwa t = 1 Myr (3·10 13 ) aufrecht erhalten werden, das liefert für <strong>die</strong> benötigte<br />
Energie:<br />
E = Lt ≈ 3 · 10 63<br />
erg, oder E ≈ 1.5 · 10 9 M⊙c 2<br />
(1.240)<br />
Setzt man grosszügig als Wirkungsgrad 10% an, dann muß zum Schluß das Schwarzes Loch im Zentrum eine Masse von<br />
10 10 M⊙ besitzen.<br />
• ANMERKUNG (GESCHICHTE DER ROTVERSCHIEBUNGSREKORDE)<br />
Bei Galaxien und Quasaren sind neue Rotverschiebungsrekorde meist mit Fortschritten bei der technologischen Entwicklung<br />
verbunden gewesen.<br />
Hubble hatte mit dem 100-inch Teleskop auf dem Mount Wilson das größte Teleskop zur Verfügung. In seiner<br />
Veröffentlichung von 1929 ist das Maximum von cz 1200 km s −1 (entspricht formal<br />
z = 4.5 · 10 −3 ), was als Entfernung das Zentrum vom Virgo Haufen liefert. Hubble<br />
kam bis cz 6000 km s −1 , bis zur Entfernung zum Zentrum vom Coma Haufen. Humason<br />
und Mayall konnten das Maximum bis auf cz = 6000 km s −1 im Jahre 1935<br />
steigern. Dann folgt ein Quantensprung der Rotverschiebung mit der Inbetrienahme<br />
des 200-inch Teleskops auf dem Mount Wilson. 1950 war cz = 60000 km s −1 oder<br />
z = 0.2 erreicht. (Ref. Humason, Mayall und Sandage; Ap.J.61, 97, 1956). 1965 lag<br />
z für Galaxien bei 0.5 und 1970 bei 1.<br />
Die ersten QSR wurden 1961 gefunden (Sandage fand das optische Gegenstück zu<br />
3C 48). Die Identifizierung der Rotverschiebung gelang M. Schmidt 1963 anhand der<br />
Quelle 3C 273 (mit z = 0.158). Für 3C 48 ist z = 0.368. Ab jetzt dominieren Quasare<br />
<strong>die</strong> Rotverschiebungsrekorde, wie <strong>die</strong> Tabelle zeigt. Von anfänglich einer Hand<br />
voll, auf über 1500 im Jahr 1977 und 7300 im Jahr 1993 ist <strong>die</strong> Gesamtzahl bis auf<br />
Rotverschiebungsrekorde<br />
Galaxien<br />
Name z Jahr<br />
G1 und G2 4.92 1997<br />
6C0140+326 4.41 1996<br />
8C1435+635 4.25 1994<br />
4C41.17 3.8 1991<br />
F10214+4724 2.286 1991<br />
3C 472.1 1.175 1982<br />
über 10 Tausend im Jahr 1998 gestiegen.<br />
Tab. 1.55: Rotverschiebung I<br />
Das grosse Interesse an ihnen beruht nicht zuletzt darin, <strong>die</strong> Hubble Konstante mit ihnen vielleich bestimmen zu können<br />
(Entdeckung neuer Standardkerzen) und den Anfang der Stern- oder Galaxienbildung zu finden.<br />
Quasare hatten lange Zeit <strong>die</strong> größten Rotverschiebungen, wie aus der nebenstehenden Tabelle hervorgeht. Der letzte<br />
Rekord stammt allerdings aus dem Jahr 1991 und wurde von Schneider D.P., Schmidt, M. und Gunn, J.E. aufgestellt.
124 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />
Ref. Astr.J. 102, 837-840 (1991). Mittlerweile unterscheiden sie sich nicht mehr so<br />
stark wie früher in ihrem maximalen z von Galaxien, im Gegenteil. Der extremste<br />
Fall ist der des Galaxienhaufens MS1358 (als Linse), entdeckt von Frankx (1997).<br />
Die beiden Bilder, G1 und G2, im Abstand von 1 ′′ Rotverschiebungsrekorde<br />
haben eine Rotverschiebung von<br />
Quasare<br />
4.92.<br />
Name z<br />
Vollkommen unerwartet war 1991 <strong>die</strong> Entdeckung einer Protogalaxie, Quelle F10214+4724<br />
im IRAS Katalog, mit einer Rotverschiebung von z = 2.286. Ref. Solomon et PC1247+3406 4.897<br />
Jahr<br />
1991<br />
al Nature 356, 318 (1992). F10214+4724 ist eine der hellsten Galaxien überhaupt<br />
4.43 1987<br />
(verstärkt durch eine Gravitationslinse). Gesehen wird hier der CO(3 → 2) Rotationsübergang,<br />
welcher von λr = 850µm nach λ = 3 mm verschoben ist.<br />
Die Radio Galaxie aus dem 6ten Cambridge Katalog, 6C, mit den Koordinaten<br />
0140+326, ist ebenfalls verstärkt durch eine Gravitationslinse und noch extremer.<br />
PKS2000+330<br />
OQ 172<br />
PKS0237 − 23<br />
3.78<br />
3.53<br />
2.23<br />
1982<br />
1971<br />
1970<br />
Sie hat eine Rotverschiebung von z = 4.41. Sie wurde von Rawlings, S. et al. entdeckt.<br />
Ref. Nature 383, 502 (1996). Es handelt sich um eine Radio Galaxie ohne<br />
Tab. 1.56: Rotverschiebung II<br />
Kontinuum Strahlung im optischen Bereich, also ohne Sterne. Gesehen werden lediglich einzelne (rotverschobene) Linien,<br />
wie Lyα, C IV und O [II].<br />
1.5.5 Das kosmologische Entfernungsnormal<br />
✛Für<br />
nicht zu grosse✘Entfernung D existiert (nach Vorhersage der ART und nach Beobachtung) ein<br />
linearer Zusammenhang zwischen D und der Fluchtgeschwindigkeit v einer Ga-<br />
Kosmologen irren oft,<br />
laxie, wie sie mithilfe der Rotverschiebung z = v/c = β bestimmt wird. Diese<br />
aber zweifeln nie.<br />
L.D. Landau von Hubble erstmals bestimmte Konstante ist <strong>die</strong> Basis der Entfernungsmessung<br />
✚<br />
✙in<br />
der Kosmologie.<br />
Die Allgemeine Relativitätstheorie, oder besser Einsteins Gravitation, erlaubt es erstmals, eine selbstkonsistente<br />
Kosmologie zu formulieren. Die weitreichendste Aussage der Einsteinschen Gravitation<br />
betrifft den Anfang des Kosmos. Dieser war räumlich singulär (<strong>die</strong> Dichte war formal unendlich) vor<br />
endlicher Zeit (etwa 20 Gyr). Diese Aussage wird durch mehrere Entdeckungen, <strong>die</strong> teilweise vorhergesagt<br />
wurden, gestützt.<br />
Bestimmung kosmolgischer Entfernungen<br />
Mit den Bezeichnungen H für <strong>die</strong> Hubble Konstante und c für <strong>die</strong> Lichtgeschwindigkeit gilt, wenn wir<br />
D = r für nicht zu grosse Entfernungen setzen<br />
z = H<br />
r (1.241)<br />
c<br />
Hat man erst einmal H bestimmt, dann kann man <strong>die</strong> Gleichung umkehren und<br />
D = c<br />
Ho<br />
z = 6 1<br />
z Gpc (1.242)<br />
2h<br />
zur Entfernungsbestimmung benutzen. Die Größe h ist <strong>die</strong> natürliche, dimensionslose Entfernungs -<br />
Masseinheit (Hubble Parameter) für Kosmologen und wird später erklärt.<br />
• BEISPIEL (ENTFERNUNGSBESTIMMUNG VON CYGNUS A)<br />
Mit v3 haben wir früher <strong>die</strong> Fluchtgeschwindigkeit in Einheiten von 10 3 km s −1 definiert. Damit (und mit c = 3 · 10 5 km<br />
s −1 ) gilt<br />
D = 20 v3<br />
2h<br />
Mpc (1.243)<br />
Die Radio Galaxie Cygnus A hat eine Rotverschiebung von z = 0.0562. Dem entspricht nach obiger Formel eine Entfernung<br />
von D = 340(2h) −1 Mpc, was für <strong>die</strong> Auflösung für eine Bogensekunde etwa 0.4(2h) −1 kpc liefert, d. h.<br />
1 ′′ � 0.75h −1 kpc.
1.5. GEOMETRIE DER RAUMZEIT 125<br />
• BEISPIEL (EISEN IN ABELL 370)<br />
Zur Erinnerung: unsere Haufen Masseneinheit ist M⋆ = 10 14 M⊙, <strong>die</strong> der (Flächen) Leuchtkraft ist L⋆ = 2.5 · 10 10 L⊙ =<br />
10 44 ) erg s −1 und <strong>die</strong> Temperatur wird in keV = 10 4 K gemessen.<br />
Der Haufen A370 ist eine Gravitationslinse mit einer Rotverschiebung von z = 0.37. Die (Virial) Masse beträgt (bei einer<br />
Geschwindigkeits Dispersion von 1350 km s −1 ) Mvir = 15M⋆ (innerhalb von 2.25 Mpc). Die Temperatur des intracluster<br />
Gases wurde von ASCA (1994) zu 9 keV bestimmt. Die Leuchtkraft innerhalb eines Radius von 5’ = 2 Mpc beträgt 10L⋆<br />
und innerhalb von 12.5’ = 4.5 Mpc etwa 13L⋆. Das Verhältnis von Gasmasse zu Virialmasse ist 0.21.<br />
Die Fe Linienemission ergibt eine Masse an Fe von MFe = 2 · 10 11 M⊙. Dies ist der bisher früheste Nachweis von Eisen im<br />
intracluster Gas und ist ein Beweis für massiver Sternentstehung (mit zusammen mit Supernovae vom Typ II). Der Haufen<br />
A370 enthält überproportional viele blaue Galaxien. Butcher-Oemler Effekt.<br />
Der Coma-Haufen<br />
Der letzte Eichstandard ist der Coma-Haufen.<br />
Coma (Abell A1656) mit z = 0.023.<br />
Seine Bedeutung für <strong>die</strong> Kosmologie liegt darin, daß er einerseits noch<br />
nah genug ist, um in einzelne Galaxien aufgelöst werden zu können, andererseits<br />
ist er aber weit genug enternt, sodaß man annehmen darf, daß<br />
seine Fluchtgeschwindigkeit kosmologischen Ursprungs ist.<br />
Die Mitglieder von Coma in der Tabelle sind geordnet nach ihrer optischen<br />
Leuchtkraft, <strong>die</strong> Röntgendaten stammen von ROSAT (1993). Die<br />
beiden ersten Galaxien sind supergiant.<br />
Die Koordinaten des Zentrums (α = 12:54:05.7, δ = 28:08:59) beziehen<br />
sich auf das Äquinoktium 1950 und fallen zusammen mit NGC 4889.<br />
Um von Virgo zu Coma zu kommen, müßen sekundäre Eichnormale be-<br />
Mitglieder von Coma<br />
Nummer LX,40<br />
NGC 4889 20<br />
NGC 4874 30<br />
NGC 4839 29<br />
NGC 4911 16<br />
NGC 4848 8<br />
α = 12:54:05.7, δ = 28:08:59<br />
nutzt werden. Zwei physikalisch verstehbare Methoden sind Supernovae Tab. 1.57: Coma<br />
vom Typ Ia und <strong>die</strong> Tully-Fisher Relation für <strong>die</strong> Breite der 21 cm Radiolinie. Beide liefern in etwa<br />
übereinstimmende Ergebnisse.<br />
Der Entfernungsmodul ∆m beträgt für Virgo und Coma ∆m = 3.7 oder<br />
DComa = 5.5DVirgo<br />
(1.244)<br />
Daraus folgt (nach Pierce) für Coma eine Entfernung D = 82 Mpc (und einem Durchmesser d = 8<br />
Mpc, m − M = 35.27, m = 14.7). Wenn wir h = 0.5 setzen und DVirgo = 20 Mpc benutzen, erhalten<br />
wir dagegen DComa = 110 Mpc. Dies ist der Wert, den wir in Zukunft zugrunde legen werden.<br />
Bzw. (nach Freedman) D = 94 Mpc. Der gemessenen Rotverschiebung entspricht eine Fluchtgeschwindigkeit<br />
von v = 7 146 km s −1 .<br />
Die (geschätzte) Masse M = 4·10 15 M⊙ liefert ein Masse/Leuchtkraftverhältnis M/L = 400(M⊙/L⊙).<br />
Rotverschiebung: Das Hubble Gesetz<br />
Wir definieren <strong>die</strong> Rotverschiebung z durch<br />
λe<br />
= ωe<br />
ωo<br />
(1.245)<br />
wobei λo <strong>die</strong> Ruhwellenlänge (observiert im Laborsystem) und λe <strong>die</strong> emittierte Wellenlänge (der<br />
1 + z = λo<br />
Galaxie) ist. Dem entspricht in der SRT<br />
�<br />
1 + β<br />
1 + z =<br />
1 − β<br />
oder umkehrt<br />
β = (1 + z)2 − 1<br />
(1 + z) 2 + 1<br />
= z<br />
1 + z<br />
2<br />
1 + z(1 + z<br />
2 )<br />
(1.246)<br />
(1.247)
126 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />
1929 publizierte Hubble sein Gesetz über den linearen Zusammenhang von Entfernung r und Rotverschiebung<br />
z (unter Benutzung der Messungen der Rotverschiebung z von Slipher, gestützt auf <strong>die</strong><br />
Beobachtungen seines Mitarbeiters Humason und geleitet von Vorhersagen der Einsteinschen allgemeinen<br />
Relativitätstheorie, ART):<br />
oder<br />
z = H<br />
r (1.248)<br />
c<br />
v = Hr (1.249)<br />
Die Größe H heißt Hubble Konstante, v ist <strong>die</strong> Flucht–Geschwindigkeit der Galaxie und c ist <strong>die</strong><br />
Lichtgeschwindigkeit. H −1 hat <strong>die</strong> Dimension einer Zeit und ist ein Maß für das Alter des Kosmos (s.<br />
u.). Als Einheiten wählt man gewöhnlich für v 100 km/sec und für <strong>die</strong> Entfernung r das Mpc, sodaß H<br />
<strong>die</strong> ’natürliche’ Einheit H = (100 km/sec)/Mpc oder<br />
H −1 = 0.98 · 10 10<br />
hat. Die entsprechende Längeneinheit ist<br />
cH −1 = 0.9 · 10 28<br />
yr = 9.8 Gyr (1.250)<br />
cm = 2.6 · 10 9<br />
pc (1.251)<br />
Trotz vielfacher Anstrengungen in den letzten 50 Jahren konnte <strong>die</strong> Hubble Konstante H bestenfalls<br />
bis auf einen Faktor zwei bestimmt werden, man schrieb deshalb<br />
Ho = hH mit 0.5 < h < 1.0<br />
Selbst <strong>die</strong> erste Bestimmung mit dem HST ergab einen viel zu grossen Wert. Mit der Entfernung<br />
D = 82 Mpc (für den Coma-Haufen) und v = 7 146 km/sec (z ≈ 7/300) liefert das H0 = v/D = 87<br />
km s −1 Mpc −1 , d. h.<br />
h = 0.87 (1.252)<br />
entsprechend einem Alter des Kosmos von etwa 10 Gyr (s. u.).<br />
• ZUSATZ (ANMERKUNGEN)<br />
Hubbles ursprünglicher Wert von h war 5 und damit das Alter des Universums nur 1.5 Gyr, kleiner als das Alter der Erde<br />
(nach Berechnungen der Geologen damals). Hubble hat seinen zu kleinen Wert dennoch vertreten.<br />
Nimmt man das Standardmodell des Kosmos, dann ist das Alter, welches aus h = 0.87 folgt, t = 2<br />
3h H−1 und das liefert<br />
nur 7.5 Gyr, wesentlich weniger als 10 Gyr, <strong>die</strong> man für ein offenes Modell erhält.<br />
Mithilfe der Rotverschiebung z kann man (im linearen Bereich z ≪ 1 jedenfalls) <strong>die</strong> Entfernung eines<br />
Objekts angeben, falls z gemessen ist. Quasare haben lange Zeit (als Klasse) <strong>die</strong> größten gemessenen<br />
Rotverschiebungen, insbesondere für z > 1 gehabt. Aber auch <strong>die</strong> lichtschwächeren Galaxien<br />
erreichen mittlerweile z = 5, einzelne (durch eine Linse verstärkte) übertreffen sogar <strong>die</strong> Quasare.<br />
Indirekt kann man sogar mittlerweile <strong>die</strong> Existenz von Galaxien mit z ≈ 5 . . . 6 nachweisen (über ihre<br />
Leuchtkraft und ihre Farbe).<br />
Vollkommen unerwartet war 1991 Entdeckung einer Protogalaxie, Quelle F10214+4724 im IRAS Katalog,<br />
mit einer Rotverschiebung von z = 2.286. Gesehen wird allerdings der CO(3 → 2) Rotationsübergang,<br />
welcher von λr = 850µm nach λ = 3 mm verschoben ist. Erste Abschätzungen ergaben,<br />
daß <strong>die</strong> gesamte bolometrische Leuchtkraft der Quelle im IR sich auf L ≈ 10 14 L⊙ belaufen müßte.<br />
Dem würde ein vollkommen neuer Typus von Galaxie (im Urzustand?) entsprechen. Mittlerweile weiß<br />
man aber, daß <strong>die</strong> Strahlung durch eine Gravitationslinse gebündelt (um einen Faktor von etwa 10<br />
. . . 30 verstärkt) wird.
1.6. SYNOPSIS UND AUSBLICK 127<br />
1.6 Synopsis und Ausblick<br />
Wir haben gesehen, wie sich <strong>die</strong> Vorstellung von Größe und Beschaffenheit des Universums im Laufe<br />
der Jahrhunderte geändert hat. Die Erde ist aus ihrer zentralen Rolle verdrängt. Sie kreist im Abstand 1<br />
AE in einem Jahr um <strong>die</strong> Sonne, <strong>die</strong>se im Abstand von 8000×206 265 AE (= 8 kpc) in 250 Myr um das<br />
Galaktische Zentrum. Dieses wieder kreist um den Schwerpunkt Milchstraße - Andromeda (Abstand<br />
700 kpc, Periode 5 Gyr). Die Bewegung <strong>die</strong>ses Schwerpunkts selbst wird vom (ungesehenen) Grossen<br />
Attraktor bestimmt, <strong>die</strong> Milchstraße fällt mit etwa 200 bis 250 km s −1 ins Zentrum des Virgo Haufens.<br />
Die Bewegung des Schwerpunkts Virgo plus Grossem Attraktor hat eine vergleichbare Geschwindigkeit<br />
(von etwa 300 km s −1 , in Richtung auf Hydra-Centaurus hin). Insgesamt bewegt sich <strong>die</strong> Lokale<br />
Gruppe mit etwa 600 km s −1 (<strong>die</strong> direkt messbare Geschwindigkeit des LSR beträgt dagegen 370 km<br />
s −1 ).<br />
Der grosse Attraktor bewegt sich im Feld des Virgo Haufens. Dieser wiederum gehört zu einem Superhaufen.<br />
Damit ist <strong>die</strong> Dimension lokaler Verdichtungen auf 100 Mpc angewachsen und <strong>die</strong> Masse auf<br />
10 15 M⊙. Eines der Hauptziele beim Bau des Hubble Space Teleskops war <strong>die</strong> verläßliche Bestimmung<br />
<strong>die</strong>ser Entfernungen anhand von Eichstandards. Nach anfänglichen Schwierigkeiten konvergieren <strong>die</strong><br />
Messdaten (besser: ihre Interpretation) nunmehr in Richtung einer Hubblekonstanten von H = 50 km<br />
s −1 , entsprechend h = 0.5.<br />
Ähnliche Werte liefert eine unabhängige Methode, <strong>die</strong> Entfernungen quer durch das Universum mithilfe<br />
von Supernovae vom Typ Ia als Eichstandards benutzt. Dabei stellt sich heraus, daß alle in unserer<br />
näheren Umgebung entdeckten Objekte wie Atome (im Plasma und Sternatmosphären), Moleküle (in<br />
Wolken), Sterne (in Galaxien) usw. bereits zu sehr früher Zeit, wo das Universum noch sehr viel jünger<br />
war, vorhanden sind. Die eigentliche Geburt muß demnach sehr schnell verlaufen sein.<br />
Bis zu Entfernungen von 100 Mpc ist <strong>die</strong> Newtonsche Gravitationstheorie eine adäquate Beschreibung<br />
der Dynamik. Damit ergeben sich neue Möglichkeiten, Entfernungen zu bestimmen. Gleichzeitig liefert<br />
<strong>die</strong> Dynamik aber auch Zeitskalen. Diese sind, wie später genauer gezeigt wird, meist zu kurz.<br />
Daraus folgt das (nicht neue) Altersproblem des Universums: der Kosmos scheint Objekte zu beherbergen,<br />
<strong>die</strong> älter sind als er selbst zu der Zeit, da <strong>die</strong> Objekte ihre Strahlung ausgesandt haben.<br />
Ein Beispiel ist <strong>die</strong> Radiogalaxie 53W091, <strong>die</strong> etwa doppelt so alt ist (4 Gyr) wie das Universum zu<br />
der Zeit, <strong>die</strong> der Rotverschiebung (2 Gyr bei z = 1.55) entspricht.<br />
• LITERATUR (RADIOGALAXIE 53W091)<br />
1. Dunlop, J. and Peacock, J. and Spinrad, H. and 4 authors, [DPSa96]<br />
A 3.5 Gyr-old galaxy at redshift 1.55, Nature 381, 581 - 584, 1996<br />
2. Kennicutt, R.C., [Ken96]<br />
An old galaxy in a young Universe, Nature 381, 555 - 556, 1996<br />
3. Kennicutt, R.C.<br />
A meeting of Hubble constants, Nature 381, 555, 1996<br />
Auch <strong>die</strong> Einmaligkeit der Erde ist aufgehoben, niemand zweifelt mehr an der Existenz extrasolarer<br />
Planeten mit erdähnlicher Beschaffenheit. Neben <strong>Astrophysik</strong> und Astrochemie gibt es deshalb<br />
mittlerweile eine eigenständige Astrobiologie (und ein Programm ’SETI at home’ für <strong>die</strong> Suche nach<br />
extraterrestrischem Leben).<br />
1.6.1 Synopsis<br />
Die Entfernungshierarchie in lokalen Einheiten<br />
Zum Schluß betrachten wir <strong>die</strong> Entfernungshierarchie nochmals vom Standpunkt der Erde aus.<br />
Wir gehen zurück auf <strong>die</strong> Erde mit ihrem Radius und ihrer Atmosphäre. Vergleicht man nun
128 KAPITEL 1. GEOMETRIE<br />
<strong>die</strong> lokale Entfernungsskala (Grundmaß Erdradius<br />
R⊕ = 6.378 · 108 cm) mit der kosmischen Entfernungs-Vergleich in lokalen Einheiten<br />
Entfernungsskala (Grundmaß Parsec, pc, abgeleitet<br />
von der Bahn der Erde um <strong>die</strong> Sonne und<br />
dem Auflösungsvermögen von Teleskopen aufgrund<br />
der Erdatmoshäre), so stellt man erstaunliche<br />
(aber zufällige) Parallelen fest. Anstelle der<br />
Grundmasse Erdradius R⊕ und Parsec kann man<br />
auch <strong>die</strong> beiden Bahnra<strong>die</strong>n Umlauf der Erde um<br />
<strong>die</strong> Sonne (AE) und Umlauf der Sonne um das<br />
Grundmaß<br />
R⊕<br />
Mond<br />
Sonne<br />
Maßzahl<br />
60<br />
2·10<br />
Grundmaß<br />
Parsec<br />
Hyaden<br />
Maßzahl<br />
50<br />
Zentrum der Galaxis (8 kpc) benutzen: <strong>die</strong> nächsten<br />
4 gal. Zentrum 104 Oort- Virgo Haufen 2·107 Wolke 108 Coma Haufen 108 Stern 6·109 Radius Universum 4·109 Tab. 1.58: Entfernungs-Vergleich<br />
Sterne haben <strong>die</strong>selbe Parallaxe von der Erdbahn aus gesehen wie <strong>die</strong> entferntesten Quasare von der<br />
Sonnenbahn aus gesehen. Leider dauert der Umlauf der Sonne um das Galaktische Zentrum 250 Myr.<br />
Die Stufen der kosmischen Entfernungsleiter<br />
• FORMELN (DIE KOSMISCHE ENTFERNUNGSLEITER)<br />
1. Primäre Standards<br />
Grundeinheit: Erdradius RE = 6.4 · 10 8 cm.<br />
Entfernung Erde-Mond DErde−Mond = 60.2 RE (Eratosthenes).<br />
Die Astronomische Einheit: Entfernung Erde-Sonne<br />
1 AE := DErde−Sonne = 1.49 · 10 13 cm<br />
Theorie zur Bestimmung:<br />
DErde−Sonne = (PErde/PP lanet) 2/3 DErde−P lanet<br />
Messung: 1672 von Cassini am Mars und 1835 von Encke an der Venus<br />
Ergebnis: 1 AE = (damals) 23.000 RE (heute, Radar)<br />
1AE = 149 597 892 km<br />
Die Erdbahn als Basis der Parallaxensekunde liefert das Parsec, pc<br />
1pc = 206 265 AE<br />
wobei der Umrechnungsfaktor (360·60·60/2π) ist. Die Entfernung zum nächsten Stern beträgt etwa 270.000<br />
AE.<br />
2. galaktische Entfernungseinheit, GE<br />
Die Entfernung zu den Hyaden. 1 GE = 46 pc. (enthält keine Veränderlichen Sterne)<br />
main sequence fitting an den Plejaden und an Praesepe liefert Entfernungsmodule bis D = 180 pc.<br />
RR Lyrae Sterne haben L = const mit L = 100L⊙.<br />
Cepheiden (I und II). Standardkerze LI = 500L⊙(P/day) und LII = 125L⊙(P/day).<br />
3. Sekundäre Standards (bis zum Virgo Haufen)<br />
Die hellsten Sterne<br />
Hubble benutzte M = −6.1 heute M = −9.3.<br />
hellste Kugelsternhaufen haben MV = −9.8.<br />
hellste Galaxien (ScI Galaxien) haben MV = −21.68<br />
4. moderne Alternativen
1.6. SYNOPSIS UND AUSBLICK 129<br />
<strong>die</strong> Tully-Fisher Relation<br />
benutzt <strong>die</strong> Breite der 21 cm HI Linie einer ganzen Spiralgalaxie. Es gilt empirisch<br />
M = −3.5 − 6 log(W/ sin i) (1.253)<br />
Hier ist W <strong>die</strong> mittlere Breite der 21-cm Radio Linie in elliptischen Galaxien in km s −1 und i der Inklinationswinkel<br />
der Spiralgalaxie. Damit kommt man etwa 200 Mpc weit, entsprechend einer Hubble Fluchtgeschwindigkeit<br />
von 10 4 km s −1 bei h = 0.5.<br />
Faber-Jackson Relation<br />
optisches Analogon zur Tully-Fisher Relation.<br />
5. kosmologische Standards<br />
Der Coma-Haufen<br />
Der letzte Eichstandard (kurze Skala) ist der Coma-Haufen. Entfernung D = 140 Mpc, v = 7.000 km/sec,<br />
(z = 7/300 = 0.025). Durchmesser d = 8 Mpc, m − M = 35.27, m = 14.7. Die Rotverschiebung entspricht<br />
einer Fluchtgeschwindigkeit von v = 7.000 km/sec.<br />
Rotverschiebung<br />
das kosmologische Entfernungsnormal, Def.:<br />
1 + z = λo<br />
λe<br />
= ωe<br />
ωo<br />
z = Hr/c oder v = Hr. (H : Hubblekonstante; c : Lichtgeschwindigkeit).<br />
(1.254)<br />
das Alter des Kosmos, H −1 .<br />
(Einheiten v: 100km/sec; r : Mpc; H : (100km/sec)/Mpc). Obige Entfernung für den Coma-Haufen liefert<br />
H = 7000/140 = 50 km/secMpc entsprechend einem Alter des Kosmos von 20 Gyr (für ein nahezu leeres<br />
Universum).<br />
1.6.2 Ausblick<br />
Die beiden Hauptziele beim Bau des Hubble Space Teleskops waren<br />
1. Bestimmung kosmolgischer Eichstandards,<br />
2. Nachweis der Dunkelmaterie.<br />
Beide Ziele wurden nicht erreicht, was nicht am HST liegt, sondern an Erkenntnissen, <strong>die</strong> erst im<br />
Nachhinein verständlich werden.<br />
Bestimmung kosmolgischer Eichstandards<br />
Nachweis der Dunkelmaterie
130 KAPITEL 1. GEOMETRIE
Kapitel 2<br />
Gravitation: Grundlage der <strong>Astrophysik</strong><br />
2.1 Einleitung<br />
Mechanik und Gravitation wurden als erste physikalische Theorien konzipiert und als Himmelsmechanik<br />
ausgearbeitet. Mit <strong>die</strong>sen werden wir uns im folgenden befassen. Sie sind auch heute noch Grundlage<br />
der Massenbestimmung kosmischer Objekte wie Kometen, Planeten, Sterne und sogar Galaxien.<br />
Endziel solcher Beobachtungen ist es, das Universum als Ganzes zu wiegen, d. h. seinen Masseninhalt<br />
nebst Hierarchie zu bestimmen.<br />
Sieht man von den beiden Disziplinen Mechanik und Gravitation einmal ab, dann hat es bis zur Jahrhundertwende<br />
keine richtige <strong>Astrophysik</strong> gegeben. Das ist nicht verwunderlich, da zum Verständnis<br />
der Sterne <strong>die</strong> Quantenphysik unabdingbar ist.<br />
• ANMERKUNG (ARCHAISCHE BEZEICHNUNGEN IN DER ASTRONOMIE)<br />
So ist es verständlich, aber nicht nur für Studenten außerordentlich hinderlich, daß <strong>die</strong> Astronomie einen Wust archaischer<br />
Bezeichnungen und falscher physikalischer Begriffe mit sich herumschleppt. Hier eine kleine Liste:<br />
• Anomalie.<br />
Wahre und exzentrische Anomalie sind zwei Beispiele aus der Urzeit der Planetenbewegung. Sie sind ein Maß für<br />
<strong>die</strong> Abweichung von der Kreisbahn, welche als normal (genauer als wünschenswert bzw. perfekt) angesehen wurde.<br />
• Verbotene Linien.<br />
Solche Linien im Spektrum bedeuten keinesfalls, daß hier gegen Gebote der Physik verstossen wird, sondern, daß<br />
sie empirisch unter Laborbedingungen nicht auftreten.<br />
• Präzession und Nutation.<br />
Die erzwungene Präzession der Erde im Feld des Mondes heißt Nutation, während <strong>die</strong> freie Nutation der Erde<br />
Chandler Wobble genannt wird.<br />
• Galaxie und galaktisch.<br />
Bis zum Beginn des 20ten Jahrhundert waren <strong>die</strong> Bezeichnungen Milchstraße (Milch der gr. Göttin Hera) und Galaxie<br />
synonym. Heute unterscheidet man zwischen Galaxis = Milchstraße und (einer extragalaktischen) Galaxie.<br />
Beim Adjektiv galaktisch versagt <strong>die</strong>se Möglichkeit, in älteren Darstellungen wird manchmal galaxisch (engl. galaxian)<br />
verwendet.<br />
Super-Novae, Pulsare, kosmische Maser, Quasare und kosmische Ausbrüche von γ - Strahlung, (engl.<br />
γ–ray bursts), sind aktuelle Beispiele von Objekten bzw. Phänomenen, <strong>die</strong> man (auch nach bis zu<br />
50 Jahren nach ihrer Entdeckung) heute nicht erklären kann. Ob <strong>die</strong> Bezeichnung immer korrekt ist,<br />
darf bezweifelt werden: Pulsare pulsieren nicht, sie rotieren. Falls <strong>die</strong> Objekte aber in Binärsystemen<br />
auftreten oder falls sie als Gravitationslinse fungieren, dann kann wenigstens ihre Masse bestimmt<br />
werden.<br />
Da das Binärsystem nicht direkt vermessen werden kann, sind noch einige zusätzliche Überlegungen<br />
notwendig. Direkt beobachtet wird nämlich nur <strong>die</strong> zeitliche Abbildung des Systems (mithilfe von<br />
131
132 KAPITEL 2. GRAVITATION<br />
Licht oder Radiowellen) parallel oder senkrecht zum Sehstrahl. Und zwar entweder <strong>die</strong> Dopplerverschiebung<br />
von Spektrallinien bzw. <strong>die</strong> Pulsankunftszeiten von Signalen (Radiopulsen) oder (bei nahen<br />
Doppelsternen und Planetensystemen) <strong>die</strong> Parallaxe.<br />
Die Spektroskopie und damit <strong>die</strong> Chemie der Sterne geht zwar auf Fraunhofer bzw. Kirchhoff und<br />
Bunsen zurück, verstanden werden konnte sie jedoch nur mit der Quantenmechanik, also ebenfalls erst<br />
zu Beginn <strong>die</strong>ses Jahrhunderts.<br />
Wie wir später zeigen wollen, werden Sterne in dichten Wolken geboren, welche aus Material bestehen,<br />
welches selbst wieder in Sternen gekocht wurde. Wie wir aus Beobachtungen von solchen<br />
Molekülwolken wissen, ist das Hauptausgangsmaterial heute Wasserstoff, H, und Helium, He, mit einer<br />
Beimischung von schwereren Elementen wie C, N, O mit etwa 10 −3 Massenanteil und mit bis zu<br />
1% Staub. Die numerische kosmische Häufigkeit von Fe und Si beträgt etwa 3·10 −5 , was einer Massenhäufigkeit<br />
von ebenfalls etwa 1:1000 entspricht. Obwohl sie nur als Spurenelemente vorkommen,<br />
sind <strong>die</strong> Metalle für das Aussehen und Kühlen der Sterne wesentlich. Bei Molekülwolken übernimmt<br />
Staub <strong>die</strong>se Rolle.<br />
Zum Nachweis des Vorhandenseins bestimmter chemischer Elemente benötigt man das Spektrum der<br />
Elemente, welches für jedes Element so charakteristisch ist, wie der Fingerabdruck oder der genetische<br />
Code beim Menschen. Dabei kann man aus dem Dopplereffekt an einer einzelnen Linie auf <strong>die</strong><br />
Geschwindigkeit der Wolke oder des Sterns schließen; für den Quotienten zweier Linien kürzt <strong>die</strong>ser<br />
sich jedoch heraus: so kann man zeigen, daß im gesamten Universum <strong>die</strong> gleichen Atome und<br />
Moleküle vorhanden sind und es keine anderen gibt.<br />
Die Linienintensitäten schließlich geben Auskunft über <strong>die</strong> kosmische Häufigkeit und <strong>die</strong> Anregungsbedingungen.<br />
Zur quantitativen Bestimmung der Häufigkeiten, welche aus der Linienstärke resultiert,<br />
muß man neben den Anregungsbedingungen des Mediums, also atomare Wirkungsquerschnitte, Dichte<br />
und Temperatur, auch den Strahlungstransport verstehen (Quantenmechanik). Dazu ist bei Atomen<br />
und Molekülen <strong>die</strong> Saha Gleichung <strong>die</strong> wesentliche Grundlage.<br />
Damit erst kann man dann auch <strong>die</strong> Linienform zur Interpretation der physikalischen Bedingungen heranziehen.<br />
Man findet in Sternatmosphären, Wolken, Nebeln und Supernova - Überresten Bedingungen,<br />
wie sie im Labor nicht zu realisieren sind. In der Sprache der Astronomen entdeckt man ’verbotene Linien’,<br />
also Linien, <strong>die</strong> im Labor nicht vorkommen, da <strong>die</strong> Physik dort meist stossdominiert ist. Man<br />
findet auch Elemente, <strong>die</strong> im Labor nur schwer oder gar nicht herzustellen sind, etwa Radikale wie H −<br />
in der Sonnenatmosphäre.<br />
Bei noch extremeren Situationen, wie sie bei akkretierenden Röntgensternen oder bei Radio Pulsaren<br />
vorliegen, ist <strong>die</strong> Physik noch weitgehend unverstanden. Dies gilt auch für <strong>die</strong> kosmischen Maser. So<br />
ist es z. B. bis heute noch nicht gelungen, eine Linie vorherzusagen, <strong>die</strong> anschließend auch beobachtet<br />
wurde.<br />
2.2 Mechanik und Newtonsche Gravitationstheorie<br />
• DEFINITION (ZUM NACHSCHLAGEN)<br />
Wir definieren zum Nachschlagen für <strong>die</strong>se Kapitel folgende Größen.<br />
α, Kopplungskonstante, α = GmM = Gm1m2, (Newton)<br />
oder α = Z1Z2e 2 (Coulomb)<br />
T , kinetische Energie T = (m/2)�v 2 ,<br />
U, Gravitationsenergie U(r) = −α/r,<br />
oder elektrische Wechselwirkungsenergie U(r) = Z1Z2e 2 (Coulomb)<br />
M, Gesamtmasse M = m1 + m2 und<br />
m, reduzierte Masse m = m1m2/M,<br />
r, Abstandsvektor, gerichtet von 1 nach 2, �r = �x2 − �x1,<br />
v, Relativgeschwindigkeit �v = d�r/dt<br />
R, Schwerpunktsvektor � R := (m1�x1 + m2�x2)/M,
2.2. MECHANIK UND NEWTONSCHE GRAVITATIONSTHEORIE 133<br />
P, Umlaufperiode,<br />
V , Schwerpunktsgeschwindigkeit � V = d � R/dt.<br />
Die hier benutzte Größe α ist also nicht wie sonst <strong>die</strong> Feinstrukturkonstante, sondern <strong>die</strong> vorzeichenlose Kopplungsstärke.<br />
Die Wechselwirkungsenergie U(r) kann mithilfe des Potentials Φ auch wie folgt geschrieben werden.<br />
U = m1Φ bzw. U = Z1eΦ<br />
Die beiden Massenpunkte haben <strong>die</strong> Indizes 1 und 2. Für ein <strong>Teil</strong>chen gelten <strong>die</strong> folgenden Definitionen.<br />
Für ein <strong>Teil</strong>chen<br />
Impuls (Massenpunkt 1)<br />
�p1 = m1�v1<br />
Drehimpuls (Massenpunkt 1)<br />
�j1 = �r1 × �p1<br />
Für beide Massenpunkte mit Wechselwirkung zusammen<br />
Gesamtenergie<br />
oder<br />
E = T + U = 1<br />
E = − α(1 − e2 )<br />
2p<br />
Gesamtdrehimpuls<br />
mit<br />
2m1<br />
(2.1)<br />
(2.2)<br />
p 2 1 + m2<br />
2 v2 2 + U(|�x2 − �x1|) (2.3)<br />
= − α<br />
2a<br />
�J = �r1 × �p1 + �r2 × �p2<br />
PJ = 2mπab = 2mπp2<br />
(1 − e 2 ) 3/2<br />
Die Bahn ist eine Ellipse<br />
p<br />
= 1 + e cos φ (Kepler I) (2.7)<br />
r<br />
wo e <strong>die</strong> Exzentizität und p der Parameter der Ellipse sind. Damit gilt für <strong>die</strong> rein geometrischen Größen<br />
p = α<br />
� �2 J<br />
m α<br />
;<br />
�<br />
e = 1 + 2Ep<br />
α<br />
und letzteres umgekehrt in rein physikalischen Größen<br />
und<br />
e 2 − 1 =<br />
2<br />
G2m2 2<br />
EJ<br />
M 3<br />
P = 2πa 3/2<br />
� �<br />
m m<br />
= πα<br />
α |E| 3<br />
Die Newtonsche Gravitationstheorie ist eine Fernwirkungstheorie, <strong>die</strong> Kraft zwischen zwei <strong>Teil</strong>chen<br />
wirkt instantan. Die Newtonsche Bewegungsgleichung zweier Massenpunkte mit Indizes 1 und 2 und<br />
dem Abstand r = |�x1 − �x2| für den Fall rein gravischer Wechselwirkung lautet:<br />
d�v1<br />
m1<br />
dt<br />
d�v2<br />
m2<br />
dt<br />
�x1 − �x2<br />
= −Gm1m2<br />
r3 12<br />
�x2 − �x1<br />
= −Gm1m2<br />
r3 21<br />
(2.4)<br />
(2.5)<br />
(2.6)<br />
(2.8)<br />
(2.9)<br />
(2.10)<br />
(2.11)<br />
Addition der beiden Gleichungen liefert ˙ V = 0, oder für <strong>die</strong> Schwerpunktsgeschwindigkeit � V =<br />
d � R/dt = const. Im Schwerpunktsystem ist (per definitionem) const = � V = 0 und zusätzlich � R = 0.
134 KAPITEL 2. GRAVITATION<br />
• ANMERKUNG (REDUKTION AUF DAS 1- KÖRPERPROBLEM)<br />
Die Gesamtenergie ist wegen der Zeitunabhängigkeit, der Gesamtdrehimpuls wegen der Drehinvarianz erhalten. Für <strong>die</strong>ses<br />
2- Körperproblem gibt es eine exakte Lösung, da es auf das 1- Körperproblem im gegebenen, statischen Potential<br />
zurückgeführt werden kann. Newton selbst hat alle Beweise rein geometrisch geführt, <strong>die</strong> analytische Darstellung geht<br />
auf Euler zurück. Eine besonders elegante Methode wurde von Lagrange gefunden. Sie wird bis heute zum Auffinden<br />
physikalischer Theorien benutzt.<br />
Aus der Lagrange-Funktion L für <strong>die</strong> beiden Massen<br />
L = T − U = m1<br />
2 v2 1 + m2<br />
2 v2 2 − U(|�x2 − �x1|) (2.12)<br />
wird <strong>die</strong> reduzierte 1-<strong>Teil</strong>chen Lagrange-Funktion<br />
L = m<br />
2<br />
. 2<br />
��r + M<br />
2<br />
. 2<br />
��R −U(r) (2.13)<br />
Die Schwerpunkt Koordinate R ist zyklisch, ∂L/∂R = 0, sodaß <strong>die</strong> Schwerpunkt- Geschwindigkeit (und Schwerpunktsenergie)<br />
erhalten ist.<br />
Wir gehen ins Schwerpunktsystem und setzen V = 0 und R = 0. Wir behandeln zunächst das reduzierte 1-<strong>Teil</strong>chen<br />
Problem. Wir geben später <strong>die</strong> allgemeine Behandlung des Kepler Problems.<br />
In sphärischen Koordinaten lautet <strong>die</strong> Lagrange-Funktion L:<br />
L = 1<br />
�<br />
˙r<br />
2m<br />
2 + r 2 Θ˙ 2 2 2<br />
+ r sinΘ φ˙ 2 �<br />
− U(r) (2.14)<br />
Zusätzlich zur Energie E und zum Drehimpuls J ist (als Besonderheit des Potentials U) noch der Laplace - Lenzsche<br />
Vektor erhalten:<br />
�LL = m�v × (�r × �v) + U�r ; U = α<br />
r<br />
Er hat den Betrag αe und ist vom Brennpunkt zum Perihel gerichtet. Physikalisch bedeutet der Erhaltungssatz, daß <strong>die</strong><br />
Bahnlage stabil ist: der Massenpunkt kehrt zu seinem Ausgangspunkt zurück.<br />
Die Konstanz des Laplace-Lenzschen Vektors bedeutet also, daß <strong>die</strong> Bahn geschlossen ist und (wie<br />
wir später zeigen werden) daß <strong>die</strong> Exzentrizität e bei kleinen<br />
Störungen erhalten bleibt. Mathematisch impliziert <strong>die</strong>s, daß <strong>die</strong><br />
Bahn durch elementare Funktionen ausgedrückt werden kann.<br />
Die einzige weitere Ausnahme, bei der beliebige Bahnen stets<br />
geschlossen sind, ist der harmonische Oszillator (mit der Frequenz<br />
ω). Dort ist (wie wir ebenfalls später zeigen werden) der<br />
zusätzlich erhaltene Parameter E/ω.<br />
In der nebenstehenden Abbildung ist (zur Illustration übertrieben)<br />
Abb. 2.1: Keplerbahn<br />
der Fall gezeigt, wo <strong>die</strong> Bahn pro Umlauf um 15 Grad fortschreitet.<br />
Ein beliebiges Zentralpotential führt dagegen auf elliptische Integrale. Ein interessanter Fall, der exakt<br />
gelöst werden kann, ist ein Potential der Form U = −αr−2 . Hier stürzt das <strong>Teil</strong>chen ins Zentrum, falls<br />
ein kritischer Wert für den Drehimpuls unterschritten wird.<br />
Die Bedeutung der beiden Potentiale, U = −ωr2 und U = −αr−1 wird später noch klar werden. Es<br />
ist nicht übertrieben, zu sagen, daß etwa 90% der Physik mit <strong>die</strong>sen abgedeckt werden.<br />
2.2.1 Die Keplerschen Gesetze<br />
Im folgenden ist M <strong>die</strong> Gesamtmasse und m <strong>die</strong> reduzierte Masse<br />
M = m1 + m2 ; m = m1m2<br />
m1 + m2<br />
(2.15)<br />
(2.16)
2.2. MECHANIK UND NEWTONSCHE GRAVITATIONSTHEORIE 135<br />
In <strong>die</strong> Newtonsche Bewegungsgleichung geht <strong>die</strong> reduzierte Masse m als inertiale Masse ein, <strong>die</strong> im<br />
Feld der Gesamtmasse M beschleunigt wird. Sie lautet, im Bezugssystem, wo für <strong>die</strong> Schwerpunkt-<br />
Geschwingigkeit V = 0 gilt:<br />
m d�v<br />
dt<br />
= −GmM �r<br />
r 3<br />
Die inertiale Masse m fällt heraus.<br />
• BEISPIEL (ELEMENTARE BERECHNUNG VON ENERGIE UND DREHIMPULS)<br />
1. Skalarmultiplikation von (2.17) mit �v liefert mit �v = d�r<br />
dt<br />
m�v d�v<br />
dt<br />
den Energiesatz,<br />
oder<br />
= −GmM �r<br />
r 3<br />
d�r<br />
dt<br />
˙E = d<br />
� �<br />
1 GmM<br />
m�v − = 0<br />
dt 2 r<br />
(2.17)<br />
E = T + U = const (2.18)<br />
2. Vektormultiplikation von (2.17) mit �r liefert d � J/dt = 0, d. h. den Drehimpulserhaltungssatz, also<br />
�J = �r × �p = const (2.19)<br />
Die Bewegung verläuft in einer Ebene senkrecht zu � J. Schwieriger ist es, <strong>die</strong> Erhaltung des Laplace - Lenzschen Vektors<br />
�LL<br />
zu zeigen.<br />
�LL = m�v × (�r × �v) + U�r ; U = α<br />
r<br />
Wir nutzen <strong>die</strong> Symmetrie aus und betrachten <strong>die</strong> Lösung in sphärischen Koordinaten (r, Θ, φ) in der<br />
Äquatorebene (Θ = π/2). Die Lagrange-Funktion L = T − V<br />
L = m<br />
2<br />
(2.20)<br />
�<br />
˙r 2 + r 2 ˙ φ 2 �<br />
− U(r) (2.21)<br />
enthält den Winkel φ und <strong>die</strong> Zeit t nicht explizit, was zwei der drei Konstanten der Bewegung liefert.<br />
Die dritte muß man direkt ausrechnen. Wir haben dann <strong>die</strong> folgenden Konstanten der Bewegung:<br />
1. Drehimpuls J :<br />
2. Energie E :<br />
J = mr 2 ˙ φ (2.22)<br />
E = m<br />
2<br />
�<br />
˙r 2 +<br />
3. Laplace - Lenzscher Vektor � LL:<br />
2 J<br />
m2r2 �<br />
+ U(r) (2.23)<br />
�LL = m�v × (�r × �v) + U�r ; U = α<br />
r<br />
(2.24)
136 KAPITEL 2. GRAVITATION<br />
Die Bahn überstreicht das infinitesimale Flächenelement dF = (r 2 /2)dφ, sodaß aus der zeitlichen<br />
Konstanz vom Drehimpuls J der Flächensatz, Kepler II, folgt:<br />
F ˙ = 1<br />
2m J = const = r2φ ˙ (2.25)<br />
Nach einem Umlauf in der Zeit P beträgt <strong>die</strong> Fläche F = πab, woraus J/m berechnet werden kann.<br />
Damit erhalten wir für J<br />
PJ = 2mπab = 2mπp2<br />
(1 − e 2 ) 3/2<br />
(2.26)<br />
mit der Periode P. Die beiden Konstanten der Bewegung (2.22) und (2.23) liefern <strong>die</strong> Bahngleichung<br />
in Polarkoordinaten in der Bahnebene:<br />
dφ<br />
dr =<br />
J<br />
r2 �<br />
2m[E − U(r)] − (J/r) 2<br />
(2.27)<br />
Falls es sich bei U(r) um ein 1/r Potential (Kepler- bzw. Coulomb- Problem) oder ein r 2 Potential<br />
(harmonischer Oszillator) handelt, erhält man einen Kegelschnitt. Die beiden wichtigsten Typen sind<br />
Ellipse und Hyperbel, mit den Sonderfällen Kreis bzw. Parabel.<br />
• ANMERKUNG (HAUPTACHSENDARSTELLUNG)<br />
Für <strong>die</strong> Kegelschnitte gilt <strong>die</strong> Darstellung in kartesischen Koordinaten<br />
x 2<br />
a<br />
2 ± y2<br />
= 1<br />
b2 Diese Darstellung heißt Hauptachsendarstellung, a ist <strong>die</strong> große Hauptachse und b <strong>die</strong> kleine Hauptachse. Das Pluszeichen<br />
liefert eine Ellipse. Die Polargleichung von Ellipse (+) bzw. Hyperbel (−) vom Mittelpunkt aus mit ρ für den Abstand und<br />
θ für den Winkel<br />
ρ 2 = ±<br />
b 2<br />
1 − e 2 cos 2 θ<br />
Man erhält<br />
1. für E < 0 eine Ellipse (Kepler I) bzw.<br />
2. für E > 0 eine Hyperbel und<br />
3. für E = 0 als Sonderfall eine Parabel.<br />
Die Kreisbahn ist darurch ausgezeichnet, daß sie <strong>die</strong> größte Bindungs - Energie besitzt. Für gebundene<br />
Bahnen, E < 0, lautet <strong>die</strong> Parameterdarstellung der Ellipse bezogen auf den Brennpunkt<br />
p<br />
= 1 + e cos φ (Kepler I) (2.28)<br />
r<br />
wo e <strong>die</strong> Exzentizität und p der Parameter der Ellipse sind. Dabei gilt<br />
p = α<br />
m<br />
� �2<br />
J<br />
α<br />
; e =<br />
�<br />
1 + 2Ep<br />
α<br />
(2.29)<br />
wo für <strong>die</strong> Bahngleichung r vom Brennpunkt aus gemessen wird.<br />
Für E < 0 ist e < 1 und für E > 0 ist e > 1. Die Variable φ heißt wahre Anomalie (Winkel bezogen<br />
auf den Brennpunkt der Ellipse, ab Perihel im Gegenuhrzeigersinn gemessen).<br />
Wie Glchg. (2.29) zu ersehen, ist der Parameter der Ellipse p für gegebene Kopplungsstärke α und<br />
Masse m ausschließlich durch den Drehimpuls gegeben. Löst man Glchg. (2.29) nach E auf<br />
E = − α(1 − e2 )<br />
2p<br />
so findet man <strong>die</strong> physikalische Bedeutung der Exzentizität:<br />
(2.30)
2.2. MECHANIK UND NEWTONSCHE GRAVITATIONSTHEORIE 137<br />
Von allen Bahnen zu gegebenem p, d. h. zu gegebenem J und α (geometrische Gesamtmasse:<br />
α = GmM = Gm1m2) hat <strong>die</strong> Kreisbahn <strong>die</strong> größte Bindungsenergie.<br />
Falls ein Binärsystem nur seine Energie, nicht aber seinen Drehimpuls, dissipieren kann (z. B. weil der<br />
Hebelarm wie beim Erde - Mond System fehlt), wird das System immer runder (und weiter).<br />
Die kleine Halbachse b und <strong>die</strong> grosse Halbachse a der Ellipse kann man durch Energie E und Drehimpuls<br />
J wie folgt ausdrücken, s. Glchg. (2.29):<br />
a = p α<br />
=<br />
1 − e2 2|E|<br />
; b =<br />
p<br />
√ 1 − e 2 =<br />
Eliminiert man E und benutzt J = 2mπab,<br />
PJ = 2mπab = 2mπp2<br />
(1 − e 2 ) 3/2<br />
so folgt das dritte Keplersche Gesetz<br />
� �2 2π<br />
= Ω<br />
P<br />
2 = GM<br />
a3 J<br />
�<br />
2m|E|<br />
(2.31)<br />
(2.32)<br />
(2.33)<br />
Die Extrema, f ′ (rmin) = f ′ (rmax) = 0, von r, vom Brennpunkt aus gemessen, heißen Librationspunkte.<br />
Für sie gilt<br />
und<br />
rmin = p<br />
1 + e<br />
rmax = p<br />
1 − e<br />
= a(1 − e) Perihelabstand (2.34)<br />
= a(1 + e) Aphelabstand (2.35)<br />
Aus ihnen kann <strong>die</strong> Exzentrizität der Bahn bestimmt werden. Für <strong>die</strong> Bindungsenergie ergibt sich dann<br />
E = − α(1 − e2 )<br />
2p<br />
= − α<br />
2a<br />
(2.36)<br />
und es gilt 2T + U = 0 (Virialsatz).<br />
Damit haben wir eine vollständige Beschreibung der Bewegung mithilfe der geometrischen Größen<br />
p und e erhalten. Für <strong>die</strong> direkte Beobachtung (Dopplerverschiebung<br />
an optischen Binärsystemen oder Pulsankunftszeit an Radiopulsaren<br />
mit Begleitern) ist <strong>die</strong>se Beschreibung der Bewegung<br />
aber nicht geeignet. Gesucht werden möglichst einfache Ausdrücke<br />
für <strong>die</strong> Orts- und Geschwindigkeitsvariablen x und y, bzw.<br />
˙x und ˙y, als Funktion der Zeit des Beobachters t.<br />
Dazu betrachtet man nach Bessel <strong>die</strong> exzentrische Anomalie Φ.<br />
Bisher war φ <strong>die</strong> wahre Anomalie (Winkel bezogen auf den<br />
Brennpunkt der Ellipse, ab Perihel im Gegenuhrzeigersinn gemessen),<br />
jetzt wird stattdessen Φ, <strong>die</strong> exzentrische Anomalie<br />
(Winkel bezogen auf Mittelpunkt zwischen beiden Brennpunk-<br />
Abb. 2.2: Anomalie<br />
ten eines Kreises mit Radius a) betrachtet.<br />
In der Abbildung ist zu den Winkeln jeweils π hinzuzuzählen, zur besseren Lesbarkeit ist hier vom<br />
Aphel nicht vom Perihel aus gezählt.
138 KAPITEL 2. GRAVITATION<br />
In Parameterform gilt damit für <strong>die</strong> Bahn:<br />
r = a(1 − e cos Φ) (2.37)<br />
x = a(cos Φ − e) y = a √ 1 − e2 �<br />
sin Φ (2.38)<br />
t = ma3 /α(Φ − e sin Φ) + to<br />
�<br />
(2.39)<br />
T = 2π ma3 /α M = 2πt/T (2.40)<br />
Der Winkel Φ heißt exzentrische Anomalie. Der Winkel ist bezogen auf den Mittelpunkt zwischen<br />
beiden Brennpunkten eines Kreises mit Radius a, ab Perihel im Gegenuhrzeigersinn gemessen:<br />
und es gilt:<br />
ae + x = acosΦ (2.41)<br />
cos Φ =<br />
sin Φ =<br />
tan Φ<br />
2 =<br />
e + cos φ<br />
1 + e cos φ<br />
√<br />
1 − e2 sin φ<br />
1 + e cos φ<br />
�<br />
1 − e φ<br />
tan<br />
1 + e 2<br />
Als dimensionslose Zeit definiert man (nach Bessel) <strong>die</strong> Größe M. Sie heißt mittlere Anomalie.<br />
(2.42)<br />
(2.43)<br />
(2.44)<br />
• ANMERKUNG (RECHNUNG)<br />
Zum Beweis <strong>die</strong>ser Formeln beachte man folgendes: Glchg. (2.42) ist <strong>die</strong> Definition von Φ, Glchg. (2.43) folgt durch<br />
Quadratur; bleibt Glchg. (2.44) zu beweisen. Dazu benutzt man <strong>die</strong> Formel für den halben Winkel:<br />
tan Φ<br />
2<br />
=<br />
sinΦ<br />
1 + cosΦ<br />
qua<strong>die</strong>rt <strong>die</strong>se und ersetzt sin 2 Φ durch 1 − cos 2 Φ = (1 + cosΦ)(1 − cosΦ) und kürzt einmal. Das liefert<br />
1 − cosΦ<br />
1 + cosΦ<br />
Auflösen nach z liefert<br />
cosΦ =<br />
= 1 − e<br />
1 + e<br />
1 − z<br />
1 + z<br />
1 − cosφ<br />
1 + cosφ<br />
= z<br />
und das schließlich Glchg. (2.42).<br />
Die Umkehrformeln zu Glchg. (2.42) und (2.43) erhält man durch <strong>die</strong> Substitution e → −e.<br />
sin φ = � 1 − e2 sin Φ<br />
1 − e cos Φ<br />
cos φ =<br />
cos Φ − e<br />
1 − e cos Φ<br />
Im folgenden benutzen wir Die Bezeichnungen<br />
1. für <strong>die</strong> Periode: P bzw.<br />
2. für <strong>die</strong> Umlauf - Frequenz: Ω und<br />
3. für <strong>die</strong> grosse Halbachse: a.<br />
(2.45)<br />
(2.46)
2.2. MECHANIK UND NEWTONSCHE GRAVITATIONSTHEORIE 139<br />
Sie sind durch Kepler III wie folgt verknüpft:<br />
� �2 2π<br />
= Ω<br />
P<br />
2 = GM<br />
a3 (2.47)<br />
wie man aus Glchg. (2.39) erhält. Ersetzen von a in der Kepler Formel (mithilfe von Glchg. (2.33))<br />
liefert, daß <strong>die</strong> Periode<br />
P = 2πa 3/2<br />
� �<br />
m m<br />
= πα<br />
α |E| 3<br />
(2.48)<br />
nur von der Energie abhängt, im Falle gravischer Wechselwirkung hängt <strong>die</strong>se darüber hinaus nur von<br />
der Gesamtmasse ab!<br />
• ANMERKUNG (NÜTZLICHE FORMELN ZUR BERECHNUNG DES LAPLACESCHEN VEKTORS AM PERIHEL)<br />
Zur Berechnung des Laplace-Lenzschen Vektors und für späteren Gebrauch geben wir einige nützliche Formeln.<br />
und<br />
˙φ = J<br />
=<br />
mr2 2π<br />
P (1 − e2 (1 + e cos φ)2<br />
) 3/2<br />
vφ = r ˙ φ = J J<br />
= (1 + e cos φ)<br />
mr mp<br />
Damit wird der erste Term des Laplace-Lenzschen Vektors<br />
rv 2 φ =<br />
� �2 J<br />
p(1 + e cos φ) = α(1 + e cos φ)<br />
mp<br />
Am Perihel also, wo ˙r = 0, wird LL = rv 2 φ − α und daraus folgt LL = eα.<br />
Ferner folgt<br />
e = rmax − rmin<br />
=<br />
rmax − rmin<br />
vmax − vmin<br />
vmax − vmin<br />
Daraus kann, bei normaler Lage der Ellipse, <strong>die</strong> Exzentrizität bestimmt werden.<br />
2.2.2 Streuung: Die Rutherford-Formel<br />
• ANMERKUNG (KOORDINATEN)<br />
Die Polarkoordinaten r und φ beziehen sich auf den Brennpunkt; φ gemessen ab Perihel; x, y, Φ sind kartesische Koordinaten<br />
bezogen auf den Koordinatenursprung. Im folgenden ist wieder M <strong>die</strong> Gesamtmasse und m <strong>die</strong> reduzierte Masse<br />
M = m1 + m2 ; m = m1m2<br />
m1 + m2<br />
Die Kopplungskonstante ist α = GmM = Gm1m2 (Newton) oder α = Z1Z2e 2 (Coulomb).<br />
Für Streuzustände gilt E > 0, d. h. Exzentrizität e > 0. Die Hyperbel hat im Falle von Anziehung <strong>die</strong><br />
Bahngleichung:<br />
p<br />
r<br />
mit rmin = p<br />
e+1<br />
(2.49)<br />
= 1 + e cos φ (2.50)<br />
= a(e − 1) und<br />
x = a(e − cosh Φ) y = a(e 2 − 1) 1/2 sinh Φ (2.51)<br />
t = (ma 3 /α) 1/2 (e sinh Φ − Φ) + to (2.52)
140 KAPITEL 2. GRAVITATION<br />
Der Zusammenhang zwischen den Winkeln φ (wahre Anomalie) und Φ (exzentrische Anomalie) ist:<br />
sinh Φ = √ e2 sin φ<br />
− 1<br />
1 + e cos φ<br />
cosh Φ<br />
tan<br />
=<br />
e + cos φ<br />
1 + e cos φ<br />
Φ<br />
2 =<br />
�<br />
e − 1 φ<br />
tan<br />
e + 1 2<br />
Der differentielle Streuquerschnitt dσ ist definiert als<br />
dabei ist<br />
<strong>die</strong> Anzahl der ins Winkelelement do gestreuten <strong>Teil</strong>chen pro Stromstärke und Zeiteinheit<br />
Stromstärke = <strong>Teil</strong>chenzahldichte×Geschwindigkeit = nv des Strahls der <strong>Teil</strong>chen.<br />
dσ = 1<br />
nv<br />
(2.53)<br />
(2.54)<br />
(2.55)<br />
dN<br />
do (2.56)<br />
dt<br />
Gewöhnlich schreibt man <strong>die</strong>s in der Form<br />
dN<br />
= n v<br />
dt<br />
dσ<br />
do<br />
Diese Definition des Streuquerschnitts bezieht sich auf <strong>die</strong> Streuung an einem einzelnen Targetteilchen.<br />
Die Streurate an Nj Targetteilchen erhält man also duch Multiplikation mit Nj = njV wenn V das<br />
Volumen ist. Bezeichnen wir <strong>die</strong> Streuteilchen noch mit Index i und den Betrag der Relativgeschwindigkeit<br />
mit vij, so kann man das wie folgt schreiben:<br />
˙Ni =<br />
1<br />
σvijninjV (2.57)<br />
1 + δij<br />
Dabei haben wir berücksichtigt, daß bei der Streuung identischer <strong>Teil</strong>chen nur <strong>die</strong> Hälfte Streuteilchen<br />
und <strong>die</strong> andere Hälfte Targetteilchen sind. Die Formel ist symmetrisch in Streu- und Targetteilchen,<br />
Division durch Ni = niV liefert <strong>die</strong> Stossrate<br />
1<br />
τ = ˙ Ni<br />
Ni<br />
=<br />
1<br />
1 + δij<br />
α<br />
mv 2 i ρ<br />
σ vij nj<br />
(2.58)<br />
oder einfacher<br />
1<br />
= nσv (2.59)<br />
τ<br />
In <strong>die</strong>ser Form werden wir sie in Zukunft für einfache Abschätzungen benutzen. Falls <strong>die</strong> <strong>Teil</strong>chen<br />
Elementarteilchen mit halbzahligem Spin sind, dann muß <strong>die</strong>s im Wirkungsquerschnitt berücksichtigt<br />
werden.<br />
Bei der Streuung werden alle <strong>Teil</strong>chen, <strong>die</strong> einlaufend mit der Anfangsgeschwindigkeit vi den Zylinder<br />
mit Ringfläche 2πρdρ durchsetzen, um den Winkel χ = π −2φ abgelenkt, dh. ins Raumwinkelelement<br />
do = 2πsinχdχ gestreut.<br />
Wir integrieren Glchg. (2.27) und erhalten für <strong>die</strong> Änderung des Winkels φ bis zum Perihel für Coulombstreuung:<br />
�<br />
drJ(r)<br />
∆φ =<br />
r2 h<br />
�<br />
= arccos<br />
2m[E − U(r)] − (J/r) 2 (1 + h2 , (2.60)<br />
) 1/2<br />
h =<br />
E = m<br />
2 v2 i J = mρvi (2.61)
2.2. MECHANIK UND NEWTONSCHE GRAVITATIONSTHEORIE 141<br />
wobei E und J durch <strong>die</strong> physikalischen Parameter Anfangsgeschwindigkeit vi und Stossparameter ρ<br />
ersetzt wurden. Der Ablenkwinkel χ ergibt sich zu χ = π − 2∆φ und mit Glchg. (2.60) kann man das<br />
umrechnen in<br />
oder<br />
π − χ<br />
ctg∆φ = h = ctg<br />
2<br />
tan χ<br />
2<br />
= h = α<br />
mv 2 i ρ<br />
Daraus folgt schließlich <strong>die</strong> Rutherfordsche Formel<br />
dσ = 2πρdρ =<br />
� α<br />
2mv 2 i<br />
� 2<br />
do<br />
4 χ<br />
sin 2<br />
(2.62)<br />
(2.63)<br />
wobei do das Raumwinkelelement ist.<br />
Der Wirkungsquerschnitt ist nicht vom Vorzeichen abhängig und stimmt auch quantenmechanisch,<br />
falls <strong>die</strong> <strong>Teil</strong>chen verschieden sind. Für Coulombstreuung ersetzen wir noch α = e 2 und schreiben mit<br />
dem klass. Elektronenradius re = e 2 /mc 2 und der Fläche σe = r 2 e<br />
dσ = σe<br />
� �<br />
c 4 do<br />
v sin4 (χ/2)<br />
(2.64)<br />
Im Schwerpunktsystem wird <strong>die</strong> Energie der <strong>Teil</strong>chen nicht geändert (elastischer Stoss), sondern nur<br />
<strong>die</strong> Richtung des Impulses.<br />
Wir betrachten jetzt <strong>die</strong> Energie, <strong>die</strong> das einlaufende <strong>Teil</strong>chen (Index 1) an das Target <strong>Teil</strong>chen (Index<br />
2) überträgt und zwar für ein ursprünglich ruhendes <strong>Teil</strong>chen 2 (Laborsystem). Es gilt, falls v <strong>die</strong><br />
Geschwindigkeit von 1 ist<br />
v2 = ∆v = 2(m/m2)v sin(χ/2) (2.65)<br />
Zusammen mit Glchg. (2.62) hat man somit eine Parameter Darstellung Stossparameter ρ und Geschwindigkeitsübertrag<br />
∆v. Für kleine Ablenkwinkel ergibt sich<br />
∆v ≈ 2Gm1<br />
ρv<br />
Mit der reduzierten Masse m und der Gesamtmasse M geben wir nun nützliche Relationen für Impulsund<br />
Energieübertrag, <strong>die</strong> wir später benötigen.<br />
∆v<br />
v<br />
∆E<br />
E<br />
= 2 m1<br />
m1 + m2<br />
�<br />
m<br />
= 4<br />
m2<br />
sin(χ/2) (2.66)<br />
� 2<br />
sin 2 (χ/2) (2.67)<br />
Von der Anfangsenergie (m1/2)v 2 wird also maximal der Bruchteil Q<br />
übertragen.<br />
Q = 4m1m2 m<br />
= 4<br />
(m1 + m2) 2 M<br />
≤ 1 (2.68)<br />
• ANMERKUNG (MAXIMALER ENERGIEÜBERTRAG)<br />
Das Maximum wird beim zentralen Stoß erreicht, wo das <strong>Teil</strong>chen reflektiert wird. Q = 1 gilt für m1 = m2. In <strong>die</strong>sem<br />
Fall kann <strong>die</strong> gesamte Energie von <strong>Teil</strong>chen 1 auf <strong>Teil</strong>chen 2 übertragen werden.
142 KAPITEL 2. GRAVITATION<br />
• ANMERKUNG (GRAVISCHER STOSSQUERSCHNITT)<br />
Für eine Ablenkung um 90 Grad ergibt sich ein minimaler Radius:<br />
Gm<br />
v 2 = ρmin (2.69)<br />
Damit lautet <strong>die</strong> Formel für den gravischer Stossquerschnitt<br />
σ = 2πr 2 min<br />
und daraus erhalten wir als erste grobe Näherung für <strong>die</strong> Stosszeit zweier Sterne der Masse m<br />
τ = 1<br />
nσv<br />
v 3<br />
= fp<br />
G2m2n ; fp = 1<br />
π<br />
Die Formel kann mithilfe des Schwarzschild Radius RS wie folgt geschrieben werden<br />
τ = 2<br />
π<br />
�<br />
v<br />
�3 1<br />
c cR2 Sn Für <strong>die</strong> Milchstraße ergibt sich mit v = 20 km s −1 und n = 0.1 Stern pro pc 3 etwa 3·10 14 Jahre. Bei 10 11 Sternen ist das<br />
ein Stoß alle 3000 Jahre. Im Gegensatz dazu sind Stöße von Galaxien (wie etwa im Virgo Haufen) durchaus möglich. Dort<br />
ist (mit v = 1500 km s −1 und n = 1000 Mpc −3 ) <strong>die</strong> Stosszeit nur 1 Gyr.<br />
Im folgenden wollen wir eine stark vereifachte Situation behandeln. Schnelle <strong>Teil</strong>chen streuen an ruhenden,<br />
schweren <strong>Teil</strong>chen. Die schnellen verlieren dabei Energie ∆E = ɛ, <strong>die</strong> schweren bleiben<br />
liegen. Wir wollen den differentielle Wirkungsquerschnitt dσ als Funktion des Energieübertrags bestimmen,<br />
d. h. wir eliminieren den Streuwinkel mithilfe von Glchg. (2.67) aus Glchg. (2.64). Eine<br />
einfache Rechnung liefert<br />
dσ = 2πρdρ = 2π α2<br />
m2v2 dɛ<br />
ɛ2 und <strong>die</strong> Energie-Verlustrate pro Weglänge (x = vt) beträgt pro <strong>Teil</strong>chen,<br />
dE<br />
dx<br />
= dE<br />
(vdt)<br />
= n<br />
max �<br />
min<br />
(2.70)<br />
(2.71)<br />
(2.72)<br />
ɛdσ (2.73)<br />
wobei n <strong>die</strong> <strong>Teil</strong>chenzahldichte der Targetteilchen ist. Das Ergebnis ist in <strong>die</strong>ser Näherung logaritmisch<br />
divergent:<br />
dE<br />
dx<br />
= 2πn α2<br />
m2v 2 ln(∆Emax/∆Emin) (2.74)<br />
Für kleine Ablenkwinkel, d. h. dem Gültigkeitsbereich der klassischen Fomel, kann man<br />
ɛ ≈ (m/2m2)v 2 h 2<br />
nähern, mit h = α/mv 2 i ρ. Für Stöße geladener <strong>Teil</strong>chen, mit α = Z1Z2e 2 ,<br />
dE<br />
dx = 4πnZ2 1Z 2 2e 4<br />
m2v 2 ln B ; B = ρmax<br />
und bei gravischer WW<br />
ρmin<br />
dE<br />
dt = 4πnG2 m2 1m2<br />
ln B ; B =<br />
v<br />
ρmax<br />
ρmin<br />
(2.75)<br />
(2.76)<br />
Der Wert von B = ρmax/ρmin hängt von der konkreten physikalischen Situation ab, je nachdem ob<br />
Plasma- oder Quanten-Effekte wichtiger sind. Eine genauere Analyse folgt bei der Betrachtung der bei<br />
den Stößen auftretenden Strahlungsverlusten.
2.2. MECHANIK UND NEWTONSCHE GRAVITATIONSTHEORIE 143<br />
Als Beispiele erwähnen wir hier <strong>die</strong> klassische Formel<br />
bmin = Ze2<br />
mv2 ; bmax = n −1/3<br />
und das Ergebnis von Bethe (1930)<br />
B = 2mv2<br />
¯hω<br />
= v2<br />
v 2 B<br />
(2.77)<br />
(2.78)<br />
Dabei ist ¯hω <strong>die</strong> Bindungsenergie und vB <strong>die</strong> Geschwindigkeit des Elektrons im Bohrschen Orbit. In<br />
jedem Fall aber hängt das Ergebnis nur logaritmisch davon ab, welche konkrete Situation vorliegt.<br />
Beispiele<br />
Yukawa Potential<br />
Für ein ’Yukawa Potential’ (abgeschirmtes Coulombpotential)<br />
U(r) = e<br />
r e−κr<br />
z. B. ist <strong>die</strong> natürliche Grenze für ρmax offensichtlich 1/κ und ρmin wird durch ∆Emax gegeben.<br />
Quantenmechanisch kann das Problem in Bornscher Näherung analytisch gelöst werden. Für den<br />
differentiellen Wirkungsquerschnitt erhält man:<br />
dσ =<br />
� e 2<br />
Ea<br />
� 2<br />
do<br />
(1 + 4(E/Ea) sin 2 (χ/2)) 2 mit Ea = 1<br />
2m (κ¯h)2<br />
Integration über <strong>die</strong> Winkel liefert ein endliches Ergebnis für den Gesamt - Wirkungsquerschnitt:<br />
� �<br />
2 2<br />
e 1<br />
σ =<br />
1 + 4(E/Ea)<br />
Ea<br />
Die neue Größe Ea hat <strong>die</strong> Bedeutung einer Abschneide Energie. Im Limes Ea → 0 erhält man<br />
zufälliger Weise das exakte Ergebnis für <strong>die</strong> Coulombstreuung (zweier Ladungen Z1 und Z2):<br />
�<br />
Z1Z2e<br />
dσ =<br />
2<br />
�2 do<br />
4E sin4 (χ/2)<br />
Die harte Kugel<br />
Klassisch kann man <strong>die</strong> Streuung harter Kugeln rein geometrisch behandeln. Seien r1 und r2 <strong>die</strong><br />
Ra<strong>die</strong>n, dann ist R = r1 + r2 <strong>die</strong> kleinste Entfernung der Zentren, auf <strong>die</strong> sich <strong>die</strong> beiden Kugeln<br />
nähern können. Äquivalent dazu ist <strong>die</strong> Streuung einer Punktmasse an einer Kugel mit Radius<br />
R = r1 + r2.<br />
Der gesamte Streuquerschnitt beträgt also<br />
σ = π(r1 + r2) 2<br />
Für identische <strong>Teil</strong>chen also<br />
σ = πd 2<br />
wobei d der Durchmesser ist. Die Streuung ist isotrop, d. h. es gilt Einfallswinkel = Ausfallswinkel<br />
und für den Stossparameter gilt ρ = R sin θ; also<br />
ρdρ = R 2 sin θ cos θ dθ<br />
Für den Ablenkwinkel gilt χ = π − 2θ, sodaß für den differentiellen Streuquerschnitt folgt:<br />
dσ<br />
do = (r1 + r2) 2<br />
4
144 KAPITEL 2. GRAVITATION<br />
Mit <strong>die</strong>sen Streuquerschnitten werden wir in einfachster Näherung <strong>die</strong> Stöße von Atomen und Molekülen<br />
abschätzen.<br />
• FORMELN (MAKROSKOPISCHE PARAMETER)<br />
Gesamtmasse und Trägheitstensor, I, sind allgemein wie folgt definiert:<br />
und<br />
�<br />
M = ρd 3 x (2.79)<br />
Iab =<br />
�<br />
ρd 3 x(r 2 δab − xaxb) (2.80)<br />
Der Trägheitstensor, I, ist reell und symmetrisch, seine 3 Haupt - Trägheitsachsen �ei sind <strong>die</strong> Eigenvektoren der Eigenwertgleichung<br />
I �ei = Ii �ei<br />
mit den Haupt - Trägheitsmomenten Ii als Eigenwerten. Mit dem Trägheitstensor, I, ist der Quadrupoltensor, Q, der durch<br />
definiert ist, verknüpft, sodaß<br />
Qαβ = −3Iab + Iχχδαβ<br />
gilt. Im Falle des Newtonschen Gravitationspotentials gibt es keinen Dipolterm und <strong>die</strong> ersten beiden Terme der Multipolentwicklung<br />
lauten (in der Definition von Landau und Lifschitz)<br />
�<br />
M 1<br />
V (�r) = −G +<br />
r 6 Qαβ<br />
∂2 ∂xα∂xβ �<br />
(2.82)<br />
Für geladene Materie definiert man entsprechend den el. Quadrupoltensor, Q, mit der Ladungsdichte q<br />
�<br />
Qαβ =<br />
(2.81)<br />
d 3 xq(3xαxβ − r 2 δαβ) (2.83)
2.3. DIE MASSENHIERARCHIE 145<br />
2.3 Die Massenhierarchie<br />
Beginnen wir mit der Massenbestimmung wieder vor unserer Haustür, im Sonnensystem.<br />
2.3.1 Mitglieder des Sonnensystems<br />
Wie aus Tabelle 2.1 ersichtlich, dominiert <strong>die</strong> Sonne mit ihrer gravischen Masse derart das ganze<br />
System, daß es eine gute Näherung ist, <strong>die</strong> Massen der Planeten dagegen zu vernachlässigen. Die<br />
Sonne bestimmt also den Schwerpunkt und <strong>die</strong> verschiedenen Mitglieder des Sonnensystems bewegen<br />
sich um ihn auf Ellipsenbahnen.<br />
Objekt Zahl Durchmesser Einzelmasse Gesamtmasse Abstand<br />
g M⊕ AE<br />
Sonne 1 1 400 000 km 2 · 10 33 330 000 —<br />
Planeten 9 5 000 . . . 140 000 km 0.0023 . . . 318M⊕ 448 0.4 . . . 40<br />
Monde 54 10 . . . 5 000 km 7 · 10 25 0.12 0.4 . . . 40<br />
Asteroide 5 · 10 4 1 . . . 800 km 7 · 10 21 0.1 2.9<br />
Kometen 10 9 1 . . . 100 km 5 · 10 15 0.1 bis 40 000<br />
Meteoride 10 −3 . . . 10 3 cm 10 3 10 −9<br />
Erde: Radius R⊕ = 6.378 · 10 8 cm; Masse: M⊕ = 5.997 · 10 27 g<br />
Tab. 2.1: Mitglieder des Sonnensystems<br />
Die Entfernungen im Sonnensystem sind heute durch Radar Tracking sehr genau vermessen. Die Massen<br />
der größeren Objekte kann man aus Bahnstörungen bzw aus dem Umlauf von Monden bestimmen;<br />
<strong>die</strong> der kleineren muß man schätzen.<br />
Kleinste Partikel.<br />
Beginnen wir mit den kleinsten zuerst. Die Sonne verliert Materie in Form eines Sonnenwindes, das<br />
ist ein Plasma aus Elektronen und Protonen. Der Massenverlust (1.4·10 12 g pro Sekunde oder 10 −4<br />
ihrer Masse seit Entstehung) ist unbedeutend, der Drehimpulsverlust hat eine Abbremszeit von 10 Gyr.<br />
Daneben gibt es interplanetaren Staub, welcher sich bei der Lichtstreuung als Zodiakallicht bemerkbar<br />
macht.<br />
Meteoride.<br />
Als nächstes in der Massenskala kommen <strong>die</strong> Meteoride. Das sind Gesteinskörner unterschiedlicher<br />
Form und Größe. Dringt ein Meteorid in <strong>die</strong> Erdatmosphäre ein, beginnt er zu verdampfen und dabei<br />
zu leuchten. Er heißt dann Meteor. Was davon auf dem Erdboden aufschlägt nennt man Meteorit. An<br />
Meteoriten und Staub regnen pro Tag etwa 300 Tonnen auf <strong>die</strong> Erde.<br />
Asteroide.<br />
Es gibt keine strenge Abgrenzung zur nächst größeren Einheit, den Asteroiden. Diese sind grosse<br />
Gesteinsbrocken, von einigen hundert Metern Durchmesser an aufwärts bis zur Größe der kleinsten<br />
Monde. Die meisten Asteroide befinden sich zwischen Mars und Jupiter, dort wo nach dem Titius -<br />
Bode Gesetz ein Planet sein sollte.<br />
Der Asteroid 243 Ida ist der einzige Asteroid, von dem man weiß, daß er einen Mond (mit Namen<br />
Dactyl; Durchmesser 1.6 km) besitzt. Anhand von Daten von der Jupiter Sonde Galileo ist es gelungen,<br />
erstmals einen Asteroiden zu wiegen und seine mittlere Dichte zu bestimmen.<br />
Radius R = 15.7 km, Dichte ρ = 2.6 g cm −3 . Umlaufperiode T = 227.3 h; Masse M = 4.2 · 10 19 g.<br />
Kometen.<br />
Von den Asteroiden zu unterscheiden sind <strong>die</strong> Kometen. Nach dem Standard - Modell von F. L. Whipple<br />
bestehen sie aus gasförmiger Koma, mit Radius Rcoma � 10 6 km, und einem Kern, ρ � 2 g cm −3
146 KAPITEL 2. GRAVITATION<br />
und Rnucl � 1 km, aus verschmutztem Eis, H20. Die (beobachtete) Länge des Schweifs eines Kometen<br />
kann 1 AE (von der Sonne bis zur Erde) übertreffen. Von Kometen stammt das Wasser auf der Erde.<br />
Da Kometen verglühen, müßen sie ständig nachgeliefert werden. Ein Ort, wo solche Urkometen gespeichert<br />
sind, ist <strong>die</strong> Oortsche Wolke. Man schätzt, daß hier etwa 10 11 Kometen in einem Abstand von<br />
10 4 AE <strong>die</strong> Sonne (in 10 6 Jahren) umkreisen. Durch Bahnstörungen vorbeifliegender Sterne werden<br />
<strong>die</strong>se dann ins Innere des Sonnensystems abgelenkt. Kometen aus der Oortschen Wolke haben beliebige<br />
Inklinationswinkel zur Ekliptik. Sie stammen vermutlich aus dem Inneren der Scheibe (5 bis 30<br />
AE) und wurden durch gravische Störungen der Planeten nach außen geschleudert.<br />
Davon unterscheiden sich Kometen, deren Inklinationswinkel zur Ekliptik i < 35 ◦ beträgt, mit Perioden<br />
um 200 Jahren. Der holl. Astronom P. Kuiper schlug 1951 vor, <strong>die</strong>se als Begleiter von dem<br />
Planeten Pluto zu erklären. Heute nimmt man an, daß <strong>die</strong>se Kometen einen ganzen Gürtel bevölkern,<br />
der von Neptun (30 AE) bis einige 100 AE weit von der Sonne reicht. Pluto ist das prominenteste<br />
Mitglied, mehrere Duzend grosse Kometen mit Durchmesser von mehr als 100 km wurden seit 1992<br />
entdeckt. Die Gesamtmasse MKuiper wird auf 4 Prozent der Erdmasse geschätzt, etwa zwanzigmal <strong>die</strong><br />
Masse von Pluto. (MKuiper ≈ 4 · 10 −2 M⊕ ≈ 2.4 · 10 26 g).<br />
Weitere physische Daten sind:<br />
(geschätzte) Masse M � (4π/3)R 3 � 10 16 g und Anzahl N � 10 9 . Typische Geschwindigkeiten sind<br />
v � 30 km/s. Pro Jahr werden etwa 12 entdeckt.<br />
Wir geben einige einfache Anwendungen von Glchg. (2.33),<br />
� �2 2π<br />
= Ω<br />
P<br />
2 = GM<br />
a3 (2.84)<br />
bevor wir mit einer genaueren mathematischen Analyse des Zweikörper Problems beginnen. Wir beschränken<br />
uns auf den Fall der reinen Kreisbewegung und bezeichnen den Radius jetzt mit R. Kepler<br />
III schreiben wir in der Form<br />
v = R Ω =<br />
�<br />
G M<br />
R<br />
oder M = R3 Ω 2<br />
G<br />
(2.85)<br />
Hat demnach ein Zentralobjekt einen Satelliten mit bekannter Umlaufperiode und bekanntem Bahnradius,<br />
dann ist das Objekt gewogen. Damit können <strong>die</strong> Massen der Planeten, <strong>die</strong> einen Mond haben,<br />
bestimmt werden, aber auch <strong>die</strong> der Asteroiden mit einem Begleiter.<br />
• ANMERKUNG (GENAUIGKEIT DER GRAVITATIONSKONSTANTEN)<br />
Die Gravitationskonstante G = 6.6732 · 10 −8 cm 3 g −1 s −2 ist nur auf 4 Stellen genau bekannt. Wesentlich genauer ist <strong>die</strong><br />
Bestimmung von GM. Für <strong>die</strong> Sonne ist <strong>die</strong> wichtige Größe<br />
GM⊙/c 3 = 4.925490 · 10 −6<br />
s<br />
Die Bindungsenergie E = T + U = −T wird durch Erhöhen der Tangential - Geschwindigkeit um<br />
das √ 2 - fache auf Null gebracht. Ein Objekt <strong>die</strong>ser Geschwindigkeit verläßt das Gravitationsfeld, falls<br />
<strong>die</strong>ses stark genug nach außen abfällt, wie es für das Feld der Sonne und der Galaxie der Fall ist. Wir<br />
definieren demgemäß <strong>die</strong> Entweichgeschwindigkeit<br />
vesc =<br />
�<br />
2GM<br />
R<br />
(2.86)<br />
Für <strong>die</strong> Erdoberfläche sind das 11.2 km s −1 . Die Rotationsgeschwindigkeit am Äquator beträgt dagegen<br />
nur etwa 0.5 km s −1 , <strong>die</strong> Erde ist ein langsamer Rotator.
2.3. DIE MASSENHIERARCHIE 147<br />
2.3.2 Die Masse der Galaxis<br />
Kennt man <strong>die</strong> Entfernung und damit das Volumen einer Galaxie, dann kann man durch Sternzählung<br />
<strong>die</strong> sichtbare Masse einer Galaxie bestimmen. Dabei ist vorausgesetzt, daß man <strong>die</strong> Masse der Sterne<br />
spektroskopisch bestimmen kann.<br />
Die Sonne<br />
Für <strong>die</strong> Planetenbahnen im Feld der Sonne hat man<br />
Radius R in AE, 1 AE = 1.495·10 13 cm und Umlaufzeit T in Jahren, 1 siderisches Jahr =<br />
3.155·10 7 s:<br />
T = 1R 3/2<br />
Geschwindigkeit v in km s −1 ,<br />
v = 30 R −1/2<br />
vesc = 42.2 R −1/2<br />
Diese Einheiten sind <strong>die</strong> natürlichen Einheiten für Planetensysteme.<br />
Die Galaxis<br />
Für <strong>die</strong> Bahn der Sonne, genauer des LSR, um das glaktische Zentrum gilt<br />
Umlauffrequenz Ω0 in s −1 und Periode in Millionen Jahren.<br />
Die Umlauffrequenz Ω0 kann lokal durch Messung der differentiellen Rotation bestimmt<br />
werden, unabhängig von der Kenntnis des Radius R0 = Entfernung zum galaktischen Zentrum.<br />
Die Oortschen Konstanten A und B sind folgendermassen definiert:<br />
vr = A r sin2l vt = A r cos2l + B (2.87)<br />
Für zirkulare Bewegung des LSR ergibt sich dann<br />
A = − 1<br />
2 R<br />
� �<br />
dΩ<br />
dR<br />
B = −Ω + A (2.88)<br />
und daraus Ω zu<br />
R<br />
Ω = A − B (2.89)<br />
Mit den von Oort bestimmten Werten A = 15 km s −1 kpc −1 und B = −10 km s −1 kpc −1<br />
liefert das<br />
Ω0 = 8.08 · 10 −16 s −1<br />
bzw. P0 = 2π<br />
Ω<br />
Radius R0 in 8 kpc, 8 kpc = 2.46·10 22 cm und<br />
v0 Geschwindigkeit in km s −1 ,<br />
= 250 Myr (2.90)<br />
v0 = 220 vesc = 310 (2.91)<br />
M Masse in M⊙, Masse der Sonne: 1.989·10 33 g<br />
M = 10 11 M⊙ Ω 2 0 R 3 0 (2.92)<br />
Der alte Wert für R0 = 10 kpc liefert v = 250 km s −1 .
148 KAPITEL 2. GRAVITATION<br />
Die lokale Massendichte<br />
• DEFINITION (GALAKTISCHE KOORDINATEN)<br />
Wir benutzen Zylinder Koordinaten r, l für Entfernung und Winkel auf <strong>die</strong> Sonne bezogen und R, γ auf das galaktische<br />
Zentrum. D = Entfernung der Sonne vom galaktischen Zentrum (8 kpc).<br />
Die Sonne ist ziemlich genau in der galaktischen Ebene, z = 0. Die wahre Entfernung R vom galaktischen Zentrum ist in<br />
der Ebene näherungsweise<br />
R = D − r cos l<br />
Die exakten Relationen lauten (z = 0)<br />
D cos l = R cos(l + γ) ; D sin l = R sin(l + γ)<br />
In einfachster Näherung ist <strong>die</strong> Bewegung der Sterne in der Galaxie <strong>die</strong> Überlagerung aus einer Kreisbewegung<br />
um das galaktische Zentrum plus einer Oszillation senkrecht zur galaktischen Ebene. Das<br />
Gravitationsfeld für letztere Bewegung kann als eindimensional angesehen werden. Die Potentialgleichung<br />
lautet dann<br />
d2V = 4πGρ d. h. V = 2πGρz2<br />
dz2 Das ist ein harmonisches Potential,<br />
¨z = −V ′ = −4πGρz<br />
für <strong>die</strong> Oszillationsfrequenz und <strong>die</strong> Auslenkung z gelten (im Mittel)<br />
ω =<br />
�<br />
4πGρ ; z = H cos ωt ; v = ˙z = ωH cos ωt (2.93)<br />
Die lokale Massendichte in Sonnenumgebung kann man aus der Bewegung der Sterne senkrecht zur<br />
galaktischen Ebene bestimmen, wenn Halbwertshöhe und Geschwindigkeits - Dispersion gemessen<br />
sind.<br />
Für <strong>die</strong> Periode ergeben <strong>die</strong> Beobachtungen für <strong>die</strong> Periode<br />
P⊥ =<br />
und es gilt<br />
� π<br />
Gρ<br />
= 70 Myr<br />
z = 10pcv5 mit v5 = 10 5 cms −1 = 1kms −1<br />
Man erhält für <strong>die</strong> gesamte Materie eine <strong>Teil</strong>chendichte n ≈ 7 cm −3 oder eine Massendichte ρ = 10 −23<br />
g cm −3 oder ρ ≈ 0.1M⊙ pc −3 . 10% der Materie ist in der Gasphase, der Rest in Sternen (bzw. in<br />
Dunkelmaterie wie braune Zwerge).<br />
Mit einem Durchmesser von D ≈ 10 23 und einer Höhe von 10% beträgt das Volumen etwa 0.1D 3 ≈<br />
10 68 cm 3 , was eine Masse von M ≈ 10 45 g oder M ≈ 10 11.5 M⊙. Die Gesamtmasse mit Halo beträgt<br />
Mtot ≈ 10 12.5 M⊙, jeweils für <strong>die</strong> Milchstrasse und Andromeda.
2.3. DIE MASSENHIERARCHIE 149<br />
Virialmassen<br />
Es ist 1 km s−1 = 1 pc Myr−1 und <strong>die</strong> Zeit für einen Umlauf<br />
�<br />
Tvir = 2π<br />
R 3<br />
GM ≈ 100 Myr R3 GalM −1<br />
Gal<br />
für unsere Galaxis. Für <strong>die</strong> lokale Gruppe mit d = 1 Mpc = 10 2 RGal und M = 30MGal liefert das<br />
bereits Tvir ≈ 10 10 Jahre, sie ist also bereits nicht mehr im Virialgleichgewicht. Für <strong>die</strong> Virialmasse<br />
folgt<br />
M = v2 R<br />
G<br />
(2.94)<br />
wobei v 2 <strong>die</strong> Geschwindigkeitsdispersion und R der Radius ist. Die genauere Analyse liefert M =<br />
4 · 10 12 M⊙ für <strong>die</strong> lokale Gruppe. Für den Virgohaufen als ganzes gilt v = 600 km s −1 und R = 30h −1<br />
Mpc und ergibt sich M = 8 · 10 14 M⊙, der Comahaufen etwa viermal soviel M = 3 · 10 15 M⊙.
150 KAPITEL 2. GRAVITATION<br />
2.3.3 Das Zweikörperproblem: Doppelsterne<br />
Unser Ziel ist es im folgenden, <strong>die</strong> Massen der einzelnen Komponenten in Doppelstern - Systemen<br />
zu bestimmen. Die Astronomen unterscheiden <strong>die</strong> folgenden Klassen von (echten, d. h. physischen)<br />
Doppelsternen:<br />
1. Visuelle Doppelsterne.<br />
Dies sind Systeme, <strong>die</strong> so nah sind, daß sie mit dem Teleskop noch aufgelöst werden können.<br />
Beispiele: γ Virginis und α Andromedae.<br />
2. Spektroskopische Doppelsterne.<br />
Sie können nicht mehr aufgelöst werden, haben aber aber (mindesten eine) Spektrallinie, aus<br />
deren Dopplerverschiebung <strong>die</strong> Natur des Systems hervorgeht. Dabei ’sieht’ man bei ’Einspektren<br />
Systemen’ nur eine Komponente bei ’Zweispektren Systemen’ beide. Beispiel: VV Orionis<br />
(T = 1.485 d).<br />
3. Bedeckungsveränderliche.<br />
Sie sind von besonderem Interesse, da hier der Inklinationswinkel etwa 90 Grad beträgt, der<br />
Beobachter sich also in der Doppelstern - Ebene befindet. Beispiel: Algol = β Persei (T = 2.9<br />
d) und VV Orionis (T = 1.485 d).<br />
4. Binärpulsare.<br />
Dieses sind extrem relativistische Systeme, wo eine Komponente ein Neutronenstern ist (Pulsar)<br />
und wo statt verschobener Spektrallinien <strong>die</strong> Pulsankunftszeiten von Radio- oder Röntgenpulsen<br />
gemessen werden.<br />
5. Radiopulsare mit Planeten.<br />
Beispiel: BPSR 1257+12 in d = 300 pc Entfernung und PSR B1620−26 in d = 3.8 kpc Entfernung<br />
(im Kugelsternhaufen M4). Die Massen der Planeten sind von der Größenordnung einider<br />
Erdmassen.<br />
6. Sterne mit Planeten.<br />
Indirekt kann man Planeten um Sterne beobachten, wenn man entweder <strong>die</strong> Dopplerverschiebung<br />
an Linien des (Hauptreihen) Sterns oder <strong>die</strong> Laufzeitverzögerung eines Signals vom Stern<br />
(Pulsar) misst. Die Auflösungsgrenze liegt bei der Doppler Methode zur Zeit bei 500 cm s −1<br />
und damit kann man etwa Planeten von einer Jupitermasse in einem Sonnensystem nachweisen.<br />
Dazu kommt <strong>die</strong> Möglichkeit, Staubscheiben um junge Sterne im IR direkt aufzulösen.<br />
• ANMERKUNG (WINKELAUFLÖSUNG: STATE OF THE ART)<br />
Mit optischen Interferometern ist eine Winkelauflösung von 0.1 mas (5 · 10 −10 rad) erreichbar (Pan et al., 1992). Die<br />
Bestimmung der Orbit- und Massenparameter naher Doppelsterne ist damit bis 1% Genauigkeit möglich. Im Radiobereich<br />
(VLBI) ist eine vergleichbare Winkelauflösung (von etwa 0.5 mas) erreichbar.<br />
H2O-Maser Messungen haben eine Genauigkeit von 1 km s −1 beim Dopplereffekt, gemessen mit der 1.3 cm Linie.<br />
Pulsankunftszeiten an ms - Radiopulsaren sind bis auf 1 µs (10 −6 s) genau. Damit erhält man (nach etwa 30 Jahren<br />
Beobachtung an Radiopulsaren) Genauigkeiten der Bahnparameter von wenigen Promille.<br />
Der Extra-solar Planets Catalog von J. Schneider enthält (Stand 22. Okt. 1998) 16 Planeten, 9 braune Zwerge, 2 Pulsar<br />
Planetensysteme und 3 Systeme, <strong>die</strong> aus Planet plus Staubscheibe bestehen.<br />
• BEISPIEL (DER STERN 55 CANCRI IM STERNBILD KREBS MIT PLANETENSYSTEM)<br />
Als konkretes Beispiel sei das Planetensystem 55 Cancri im Sternbild Krebs erwähnt. Dieser enthält (als erster) einen<br />
weiteren nachweisbaren Planeten.<br />
Trilling und Brown haben erstmals ein Planetensystem vollständig dadurch bestimmt, daß sie den Inklinationswinkel aus
2.3. DIE MASSENHIERARCHIE 151<br />
geometrischen Überlegungen ermitteln konnten. Es handelt sich um den Stern<br />
55 Cancri (im Sternbild Krebs).<br />
55 Cnc (= HD75732) ist ein G8V Stern in einer Entfernung von d = 12.53<br />
pc. Man beachte <strong>die</strong> Stellen nach dem Komma bei einer Entfernungsangabe.<br />
Mit einer visuellen Helligkeit von MV = 5.95 mag (L = 0.3L⊙) erreicht er<br />
nicht ganz <strong>die</strong> Leuchtkraft der Sonne (bei praktisch identischer Masse). Das<br />
Alter (chemische Entwicklung) wird auf 3 Gyr geschätzt.<br />
Aus der Dopplerverschiebung der Linien von 55 Cnc folgt der nebenstehende<br />
Datensatz: m ist <strong>die</strong> Masse in Jupitermassen (MJ = 10 −3 L⊙), a <strong>die</strong> grosse<br />
Planet und Staubscheibe um 55 Cancri<br />
m a P e i<br />
MJ AE d Grad<br />
1.9 0.11 16.65 0.05 25<br />
5 4 8 (yr) 25<br />
Tab. 2.2: Planet um 55 Cnc<br />
Halbachse in AE, P <strong>die</strong> Periode in Tagen, e <strong>die</strong> Exzentrizität und i der Inklinationswinkel (zwischen Normale zur Staubscheibe<br />
und Blickrichtung. Der Beobachter blickt fast senkrecht auf <strong>die</strong> Staubscheibe).<br />
Beobachtet wird eine zirkumstellare Staubscheibe. Diese ist intinsisch ein Kreis, in der Aufsicht aber eine Ellipse mit<br />
den Achsen 3’.24 (Bogenminuten) und 2’.88 . Bei 12.53 pc Entfernung entspricht das einem Scheibenradius von 40 AE.<br />
Ähnlich dem Kuiper Gürtel im Sonnensystem, erwartet man in einem voll ausgebildeten Planetensystem einen solchen<br />
Gürtel.<br />
• LITERATUR (PLANETEN)<br />
In zeitlicher Reihenfolge Entdeckung (1995) durch Mayor und Queloz, Erklärung des extrem kurzen Abstands des Planeten<br />
vom Zentralstern (1996) durch Lin et al. mit der Vorhersage eines Kuiper Gürtels, Bedeutung für <strong>die</strong> Möglichkeit und das<br />
Entstehen von Leben auf extrasolaren Planeten<br />
1. Entdeckung 1995: Mayor und Queloz, Nature 378, 355 1995<br />
2. Lin, D. N. C., Bodenheimer, P., Richardson, D. C.; [LBR96]<br />
Orbital migration of the planetary companion of 51 Pegasi to its present location<br />
Nature 380, 606-607 1996<br />
3. Williams, D. M., Kasting, J. F., Wade, R. A.; [WKW97]<br />
Habitable moons around extrasolar giant planets<br />
Nature 385, 234-236 1997<br />
4. Trilling, D. E., Brown, R. H.; [TB98]<br />
A circumstellar disc around a star with a known planetary companion<br />
Nature 395, 775-777 1998
152 KAPITEL 2. GRAVITATION<br />
Bestimmung der Bahnparameter bei Doppelsternen<br />
Zunächst einige Definitionen und Formeln.<br />
Zur Beschreibung der Ellipse im Raum wird (nach Bessel) <strong>die</strong> folgende Vereinbarung getroffen:<br />
Abb. 2.3: Apex<br />
1. Man zieht vom Beobachter zum Schwerpunkt (Brennpunkt)<br />
des (Doppelstern) Systems eine Gerade �g.<br />
2. Senkrecht dazu steht <strong>die</strong> x ′ - z ′ Ebene des Beobachters. Diese<br />
schneidet <strong>die</strong> Bahnnebene in der Knotenlinie und <strong>die</strong>se wird zur<br />
x ′ − Achse gewählt.<br />
3. Der Winkel zwischen Drehimpulsvektor � J (also <strong>die</strong> Normale<br />
zur Bahnnebene) und Sehstrahl �g heißt Inklinationswinkel i, <strong>die</strong><br />
Verlängerung der Projektion des Sehstrahls auf <strong>die</strong> Bahnebene ist<br />
<strong>die</strong> y ′ − Achse.<br />
4. Der Winkel φ, <strong>die</strong> wahre Anomalie, wird ab Perihel im Gegenuhrzeigersinn<br />
gezählt. Der Winkel zwischen x ′ − Achse (Knotenlinie)<br />
und Hauptachse der Ellipse am Perihel, x− Achse, heißt<br />
Apex und wird mit ω bezeichnet.<br />
Abweichende Bezeichnungen (in der Literatur) sind v anstatt φ und vo anstatt ω, (ferner E anstatt Φ).<br />
Mit <strong>die</strong>sen Definitionen gilt also für den auf 1 normierten Sehstrahl (Visionsrichtung �g)<br />
�g = sini �ey + cosi �ez (2.95)<br />
und für <strong>die</strong> Bahngleichung (φ ist <strong>die</strong> wahre Anomalie, <strong>die</strong> Koordinaten x und y beziehen sich auf den<br />
Schwerpunkt)<br />
x = r(φ) cos(φ + ω) y = r(φ) sin(φ + ω) (2.96)<br />
mit der Definition<br />
r(φ) = a(1 − e2 )<br />
1 + e cos φ<br />
und der Relation<br />
r 2 ˙ φ = J<br />
m<br />
= 2π<br />
T<br />
√ 1 − e 2 a 2<br />
Für y = D(φ), <strong>die</strong> Projektion von Bahnvektor �r auf Visionsrichtung �g gilt dann<br />
sin(φ + ω)<br />
D(φ) = K1<br />
1 + e cos φ<br />
(2.97)<br />
(2.98)<br />
(2.99)<br />
K1 = a(1 − e 2 ) sin i (2.100)<br />
oder, wenn man <strong>die</strong> exzentrische Anomalie Φ benutzt:<br />
D(Φ) = a sin i[sin ω(cosΦ − e) + (1 − e 2 ) 1/2 cos ω sin Φ] (2.101)<br />
mit der <strong>die</strong> Zeit t wie folgt zusammenhängt (T : Periode)<br />
T (Φ − e sin Φ) = 2π t (2.102)<br />
Für <strong>die</strong> Parallelkomponente der Geschwindigkeit v = dD/dt erhält man, wenn man <strong>die</strong> beiden Relationen<br />
J 2π √<br />
= 1 − e2 2<br />
a (2.103)<br />
m T
2.3. DIE MASSENHIERARCHIE 153<br />
und<br />
benutzt:<br />
˙φ =<br />
2π<br />
T (1 − e2 (1 + e cos φ)2<br />
) 3/2<br />
(2.104)<br />
v = K[cos(φ + ω) + e cos ω] (2.105)<br />
K =<br />
2πa sin i<br />
T (1 − e2 ) 1/2<br />
(2.106)<br />
Die Größe K ist <strong>die</strong> Halbamplitude der Geschwindigkeitskurve:<br />
K = vmax − vmin<br />
2<br />
Exzentrizität e und Apex ω können aus der Bahnform bestimmt werden und damit ist a sin i bestimmt.<br />
Nochmalige Differentiation liefert <strong>die</strong> Extremalen von v bei ˙v = 0:<br />
˙v = −K ˙ φ sin(φ + ω) = 0 → φmax = −ω + nπ (2.107)<br />
2.3.4 Massenbestimmung in Doppelsternsystemen<br />
Allgemeiner behandeln wir <strong>die</strong> Massenbestimmung in Sternsystemen mit Begleiter. Dieser kann ein<br />
weiterer Stern, ein schwarzes Loch oder aber ein Planet sein. Bisher haben wir <strong>die</strong> Bewegung einer<br />
reduzierten Masse m im Feld einer Gesamtmasse M betrachtet. Wir rechnen <strong>die</strong>se nun um auf <strong>die</strong><br />
Bahn der beiden Komponenten mit Index x (beobachtet) und c (companion).<br />
• DEFINITION<br />
Wir wiederholen <strong>die</strong> Definition der folgenden Größen:<br />
1. i, Inklinationswinkel; x und c <strong>die</strong> Indizes der Sterne; e <strong>die</strong> Exzentrizität der Bahn;<br />
2. M, Gesamtmasse M = Mx + Mc und m, reduzierte Masse m = MxMc/M;<br />
3. a, Abstand von mx und mc a = |�rx − �rc| und v, Relativgeschwindigkeit �v = d�r/dt<br />
4. R, Schwerpunktsvektor � R = (Mx�ax + Mc�ac)/M = 0,<br />
5. Mxax = Mcac = ma<br />
Ausgehend von der Lösung des Einteilchen Problems, Bewegung der reduzierten Masse m = MxMc/M im Feld der<br />
Gesamtmasse M = Mx + Mc, wollen wir nun <strong>die</strong> beobachteten Größen mit denen des reduzierten Problems verknüpfen.<br />
Für Pulsare sind das <strong>die</strong> Pulsankunftszeiten der Komponente x, für <strong>die</strong> optischen Begleiter sind es <strong>die</strong> Amplituden des<br />
Dopplereffekts der Komponente c. Beide, Pulsankunftszeit und Dopplereffekt sind durch<br />
vx = 2πax<br />
T √ sin i (2.108)<br />
1 − e2 verknüpft. Die Umlaufperiode T und <strong>die</strong> Bahnexzentrizität e können leicht bestimmt werden,<br />
vx = K = 1<br />
2 (vmax − vmin) (2.109)<br />
ist <strong>die</strong> einzige entscheidende weitere Größe.<br />
Im folgenden wollen wir annehmen, daß <strong>die</strong> Komponente x beobachtet wird (Radiopulsar oder Röntgenpulsar). Die Amplitude<br />
des Dopplereffekts der Komponente x liefert dann eine Relation, <strong>die</strong> Massenfunktion f(m):<br />
f(m) =<br />
T K3<br />
2πG<br />
= (a sin i)3<br />
G<br />
� �2 2π<br />
T<br />
(2.110)
154 KAPITEL 2. GRAVITATION<br />
oder<br />
f(Mx, Mc, i) = 4π2<br />
GT 2 (ax sin i) 3 = (Mc sin i) 3<br />
(Mx + Mc) 2<br />
Der beobachtbare Abstand ax der Komponente x vom Schwerpunkte ist durch <strong>die</strong> Umrechnung<br />
gegeben.<br />
ax =<br />
Mc<br />
Mx + Mc<br />
(2.111)<br />
a (2.112)<br />
Aus dem Schwerpunktsatz folgt dann für <strong>die</strong> Beträge der Abstände<br />
ma = Mxax = Mcac und mv = Mxvx = Mcvc (2.113)<br />
Für <strong>die</strong> Amplitude des Dopplereffekts gilt für Komponente x:<br />
vx = 2πax<br />
T √ sin i (2.114)<br />
1 − e2 oder explizit als Ellipse (Φ ist <strong>die</strong> wahre Anomalie, ω Periastron)<br />
K = vx ; mit: �vx�nbeob = K[cos(Φ + ω) + e cos ω] (2.115)<br />
Dabei ist ax der Abstand von Mx vom Schwerpunkt,<br />
a = Mx + Mc<br />
ax<br />
Mc<br />
und vx <strong>die</strong> Geschwindigkeit von Mx.<br />
Für a gilt das Keplersche Gesetz, Glchg. (2.33), (Kepler III, reduziert auf das Einteilchen Problem)<br />
� �2 2π<br />
= Ω<br />
P<br />
2 = GM<br />
a3 (2.116)<br />
(2.117)<br />
Die Exzentrizität e kann aus der Bahnform (Geometrie) bestimmt werden (ω, der Periastron ebenfalls)<br />
und damit ist dann ax sin i bestimmt. Die Größe f = f(Mx, Mc, i)<br />
f(Mx, Mc, i) = 4π2<br />
GT 2 (ax sin i) 3 = (Mc sin i) 3<br />
(Mx + Mc) 2<br />
heißt Massenfunktion. Sie enthält nur Beobachtungsgrößen:<br />
f(Mx, Mc, i) = Torb<br />
2πG (vx sin i) 3 (1 − e 2 ) 3/2<br />
(2.118)<br />
und liefert eine Relation zwischen den 3 Unbekannten i, Mx und Mc (<strong>die</strong> Exzentrizität e muß, wie<br />
bereits betont, aus der Bahnform bestimmt werden).<br />
In Zahlen:<br />
f(Mx, Mc, i) = 10 −7 M⊙(T/d) (Kx/km s −1 ) 3 (1 − e 2 ) 3/2 (2.119)<br />
Wir erhalten sie, indem wir a aus (Kepler III), Glchg. (2.33), in der Form<br />
� �2 2π<br />
=<br />
P<br />
G(Mx + Mc)<br />
a3 eliminieren. Das liefert<br />
f(Mx, Mc, i) = 4π2<br />
GT 2 (ax sin i) 3 = (Mc sin i) 3<br />
(Mx + Mc) 2<br />
(2.120)<br />
(2.121)
2.3. DIE MASSENHIERARCHIE 155<br />
• BEISPIEL (PULSAR BEGLEITER)<br />
Als einfache Anwenung betrachten wir den Fall der Radiopulsare. Hier kann man Mx = Mch annehmen. Wir teilen <strong>die</strong><br />
Massenfunktion f(M) = fx(M), Glchg. (2.121), durch Mx und erhalten <strong>die</strong> Gleichung dritten Grades<br />
q(1 + q) 2 = Mx sin 3 i<br />
≡ α (2.122)<br />
fx(Mx, Mc, i)<br />
für q. Diese Gleichung kann algebraisch gelöst werden:<br />
q = 3<br />
�<br />
�<br />
�<br />
�α<br />
2 +<br />
�<br />
�1 �3 �<br />
α<br />
�2 + +<br />
3 2<br />
3<br />
�<br />
�<br />
�<br />
�α<br />
2 −<br />
�<br />
�1<br />
3<br />
� 3<br />
+<br />
�<br />
α<br />
�2 2<br />
Folgende Näherungen sind nützlich, wenn wir f(m) für <strong>die</strong> Massenfunktion f(Mx,Mc,i) setzen:<br />
1. q ≈ α falls α ≪ 1<br />
Mc sin 3 = f(m)<br />
2. q ≈ α 1/3 falls α ≫ 1<br />
Mc sin i = [M 2 xf(m)] 1/3<br />
(2.123)<br />
(2.124)<br />
Für α = 1 ergibt sich numerisch q ≈ 0.68. Diese Relationen werden wir im folgenden bei Massenabschätzungen für <strong>die</strong><br />
Begleiter von Radiopulsaren häufig benutzen.<br />
Kennt man (z. B. bei visuellen Doppelsternen) auch noch f(Mc), dann ist das Verhältnis der Massen<br />
q = Mx<br />
Mc<br />
=<br />
� �1/3 fx<br />
fc<br />
(2.125)<br />
bestimmt.<br />
Handelt es sich zusätzlich noch um Bedeckungsveränderliche (oder kennt man den Inklinationswinkel<br />
i aus anderen Überlegungen), dann ist mit der Kenntnis von i das System vollständig bestimmt. Bei<br />
Bedeckungsveränderlichen ist der Beobachter in der Bahnebene der Doppelsterne, d. h. sin i = 1 und<br />
das System ist gewogen.
156 KAPITEL 2. GRAVITATION<br />
Anwendung:<br />
Neutronenstern und Schwarz-Loch-Kandidat<br />
Der Röntgenpulsar SAX J1808.4-3658 und der Radiopulsar PSR B1957+20 sind Beispiele für massearme<br />
Begleiter eines Neutronensterns, GRO J1655-40 ein Beispiel für ein Doppelsternsystem mit<br />
einem massiven Begleiter.<br />
Wir betrachten zunächst <strong>die</strong> Pulsare (also Neutronensterne mit gegebener Masse) mit massearmen<br />
Begleitern (kleine Massenfunktion f(m)). Wir erhalten hier sehr einfache Verhältnisse, da <strong>die</strong> Masse<br />
des Begleiters sehr gering ist, Mc ≪ Mx. Zusätzlich ist sini = 1 bekannt, da der Pulsar eine Eklipse<br />
zeigt.<br />
Als konkrete Beispiele behanden wir den Fall des Röntgenpulsars SAX J1808.4-3658 und den des Radiopulsars<br />
PSR B1957+20. Beide sind von erheblichem Interesse für <strong>die</strong> <strong>Astrophysik</strong>, da es sich hier<br />
um extreme Endzustände der Sternentwicklung handelt. Beides sind Neutronensterne in Wechselwirkung<br />
mit ihrer Umgebung: sie zerstören ihren Begleiter durch Verdampfen. Einer akkretiert und wird<br />
dadurch zum Röntgenpulsar, der andere ist ein Radiopulsar, er erzeugt einen Nebel um sich herum. Es<br />
ist möglich, daß <strong>die</strong>se beiden unterschiedlichen Phasen bei ein und demselben Binärsystem zyklisch<br />
auftreten können. Die Dauer der jeweiligen Phase kann einige Gyr erreichen, am Ende meherer solcher<br />
Phasen sind <strong>die</strong> schnellsten Pulsare etwa so alt wie <strong>die</strong> Galaxis selbst und haben ihren Begleiter<br />
vollständig verdampft.<br />
1. Der Röntgenpulsar SAX J1808.4-3658<br />
Der Röntgenpulsar SAX J1808.4-3658 wurde 1996 von J.J.M. in’t Zant et al. zunächst mit dem<br />
ital.-ned. Röntgen Satelliten Beppo SAX als Röntgen Burst Quelle anhand zweier Bursts entdeckt<br />
und als LMXB klassifiziert. Eine weitere Quelle mit<br />
sehr ähnlichen Koordinaten wurde 1998 vom Rossi XTE<br />
(XTE J1808-369) entdeckt und eine Pulsperiode von<br />
P = 2.49 ms d. h. ν = 401.0 Hz wurde in den Pulsankunftszeiten<br />
aufgefunden. Diese Position war genau genug,<br />
das optische Gegenstück zu identifizieren. Die beiden<br />
Quellen stimmen überein,<br />
SAX J1808.4-3658 = XTE J1808-369<br />
und auch <strong>die</strong> Umlaufperiode, T = 2 h, konnte anschließend<br />
den Pulsankunftszeiten bestimmt werden. Die<br />
Leuchtkraft der Bursts beträgt L = 6 · 1036 erg s−1 Steckbrief SAX J1808.4-3658<br />
Transient, Burster<br />
α 18:08:4 l 355.7<br />
δ −36:58:0 b −8.7<br />
D 4 kpc z −605 pc<br />
P 2.49 ms T 2 d<br />
Lx 6 · 10<br />
.<br />
36 erg s−1 Lo 4 · 1032 erg s−1 Mo 0.06M⊙ mv 7.22<br />
Tab. 2.3: SAX J1808.4-3658<br />
Das ist stark genug, anhand der Absorption <strong>die</strong> wahrscheinliche Entfernung zu bestimmen, sie beträgt<br />
4 kpc. SAX J1808.4-3658 ist der erste akkretierende Millisekunden - Röntgenpulsar (und mit<br />
P = 2.5 ms sogar für Radiopulsare extrem) und befindet sich in einer schwachen Recycling Phase.<br />
Seiner normalen Leuchtkraft von L = 1 · 1035 erg s−1 entspricht eine Massenakkretionsrate von nur<br />
˙M = 10−11M⊙yr−1 ).<br />
• ANMERKUNG (HERKUNFT AUS KUGELSTERNHAUFEN NGC 6541)<br />
X-PSR l: 355.7 b: -8.7 D: 4 kpc z: -605 pc<br />
NGC 6541 (Lang p.520) l: 349.3 b: -11.2 D: 4 kpc z: -777 pc<br />
Der Abstand der beiden beträgt Del: 473 pc.<br />
Zum Vergleich: Die bei der Akkretion auf einen Stern freigesetzte Strahlung beträgt<br />
Lakk = GM ˙ M σg<br />
=<br />
R 2 ˙ Mc 2<br />
(2.126)<br />
Für einen Neutronenstern der Masse, MCh, mit und Radius R = 10 km beträgt σg = 0.1. Damit ergibt<br />
sich eine kritische Massenakkretionsrate<br />
˙M = 2 · 10 −8 MCh yr −1 = 2 · 10 18<br />
g s −1
2.3. DIE MASSENHIERARCHIE 157<br />
um <strong>die</strong> Grenzleuchtkraft von LEdd = 2 · 10 38 erg s −1 zu erhalten.<br />
Wir bestimmen nun <strong>die</strong> Masse Mc des Begleiters <strong>die</strong>ses extremen Radiopulsars.<br />
Die Amplitude der Laufzeitvariation der Komponente x (für Radiopulsar) liefert den Wert für <strong>die</strong><br />
Massenfunktion f(Mx, Mc, i) = 3.77 · 10 −5 M⊙, wobei<br />
f(Mx, Mc, i) = 4π2<br />
GT 2 (ax sin i) 3 = (Mc sin i) 3<br />
(Mx + Mc) 2<br />
ist. Der Abstand a der beiden Schwerpunkte ist<br />
a = Mx + Mc<br />
ax<br />
Mc<br />
(2.127)<br />
(2.128)<br />
und ax sin i = 62.8 · 10−3 lt sec.<br />
Da <strong>die</strong> Masse des Begleiters sehr gering ist, Mc ≪ Mx, ist <strong>die</strong> Gesamtmasse M = Mx + Mc nur<br />
schwach von Mc abhängig. Die Masse des Neutronensterns schätzen wir mit M = MCh = 1.4M⊙ ab.<br />
Aus dem Wert der Massenfunktion folgt dann<br />
� f(Mx, Mc, i)<br />
M<br />
� 1/3<br />
M = 0.05M⊙ = Mc sin i<br />
Mit sini = 1 gilt M/Mc = 28 und damit ax = 28 × 62.8 · 10 −3 lt sec, oder ax = 1.7 lt sec. (Zum<br />
Vergleich: Erde-Mond = 1.3 s).<br />
2. Der Radiopulsar PSR B1957+20<br />
Pulsar (P = 1.6 ms) mit Umlaufperiode T = 9.2 h. Verdamft seinen Begleiter.<br />
Seine Abbrems - Leuchtkraft ist ebenfalls L = 25L⊙ = 1 · 10 35 erg s −1 . Hier ist sini = 1 bekannt,<br />
da der Pulsar eine Eklipse zeigt. Der Wert für <strong>die</strong> Massenfunktion: f(Mx, Mc) = 5.20 · 10 −6 M⊙ und<br />
ax = 98 · 10 −3 lt sec.<br />
� f(Mx, Mc, i)<br />
M<br />
� 1/3<br />
M = 0.022M⊙ = Mc<br />
ax = 2.4R⊙ = 5 lt sec.<br />
3. Der Radiopulsar PSR B1744-24A<br />
Ein ähnlich extremer Pulsar ist PSR B1744-24A mit P = 11.56 ms und einer Orbitalperiode von 1.8h.<br />
Der Pulsar befindet sich im Kugelsternhaufen Terzan 5, der selbst im Galaktischen Bulge (nahe dem<br />
Galaktischen Zentrum) liegt. Der Wert für <strong>die</strong> Massenfunktion ist f(Mx, Mc) = 3 · 10 −4 M⊙ und der<br />
Abstand beträgt ax = 110 · 10 −3 lt sec (modulo sini).<br />
Wir geben als nächstes einen Überblick über <strong>die</strong> Massenbestimmung sowohl von Pulsaren (Binärpulsare),<br />
als auch von Schwarz-Loch-Kandidaten (Röntgen - Binärsysteme mit optischem Begleiter).<br />
4. Der Schwarz-Loch-Kandidat GRO J1655-40<br />
GRO J1655-40 ist ein Bedeckungsveränderlicher mit einem Nova Ausbruch (Nova Scorpii 1994).<br />
In den vorherigen Beispielen war der Pulsar der beobachtete, der Begleiter der unbekannte Stern. Jetzt<br />
ist der Begleiter der optisch beobachtete Stern (Index o), der Begleiter der ungesehene Kandidat für<br />
ein Schwarzes Loch (Index bh).<br />
Die beiden gemessenen Größen sind K = 227 km s −1 und T = 2.6 d für <strong>die</strong> Umlaufperiode. Die<br />
Massenfunktion hat damit den Wert<br />
f(m) =<br />
T K3<br />
2πG = (Mbh sin i) 3<br />
= 3.16M⊙<br />
(2.129)<br />
(Mbh + Mo) 2<br />
Die Lichtkurve zeigt Bedeckungen, demnach ist etwa sini = 1 erlaubt. Aus der Dopplerkurve folgt<br />
ferner eine Rotverschiebung des Binärsystems von vpec = −141 km s −1 und e = 0 für <strong>die</strong> Exzentrizität<br />
der Bahn.
158 KAPITEL 2. GRAVITATION<br />
Der Begleiter hat ein Spektrum vom Typ F3 bis F6, <strong>die</strong> Masse erlaubt <strong>die</strong> Abschätzung M < 1.5M⊙.<br />
Als Minimum für <strong>die</strong> Masse des Schwarz-Loch-Kandidaten folgt dann M > 5.4M⊙. Die beste Bestimmung<br />
des Spektraltyps im Ruhezustand ist F6 III bis F7 IV.<br />
Röntgenpulsare<br />
Wir beginnen mit der Massenbestimmung von Röntgenpulsaren und betrachten <strong>die</strong>jenigen Pulsare, <strong>die</strong><br />
Bedeckungsveränderliche (eclipsing binaries) sind. Dann ist sini = 1 und <strong>die</strong> Masse des Neutronensterns<br />
kann bestimmt werden, falls <strong>die</strong> Masse des optischen Begleitsterns ermittelt werden kann.<br />
Die Liste enthält <strong>die</strong> derzeit besten Massenbestimmungen von Röntgenpulsaren, da es sich bei ihnen<br />
um Bedeckungsveränderliche handelt.<br />
Hier ist P <strong>die</strong> Periode in Sekunden und Lx/Lo<br />
das Verhältnis von Röntgen zu optischer Leuchtkraft.<br />
M ist <strong>die</strong> Masse der beiden Komponenten,<br />
in Einheiten von M⊙, mit dem Index o für den optischen<br />
Begleiter und x für Pulsar, τ3 ist <strong>die</strong> Spinup<br />
Zeit, Einheit: 1000 Jahre.<br />
Schwierigkeiten bei der Bestimmung der Masse<br />
macht <strong>die</strong> Lokalisierung der Quelle der optischen<br />
Strahlung. Diese kann von der Akkretionsscheibe<br />
oder vom Begleitstern stammen.<br />
Radiopulsare<br />
Massen von Röntgenpulsaren<br />
Name P Lx/Lo Mx Mo τ3<br />
SMC X−1 0.717 0.6 1.4 ± 0.3 17 1.3<br />
Her X−1 1.24 20 1.3 ± 0.7 2.2 300<br />
Cen X−3 4.84 0.013 1.4 ± 0.4 18 3<br />
Vela X−1 283 0.00067 1.6 ± 0.4 24 10<br />
1538−52 529 0.0022 2.0 ± 1.0 20 1<br />
Tab. 2.4: Pulsar-Massen I<br />
Bei drei Radio Binärpulsaren kann man ebenfalls den Inklinationswinkel i bestimmen.<br />
Aufgrund allgemein relativistischer Effekte kann man in den beiden Binärpulsaren PSR 1534+12 und<br />
PSR 1913+16 zusätzlich zu v� = vx sin i noch v2 messen. Das System ist damit gewogen.<br />
Bei PSR 0655+64 <strong>die</strong>nt dazu <strong>die</strong> Szintillation,<br />
allerdings ist <strong>die</strong> Bestimmung<br />
nicht eindeutig.<br />
Die Liste von Radio Pulsaren enthält folgende<br />
Einträge:<br />
P ist Periode in Millisekunden, <strong>die</strong> Orbitalperiode,<br />
T , ist in Tagen; e ist <strong>die</strong> Bahnexzentrizität<br />
in Lichtsekunden (1 lt sec<br />
= 3 · 10 10 Massen von Radio Pulsaren<br />
Name P T e a Mc M∗ i<br />
PSR ms d sec M⊙ M⊙ deg<br />
1534+12 38 0.40 0.27 37.31 1.36 1.32 74<br />
1913+16 59 0.32 0.617 2.34 1.44 1.38 47<br />
0655+64 196 1.03 7.5E-6 4.12 0.75 1.4 62 (84)<br />
cm). Die Masse, M, der Ko-<br />
Tab. 2.5: Pulsar-Massen I<br />
mopnenten ist in Einheiten von M⊙ und der Inklinationswinkel, i, ist in Grad.<br />
Die Originalarbeiten sind:<br />
1) PSR 1534+12: Taylor, Wolszczan, Damour, Weisberg (1992) Nature 355, 132<br />
2) PSR 1913+16: Wolszczan (1991) Nature 350, 688<br />
3) PSR 0655+64: Lyne A.G. (1984) Nature 310, 300<br />
Schwarz-Loch-Kandidaten<br />
Während <strong>die</strong> Zahl der identifizierten Neutronensterne ständig wächst, etwa 2000 Röntgen Quellen und<br />
Radio Pulsare sind mittlerweile als solche entdeckt worden, ist <strong>die</strong> Liste an Schwarz-Loch-Kandidaten<br />
stets übersichtlich klein geblieben. Viele solcher Kandidaten sind wieder ausgeschieden, da bei ihnen<br />
Phänomene beobachtet wurden, <strong>die</strong> nur für Neutronensterne in Frage kommen, z. B. Ausbrüche<br />
(bursts) aufgrund von Kernfusion an der Oberfläche des Sterns oder QPOs (Quasi-periodische Oszillationenbei<br />
Röntgen Quellen).
2.3. DIE MASSENHIERARCHIE 159<br />
Der wichtigste Nachweis schwarzer Löcher beruht praktisch ausschließlich auf ihrer Masse. Zwei Bedingungen<br />
müßen mindestens erfüllt sein, um als stellares schwarzes Loch zu qualifizieren<br />
1. das Objekt muß kompakt sein (Röntgenstrahlung, ms-Variabilität)<br />
2. <strong>die</strong> Masse M muß (einwandfrei) bestimmt werden (kein Tripelsystem)<br />
Falls <strong>die</strong> Masse etwa drei Sonnenmassen, M > M⊙, überschreitet, kann man sicher sein, daß man es<br />
mit einem kollabierten Objekt zu tun hat. Sternentwicklungsrechnungen zeigen, daß Sterne bis zu 60<br />
M⊙ noch als Neutronensterne enden. Damit erhält man als Abschätzung ihrer möglichen Anzahl in der<br />
Galaxis etwa 1% der Neutronensterne. Die Progenitor Sterne könnten damit anzahl- und massenmäßig<br />
Wolf-Rayet Sterne sein. Der beobachtete mittlere Abstand zwischen schwarzen Löchern (d. h. den<br />
bekannten Schwarz-Loch-Kandidaten) beträgt 4 kpc.<br />
Die folgende Tabelle gibt eine Liste möglicher stellarer Schwarz-Loch-Kandidaten (Stand 1996) von<br />
Röntgen- bzw. Gamma- Binärsystemen in unserer Galaxis und in der Grossen Maghellanschen Wolke.<br />
Die ersten drei Objekte der Liste, Cyg X-1 (entdeckt als Röntgen Quelle im Jahr 1971), LMC X-3 und<br />
A0620-00 sind schon länger Kandidaten<br />
und haben alle Versuche, als Neutronensterne<br />
identifiziert zu werden, bisher erfolgreich<br />
überstanden.<br />
Spalte eins gibt <strong>die</strong> Bezeichnung der Quelle.<br />
Die meisten Namen stammen aus den<br />
Entdecker - Katalogen. A steht für ARI-<br />
EL (engl. Satellit, 1964), GS bedeutet<br />
Ginga Source und GRS ist <strong>die</strong> Bezeichnung<br />
für Gamma Ray Source (vom US<br />
Satelliten COMPTEL).<br />
Es bedeuten ferner T <strong>die</strong> Orbitalperiode<br />
in Stunden, i der Inklinationswinkel (un-<br />
ter dem das System gesehen wird), Mx<br />
<strong>die</strong> Masse des Schwarz-Loch-Kandidaten in M⊙ und q = Mx<br />
Mb<br />
Massen schwarzer Löcher<br />
Name T i Mx q Sp d<br />
h deg M⊙ Typ kpc<br />
Cyg X−1 134 35 10 0.57 O9.7Ia 1.9<br />
LMC X−3 40.9 . . . 9 . . . (B3V)? 50<br />
A0620−00 7.75 55 6.1 14 K5 1.2<br />
GRS1124−68 10.4 60 6.0 7.5 K4 6.5<br />
GROJ1655−40 62.7 . . . 4.5 . . . . . . 3.2<br />
H1705−250 12.5 60 7.5 12 K3 8.6<br />
GS2000+250 8.26 66 7.2 20 K5 2.7<br />
GS2023+338 155 . . . 12 . . . . . . 3.0<br />
Tab. 2.6: Schwarz-Loch-Kandidaten<br />
das Massenverhältnis von Röntgenstern<br />
zu optischem Begleiter. Sp ist der Spektraltyp des Begleiters und d <strong>die</strong> Entfernung des Systems.<br />
Einige der hier aufgeführten Schwarz-Loch-Kandidaten sind auch als Röntgen- und optische Novae<br />
bekannt:<br />
A0620−00 als V616 Mon<br />
GRS1124−68 als Nova Muscae 1991<br />
GS2000+250 Röntgen-Nova 1988<br />
GRO J0422+32 als Nova Persei<br />
Planeten<br />
Von der Bildung eines Planetensystems um einen Stern wie <strong>die</strong> Sonne ist bisher nur wenig bekannt.<br />
Das liegt daran, daß <strong>die</strong> wichtigsten Stufen bei sehr niedrigen Temperaturen (2000 . . . 4000 K) ablaufen<br />
und damit nur schwer zu beobachten sind, da sie ins mm- bzw. Infrarot- Gebiet der Strahlung fallen.<br />
Diese sind:<br />
1. Kollaps der Wolke und zünden des Protosterns. T ≈ 2000 K, Dauer 10 4 yr, Durchmesser 400<br />
AE
160 KAPITEL 2. GRAVITATION<br />
2. Ausbildung der Scheibe mit Sternwind (Jet) T ≈ 4000 K, Dauer 10 5 yr<br />
3. Bildung der Planeten, Durchmesser 400 AE, Dauer 10 7 yr<br />
4. Erreichen der Hauptreihe nach 10 9 yr mit Planetensystem<br />
Direkt beobachtet davon sind bisher Scheiben mit Massen an schweren Elementen von 10 −4 . . . 10 −3 M⊙.<br />
Mehr als 100 solcher Scheiben sind bereits nachgewiesen. Beispiele sind <strong>die</strong> folgenden Sterne in Orion:<br />
β-Pictoris, HH30, 114-426 und 183-405 und <strong>die</strong> Veränderlichen RY Tauri, DL Tauri und GM Aurigae.<br />
Die optische Emission des Sterns liegt bei 1µ, <strong>die</strong> der Scheibe bei 20 bis 200 µ.<br />
Indirekt kann man Planeten um Sterne beobachten, wenn man entweder <strong>die</strong> Dopplerverschiebung an<br />
Linien des (Hauptreihen) Sterns oder <strong>die</strong> Laufzeitverzögerung eines Signals vom Stern (Pulsar) misst.<br />
Die Auflösungsgrenze liegt bei der Doppler Methode zur Zeit bei 500 cm s −1 und damit kann man<br />
etwa Planeten von einer Jupitermasse in einem Sonnensystem nachweisen. Es ist<br />
∆λ<br />
λ<br />
= v<br />
c<br />
Mpl<br />
M = 10−4 × 10 −3<br />
wenn wir als Entfernung 1 AE (d. h. v = 30 km s −1 ) und für Mpl <strong>die</strong> Masse von Jupiter wählen.<br />
Beispiele sind 51 Peg, 70 Vir, 47 UMa und 55 Can. Die Massen der Hauptreihen Sterne beträgt M⊙,<br />
<strong>die</strong> der Planeten liegen zwischen 0.5 und 7 Jupitermassen (10 −3 M⊙). Alle Bahnen liegen innerhalb 2<br />
AE (zum Vergleich: <strong>die</strong> Jupiterbahn hat 5 AE), <strong>die</strong> meisten sogar innerhalb der Merkurbahn. Bisher<br />
sind also auf <strong>die</strong>se Weise keine braunen Zwerge entdeckt worden, es gibt aber erste Hinweise (Massen<br />
etwa 10 −2 M⊙).<br />
Dabei ist wichtige Voraussetzung für <strong>die</strong> Identifizierung, daß wir <strong>die</strong> Zustandsgleichung der Materie<br />
und damit auch <strong>die</strong> möglichen Zustände von Körpern mit geringer Masse kennen.<br />
1992 wurde (für viele vollkommen überraschend) der erste Pulsar mit zwei Planeten entdeckt. Aus<br />
einem Fit der Pulsankunftszeiten von PSR 1257+12 erhält man <strong>die</strong> folgende Daten für <strong>die</strong> Plane-<br />
ten. Die Orbitalperioden von Planet B und C stehen<br />
etwa im Verhältnis von 2 : 3, was zu einer charakteristischen<br />
Resonanz in einer Anziehung der beiden<br />
Massen führt, <strong>die</strong> aus den Pulsankunftszeiten abgelesen<br />
werden kann. Diese wurde korrekt vorhergesagt<br />
und in drei Jahren durch Messungen bestätigt. Damit<br />
gibt es keinen vernünftigen Zweifel mehr an der Realität<br />
von Planeten außerhalb des Sonnensystems. Für<br />
<strong>die</strong> Planeten gilt: Masseneinheit ist <strong>die</strong> Masse der Erde,<br />
M⊕ = 5.997 · 10 27 g. Die grosse Halbachse a wird<br />
in Licht-Millisekunden gemessen. Die Orbitalperiode,<br />
Torb, ist in Tagen, der Radius in astronomischen Ein-<br />
Daten des Pulsar Planeten Systems PSR 1257+12<br />
P = 6.218 ms P ˙ = −19 1.14 · 10<br />
D = 500 Parsec DM = 10 pc cm −3<br />
Kepler Parameter der Planeten<br />
Planet A B C<br />
a 0.0035 1.31 1.41<br />
e 0.0 0.018 0.026<br />
Torb (d) 25.34 66.54 98.22<br />
Rorb (AE) 0.19 0.36 0.47<br />
Mpl (M⊕) 0.015 3.4 2.8<br />
heiten (AE) und e ist <strong>die</strong> Bahnexzentrizität. Die ange-<br />
Tab. 2.7: Pulsar-Planeten<br />
nommene Masse, M, des Pulsars ist M = 1.4M⊙ und der Inklinationswinkel wurde mit sini = 1<br />
festgelegt.<br />
Ref:<br />
Entdeckung des Pulsar-Planeten Systems: A. Wolszczan und D.A. Frail, 1992 Nature 355, 145<br />
Messung der Resonanz: A. Wolszczan, 1994 Science 264, 538<br />
2.3.5 Die ISM<br />
Nach konventioneller Ansicht ist <strong>die</strong> interstellare Materie derjenige Anteil der Urmaterie der Galaxis,<br />
der noch nicht in Sternen gebunden ist. Ursprünglich bestand <strong>die</strong> Galaxis nur aus Gas, irgendwann<br />
wird <strong>die</strong>ses aufgebraucht sein (wie in Kugelsternhaufen).
2.3. DIE MASSENHIERARCHIE 161<br />
Die interstellare Materie (ISM) ist danach in ständigem Austausch mit dem Material der Sterne begriffen.<br />
Langfristig wird sie so mit schweren Elementen angereichert. Die chemische Zusammensetzung<br />
sollte demnach ein Altersindikator sein und insbesondere im Zentrum der Milchstraße sollten nur noch<br />
alte Sterne sein.<br />
Wir besprechen im folgenden einige Aspekte, <strong>die</strong> beim Nachweis (durch Strahlung) und bei der Vorhersage<br />
(möglicher Konstituenten) der ISM wichtig sind.<br />
Bisher hat sich folgende Aussage noch immer als richtig erwiesen: eine Quelle, <strong>die</strong> nicht optisch identifiziert<br />
werden kann, bleibt im wahrsten Sinne des Wortes im Dunkeln (also unverstanden). Ein gutes<br />
Beispiel sind <strong>die</strong> Gamma Bursts. Die Umkehrung gilt nicht uneingeschränkt: Quasare sind seit langem<br />
optisch identifiziert, aber nicht verstanden. Bei den Gamma Bursts ist immerhin ihre Entfernung<br />
nunmehr bestimmt.<br />
Teleskope und Observatorien<br />
Radioastronomie kann vom Erdboden aus betrieben werden. Eine typische Frequenz zum Nachweis<br />
von Radiokontinuumsquellen ist ν = 400 MHz (λ = 75 cm). Die Ionosphäre begrenzt <strong>die</strong> Durchläßigkeit<br />
der Erdatmosphäre im unteren Frequenzbereich (unterhalb von 30 MHz), Wasserdampf im oberen (ab<br />
300 GHz). Im letzteren Fall kann man interessante Moleküllinien von hohen Bergen (oder neuerdings<br />
sogar vom Südpol) aus noch nachweisen. Die Empfänger erreichen mittlerweile 1 Tera Hz (300 µ) und<br />
schließen damit ans IR an.<br />
• DEFINITION (ZUM UMRECHNEN)<br />
LTE (local thermodynamic equilibrium) herrscht vor, falls sich lokal, d. h. in einem kleinen Volumenelement, <strong>die</strong> verschiedenen<br />
Konstituenten im thermodynamischen Gleichgewicht befinden. Es gilt dann für <strong>die</strong><br />
1. Photonen <strong>die</strong> Planck Verteilung,<br />
2. Gaskomponente <strong>die</strong> Maxwell Verteilung und<br />
3. ionisierte Komponente <strong>die</strong> Saha Gleichung<br />
Der Energieaustausch zwischen den Komponenten kann dann wie folgt<br />
E = hν = kBT = ∆mc 2<br />
umgerechnet werden. Der Energie von 1 eV entspricht 1.602·10 −12 erg im Gaußschen System. Mit νλ = c, w = ν/c und<br />
ɛ = hν erhält man für ɛ = 1 eV<br />
λ = 1240 nm : T = 11605 K : ν = 241 THz : w = 8067 cm −1<br />
1 eV cm −3 ist eine typische Energiedichte für das interstellare Gas, seine magnetische Energie und für das Strahlungsfeld<br />
der Sterne.<br />
Das (sichtbare) optische Spektrum reicht von etwa 800 nm bis 400 nm, der Bereich von 550 bis 500 nm ist grün. Die Balmer<br />
Linie, Hα, liegt bei λ = 6563 ˚Angstrøm (rot).<br />
Radiolinien<br />
Das bei weitem häufigste Element ist Wasserstoff. Ionisierter Wasserstoff wird in der Astronomie mit<br />
HII, atomarer mit HI bezeichnet. HI in kalten Regionen hat nur zwei Anregungsmöglichkeiten:<br />
1. Spin Flip (21-cm Linie, Emission oder auch Absorption gegen starke Quelle),<br />
2. Lyα (Lyman−α in Absorption: der (1s → 2p)−Übergang bei 10 eV oder λ = 1215 ˚A).<br />
Staub und molekularer Wasserstoff, H2, bedingen sich gegenseitig. In kalter Umgebung kann H2 nur<br />
auf Staub gebildet werden, umgekehrt schützt der Staub H2 gegen Dissoziation durch UV-Strahlung.
162 KAPITEL 2. GRAVITATION<br />
• BEISPIEL (DIE 21-CM LINIE)<br />
Wir stellen zunächst einige Eigenschaften des H-Atoms (Z = 1) im Grundzustand zusammen. Dieser wird aufgespalten<br />
durch <strong>die</strong> Hyperfein Wechselwirkung des mag. Moments des Elektrons, geµe, mit dem des Protons, gpµp. Die (vorzeichenlose)<br />
Größe<br />
µB = e¯h<br />
2mec = 9.273 · 10−21 erg/Gauss (2.130)<br />
heißt Bohrsches Magneton des Elektrons und liefert <strong>die</strong> Grundeinheit für <strong>die</strong> Wechselwirkung im Magnetfeld. Mit dem<br />
Landé-Faktor<br />
G(L) = 1 +<br />
J(J + 1) − L(L + 1) + S(S + 1)<br />
2J(J + 1)<br />
(2.131)<br />
gilt für <strong>die</strong> Energieaufspaltung eines <strong>Teil</strong>chens mit Spin S, Bahndrehimpuls L und Gesamtdrehimpuls J = L + S im<br />
äusseren Magnetfeld B<br />
∆E = G(L)mJ�µe � B mit mJ = −J, −J + 1, . . . , J (2.132)<br />
Die Größe mJ ist <strong>die</strong> magnetische Quantenzahl, <strong>die</strong> Aufspaltung heißt (anomaler) Zeeman-Effekt. Das magnetische Moment<br />
des Elektrons ist gegeben durch µ B..<br />
<strong>Teil</strong>chen ohne Spin (S = 0) haben g = G = 1 und für L = 0 heißt G auch das gyromagnetische Verhältnis. Für Elektronen<br />
ist ge ≈ 2 und demnach<br />
�µe = −geµ B � S (2.133)<br />
wobei ¯h � S der Spinoperator ist.<br />
Proton und Neutron haben ebenfalls ein magnetisches Moment, welches in Einheiten des Kernmagnetons gemessen wird:<br />
µK = e¯h<br />
2mpc<br />
= 5.05 · 10 −24 erg/Gauss (2.134)<br />
Für <strong>die</strong> drei Grundbausteine Proton, Neutron und Deuteron gelten <strong>die</strong> folgenden empirischen Relationen:<br />
Proton: gp = 5.5855 (anstatt 2)<br />
Neutron: gn = −3.8270 (anstatt 0)<br />
Deuteron: gD ≈ gp + gn.<br />
Der Grundzustand von H hat <strong>die</strong> Quantenzahlen<br />
(n, s, l, j, I, F ) = (1, 1<br />
2<br />
, 0, 1<br />
2<br />
1<br />
, , F )<br />
2<br />
mit den zusätzlichen Quantenzahlen I für Kernspin (Multiplizität 2I+1 = 2) und F für den Gesamtdrehimpuls (F = j+I).<br />
Die pot. Energie eines mag. Dipols im äusseren Magnetfeld des Protons (genähert als zwei Punktdipole, ausgerichtet längs<br />
ihrer Achsen) beträgt klassisch Hdip = −�µ � B. In der Quantenmechanik wird daraus der Operator<br />
HLS = e2<br />
m 2 c 2<br />
1<br />
r 3 (� L � S)<br />
Für <strong>die</strong> Hyperfeinaufspaltung des mag. Moments des Elektrons, geµe, mit dem des Protons, gpµp, erhält man damit folgende<br />
Energie:<br />
∆Ehfs = m ∗ c 2 � � 5 4<br />
me Z α<br />
gegp<br />
2n5 � �<br />
F (F + 1) − I(I + 1) − J(J + 1)<br />
(2.135)<br />
J(J + 1)(2L + 1)<br />
mp<br />
(m ∗ ist hier genauer <strong>die</strong> reduzierte Masse des Elektrons!) oder, wenn wir <strong>die</strong> Bindungsenergie des H-Atoms IH und den<br />
Landé-Faktor einführen, mit<br />
IH = 1<br />
2 α2 m ∗ c 2<br />
und G(F ) =<br />
erhalten wir für <strong>die</strong> Hyperfeinaufspaltung der Energie<br />
� � 5 2<br />
me Z α<br />
∆Ehfs = gegpIH<br />
G(F )<br />
n5 mp<br />
F (F + 1) − I(I + 1) − J(J + 1)<br />
J(J + 1)(2L + 1)
2.3. DIE MASSENHIERARCHIE 163<br />
mit ge = 2 (Dirac) und gp = 5.6 (empirisch). Es ist G(0) = − 6<br />
2<br />
3 und G(1) = 3 .<br />
Demnach hat der Grundzustand ∆Ehfs(n = 1) für F = 0 (antiparallele Spins) <strong>die</strong> niedrigste Energie. Der Übergang<br />
F = 1 → 0 hat <strong>die</strong><br />
∆Ehfs(n = 1) = −gegpα 4<br />
� �<br />
me<br />
mec 2<br />
(2.136)<br />
in Zahlen<br />
mp<br />
Energie ∆Ehfs(n = 1) ≈ 5.6 · 10 −6<br />
eV oder k∆T = 0.06 K<br />
• DEFINITION (LINIEN ZUM NACHSCHLAGEN)<br />
Die ersten Identifikationen interstellarer Elemente wurden optisch gemacht.<br />
Berühmte Beispiele sind <strong>die</strong> Identifizierung von Nebulium durch Owen und von H − durch Wildt. Insbesondere für Nebel,<br />
<strong>die</strong> von einem heißen Stern geheizt werden, sind ganz be-<br />
sondere Anregungsmechanismen wichtig. Charakteritikum<br />
solcher Nebel ist das Auftreten von (im Labor) nicht beobachteten<br />
Linien bzw. Übergängen wie <strong>die</strong> [O ++ ]-Linie oder<br />
der Zwei - Photonenübergang (2s - 1s) bei H.<br />
Die Radioastronomie hat insbesondere <strong>die</strong> Molekülphysik<br />
bis hin zur organischen Chemie erweitert.<br />
Interessant ist mittlerweile nicht mehr, was entdeckt wird<br />
(etwa Alkohol, Zucker und Benzol) sondern was fehlt (O2<br />
fehlt und H2O ist viel weniger vorhanden, als ursprünglich<br />
bestimmt).<br />
Einige wichtige Nachweis Linien zur Bestimmung der Temperatur<br />
und der Häufigkeit der Elemente sind in der folgenden<br />
Tabelle aufgeführt.<br />
Damit erreicht man für vollständig ionisiertes Eisen, Z =<br />
26, bei der Rekombination bereits Energien, <strong>die</strong> im mittleren<br />
Röntgenbereich (E = 9 · 10 3 eV) liegen (und dort auch<br />
selbst bei kosmologischen Quellen beobachtet werden).<br />
Wichtige Nachweis Linien<br />
Name Element E T λ<br />
Bezeichnung Übergang eV Kelvin<br />
atomar<br />
Hyperfein H 5·10 −6 0.06 21 cm<br />
molekular, Rotation<br />
CO 1 → 0 50 2.6 mm<br />
HD 1 → 0 440 µ<br />
H2 2 → 0 500 28 µ<br />
atomar, elektronische Anregung<br />
Hα (Balmer) 2s→3p 3.6 6563 ˚A<br />
Lα (Lyman) 1s→2p 10 10 5 1215 ˚A<br />
Fe XXVI Ka 1s→2p 6.9·10 3 1.79 ˚A<br />
Fe XXVI Kb 1s→3p 8.1·10 3 10 7 1.54 ˚A<br />
relativistisch<br />
Positronium e, ē 5·105 Für das H Atom hat der Grundzustand ∆Ehfs(n = 1) für F = 0 (antiparallele Spins) <strong>die</strong> niedrigste<br />
Energie. Der Übergang F = 1 → 0 (Spin Flip) hat <strong>die</strong> Energie<br />
∆Ehfs(n = 1) = −gegpα Tab. 2.8: Cygnus A<br />
4<br />
� �<br />
me<br />
mec<br />
mp<br />
2<br />
(2.137)<br />
was λ = 21 cm entspricht. In Zahlen<br />
Energie ∆Ehfs(n = 1) ≈ 5.6 · 10 −6<br />
eV oder k∆T = 0.06 K<br />
Die dazu gehörende Frequenz ist eine der am genauesten bestimmten Größen der Physik:<br />
νhfs = 1 420. 405 751 786 MHz (2.138)<br />
Auch der Einstein A Koeffizient kann exakt bestimmt werden. Es gilt in Zahlen für <strong>die</strong> Emission:<br />
A ≈ 2.85 · 10 −15<br />
s −1 (2.139)<br />
was einer Lebensdauer von T = 10 Myr entspricht. Für <strong>die</strong> Säulendichte NH des Hyperfeinübergangs<br />
bei atomarem Wasserstoff ergibt sich damit in der Beobachtung angepassten Einheiten<br />
N = 1.8 · 10 18<br />
�<br />
(Tsp/K)(dv/kms −1 ) cm−2 (2.140)<br />
Das Molekül OH hat zwei starke Maserlinien bei den Frequenzen 1665 und 1667 MHz (mit ∆F = 0<br />
und zwei schwache bei 1612 und 1720 MHz mit ∆F = ±1). Es handelt sich hierbei um <strong>die</strong> Hyperfeinaufspaltung<br />
eines l = 18 cm Übergangs (Λ Verdopplung des 2 Π3/2 Grundzustands).
164 KAPITEL 2. GRAVITATION<br />
Die Formel für <strong>die</strong> Feinstruktur Aufspaltung lautet<br />
∆Enslj = −m ∗ c 2<br />
(Zα) 4<br />
n 4 (2j + 1)<br />
(2.141)<br />
Für <strong>die</strong> Balmer Linie liefert das eine Aufspaltung um<br />
∆E(P3/2 − P1/2) = m ∗ c 2 (Zα) 4<br />
32) = 4.53 · 10−5 eV (10.9 GHz).<br />
Die Positronium Vernichtungslinie wurde im Zentrum der Milchstraße (allerdings nur zeitweise) gesehen.<br />
Dispersion<br />
Die Laufzeit T des Pulssignals zwischen Radiopulsar und Erde (Entfernung L) wird beeinflusst durch<br />
zwei Effekte, <strong>die</strong> Auskunft über Dichte der Elektronen und dem Magnetfeld (parallel zum Beobachter)<br />
geben. Die Gruppengeschwindigkeit vg bestimmt <strong>die</strong> Pulsankunftszeit<br />
vgT = L mit vg = dk<br />
dω<br />
Das Plasma führt zu einer frequenzabhängigen Zeitverzögerung:<br />
∆tD = L ν<br />
2c<br />
2 p∆ν<br />
ν3 D2<br />
= 0.4293<br />
ν −2<br />
∆ν<br />
9 ν<br />
sec (2.142)<br />
wobei L <strong>die</strong> Distanz und νp <strong>die</strong> Plasmafrequenz ist. Diese kann durch entsprechend hohe (oder mehrere)<br />
Messfrequenzen ausgeschaltet werden. Für ein Dispersionsmaß von D2 = 100 cm −3 pc beträgt <strong>die</strong><br />
Verzögerung (gegenüber dem Vakuum) bei 10 9 Hz etwa 0.43 sec.<br />
2.3.6 Relativistische ISM<br />
White Dwarfs, Neutron Stars and Supernovae<br />
• ANMERKUNG (ZEITTAFEL)<br />
1054 Chinese and American Indian astronomers observe<br />
the Crab supernova explosion<br />
1572 Tycho Brahe discovers his supernova in Cassiopeia<br />
1604 Johannes Kepler’s supernova in Serpens is observed<br />
1862 Alvan Clark observes Sirius B<br />
1866 William Huggins stu<strong>die</strong>s the spectrum of a nova and discovers that it is<br />
surrounded by a cloud of hydrogen<br />
1914 Walter Adams determines an incredibly high density for Sirius B<br />
1926 Ralph Fowler uses Fermi-Dirac statistics to explain white dwarf stars<br />
1930 Subrahmanyan Chandrasekhar discovers the white dwarf maximum mass limit<br />
1932 Lev Dadovitch Landau (sofort nach Entdeckung des Neutrons durch Chadwick)<br />
entwickelt das Konzept des Neutronensterns<br />
1933 Fritz Zwicky and Walter Baade propose the neutron star idea and suggest<br />
that supernovae might be created by the collapse of normal stars to<br />
neutron stars—they also point out that such events can explain the<br />
cosmic ray background<br />
1939 Robert Oppenheimer and George Volkoff calculate the first neutron star<br />
models<br />
1942 J.J.L. Duyvendak, Nicholas Mayall, and Jan Oort deduce that the Crab<br />
Nebula is a remnant of the 1054 supernova observed by Chinese astronomers<br />
1962 Riccardo Giacconi, Herbert Gursky, Frank Paolini, and Bruno Rossi<br />
discover Sco X-1<br />
1967 Jocelyn Bell and Anthony Hewish discover radio pulses from a pulsar<br />
1967 J.R. Harries, Ken McCracken, R.J. Francey, and A.G. Fenton discover the
2.3. DIE MASSENHIERARCHIE 165<br />
first X-ray transient (Cen X-2)<br />
1968 Thomas Gold proposes that pulsars are rotating neutron stars<br />
1969 David Staelin, E.C. Reifenstein, William Cocke, Mike Disney<br />
and Donald Taylor discover the Crab Nebula pulsar thus<br />
connecting supernovae, neutron stars, and pulsars<br />
1971 Riccardo Giacconi, Herbert Gursky, Ed Kellogg, R.<br />
Levinson, E. Schreier, and H. Tananbaum discover 4.8 second X-ray<br />
pulsations from Cen X-3<br />
1974 Russell Hulse and Joseph Taylor<br />
discover the binary pulsar PSR1913+16<br />
1977 Kip Thorne and Anna Zytkow<br />
present a detailed analysis of Thorne-Zytkow objects<br />
1982 D.C. Backer, Shrinivas Kulkarni, Carl Heiles, M.M. Davis, and Miller<br />
Goss discover the millisecond pulsar PSR1937+214<br />
1985 Michiel van der Klis<br />
discovers 30 Hz quasi-periodic oscillations in GX 5-1<br />
1987 Ian Shelton discovers supernova 1987A in the Large Magellanic Cloud<br />
Zu einer Zeit, wo noch an der Existenz Weißer Zwerge gezweifelt wurde, wurden Neutronensterne gleich zweimal theoretisch<br />
vorhergesagt. Das erste Mal 1932 von L. D. Landau, sobald das Neutron 1932 von Chadwick entdeckt worden war.<br />
Landau nahm an, daß sich im Innern von ausgebrannten, massiven Sternen ein Kern aus Neutronenmaterie bilden würde.<br />
Das Konzept des Neutronensterns wurde dann 1933 unabhängig von Baade und Zwicky nochmals entwickelt, <strong>die</strong>smal<br />
orientiert an astronomischen Beobachtungen.
166 KAPITEL 2. GRAVITATION<br />
2.4 Bestimmung der Masse des Kosmos<br />
Die Allgemeine Relativitätstheorie Einsteins erlaubt es, <strong>die</strong> Masse des Kosmos als ganzes mithilfe der<br />
Feldgleichungen der ART zu bestimmen. Im einfachsten Fall ist dazu nur eine einzige Messung nötig.<br />
2.4.1 Einleitung<br />
Die Allgemeine Relativitätstheorie führt zu extrem nichtlinearen Gleichungen, was bedeutet, daß es<br />
nur sehr wenige exakte, physikalisch relevante Lösungen (Solitonen) gibt. Daß es überhaupt relevante<br />
Lösungen zur Kosmologie gibt, liegt an einem Prinzip, welches (nach Milne) von Einstein erstmals so<br />
formuliert wurde: der 3-dim Raum besitzt Homogenität (Skalare wie Dichte und Druck sind überall<br />
gleich) und Isotropie (keine Richtung ausgezeichnet, keine Gra<strong>die</strong>nten).<br />
Zum Nachschlagen zunächst eine Formelsammlung.<br />
• DEFINITION (DIE ALLGEMEIN RELATIVISTISCHE GRAVITATIONSKONSTANTE)<br />
Für <strong>die</strong> in der ART auftretende Kombination aus Newtonscher Gravitationskonstante G und Lichtgeschwindigkeit c definieren<br />
wir zwei neue Größen zur bequemeren Schreibweise der Gleichungen:<br />
κ = 8πG<br />
= 1.86 · 10−27<br />
c2 cm g−1 ; ˆκ = κ<br />
= 2 · 10−48<br />
c2 cm 3 g −1 s −2 (2.143)<br />
<strong>die</strong> allgemein relativistischen Gravitationskonstanten, welche sich auf den Materie Tensor bzw. den Energietensor in geometrische<br />
Einheiten (Länge) umrechnen.<br />
• FORMELN (DIE GRAVISCHE LAGRANGE-DICHTE)<br />
Das invarianten 4-er Volumelement ist<br />
√ −gdΩ = √ −gcdtdxdydz mit g := det(gab) (2.144)<br />
Die Feldgleichungen (der Metrik gik) der ART können, wie alle fundamentalen Felder, aus einer invarianten Wirkung, Sg,<br />
�<br />
Sg =<br />
√ dΩ<br />
Λg −g<br />
c<br />
(2.145)<br />
mit der gravischen Lagrange-Dichte Λg und (dem invarianten Volumen) √ −gdΩ, Glchg. (2.144) durch Variation der Wirkung<br />
Sg nach der Metrik gik gewonnen werden.<br />
Dabei ist <strong>die</strong> Lagrange-Dichte Λg gegeben durch den einzig möglichen Skalar in der Riemannschen Geometrie, R, der zu<br />
quasi linearen Differential Gleichungen zweiter Ordnung führt:<br />
Λg = − 1<br />
R (2.146)<br />
2ˆκ<br />
wobei R der Ricci Skalar und ˆκ <strong>die</strong> allgemein relativistische Gravitationskonstante (bezogen auf <strong>die</strong> Energiedichte) ist.<br />
Ein Ausdruck des Äquivalenzprinzips ist, daß <strong>die</strong> Kopplungskonstante im geometrischen <strong>Teil</strong> der Wirkung<br />
auftritt und nicht im Materieteil. Damit koppelt <strong>die</strong> Gravitation an alles, was Energie besitzt und der Nullpunkt<br />
der Energie ist nicht mehr willkürlich.<br />
Die gesamte Wirkung, Stot ist linear in den verschiedenen Feldbeiträgen:<br />
�<br />
Stot = Sg + Sf = (Λg + Λf ) √ −g dΩ<br />
c<br />
(2.147)<br />
• FORMELN (DER ENERGIE-IMPULSTENSOR)<br />
Die Variation der Lagrange-Dichte Λf nach der Metrik gik liefert automatisch <strong>die</strong> symmetrische Energie-Impulstensor-<br />
Dichte,<br />
1√<br />
−g Tab =<br />
2<br />
∂√−g Λf<br />
∂gab welche als Quelle der Gravitation in der ART auftritt.
2.4. DIE MASSE DES KOSMOS 167<br />
Die Lagrange-Dichte Λf für das elektromagnetische Feld ist<br />
Λem = − 1<br />
16π F ab Fab<br />
woraus, mit der Identität<br />
∂ √ −g 1√<br />
= − −g gab<br />
∂gab 2<br />
<strong>die</strong> symmetrische Energie-Impulstensor-Dichte für das quellfreie Feld (z. B. Photonen)<br />
Tik = 1<br />
�<br />
−FilFk<br />
4π<br />
l + 1<br />
4 (F ab �<br />
Fab)gik<br />
folgt. Wichtig ist hier <strong>die</strong> Identität (für <strong>die</strong> Spur)<br />
T i i = 0 d. h. T 0 0 = T 1 1 + T 2 2 + T 3 3<br />
Für ein isotropes Strahlungsfeld folgt damit <strong>die</strong> Zustandsgleichung für Photonen: ɛ = 3p.<br />
Mit u i bezeichnen wir <strong>die</strong> 4-er Geschwindigkeit der Materie,<br />
u i = dxi<br />
ds<br />
(2.148)<br />
(2.149)<br />
(2.150)<br />
u i u k gik = 1 (2.151)<br />
und Materie mit Druck p und Energiedichte ɛ (ɛ = ρc 2 ) wird durch einen Tensor der Form<br />
beschrieben.<br />
Tab = (ɛ + p)uaub − pgab<br />
• FORMELN (DIE EINSTEINSCHEN FELDGLEICHUNGEN)<br />
Die Einsteinschen Feldgleichungen für den gravischen Anteil folgen aus<br />
δSg = − 1<br />
�<br />
R<br />
2ˆκ<br />
√ −g dΩ<br />
c<br />
Sie lauten (zusammen mit Materie) mit den Definitionen Glchg. (2.143)<br />
und<br />
Gab = ˆκTab<br />
Rab = Riakbg ik<br />
R = R ik gik<br />
(2.152)<br />
(2.153)<br />
(2.154)<br />
(2.155)<br />
Gab = Rab − 1<br />
2 gabR G ik ;k = 0 (2.156)<br />
Tab = (ɛ + p)uaub − pgab ɛ = ρc 2<br />
(2.157)<br />
Die hier auftretenden Definitionen und Symbole haben folgende Bedeutung:<br />
Rab Ricci Tensor; Gab Riemann oder Einstein Tensor; Tab Energie-Impulstensor einer idealen Flüssigkeit;<br />
ɛ <strong>die</strong> gesamte Energiedichte, (umgerechnet ρ <strong>die</strong> gesamte Massendichte);<br />
p (jetzt klein geschrieben) der Druck; <strong>die</strong> Größe w = ɛ + p ist <strong>die</strong> Enthalpie pro Volumeneinheit<br />
ua <strong>die</strong> 4-er Geschwindigkeit (uaubgab = 1) der Materie.<br />
Im Ruhsystem der Materie ist ua = g −1/2<br />
00 δa 0 und <strong>die</strong> gemischten Komponenten von Tab haben <strong>die</strong> Komponenten T b a =<br />
diag(ɛ, −p, −p, −p).<br />
Die Bewegungsgleichungen müssen nicht wie in der SRT getrennt postuliert werden, sondern folgen aus den Feldgleichungen:<br />
aufgrund der Bianchi Identität<br />
G k i ;k = 1<br />
√ −g ( √ −gG k i ),k − 1<br />
2 gkl,iG kl = 0 (2.158)<br />
folgen aus den Feldgleichungen <strong>die</strong> Bewegungsgleichungen<br />
T ik ;k = 0 (2.159)<br />
kovariant geschrieben. Sie sind unabhängig von der Gravitationskonstante, was ein Ausdruck des Äquivalenzprinzips ist.
168 KAPITEL 2. GRAVITATION<br />
• FORMELN (DIE FRIEDMANN GLEICHUNGEN)<br />
Die Metrik (Robertson Walker)<br />
ds 2 = gikdx i dx k = c 2 dt 2 − a(t) 2 dl 2 (k) (2.160)<br />
dl 2 (k) = dχ 2 + σk(χ) 2 (dΘ 2 + sin 2 Θdφ 2 ) (2.161)<br />
wobei σ(χ) <strong>die</strong> Masstabsfunktion des 3-dim Raums ist:<br />
σ1(χ) = sin χ (2.162)<br />
σ0(χ) = χ (2.163)<br />
σ−1(χ) = Sinhχ (2.164)<br />
Die Ableitung nach ct bezeichnen wir mit ′<br />
Die Friedmann Gleichungen lauten<br />
� � ′ 2 � �2 a 1<br />
3 + 3k = ˆκɛ (2.165)<br />
a a<br />
2 a′′<br />
a +<br />
� � ′ 2 � �2 a 1<br />
+ k = −ˆκp (2.166)<br />
a a<br />
oder, mit expliziter Berücksichtigung des Vakuums<br />
� � ′ 2 � �2 a 1<br />
3 + 3k<br />
a a<br />
2<br />
= ˆκ(ɛ + ɛv) (2.167)<br />
a′′<br />
a +<br />
� � ′ 2 � �2 a 1<br />
+ k<br />
a a<br />
= −ˆκ(p − ɛv) (2.168)<br />
• FORMELN (EINE MINI-LAGRANGE-FUNKTION)<br />
Explizit ist<br />
R00 = −3 a′′<br />
Rαβ =<br />
�<br />
a<br />
a<br />
−<br />
′′ � ′ a<br />
+ 2<br />
a a<br />
R =<br />
�<br />
a<br />
−6<br />
′′<br />
a +<br />
� ′ a<br />
a<br />
� 2<br />
� 2<br />
� � �<br />
2<br />
1<br />
+ 2k<br />
a<br />
� � �<br />
2<br />
1<br />
+ k<br />
a<br />
gαβ<br />
Die verkürzte Wirkung, <strong>die</strong> nur noch den Skalenfaktor a als Variable enthält (und <strong>die</strong> 3-Geometrie festhält)<br />
δSg = − 1<br />
� �<br />
a<br />
−6<br />
2ˆκ<br />
′′<br />
a +<br />
� � ′ 2 � � �<br />
2<br />
a 1 3 dΩ<br />
+ k a<br />
a a c<br />
führt zunächst auf <strong>die</strong> Lagrange-Dichte<br />
Lg = 3<br />
�<br />
a<br />
ˆκ<br />
′′<br />
a +<br />
� � ′ 2 � � �<br />
2<br />
a 1<br />
+ k<br />
a a<br />
(2.169)<br />
(2.170)<br />
(2.171)<br />
(2.172)<br />
(2.173)<br />
und, nach Umintegration, auf <strong>die</strong> Lagrange-Funktion (zusätzlich mit Quellterm)<br />
Lg = 3 � � ′ 2 3<br />
−a(a ) + ka − ɛa (2.174)<br />
ˆκ<br />
Die (zeitlich erhaltene) Gravitations-Energie ist negativ, <strong>die</strong> thermische (plus Ruhmassenenergie) ɛa3 ist positiv. Die Allgemeine<br />
Relativitätstheorie verlangt, daß <strong>die</strong> Summe<br />
′ ∂L 3 � � ′ 2 3<br />
Eo = a − L = −a(a ) − ka + ɛa (2.175)<br />
∂a ′ ˆκ<br />
verschwindet.<br />
Bei der Variation gilt der erste Hauptsatz der Thermodynamik<br />
δ(ɛa 3 ) = −pδ(a 3 ) (2.176)<br />
Damit folgt (nach Kürzen mit 3/ˆκ)<br />
2 a′′<br />
a +<br />
� � ′ 2 � �2 a 1<br />
+ k = −ˆκp (2.177)<br />
a a<br />
Die drei Gleichungen, ((2.175), (2.176) und (2.177)) sind <strong>die</strong> Friedmann Gleichungen (mit Identität), wenn wir Eo = 0<br />
setzen.
2.4. DIE MASSE DES KOSMOS 169<br />
2.4.2 Dynamik und Hubbles Galaxienflucht<br />
Frühe Modelle<br />
Die einfachste Vorstellung vom Universum ist <strong>die</strong> eines ewigen, statischen Universums mit bestenfalls<br />
stationären Mitgliedern (wie Sterne und Planeten). Diese Vorstellung war so offensichtlich richtig, daß<br />
das erste kosmologische Modell Einsteins statisch war. Ein statisches Universum hat keinen Anfang<br />
und kein Ende, also muß man auch nicht erklären, wie <strong>die</strong>se beschaffen (Kosmologie) sind bzw. woher<br />
sie rühren (Kosmogonie).<br />
Die ersten nichtstatischen Lösungen der ART wurden bereits 1922 und 1924 von Friedmann gefunden,<br />
aber von Einstein als ’furchtbar’ verworfen (sie haben einen singulären Anfang, den heute allgemein<br />
akzeptierten Urknall). Die Entdeckung Hubbles (1929) einer allgemeinen Galaxienflucht wurde dann<br />
aber auch von Einstein (de Sitter, Lemaître u.v.a.) sehr bald als Expansion des Kosmos gedeutet.<br />
Hubbles allgemeine Galaxienflucht<br />
Die Entdeckung Hubbles führt zunächst auf <strong>die</strong> folgende rein kinematische Beschreibung. Das kosmologische<br />
Prinzip (Einsteins Weltpostulat) verlangt, daß im Raum kein Punkt vor dem anderen ausgezeichnet<br />
ist. Das liefert <strong>die</strong> Homogenität und Isotropie für den Raum zu jedem Zeitpunkt und führt<br />
auf Räume konstanter Krümmung. Für jeden Abstand l zwischen zwei Punkten gilt dann, daß <strong>die</strong><br />
Geschwindigkeit ˙ l = v<br />
˙l = v = Hl (2.178)<br />
mit der zwei beliebige Punkte proportional zur Entfernung l <strong>die</strong>ser Punkte ist. Das gilt auch für den<br />
Krümmungsradius a. Wir betonen, daß <strong>die</strong>s eine rein kinematische Beschreibung ist. Diese Fluchtgeschwindigkeit<br />
˙ l = v führt zu einer Rotverschiebung und <strong>die</strong>se wieder zu einem Horizont, ˙ l > c,<br />
jenseits dessen das Universum unbeobachtbar ist.<br />
Die kosmologische Rotverschiebung ist wie folgt definiert:<br />
1 + z = λo<br />
λe<br />
= ωe<br />
ωo<br />
(2.179)<br />
dabei ist λo <strong>die</strong> vom Observer gemessene, λe <strong>die</strong> vom Sender emittierte Wellenlänge. Für einen im<br />
Kosmos mitschwimmenden Beobachter und eine ebensolche Quelle ist <strong>die</strong> Bewegungs-Richtung rein<br />
radial.<br />
Zur Bestimmung der Rotverschiebung z im expan<strong>die</strong>renden Kosmos reicht <strong>die</strong> Spezielle Relativitätstheorie.<br />
Dort gilt allgemein<br />
√<br />
1 − β2 νo = νe<br />
(2.180)<br />
1 + β cos θ<br />
wobei θ der Winkel zwischen der Visionsrichtung des Beobachters und der Bewegungsrichtung der<br />
Quelle ist. Für eine Quelle, <strong>die</strong> sich radial vom Beobachter weg bewegt, ist θ = 0 und es gilt<br />
�<br />
1 + β<br />
1 + z =<br />
1 − β<br />
mit der Umkehrung<br />
β = (1 + z)2 − 1<br />
(1 + z) 2 + 1<br />
= z<br />
1 + z<br />
2<br />
1 + z(1 + z<br />
2 )<br />
(2.181)<br />
(2.182)<br />
Dabei ist β = ˙ l/c direkt messbar, und der Wert für H folgt, wenn l bestimmt werden kann.<br />
Eine solche Bewegung heißt homolog. Anders als bei Kepler, der <strong>die</strong> kinematischen Gesetze der Planetenbewegung<br />
mithilfe vorhandener Beobachtungen vollständig bestimmen konnte, ist das in der Kosmolgie<br />
nicht möglich: der Kosmos ist dazu zu groß.
170 KAPITEL 2. GRAVITATION<br />
Die Parameter des Standard Modells<br />
Ähnlich wie man <strong>die</strong> Masse der Planeten und der Sonne bestimmen kann, kann auch <strong>die</strong> Masse des<br />
Kosmos aus seiner Dynamik bestimmt werden. Grundlage ist <strong>die</strong> Allgemeine Relativitätstheorie Einsteins.<br />
Im Standard Modell der Kosmologie reichen zwei Parameter, zur Festlegung: <strong>die</strong> Hubble Konstante<br />
H und <strong>die</strong> Dichte ρ, <strong>die</strong> mit dem Parameter Ω<br />
Ω = ρ<br />
ρc<br />
= κρc2<br />
3H 2<br />
(2.183)<br />
parametrisiert wird. Im einfachsten aller Modelle ist Ω = 1 und es genügt eine einzige Größe, <strong>die</strong><br />
kritische Dichte, ρc, den Kosmos und seine Dynamik vollständig zu bestimmen.<br />
2.4.3 Zum Nachschlagen<br />
• DEFINITION (PARAMETER DER ART)<br />
1. c <strong>die</strong> Lichtgeschwindigkeit.<br />
2. G ist Newtonsche Gravitationskonstante<br />
G = 6.6732 · 10 −8<br />
3. ˆκ <strong>die</strong> relativistische Kopplungskonstante<br />
ˆκ = 8πG<br />
c 4<br />
4. ɛ = ρc 2 <strong>die</strong> Massen-Energiedichte,<br />
5. ρc <strong>die</strong> kritische Dichte, (Ω = 1)<br />
cm 3 g −1 s −2 (2.184)<br />
ρc = 3H2<br />
8πG = 5 · 10−30 (2h) 2<br />
gcm −3<br />
6. R oder a Skalenfaktor der Expansion (’Radius’ des Universums)<br />
7. Ω der dimensionslose Dichteparameter, (bestimmt in der ART <strong>die</strong> Geometrie)<br />
8. H Hubble Expansionsparameter und kritische Dichte des Universums<br />
H = ˙ R<br />
R<br />
; ρc = 3<br />
8πG H2<br />
; Ω = ρ<br />
ρc<br />
= 8πG<br />
3 ρH−2<br />
• FORMELN (DIE KOVARIANTE ABLEITUNG UND DIE CHRISTOFFELSYMBOLE)<br />
Die 4–dim. Raumzeit der Einsteinschen Allgemeinen Relativitätstheorie (ART) beschreiben wir mit den Koordinaten<br />
Die Metrik<br />
(2.185)<br />
(2.186)<br />
(2.187)<br />
x 0 = ct, x 1 = x, x 2 = y, x 3 = z (2.188)<br />
ds 2 = gikdx i dx k<br />
hat <strong>die</strong> Signatur<br />
(2.189)<br />
(+ − − −) (2.190)<br />
Das invarianten 4-er Volumelement ist<br />
√ −gdΩ = √ −gcdtdxdydz mit g := det(gab) (2.191)<br />
Die Christoffelsymbole Γ i kl<br />
zusammen:<br />
Γ i kl = 1<br />
2 gim<br />
� ∂gmk<br />
∂x<br />
bestimmen den affinen Zusammenhang. Sie hängen wie folgt mit dem metrischen Tensor<br />
∂x<br />
∂x m<br />
∂gml ∂gkl<br />
+ − l k<br />
Damit gilt für <strong>die</strong> kovariante Ableitung eines Vektors<br />
A i ;l = ∂Ai<br />
∂x l + Γi klA k<br />
�<br />
(2.192)
2.4. DIE MASSE DES KOSMOS 171<br />
und <strong>die</strong> eines Tensors<br />
A ik ;l = ∂Aik<br />
∂x l + Γk mlA im<br />
Die Christoffelsymbole sind symmetrisch in den unteren Indizes<br />
Γ i jk = Γ i kj<br />
und werden auch affiner Zusammenhang genannt. Vereinfachend werden wir auch <strong>die</strong> Komma Notation benutzen:<br />
Γ i jk = 1<br />
2 gil (glj,k + glk,j − gjk,l) (2.193)<br />
Die Komponenten des Riemannschen Tensors sind explizit durch den folgenden Ausdruck gegeben:<br />
R i kab = Γ i kb,a − Γ i ka,b + Γ i laΓ l lb − Γ i lbΓ l la<br />
Mit u i bezeichnen wir <strong>die</strong> 4-er Geschwindigkeit der Materie,<br />
u i = dxi<br />
ds<br />
(2.194)<br />
u i u k gik = 1 (2.195)<br />
Die kovariante Form der Beschleunigung ist der Term auf der linken Seite<br />
D<br />
Ds ui = u i + Γ i jku j u k = 0 (2.196)<br />
Falls sie, wie hier angegeben, verschwindet, dann ist <strong>die</strong>s <strong>die</strong> Geodätengleichung für <strong>die</strong> Bahn x i (s) in einem Raum mit<br />
dem metrischen Tensor gik.<br />
• FORMELN (ROBERTSON-WALKER METRIK UND FRIEDMANN GLEICHUNGEN)<br />
Die Robertson-Walker Metrik, ds 2 (k),<br />
beschreibt <strong>die</strong> zeitliche Änderung Räume konstanter Krümmung. Die Bewegung ist eine homologe Expansion. Es ist von<br />
der Form (R = a):<br />
ds 2 = gikdx i dx k = c 2 dt 2 − a(t) 2 dl 2 (k) (2.197)<br />
dl 2 (k) = dχ 2 + σk(χ) 2 (dΘ 2 + sin 2 Θdφ 2 ) (2.198)<br />
mit der Masstabsfunktion σk = σk(χ) und k = 1, 0, −1.<br />
σ1(χ) = sin χ (2.199)<br />
σ0(χ) = χ (2.200)<br />
σ−1(χ) = Sinhχ (2.201)<br />
Die Einstein-Friedmann Gleichungen der ART lauten vollständig für <strong>die</strong> Robertson-Walker Metrik<br />
� ′ a<br />
3<br />
a<br />
2 a′′<br />
a +<br />
� ′ a<br />
a<br />
� 2<br />
� 2<br />
�<br />
1<br />
+ 3k<br />
a<br />
�<br />
1<br />
+ k<br />
a<br />
� 2<br />
� 2<br />
= ˆκɛ (2.202)<br />
= −ˆκp (2.203)<br />
dabei ist ɛ <strong>die</strong> Massen-Energiedichte, p der Druck und ˆκ <strong>die</strong> relativistische Kopplungskonstante, mit der Bedeutung, wie<br />
sie in den Definitionen ’Parameter der ART’ aufgeführt sind.<br />
• FORMELN (DIE EINSTEINSCHE FELDGLEICHUNGEN)<br />
Die Feldgleichungen der ART (Einstein, 1915) lauten<br />
Gab = ˆκTab<br />
Der Operator Gab<br />
Gab = Rab − 1<br />
2 gabR<br />
(2.204)
172 KAPITEL 2. GRAVITATION<br />
heißt Riemann- oder Einstein-Tensor, Rab heißt Ricci-Tensor.<br />
Er erfüllt <strong>die</strong> 4 Bianchi Identitäten<br />
G k i ;k = 1<br />
√ −g ( √ −gG k i ),k − 1<br />
2 gkl,iG kl = 0 (2.205)<br />
welche vermöge der Einsteinschen Feldgleichungen <strong>die</strong> Bewegungsgleichung<br />
T ik ;k = 0 (2.206)<br />
der Materie liefern. Das Semikolon bedeutet kovariante Ableitung.<br />
T ik<br />
;k = T ik<br />
,k + Γ k mkT im<br />
• FORMELN (DATEN DES KOSMOS)<br />
Der kritischen Massendichte<br />
ρc = 3H2<br />
8πG = 5 · 10−30 (2h) 2<br />
gcm −3<br />
entspricht <strong>die</strong> kritische Baryonen <strong>Teil</strong>chendichte<br />
nc = 3H2<br />
= 3 · 10<br />
8πGmp<br />
−6 (2h) 2<br />
cm −3<br />
(2.207)<br />
Die Baryonen <strong>Teil</strong>chendichte ist nb = Ωnc. Für <strong>die</strong> Entropie pro Baryon, ˜s = nγ/nb, der Hintergrundstrahlung von<br />
Tbb = 2.735 Kelvin gilt dann:<br />
˜s = nγ<br />
nb<br />
= 1.4 · 10 8 [Ω −1 (2h) −2 ] (2.208)<br />
Im folgenden wollen wir <strong>die</strong>se mit ihrem Kehrwert parametrisieren<br />
η = nb<br />
nγ<br />
= 8 · 10 −9 [Ω(2h) 2 ] (2.209)<br />
Der Parameter η ist also das Verhältnis von Baryonen- zu Photonenzahl im Einheitsvolumen. Die Elementsynthese im<br />
frühen Universum führt auf <strong>die</strong> Bedingung 3 < 10 10 η < 4 für <strong>die</strong> Baryonische Komponente, was Ωb = 0.05 bei h = 0.5<br />
impliziert.<br />
In konkreten Anwendungen werden wir Ω ≈ 0.05 und h = 0.5 annehmen, der Rest ist Dunkelmaterie und Ω < 0.3.<br />
Die Zustandsgleichung lautet:<br />
ρ = ρo<br />
� �3 �<br />
Ro<br />
1 + θm(o)<br />
R<br />
Ro<br />
�<br />
R<br />
und (nur masselose Felder liefern einen Druck, Index γ)<br />
pγ = 1<br />
3 ργc 2 = ɛoθm(o)<br />
� �4 Ro<br />
R<br />
2.4.4 Von Newton zu Einstein<br />
(2.210)<br />
(2.211)<br />
Die Allgemeine Relativitätstheorie Einsteins (ART) führt formal auf <strong>die</strong> gleiche Dynamik des Kosmos<br />
wie <strong>die</strong> Newtonschen Theorie. In beiden wird sie durch den Materieinhalt (und dessen Zustandsgleichung)<br />
bestimmt. Daß <strong>die</strong> Newtonschen Theorie überhaupt zu einer qualitativ korrekten Beschreibung<br />
führt, liegt an folgender wichtigen Eigenschaft der ART (und gilt natürlich auch in der Newtonsche<br />
Gravitationstheorie): bei Kugelsymmetrie liefert <strong>die</strong> außerhalb der Kugel liegende Materie keinen Beitrag<br />
zum Feld innerhalb (in der ART ist das der Satz von Birkhoff). Bekanntlich ist aber <strong>die</strong> Newtonsche<br />
Gravitationstheorie eine sehr gute Näherung für schwache Felder und kleine Abstände, hier<br />
müßen beide demnach stetig ineinander übergehen.
2.4. DIE MASSE DES KOSMOS 173<br />
Grundlagen<br />
• ANMERKUNG (AXIOME UND POSTULATE)<br />
1. Axiom: Riemannsche Differentialgeometrie in 1+3 Dimensionen<br />
Die Raumzeit ist punktal durch <strong>die</strong> Minkowski Raumzeit mit einer Zeit- und drei Raumdimensionen<br />
R4 = R1 × R3<br />
beschreibbar. Die Spezielle Relativitätstheorie wird durch folgende Metrik<br />
ds 2 = ηikdx i dx k = c 2 dt 2 − (dx 2 + dy 2 + dz 2 ) (2.212)<br />
beschrieben. Die Komponenten des Tensors ηik sind also orthogonal und normiert:<br />
ηik = diag ( + 1, − 1, − 1, − 1) (2.213)<br />
Lokal wird daraus eine Riemannsche Differentialgeometrie. Diese 4–dim. Raumzeit (Allgemeine Relativitätstheorie)<br />
beschreiben wir mit den Koordinaten<br />
x 0 = ct, x 1 = x, x 2 = y, x 3 = z (2.214)<br />
Die Metrik ist dann global durch<br />
ds 2 = gikdx i dx k<br />
(2.215)<br />
gegeben und das invarianten 4-er Volumelement ist<br />
√ −gdΩ = √ −gcdtdxdydz mit g := det(gab) (2.216)<br />
2. Axiom: Konstanz der Lichtgeschwindigkeit<br />
1. Postulat: Die dynamischen Gleichungen der Physik, nicht nur <strong>die</strong> der ART, folgen aus einem Wirkungsprinzip.<br />
2. Postulat: Die Wirkung ist ein Skalar.<br />
Die Einsteinschen Feldgleichungen folgen aus einem Wirkungsprinzip<br />
δS = 0 ; S = 1<br />
c<br />
�<br />
Λ √ −gdΩ ; dΩ = d 4 x = cdtdV (2.217)<br />
wobei <strong>die</strong> Wirkung S <strong>die</strong> Summe aus den verschiedenen Feldanteilen ist.<br />
3. Postulat: Alle Felder (mit Index g, m und v) tragen in linearer Superposition bei<br />
�<br />
S = (Λg + Λm + Λv) √ −g dΩ<br />
c<br />
(2.218)<br />
Die Feldgleichungen aller Felder folgen normalerweise einzeln aus δSi = 0, wobei i für den Index g, m und v<br />
steht. In der ART sind sie durch <strong>die</strong> Bianchi Identitäten eingeschränkt. Für Testteilchen gilt, daß <strong>die</strong>se sich auf den<br />
Geodäten der Raumzeit bewegen.<br />
Geodäten und ihre Gleichungen<br />
Im 3-dim Raum sind Geodäten <strong>die</strong>jenigen Kurven, <strong>die</strong> <strong>die</strong> kürzeste Länge zwischen zwei Punkten A<br />
und B haben.<br />
• DEFINITION (DIE KOORDINATEN DES 3-DIM RAUM)<br />
Griechische Indizes laufen von 1 bis 3. Die Koordinaten werden mit x α bezeichnet. Zur Beschreibung der Geometrie wird<br />
das Linienelement<br />
dl 2 =<br />
3�<br />
3�<br />
α=1 β=1<br />
γαβdx α dx β<br />
benutzt. Unter Koordinatentransformationen ist dl 2 ein Skalar. In Zukunft werden wir <strong>die</strong> Summenkonvention benutzen.<br />
dl 2 = γαβdx α dx β
174 KAPITEL 2. GRAVITATION<br />
• FORMELN (DIE GEODÄTENGLEICHUNG IM 3-DIM RAUM)<br />
Die Entfernung lAB zwischen zwei benachbarten Punkten A und B ist das Minimum der Länge<br />
lAB =<br />
�B<br />
A<br />
�<br />
γαβ<br />
dx α<br />
dt<br />
dxβ �1/2<br />
dt<br />
dt<br />
aller Kurven x α (t), <strong>die</strong> A mit B verbinden.<br />
Die Kurve x α (t) erhält man wie folgt. Man betrachtet ’benachbarte’ Kurven x α (t) + δx α (t), bei denen Anfangs und<br />
Endpunkt festgehalten sind:<br />
δx α (tA) = 0 ; δx α (tB) = 0<br />
und berechnen <strong>die</strong> Variation<br />
�B<br />
�<br />
δlAB = δ<br />
A<br />
γαβ<br />
dx α<br />
dt<br />
dxβ �1/2<br />
dt<br />
dt<br />
Die Variation verschwindet, falls <strong>die</strong> Kurve x α (t) das Minimum realisiert. Wir nennen den Integranden Lagrange-Funktion<br />
L<br />
L = (γαβ(x) ˙x α ˙x β ) 1/2<br />
und <strong>die</strong> Variation ist<br />
und<br />
δL = ∂L<br />
∂ ˙x α δ ˙xα + ∂L<br />
δxα<br />
∂xα dx α<br />
dt<br />
= ˙xα<br />
Wir erhalten <strong>die</strong> Variation bezüglich δx α nach Umintegration<br />
δl =<br />
�B<br />
A<br />
�<br />
− d<br />
�<br />
∂L<br />
dt ∂ ˙x α<br />
�<br />
+ ∂L<br />
∂xα �<br />
δx α dt<br />
oder <strong>die</strong> Geodätengleichung<br />
− d<br />
�<br />
∂L<br />
dt ∂ ˙x α<br />
�<br />
+ ∂L<br />
= 0 (2.219)<br />
∂xα Da wir den Materieinhalt als Summe nicht wechselwirkender Felder beschreiben, muß jede einzelne<br />
Komponente <strong>die</strong> Bewegungsgleichung<br />
T ik ;k = 0 (2.220)<br />
aufgrund seiner Feldgleichung erfüllen. Für Testteilchen bzw. Testphotonen ist das <strong>die</strong> Geodätengleichung.<br />
• FORMELN (DIE GEODÄTENGLEICHUNG IM 4DIM RAUM)<br />
Die Dynamik von Testteilchen der Masse m erhalten wir wie folgt. Die Lagrange-Funktion L folgt in der SRT aus dem<br />
einzigen Lorentz–Skalar den man aus Metrik und 4er Geschwindigkeit eines <strong>Teil</strong>chens bilden kann<br />
S = −mc 2<br />
�<br />
�<br />
dτ = −<br />
mc<br />
�<br />
ηik<br />
dx i<br />
dλ<br />
dxk dλ (2.221)<br />
dλ<br />
wobei τ <strong>die</strong> Eigenzeit des <strong>Teil</strong>chens ist. Durch kovariantes Umschreiben (d. h. durch den Übergang ηik → gik zur Metrik<br />
der ART) wird daraus:<br />
S = −mc 2<br />
� � �<br />
dx<br />
dτ = − mc gik<br />
i dx<br />
dλ<br />
k<br />
dλ (2.222)<br />
dλ<br />
Hier ist λ ein beliebiger affiner Parameter zur Beschreibung der <strong>Teil</strong>chenbahn. Wählt man dafür <strong>die</strong> Eigenlänge selbst, dann<br />
wird mit<br />
u i = dxi<br />
ds<br />
u i u k gik = 1 (2.223)
2.4. DIE MASSE DES KOSMOS 175<br />
und mit ds = cdτ, aus der Lagrange-Funktion<br />
L = mc 2 (giku i u k ) 1/2 = mc(gik ˙x i ˙x k ) 1/2<br />
(2.224)<br />
Der Wert der Lagrange-Funktion L ist also L = mc 2 .<br />
Die Geodätengleichung für Testteilchen folgt nun aus der Variation der Lagrange-Funktion nach der Bahn x k (s). Die<br />
Variation ergibt (wenn wir <strong>die</strong> Indizes an u und x unterdrücken)<br />
d ∂L ∂L<br />
− = 0 (2.225)<br />
ds ∂u ∂x<br />
Explizit mit Indizes ergibt das<br />
d<br />
ds (gaku k ) − 1<br />
oder (in kontravarianter Form)<br />
2 gik,au i u k = 0<br />
gak ˙u k + gak,lu k u l − 1<br />
2 gik,au i u k = 0 (2.226)<br />
Durch Heben des Index erhält man (<strong>die</strong> kovariante Form)<br />
D<br />
Ds ui = u i + Γ i jku j u k = 0 (2.227)<br />
Dies ist <strong>die</strong> Geodätengleichung für <strong>die</strong> Bahn x i (s).<br />
• FORMELN (DIE CHRISTOFFELSYMBOLE DES FRIEDMANN KOSMOS)<br />
Wir benutzen zum expliziten Rechnen <strong>die</strong> alternative und bequemere Möglichkeit zur Bestimmung der Christoffelsymbole<br />
Γa ik für L den Ausdruck:<br />
also<br />
L = − mc2<br />
2 gik<br />
dxi dx<br />
dλ<br />
k<br />
dλ<br />
= −mc2<br />
2 giku i u k<br />
(2.228)<br />
L ∝ (˙t) 2 − a 2 (t)[ ˙χ 2 + σk(χ) 2 ( ˙ Θ 2 + sin Θ 2 ˙ φ 2 )] (2.229)<br />
Den räumlichen Anteil schreiben wir (ohne a 2 (t)) mit der Metrik<br />
γαβ = diag(1 , σk(χ) 2 , σk(χ) 2 sin Θ 2 )<br />
als Einheitslänge<br />
� �2 dl(k)<br />
dτ<br />
= [ ˙ l] 2 = γαβu α u β = ˙χ 2 + σk(χ) 2 ˙ Θ 2 + σk(χ) 2 sin Θ 2 ˙ φ 2<br />
Wir differenzieren L nach Vorschrift und erhalten für <strong>die</strong> 0-Komponente:<br />
oder explizit<br />
Daraus folgt<br />
¨t + ˙aa[ ˙ l] 2 = 0<br />
ü 0 + (˙aa)<br />
3�<br />
α=1<br />
γααu α u α = 0<br />
Γ 0 00 = 0 ; Γ 0 αβ = (˙aa)γαβ (2.230)<br />
Und z. B. für <strong>die</strong> 1-Komponente folgt<br />
¨χ + ˙a<br />
a ˙t[ ˙ l] 2 + σk(χ) dσk(χ)<br />
dχ ( ˙ Θ 2 + sin Θ 2 ˙ φ 2 ) = 0<br />
Daraus folgt (zunächst nur für α = 1)<br />
Γ α 0β = ˙a<br />
a δα β<br />
während für <strong>die</strong> reinen Raumkomponenten<br />
Γ α βγ = ˜ Γ α βγ<br />
gilt. Dabei wird ˜ Γ α βγ aus der Metrik γαβ gebildet.<br />
(2.231)<br />
(2.232)
176 KAPITEL 2. GRAVITATION<br />
Prinzipien der Kosmolgie<br />
Als Nachkommen von Kopernikus und mit Einstein wollen wir annehmen, daß der Ort, an dem wir<br />
uns im Kosmos befinden, durch nichts ausgezeichnet ist. Das bedeutet, daß <strong>die</strong> Verteilung jedweder<br />
Art von Energie im Großen unabhängig vom Ort sein muß. Eine Homogenität in der Zeit impliziert<br />
<strong>die</strong>se Annahme nicht.<br />
Der Zeitpunkt jedoch, zu dem wir den Kosmos betrachten, ist ausgezeichnet. Eine Reihe von Parametern<br />
des Kosmos müßen dazu stark eingeschränkte Werte haben. Das ist qualitativ <strong>die</strong> Aussage des<br />
anthropischen Prinzips.<br />
• ANMERKUNG (PRINZIPIEN)<br />
Genauer betrachten wir <strong>die</strong> nebenstehenden Prinzien<br />
Sie sind (in der angegeben Reihenfolge) als relevant für <strong>die</strong> Kosmologie weitgehend akzeptiert und mit der Beobachtung<br />
in Übereinstimmung. Die ersten 5 gehen alle auf Einstein zurück. Diese<br />
wollen wir etwas genauer erläutern.<br />
1. Das Relativitätsprinzip wird mikroskopisch durch Felder in einer lokal<br />
flachen, 4-dim. Raumzeit realisiert. Ihre Feldgleichungen folgen aus<br />
einem Lorentz-invarianten Wirkungsprinzip. Die Wirkung S (bzw. <strong>die</strong><br />
Lagrange-Dichte Funktion Λ) ist bilinear in den Feldern.<br />
2. Das Äquivalenzprinzip verlangt, daß <strong>die</strong> im Newtonschen Gesetz über<br />
<strong>die</strong> Bewegung einer Testmasse m im Gravitationsfeld der Masse M auftretenden<br />
3 Arten von Masse<br />
mtr �a = G mpas Makt grad 1<br />
r<br />
(wobei oft mpas und makt als schwere Masse mschw bezeichnet wer-<br />
Prinzipien der Physik<br />
1. das Relativitätsprinzip,<br />
2. das Äquivalenzprinzip,<br />
3. das kosmologische Prinzip,<br />
4. das Prinzip der allgemeinen Kovarianz,<br />
5. das Machsche Prinzip und<br />
6. das anthropische Prinzip<br />
den) gleich sind. Als Test dazu wurde <strong>die</strong> Periode P von Pendel-<br />
Tab. 2.9: phys. Prinzipien<br />
schwingungen im Gravitationsfeld der Erde von verschiedenen Materialien betrachtet (Bessel, 1830; Eötvös). Das<br />
Äquivalenzprinzip ist in der ART automatisch erfüllt.<br />
3. Das kosmologische Prinzip (Einsteins Weltpostulat) verlangt Homogenität und Isotropie für den Raum zu jedem Zeitpunkt.<br />
Das führt auf Räume konstanter Krümmung mit der Robertson-Walker Metrik ds2 (k) (s. Formelsammlung).<br />
4.Das Prinzip der allgemeinen Kovarianz besagt, daß alle Bezugssysteme äquivalent sind; d. h. es gibt keine ausgezeichneten<br />
Bewegungszustände. Für <strong>die</strong> Gravitation liefert das Prinzip im wesentlichen <strong>die</strong> Einsteinschen Feldgleichungen (realisiert<br />
mittels der Riemannschen Differentialgeometrie), für alle anderen Felder <strong>die</strong> minimale Kopplung (an <strong>die</strong> Gravitation).<br />
5. Das Machsche Prinzip ist philosophischer Natur. Der Newtonsche Eimerversuch zeigt, daß Trägheit (bei Beschleunigung)<br />
eine absolute Eigenschaft des Raumes ist. Welcher Raum ist gemeint? Die Antwort Machs war: derjenige (absolute)<br />
Raum, der durch <strong>die</strong> Verteilung der Sterne gegeben ist.<br />
6. Das anthropische Prinzip haben wir bereits erwähnt (und ist ebenfalls philosophischer Natur).<br />
Die ART ist eine klassische Theorie, quantisierte Felder können berücksichtigt werden, indem man den Erwartungswert<br />
ihres (klassischen) Energie-Impulstensors bestimmt.<br />
Kosmolgie im Rahmen der Newtonschen Theorie<br />
Ersetzt man das Relativitätsprinzip durch <strong>die</strong> Forderung nach Galilei Invarianz, dann können alle aufgeführten<br />
Prinzipien auch auf <strong>die</strong> Newtonsche Gravitationstheorie angewandt werden. Der Versuch,<br />
den Kosmos als Ganzes im Rahmen der Newtonschen Theorie zu beschreiben, führt dann allerdings<br />
auf ein Problem, welches Newton bereits erkannt hatte, was er aber nur provisorisch lösen konnte. Die<br />
Gravitationskraft ist eine langreichweitige Kraft, für den Kosmos als Ganzes bedeutet das, daß, in einer<br />
Fernwirkungstheorie wie der Newtonschen, jeder <strong>Teil</strong> des Universums den andern (instantan) anzieht,<br />
bei homogener Dichte <strong>die</strong>s um so mehr, je weiter <strong>die</strong> beiden <strong>Teil</strong>e voneinander entfernt sind.<br />
Das führt zu der folgenden paradoxen Situation: <strong>die</strong> Kraft am Aufpunkt verschwindet einerseits (aus<br />
Symmetriegründen) für jeden Aufpunkt, weit entfernte Massen andererseits werden dagegen beliebig<br />
stark angezogen. Wie wir zeigen wollen, hilft auch <strong>die</strong> Einsteinsche Allgemeine Relativitätstheorie<br />
hier nicht weiter: es gibt auch bei ihr kein statisches Universum bei langreichweitiger Kraft.<br />
Die eigentliche Lösung des Paradoxons lautet für beide Theorien gleich: es gibt keinen statischen<br />
Kosmos, und <strong>die</strong>s kann bereits im Rahmen der Newtonschen Theorie erklärt werden.
2.4. DIE MASSE DES KOSMOS 177<br />
• ANMERKUNG (VON NEWTON ZU EINSTEIN)<br />
Die folgenden drei Gesichtspunkte sind zum Verständnis einer allgemein relativistischen Gravitationstheorie wichtig:<br />
1. Die Gravitationskraft ist <strong>die</strong> einzige nicht abschirmbare, langreichweitige Kraft. Auf Längenskalen, <strong>die</strong> wesentlich<br />
größer als <strong>die</strong> lokaler Inhomogenitäten, aber wesentlich kleiner als der Kosmos als ganzes sind, l ≈ 100 Mpc, muß<br />
<strong>die</strong> Newtonsche Gravitationstheorie eine gute Näherung darstellen.<br />
Für gegebene Dichte ρ bzw. dazu gehörender Masse<br />
M = 4π<br />
3 ρl3 c<br />
ist <strong>die</strong> kritische Länge der Schwarzschildradius:<br />
lc = 2GMc<br />
c2 �<br />
3c<br />
; lc =<br />
2<br />
=<br />
8πGρc<br />
c<br />
H<br />
(2.233)<br />
(2.234)<br />
Dabei ist G <strong>die</strong> Newtonsche Gravitationskonstante und c <strong>die</strong> Lichtgeschwindigkeit und H der Hubble Expansionsparameter<br />
(s. Definitionen: ’Parameter der ART’). Anschaulich ist also c/H der Schwarzschildradius des Universums.<br />
Für ein Universum mit kritischer Dichte, ρc = 5 · 10 −30 h 2 g cm −3 , sind das 6000 Mpc = 6 Gpc = 2·10 28 cm.<br />
Äquivalent ausgedrückt sind das 2 · 10 10 Lichtjahre, das Universum ist aber nur 2/3 so alt.<br />
2. Nach der allgemein gültigen Einstein Formel<br />
E = mc 2<br />
(2.235)<br />
wirkt als gravitierende Masse jede Form von Energie, aktiv wie passiv (positiv wie negativ). Insbesondere werden<br />
Photonen im Gravitationsfeld abgelenkt, ihr Energiebeitrag muß bei der Bestimmung des Feldes berücksichtigt<br />
werden.<br />
3. Damit wird der Raum selbst bestimmt durch <strong>die</strong> Verteilung und Bewegung der Materie (Energie) in ihm, einen<br />
absoluten Raum gibt es nicht mehr. Der einfachste Fall liegt vor, falls der Raum in dem <strong>die</strong> (leuchtende) Materie im<br />
Mittel ruht (mitschwimmendes Bezugsystem) homogen und isotrop verteilt ist.<br />
2.4.5 Die Bewegungsgleichung des Kosmos<br />
Lokal Newtonsche Dynamik<br />
Die Bewegungsgleichung des Kosmos (im Rahmen der Newtonschen Theorie) folgt am einfachsten<br />
aus dem Energiesatz. Es ist für eine solche homogene und isotrope Materieverteilung in Newtonscher<br />
Näherung<br />
Ekin = 1<br />
2<br />
M�<br />
o<br />
(˙a) 2 dm = 3<br />
10 (˙a)2 M ; Epot = −<br />
M�<br />
0<br />
Gm<br />
a<br />
GM<br />
dm = −3<br />
5<br />
2<br />
a<br />
(2.236)<br />
Hier ist M = 4π<br />
3 ρa3 <strong>die</strong> konstante Masse innerhalb des Radius a = aof(t), wenn wir benutzen, daß<br />
<strong>die</strong> Bewegung homolog ist (keine Massenschale überholt <strong>die</strong> andere) und dm = 4πρa 2 da <strong>die</strong> Masse<br />
in der Schale mit Radius a und der Dicke da. Die Integration ist für t = const durchzuführen und es ist<br />
zu beachten, daß a = a(t, m) ist.<br />
Der Energiesatz verlangt<br />
oder<br />
Ekin + Epot = K1 mit K1 = const<br />
(˙a) 2 = 2GM<br />
+ K2<br />
a<br />
Die Konstante K bestimmt, ob <strong>die</strong> Bewegung endlich, K < 0 oder unendlich in Raum und Zeit ist.<br />
Wir betrachten der Einfachheit halber den Fall K = 0. Die Lösung lautet dafür<br />
2<br />
3 a3/2 = √ 2GMt mit t = 2 ˙a<br />
3 a<br />
Zum Zeitpunkt t = 0 ist für alle Lösungen a = 0 und damit ρ(0) = ∞. Das ist der Urknall.
178 KAPITEL 2. GRAVITATION<br />
Die ART<br />
Im Folgenden wollen wir den Übergang zur ART vollziehen, indem wir (ad hoc)<br />
K1 = −kMc 2<br />
bzw K2 = −kc 2<br />
setzen. Die einzige neue Größe ist <strong>die</strong> Lichtgeschwindigkeit c, sie tritt aber nur auf als Umrechnungsgröße<br />
von Zeit t in Länge x:<br />
˙a → 1<br />
˙a = a′<br />
c<br />
Die klassischen Gleichungen der ART liefern keine fundamentale Länge, deshalb ist <strong>die</strong> Newtonsche<br />
Näherung (bei geeigneter Interpretation) exakt. In der Einsteinschen Allgemeine Relativitätstheorie<br />
kann k nur <strong>die</strong> Werte +1 für ein räumlich geschlossenes Universum, k = 0 für das flache Universum<br />
und k = −1 für ein Universum mit negativer Raumkrümmung annehmen.<br />
Die Gleichungen der ART lauten vollständig<br />
�<br />
′ a<br />
3<br />
a<br />
2 a′′<br />
a +<br />
�<br />
′ a<br />
a<br />
� 2<br />
� 2<br />
� �2 1<br />
+ 3k<br />
a<br />
� �2 1<br />
+ k<br />
a<br />
dabei ist ɛ = ρc 2 <strong>die</strong> Massen-Energiedichte, p der Druck und<br />
ˆκ = 8πG<br />
c 4<br />
= ˆκɛ (2.237)<br />
= −ˆκp (2.238)<br />
(2.239)<br />
<strong>die</strong> relativistische Kopplungskonstante.<br />
Als Konsequenz folgt der erste Hauptsatz der Thermodynamik für adiabatische Änderung des Zustands<br />
der Materie und es gilt:<br />
(ɛa 3 ) ′ = −p(a 3 ) ′<br />
Für baryonische Materie ist heute (mit Temperatur T = 3 K) der Druck 2p = 3nkT ≈ 0 vernachläßigbar,<br />
Photonen haben <strong>die</strong> Zustandsgleichung ɛ = 3p. Damit verhalten sich <strong>die</strong> beiden Komponenten<br />
wesentlich verschieden bei der Expansion: baryonische Materie befolgt ɛa 3 = const; Photonen<br />
dagegen gehorchen ɛa 4 = const., da der Druck stets vergleichbar mit der Energiedichte ist.<br />
2.4.6 Die Massendichte des Universums<br />
In der ART wirkt alles, was Energie oder Masse hat, gravitierend. Alles gehorcht der Einstein Formel,<br />
ɛ = ρc 2 , auch das Vakuum. Es ist deshalb unumgänglich, alle Komponenten des Kosmos zu bestimmen:<br />
der Energienullpunkt ist nicht willkürlich, wie in der Spezielle Relativitätstheorie, er ist absolut. Wir<br />
betrachten im folgenden der Reihe nach <strong>die</strong> Beiträge: Baryonen, Photonen, Dunkelmaterie und das<br />
Vakuum.<br />
Die Baryonendichte<br />
Die Baryonendichte hat <strong>die</strong> Anteile Ruhmassenenergie und kinetische Energie: ɛ = mc2n + 3kT<br />
n und<br />
2<br />
<strong>die</strong> Näherung p ≈ 0 ist so lange ausreichend, wie mc2 ≫ kT gilt. Es gibt drei Möglichkeiten, <strong>die</strong><br />
mittlere Dichte des Universums zu bestimmen:
2.4. DIE MASSE DES KOSMOS 179<br />
1. <strong>die</strong> statische: Abzählen und Aufsummieren der leuchtenden Materie im hinreichend grossen Volumen.<br />
2. <strong>die</strong> lokal dynamische: Bestimmung des Gravitationspotentials eines hinreichend grossen Volumens<br />
über den Virialsatz oder den Linseneffekt.<br />
3. <strong>die</strong> global dynamische: Bestimmung der Hubble Konstanten (Expansionsrate des Kosmos) anhand<br />
von Cepheiden oder Supernovae (Standardkerzen).<br />
Eine Möglichkeit, durch direkte (optische) Beobachtung <strong>die</strong> mittlere Dichte des Universums zu bestimmen,<br />
besteht darin, <strong>die</strong> Masse eines hinreichend grossen Volumens (über <strong>die</strong> Leuchtkraft der darin<br />
enthaltenen Galaxien) zu bestimmen.<br />
Unabhängig davon kann man <strong>die</strong> Virialmasse M (über <strong>die</strong> Dopplerverschiebung) bestimmen. Das führt<br />
direkt auf das Problem der Dunkelmaterie. Das Verhältnis von Masse zu optischer Leuchtkraft LV<br />
Mvir<br />
LV<br />
= M<br />
L<br />
= f M⊙<br />
L⊙<br />
eicht man zunächst in Sonnenumgebung, was f ≈ 3 ergibt, dann etwa an unserer Galaxis (f ≈ 10<br />
ohne Halo) bzw. Galaxien in unserer Nachbarschaft, so erhält man (je nach Galaxientyp noch differenziert)<br />
f ≈ 5 . . . 30 verglichen mit der Virialmasse. Dieses Verhältnis f wächst mit der Entfernung und<br />
beträgt für Coma bereits f ≈ 400. Licht ist demnach kein verläßlicher Anzeiger (tracer) für Materie.<br />
Wesentlich besser geignet scheint dagegen Röntgenstrahlung zu sein, welche von intergalaktischem,<br />
heißem Gas ausgestrahlt wird.<br />
Im Folgenden wollen wir a mit R bezeichnen. Indirekt kann man <strong>die</strong> mittlere Dichte des Universums<br />
aus der Dynamik des Kosmos bestimmen. Man definiert dazu den Hubble Expansionsparameter H und<br />
eine kritische Dichte des Universums wie folgt:<br />
H = ˙ R<br />
R<br />
; ρc = 3<br />
8πG H2<br />
; Ω = ρ<br />
ρc<br />
= 8πG<br />
3 ρH−2<br />
dabei bestimmt der dimensionslose Dichteparameter Ω in der ART <strong>die</strong> Geometie<br />
Ω<br />
⎧<br />
⎪⎨<br />
⎪⎩<br />
> 1 sphärisch (geschlossen)<br />
= 1 Euklidisch<br />
< 1 hyperbolisch (offen)<br />
des Universums. Sie ist eine topologische Invariante.<br />
Die beide Grundgrößen, H<br />
H −1<br />
o = 0.98 · 10 10 h −1<br />
yr<br />
und ρ sind für ein expan<strong>die</strong>rendes Universum zeitabhängig; ebenso <strong>die</strong> kritische Dichte<br />
ρc = 3H2<br />
8πG = 5 · 10−30 (2h) 2<br />
gcm −3<br />
(2.240)<br />
(2.241)<br />
trotzdem wird, etwas missverständlich, Ho = H(heute) Hubble Konstante genannt (weil sie sich in<br />
den nächsten 10 9 yr nur wenig ändern wird).<br />
Die Aussage ρ = ρc bzw. Ω = 1 ist zeitunabhängig, sonst gilt Ω = Ω(t). Der Beobachtungsbefund, daß<br />
für unser Universum heute Ω(to) ≈ 1 gilt, wird allgemein als Problem angesehen, flatness problem.<br />
Im einfachsten Fall, dem flachen Universum, ist <strong>die</strong> Dichte also gleich der kritischen Dichte und Ω = 1<br />
= const. gilt für alle Zeiten. Das Alter eines solchen Universums beträgt:<br />
tU = 2<br />
3 H−1 o = 2<br />
10 By (2.242)<br />
3ho
180 KAPITEL 2. GRAVITATION<br />
Wenn man also bereits weiß, daß das Universum flach ist ( z. B. aus einer Theorie wie der Inflationstheorie),<br />
dann benötigt man nur eine einzige Messung, um das Universum auszumessen. Die heutigen<br />
Beobachtungen lassen sich mit <strong>die</strong>sem einfachsten Einstein - de Sitter Universum nicht mehr<br />
beschreiben. Benötigt wird neben Dunkelmaterie (Anteil Ωm, Zustandsgleichung p = 0) auch noch<br />
Vakuumenergie (Anteil ΩΛ, Zustandsgleichung p = −ɛ).<br />
Die Beobachtungen ergaben 1994 für h folgende Werte:<br />
h = 0.82 ± 0.17 an Cepheiden im Virgo Haufen.<br />
h = 0.67 ± 0.07 an Typ I Supernovae<br />
h = 0.7 ± 0.15 Mittelwert<br />
Der endgültige Wert des HST key projects (2001) ist h = 0.73±0.1, bestimmt an Cepheiden des Virgo<br />
Haufens. Damit erhält man Mv = −19.6 für Supernovae des Typs Ia oder L = 10 10 L⊙. Wie wir später<br />
genauer erläutern, kann man aus der scheinbaren Helligkeit mv als Funktion der Rotverschiebung z<br />
dann <strong>die</strong> Parameter Ωm für <strong>die</strong> Dunkelmaterie und ΩΛ für <strong>die</strong> Vakuumenergie bestimmen. Das Ergebnis<br />
lautet Ωm = 0.3 und ΩΛ = 0.7. Das Universum fliegt hiernach beschleunigt auseinander.<br />
Falls Dunkelmaterie wirklich <strong>die</strong> Zustandsgleichung p = 0 befolgt, dann hat baryonische Materie<br />
in unserem Kosmos dynamisch nie eine Rolle gespielt (wie <strong>die</strong> Massendichte der Photonen bis zur<br />
Rekombination). Die Struktur unseres Universums wurde bestimmt durch Materie, deren Herkunft<br />
und Eigenschaften im wahrsten Sinne im Dunkeln liegen (vergleichbar etwa der Situation zur Zeit von<br />
Helmholtz, Kelvin und Emden, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Physik der Sonne beschreiben wollten).<br />
Die Massendichte der Photonen<br />
Photonen sind Bosonen und werden durch das relle Maxwell Feld beschrieben. Thermische Photonen<br />
gehorchen einer Planckverteilung. Neben Photonen gibt es im Universum als Relikt der heißen Phase<br />
noch (thermische) Neutrinos, welche aber (noch nicht) nachgewiesen sind.<br />
• ANMERKUNG (EIGENSCHAFTEN DER PHOTONEN)<br />
Hier eine Zusammenstellung von Eigenschaften, wie sie aus der Planckverteilung folgen.<br />
Statistisches Gewicht gγ = 2.<br />
Die Temperatur der Hintergrundstrahlung ist Tbb = 2.735K (gemessen).<br />
Maximum der Intensität Iλ liegt bei der Wellenlänge 2 mm.<br />
Die Photonen - Zahldichte nγ, (Bose - Einstein - Verteilung)<br />
� �3 T<br />
nγ ≈ 420<br />
2.735K<br />
< Eγ > , mittlere Energie pro Photon<br />
< Eγ > ≈ 2.7kT ≈ 6 · 10 −4<br />
< ργ > , mittlere Massen-Energiedichte<br />
1<br />
c 2 < ργ > = 4.5 · 10 −34<br />
cm −3 (2.243)<br />
eV (2.244)<br />
g cm −3 = 0.25 eV cm −3<br />
für das Verhältnis der Energiedichten (Photonen plus Neutrinos) folgt heute<br />
θm =<br />
g∗aBT 4<br />
2ρmc 2 = 1.6 · 10−4 [Ω −1 (2h) −2 ] (2.245)
2.4. DIE MASSE DES KOSMOS 181<br />
mit dem effektiven statistischen Gewicht (für alle masselosen Felder zusammen)<br />
�<br />
g∗ = 2 1 + 7<br />
� � �<br />
4/3<br />
4<br />
× 2 × 3 ×<br />
= 3.36 (2.246)<br />
16 11<br />
wobei für <strong>die</strong> Photonen allein<br />
gilt.<br />
˜θm =<br />
aBT 4<br />
ρmc 2 = 0.9 · 10−4 [Ω −1 (2h) −2 ] (2.247)<br />
Der Energiedichte der Photonen, ɛγ = aBT 4 , entspricht in der ART eine Massendichte<br />
ργ = aB 4<br />
T<br />
c2 welche gravitierend wirkt. Das Verhältnis θm zur Baryonenmassendichte, ρm, ist eine dimensionslose<br />
Zahl. Es gilt<br />
ργ = (1 + z) 4 ργ(to) und ρm = (1 + z) 3 ρm(to)<br />
und wir sehen, daß θm zeitabhängig ist.<br />
θm = (1 + z)θm(to)<br />
Es gilt heute für Photonen plus Neutrinos<br />
θm =<br />
g∗aBT 4<br />
2ρmc 2 = 1.6 · 10−4 [Ω −1 (2h) −2 ] (2.248)<br />
mit To = 2.7K und mit dem effektiven statistischen Gewicht (für alle masselosen Felder zusammen)<br />
�<br />
g∗ = 2 1 + 7<br />
� �4/3 4<br />
× 2 × 3 ×<br />
16 11<br />
�<br />
= 3.36 (2.249)<br />
Bei<br />
1 + z = 5 · 10 3 [Ω(2h) 2 ] oder T = 5 · 10 3 To[Ω(2h) 2 ] K<br />
ist <strong>die</strong> Energiedichte der Photonen und aller Neutrinos gleich der der Baryonen. Mit Ω = 0.2 und<br />
To = 2.7K ist das bei einer Temperatur von 2700 K, etwa <strong>die</strong> Temperatur der Rekombination von H.<br />
Das Verhältnis der Anzahldichten, nb und nγ, ist ebenfalls eine dimensionslose Zahl, ˜s, <strong>die</strong> Entropie<br />
pro Baryon.<br />
˜s = nγ<br />
nb<br />
= 1.4 · 10 8 [Ω −1 (2h) −2 ] (2.250)<br />
Sie ist konstant, und stellt demnach für unseren Kosmos eine Anfangsbedingung dar: sie kann nicht<br />
erklärt werden. Im folgenden wollen wir <strong>die</strong>se mit ihrem Kehrwert parametrisieren<br />
η = nb<br />
nγ<br />
= 8 · 10 −9 [Ω(2h) 2 ] (2.251)<br />
Der hohe Wert der Entropie bewirkt, daß der Beitrag, den etwa Staubwolken und Sternenlicht dazu<br />
liefern können, gering ist.<br />
Bis zu Photonen Energien von einigen GeV (mpc 2 = 1 GeV) sind <strong>die</strong> Baryonen nichtrelativistisch. Aus<br />
der Erhaltung der Baryonen- Nb = R 3 nb und der Photonenzahl Nγ = R 3 nγ während der Expansion<br />
ziehen wir nun zwei wichtige Schlüsse:
182 KAPITEL 2. GRAVITATION<br />
1. RT = const = RoTo:<br />
T = To(1 + z)<br />
2. <strong>die</strong> Zustandsgleichung<br />
� �3 �<br />
Ro<br />
ρ = ρo 1 + θm(o)<br />
R<br />
Ro<br />
�<br />
R<br />
(2.252)<br />
Der Grund für <strong>die</strong>ses fundamental unterschiedliche Verhalten, auf dem <strong>die</strong> Physik des heißen Urknalls<br />
beruht, ist <strong>die</strong> Zustandsgleichung: Baryonen haben p = 0, sodaß<br />
dE = −pdV = 0 → ρm = ρm(0)<br />
� �3<br />
Ro<br />
R<br />
sie leisten also keine Arbeit am Kosmos; Photonen (selbst wenn sie nicht thermisch sind, isotrop<br />
genügt) haben 3p = ɛ und damit gilt<br />
dE = −pdV = − E<br />
3V dV → ργ = ργ(0)<br />
� �4<br />
Ro<br />
R<br />
Was heute nur eine unbedeutende Störung ist, war einmal der Hauptbeitrag, vorausgesetzt, <strong>die</strong> Photonen<br />
sind nicht später erzeugt worden. Niemandem ist dazu eine überzeugende Methode eingefallen<br />
(wegen der hohen Entropie, nicht aus energetischen Gründen).<br />
Dunkelmaterie<br />
• ANMERKUNG (ZUR ERINNERUNG)<br />
Folgende Daten über unsere Galaxis, <strong>die</strong> sich auf den Umlauf der Sonne um das Galaktische Zentrum beziehen:<br />
Kreisfrequenz Ω bzw. Periode P<br />
Ω = 8.08 · 10 −16 s −1<br />
Radius der Umlaufbahn<br />
R = 8 kpc, (2.46 · 10 22<br />
bzw. P = 2π<br />
Ω<br />
cm)<br />
v Geschwindigkeit vesc : Entweichgeschwindigkeit<br />
= 250 Myr<br />
v = 220 km s −1 vesc = 310 km s −1<br />
M Masse in M⊙, (M⊙ = 1.989 · 10 33 g) innerhalb der Umlaufbahn<br />
M = 10 11 M⊙ Ω 2 R 3<br />
mittlere Massendichte ρ ≈ 0.1M⊙ pc −3 (≈ 10 −23 cm −3 ).<br />
<strong>Teil</strong>chendichte, gesamt: n ≈ 10 cm −3 , 90% in Sternen konzentriert plus 10% Gasanteil (HI, H2), davon etwa 3% ionisiert<br />
(HII): ne ≈ 0.03 cm −3 .<br />
Die Umlaufzeit der Sonne um das Galaktische Zentrum beträgt 250 Myr bei einer Entfernung von 8<br />
kpc und es gilt, falls wir annehmen, daß <strong>die</strong> meiste Masse innerhalb der Umlaufbahn liegt (Kepler III)<br />
P = (4π 2 /GM)R 3/2 = 250(R/8kpc) 3/2 Myr (2.253)<br />
Selbst in einer Entfernung von 40 kpc vom gal. Zentrum (Halo) ist <strong>die</strong> Bewegung noch vollständig<br />
virialisiert (P ≈ 3 · 10 9 yr). Die Geschwindigkeit weit außerhalb liegender Sterne (oder Haufen) sollte,<br />
falls <strong>die</strong> Masse mit den leuchtenden Sternen zusammenfällt, wie<br />
v = ΩR = (GM/R) 1/2
2.4. DIE MASSE DES KOSMOS 183<br />
abfallen: was man dagegen beobachtet ist v ≈ const. Das wird allgemein so gedeutet, daß noch Materie<br />
vorhanden ist, <strong>die</strong> man zwar nicht leuchten sieht, <strong>die</strong> aber gravitiert. Die dazugehörende Masse wächst<br />
wie der Radius, <strong>die</strong> Dichte fällt ab wie R −2 .<br />
Untersucht hat man dazu neben der Bewegung von Cepheiden und Sternhaufen (bis R = 35 kpc)<br />
neuerdings auch CO Wolken (R = 18 kpc) und <strong>die</strong> Maghellanschen Wolken LMC (R = 50 kpc) und<br />
SMC (R = 57 kpc). Die Gesamtmasse beträgt dann im Halo (bis R = 100 kpc) mehr als 10 12 M⊙.<br />
Im Rahmen der Genauigkeit <strong>die</strong>ser Messungen ist <strong>die</strong> Dunkelmaterie kugelförmig verteilt. Woraus<br />
besteht sie?<br />
Geht man über zur nächst größeren Entfernungseinheit, der Dimension der Haufen von Galaxien,<br />
D ≈ 20 Mpc, so findet man, völlig unerwartet, ein heißes, thermisches Gas, welches über seine<br />
Röntgenstrahlung nachgewiesen wird. Der Beitrag, den <strong>die</strong>se Gas zur Dunkelmaterie liefert, beträgt<br />
etwa 10%, seine Längenskala reicht über <strong>die</strong> der Dunkelmaterie hinaus.<br />
Fassen wir zusammen: wir haben eine Hierarchie von Skalen und dazugehörenden Massen: der Dichte<br />
Beitrag bezieht sich auf <strong>die</strong> kritische Dichte und <strong>die</strong> Skala 3000 Mpc (= 3Gpc = Radius des Universums).<br />
Materieverteilung<br />
Objekt Längen Dichte<br />
Skala Beitrag<br />
Photonen 3 Gpc 10 −4<br />
Galaxien (Sterne) 20 kpc 10 −3<br />
Haufen (heißes Gas) 50 Mpc 10 −2<br />
Dunkelmaterie 20 Mpc 10 −1<br />
Falls also nicht noch weitere Materie (auf noch größeren Skalen) gefunden wird, leben wir in einem<br />
offenen Universum, k = −1, das sich für alle Zeiten ausdehnen wird.<br />
Vakuumenergie<br />
Da in der ART alles, was Energie hat, gravitierend wirkt, auch das Vakuum, ist der Energienullpunkt<br />
nicht mehr willkürlich, er ist absolut. Da es sich aber bei der ART um eine klassische, d.h. nicht quantisierte<br />
Theorie handelt, ist es nicht klar, wie Quantenfelder mit ihrer Nullpunktsenergie einzubeziehen<br />
sind. Lokal folgt aus Invarianz unter Lorentz Transformation, daß der Energie-Impulstensor des Vakuums<br />
proportional zur Metrik sein muß.<br />
• ANMERKUNG (HERLEITUNG AUS DER LAGRANGE-FUNKTION)<br />
Phänomenologisch kann man einen kosmologischen Term, Λv, zu den Einsteinschen Gleichungen hinzufügen, ohne <strong>die</strong><br />
Konsistenz (wohl aber den physikalischen Gehalt) der Gleichungen zu zerstören.<br />
Tatsächlich kann man zum Ricci Skalar in der Lagrange-Funktion noch eine kosmologische Konstante Λv ad<strong>die</strong>ren<br />
Sv = − 1<br />
ˆκ<br />
�<br />
√ dΩ<br />
Λv −g<br />
c<br />
um den Energie-Impulstensor des Vakuums zu erhalten:<br />
Tab = 1<br />
ˆκ Λvgab<br />
(2.254)<br />
(2.255)<br />
Die Gleichungen der ART lauten dann ( ′ Ableitung nach ct)<br />
� � ′ 2 � �2 a 1<br />
3 + 3k<br />
a a<br />
2<br />
= ˆκ(ɛ + ɛv) (2.256)<br />
a′′<br />
a +<br />
� � ′ 2 � �2 a 1<br />
+ k<br />
a a<br />
= −ˆκ(p − ɛv) (2.257)
184 KAPITEL 2. GRAVITATION<br />
oder umgeformt<br />
(a ′ ) 2 = −k + ˆκ<br />
2<br />
(ɛ + ɛv)a<br />
3<br />
(2.258)<br />
a ′′ = − ˆκ<br />
6 (ɛ + 3p − 2ɛv)a (2.259)<br />
Notwendig für eine statische Lösung mit p = 0 ist k = 1, also ein geschlossener Raum (endliches Volumen) mit Radius a.<br />
Es gilt ɛ = 2ɛv oder<br />
κρ<br />
2 = ΛE = 1<br />
a 2<br />
wobei wir jetzt als Index E für Einstein geschrieben haben.<br />
(2.260)<br />
Diesen Energie-Impulstensor des Vakuums kann man nicht leicht interpretieren. Seine Zustandsgleichung<br />
ist p = −ɛ und <strong>die</strong> Energiedichte des Vakuums ist gegeben durch<br />
ɛv = 1<br />
ˆκ Λv<br />
Diese Zustandsgleichung verlangt, daß entweder <strong>die</strong> Energiedichte negativ ist oder aber der Druck.<br />
Diskutiert wird heute ein Term positiver Energiedichte (negativer Druck).<br />
Der Energiesatz liefert<br />
(2.261)<br />
(Λa 3 ) ′ = Λ(a 3 ) ′ → Λ = const (2.262)<br />
d. h. obwohl das Universum expan<strong>die</strong>rt, bleibt seine (Vakuum) Energiedichte konstant.<br />
• ANMERKUNG (ANTIGRAVITATION)<br />
Wie das möglich ist, daß <strong>die</strong> Energiedichte bei beschleunigter Expansion konstant bleibt: der negative Druck liefert <strong>die</strong><br />
dazu notwendige Arbeit. Münchhausen läßt grüßen.
Kapitel 3<br />
Kernphysik: Altersbestimmung<br />
3.1 Einleitung<br />
Die klassische Altersbestimmung von Objekten in unserem Universum beruht auf der Bestimmung<br />
radioaktiver Zerfallszeiten von Elementen jenseits von Eisen und der Erzeugung <strong>die</strong>ser Elemente in<br />
Supernovae.<br />
• DEFINITION (HALBWERTSZEIT UND ZERFALLSZEIT)<br />
Wichtige Beispiele kurzlebiger Isotope in der Geo- bzw. <strong>Astrophysik</strong> sind:<br />
Daten zu kurzlebigen Isotopen<br />
Element t 1/2 τ<br />
Neutron 623.7 s 900 s<br />
56 Co 77 d 111 d<br />
Tritium 12.46 yr<br />
44 Ti 90 yr<br />
Daten zu kurzlebigen Isotopen<br />
Element t 1/2 τ<br />
14 C 5.568 kyr<br />
26 Al 0.770 Myr 1.1 Myr<br />
10 Be 2.6 Myr<br />
97 Tc 1.8 Myr 2.6 Myr<br />
Tritium und 14 C entstehen in der Erdatmosphäre durch sekundäre <strong>Teil</strong>chen in einem Schauer, der durch ein primäres CR-<br />
<strong>Teil</strong>chen ausgelöst wurde. In 1000 km Höhe besteht <strong>die</strong> harte Komponente der Sekundärstrahlung zur Hälfte aus Neutronen,<br />
<strong>die</strong> andere aus Protonen. Ähnliche Schauer gibt es beim Durchgang durch Molekülwolken. Direkt nachweisbar ist dort <strong>die</strong><br />
π 0 -Komponente über ihre harte Gamma Strahlung.<br />
Technetium, Z = 43, hat überhaupt kein stabiles Isotop, dennoch kommt es in den Photosphären bestimmter<br />
Sterne vor.<br />
Bei einem Zerfallsgesetz der Form<br />
N(t) = No e −λt mit τ = 1<br />
λ<br />
heißt λ Zerfallskonstante und <strong>die</strong> Inverse dazu, τ, heißt Zerfallszeit (engl. e-folding time). Die ebenfalls gebräuchliche<br />
Halbwertszeit, N(t 1/2) = No/2, (auch mittlere Lebensdauer genannt) ist dann<br />
t 1/2 = τ ln2 ; ln2 = 0.693 (3.2)<br />
Die Bedeutung eines Zerfallsgesetzes obiger Form liegt darin, daß <strong>die</strong> Zerfallsrate A proportional zur vorhandenen Menge<br />
N ist:<br />
A = − ˙ N = λN (3.3)<br />
In der Kernphysik heißt A Aktivität (beim Kernzerfall). Die Einheit ist Bequerel (Bq) bzw. Curie (Ci)<br />
1Bq = 1s −1 und 1Ci = 3.7 · 10 10 Bq (3.4)<br />
185<br />
(3.1)
186 KAPITEL 3. KERNPHYSIK: ALTERSBESTIMMUNG<br />
Die Umkehrung des Kernzerfalls ist <strong>die</strong> Kernfusion. Dies führt auf <strong>die</strong> Möglichkeit, <strong>die</strong> Alter der<br />
Sterne anhand berechneter Sternentwicklungszeiten, <strong>die</strong> durch ihre Position im Hertzsprung-Russel-<br />
Diagramm abgelesen werden können, zu bestimmen. Ein Stern wie <strong>die</strong> Sonne benötigt etwa 10 Gyr<br />
zum Kernbrennen (auf der Hauptreihe), <strong>die</strong> massivsten Sterne dagegen nur wenige Myr.<br />
Neben der Bildung (der Protosterne, heute vornehmlich in Molekülwolken) und der Entwicklung der<br />
Sterne (nachdem sie ihre Mutterwolke verlassen haben) kann man ihre Kinematik bzw. Dynamik heranziehen,<br />
dynamische Alter zu bestimmen. Für junge Objekte ist ihre Entfernung von der galaktischen<br />
Ebene ein Maß für das Alter (bei bekannter Eigengeschwindigkeit).<br />
Weiße Zwerge, <strong>die</strong> ihr Kernbrennen beendet haben, können nur noch abkühlen. Hier kann <strong>die</strong> Temperatur<br />
des Sterns als Altersindikator benutzt werden (da spezifische Wärme und Temperaturleitfähigkeit<br />
berechnet werden können). Eine vollkommen neue Methode beruht auf der Möglichkeit, das Alter bestimmter<br />
Millisekunden Pulsare aus ihrem Abbrems- bzw. Akkretionsverhalten direkt zu bestimmen,<br />
insbesondere wenn sie Begleiter bekannten Alters besitzen.<br />
3.2 Problembestimmung<br />
Neben den Fragen, wie groß (Länge) und wie schwer (Masse) das Universum ist und woraus es besteht,<br />
ist <strong>die</strong> zentrale Frage: wie alt ist der Kosmos. Die tiefer liegende Frage, was Zeit ist, kann damit<br />
natürlich nicht beantwortet werden. Raum und Zeit sind empirische Gegebenheiten.<br />
• ANMERKUNG (DIE DEFINITION VON ZEIT IM KOSMOS)<br />
Für Newton waren Raum (drei dimensional, Euklidisch) und Zeit (eindimensional) absolut. Der Eimerversuch zeigt <strong>die</strong>s:<br />
beschleunigte Bewegung (in <strong>die</strong>sem Fall <strong>die</strong> Rotation des Eimers und <strong>die</strong> aus der Rotation folgende Krümmung seiner<br />
Oberfläche) ist relativ zu den Fixsternen (Mach) zu definieren. Eine Uhr wird durch <strong>die</strong> Rotation der Erde (oder durch ein<br />
Pendel) realisiert.<br />
Für den pragmatischen Physiker mag <strong>die</strong> Entdeckung des Atoms (mit seinem Kern) oder <strong>die</strong> Expansion des Universums<br />
(mit seinem Urknall) <strong>die</strong> bedeutendste Leistung des 20ten Jahrhunderts sein. Für den Philosophen ist <strong>die</strong>s jedoch <strong>die</strong><br />
Vereinigung von Raum und Zeit zur vier dimensionalen Raumzeit. Diese selbst folgt notwendig, wie Einstein gezeigt hat,<br />
aus dem Kausalitätsprinzip.<br />
Allerdings gilt auch hier: Erst ein mit Energie und Materie angefüllter Raum (Kosmos) liefert ein natürliches Bezugsystem.<br />
Und zwar dasjenige System, in dem <strong>die</strong> Materie im Mittel ruht. Zeit ist dann das, was von mitbewegten Beobachtern mit<br />
Atomuhren gemessen wird; d. h. gleich-zeitig und gleich-ortig bezieht sich auf <strong>die</strong>ses Bezugsystem. Wie eine Atomuhr sich<br />
in einer solchen Raumzeit verhält, kann mithilfe der Dirac Gleichung (über das Kovarianzprinzip) beschrieben werden.<br />
Das Universum selbst kann dabei zyklisch oder zeitgerichtet sein. Es kann mit und ohne Anfang, singulär oder regulär<br />
sein. Diese Anschauungen haben ihre Entsprechung in Religion und Mythos. Etwa in der christlichen Religion, wo es eine<br />
Entwicklung vom Guten (Para<strong>die</strong>s) zum Bösen (Apokalypse) gibt. Im Buddhismus ist das Universum (und das Leben)<br />
zyklisch.<br />
Bei der wissenschaftlich fun<strong>die</strong>rten Beantwortung <strong>die</strong>ser Frage spielt <strong>die</strong> Kernphysik <strong>die</strong> entscheidende<br />
Rolle. Sie (<strong>die</strong> Kernphysik) wird benötigt zur Beschreibung der Fusionsprozesse im Innern von Sternen<br />
und zur Bestimmung der radioaktiven Zerfallszeiten der dort erzeugten Elemente. Da bereits im frühen<br />
Kosmos <strong>die</strong> leichtesten Elemente erzeugt wurden, geht <strong>die</strong> Kernphysik auch hier direkt ein (Helium<br />
Häufigkeit).<br />
Von den mehr als 1000 bekannten Atomkernen (<strong>die</strong> genaue Zahl wächst langsam aber stetig aufgrund<br />
künstlich erzeugter Kerne) sind 268 Kerne stabil. Die restlichen Kerne zerfallen, manchmal in einer<br />
ganzen Kette von weiteren radioaktiven Elementen. Unter den natürlichen ∗ Atomkernen spielt Technetium,<br />
(Z = 43), eine besondere Rolle (in Bezug auf <strong>die</strong> Kernkräfte): es besitzt überhaupt kein stabiles<br />
Isotop, kann also nur künstlich erzeugt werden (daher der Name).<br />
∗ Zur Bezeichnung:<br />
natürlich = auf der Erde vorkommend; künstlich = nur im Labor durch Kernreaktionen herstellbar.
3.2. PROBLEMBESTIMMUNG 187<br />
Die Bestimmung radioaktiver Zerfallszeiten (und der dazu gehörenden Zerfallsketten) ist eine der grossen<br />
Errungenschaften der Physik des 20ten Jahrhunderts. Die messbaren Zerfallszeiten reichen von<br />
10 −21 s bis 10 15 yr.<br />
Die experimentelle Methode geht auf Rutherford (1900) zurück, <strong>die</strong> theoretische Erklärung auf Gamow<br />
(Tunneleffekt). Geordnet nach der Stärke der involvierten Wechselwirkung kennt man folgende<br />
Zerfälle, wobei <strong>die</strong> Notation<br />
A Xy (a b) B Yz<br />
bedeutet, daß der Kern der Atomzahl A und der Ladung Z = y durch Emission der <strong>Teil</strong>chen a und b<br />
in einen Kern der Atomzahl B und der Ladung Z = z übergeht.<br />
• BEISPIEL (KERNZERFALL)<br />
1. α−Zerfall<br />
Die wichtigsten Halbwertszeiten für Kerne mit α−Zerfall liegen zwischen 10 9 a (Vorkommen auf der Erde) und<br />
10 12 a (Intensität der Strahlung); Kerne mit 10 15 a Halbwertszeit kann man noch nachweisen.<br />
A Xy (α) A−4 Yy−2 Beispiel<br />
224 Ra88 (α) 220 Rn86<br />
Neben dem α−Zerfall gibt es auch den Protonenzerfall, den wir bei den Fusionsreaktionen in Sternen behandeln<br />
werden.<br />
2. n−Zerfall<br />
Die Halbwertszeiten für <strong>die</strong> Neutronenemission sind extrem kurz: zwischen 10 −21 s und 10 −12 s.<br />
A Xy (n) A−1 Yy Beispiel<br />
5 He2 (n) 4 He2<br />
3. Kernspaltung<br />
Die berühmte Kernspaltungsreaktion von Uran 235 lautet (Hahn u. Strassmann, 1938)<br />
⎧<br />
⎨<br />
235 U92 (n) 236 U92 →<br />
⎩<br />
140 Cs55 (2n) 94 Rb37<br />
144 Ba56 (3n) 89 Kr36<br />
143 La57 (3n) 90 Br35<br />
Bei <strong>die</strong>ser Spaltung werden etwa 200 MeV freigesetzt (exotherme Reaktion), im Mittel werden 2.47 Neutronen<br />
emittiert. Um daraus einen Reaktor (bzw. <strong>die</strong> Atom Bombe) zu bauen, muß der Wirkungsquerschnitt für <strong>die</strong> Kernspaltungsreaktion<br />
von Uran 235 bekannt sein. Umgerechnet ergeben sich 20 kg als kritische Masse.<br />
4. γ−Zerfall<br />
Es handelt sich genauer um Abregung eines angeregten Zustandes mithilfe der elektromagnetischen Wechselwirkung.<br />
X ∗ (γ) X Beispiel<br />
7 Li3<br />
5. β−Zerfall<br />
Neben dem α−Zerfall ist <strong>die</strong>s der astrophysikalisch wichtigste Zerfall. Hier ist <strong>die</strong> schwache Wechselwirkung ist<br />
involviert, deshalb sind <strong>die</strong> Zerfallszeiten astronomisch lang.<br />
A Xy (β − ¯νe) A Yy+1 Beispiel<br />
87 Rb37 (β − ¯νe) 87 Kr36<br />
Eine Liste von Isotopen mit ihren Halbwertszeiten, <strong>die</strong> für <strong>die</strong> Kosmologie von Interesse sind, haben wir am Anfang des<br />
Kapitels in Tabelle (3.1) gegeben.<br />
Bei der Anwendung der Kernphysik auf astronomische Objekte wollen wir zunächst eine grobe Einteilung<br />
in 3 Fragenkomplexe vornehmen:<br />
1. Das Alter der Sonne und der Planeten<br />
Die genaueste Methode der Altersbestimmung astronomischer Objekte im Sonnensystem, <strong>die</strong><br />
uns direkt zugänglich sind (Erde, Kometen, Meteore) ist der radioaktive Zerfall ausgewählter<br />
Elemente. Die Tabelle (3.1) enthält <strong>die</strong> wichtigsten, bis auf Kalium (mit Z = 19 und A = 40)<br />
können alle <strong>die</strong>se Elemente (da sie jenseits von Fe liegen) nur in einer Supernova erzeugt worden<br />
sein. Kennt man <strong>die</strong> relativen Häufigkeiten der radioaktiven Elemente bei ihrer Erzeugung, dann<br />
kann man das Alter seit ihrer Erzeugung bestimmen.
188 KAPITEL 3. KERNPHYSIK: ALTERSBESTIMMUNG<br />
2. Das Alter der Galaxis<br />
Sterne sind nukleare Fusionsreaktoren, umgeben von einem riesigen Schutzmantel aus H und He.<br />
Die Bestimmung der Sternentwicklungszeit der Hauptreihensterne geschieht ebenfalls im Rahmen<br />
der Kernphysik, allerdings unter Einbeziehung der schwachen Wechselwirkung. Daneben<br />
kann man <strong>die</strong> chemische Entwicklung von Kugelsternhaufen (das sind <strong>die</strong> ältesten Mitglieder im<br />
Kosmos überhaupt) bis herunter zu Sternassoziationen und Molekülwolken (den jüngsten astronomischen<br />
Objekten) zur Bestimmung eines Alters heranziehen. Da alle schweren Elemente<br />
(jenseits von He) nur in Sternen erzeugt worden sind, spielt <strong>die</strong> Kernphysik wieder <strong>die</strong> entscheidende<br />
Rolle: <strong>die</strong>smal bei der Bestimmung der relativen Häufigkeiten der Elemente. Insgesamt<br />
hat man es mit nahezu einem Kontinuum an Altern zu tun: eine Klasse schließt an <strong>die</strong> andere an.<br />
3. Das Alter des Kosmos<br />
Direkt kann das Alter des Kosmos nur aus der Expansionsgeschwindigkeit (mithilfe der Theorie,<br />
also des Hubble - Gesetzes) bestimmt werden, <strong>die</strong> Kernphysik liefert dazu allerdings noch eine<br />
wesentliche Einschränkung an <strong>die</strong> möglichen Modelle.<br />
Denn auch unser Kosmos war einmal ein nuklearer Fusionsreaktor. Im heißen Urknall, der aus<br />
allen wirklich fundamentalen <strong>Teil</strong>chen (Photonen, Elektronen, Neutrinos und Quarks) bestand,<br />
bildeten sich zunächst beim Abkühlen Protonen und Neutronen. Aus <strong>die</strong>sen sind in einer kurzen<br />
dynamischen Phase hauptsächlich He und einige Spurenelemente wie 3 He und Deuterium,<br />
D, Beryllium, Be, und Litium, Li, fusioniert worden. Die Bestimmung der Fusionszeit liefert<br />
zunächst eine Aussage über <strong>die</strong> Baryonenkomponente und damit (mithilfe der ART plus Theorie)<br />
auch über das Alter des Kosmos direkt. Diese Aussage ist allerdings nicht mehr so stringent<br />
wie früher, da neuerdings <strong>die</strong> Evidenz für Dunkelmaterie und Dunkelenergie einen direkten Zusammenhang<br />
zwischen Alter und baryonischer Materie zerstört.<br />
Die nukleare Altersbestimmung kann auch dazu herangezogen werden, untere Grenzen für das Alter<br />
astronomischer Objekte zu finden. So gibt es Sterne mit Technetium. Weitere bereits (im ISM) nachgewiesene<br />
radioaktive Elemente mit (kosmologisch) kurzer Halbwertszeit sind 44 Ti und 26 Al.<br />
Daneben gibt es noch weitere, unabhängige Methoden (meist dynamischer Art), welche es erlauben,<br />
<strong>die</strong> Güte solcher Altersbestimmungen zu überprüfen.<br />
3.3 Altersbestimmung<br />
3.3.1 Überblick<br />
• ANMERKUNG (MYTHOLOGIE)<br />
Nach der Schöpfungsgeschichte und nach Berechnungen des Bischofs Wilberforth ist das Universum etwa 6000 Jahre alt.<br />
Genauere Rechnungen, nämlich durch Zählen der Stämme Israels, des Erzbischofs J. Ussher im Jahre 1658 ergaben, daß<br />
<strong>die</strong> Welt am 23. Oktober 4004 vor Christi Geburt erschaffen wurde.<br />
Newton kam zu einem anderen Ergebnis, das er aber wohlweislich für sich behielt. Er nahm an, daß <strong>die</strong> Erde im heißen<br />
Zustand gebildet wurde und schätzte <strong>die</strong> Zeit, <strong>die</strong> eine Eisenkugel von der Größe der Erde zum Abkühlen braucht, auf etwa<br />
2 · 10 5 Jahre.<br />
Dabei war es für alle (von Kopernikus über Kepler, Galilei, Newton bis zu Einstein) selbstverständlich, daß das Universum<br />
selbst – und nicht nur das Universum – statisch war: für menschliche Beobachtungszeiten bewegen sich Sterne wirklich<br />
nicht. Die ersten, <strong>die</strong> überhaupt auf <strong>die</strong> Idee kamen, daß eine Evolution über kosmologisch grosse Zeiträume stattgefunden<br />
hat, waren Geologen und Biologen. Die Geologen des 18. und 19. Jahrhunderts ordneten Gestein- und Fossilienfunde in<br />
chronologischer Reihenfolge und kamen auf Zeiten über 100 Myr. Von den Biologen – zuvorderst und am beeindruckendsten<br />
Charles Darwin – stammt <strong>die</strong> Ansicht, daß das Leben der Erde eine stetige Evolution durchgemacht hat, worunter eine<br />
Entwicklung vom Einfachen zum Komlexen zu verstehen ist (nicht vom Bösen zum Guten oder umgekehrt).<br />
Die Inder kamen zu einer anderen Auffassung. Der Buddhismus lehrt, daß das Universum zyklisch ist, mit einer erstaunlich<br />
realistischen Zyklusdauer von einem Kalpa, entsprechend 4.3 · 10 9 Jahre (ein Kalpa = ein Tag des Brahma).
3.3. ALTERSBESTIMMUNG 189<br />
Die Frage nach Inhalt und Alter des Universums läßt sich im Rahmen der bestehenden Physik beantworten, viele andere<br />
Fragen dagegen heute nicht. Dies ist z. B. der Fall für <strong>die</strong> Frage, was vor dem Urknall (Big Bang) war. Sie läßt sich im<br />
Rahmen der klassischen ART nicht beantworten.<br />
Newton war der Erste, dem ein wissenschaftlich fun<strong>die</strong>rter Zugang zum Problem, das Alter der Erde zu<br />
bestimmen, gelang. Darüber hinaus war er der Meinung, daß <strong>die</strong> Bestimmung der Anfangsbedingungen<br />
des Kosmos als ganzem nicht zum Gebiet der Physik gehört.<br />
• ANMERKUNG (DAS ABKÜHLALTER DER ERDE I: NEWTON)<br />
Newton fand, daß ein Körper (z. B. eine heiße Eisenkugel), sich um so schneller abkühlt (durch Konvektion der Luft und<br />
durch Strahlung), desto größer <strong>die</strong> Temperaturdifferenz zwischen Körper T und der umgebenden Luft Tu ist.<br />
Das Newtonsches Abkühlungsgesetz<br />
dT<br />
dt<br />
= −K(T − Tu)<br />
führt auf einen exponentiellen Zeitverlauf<br />
(T − Tu) = 1 − (To − Tu)e −Kt<br />
wobei To <strong>die</strong> Anfangstemperatur ist, ab der <strong>die</strong> Zeit gezählt wird.<br />
Die Konstante K hängt ab u. a. von Beschaffenheit und Größe der Oberfläche, der spezifischen Wärme des Materials (und<br />
vom Volumen). Insbesondere gilt folgendes Skalierungsgesetz für Oberfläche F und Volumen V<br />
τ = 1<br />
K<br />
∝ V<br />
F<br />
∝ R<br />
Schätzt man, wie Newton, daß eine Eisenkugel von 1 cm Radius etwa 10 6 sec zum Erstarren und Abkühlen auf Zimmertemperatur<br />
benötigt, so braucht <strong>die</strong> 7 · 10 8 mal größere Erde etwa 20 · 10 6 Jahre - deutlich mehr als <strong>die</strong> 6000 Jahre der<br />
Genesis.<br />
• ANMERKUNG (DAS ABKÜHLALTER DER ERDE II: HELMHOLTZ UND KELVIN)<br />
Helmholtz und Kelvin schätzten das Abkühlalter der Erde auf 40 Myr (das Doppelte von Newtons Wert) bzw. das Leuchtalter<br />
der Sonne auf 50 Myr. Diese beiden Helmholtz-Kelvin Zeitskalen werden wir noch eingehend betrachten, wir geben<br />
hier vorläufig nur das (empirische) Ergebnis zum Vergleich mit dem von Newton (theoretisch) erhaltenen.<br />
1. Für <strong>die</strong> Abkühlzeit einer Eisenkugel, welche ihre Wärmeenergie E aus der Gravitation bezogen hat und davon<br />
L = ˙ E abstrahlt, lautet das Ergebnis:<br />
τHK = E<br />
L<br />
= GM 2<br />
2RL<br />
Für <strong>die</strong> Erde erhält man, wenn man für L etwa <strong>die</strong> heutige Abstrahlrate, L = 2 · 10 24 erg s −1 nimmt, τHK ≈ 4 · 10 7<br />
Jahre.<br />
2. Für <strong>die</strong> Schrumpfdauer einer Gaskugel, welche ihre Energie E aus der Gravitation bezieht und davon L = ˙ E<br />
abstrahlt, lautet das Ergebnis:<br />
tHK = E<br />
L<br />
= GM 2<br />
2RL<br />
= − R<br />
2 ˙ R<br />
Für <strong>die</strong> Sonne erhält man mit den heutigen Werten für M⊙ = 2 · 10 33 g, R⊙ = 7 · 10 10 cm und L⊙ = 4 · 10 33 erg<br />
s −1 etwa tHK ≈ 3 · 10 7 Jahre.<br />
Den entscheidenden Durchbruch bei der Altersbestimmung erzielte Rutherford (1900) mit seiner Messung<br />
radioaktiver Zerfallszeiten, <strong>die</strong> Entdeckung der Radioaktivität selbst geht auf Becquerel (1896);<br />
ihre Erklärung auf Marie Curie zurück.<br />
Stetige Verbesserung in der Bestimmung radioaktiver Zerfallszeiten, führten dann zu immer längeren<br />
Altern: um 1930 war man bei 2 Gyr angekommen, ein Alter, welches auch noch mit Hubbles Weltalter<br />
übereinstimmte. Das Alter der Sonne erklärte Kelvin damit, daß <strong>die</strong>se durch Akkretion (von Planeten)<br />
am Leuchten gehalten wird. Damit war ein scheinbar konstistentes Modell des Kosmos seitens der<br />
<strong>Astrophysik</strong> erreicht: nur <strong>die</strong> Geologen widersprachen damals, und das zu recht.<br />
Moderne Methoden benutzen den radioaktiven Zerfall langlebiger Atomkerne (Laborphysik), Sternentwicklungszeiten<br />
(theoretische <strong>Astrophysik</strong>) und <strong>die</strong> Expansion des Universums (theoretische Physik,<br />
Kosmologie).<br />
(3.5)<br />
(3.6)
190 KAPITEL 3. KERNPHYSIK: ALTERSBESTIMMUNG<br />
3.3.2 Halbwertszeit radioaktiver Elemente<br />
Langlebige Atomkerne<br />
Radioaktive Kerne zerfallen (statistisch) nach dem Gesetz<br />
N(t) = N0 e −(t/τ)<br />
wobei N <strong>die</strong> Anzahl der Kerne ist. Die Halbwertszeit (auch mittlere Lebensdauer genannt) bzw. Zerfallszeit<br />
τ<br />
t1/2 = τ ln2 = 0.693τ (3.8)<br />
der folgenden Isotope ist für <strong>die</strong> Kosmologie von besonderem Interesse.<br />
Die Halbwertszeit radioaktiver Elemente wird in einfachster Näherung bestimmt von der Höhe der<br />
Coulomb Potentialbarriere beim Tunneleffekt und von der<br />
Stärke der Wechselwirkung.<br />
In der nebenstehenden Tabelle ist <strong>die</strong> Halbwertszeit, t1/2 in<br />
Gyr, für <strong>die</strong> in der <strong>Astrophysik</strong> wichtigsten Zerfallsprozesse<br />
in der Form<br />
Mutter-Element → Tochter-Element<br />
angegeben. Beim β − − Zerfall wird im Atomkern ein Neutron<br />
in ein Proton vermittels der schwachen Wechselwirkung<br />
umgewandelt, der α− Zerfall hat den Faktor Z 2 = 4<br />
in der Tunnelwahrscheinlichkeit.<br />
(3.7)<br />
Halbwertszeit (in Gyr) radioaktiver Elemente<br />
A Mutter → A Tochter t 1/2<br />
87 Rb β − 87 Sr 49.8<br />
187 Re β − 187 Os 42.9<br />
232 Th α 208 Pb 13.9<br />
238 U α 206 Pb 4.5<br />
40 K β − 40 Ar 1.3<br />
235 U α 207 Pb 0.7<br />
Drei interessante Beispiele für den α− Zerfall sind:<br />
Tab. 3.1: Halbwertszeiten<br />
212Po mit t1/2 = 3 · 10−6 s, Energie 8.78 MeV; 224Ra mit t1/2 = 3 d, Energie 5.69 MeV und 144Nd mit<br />
t1/2 = 6 · 1012 yr, Energie 1.83 MeV.<br />
Der Vollständigkeit halber geben wir auch ein Beispiel für den β + − Zerfall: 13N mit τ = 9.96 Minuten.<br />
Für das Zeitintervall zwischen Produktion (Index i) und Beobachtung (Index f) gilt für das relative<br />
Verhältnis [R] zweier radioaktiver Elemente mit Indizes 1 und 2<br />
∆t = ln[R]i − ln[R]f<br />
τ −1<br />
1 − τ −1<br />
2<br />
Als Beispiel nehmen wir das Verhältnis der beiden Uranisotope 235 U und 238 U. Kernphysikalische<br />
Rechnungenergeben, daß in einer Supernova <strong>die</strong> beiden Isotope von Uran im Verhältnis [ 235 U/ 238 U] �<br />
1.7 erzeugt werden, während dafür auf der Erde der Wert 0.00723 gefunden wird. Das liefert eine<br />
Zerfallszeit von ∆t � 6.6 Gyr. Die schweren Elemente im Sonnensystem stammen also aus einer Zeit,<br />
<strong>die</strong> mindestens 7 Milliarden Jahre zurückliegt.<br />
Nimmt man an, daß in einer Supernova stets das gleiche Verhältnis von Radioisotopen erzeugt wird,<br />
dann kann man aus der Streuung der Häufigkeiten der beobachteten Endprodukte auf ein Erzeugungsalter<br />
(der Galaxie) schließen. Ad<strong>die</strong>rt man noch das Zerfallsalter hinzu, so erhält man als Ergebnis für<br />
das Alter der Galaxie mithilfe von Radioisotopen<br />
12.6 Gyr < tg < 19.6 Gyr<br />
Es ist eine bemerkenswerte Eigenschaft der Kernkräfte, daß es gerade <strong>die</strong> Isotope mit den richtigen<br />
Zerfallszeiten gibt, um das Alter des Universums zu bestimmen und eine Besonderheit der Sternentwicklung<br />
(Supernova), daß sie auch in ausreichendem Masse erzeugt werden. Da es auch Kerne mit<br />
noch viel größeren Halbwertszeiten gibt (Indium mit Z = 49 und A = 115 hat τ � 10 14 yr), hat man<br />
damit auch noch eine obere Schranke für das Alter des Universums.
3.3. ALTERSBESTIMMUNG 191<br />
• ANMERKUNG<br />
Die ersten Rechnungen (1957) von B 2 FH sind mittlerweile (1983) revi<strong>die</strong>rt worden mit dem Ergebnis, daß [ 235 U/ 238 U] �<br />
1.1. Es handelt sich um theoretische Rechnungen, den sog. r-Prozeß, wobei <strong>die</strong> Eigenschaften irdischer Kerne extrapoliert<br />
werden müßen auf <strong>die</strong> Verhältnisse einer Supernova (Explosion eines Neutronensterns). Nur hier können Elemente jenseits<br />
von Fe gekocht werden.<br />
Kurzlebige Atomkerne<br />
Wir kommen nun zu einigen Besonderheiten, <strong>die</strong> es sogar erlauben, eine untere Schranke für das Alter<br />
astrophysikalischer Objekte oder Prozesse zu bestimmen. Astronomisch junge Objekte sind (neben den<br />
besonders alten) ebenfalls von beträchtlichem Interesse, da sie es erlauben, <strong>die</strong> Theorie der Erzeugung<br />
(Kernphysik) direkt durch Beobachtungen zu verifizieren.<br />
Zu den frisch geborenen Objekten gehören <strong>die</strong> Novae und Supernove. Die Große Maghellansche Wolke<br />
(LMC) ist ein besonders gutes Beispiel, da hier <strong>die</strong> Entfernung gut bekannt ist. So kann man bestimmen,<br />
daß bei der Supernova in der LMC, mit der Bezeichnung SN 1987A, an radioaktivem 56 Ni etwa<br />
0.075M⊙ freigesetzt worden ist. Dieses 56 Ni zerfällt in Zwischenschritten wie folgt in stabiles Eisen<br />
56 Fe<br />
56 Ni (νβ + )<br />
� �� �<br />
6.1d<br />
56 Co (νβ + )<br />
� �� �<br />
77d<br />
56 Fe (3.9)<br />
mit (aus dem Labor bekannten) Halbwertszeiten, <strong>die</strong> direkt in der Supernova anhand der Leuchtkurve<br />
beobachtet wurden.<br />
Die freigesetzte Energie liefert einen wichtigen Beitrag zum Energiehaushalt der Supernova<br />
∆Etot( 56 Ni → 56 Fe) = 3.59 MeV ; ∆Eγ = 1.72 MeV (3.10)<br />
Zu den besonders bemerkenswerten kurzlebigen Atomkernen gehört das Element Technetium, (Z =<br />
43), da es überhaupt kein stabiles Isotop besitzt. Die längsten Halbwertszeiten betragen<br />
τ( 97 Tc) = 2.6 · 10 6<br />
yr ; τ( 98 Tc) = 1.5 · 10 6<br />
yr ; τ( 99 Tc) = 2.1 · 10 5<br />
Da solche Zerfallszeiten kurz im Vergleich zu Sternentwicklungszeiten sind, erwarten wir nicht, Tc in<br />
Sternspektren zu finden. Dennoch gibt es eine Reihe später (Spektraltyp M, N, R und S) (Doppel)Sterne<br />
vom Typ Mira, in deren Spektren Tc vorkommt. Sie wurden 1952 von P. Merrill erstmals gefunden. Die<br />
einfachste Erklärung für das Vorkommen von Tc im Spektrum (also in der Hülle) ist (nach Cameron)<br />
<strong>die</strong>, daß solche (massearme) Sterne voll konvektiv bis zum Zentrum sind und daß dort Tc entsteht. Eine<br />
Möglichkeit der Erzeugung ist<br />
97 Mo42(γ, e) 97 Tc43<br />
Die Halbwertszeit von 26 Al beträgt 0.770 Myr. Im Allende Meteoriten (Gewicht 110 kg, gefunden<br />
1969, benannt nach dem Fundort in Mexiko) wurden Anomalien entdeckt, <strong>die</strong> auf <strong>die</strong>ses Element<br />
hinweisen, evtl. wurde <strong>die</strong>ses Radioisotop sogar direkt nachgewiesen.<br />
Die Halbwertszeit von 129 I (Iod) beträgt 17 Myr. Das Endprodukt des Zerfalls, 129 Xe, wurde in mehreren<br />
Meteoriten gefunden. Da bisher kein Weg bekannt ist, wie flüchtiges 129 Xe in einem Meteoriten<br />
erzeugt werden kann, ist anzunehmen, daß es von festem 129 I stammt.<br />
In beiden Fällen ist es naheliegend, <strong>die</strong> Erzeugung der Radioisotope einer Supernova, <strong>die</strong> in der Nähe<br />
der Sonne explo<strong>die</strong>rte, zuzuschreiben. Möglich wäre aber auch ein naher Vorbeiflug eines Tc Stern<br />
ähnlichen Systems, dessen Sternenwind seine Spuren im Sonnensystem hinterlassen hat. Auch <strong>die</strong><br />
kosmische Strahlung selbst enthält 26 Al und kommt damit als Ursprung in Frage. Alternativ können<br />
<strong>die</strong> Elemente durch kosmische Strahlung erzeugt worden sein (mit späterer Einlagerung).<br />
yr
192 KAPITEL 3. KERNPHYSIK: ALTERSBESTIMMUNG<br />
3.3.3 Die kosmische Strahlung<br />
Entdeckung und Eigenschaften<br />
Die kosmische Strahlung (Höhenstrahlung) wurde zufällig von Victor Hess entdeckt. Bei der geplanten<br />
Verbesserung seines Elektoskops fand er eine unbekannte Entladungsquelle, welche er in den Jahren<br />
1911 bis 1913 mit Hilfe von Ballonflügen als Höhenstrahlung kosmischer Herkunft identifizierte. Diese<br />
nimmt zu mit der Höhe über dem Boden, da sie von der Lufthülle abgeschwächt wird. Gesucht hatte er<br />
ursprünglich radioktive Strahlung aus dem Innern der Erde, <strong>die</strong>se hätte mit der Höhe über dem Boden<br />
abnehmen müßen.<br />
Zunächst <strong>die</strong>nte <strong>die</strong> kosmische Strahlung den Kernphysikern als Gratisquelle für ihre Streuexperiment<br />
und 1932 wurde das Positron von Anderson (und 1932 von Blackett und Occhialini) damit entdeckt.<br />
Erst als grosse Beschleuniger (ab 1955) verfügbar waren, wurde sie um ihrer selbst willen, also<br />
astrophysikalisch genauer untersucht. Erst 1961 wurde <strong>die</strong> leptonische Komponente (von Earl und unabhängig,<br />
von Meyer und Vogt) entdeckt. Wichtig dabei ist, daß Elektronen und Positronen nicht gleich<br />
häufig vorkommen: der numerischer Anteil der Positronen beträgt nur etwa 10% der Elektronen (und<br />
<strong>die</strong>se selbst energetisch nur etwa 10% der Protonen).<br />
Allerdings ist man für höchste Energien (ab 10 TeV) auch heute noch auf sie angewiesen. Der <strong>Teil</strong>chenfluß<br />
ist mit<br />
2 Protonen pro cm 2 und Sekunde (bei 1 GeV)<br />
allerdings bereits sehr klein und er fällt ab, zunächst wie γ −2.5 und dann wie γ −3.2 für γ > 10 6 . Man<br />
benötigt deshalb gigantische Arrays (viele Quadratkilometer Fläche) von Koinzidenz Detektoren. Die<br />
höchsten damit bisher nachgewiesenen Energien belaufen sich auf ein Zetta Elektronen Volt, (10 21 eV)<br />
und <strong>die</strong> schwersten Kerne haben etwa Z = 100.<br />
Spektrum<br />
Die kosmische Strahlung hat drei verschiedene Komponenten:<br />
1. Baryonen<br />
Protonen, 10% α-<strong>Teil</strong>chen und Kerne mit etwa solarer Häufigkeit (etwa ein Promille),<br />
2. Leptonen<br />
1. Elektronen, mit einer Energiedichte von 10% der Protonen,<br />
2. Positronen, numerischer Anteil etwa 10% der Elektronen,<br />
3. Photonen<br />
mit einer Energiedichte von 1% der Positronen.<br />
Die Energie eines <strong>Teil</strong>chens ist<br />
Eγ = (γ − 1)mpc 2<br />
Damit läßt sich <strong>die</strong> Spektralintensität IE(θ) der kosmische Strahlung umschreiben in Iγ(θ). Die kosmische<br />
Strahlung ist extrem isotrop, und es gilt (für alle Winkel θ)<br />
Iγ(θ) − Iγ(0)<br />
Iγ(θ) + Iγ(0)<br />
< 10−4<br />
Für relativistische <strong>Teil</strong>chen, γ ≫ 1, ist der Zusammenhang zwischen <strong>Teil</strong>chenstrom und <strong>Teil</strong>chendichte<br />
4πJγ = nγc.
3.3. ALTERSBESTIMMUNG 193<br />
Mit N(γ) bezeichnen wir im folgenden den spektralen <strong>Teil</strong>chenstrom<br />
N(γ) = ˙ �<br />
NE ; I = E 2 NEdE ˙ (3.11)<br />
wobei I <strong>die</strong> Flussdichte ist (Einheit erg cm −2 s −1 ).<br />
Das Spektrum (für Protonen) sieht folgendermassen aus<br />
N(γ) ∝ γ −2.5<br />
∝ γ −3.2<br />
für γ < 10 6<br />
für γ < 10 11<br />
(3.12)<br />
(3.13)<br />
mit γ 2 N(γ) = const (konservativ extrapoliert) und N(γ) = 2γ −2.5 cm −2 s −1 ab 10 11 eV (also etwa<br />
γ = 1). Die Energiedichte der Hauptkomponente beträgt damit<br />
u = 4π<br />
c I ; Iγ = γmpc 2 N(γ) (3.14)<br />
etwa 1 · 10 −12 erg cm −3 (für γ = 1 bis 100) ergibt. Das ist fast genau so viel, wie <strong>die</strong> magn. Energie<br />
des galaktischen Feldes und etwas mehr als <strong>die</strong> Energiedichte des Sternenlichts (5 · 10 −13 erg cm −3 )<br />
und der kosmologischen 2.7 K Hintergrundstrahlung (4·10 −13 erg cm −3 ). Für <strong>die</strong> <strong>Teil</strong>chendichte ergibt<br />
sich damit im unteren Bereich etwa n = 10 −10 cm −3 .<br />
Die Elektronenkomponente fällt bei hohen Energien etwas steiler ab und reicht nur bis etwa 10 TeV (γ<br />
= 10 7 ).<br />
N(γ) ∝ γ −2.5<br />
∝ γ −3.7<br />
für γ < 10 6<br />
für γ < 10 7<br />
(3.15)<br />
(3.16)<br />
Die Energiedichte der Elektronenkomponente beträgt etwa 4 · 10 −13 erg cm −3 , beide Komponenten<br />
zusammen (Protonen plus Elektronen) sind dann vergleichbar mit der des galaktischen Magnetfeldes<br />
(B 2 /8π = 1.2 · 10 −12 erg cm −3 ) falls das Feld 6 µGauß beträgt.<br />
Das Energie Maximum liegt bei den niedrigen Energien, <strong>die</strong> besonders schwer zu messen sind (Erdmagnetfeld,<br />
Sonnenwind). Die Energiedichte der Elektronenkomponente kann aber aus der Synchrotronstrahlung<br />
der Milchstraße abgeschätzt werden.<br />
Bei E = 10 15 eV ist ein Knick bei der Protonenkomponente, der bisher unverstanden ist.<br />
Neben der direkten Erzeugung radioaktiver Kerne in Fusionsprozessen, können <strong>die</strong>se auch durch hochenergetische<br />
<strong>Teil</strong>chen der kosmischen Strahlung erzeugt bzw. verändert werden.<br />
Die Energiedichte der hochenergetischen, diffuse Photonen beträgt dagegen nur 4 · 10 −18 erg cm −3 im<br />
Röntgenbereich und 1 · 10 −18 erg cm −3 im Gammabereich.<br />
Wechselwirkung mit der ISM<br />
Die drei verschiedenen Komponenten der kosmischen Strahlung haben unterschiedliche Wechselwirkungen<br />
mit den <strong>Teil</strong>chen bzw. den Feldern des interstellaren Raums:<br />
Die Baryonen ionisieren <strong>die</strong> Atomhülle (Wechselwirkungmit Elektronen) und erzeugen neue chemische<br />
Elemente (Spallation des Atomkerns).<br />
Die Elektronen erzeugen Synchrotronstrahlung.<br />
Die Photonen mit hν > 2mec 2 liefern Paarerzeugung.
194 KAPITEL 3. KERNPHYSIK: ALTERSBESTIMMUNG<br />
Wir betrachten hier <strong>die</strong> Ionisationsverluste der Baryonen (der Kern-Ladung Z) bei der Streuung an den<br />
Atomen und Molekülen (mit z Hüllenelektronen der mittleren Bindungsenergie I) der ISM.<br />
Die Bethe-Bloch Formel liefert für hochenergetische <strong>Teil</strong>chen den Energieverlust dE durch Ionisation<br />
pro Weglänge dx<br />
dE<br />
dx = −4πe4 Z2 nzB (3.17)<br />
mc2 Die Energie des kosmischen <strong>Teil</strong>chens ist E = (γ − 1)Mc 2 , m ist <strong>die</strong> Masse des Elektrons. Der Faktor<br />
B unterscheidet sich im nichtrelativistischen<br />
B = ln 2mv2<br />
I<br />
und relativistischen Fall<br />
B = ln 2mc2γ2 − 1 (3.18)<br />
I<br />
Numerisch gilt für <strong>die</strong> Streuung von Protonen (Z = 1) an H (z = 1) der Dichte n<br />
dE<br />
dx = −2.54 · 10−19 [22.5 + 2 ln γ] eV cm −1<br />
oder als Ionisations-Verlustrate<br />
˙E = c dE<br />
dx = 8 · 10−9 [22.5 + 2 ln γ]<br />
Für kosmische Strahlung bei 10 11 eV (γ = 100, <strong>Teil</strong>chendichte 10 −12 cm −3 ) liefert das − ˙ E = 3 · 10 −7<br />
eV s −1 für n = 1 cm −3 . Mit einem Volumen der Galaxis von VG = 10 69 cm 3 liefert das zunächst eine<br />
Gesamtzahl kosmischer <strong>Teil</strong>chen von NCR = 10 57 und deren Verlustrate beträgt<br />
˙E = 3 · 10 38<br />
erg s −1<br />
Geht man bis zu 1 GeV herunter, so erhält man sogar 10 40 erg s −1 .<br />
Die Lebensdauer der CR wird allerdings durch <strong>die</strong> Spallation bzw. inelastische Steung bestimmt. Die<br />
(starke) Wechselwirkung ist kurzreichweitig und wird durch π−Mesonen der Masse mπ vermittelt. Es<br />
gilt deshalb zunächst grob geschätzt<br />
τ = 1<br />
nσc = 3 · 1015 n −1<br />
0 σ−26 s<br />
dabei ist σ−26 der Streuquerschnitt<br />
σ = r 2 π ; rπ = ¯h<br />
mπc<br />
für Spallation bzw. inelastische Streuung. Er ist unabhängig von der Energie. Realistische Lebensdauern<br />
sind 50 Myr für CR-Protonen, 10 Myr für He und 1 Myr für Fe.<br />
Der Energieverlust für <strong>die</strong> Milchstraße ist vergleichbar mit dem der Ionisationsverluste und geht praktisch<br />
vollständig in Gamma Strahlung über<br />
˙E = LMW G = 3 · 10 38<br />
erg s −1<br />
obwohl <strong>die</strong> Rate wesentlich größer ist. Der Grund liegt darin, daß das Volumen wesentlich kleiner ist.<br />
Diese Strahlung ist stark auf <strong>die</strong> Galaktische Ebene konzentriert.
3.3. ALTERSBESTIMMUNG 195<br />
Die chemische Zusammensetzung<br />
Die Bestimmung der chemischen Zusammensetzung der ISM in unserer Milchstraße ist praktisch abgeschlossen,<br />
spannend ist <strong>die</strong> Frage, wie <strong>die</strong>se bei anderen Galaxien aussieht.<br />
Drei Quellen der Nukleosynthese, <strong>die</strong> ihr Material an <strong>die</strong> ISM zurückgeben, sind definitiv beobachtet:<br />
Kohlenstoff Sterne (Wolf Rayet Sterne), <strong>die</strong> über einen extrem starken Sternenwind (Massenverlustrate<br />
˙M = 10−5M⊙ pro Jahr) hauptsächlich C abgeben, Novae, <strong>die</strong> C, N, O<br />
bis Ar abgeben und Supernovae, <strong>die</strong> vermutlich alle Elemente erzeugen.<br />
Die Standardtabelle der chemischen Zusammensetzung der kosmischen<br />
Strahlung wurde 1974 von Shapiro und Silberberg zusammengestellt,<br />
daran hat sich nichts mehr geändert. Sie ist auf <strong>die</strong> C - Häufigkeit<br />
(mit 100) normiert.<br />
Die Häufigkeit der chemischen Elemente in der Sonne (und im Sonnensystem)<br />
stimmen recht gut überein mit Eisen und der wichtigen C -<br />
N - O Gruppe. Auch der charakteristische gerade - ungerade Effekt ist<br />
bei beiden vorhanden.<br />
Z<br />
1<br />
2<br />
6<br />
7<br />
8<br />
10<br />
Element-Häufigkeiten I<br />
auf C = 100normiert<br />
Name Sonne CR<br />
H 270000 26000<br />
He 18728 3600<br />
C 100 100<br />
N 32 25<br />
O 182 91<br />
Ne 29 16<br />
Wo <strong>die</strong> CR erzeugt wird, ist nicht klar. Infrage kommen Superno- 12 Mg 9 19<br />
vae, Pulsare oder auch akkretierende Röntgensterne. Die Bestimmung 14 Si 8.5 14<br />
der Häufigkeitsverteilung der chemischen Elemente in der kosmischen 16 S 4 3<br />
Strahlung liefert wichtige Einschränkungen an <strong>die</strong> möglichen Erzeu- 25 Mn 0.08 1<br />
gungsmechanismen.<br />
26 Fe 7 11<br />
Überschwere Elemente (nicht mehr aufgeführt) ab Z = 31 sind, ein- 27 Co 0.02 0.2<br />
heitlich selten in der CR und in der Sonne, sie sind nur noch in Spuren 28 Ni 0.4 0.4<br />
vorhanden (weniger als Promille).<br />
Tab. 3.2: Elementäufigkeit I<br />
Auch über das Isotopenverhältnis ist mittlerweile einiges bekannt. In<br />
der CR z. B. beträgt das Verhältnis der beiden Helium Isotope 3 He/ 4 He = 0.1, während es für <strong>die</strong><br />
Sonne praktisch verschwindet, 3 He/ 4 He = 10 −5 .<br />
Die Daten der vorstehenden Tabelle sind in <strong>die</strong> folgenden Blöcke eingeteilt:<br />
1. <strong>die</strong> primordialen Elemente mit Z = 1 (H) und Z = 2 (He),<br />
2. <strong>die</strong> C - N - O Gruppe von Z = 6 (C) bis Z = 9 (F),<br />
3. <strong>die</strong> Si - Gruppe von Z = 10 (Ne) bis Z = 20 (Ca) und<br />
4. <strong>die</strong> Fe - Gruppe von Z = 21 (Sc) bis Z = 30 (Zn).<br />
Interstellare Nukleosynthese<br />
Da <strong>die</strong> leichten Elemente Li, Be und B extrem unterhäufig in Sternen (um einen Faktor 10 −5 ) sind<br />
in Bezug auf <strong>die</strong> kosmische Strahlung, liegt es nahe anzunehmen, daß sie durch Spallation (Zusammenstöße<br />
mit der ISM) erzeugt worden sind. Bei Bildung des Protosterns werden sie (zusammen mit<br />
Deuterium) bereits aufgebraucht, was ihre Unterhäufigkeit im späteren Stern erklärt.<br />
Die Häufigkeit der chemischen Elemente in der Sonne (und in den Meteoriten im Sonnensystem) unterscheiden<br />
sich am stärksten von denen der kosmischen Strahlung bei den nebenstehend aufgeführten
196 KAPITEL 3. KERNPHYSIK: ALTERSBESTIMMUNG<br />
leichten Elementen Lithium, Beryllium und Bor. Diese sind überhäufig<br />
in der CR, bei der Sonne sind sie um bis zu 106−mal unterhäufig. Sie<br />
sind vermutlich sekundär, also durch Spallation mit interstellarem H und<br />
He auf dem Weg von der Quelle zum Sonnensystem erzeugt.<br />
Ebenfalls deutlich unterhäufig sind Sc und V (s. Tabelle), ferner F, P, Cl,<br />
K und Ti. Von ihnen wird ebenfalls angenommen, daß sie sekundär sind.<br />
Überschwere Elemente (nicht mehr aufgeführt) ab Z = 31 sind dagegen<br />
einheitlich selten (etwa 10−4 Element-Häufigkeiten II<br />
Z Name Sonne CR<br />
3 Li 4 · 10<br />
) in der CR und in der Sonne, sie sind nur<br />
noch in Spuren vorhanden (weniger als Promille).<br />
−4 18<br />
4 Be 7 · 10−6 10.5<br />
5 B 3 · 10−3 28<br />
6 C 100 100<br />
21 Sc 3 · 10−4 0.4<br />
23 V 2 · 10−3 0.7<br />
Besonders interessant wegen seiner grossen Halbwertszeit von 4 · 10<br />
Tab. 3.3: Elementäufigkeit II<br />
6 yr ist 10Be. Es ist ebenfalls ein<br />
Spallationsprodukt, seine Häufigkeit kann benutzt werden, um <strong>die</strong> Verweildauer der CR in der Galaxie<br />
zu bestimmen.<br />
Radioaktivität<br />
Wichtigstes terrestrisches Beispiel ist hier 14 C, t1/2 = 5568 yr, welches 1946 von W. F. Libby erstmals<br />
zur Altersbestimmung benutzt wurde.<br />
Als Beispiel betrachten wir <strong>die</strong> Erdatmosphäre. Ein hochenergetisches, E > mpc 2 , <strong>Teil</strong>chen der kosmischen<br />
Strahlung erzeugt eine Kaskade sekundärer <strong>Teil</strong>chen mit N neuen <strong>Teil</strong>chen, N � 2(E/mpc 2 ) 1/4 .<br />
Die Neutronenkomponente wird von Stickstoff absorbiert. Diese Transmutation liefert zu 95% das<br />
Kohlenstoffisotop 14 C (Säulendichte - Erzeugungsrate: 2.23 cm −2 s −1 )<br />
14 N + n → 14 C<br />
und zu 5% Tritium (Säulendichte - Erzeugungsrate: 0.2 cm −2 s −1 )<br />
14 N + n → 12 C + 3 H<br />
Oxidation liefert dann radioaktives CO2 und H2O. Die Halbwertszeiten sind 5568 yr für 14 C und 12.46<br />
yr für Tritium. Die Durchsatzzeit der radioktiven Komponente beträgt etwa 25 yr (zwischen Erzeugung<br />
und Ankunft auf der Erde), danach werden sie in organischem Material eingebaut oder in Fels<br />
abgelagert.<br />
3.4 Sternentwicklung<br />
Ein Stern verläßt <strong>die</strong> Hauptreihe, wenn im Zentrum etwa 1/10 der Masse in He umgewandelt worden<br />
ist, im Innern befindet sich dann ein Kern aus reinem Helium. Für <strong>die</strong> Sonne dauert das etwa 10 10 Jahre<br />
(10 Gyr), wovon etwa <strong>die</strong> Hälfte um ist.<br />
3.4.1 Sternentwicklungszeiten<br />
Sterne mit einheitlichem Ursprung, d. h. Mitglieder von Haufen oder Assoziationen, sind vermutlich<br />
in vergleichbar kurzer Zeit in einer Molekülolke entstanden. So wird in einigen 10 Millionen Jahren<br />
vom Orionnebel ein offener Sternhaufen mit etwa 1000 Sternen übrigbleiben. Da massereiche Sterne<br />
sich schneller entwickeln als massearme, werden <strong>die</strong> massiven Sterne als erste im Hertzsprung-Russel-<br />
Diagramm fehlen: kennt man (aus der Theorie) <strong>die</strong> Sternentwicklungszeit eines Sterns der Masse M,<br />
so kann man das Alter direkt aus dem Hertzsprung-Russel-Diagramm des Sternhaufens ablesen.<br />
In der Milchstraße sind etwa 650 offene Sternhaufen (Beispiel: Hyaden, Praesepe und Pleijaden) mit<br />
bis zu 1000 Mitgliedern bekannt. Die Kugelsternhaufen (markante Beispiele: ω Cen, M3 und 47 Tucanae)<br />
sind wesentlich älter, gehören zur Halo Population und davon sind etwa 130 schon lange bekannt.
3.4. STERNENTWICKLUNG 197<br />
Viele davon befinden sich in einem der ältesten, teleskopgestützten astronomischen Kataloge, dem Katalog<br />
von Messier und tragen <strong>die</strong> Bezeichnung M. Wichtige Beispiele für <strong>die</strong> Altersbestimmung mit<br />
Kugelsternhaufen sind M3, M4, M13, M15, M53 und M92 (letzterer der bisher älteste).<br />
Es kommen aber immer neue, weit entfernte (leuchtschwache) hinzu, zur Zeit sind 150 katalogisiert.<br />
Die Kugelsternhaufen definieren den Schwerpunkt der Galaxis und enthalten 10 5 bis 10 7 (massearme)<br />
Sterne. Die Kugelsternhaufen haben typisch Ra<strong>die</strong>n von 30 pc. Man erhält daraus<br />
15 · 10 9 yr < tg < 18 · 10 9 yr<br />
für das Alter (Sternentwicklungszeit) der Kugelsternhaufen.<br />
Die nebenstehenden Eichexemplare sind nach folgenden Gesichtspunkten ausgewählt. Sie sind nah,<br />
einem Entfernungsmodul m − M = 15 entspricht eine<br />
Entfernung von 10 kpc.<br />
Ferner gilt, sie enthalten verschiedene Eichkerzen gleichzeitig<br />
und ihre chemische Entwicklung ist spektroskopisch<br />
gut untersucht. Wichtig ist hier das Verhältnis der<br />
schweren Elemente im Vergleich zu Wasserstoff. Die<br />
wichtigste Größe ist [Fe/H] bezogen auf den Wert der<br />
Sonne (bzw. auf einen ZAMS Stern etwa der Hyaden).<br />
Die Tabelle gibt den Logaritmus <strong>die</strong>ser Größe.<br />
Die Masse des Kugelsternhaufens, Mcl, ist in Einheiten<br />
von 106M⊙, also <strong>die</strong> Masse von 47 Tuc: Mcl =<br />
1.3 · 106 Eich - Kugelsternhaufen<br />
Name m − M Alter [Fe/H] Mcl<br />
Gyr log 10<br />
M⊙. Seine Entfernung ist D = 4.5 kpc um et-<br />
6M⊙ M92 14.36 16 -2.19<br />
M15 14.97 15 -2.15<br />
M3 14.85 15 -1.69<br />
M5 14.18 -1.58<br />
47 Tuc 13.33 13 -0.64 1.3<br />
NGC 6838 12.66 -0.40<br />
Tab. 3.4: Alter<br />
wa 10% reduziert im Vergleich zu früheren Werten. Für <strong>die</strong> Zukunft steht zu erwarten, daß mithilfe von<br />
Weißen Zwergen oder Pulsaren und dem HST sehr genaue Entfernungen und Alter bestimmt werden.<br />
Auch <strong>die</strong> 3dimensionale Bewegung kann damit erstmals bestimmt werden.<br />
Abgesehen von der Altersbestimmung, sind Kugelsternhaufen auch physikalisch außerordentlich interessante<br />
Systeme, ihre zentrale Dichte ist so hoch, daß Zweierstöße häufig sind und man somit viele<br />
Doppelsternsysteme (Pulsare, CVs) findet. Ihr Relaxationsalter und ihr Evaporationsalter liefern interessante<br />
zusätzliche Altersabschätzungen. Die Formel für <strong>die</strong> Evaporationszeit<br />
tEvap =<br />
� �<br />
8R N<br />
v ln(N/2)<br />
werden wir später ableiten und diskutieren. Typische Zahlen sind:<br />
(3.19)<br />
1. Offene Sternhaufen (in unserer Galaxis) haben bis zu N = 10 3 Mitglieder zu je etwa 1M⊙, mit<br />
v = 1 km s −1 , was tEvap < 3 Gyr liefert, viele sind schon verdampft.<br />
2. Massivere Kugelsternhaufen dagegenhaben haben bis zu N = 10 6 Mitglieder zu je etwa 0.5M⊙,<br />
mit v = 20 km s −1 , was tEvap = 80 Gyr ergibt.<br />
Massive Kugelsternhaufen werden heute nicht mehr in der Milchstraße geboren, sie (und ihre Mitglieder)<br />
sind primordial. Damit liefert tEvap = 80 Gyr eine obere Schranke für das Alter der Milchstraße.<br />
3.4.2 Einzelsterne<br />
• BEISPIEL<br />
Die Dauer der nuklearen Brennphasen und <strong>die</strong> zentralen Temperaturen für einen 25M⊙ Stern (gerechnet) gibt <strong>die</strong> folgende<br />
Tabelle.
198 KAPITEL 3. KERNPHYSIK: ALTERSBESTIMMUNG<br />
Entwicklungszeit eines 25M⊙ Sterns<br />
Brennvorgang Dauer ∆ Temperatur T Energie Q<br />
Wasserstoff Brennen 7 · 10 6 yr 6 · 10 7 K 26.2 MeV<br />
He Flash<br />
He Brennen zu C 5 · 10 5 yr 2 · 10 8 K 7.2 MeV<br />
C Brennen zu Si 600 yr 9 · 10 8 K 7.1 MeV<br />
Ne Brennen 1 yr 9 · 10 8 K 9.1 MeV<br />
O Brennen 0.5 yr 9 · 10 8 K 4.7 MeV<br />
Si Brennen zu Ni 1 Tag 4 · 10 9 K 6.9 MeV<br />
Mit Q = ∆E = ∆Mc 2 haben wir <strong>die</strong> Energiedifferenz zwischen Ausgangs und Endnuklid bezeichnet. Solche Sterne sind<br />
demnach, astronomisch gesehen, extrem jung.<br />
Für <strong>die</strong> Leuchtkraft liefern einfache Überlegungen folgende Masseabhängigkeit:<br />
⎧<br />
⎪⎨ M<br />
L ∝<br />
⎪⎩<br />
5.5 /R0.5 massearme – normale Sterne<br />
M 3 massereiche Sterne<br />
M sehr massereiche Sterne<br />
(3.20)<br />
• ANMERKUNG (DIE MASSE - RADIUS - LEUCHTKRAFT RELATION FÜR STERNE)<br />
Die Leuchtkraft L eines Sterns wird bestimmt durch <strong>die</strong> Gesamt - Energie der Photonen im Volumen V des Sterns vom<br />
Radius R<br />
Uphot = ɛphotV ; ɛphot = aT 4<br />
; V = 4π<br />
3 R3<br />
und der Zeit, τ, <strong>die</strong> sie benötigen, vom Innern, wo sie erzeugt werden, bis zum Rand, wo sie wegfliegen, zu gelangen.<br />
L = (aT 4 )V<br />
τ<br />
Dies geht nicht im Direktflug, τ = t = R/c, sondern per Diffusion. Die Diffusionszeit der Photonen aus dem Stern heraus<br />
ist<br />
τdiff = 3 R<br />
l<br />
R<br />
c<br />
Der Faktor 3 stammt von der Anzahl der Raumdimensionen, t = R/c, ist <strong>die</strong> Direktflugzeit und N 2 = (R/l) 2 ist der<br />
Faktor, um den <strong>die</strong> einzelne Flugstrecke l verlängert wird, da l <strong>die</strong> freie Weglänge ist. Die Opazität κ hängt mit l wie folgt<br />
zusammen: κρ = l −1 , dabei ist ρ = M/V <strong>die</strong> Massendichte. Damit wird <strong>die</strong> Leuchtkraft L eines Sterns gegeben durch<br />
L = c(aT 4 )V<br />
3κρR2 ≈ caR4T 4<br />
κM<br />
Die hier auftretende Temperatur eliminieren wir mithilfe des Virialsatzes für den Druck P V ≈ GM 2 /R<br />
P ≈<br />
GM 2<br />
R 4 und P = ρ<br />
˜µm<br />
a 4<br />
kT + T<br />
3<br />
Das liefert <strong>die</strong> Relation (3.20), wenn wir für massearme bis normale Sterne den kinetischen Druck und für massereiche<br />
Sterne den Photonendruck benutzen.<br />
Als Mittelwert kann man L ∝ M 3.5 nehmen. Da <strong>die</strong> zur Kernfusion zur Verfügung stehende Masse<br />
proportional zur Gesamtmasse des Sterns ist, für Hauptreihensterne gilt W ≈ 0.1 · 7 · 10 −3 Mc 2 , erhält<br />
man für <strong>die</strong> Lebensdauer A des Vorgangs A ∝ M −2.5 . Die folgende Tabelle zeigt <strong>die</strong> Ergebnisse für<br />
gerechnete gerechnete Entwicklungszeiten für Population I Sterne der Leuchtklasse V (Hauptreihensterne)<br />
und zwar Radius und Leuchtkraft als Funktion der Masse.<br />
Für massive Sterne (O3 Sterne z. B. in 30 Doradus) beträgt <strong>die</strong> Entwicklungszeit nur noch einige Myr.<br />
Diese sollten also extrem selten sein, da sie aber sehr leuchtstark sind, sieht man überproportional viele<br />
von ihnen (Malmquist Verfälschung).
3.4. STERNENTWICKLUNG 199<br />
Typ<br />
M<br />
M⊙<br />
tmax<br />
yr<br />
R<br />
R⊙<br />
O5 50. 1·10 6 18.0<br />
B0 18. 1·10 7 7.5<br />
B5 6. 1.2·10 8 6.5<br />
A0 3.2 6.5·10 8 2.6<br />
A5 2.4 1.3·10 9 2.1<br />
F0 1.7 2.8·10 9 1.4<br />
F5 1.4 5.3·10 9 1.3<br />
Typ<br />
Tab. 3.5: Masse-Alter-Radius<br />
M<br />
M⊙<br />
tmax<br />
yr<br />
R<br />
R⊙<br />
F8 1.2 6.5·10 9 .<br />
G2 1.0 1·10 10 1.1<br />
G5 0.9 1.15·10 10 0.9<br />
K0 0.78 1.8·10 10 0.9<br />
M0 0.42 8·10 10 0.6<br />
M5 0.27 2·10 11 0.4<br />
M8 0.1 8·10 11 0.1<br />
Für massearme Population II Sterne in Kugelsternhaufen gelten andere Anfangsbedingungen. Sie enthalten<br />
kaum schwere Elemente. Für sie gilt<br />
�<br />
L ∝<br />
Z 0.69 X 1.19 T 5.6 CNO-Zyklus<br />
Z 0.36 X −1.52 T 4.11 pp-Zyklus<br />
(3.21)<br />
Die Leuchtkraft wird bei <strong>die</strong>sen Sternen sehr empfindlich durch den Massenanteil Z der schweren<br />
Elemente, also von Spurenelementen, bestimmt.<br />
• ANMERKUNG (ALTERSBESTIMMUNG AN KUGELSTERNHAUFEN)<br />
Kugelsternhaufen liefern <strong>die</strong> bisher genaueste Methode, das Alter des Universums nach unten abzuschätzen. Das Verlassen<br />
der Hauptreihe im Hertzsprung-Russel-Diagramm wurde erstmals von Gamow für eine Bestimmung ihres Alters herangezogen.<br />
Für <strong>die</strong> ältesten Kugelsternhaufen findet man ein Abknicken im Hertzsprung-Russel-Diagramm bei Sternen von<br />
etwa 0.8 M⊙, was einem Alter von 18 Gyr entspricht.<br />
3.4.3 Abkühlen Weißer Zwerge<br />
Die meisten Sterne enden als Weiße Zwerge. Ein Weißer Zwerg hat den Radius der Erde aber <strong>die</strong><br />
Masse der Sonne (also etwa 3·10 5 mal mehr Kerne, in denen <strong>die</strong> Wärme gespeichert ist - <strong>die</strong> entarteten<br />
Elektronen liefern keinen Beitrag).<br />
Die wichtigsten Parameter Weißer Zwerge sind hier nur zusammengestell, abgeleitet werden sie später.<br />
Mit der gravischen Feinstrukturkonstante αG<br />
αG = Gm2 p<br />
¯hc<br />
= 5.9 · 10 −39<br />
kann man ihre <strong>Teil</strong>chenzahl mit<br />
(3.22)<br />
NCh = 0.75(2Z/A) 2 α −3/2<br />
G = 1.4(2Z/A) 2 N⊙ (3.23)<br />
und ihre Masse mit<br />
MCh = 0.75(2Z/A) 2 mpα −3/2<br />
G = 1.456(2Z/A) 2 M⊙ (3.24)<br />
Für den Radius gilt<br />
R = ¯h 1/3<br />
Nc = R⊕ (3.25)<br />
mec<br />
Damit erreicht <strong>die</strong> gravische Bindungsenergie E ≈ 5 · 10 −4 Mc 2 fast <strong>die</strong> von Deuterium (E ≈ 1.25 ·<br />
10 −3 Mc 2 ).<br />
Neben der Sternentwicklungszeit der Hauptreihensterne, welche stark von der chemischen Zusammensetzung<br />
des Sterns abhängt, kann man auch das Abkühlen Weißer Zwerge benutzen.
200 KAPITEL 3. KERNPHYSIK: ALTERSBESTIMMUNG<br />
Die beobachteten Leuchtkräfte Weißer Zwerge rangieren in der Mehrzahl (Vorsicht ist bei akkretierenden<br />
Objekten geboten) zwischen 10 −1 L⊙ und 10 −4 L⊙ und haben einen cut–off bei etwa 3 · 10 −5 L⊙,<br />
was man dadurch erklärt, daß <strong>die</strong> Zeit bis zum Erreichen <strong>die</strong>ser Leuchtkraft (Oberflächentemperatur)<br />
etwa dem Alter der Galaxis entspricht. Kennt man das Abkühlverhalten (Theorie), dann kann man das<br />
Alter bestimmen.<br />
Wir nehmen an, daß ein Weißer Zwerg keine innere Wärmequelle (Fusion, Radioaktivität, usw.) mehr<br />
hat. Er kann demnach nur noch abkühlen. Für reines Abkühlen reicht zur Beschreibung der Energiesatz<br />
in seiner einfachsten Form, ˙ Q = −L, aus, mit<br />
Q = CvT = fNkT und L = 4πσR 2 T 4 eff<br />
Die Wärmeenergie Q eines Gases bzw. eines Plasmas hat f = 3/2, ein Festkörper dagegen hat doppelt<br />
soviel Energie, f = 3. Die beim Phasenübergang freigesetzte Energie verzögert das Abkühlen. Für<br />
den Beobachter bedeutet <strong>die</strong>s eine größere Anzahl Weißer Zwerge bei gleichem T 4 eff. Danach, falls <strong>die</strong><br />
Temperatur unter <strong>die</strong> Debey Temperatur ΘD gesunken ist, fällt <strong>die</strong> Wärmekapazität Cv stark ab:<br />
�<br />
T<br />
CvNkT<br />
ΘD<br />
�3<br />
was sich in einem Defizit an leuchtschwachen Weißen Zwergen bemerkbar machen sollte (cut-off). Mit<br />
τ = Q<br />
L<br />
= fMkT<br />
AmpL<br />
haben wir wieder eine charakteristische Abkühlzeit, wenn wir T im Innern eines Weißen Zwergs und<br />
A (das Atomgewicht der Kerne) kennen. Da massive Weiße Zwerge auf jeden Fall bis zum Kohlenstoffbrennen<br />
kommen, können wir A ≈ 12 annehmen. Die dimensionslose Größe, <strong>die</strong> es dann noch zu<br />
bestimmen gilt, ist T/Teff. Wir verschieben <strong>die</strong> Analyse (des Strahlungstransports in der Kruste und<br />
der Atmosphäre) auf später und setzen T/Teff ≈ 10 3 . Damit gilt dann für einen Stern mit L = 10 −2 L⊙<br />
Teff ≈ 10 4 K und Tc ≈ 10 7 K. Die Wärmeenergie Q beträgt dann Q ≈ 10 48 erg und für <strong>die</strong> Abkühlzeit<br />
folgt τ ≈ 10 9 yr.<br />
Beobachtung und Theorie sind mittlerweile in so guter Übereinstimmung, daß man für leuchtschwache<br />
Weiße Zwerge Teff als Altersindikator benutzen kann. Insbesondere in Doppelsternsystemen, wo ein<br />
Begleiter ein WD ist, hat man damit eine Altersabschätzung.<br />
3.4.4 Das Alter von Pulsaren<br />
Pulsare sind rotierende Neutronensterne, welche gepulste Radio- bzw. Röntgenstrahlung aussenden<br />
und damit sehr genau gehende Uhren mit der Periode P darstellen. Ein Alter erhält man für beide, allerdings<br />
stark modellabhängig, durch <strong>die</strong> gemessene Brems- bzw. Beschleunigungsrate ˙ P der Pulsare.<br />
Das Alter der Radiopulsare<br />
Gewöhnlich bestimmt man das Abbremsalter nach der Larmor Formel für den Energieverlust eines<br />
schiefen magnetischen Rotators<br />
˙Erot = − 2<br />
3c 3 ¨ M 2 = − 2<br />
3c 3 M2 Ω 4<br />
der im Vakuum strahlt, was auf <strong>die</strong> Gleichung<br />
IΩ ˙ Ω = − 2<br />
3c 3 ¨ M 2<br />
(3.26)
3.4. STERNENTWICKLUNG 201<br />
führt. Dabei ist M = BsR 3 das magn. Dipolmoment senkrecht zur Rotationsachse, R der Radius<br />
und I das Trägheitsmoment des Neutronensterns. Die Drehfrequenz ist Ω = 2π/P und <strong>die</strong> Bremsrate<br />
ist ˙ Ω. Sie können direkt gemessen werden. Die Werte für I und R folgen nur aus einer Theorie der<br />
Neutronensterne, wozu wieder <strong>die</strong> Kernphysik <strong>die</strong> Grundlage liefert.<br />
• ZUSATZ (RECHNUNG)<br />
Mit ¨ M 2 = Ω 4 M 2 o folgt<br />
P ˙<br />
P =<br />
� 8π 2 R 6<br />
3c 3 I<br />
�<br />
B 2 s<br />
mit konstanter rechter Seite. Die Lösung lautet<br />
P 2 = P 2 �<br />
o 1 + 1<br />
�<br />
(t − to)<br />
τ<br />
mit<br />
und<br />
τ =<br />
�<br />
P<br />
2 ˙<br />
�<br />
P o<br />
τ = 3c3 I<br />
16π 2 B 2 s<br />
Damit ist gleich das Magnetfeld mitbestimmt. Zur Bestimmung des Alters ist dagegen nur wesentlich, daß<br />
gilt.<br />
(3.27)<br />
(3.28)<br />
(3.29)<br />
(3.30)<br />
˙Ω = −KΩ 3 mit K = const (3.31)<br />
Unter der Annahme, daß Pulsare schnell rotierend geboren werden, gilt dann nach hinreichender Abbremsphase<br />
für das Alter eines Radiopulsars<br />
�<br />
P<br />
τ =<br />
2 ˙<br />
�<br />
(3.32)<br />
P o<br />
wobei der Index o sich auf den Beobachtungszeitpunkt bezieht. Für extreme Millisekunden Radiopulsare<br />
erreicht τ fast 20 Gyr.<br />
Das Recycling Alter der Röntgenpulsare<br />
Recycling von Neutronensternen benötigt einen Begleitstern, der lange Zeit nah (aber nicht zu nah) am<br />
Pulsar kreist und <strong>die</strong>sen (von Zeit zu Zeit) mit Materie versorgt. Dabei wird in den meisten Fällen der<br />
Donor vollständig vernichtet (Kannibalismus). Ein Beispiel ist der Transient SAX J1808.4-3658. Für<br />
einen Neutronenstern der Masse, MCh = 1.4M⊙, mit und Radius R = 10 km beträgt σg = GM/Rc 2 =<br />
0.1. Damit ergibt sich als kritische Massenakkretionsrate<br />
˙M = 2 · 10 −8 MCh yr −1 = 2 · 10 18<br />
g s −1<br />
um <strong>die</strong> Grenzleuchtkraft von LEdd = 2 · 10 38 erg s −1 zu erhalten. 95% der Zeit ist der Pulsar aus, 5%<br />
der Zeit beträgt <strong>die</strong> Leuchtkraft gut nachweisbare L = 10 37 erg s −1 und seiner beobachteten normalen<br />
(Dauer) Leuchtkraft von L = 1 · 10 35 erg s −1 entspricht demnach eine mittlere Massenakkretionsrate<br />
von nur ˙ M = 10 −11 M⊙yr −1 . Die akkretierte Masse kann leicht abgeschätzt werden: <strong>die</strong> Gesamtmasse<br />
ma, <strong>die</strong> akkretiert werden muß, um <strong>die</strong> Endfrequenz Ω zu erreichen beträgt<br />
ma = 3<br />
4 I<br />
� �<br />
2 2/3<br />
Ω<br />
GM<br />
(3.33)
202 KAPITEL 3. KERNPHYSIK: ALTERSBESTIMMUNG<br />
Und explizit, für typische Neutronenstern Werte:<br />
ma = (0.17M⊙)I45(10 3 P ) −4/3 (M/M⊙) −2/3<br />
(3.34)<br />
Im Falle des Transienten SAX J1808.4-3658 sind das mit P = 2.5 ms ma = 0.05M⊙, woraus mit einer<br />
Rate von ˙ M = 10 −11 M⊙yr −1 als untere Schranke für das Alter 5 Gyr folgt. Falls <strong>die</strong>s typisch für das<br />
Recycling eines Neutronensterns ist, dann sind viele Radiopulsare sogar primordial.
3.4. STERNENTWICKLUNG 203<br />
3.4.5 Doppelsterne<br />
Ein ähnlich extremer Pulsar wie der Transient SAX J1808.4-3658 = XTE J1808-369 ist der Radiopulsar<br />
PSR B1744-24A mit P = 11.56 ms und einer Orbitalperiode von 1.8h. Der Pulsar befindet sich im<br />
Kugelsternhaufen Terzan 5, der selbst im Galaktischen Bulge (nahe dem Galaktischen Zentrum) liegt.<br />
Der Wert für <strong>die</strong> Massenfunktion ist f(Mx, Mc) = 3·10−4M⊙ und der Abstand beträgt ax = 110·10−3 lt sec (modulo sini).<br />
Der Radiopulsar B1744-24A = J1748-2446A, mit einer Orbitalperiode von Torb = 1.8 h = 109 min,<br />
hat eine zehnmal längere Umlaufperiode als der schnellste Röntgenburster, 4U1820-30 mit 11.4 min.<br />
Beide sind Mitglied eines Kugelsternhaufens, was kein Zufall sein kann. Die Periode des Radiopulsars<br />
beträgt P = 11.56 Milli Sekunden, (Alter unbekannt, da ˙ P = −1.9dex(−20) < 0 s s−1 ) Entfernung 7<br />
kpc. Nimmt man an, daß <strong>die</strong> wahre Ableitung unterhalb <strong>die</strong>sem Betrag liegt, also<br />
˙<br />
Pwahr < 1.9dex(−20) s s −1<br />
so ergibt sich ein Alter T<br />
T = P<br />
2 ˙<br />
P<br />
> 1010<br />
yr<br />
Das ist ein Alter T von mehr als 10 Gyr und entspricht damit dem Alter des Kugelsternhaufen.<br />
• BEISPIEL (NEUTRONENSTERN IN ULTRA-KOMPAKTEN BINÄR-SYSTEMEN)<br />
Röntgen Pulsare mit ultra-kurzer Orbitalperiode<br />
Zwei Prozesse bestimmen <strong>die</strong> Entwicklung von Röntgenquellen mit ultra-kurzer Orbitalperiode:<br />
1. Massenüberfluss (vom massearmen auf den massiveren Stern) und<br />
2. Gravitationsstrahlung.<br />
Es handelt sich bei den nebenstehenden zwei Röntgenpulsaren bzw. Röntgenburstern<br />
vermutlich um ultrakompakte Doppelsterne, wo der Neutronenstern dabei ist, den<br />
Begleiter zu zermalmen.<br />
Anm: Prot ist <strong>die</strong> Rotationsperiodes des Neutronensterns, Torb <strong>die</strong> Orbitalperiode<br />
(a in Lichtsekunden ist der Abstand der beiden Sterne).<br />
Die Quelle 4U1820-30 ist ein Burster, <strong>die</strong> im Kern des Kugelsternhaufens NGC<br />
6624 liegt.<br />
4U1627-67 zeigt Röntgen - Flares und hat ein extrem starkes Magnetfeld B12 = 1.<br />
Mit f(M) = 1 × 10 −6 M⊙ und Mc < 0.02M⊙ hat 4U1627-67 seinen Begleiter<br />
fast aufgegessen.<br />
Die Akkretionsrate von 4U1627-67 liegt bei − ˙ Mc = 10 −10 M⊙ yr −1 .<br />
Röntgen Pulsare mit ultra-kurzer Orbitalperiode<br />
3.4.6 Das Relaxationsalter der Kugelsternhaufen<br />
Pulsare mit kurzer Orbitalperiode<br />
PSR Prot Torb a<br />
(J2000) ( s) (min) lts<br />
4U1820-30 11.4 0.38<br />
4U1627-67 7.68 41.4 0.01<br />
1E2259+59 6.98 43.2 0.20<br />
4U1915-05 49.8 1.00<br />
Tab. 3.6: Pulsare (kurze Orbitalperiode)<br />
Wir kennen an echten stellaren Verdichtungen in unserer Galaxis mindestens vier verschiedene Typen.<br />
Diese sind<br />
1. der Bulge<br />
(Gesamtmasse etwa 2 · 10 10 M⊙, Radius etwa 2.5 kpc)<br />
2. <strong>die</strong> Kugelsternhaufen<br />
(etwa 120 im Halo plus weitere 100 in der Korona bekannt),<br />
3. <strong>die</strong> offenen Sternhaufen<br />
(Anzahl etwa 100, z. B. Plejaden, Hyaden).<br />
4. <strong>die</strong> Sternassoziationen<br />
(OB, W-R und T Tauri Assoziationen: etwa 100 sehr junge Objekte sind bisher bekannt).
204 KAPITEL 3. KERNPHYSIK: ALTERSBESTIMMUNG<br />
Der Bulge markiert das Zentrum der Galaxis und ist aus der Fusion von Zwerggalaxien entstanden. Die<br />
Kugelsternhaufen sind eventuell ebenfalls aus Zwerggalaxien entstanden, eine Alternative scheint der<br />
Stoß zweier Galaxien zu sein. Die offenen Sternhaufen werden heute noch in massiven Molekülwolken<br />
geboren. Die offenen Sternhaufen und <strong>die</strong> Kugelsternhaufen unterscheiden sich in Alter und Anzahl<br />
der Sterne.<br />
Typische Werte sind:<br />
und<br />
offener Sternhaufen N = 10 3 ; v = 1kms −1 ; m = 1M⊙; R = 10 pc<br />
Kugelsternhaufen N = 10 6 ; v = 20kms −1 ; m = 0.5M⊙; R = 30 pc<br />
wobei N = 10 6 in der Milchstraße eher eine obere Grenze darstellt.<br />
Die Kugelsternhaufen sind <strong>die</strong> ältesten bisher gefundenen Objekte im Kosmos, daher das grosse Interesse<br />
an ihnen. Um M87 hat man 6000 Kugelsternhaufen entdeckt, viele davon sind bereits aufgelöst.<br />
Die Alter offener Sternhaufen können <strong>die</strong> der jungen Kugelsternhaufen erreichen.<br />
Im Kernbereich des Bulge, mit Radius von 1 kpc, beträgt <strong>die</strong> Masse sogar M = 1 · 10 10 M⊙ (also<br />
N = 10 10 ).<br />
Alle <strong>die</strong>se Objekte sind relaxiert, was aus ihrer kugelförmigen Gestalt folgt und damit liefern sie interessante<br />
Abschätzungen für das Alter des Universums (grössere Strukturen sind dagen nicht relaxiert).<br />
Die standard Literaturformel (Spitzer und Härm, 1958) für <strong>die</strong> Relaxationszeit lautet:<br />
v<br />
τ = fo<br />
3<br />
G2m2n ln(N)<br />
; fo = (3/2) 3/2 /2π (3.35)<br />
Wir wollen <strong>die</strong> wichtigsten Schritte zu ihrer Herleitung skizzieren. Als Näherungsformel wird oft<br />
� �<br />
R N<br />
tRelax =<br />
(3.36)<br />
V 12 ln(N/2)<br />
verwendet. Bei bekannter Entfernung kann der Radius R bestimmt werden, <strong>die</strong> Anzahl der Sterne N<br />
und ihre mittlere Geschwindigkeit v (Dopplereffekt) sind direkt beobachtbar.<br />
• DEFINITION (KING FUNKTION)<br />
Die Massenverteilung wird bei gravischen Systemen wie Kugelsternhaufen durch das King Modell approximiert:<br />
n = no<br />
�<br />
1 + r2<br />
a2 �b<br />
; b = 3β<br />
2<br />
Die originale King Funktion im Phasenraum erhält man aus der Boltzmann Verteilung,<br />
�<br />
1<br />
f(v) = n<br />
πu2 �3/2 �<br />
exp − v2<br />
u2 �<br />
; u 2 = GM<br />
R<br />
indem <strong>die</strong>se bei vesc abgeschnitten wird. Die Entweichgeschwindigkeit ist abhängig vom Ort R und der Masse M<br />
�<br />
2GM<br />
Das liefert<br />
mit<br />
vesc =<br />
R<br />
g(v) = ˜ f(v) − ˜ f(vesc)<br />
1 − ˜ f(vesc)<br />
˜f(v) = e (−v2 /u 2 )<br />
(3.37)<br />
(3.38)<br />
(3.39)<br />
(3.40)
3.4. STERNENTWICKLUNG 205<br />
für den Geschwindigkeitsteil. Der Ortsanteil ist in Übereinstimmung mit der Boltzmann Verteilung,<br />
�<br />
φ(r) − φ(0)<br />
h(r) = exp −<br />
u2 �<br />
Die Gesamtverteilung ist dann<br />
(3.41)<br />
f(r, v) = h(r)g(v) (3.42)<br />
und es ist zu beachten, daß<br />
v 2 esc = −2φ(r)<br />
in g(v) zu setzen ist.<br />
Das Relaxationsalter der Kugelsternhaufen kann mit sehr unterschiedlichem Aufwand abgeschätzt werden.<br />
Es sei f(r, v, t) <strong>die</strong> Verteilungsfunktion der Sterne und n <strong>die</strong> Anzahldichte der Sterne<br />
�<br />
n = f(r, v, t)d 3 v (3.43)<br />
in einem Sternhaufen. Dieser wird aufgrund gravischer Mehrkörper Wechselwirkung im Laufe der Zeit<br />
Kugelgestalt annehmen. Die Streuung von Sternen der Masse m ist analog zur Rutherford Streuung.<br />
Für eine einfache Abschätzung benutzen wir <strong>die</strong> Formel für <strong>die</strong> Stossrate eines Streusterns an n Targetteilchen<br />
pro Volumen, wobei v <strong>die</strong> Relativgeschwindigkeit und σ der Streuquerschnitt ist:<br />
1<br />
= nσv (3.44)<br />
τ<br />
Wir erhalten so als erste grobe Näherung<br />
oder<br />
τ = 1<br />
nσv<br />
= fp<br />
v3 G2m2n ; fp = 1<br />
π<br />
τsc = fqN R<br />
v<br />
; fq = 4<br />
3<br />
wobei sc für single collision steht.<br />
• ZUSATZ (RECHNUNG)<br />
Wie bei der Herleitung der Rutherfordschen Formel gezeigt, sind<br />
und<br />
tan χ<br />
2<br />
∆v<br />
v<br />
∆E<br />
E<br />
= h = α<br />
mv 2 i ρ<br />
= 2 m1<br />
m1 + m2<br />
�<br />
m<br />
= 4<br />
m2<br />
(3.45)<br />
(3.46)<br />
(3.47)<br />
sin(χ/2) (3.48)<br />
� 2<br />
sin 2 (χ/2) (3.49)<br />
eine Parameterdarstellung für Geschwindigkeits- und Energieänderung bei einem einzelnen Stoß. Dabei ist ρ der Stoßparameter,<br />
also der horizontale Abstand der beiden Sterne bei grosser Entfernung.<br />
Für den Streuquerschnitt eines einzelnen Stosses setzen wir σ = 2πρ 2 und für ρ wählen wir den Wert, der eine Ablenkung<br />
um 90 Grad ergibt:<br />
ρ = Gm<br />
v 2 = ρmin (3.50)<br />
Ein solch naher Stoß ist energiereich genug, den Stern aus dem Haufen zu entfernen: ∆E/E = 4. Er <strong>die</strong>nt weiter unten<br />
auch zur Bestimmung von ρmin.<br />
Nach dem Virialsatz würde auch ∆E/E = 1 reichen. Mit dem Virialsatz 2T = U, wobei U = mφ(R) ist, erhalten wir,<br />
N = v2 R<br />
Gm<br />
und mit 4πnR 3 /3 = N schließlich Glchg. (3.46).<br />
(3.51)
206 KAPITEL 3. KERNPHYSIK: ALTERSBESTIMMUNG<br />
Ein Vergleich mit der genaueren Rechnung, Glchg. (3.35) zeigt, daß ein wesentlicher Aspekt, <strong>die</strong> langreichweitiger<br />
Wechselwirkung, nicht berücksichtigt ist: viele kleine Stöße sind effektiver als ein großer.<br />
• ZUSATZ (RECHNUNG)<br />
Bei vielen Stößen mittelt sich allerdings der lineare Geschwindigkeitsbeitrag heraus. Ferner muß über alle Stoßparameter<br />
gemittelt werden. Die Rechnung haben wir bereits bei der Rutherford Streuung durchgeführt. Bei gravischer Wechselwirkung<br />
lautet sie<br />
dE<br />
dt = 4πnG2 m2 1m2<br />
ln B ; B =<br />
v<br />
ρmax<br />
ρmin<br />
Für ρmax wählen wir den Radius des Haufens, ρmax = R, sodaß für den Wert von B zunächst<br />
B = v2R = N<br />
Gm<br />
wobei N <strong>die</strong> Anzahl der Mitglieder ist (m ist <strong>die</strong> Masse eines Einzelsterns, <strong>die</strong> Gesamtmasse beträgt M = mN. Das liefert,<br />
wenn wir für τ <strong>die</strong> Zeit nehmen, in der E verdoppelt wird<br />
τmc = τsc<br />
ln(N)<br />
Die korrekte Antwort erhalten wir, wenn wir auch noch über <strong>die</strong> Verteilung der Sterngeschwindigkeiten mitteln. Der Einfachheit<br />
halber nehmen wir an, daß <strong>die</strong> Verteilungsfunktion einer Boltzmann Verteilung gehorcht. Sie gilt eigentlich nur für<br />
stossdominierte Gase und lautet<br />
�<br />
m<br />
�3/2 fM (v) = n<br />
2πkT<br />
dabei ist n = N/V <strong>die</strong> Anzahldichte und m <strong>die</strong> Masse der Atome (Sterne). Die Normierung verlangt<br />
�<br />
N = V<br />
(3.52)<br />
(3.53)<br />
−m v2<br />
e 2kT (3.54)<br />
fM (v)d 3 v ; d 3 v = 4πv 2 dv (3.55)<br />
Wir vernachläßigen damit, daß Sterne mit mehr als Entweichgeschwindigkeit im Kugelsternhaufen nicht vorkommen und<br />
darüber hinaus ein mögliches Schrumpfen des Haufens.<br />
Die Verteilungsfunktion der Sterne wird gewöhnlich nicht mithilfe einer Temperatur geschrieben. Wir ersetzen 2kT/m →<br />
u 2 und erhalten:<br />
f(v) = n<br />
�<br />
1<br />
πu2 �3/2 �<br />
exp − v2<br />
u2 �<br />
; u 2 = GM<br />
R<br />
Die hier auftretende Größe u schätzen wir mit der Virialgeschwindigkeit ab. Damit gilt dann<br />
(3.56)<br />
d ˙ N = 2πbdbvf(r, v, t)dv (3.57)<br />
� �2 �<br />
� �2 ∆v<br />
2Gm<br />
= 2π bdbvf(r, v) dvdt (3.58)<br />
v<br />
uvb<br />
Die erste Gleichung gibt <strong>die</strong> differentielle Streurate, mit der zweiten erhalten wir das Relaxationsalter, wenn wir ∆v = v<br />
setzen.<br />
Das Ergebnis kann auch anschaulich so formuliert werden:<br />
� �<br />
R N<br />
tRelax =<br />
(3.59)<br />
V 12 ln(N/2)<br />
dabei ist tcross <strong>die</strong> Zeit, <strong>die</strong> der Stern braucht, um den Haufen mit Radius R mit der mittleren Geschwindigkeit<br />
v zu durchqueren.<br />
• BEISPIEL (DAS RELAXATIONSALTER DER KUGELSTERNHAUFEN)<br />
Mit der Umrechnung<br />
1 km s −1 = 1 pc Myr −1<br />
beträgt tcross etwa 3 Myr (mit v = 20 km s −1 und R = 30 pc). Daraus folgt (mit N = 10 5 ) im Extremfall tRelax ≈ 1 Gyr.<br />
Das ist etwa <strong>die</strong> Zeit, <strong>die</strong> man üblicherweise zum Alter der Milchstraße hinzuzählt.<br />
Die 10 10 Sterne im Kernbereich des Bulge (mit Radius von 1 kpc) sind dagegen scheinbar nicht relaxiert. Nimmt man aber<br />
an, daß <strong>die</strong>se durch Verschmelzen von Zwerggalaxien (mit jeweils 10 8 Sternen) entstanden sind, dann ist N = 100 und das<br />
Kriterium erfüllt. Die Zwerggalaxien sind mit 10 8 Sternen ebenfalls relaxiert.<br />
• BEISPIEL (DAS RELAXATIONSALTER DER OFFENEN STERNHAUFEN)<br />
Hier beträgt tcross etwa 20 Myr (mit v = 1 km s −1 und 2R = 20 pc). Daraus folgt (mit N = 10 3 ) tRelax ≈ 0.1 Gyr.
3.4. STERNENTWICKLUNG 207<br />
3.4.7 Das Evaporationsalter der Kugelsternhaufen<br />
Das Evaporationsalter der Kugelsternhaufen erhalten wir aus dem Relaxationsalter, tRelax, wenn wir<br />
denjenigen Anteil ɛ der Boltzmann Verteilung bestimmen, der entweichen kann, N(v > vesc) = ɛN,<br />
mit<br />
vesc =<br />
�<br />
2GM<br />
R<br />
Für <strong>die</strong>sen Anteil ɛ gilt dann<br />
1<br />
N ˙ N = ɛ<br />
tRelax<br />
(3.60)<br />
Das liefert etwa ɛ = 0.01 und damit tEvap = N/ ˙ N = tRelax/ɛ, Computersimulationen liefern genauer<br />
oder<br />
tEvap = 96tRelax<br />
tEvap =<br />
� �<br />
8R N<br />
v ln(N/2)<br />
(3.61)<br />
(3.62)<br />
Für typische offene Sternhaufen in unserer Galaxis findet man tEvap = 3 Gyr, während für <strong>die</strong> massiveren<br />
Kugelsternhaufen tEvap = 100 Gyr gilt.<br />
Kugelsternhaufen liefern mit tcross und tEvap äusserst nützliche Altersindikatoren, da <strong>die</strong>se physikalisch<br />
verstanden sind. Beide Zeiten können als untere und obere Schranke für das Alter der Galaxis und<br />
damit auch für das Universum genommen werden.<br />
• BEISPIEL (DAS EVAPORATIONSALTER DER OFFENEN STERNHAUFEN)<br />
Hier beträgt tEvap mit unseren Daten 10 Gyr. Viele Haufen (mit N < 10 3 ) sind damit bereits verdampft.<br />
• ZUSATZ (MÖGLICHE HERKUNFT: ZWERGGALAXIEN)<br />
Eine bedeutsame Entdeckung hat aufgezeigt, wie <strong>die</strong> Herkunft der Kugelsternhaufen geklärt werden könnte. Die Sagittarius<br />
Zwerggalaxie befindet sich (von der Erde aus gesehen) hinter dem Galaktischen Zentrum und ist senkrecht zur Galaktischen<br />
Ebene elongiert, was dahingehend gedeutet wird, daß <strong>die</strong>se Zwerggalaxie von der Milchstraße zerrissen wird.<br />
Es zeigt sich, daß <strong>die</strong> Kleine Maghellansche Wolke (Entfernung 57 kpc) ähnlich in ihren spektroskopischen Eigenschaften<br />
ist. Skaliert man <strong>die</strong> Sagittarius Zwerggalaxie um 1.6 mag, so ergibt sich eine gute spektroskopische (Horizontalast, Roter<br />
Klumpen) Übereinstimmung und damit eine Entfernung für <strong>die</strong> Sagittarius Zwerggalaxie von 24 kpc.<br />
Weitere Daten zur Sagittarius Zwerggalaxie:<br />
1. Entfernung 24 kpc.<br />
2. Die heliozentrische Radialgeschwindigkeit beträgt +140 km s −1 .<br />
3. Die Leuchtkraft wird mit MV ≈ −13 mag. angegeben.<br />
4. Die mittlere (auf <strong>die</strong> Sonne bezogene) Metallizität [Fe/H] beträgt −1.4.<br />
5. Die Sagittarius Zwerggalaxie enthält mehrere Sternpopulationen.<br />
6. Der Kern der Sagittarius Zwerggalaxie ist M54.<br />
7. Drei diskrete Sternpopulationen können unterschieden werden.<br />
8. Der Altersunterschied der diskreten Sternpopulationen beträgt 3 Gyr.<br />
Die massivsten Kugelsternhaufen sind ω Cen (Nr 1) und M54 (Nr 2).<br />
Der massivste Kugelsternhaufen, ω Cen, enthält 4 diskrete Sternpopulationen mit Metallhäufigkeiten, <strong>die</strong> jeweils um etwa<br />
dex(0.3) wachsen: z1 = 0.4dex(−3), z2 = 1dex(−3), z3 = 2dex(−3) und z4 = 5dex(−3). Der Altersunterschied der 4<br />
Sternpopulationen beträgt 2 Gyr.<br />
Weitere Daten zu Kugelsternhaufen ω Cen:<br />
1. Entfernung 4.8 kpc.<br />
2. Daten anhand von 130 000 Sternspektren.<br />
3. ω Cen, NGC 6522 und NGC 6528 durchqueren gerade <strong>die</strong> galaktische Ebene.
208 KAPITEL 3. KERNPHYSIK: ALTERSBESTIMMUNG<br />
Lit.<br />
Ibata et al. Nature 370, 194 (1994) ’A dwarf satellite galaxy in Sagittarius’.<br />
Y.W. Lee et al. Nature 402, 55 (1999) ’Multiple stellar populations in ω Cen’.<br />
• ZUSATZ (MÖGLICHE HERKUNFT: ZWERGGALAXIEN)<br />
Eine Bestätigung <strong>die</strong>ser Entdeckung (Herkunft der Kugelsternhaufen aus Zwerggalaxien) folgt aus der Interpretation neuerer<br />
Daten von Hipparcos. Anhand sehr genau vermessener 3D Eigengeschwindigkeiten konnte bei etwa 100 besonders<br />
alten (nämlich Sternen mit [Fe/H] < −1.6dex eine Zusammengehörigkeit (über numerische Simulation) festgestellt werden.<br />
Zwei Sterströme konnten identifiziert werden mit 9 bzw. 3 Mitgliedern. Die Bahndaten sind wie folgt: rapo = 16 kpc<br />
und rperi = 7 kpc, mit einer Periode von 0.4 Gyr. Die maximale Höhe über der Galaktischen Ebene beträgt 13 kpc. Beide<br />
Ströme bewegen sich in entgegengesetzter Richtung und machen 10% an Masse der Sonnen nahen Halo Sterne aus. Läßt<br />
man <strong>die</strong>se Ströme zeitlich rückwärts fließen, so ergibt sich ein gemeinsamer Ursprung nach 10 Gyr. Die Simulation ergibt,<br />
mit einer Geschwindigkeitsdispersion von 15 km s −1 und einem Kern Radius von 0.5 kpc, eine Zwerggalaxie mit einer<br />
Leuchtkraft von 10 7 L⊙ und einer Masse von 10 8 M⊙.<br />
Lit.<br />
A. Helmi et al. Nature 402, 53 (1999) ’Debris streams from the formation of MW’.<br />
3.4.8 Das Alter des Universums<br />
Zu ✛Beginn<br />
des 20ten Jahrhunderts ✘ sah ein kosmologisch konsistentes Modell des Universums wie<br />
folgt aus: Das Alter betrug etwa 0.1 Gyr, <strong>die</strong> Masse bestenfalls einge 10<br />
The Lord made the universe<br />
but Baade doubled it.<br />
Anon<br />
✚<br />
✙<br />
6<br />
Sonnenmassen und der Radius war mit 1 kpc am weitesten von den heutigen<br />
Werten entfernt. Dieses Kapteynsche Insel Universum reichte nur bis<br />
zu den nächsten Molekülwolken. Die Sonne und ihre Planeten waren (nach<br />
den Theorien von Kant und Laplace) einheitlich aus einem kalten Urnebel entstanden, mit der heutigen<br />
Häufigkeit der chemischen Elemente. Die Sonne bezog ihre Leuchtkraft (in der letzten Version<br />
vor Entdeckung der Kernfusion nach Eddington) in Erweiterung der Überlegungen von Kelvin und<br />
Helmholtz, aus der Akkretion von Kometen. Das Universum selbst war statisch (und je nach Autor<br />
endlich oder unendlich ausgedehnt), damit entfiel <strong>die</strong> Frage nach seinem Anfang. Auch das ’steady<br />
state’ Universum hat keinen Anfang und kein Ende. Materie muß in ihm ständig nachgeliefert werden<br />
(im inflationären Universum ist das nur einmal nötig).<br />
Wir wollen im folgenden beschreiben, wie <strong>die</strong> Allgemeine Relativitätstheorie zu einer Altersabschätzung<br />
des Kosmos führt.<br />
Die Einsteinsche Kosmologie<br />
Mit kosmologischer Konstante (oder Vakuumenergie) lautet der Energiesatz für <strong>die</strong> Metrik des Kosmos<br />
wie folgt:<br />
� �2 ˙a<br />
= −k<br />
a<br />
� �<br />
c 2<br />
a<br />
+ 8πG<br />
(ρ + Λ) (3.63)<br />
3<br />
oder (in geometrischen Einheiten geschrieben und geordnet nach Potenzen von a)<br />
− Egr = Evak + Egeo + Epot<br />
Für das Alter des Universums haben <strong>die</strong> Terme auf der rechten Seite unterschiedliche Bedeutung, da<br />
sie von unterschiedlichen Potenzen von a abhängen:<br />
˙a 2 = (Λa 2 − k) c2<br />
�<br />
8πG ao a<br />
+ ρo + ɛo<br />
3 3 a 2 o<br />
a2 �<br />
(3.64)<br />
Der frühe Kosmos wird von den Termen ganz rechts, der späte von den Termen links dominiert. Eine<br />
mögliche kosmologische Konstante bestimmt demnach ausschließlich unsere Zukunft.
3.4. STERNENTWICKLUNG 209<br />
Läßt man einmal eine mögliche kosmologische Konstante Λ außer Betracht (s.u.), dann ist das heutige<br />
Universum (Friedmann–Lemaître Modell) durch zwei unabhängige Messungen dynamisch vollständig<br />
bestimmt: <strong>die</strong> Dichte ρo und das Alter to. Nimmt man <strong>die</strong> chemische Zusammensetzung hinzu (Kernfusion<br />
im frühen Universum), dann ist das Modell sogar überbestimmt (und damit verifizierbar im Sinne<br />
von Popper).<br />
Den Hubble Expansionsparameter H und <strong>die</strong> kritische Dichte des Universums haben wir wie folgt<br />
definiert:<br />
H = ˙ R<br />
R<br />
; ρc = 3<br />
8πG H2<br />
; Ω = ρ<br />
ρc<br />
= 8πG<br />
3 ρH−2<br />
(3.65)<br />
Die beide Grundgrößen, H und ρ sind für ein expan<strong>die</strong>rendes Universum zeitabhängig; trotzdem wird,<br />
etwas missverständlich, Ho = H(heute) Hubble Konstante genannt. Die Aussage Ω = 1 ist zeitunabhängig,<br />
sonst gilt Ω = Ω(t). Die Beobachtung, daß für unser Universum heute Ω(to) ≈ 1 gilt, wird<br />
allgemein als Problem angesehen, flatness problem.<br />
• DEFINITION (EINHEITEN DER HUBBLE KONSTANTEN)<br />
Als Einheiten wählt man gewöhnlich für <strong>die</strong> Geschwindigkeit v 100 km s −1 und für <strong>die</strong> Entfernung l das Mpc, sodaß<br />
H = v/l <strong>die</strong> Einheit<br />
H100 ≡ 100 km s −1 Mpc −1 = 3.3 · 10 −18 h s −1 (3.66)<br />
hat. Es ist dann üblich (H = Ho der Wert heute)<br />
H = h H100 = Ho<br />
zu definieren, sodaß h der dimensionslose Wert für H ist. In Zahlen: (Alter)<br />
und (Radius)<br />
1<br />
H = 19.56(2h)−1 Gyr = 6 · 10 17 (2h) −1<br />
c<br />
H = 6(2h)−1 Gpc = 1.85 · 10 28 (2h) −1<br />
Die einfachsten Fälle sind:<br />
1. das flache Universum, Ω = 1, Einstein - de Sitter Kosmos<br />
to = 2<br />
3 H−1<br />
o = 6.7 Gyr ; a = ao(t/to) 2/3<br />
(3.67)<br />
s (3.68)<br />
cm (3.69)<br />
Die Dichte ist hier also gleich der kritischen Dichte und Ω = 1 = const. gilt für alle Zeiten.<br />
2. das leere Universum, Ω = 0, Milne - Schücking Kosmos<br />
(3.70)<br />
to = H −1<br />
o = 20/(2h) Gyr ; a = ct (3.71)<br />
Es kann als Grenzfall ρ → 0 aus dem Euklidischen Raum durch rein kinematische Transformation<br />
erhalten werden. Ω = 0 = const. gilt (wie Ω = 1) ebenfalls für alle Zeiten.<br />
Wenn man bereits weiß, daß das Universum flach ist (z. B. aus einer Theorie wie der der Inflation), dann<br />
benötigt man nur eine einzige Messung, um das Universum auszumessen. Diese Größe ist naturgemäß<br />
<strong>die</strong> Hubble Konstante, da sie nur sichere Frequenzmessungen mit (zZ noch) unsicheren Entfernungsmessungen<br />
benötigt; zur Bestimmung der Dichte muß auch noch <strong>die</strong> Masse (innerhalb einer gegebenen<br />
Entfernung) ’gewogen’ werden.
210 KAPITEL 3. KERNPHYSIK: ALTERSBESTIMMUNG<br />
Es ist üblich, kosmologische Entfernungen in Einheiten von Mpc anzugeben und Geschwindigkeiten<br />
in 100 km/s. Umgerechnet liefert das in <strong>die</strong>sen Einheiten für 1/H gerade 20 Gyr als Zeiteinheit für<br />
2h = 1.<br />
Das Alter des Universums ist im flachen Universum (mit kritischer Dichte, Ω = 1)<br />
to = 2<br />
3 H−1 o = 2R<br />
3 ˙ R<br />
1<br />
= 20 Gyr (3.72)<br />
3h<br />
wenn wir mit h den aktuellen Wert von H in obigen Einheiten messen.<br />
Mit 2h = 1 und Ω = 1 gilt: das Alter des Universums ist etwa 14 Gyr und das ist <strong>die</strong> ✛untere<br />
Gren- ✘<br />
ze für das Alter seiner ältesten Objekte. Für <strong>die</strong> Verfechter von h = 1 gilt dage-<br />
Hubble double,<br />
gen (zum merken) nebenstehender Spruch aus der New York Times. Dieser gilt auch<br />
world in trouble!<br />
noch für ein nahezu leeres Universum. Beeindruckend ist zur Zeit aber nicht etwa N.Y. Times<br />
eine kleine Diskrepanz der verschiedenen Alter, sondern <strong>die</strong> größenordnungsmäßige ✚ ✙<br />
Übereinstimmung.<br />
Eine einzige Beobachtung, etwa von Objekten eines Alters von 30 Gyr, würde allerdings <strong>die</strong>ses schöne<br />
Bild zerstören!<br />
Die kosmologische Konstante<br />
Die Friedmannschen Gleichungen lauten im Original<br />
� 2<br />
�<br />
′ a<br />
3<br />
a<br />
2 a′′<br />
a +<br />
�<br />
′ a<br />
a<br />
� 2<br />
� �2 1<br />
+ 3k<br />
a<br />
� �2 1<br />
+ k<br />
a<br />
= ˆκɛ (3.73)<br />
= −ˆκp (3.74)<br />
Für das Alter des Universums haben heute nur <strong>die</strong> folgenden Terme (auf der rechten Seite der Friedmannschen<br />
Gleichungen) Bedeutung, da sie <strong>die</strong> höchsten Potenzen von a enthalten:<br />
˙a 2 = (Λa 2 − k) c2<br />
3<br />
+ 8πGρo<br />
3<br />
ao<br />
a<br />
(3.75)<br />
Eine mögliche kosmologische Konstante bestimmt demnach ausschließlich unsere Zukunft. Ein solches<br />
Friedmann-Lemaître Universum wurde schon einmal ernsthaft diskutiert.
Kapitel 4<br />
Thermodynamik: Temperatur<br />
4.1 Überblick<br />
4.1.1 Leuchtkraft und Temperatur<br />
kosmischer Objekte<br />
Nach Entfernung, Masse und Alter (c, g, s) kommen wir nun zum zentralen Thema der <strong>Astrophysik</strong>:<br />
zur Bestimmung der Temperatur T und – damit eng verbunden– zur Leuchtkraft L kosmischer Objekte.<br />
Hauptsächlich werden wir <strong>die</strong> Leuchtkraft der Sterne und der interstellaren Materie (ISM) betrachten,<br />
da nur bei <strong>die</strong>sen Objekten bisher <strong>die</strong> Erzeugung hinreichend gut verstanden ist.<br />
Die Grundlage zum Verständnis ist das Plancksche Gesetz der Wärmestrahlung. Es enthält eine einzige<br />
Größe, <strong>die</strong> Temperatur T , und liefert <strong>die</strong> Intensität der Wärmestrahlung B = B(T ) und ihre<br />
Spektralverteilung Bν(T ). Die Gesamtstrahlungsrate liefert, vermittels der Relation<br />
Φ = πB (4.1)<br />
wobei Φ <strong>die</strong> Flächenhelligkeit (der Strahlungsstrom an der Oberfläche des Strahlers in Normalenrichtung)<br />
ist, das (schon vor Planck gefundene) Stefan-Boltzmann Gesetz der Schwarzkörperstrahlung:<br />
Φ = σT 4<br />
T ist <strong>die</strong> Temperatur und σ <strong>die</strong> Stefan-Boltzmann Konstante, mit dem Wert σ = 5.67 · 10 −05 erg s −1<br />
cm −2 K −4 .<br />
Die Energiedichte der Strahlung (im Innern des Hohlraums) ist u und es gilt<br />
u = aT 4<br />
(4.2)<br />
; B = c<br />
c<br />
u ; Φ = u (4.3)<br />
4π 4<br />
mit der Strahlungsenergiedichte-Konstante<br />
a = π2 k 4<br />
15¯h 3 c 3 = 7.56 · 10−15 erg cm −3 K −4<br />
Die Strahlungsverlustrate eines Sterns heißt Leuchtkraft, L und wird historisch in Magnituden (neuerdings<br />
auch in Jansky) gemessen.<br />
Es gilt, mit R : Radius und 4πR 2 : Oberfläche des Sterns<br />
L = 4πR 2 Φ = πcR 2 u (4.5)<br />
• ANMERKUNG (DIE STRAHLUNGSDICHTE DER MILCHSTRASSE)<br />
Anstelle eines Sterns kann man auch eine ganze Galaxie betrachten. So hat <strong>die</strong> Milchstraße etwa eine Leuchtkraft von<br />
LGal = 10 10 L⊙ (bei 10 11 Sternen). Mit R = 10 kpc Radius liefert das u = 10 −12 erg cm −3 , oder zum Merken:<br />
211<br />
(4.4)
212 KAPITEL 4. THERMODYNAMIK: TEMPERATUR<br />
u = 10 −12 erg cm −3 = 1 eV cm −3 .<br />
Dieser Wert für eine Energiedichte kommt merkwürdigerweise gleich mehrfach in der Milchstraße vor.<br />
1. Die kosmische Hintegrundstrahlung z. B. hat 420 Photonen im cm 3 von etwa 1/2000 eV, also uCB = 0.25 eV cm −3 .<br />
Sternenlicht und Hintegrundstrahlung haben aber sicher nichts gemeinsam.<br />
2. Nimmt man <strong>die</strong> <strong>Teil</strong>chenzahldichte des Kosmos zu n = 10 −6 cm −3 , dann hat auch <strong>die</strong> Elektronenkomponente <strong>die</strong>se<br />
Ruhmassenenergie (1/2 MeV pro Elektron).<br />
3. Das galaktische Magnetfeld hat eine Stärke von etwa 3 µGauss, <strong>die</strong> Energiedichte beträgt damit ebenfalls u =<br />
B 2 /8π = 10 −12 erg cm −3 .<br />
4. Hiermit ebenfalls vergleichbar, <strong>die</strong>smal verständlicherweise, ist <strong>die</strong> Energiedichte der kosmischen Strahlung.<br />
Die beiden letzten Grössen sind über den Virialsatz für <strong>die</strong> Elektronenkomponente der Milchstraße gekoppelt:<br />
uel = mγc 2 nel = umag = 1<br />
8π B2<br />
An der Oberfläche eines Sterns (oder einer Galaxie) beträgt der Strahlungsfluß<br />
F (R) = Φ = L<br />
4πR 2<br />
Für einen Beobachter im Abstand D kommt davon<br />
f = L<br />
4πD 2<br />
an Strahlungsfluß an. Die Leuchtkraft, L, kann also nur bestimmt werden, falls <strong>die</strong> Entfernung zur<br />
Quelle bekannt ist. Anders <strong>die</strong> Temperatur. Für Quellen, deren Öffnungswinkel<br />
Ω ∗ = π<br />
� �2<br />
R<br />
D<br />
bestimmt werden kann, gilt für den Fluß am Ort des Beobachters<br />
f = F (D) = π<br />
(4.6)<br />
(4.7)<br />
(4.8)<br />
(4.9)<br />
� �2<br />
R 1<br />
D π Φ = Ω∗I (4.10)<br />
Der Quotient Φ/Ω ∗ ist entfernungsunabhängig und aus bekanntem f und Ω ∗ kann Φ und damit T<br />
bestimmt werden.<br />
Damit sind wir zu folgendem Ergebnis gelangt:<br />
Aus dem gemessenem Fluß f = F (D) einer Quelle kann ihre Temperatur bestimmt werden,<br />
falls sie auflösbar ist, Ω ∗ > 0; zur Bestimmung der Leuchtkraft L muß <strong>die</strong> Entfernung<br />
bekannt sein.<br />
Für <strong>die</strong> Beobachtung wichtig ist dabei der folgende Aspekt: <strong>die</strong> Existenz einer Quelle kann sich direkt<br />
manifestieren in der Strahlung, <strong>die</strong> sie erzeugt, oder aber indirekt, indem ein vor einer hellen Quelle<br />
gelegenes dunkles Objekt Strahlung der Hintergrundquelle absorbiert. Extreme Beispiele sind <strong>die</strong><br />
Dunkelwolken der Milchstraße.<br />
• ANMERKUNG (BEITRAG DER ERDATMOSPHÄRE)<br />
Die Säulenmasse der Erdatmosphäre beträgt 1033 g pro cm 2 (was einer Wassersäule von 10 Meter Höhe im Gravitationsfeld<br />
der Erde entspricht). Die Säulendichte der Erdatmosphäre beträgt damit (umgerechnet auf N2 und O2) insgesamt<br />
N⊕ = 2 · 10 25<br />
cm −2<br />
Für kleine Frequenzen gilt <strong>die</strong> von Rayleigh 1899 gefundene Formel (Abendrot und Himmelsblau)<br />
� �4 � �4 ω λo<br />
σ = σT = σT<br />
λ<br />
ωo<br />
(4.11)
4.1. ÜBERBLICK 213<br />
Bis zum Zentrum der Galaxis gilt (für H und H2)<br />
NGal ≈ 10 23<br />
cm −2<br />
Das reicht bei weitem nicht aus Exitinktion und Rötung des Sternenlichts bei seinem Weg durch <strong>die</strong> Milchstraße quantitativ<br />
zu erklären. Notwendig ist demnach eine weitere Komponente der ISM: Staub der richtigen Größe.<br />
• ANMERKUNG (BEITRAG STAUB IN DER MILCHSTRASSE)<br />
Einer relativen Massenhäufigkeit (bezogen auf <strong>die</strong> Gaskomponente) von XStaub = 0.01 entspricht eine numerische<br />
Häufigkeit von YStaub = 10 −13 , also etwa nStaub = 10 −12 cm −3 . Das ist ein Staubteilchen pro (100 m) 3 . Der Radius<br />
s eines Staubkorns liegt zwischen einigen 0.1 bis zu 1 µ. Streuung und Absorption werden mit der Mieschen Theorie modellmäßig<br />
beschrieben. Als Ergebnis ergibt sich der geometrische Querschnitt, korrigiert für <strong>die</strong> Wellenlängenabhängigkeit<br />
(ähnlich der Rayleigh Streuung):<br />
σStaub = πs 2 � s<br />
�4 πs 2<br />
λ<br />
; λ > s (4.12)<br />
; λ < s<br />
Damit wird optische Strahlung über den geometrischen Querschnitt vollständig absorbiert und bei größeren Wellenlängen<br />
wieder abgestrahlt (Rötung mit Entropievergrößerung!).<br />
Die Emission, d. h. <strong>die</strong> Leuchtkraft von Staub, L, ist im optisch dünnen Fall gegeben durch <strong>die</strong> Summe, NStaub =<br />
nV YStaub, aller Einzelstrahler im Volumen V . Ein Staubkorn strahlt genähert wie ein Planckscher Strahler, l = 4πs 2 σT 4 .<br />
4π<br />
LStaub = (nYStaub<br />
3 R3 )(4πs 2 σT 4 Staub) < 4πR 2 σT 4 Staub<br />
Die Leuchtkraft L aus dem Volumen V = (4π/3)R 3 ist dabei begrenzt durch <strong>die</strong> Strahlungsformel für den schwarzen<br />
Körper (der optisch dicke Fall).<br />
Weitere Möglichkeiten, <strong>die</strong> bekannt sind, können zum zeitweisen völligen Verschwinden der Quelle<br />
führen (Interferenz bei Pulsaren, extrem in dem Kugelsternhaufen 47Tuc) oder zu so grosser Verstärkung,<br />
wie im Falle von Gravitationslinsen (oder Pulsaren), daß <strong>die</strong> Quelle ohne <strong>die</strong>se Fokussierung bzw.<br />
Verstärkung nicht nachweisbar wäre.<br />
4.1.2 Das Spektrum der Linien<br />
Die Geschichte der Spektroskopie ist einerseits <strong>die</strong> Geschichte des Lichts und der Quantenmechanik,<br />
andererseit <strong>die</strong> Geschichte des experimentellen und technologischen Fortschritts der Optik (und verwandter<br />
Gebiete).<br />
• ANMERKUNG (DUALISMUS WELLE - KORPUSKEL IN DER QUANTENMECHANIK)<br />
Ein diskretes Linienspektrum der Materie ist klassisch vollkommen unverständlich (natura non fecit saltus). Erst <strong>die</strong> Quantenmechanik<br />
liefert eine vollständige, widerspruchsfreie Beschreibung, <strong>die</strong> sich jedoch klassischen Denkvorstellungen<br />
weitgehend entzieht. Licht ist beides: Korpuskel (ein Photon beteiligt) im Photoeffekt (Einstein, 1905) oder Welle (Maxwellsche<br />
Theorie der Elektrodynamik, viele Photonen beteiligt) im Hertzschen Dipol. Auf Hertz geht dabei sowohl <strong>die</strong><br />
Entdeckung, besser Realisierung, elektromagnetischer Wellen (am 13.11.1886) als auch <strong>die</strong> (zufällige) Entdeckung des<br />
Photoeffekts (1887) zurück. Erklärt wurde <strong>die</strong>ser erst von Einstein.<br />
Grundsätzlich wird im atomaren Prozeß ein einzelnes Photon mit Spin ¯h emittiert. Erst viele Photonen, emittiert von vielen<br />
Atomen, liefern das klassische Bild einer Kugelwelle, deren Amplitude nach außen so abnimmt, daß der Fluß durch eine<br />
Kugelfläche konstant ist.<br />
Die Spektroskopie beginnt mit der Zerlegung des Sonnenlichts im Prisma. Neben dem Prisma sind<br />
Regenbogen und Farben dünner Plättchen Phänomene, <strong>die</strong> zu erklären sind. Hiermit beginnt <strong>die</strong> Kontroverse<br />
nach der korrekten Beschreibung von Licht: ist es seiner Natur nach Welle oder Korpuskel.<br />
Klassisch schließen sich beide Beschreibungen gegenseitig aus. Wichtige Theorien stammen von Newton<br />
(Korpuskel) einerseits und von Hooke und Huygens (Welle) andererseits.<br />
(4.13)
214 KAPITEL 4. THERMODYNAMIK: TEMPERATUR<br />
Robert Hooke (1635 - 1703) erklärt Licht als transversale Welle. Er schreibt 1665 in ’Micrographia’,<br />
daß seine Theorie ist ’capable of explicating all the phenomena of colors, but of all that are in<br />
the world.’<br />
Christian Huygens (1629 - 1695) begründet <strong>die</strong> Wellentheorie des Lichts, niedergelegt in ’Traité de<br />
la lumière’, Paris (1690). (In Anerkennung der früheren Ideen von Par<strong>die</strong>s und Hooke). Damit<br />
das Licht sich in einem Medium fortpflanzen kann, führte Huygens den elastischen Äther ein.<br />
Über <strong>die</strong> Entstehung der Farben schweigt er sich aus. Das nach ihm benannte Prinzip wurde von<br />
Kirchhoff 1882 streng mathematisch gefasst.<br />
Isaac Newton (1643 - 1727) erkärt dagegen Licht als Korpuskel (welche von Materie angezogen<br />
werden und findet dementsprechen keine befriedigende Lösung für <strong>die</strong> Beugung). Er zerlegt<br />
1672 als erster weißes Licht in Farben mit Hilfe eines Prismas und er schreibt 1672 (in Phil.<br />
Trans. 6, 3075)<br />
’. . . that light itself is a heterogeneous mixture of differently refrangible rays.’<br />
Nach Newton sollte (wegen der Anziehung) <strong>die</strong> Lichtgeschwindigkeit im Medium größer sein<br />
als in Luft. Er nahm an, daß <strong>die</strong> Farben durch <strong>die</strong> Größe der Korpuskel bewirkt werde: der roten<br />
Farbe entsprachen <strong>die</strong> größten <strong>Teil</strong>chen, der gelben Farbe mittlere und schließlich der blauen <strong>die</strong><br />
kleinsten <strong>Teil</strong>chen.<br />
• ANMERKUNG (DUALISMUS WELLE - KORPUSKEL HISTORISCH)<br />
Mit seiner Theorie stellt Newton sich ganz bewusst gegen Hooke und Huygens. Vom damaligen Standpunkt aus betrachtet<br />
waren beide unbefriedigend: Huygens konnte <strong>die</strong> Farben, Newton <strong>die</strong> ihm bereits bekannte Interferenz und Beugung nicht<br />
erklären.<br />
Trotz beeindruckender Arbeiten von Arago, Malus, Young und Fresnel zur Wellennatur des Lichts, blieb <strong>die</strong> Newtonsche<br />
Vorstellung (begründet durch seine Autorität auf dem Gebiet der Gravitation) vorherrschend unter den Physikern.<br />
Das experimentum crucis konnte erst 1850 durchgeführt werden, als Fizeau und Foucault erstmals <strong>die</strong> Wellengeschwindigkeit<br />
des Lichts in Materie messen konnten. Sie fanden v < c. Damit war gezeigt, daß <strong>die</strong> Newtonsche Vorstellung falsch<br />
war. Michelson (1852 -1931) konnte mit einer verbesserten Foucaultschen Versuchsanordnung sogar <strong>die</strong> Dispersion der<br />
Lichtgeschwindigkeit (in Schwefelkohlenstoff) bestimmen.<br />
Da man sich <strong>die</strong> Ausbreitung von Licht im Vakuum nicht vorstellen konnte und da <strong>die</strong> Fresnelsche Deutung der Polarisation<br />
transversale Lichtwellen forderte, wurde ein hypothetischer elastischer Äther eingeführt, in dem solche Wellen sich<br />
ausbreiten konnten. Maxwell begründete bereits (mithilfe <strong>die</strong>ses elastischen Äthers) 1860 seine Lichttheorie. Diese etwas<br />
absurde Vorstellung wurde endgültig erst durch den Versuch von Michelson 1881 ad acta gelegt. Bis dahin versuchte man,<br />
<strong>die</strong> Eigenschaften des Äthers experimentell zu finden und mathematisch zu formulieren.<br />
Die Arbeiten von Hertz zeigten dann experimentell <strong>die</strong> Richtigkeit der Maxwellschen Theorie und das gesamte Gebiet der<br />
optischen Erscheinungen wurde damit <strong>Teil</strong> der Elektrodynamik. Hertz und Heaviside zeigten dann aber, daß ein elastischer<br />
Äther unnötig ist zur Ausbreitung der Wellen, Vakuum genügt. Vakuum bedeutet dabei, daß das elektromagnetische Feld<br />
kontinuierlich ist wie der Raum, in dem es existiert.<br />
Lorentz (Minkowski, Poincaré) und insbesondere Einstein entdeckten dann ein zusätzliches Phänomen der Maxwellschen<br />
Theorie: <strong>die</strong> Konstanz der Lichtgeschwindigkeit. Experimentell wurde <strong>die</strong>s von Michelson bestätigt. Zusammen mit Morley<br />
findet er (seit 1881 in immer wieder verbesserten Experimenten), daß im Vakuum <strong>die</strong> Lichtgeschwindigkeit unabhängig<br />
von der (Erd)Bewegung ist.<br />
Neben den integralen Parametern Leuchtkraft und Temperatur sind diskrete Werte im Spektrum wichtig<br />
(der Fingerabdruck kosmischer Objekte). Das Plancksche Strahlungsgesetz ist streng nur für den<br />
idealen schwarzen Körper gültig und damit auf realistische Körper nur näherungsweise anwendbar.<br />
Insbesondere zeigen Sterne eine markante Abweichung von <strong>die</strong>sem Verhalten, da sie ein Linienspektrum<br />
besitzen. Die Kenntnis von der Existenz von Linien im Spektrum der Sonne reicht bis an den<br />
Anfang des 19. Jahrhunderts (Fraunhofer) zurück.<br />
Frequenz (Energie), Breite (Temperatur und Dichte der Umgebung) und Intensität (Häufigkeit und<br />
Dichte des Elements) verschiedener Linien erlauben es, ein detailliertes Bild von den Verhältnissen der<br />
Umkehrschicht zu erhalten.
4.1. ÜBERBLICK 215<br />
• BEISPIEL (ABSORPTION DER ERDATMOSPHÄRE)<br />
Die Fraunhofer Linien A (λ = 7593.8 ˚A), a (λ = 7184.5 ˚A) und B (λ = 6867.2 ˚A) sind terrestrischen Ursprungs (Erdatmosphäre)<br />
und gehören in <strong>die</strong>ser Reihenfolge zu O2, H2O, und O2.<br />
Was für uns heute selbstverständlich (und lebenswichtig) ist, daß nämlich <strong>die</strong> Atmosphäre der Erde aus Molekülen (und<br />
Atomen) besteht, <strong>die</strong> durch ihre Absorption vor der energiereichen UV Strahlung der Sonne schützen, war selbst zu Beginn<br />
des 20ten Jahrhunderts noch völlig unbekannt: viele Physiker leugneten sogar <strong>die</strong> Existenz der Atome, da sie nicht nachweisbar<br />
seien. Ernst Mach etwa behauptete (ganz im Sinne des Positivismus): ’Atome gibt es nicht. Oder haben Sie schon<br />
einmal eins gesehen.’ Dies war <strong>die</strong> Mehrheitsmeinung der Physiker (Max Planck eingeschlossen). Bedeutende Ausnahmen<br />
bei den Physikern waren allerdings, beginnend mit Clausius (1857) und neben Faraday (1791 - 1967) und Maxwell, <strong>die</strong><br />
Begründer der statistischen Thermodynamik Ludwig Boltzmann und James Jeans. Die bedeutenden Arbeiten (1738) von<br />
Daniel Bernoulli zum Atomismus waren da längst vergessen.<br />
Die Chemiker waren da anderer Meinung. John Dalton bestimmte 1803 als erster das Gewicht der Atome. Er bezog sich<br />
dabei auf eine Idee, <strong>die</strong> Antoine Lavoisier (1743 - 1794) geäussert hatte. Von Avogadro (1776 - 1856) stammt der Begriff<br />
Molekül.Er fand erstmals <strong>die</strong> nach ihm benannten Anzahl der Moleküle im Volumen, bei gleichem Druck und gleicher<br />
Temperatur.) waren hier den Physikern weit voraus, deshalb heißen <strong>die</strong> Atome letzten Endes zu Recht chemische Elemente.<br />
Dabei gab es, abgesehen von der (diskreten) Absorption in der Erdatmosphäre (also der Luft) bereits<br />
genügend Beispiele vom Gegenteil, d. h. der diskreten Natur der Materie. Wir erwähnen als frühestes<br />
Beispiel <strong>die</strong> Fraunhoferschen Dunkellinien im Spektrum der Sonne (und dabei besonders <strong>die</strong> winzige<br />
Aufspaltung der Na D-Linie).<br />
• BEISPIEL (FRAUNHOFER: LINIEN-ABSORPTION)<br />
Das älteste Beispiel für diskrete Linienabsorption sind <strong>die</strong> Fraunhoferschen (Dunkel) Linien im Spektrum der Sonne. (J.<br />
Fraunhofer; 1817 in: Ann.d. Physik 56, 264). Die Frage nach der Natur des Lichts wird damit noch komplizierter, als sie<br />
ohnehin schon ist. Was kann hier diskret sein? Die moderne Antwort, in den Worten Einsteins (1905), lautet<br />
Das Licht besteht aus Energiequanten, genannt Photonen, <strong>die</strong> sich mit Lichtgeschwindigkeit fortbewegen.<br />
Damit ist allerdings nur <strong>die</strong> Hälfte der Frage beantwortet, da Photonen auch erzeugt (oder, wie bei Dunkellinien, vernichtet)<br />
werden müßen. Die andere Hälfte liefert das Bohrsche Atommodell (1913), s. u., mit seinen Regeln.<br />
Daß Fraunhofer der erste war, der solche Dunkellinien im Spektrum der Sonne nachweisen konnte, war sein eigenes Ver<strong>die</strong>nst:<br />
er konnte Prismen und Linsen besser als jeder andere zu seiner Zeit herstellen und bearbeiten (Reinheit und Schleifen<br />
von Glas). Die Zerlegung des Sonnenlichts in seine Spektralfarben vermittels eines Prismas war bereits von Newton<br />
untersucht worden. Linien traten dabei aber noch nicht auf.<br />
Heute kennt man bei der Sonne etwa 1 Million Linien, von denen gut 70% identifiziert sind.<br />
Es dauerte dann (nach Fraunhofers Leistung) fast 50 Jahre, bis Kirchhoff (Physiker) und Bunsen (Chemiker)<br />
in der Lage waren, zu zeigen, daß <strong>die</strong> Linien der Sonne mit denen terrestrischer Elemente identisch<br />
waren. Ermöglicht wurde <strong>die</strong>s durch <strong>die</strong> Reinheit des verwendeten Brenners und der verwendeten<br />
Chemikalien (Na ist wegen seiner Häufigkeit und seiner niedrigen Anregungsenergie überall):<br />
Zehn Jahre vor Kirchhoff und Bunsen hatte Léon Foucault in Paris bereits festgestellt, daß <strong>die</strong> Na Linie<br />
der Sonne verstärkt wurde, wenn sie durch einen Kohlenstoff Entladungsbogen geleitet wurde. Niemand<br />
konnte allerdings mit <strong>die</strong>ser Beobachtung etwas anfangen (s.o.: Na ist wegen seiner Häufigkeit<br />
und seiner niedrigen Anregungsenergie eben überall, was Foucault nicht wusste).<br />
• BEISPIEL (KIRCHHOFF UND BUNSEN: LINIEN-ABSORPTION)<br />
Der Nachweis wurde geführt durch Umkehrung der Na D-Linie des Sonnenlichts (G. Kirchhoff, R. Bunsen; 1860 in:<br />
Ann.Phys.109, 148).<br />
Bereits Fraunhofer hatte 600 Linien entdeckt, <strong>die</strong> er — beginnend bei grossen Wellenlängen — phänomenologisch mit A,<br />
B, C, D usw. durchnumerierte (mit Untergruppen z. B. D1 = Na-Linie bei 5895.94 ˚A und D2 = Na-Linie bei 5889.97<br />
˚A). Der Abstand beträgt mit 6 ˚A gerade mal ein Promille. Die Enträtselung <strong>die</strong>ser Linienaufspaltung hat zu Beginn der<br />
Quantenmechanik eine bedeutende Rolle gespielt.<br />
Die bekannte Balmer Linie Ha bei 6562.8 ˚A trägt bei Fraunhofer den Buchstaben C.<br />
Kirchhoff und Bunsen fassten ihre Erkenntnisse (1959) im folgenden Gesetz der Spektralanalyse zusammen:<br />
Chemische Elemente und ihre Verbindungen lassen sich eindeutig aus ihren optischen Spektren identifizieren.
216 KAPITEL 4. THERMODYNAMIK: TEMPERATUR<br />
Diese Aussage ist bis heute gültig und bildet <strong>die</strong> Grundlage der Identifizierung astronomischer Objekte. Die Umkehrung<br />
ist ebenfalls interessant: kennt man keine Linien, dann ist es oft unmöglich, das Objekt zu identifizieren. Dies gilt in<br />
besonderem Masse für IR- und Gamma-Quellen.<br />
Die folgenden drei von Kirchhoff (1860) im Labor gefundenen ’Gesetze’ auf astrophysikalische Situationen<br />
umformuliert, lauten:<br />
1. Ein heißer, selbstleuchtender Körper erzeugt ein Kontinuum.<br />
2. Ein optisch dünnes Gas erzeugt Emissionslinien.<br />
3. Ein optisch dünnes, kaltes Gas vor einer heißen Hintergrundquelle erzeugt Absorptionslinien.<br />
Sie sind für das Verständnis der Spektroskopie (bei fehlendem Strahlungstransport) von fundamentaler<br />
Bedeutung. Wir werden sie später im einzelnen herleiten.<br />
Von Kirchhoff stammt auch das erste Modell, <strong>die</strong> Absorptionslinien der Sonne zu erklären (sein drittes<br />
Gesetz). Diese so genannte Umkehrschicht (ein optisch dünnes, kälteres Gas vor der heißen Strahlungsquelle<br />
der Sonne) würde vermutlich bei einer Sonnenfinsternis als selbst strahlendes Medium mit<br />
Emissionslinien zu beobachten sein.<br />
• ANMERKUNG (DIE ENTDECKUNG VON HELIUM)<br />
Noch vor der Verifizierung des Modells von Kirchhoff entdeckten<br />
Janssen, J. (1824 - 1907) und Lockyer, N. (1836 - 1920)<br />
im Jahre 1868 bei einer Sonnenfinsternis im Spektrum der Chromosphäre der Sonne eine helle gelbe Linie, bei λ = 5876<br />
˚A, welche sie Helium tauften. Auf <strong>die</strong>se Entdeckung kommen wir später zurück.<br />
Im Labor wurde <strong>die</strong>se Linie erst von W. Ramsay (1852 - 1916) im Jahre 1895 identifiziert (als Zerfallsprodukt bei radioaktivem<br />
Uranzerfall: α-Strahlung).<br />
1870 (nach einigen vergeblichen vorhergegangen Versuchen) wurde <strong>die</strong> Emission der Umkehrschicht<br />
tatsächlich von Charles A. Young (zwei Sekunden lang!) beobachtet. Dieses experimentum crucis<br />
bestätigte einerseits <strong>die</strong> Vorhersage Kirchhoffs aufs schönste, das ’flash’ Spektrum ist in der Tat ein<br />
reines Emissionsspektrum.<br />
Es eröffnete andererseits eine neue Debatte. Viele der entdeckten Linien waren terrestrisch nicht bekannt<br />
(bzw. nicht herstellbar, oder hatten ’falsche’ Intensitäten). Die Frage lautete deshalb: gibt es auf<br />
Sternen noch ganz andere Elemente (Janssen und Lockyer) oder handelte es sich um verbotene Linien?<br />
Auch hier kann <strong>die</strong> endgültige Antwort nur mithilfe der Quantenmechanik gegeben werden: <strong>die</strong> Anregungsbedingungen<br />
der Linien folgen aus der Saha Gleichung, sie werden von leicht ionisierbaren<br />
Spurenelementen bestimmt.<br />
Es dauerte dann nochmals gut 50 Jahre bis mit dem Bohrschen Modell <strong>die</strong> meisten Eigenschaften der<br />
Atomspektren erklärt werden konnten. Allerdings war es auch ohne Modell bereits (aufgrund der sehr<br />
genauen Messungen von ˚Angstrøm) 1885 dem Schweizer Mathematiklehrer J. K. Balmer gelungen,<br />
eine Linienserie zu entziffern.<br />
λn = C n2<br />
n 2 − 4<br />
Die Hα Linie sollte korrekterweise ˚Angstrøm α Linie heißen, so wie Lyα nach Lyman benannt ist, da<br />
er sie als erster im Labor realisiert hat. Eine Verbesserung der Balmer Formel<br />
hwmnc = RH<br />
�<br />
1 1<br />
−<br />
m2 n2 �<br />
, m < n ; w = 1<br />
λ<br />
(mit der Wellenzahl w) stammt (1890) von Rydberg (1854 - 1919).
4.1. ÜBERBLICK 217<br />
• ANMERKUNG (DIE RYDBERG FORMEL)<br />
Johannes Robert Rydberg (1854 - 1919) sammelte systematisch empirische Daten der Spektroskopie und findet (unabhängig<br />
von Balmer) dafür eine Serienformel, welche er in der Form schreibt:<br />
w = 1<br />
�<br />
= RH<br />
λ<br />
1<br />
−<br />
(m + b) 2<br />
1<br />
(n + c) 2<br />
�<br />
mit einer universellen, R, und zwei für jedes Element und jede Serie spezifischen Konstanten, b und c. Ein Jahr nach Balmer<br />
findet er zu seiner Zufriedenheit Übereinstimmung mit der allgemeine Serienformel für Wasserstoff für b = 0 und c = 0.<br />
Als Verallgemeinerung <strong>die</strong>ser Formel sei angemerkt, daß Alkali Atome (Li, Na, K . . . ) mit einer solchen Form angepaßt<br />
werden können, allerdings sind b und c keine ganzen Zahlen (und oft viel kleiner als eins).<br />
Die universelle Konstante RH heißt ihm zu Ehren Rydbergkonstante. Von ihm stammt <strong>die</strong> Bezeichnung Term (Festterm m<br />
und Laufterm n.<br />
Natrium hat Z = 11 und <strong>die</strong> beiden inneren Schalen (n = 1 und n = 2) sind gefüllt. Die Konfiguration lautet [1s 2 2 2 2p 6<br />
nl]. Das Leuchtelektron n = 3 hat eine minimale elektronische Anregungsenergie E(n = 3, l = 0 → n = 3, l = 1) von<br />
2.09 eV. Die Aufspaltung des 3p Niveaus in 2 P 1/2 (Na D2-Linie mit 5890 ˚A) und 2 P 3/2 (Na D1-Linie mit 5896 ˚A) beträgt<br />
∆E = 2 · 10 −3 eV. (Zum Vergleich: H hat entweder E(n = 1, l = 0 → n = 2, l = 1) von 10.15 eV oder ∆E = 4 · 10 −5<br />
eV).<br />
Noch vor Formulierung des Bohrschen Atommodells entdeckte Pieter Zeeman (1865 - 1943) <strong>die</strong> Linienaufspaltung<br />
im Magnetfeld an der Na D-Linie (1896), ein (kleiner) Effekt, nach dem M. Faraday so<br />
lange erfolglos gesucht hatte. Hale entdeckt bereits 1908 mit <strong>die</strong>sem Effekt das Magetfeld der Sonnenflecken.<br />
Die Messung der Linienaufspaltung im Magnetfeld bei Sternen und in Molekülwolken ist bis<br />
heute schwierig.<br />
Aufgrund <strong>die</strong>ses Experiments entwickelt H. A. Lorentz seine klassische Theorie ∗ des Elektrons, <strong>die</strong><br />
auch heute noch Grundlage zum Verständnis der klassischen Elektrodynamik ist. Damit ist bereits<br />
der normale Zeeman Effekt zu verstehen (Bei verschwindendem Elektronen Spin, S = 0, kommt der<br />
Strom vom Bahndrehimpuls und der kann klassisch verstanden werden).<br />
• BEISPIEL (DIE BOHR-SOMMERFELDSCHEN ATOMSPEKTREN)<br />
Das Bohrsche Atommodell (1913) basiert auf folgenden Postulaten<br />
1. Atome existieren in stationären (strahlungslosen) Zuständen mit diskreten Energien, <strong>die</strong> durch ganze Zahlen n (den<br />
Hauptquantenzahlen der Rydberg Formel) charakterisiert sind.<br />
2. Der Übergang erfolgt durch Aufnahme oder Abgabe eines Photons der Energie<br />
¯hω = En − Em<br />
Bohr konnte für Wasserstoff das Spektrum berechnen und damit <strong>die</strong> Rydberg Konstante RH berechnen<br />
En = −m ∗ 2 (Zα)2<br />
c<br />
2n2 , m ∗ = melMH<br />
mel + MH<br />
; α = e2<br />
¯hc<br />
Die Sommerfeldsche Feinstrukturkonstante tritt hier noch nicht wirklich auf, <strong>die</strong> Lichtgeschwindigkeit kürzt sich heraus.<br />
RH = e4 m ∗<br />
2c¯h 2<br />
Die Rydbergkonstante hat den Wert 1.09·10 5 cm −1 . Ihm entspricht <strong>die</strong> Energie Einheit von 13.6 eV.<br />
Der erste Nachweis für <strong>die</strong> Richtigkeit des Bohrschen Atommodells war der Franck - Hertz Versuch<br />
(1914), bei dem Hg durch Elektronenstoß angeregt wird und bei dem eine scharfe Linie bei λ = 2536 ˚A,<br />
entsprechend 4.89 eV emittiert wird. Damit war einmal der diskrete Charakter der Elektronen Niveaus<br />
im Atom bewiesen, zum andern aber auch ein neuer Anregungsmechanismus entdeckt, wie er auch in<br />
der <strong>Astrophysik</strong> wichtig ist (Stossanregung).<br />
∗ ’Theory of Electrons’ Teubner (1909).<br />
(4.14)
218 KAPITEL 4. THERMODYNAMIK: TEMPERATUR<br />
• FORMELN (DIE QUANTENMECHANIK)<br />
Werner Karl Heisenberg (1901 - 1976) begründet 1925 seine Form der Quantenmechanik (’Über quantenmechanische<br />
Umdeutungen kinematischer und mechanischer Beziehungen’). Er schafft mit Max Born und Pascual Jordan <strong>die</strong> ’Göttinger<br />
Matrizenmechanik’ und formuliert 1927 seine Unschärferelation. (’Über den anschaulichen Inhalt der quantentheoretischen<br />
Kinematik und Mechanik’. Z. Phys. 43, 1927, 172).<br />
Erwin Schrödinger (1887 - 1961) formuliert 1926 seine Wellengleichung. Ann. d. Phys. 79 (1925) 361 u. 489; 80 (1926),<br />
437; 81 (1926), 109. Er zeigte 1926, daß Heisenbergs Matritzenrechnung und seine Wellengleichung nur verschiedene<br />
Darstellungen ein und derselben Theorie sind.<br />
Grundlage der Theorie sind <strong>die</strong> folgenden Axiome. Alle Observablen sind durch selbstadjungierte Operatoren darzustellen.<br />
Ort Q und Impuls P genügen der folgenden (Nichtvertauschbarkeits) Kommutatorrelation:<br />
P Q − QP = ¯h<br />
i<br />
woraus (rein algebraisch) <strong>die</strong> Heisenbergsche Unschärferelation (für P und Q) folgt:<br />
δP δQ ≥ ¯h<br />
2<br />
Mit dem Hamilton-Operator H und der Wellenfunktion Ψ lautet <strong>die</strong> Schrödinger Gleichung für ein Elektron mit der (reduzierten)<br />
Masse m und mit der Ladung e im elektrischen Potential (des Atoms) Φ<br />
i¯h ∂Ψ<br />
∂t =<br />
�<br />
− ¯h2<br />
�<br />
∆ + eΦ Ψ (4.15)<br />
2m<br />
Für stationäre Zustände (eines Atoms) ist der Zeitanteil abseparierbar in der Form<br />
Ψ = ψ exp(−iEt/¯h) (4.16)<br />
und <strong>die</strong> Schrödinger Gleichung lautet nun<br />
wobei<br />
Hψ = Eψ (4.17)<br />
Hψ =<br />
�<br />
− ¯h2<br />
�<br />
∆ + eΦ ψ (4.18)<br />
2m<br />
ist. Die Energie E ist der Erwartungswert von H.<br />
Der halbzahlige Spin des Elektrons wurde der Schrödinger Gleichung (nach vorheriger experimenteller Entdeckung von<br />
Goudsmith und Uhlenbeck, 1925) von Pauli (1902 - 1958) phänomenologisch 1927 hinzugefügt. Er folgt zwanglos aus der<br />
relativistischen Dirac Gleichung, <strong>die</strong> <strong>die</strong>ser 1928 formulierte.<br />
Enj = −m ∗ 2 (Zα)2<br />
c<br />
2n2 �<br />
1 + (Zα)2<br />
�<br />
��<br />
1 3<br />
− (4.19)<br />
n j + 1/2 4n<br />
Die Feinstruktur Aufspaltung der Na D-Linie war dabei wesentlich, <strong>die</strong> Spin-Bahn Wechselwirkung zu beschreiben. Damit<br />
ist auch der anomale Zeeman Effekt, der wesentlich kleiner als <strong>die</strong> Feinstruktur Aufspaltung ist, zu verstehen (nicht<br />
verschwindender Elektronen Spin S > 0).<br />
Pauli postulierte bereits 1924 den Kernspin, um <strong>die</strong> Hyperfeinstruktur zu erklären. Ebenfalls 1924 formulierte er (durch <strong>die</strong><br />
Annahme einer zusätzlichen Quantenzahl für das Elektron) sein Ausschließungs-Prinzip für Fermionen:<br />
Fermionen dürfen nicht in allen Quantenzahlen übereinstimmen.<br />
Damit erst wurde der Aufbau der Atome verständlich.<br />
Für das H Atom hat der Grundzustand ∆Ehfs(n = 1) für F = 0 (antiparallele Spins) <strong>die</strong> niedrigste Energie. Der Übergang<br />
F = 1 → 0 (Spin Flip) hat <strong>die</strong> Energie<br />
∆Ehfs(n = 1) = −gegpα 4<br />
� �<br />
me<br />
mec 2<br />
(4.20)<br />
was λ = 21 cm entspricht. In Zahlen<br />
mp<br />
Energie ∆Ehfs(n = 1) ≈ 5.6 · 10 −6<br />
eV oder k∆T = 0.06 K
4.1. ÜBERBLICK 219<br />
Die dazu gehörende Frequenz ist eine der am genauesten bestimmten Größen der Physik:<br />
νhfs = 1 420. 405 751 786 MHz (4.21)<br />
Die Relativgenauigkeit, gemessen an verschiedenen H-Maser über eine Laufzeit von etwa 1 Monat, beläuft sich auf insge-<br />
samt 18 Stellen, ∆ν<br />
ν ≈ 10−17 .<br />
Die Existenz einer (Spin Flip) Linie (bei 21 cm) wurde für <strong>die</strong> ISM 1944 von van de Hulst vorhergesagt, 1951 tatsächlich<br />
nachgewiesen von Ewen und Purcell (und von Crampton, Kleppner und Ramsey im Labor genau vermessen). Bis zur<br />
Entdeckung des Moleküls CO (Übergang J = 1 → 0 mit λ = 2.6 mm) war <strong>die</strong> 21–cm Linie das wichtigste Mittel zur<br />
Durchmusterung der interstellaren Materie (ISM) der Galaxis.<br />
Der (Spin Flip) Übergang tritt nur bei atomarem H auf (H I Regionen) , sein Verschwinden in bestimmten Regionen der<br />
Galaxis deutet also auf <strong>die</strong> Entstehung von H2 hin. (Erster optischer Nachweis von H2: 1970 s. u.). Die 21-cm Linie tritt<br />
sowohl in Absorption (gegen starke Hintergrundquellen) als auch in Emission auf.<br />
4.1.3 Unerwartete Entdeckungen<br />
Unbekannte Elemente?<br />
Das Periodensystem der Elemente wurde 1869 unabhängig von Dimitri Iwanowitsch Mendelejew<br />
(1834 - 1907) und von Julius Lothar Meyer (1830 - 1895) aufgestellt. Ihrem Schema lag <strong>die</strong> Atomhypothese<br />
Daltons (1766 - 1844) zugrunde.<br />
Damals ✤ kannte man 60 Elemente ✜ (von 92) und so waren beide gezwungen, Lücken in ihrem System zu<br />
lassen. Die erste war Helium, <strong>die</strong> letzte Lücke wurde erst 1946 geschlossen<br />
Erst <strong>die</strong> Theorie bestimmt,<br />
(mit dem Element Praseodym: Pm, Z = 61). Die Entdeckung von Helium<br />
was gemessen werden<br />
kann.<br />
durch den Franzosen Janssen und den Engländer Lockyer im Spektrum der<br />
A. Einstein Sonne und <strong>die</strong> spätere Identifizierung im Labor durch den Engländer Ramsay<br />
✣<br />
✢brachte<br />
einige Chemiker auf <strong>die</strong> Idee, im Weltraum könnte es andere Elemente<br />
als auf der Erde geben. Insbesondere der Chemiker Lockyer war der Meinung, daß in den Sternatmosphären<br />
echte Elementumwandlungen (Transmutationen) stattfänden (der alte Traum der Chemiker,<br />
erst kürzlich mit der kalten Fusion von Fleishman und Pons wiederbelebt). Ein grosses Problem war<br />
dabei in der Tat (nur mithilfe der Bohrschen Theorie) das Fehlen bzw. das Vorhandensein bestimmter<br />
Linien (<strong>die</strong> Anregungsbedingungen) bei Sternen zu verstehen.<br />
Der Inder Megh Nad Saha (1893 - 1956) konnte (1921) zeigen, daß <strong>die</strong> Linien i. w. durch einen einzigen<br />
Parameter bestimmt sind: <strong>die</strong> Temperatur T (und nicht durch unterschiedliche Chemie der Sternatmosphären).<br />
Ein besonders interessanter Fall liegt bei den sog. verbotenen Linien (von Ionen der Elemente O, N, Ne,<br />
S bis Fe) vor. So wurden <strong>die</strong> beiden grünen Nebellinien von O2+ = O ++ = [O III] bei 5007 und 4959<br />
˚A ursprünglich einem hypotetischen Element Nebulium zugeschrieben. Erst 1927 konnte I.S. Bowen<br />
zeigen, daß es sich hier um Interkombinationslinien (magn. Übergänge 2p2 1D2 → 2p2 3P2 bzw. 2p2 1D2 → 2p2 3P1) des zweifach ionisierten O handelt.<br />
Das mittlerweile nicht mehr überschaubare spektroskopische Material, welches insbesondere an Sternen<br />
gewonnen wurde, läßt sich dahingehend zusammenfassen:<br />
Es gibt nur <strong>die</strong> terrestrisch bekannten Elemente im Universum.<br />
Von <strong>die</strong>sen 92 natürlichen Elementen ist Technetium, Tc, mit Z = 43, ein Ausnahmefall. Es hat<br />
überhaupt kein stabiles Isotop, dennoch kommt es in den Photosphären bestimmter Sterne vor (<strong>die</strong><br />
Halbwertszeit von 97 Tc beträgt dabei nur 1.8 Myr).
220 KAPITEL 4. THERMODYNAMIK: TEMPERATUR<br />
Unbekannte Zustandsform<br />
Wir lassen bei den folgenden Überlegungen Dunkelmaterie außer Betracht. Dann sieht <strong>die</strong> Situation<br />
in unserer Milchstraße etwa folgendermassen aus: verteilt man <strong>die</strong> Materie, <strong>die</strong> heute in Sternen ist,<br />
gleichmäßig über das Volumen der Milchstraße, so erhält man etwa 10 H Atome im cm 3 (in der galaktischen<br />
Ebene). Im Innern der Sterne ist <strong>die</strong> mittlere Dichte 23 dex höher (ρ ≈ 1 g cm −3 ). Das<br />
ist eine enorme Verdichtung. Ist zwischen den Sternen noch Materie übriggeblieben? Ursprünglich<br />
glaubte man, der interstellare Raum sei leer. Zu den berühmten Beispielen von ’evidence of absence’<br />
gehören (im niederenergetischen Bereich) <strong>die</strong> Entdeckung von interstellarer Materie (ISM) bzw. Staub<br />
und von Molekülen (OH, CO, H2 . . . ) in Wolken, ferner (im hochenergetischen Bereich) <strong>die</strong> kosmische<br />
Strahlung (Hess).<br />
• BEISPIEL (ISM UND STAUB)<br />
Seit Galilei erstmals ein Teleskop auf <strong>die</strong> Milchstraße richtete weiß man, daß <strong>die</strong>se aus sehr vielen schwach leuchtenden<br />
Sternen (und nicht aus der Milch der Hera) besteht. Was sonst noch am Himmel leuchtet ahnte erstmals W. Herschel. Mit<br />
seinem grossen Spiegelteleskop entdeckte er 1811 helle Nebelflecken und Löcher im Sternenhimmel (<strong>die</strong> vorher niemand<br />
gesehen hatte).<br />
Die Existenz von Staub vor Sternen war bereits 1847 von Struve aus Sternzählungen deduziert worden (mit der korrekten<br />
Größenordnung für <strong>die</strong> mittlere Extinktion von Av ≈ 1 m pro kpc). Aber erst durch <strong>die</strong> Arbeiten von Trümpler (1930)<br />
wurde <strong>die</strong>s allgemein be- und anerkannt.<br />
Die Entdeckung einer scharfen Absorptionslinie, der berühmten ruhenden Kalziumlinie im Spektrum des spektroskopischen<br />
Doppelsternes δ Orionis durch J. Hartmann im Jahre 1911 (verursacht durch <strong>die</strong> ISM) wurde zunächst nicht in<br />
ihrer Tragweite richtig eingeschätzt. Als eine alternative Möglichkeit wurde zirkumstellare Materie diskutiert. Es handelt<br />
sich hier um ein weiteres, historisch wichtiges, Beispiel vom Beginn des 20ten Jahrhunderts für den indirekten Nachweis<br />
von Materie. Der wirkliche Durchbruch kam hier mit der Einführung der Photographie und es wurden viele schwächere<br />
Dunkelwolken und Nebel (von u. a. E.E Barnard, F. Ross und M. Wolf) entdeckt.<br />
Staub wurde zeitlich sogar noch vor Molekülen in unserer Milchstraße entdeckt. Der Nachweis war indirekt: an den galaktischen<br />
Sternhaufen hatte Trümpler <strong>die</strong> Standardkerzen der Galaxis geeicht und dabei nebenbei <strong>die</strong> interstellare Absorption<br />
AV durch Staub bestätigt!<br />
Die Grundidee von Trümplers Entdeckung ist folgende. Wenn <strong>die</strong> galaktischen Sternhaufen gleiche Leuchtkraft und gleichen<br />
Durchmesser haben, dann sollten sterischer Öffnungswinkel der Sternhaufen, Θ 2 = (D/r) 2 , und ihre scheinbare<br />
Helligkeit f = L/4πr 2 proportional sein. Was man findet ist aber eine Abschwächung (und Rötung) des Sternenlichts.<br />
• BEISPIEL (MOLEKÜLE)<br />
Die ersten Moleküle waren CH und CN. Sie wurden bezeichnenderweise optisch in Absorption gegen helle Hintergrund<br />
Sterne bereits 1937 (von T. Dunham Jr) postuliert und 1941 nachgewiesen (A. McKellar). Radioastronomisch wurde <strong>die</strong><br />
Möglichkeit, Moleküle über ihre Hyperfeinstruktur zu identifizieren, erstmals von Shkolvski diskutiert und an OH (mit<br />
vier Hyperfeinlinien) als erstes 1963 in Absorption von Weinreb et al. entdeckt. Kurz darauf wurde OH auch in Emission<br />
(in der Nähe von starken Radioquellen, <strong>die</strong> Westerhout vorher entdeckt hatte) gefunden. Die Linien sind sehr schmal, <strong>die</strong><br />
Strahlung ist hochgradig polarisiert und sie wurde (von Perkins, Gold und Salpeter) als Maser interpretiert. Maser ist ein<br />
Akronym für Microwave Amplification by Stimulated Emission of Radiation. Der Linienemission entspricht formal eine<br />
Strahlungstemperatur von 10 12 K. Der genaue Pumpmechanismus ist allerdings nicht bekannt. (Pulsare erreichen sogar<br />
10 30 K).<br />
Die Strahlungstemperatur Tν (auch mit Antennentemperatur Ta bezeichnet) wird aus gemessenem Fluß Φν und bekanntem<br />
Öffnungswinkel der Quelle Ωs bestimmt. Die Strahlungstemperatur Tν in Rayleigh - Jeans Näherung ist dabei gegeben<br />
durch<br />
Tν = c2<br />
2kν 2 Jν mit Jν = Φν<br />
oder allgemein<br />
c2 2kν2 Jν = hν<br />
k<br />
1<br />
e hν/kTν − 1<br />
Ωs<br />
Der direkte optische Nachweis von molekularem Wasserstoff, H2, dem häufigsten Molekül, gelang dagegen erst 1970 (im<br />
UV bei λ = 1108 ˚Angstrøm, mithilfe einer Raketenbeobachtung).<br />
Der Nachweis von molekularem Wasserstoff, H2, geht auch heute noch indirekt, über das Fehlen der 21 cm Linien-<br />
Emission. Begründung: da H überall vorhanden ist, deutet <strong>die</strong> Abwesenheit der 21 cm Linie astrophysikalisch auf <strong>die</strong><br />
Existenz von H im molekularen Zustand hin.<br />
(4.22)
4.1. ÜBERBLICK 221<br />
Viele der von Herschel (in London) und von Messier (in Paris) entdeckten Nebel waren tatsächlich<br />
Galaxien. Die wirklichen Nebel werden nach der modernen Klassifikation in fünf verschiedene Typen<br />
eingeteilt.<br />
1. Dunkelwolken (Dark nebulae). Beobachtbar durch das Fehlen von Hintergrundquellen.<br />
2. Reflexionsnebel (Reflections nebulae). Beobachtbar durch das Streulicht von Sternen mit Spektraltyp<br />
später als B0 (keine Ionisation von H) an Wolken mit Staub.<br />
3. H II Regionen. Beobachtbar durch (verbotene) Emissionslinien, welche von OB Sternen angeregt<br />
werden.<br />
4. Planetare Nebel sind den H II Regionen ähnlich, <strong>die</strong> Anregung stammt von heißen Sternen im<br />
Endstadium der Entwicklung.<br />
5. Supernova Überreste. Filamente, polarisierte Strahlung, radioaktive Elemente.<br />
Dunkelwolken wurden von Barnard und Bok genauer untersucht. Besonders <strong>die</strong> runden (Bok Globulen)<br />
sind gravisch gebunden und vermutlich Orte der Sternentstehung.<br />
Reflexionsnebel wurden von Hubble untersucht und von Russell gedeutet: das reflektierte Licht ist<br />
blauer als das Licht des eingebetteten Sterns.<br />
H II Regionen bilden sich um heiße O und B Sterne. Innerhalb eines Radius R ist Wasserstoff vollständig<br />
ionisiert, wie Strømgren erstmals gezeigt hat. Der Kugelradius R kann wie folgt bestimmt werden. Der<br />
Photonenfluß Φ des Sterns an Photonen <strong>die</strong> Wasserstoff ionisieren können, kann insgesamt ein Volumen<br />
4πR 3 /3 ionisiert halten, falls Gleichgewicht zwischen Rekombination und Ionisation besteht<br />
Φ = R 4πR3<br />
3<br />
; R = αnenp<br />
gilt, wobei R <strong>die</strong> Rekombinationsrate ist. Eine Durchmusterung von H II Regionen wurde von Westerhout<br />
durchgeführt, <strong>die</strong> Quellen in seinem Katalog werden mit W bezeichnet. Der Qrion Nebel (M42 =<br />
Ori A; G209.0 − 19.4) hat <strong>die</strong> Bezeichnung W10.<br />
• BEISPIEL (DIE FILAMENTE DES CRAB NEBELS)<br />
Der Krebsnebel wurde von Charles Messier wiederentdeckt und bekam <strong>die</strong> Nummer eins in seinem Nebel Katalog von<br />
1758. Hundert Jahre später, 1845, wurde er von William Parson, 3. Earl of Rosse, erstmals genauer untersucht und so getauft<br />
(Crab nebula). Die Benutzung der Photo - Platte (H. Draper, 1840; Whipple, 1850) war noch neu, <strong>die</strong> ersten Bilder Rosses<br />
vom Krebsnebel sind Handzeichnungen. Von ihm stammt auch <strong>die</strong> erste Beschreibung der Filamente des Krebsnebels.<br />
Frühe Vermutungen, daß es sich beim Krebsnebels um eine Nova handeln könnte, <strong>die</strong> von chinesischen Beobachtern notiert<br />
worden war, stammen von Lundmark (1921) und Hubble. Änderungen (auf der Zeitskala von einem Jahr) der Helligkeit<br />
der Filamente des Nebels wurden erstmals von Lampland 1921 mitgeteilt. Eine erste Abschätzung des Alters (anhand der<br />
Ausdehnung) stammt von Duncan (1939). Er fand, daß <strong>die</strong> lineare Extrapolation der Expansion zurück, ein Alter von 766<br />
Jahren ergibt. Die Aktivität und Dynamik des Nebels wurden von Baade ab 1944 genauer untersucht. Fazit: optisch ist der<br />
Nebel nicht zu übersehen (Leuchtkraft 3·10 4 L⊙), aber auch im Radio Bereich ist er eine der stärksten Quellen, <strong>die</strong> bekannt<br />
sind. Entdeckt wurde er dort von Bolton 1948 (Bezeichnung als Quelle: Radio Taurus A).<br />
Das weiße Licht der Kernregion besitzt keine Spektrallinien, <strong>die</strong>se Strahlung ist stark polarisiert und damit nichtthermischen<br />
Ursprungs.<br />
Im Gegensatz dazu ist das Licht der Filamente praktisch reine Linienstrahlung, hauptsächlich<br />
von Hα (λ = 6563 ˚Angstrøm) und vielen verbotenen Linien wie [N II], [Ne III], [O III], [O<br />
II] und [S II]. Verbotene Übergänge werden durch eckige Klammern gekennzeichnet. Direkt<br />
messbar sind <strong>die</strong> Rate der Winkelausdehnung der Filamente des Nebels und <strong>die</strong> Dopplerverschiebung<br />
ihrer Linien von etwa 1000 km s −1 . Daraus kann <strong>die</strong> Entfernung zum Krebsnebel<br />
bestimmt werden, sie beträgt etwa Dcrab = 2 ± 0.5 kpc.<br />
Die energetische Quelle der Anregung, der Krebs - Pulsar, wurde von Staelin und Reifenstein<br />
1968 gefunden und von Gold korrekt gedeutet. Es handelt sich um einen Neutronenstern.<br />
Der Radio Pulsar hat eine Periode von 33 Millisekunden und stimmt mit dem von Baade<br />
1942 identifizierten ’south preceding star’ im Krebsnebel überein. Nur ein Jahr später entdeckten<br />
Cocke, Disney und J. Taylor (1969) den Pulsar sogar optisch, danach wird der Pulsar<br />
in praktisch allen Frequenzbereichen (Maximum bei 10 TeV!) gefunden. Das Maximum der<br />
verbotene Linien<br />
im Crab Nebel<br />
Element Wellenlänge<br />
˚A ˚A<br />
O II 3726 3729<br />
Ne III 3868 3967<br />
S II 4068 4076<br />
O III 4959 5007<br />
Tab. 4.1: Crab Nebel
222 KAPITEL 4. THERMODYNAMIK: TEMPERATUR<br />
Nebelstrahlung liegt im weichen Röntgen Bereich, ab MeV ist <strong>die</strong> Strahlung vollständig gepulst.<br />
Mittlerweile findet man Änderungen der Strahlungsintensität auf der Zeitskala von einer Woche.<br />
Der ersten Bestimmung von ˙ P (und damit des Alters von 1230 yr) folgte 1971 <strong>die</strong> von ¨ P . Der daraus abgeleitete Bremsindex<br />
n = 2− ¨ P P ˙ P −2 war allerdings ungenau. Erst seit 1972 (Boynton et al. und 1981 Lohsen) ist mit n = 2.515 ein endgültiger<br />
Wert für den Bremsindex n bestimmt.<br />
• BEISPIEL (ABSORPTION AN QUASAREN UND GAMMA BURSTS)<br />
Als Beispiele von aktuellem Forschungsinteresse, für <strong>die</strong> Absorption wesentlich zum Verständnis sind, seien Quasare und<br />
Gamma Bursts erwähnt. Für beide kann damit bewiesen werden, daß sie in kosmologischer Entfernung liegen, was insbesondere<br />
bei der Abschätzung ihrer Leuchtkräfte wichtig ist. Von <strong>die</strong>sen seien Quasare etwas genauer betrachtet, Gamma<br />
Bursts als Objekte einer einheitlichen astronomischen Klasse sind noch zu wenig verstanden.<br />
Quasare haben jeweils (mindestens) eine rotverschobene Emissionslinie, Lα, bei λα = (1 + z)1215.67 ˚Angstrøm (entspr.<br />
10.2 eV im Ruhsystem) und (oft) eine Vielzahl von Absorptionslinien (<strong>die</strong> alle bei kleineren Rotverschiebungen liegen).<br />
Daß <strong>die</strong> stärkste Emissionslinie <strong>die</strong> Lyman α Linie ist, ist dank der Häufigkeit von H im Universum verständlich. Gleiches<br />
gilt für <strong>die</strong> Vielzahl von Absorptionslinien: <strong>die</strong> nachgewiesene Anzahl ist mittlerweile so groß, daß sie mit Lα forest<br />
bezeichnet wird.<br />
Die Frage, ob Quasare wirklich in kosmologischer Entfernung liegen, wird mittlerweile eindeutig mit ja beantwortet. Der<br />
Grund ist hier jedoch nicht <strong>die</strong> im Vordergrund absorbierende Materie, obwohl das vollkommend ausreichend wäre: in<br />
einigen Fällen findet man sogar Gravitationslinsen, <strong>die</strong> aus geometrischen Gründen vor dem jeweiligen Quasar liegen<br />
müssen und deren Entfernung konventionell (Spektrum, Ausdehnung) bestimmt werden kann.<br />
Ähnliches gilt dann für Gamma Bursts, da auch bei <strong>die</strong>sen Absorptionslinien bei grosser Rotverschiebung gefunden wurden.<br />
Die Quelle wird hier durch multi Frequenzbeobachtungen als zeitlich veränderlich nachgewiesen, zum Schluß ist nichts<br />
mehr da, was leuchtet.<br />
Ein Ziel der modernen Astronomie ist es, für Galaxien eine ähnlich präzise und verläßliche Klassifikation<br />
zu finden, wie für <strong>die</strong> Sterne. Grundlage dazu ist ein Verständnis der Entwicklung der Sterne und<br />
ihre Wechselwirkung mit der umgebenden Materie (interstellare Materie = ISM).<br />
Benötigt werden dazu (im Hinblick auf Sterne und ISM):<br />
1. Die Elektrodynamik und Kernphysik, zur mikroskopischen Beschreibung von Strahlungsprozessen<br />
wie Streuung, Emission und Absorption von Photonen, bzw. <strong>die</strong> Fusion von Kernen.<br />
2. Die Thermodynamik, zur statistischen Behandlung von strahlenden, makroskopischen Vielteilchensystemen.<br />
Dies sind allerdings so umfangreiche und komplexe Gebiete der Physik, daß hier nur ein ein erster, auf<br />
das Wesentliche beschränkter Überblick gegeben werden soll.<br />
• DEFINITION (PARAMETER DER THERMODYNAMIK)<br />
Ein thermodynamisches System (d. h. ein Vielteilchensystem im thermodynamischen Gleichgewicht) ist durch drei unabhängige<br />
und eine abhängige Variable vollständig bestimmt. Die Wahl der Variablen ist nicht eindeutig.<br />
Wir wählen Volumen V , Entropie S und <strong>Teil</strong>chenzahl N als unabhängige Variable und <strong>die</strong> Energie E als abhängige Variable:<br />
E = E(V, S, N).<br />
Der erste Hauptsatz besagt, daß jede Änderung an einem thermodynamischen System, wie folgt beschrieben werden kann:<br />
dE = −P dV + T dS + �<br />
µidNi<br />
(4.23)<br />
i<br />
Die Größen P (Druck), T (Temperatur) und µi (chemisches Potential der <strong>Teil</strong>chensorte i) sind intensive Größen. V , S und<br />
N sind <strong>die</strong> extensiven thermodynamischen Variablen von E (weiter unten mit U bezeichnet).<br />
Zur mikroskopischen Beschreibung wählen wir <strong>die</strong> Variablen x (Ort) und p (Impuls) der <strong>Teil</strong>chen. Die Verteilungsfunktion<br />
im Phasenraum sei f(x, p) und dΓ sei das 6dim Volumelement im Phasenraum:<br />
dΓ = d3 xd 3 p<br />
h 3 ; dN = fdΓ (4.24)<br />
Für <strong>die</strong> Thermodynamik definieren wir <strong>die</strong> folgenden dimensionslosen Variablen<br />
α = µ<br />
kT<br />
= βµ (4.25)
4.1. ÜBERBLICK 223<br />
Die Verteilungsfunktion im Phasenraum kann für nicht wechselwirkende Fermionen (+) bzw. Bosonen (−) mit Impuls p<br />
exakt bestimmt werden. Mit <strong>die</strong>sen Definitionen für β und α lautet sie<br />
f(p) =<br />
1<br />
e βɛ(p)−α ± 1<br />
Dabei ist E(p) = ɛ(p) <strong>die</strong> Energie der <strong>Teil</strong>chen zum Impuls p, mit U wird ab jetzt <strong>die</strong> Gesamtenergie bezeichnet. Für N<br />
<strong>Teil</strong>chen im Volumen V = � d3x gelten <strong>die</strong> folgenden exakten thermodynamischen Beziehungen für Gesamtenergie U und<br />
Druck P<br />
N = g<br />
�<br />
V f(p)d<br />
h3 3 p (4.27)<br />
U = g<br />
�<br />
V E(p)f(p)d<br />
h3 3 p (4.28)<br />
P = gc2<br />
3h3 �<br />
p2 E(p) f(p)d3p (4.29)<br />
Verteilungsfunktion und Spektrum E(p) bestimmen vollständig <strong>die</strong> thermodynamischen Potentiale. Die (exakte) Energie -<br />
Impuls Relation für freie <strong>Teil</strong>chen der Ruhmasse m lautet:<br />
(4.26)<br />
E = c � p 2 + m 2 c 2 (4.30)<br />
Der Energienullpunkt ist dann eindeutig festgelegt, <strong>die</strong> Ruhmasse m enthält <strong>die</strong> Bindungsenergie (des Atoms oder Moleküls).<br />
Gewöhnlich spaltet man in der nichtrelativistischen Physik <strong>die</strong> Ruhmassen - Energie mc 2 ab und erhält in niedrigster<br />
Ordnung:<br />
E − mc 2 ≈ 1<br />
2m p2<br />
Der Energienullpunkt muß dann (willkürlich) festgelegt werden.<br />
Im Grenzfall hoher Temperatur folgt (aus beiden Verteilungen) <strong>die</strong> Maxwell - Boltzmann Verteilungsfunktion fM (v). Im<br />
Geschwindigkeitsraum (x, v) lautet <strong>die</strong> normierte Maxwell - Boltzmann Verteilungsfunktion<br />
(4.31)<br />
�<br />
m<br />
�3/2 −m v2<br />
fM (v) = n<br />
e 2kT (4.32)<br />
2πkT<br />
wobei m <strong>die</strong> Masse der <strong>Teil</strong>chen und n = N/V <strong>die</strong> Anzahldichte ist.<br />
Bei <strong>die</strong>sem Überblick konzentrieren wir uns zunächst auf <strong>die</strong> folgenden, für <strong>die</strong> Kosmogonie wichtigen<br />
Aspekte, <strong>die</strong> auf rein spektroskopischen Beobachtungen (an mehr als 400 000 Sternen) basieren:<br />
Die Leuchtkraft eines Hauptreihen Sterns, der über sein Spektrum identifiziert wird, kann<br />
als Standardkerze zur Entfernungsmessung verwendet werden. Hauptreihen Sterne können<br />
darüber hinaus – wenn auch weniger genau – sogar als Massen- und Altersnormale benutzt<br />
werden.<br />
Auch wenn das nicht direkt erwiesen ist gilt: Alle chemischen Elemente, <strong>die</strong> schwerer als Helium sind,<br />
wurden und werden in Sternen erzeugt. Über <strong>die</strong> Dauer solcher Fusionsprozesse erhält man dann nochmals<br />
eine unabhängige Altersbestimmung (vermittels theoretischer Sternentwicklungsrechnungen, <strong>die</strong><br />
an Beobachtungen überprüft werden) für Sternhaufen. Dies ist eines der wesentlichen Ergebnisse der<br />
<strong>Astrophysik</strong> des 20ten Jahrhunderts.<br />
Direkte Evidenz für <strong>die</strong> Erzeugung schwerer chemischer Elemente kommt von den beiden Sternklassen:<br />
<strong>die</strong> Population I (junge Sterne nahe der galaktischen Ebene) haben deutlich mehr schwere Elemente<br />
als Sterne der Population II (Halo Sterne und Mitglieder der Kugelsternhaufen). Die Große<br />
Maghellansche Wolke hat mit der Supernova 1987A sogar quantitativ theoretische Modellrechnungen<br />
bestätigt, nach denen Fe über radioaktives Ni erzeugt wird. In der Milchstraße wurden ebenfalls<br />
radioaktive Elemente über ihre Linien entdeckt: 26 Al bei 1.809 MeV und 44 Ti bei 1.156 MeV. Die<br />
Halbwertszeit von 26 Al beträgt 0.770 Myr (e-folding time: 1 Myr) und <strong>die</strong> von 44 Ti sogar nur 90 yr.
224 KAPITEL 4. THERMODYNAMIK: TEMPERATUR<br />
Mit seiner grossen Halbwertszeit kann 26 Al benutzt werden, <strong>die</strong> Anreicherung der ISM aus Supernovae<br />
mit schweren Elementen zu untersuchen, 44 Ti ist dagegen ein Indikator für junge Supernova Überreste.<br />
Tatsächlich findet man 26 Al entlang der galaktischen Ebene, in Richtung Orion und in Richtung der<br />
Spiralarme, 44 Ti wurde zuerst in Cas A entdeckt. Anschließend wurde mithilfe <strong>die</strong>ser Methode ein<br />
vorher unbekannter Supernova Überrest in nur 200 pc Entfernung (Alter 700 yr) entdeckt. Dieser wurde<br />
übersehen, da er vom sehr viel helleren Vela Remnant überstrahlt wird.<br />
Was noch fehlt ist spektroskopische Evidenz für Sterne der nullten Generation (z. B. ohne Fe).<br />
In einem zweiten Schritt (21tes Jahrhundert) wird man dann versuchen, ähnlich detailliert, wie das<br />
mittlerweile für Hauptreihensterne gelungen ist, Galaxien und Galaxienhaufen zu vermessen und zu<br />
verstehen. Dabei gibt es einen wesentlichen Unterschied zwischen Sternen und Galaxien: <strong>die</strong> Zeitskala.<br />
Als Zwischenschritt können Kugelsternhaufen nützlich sein. Galaxien und <strong>die</strong> Kugelsternhaufen der<br />
Milchstraße sind vermutlich genauso alt wie das Universum; verschiedene Generationen von Galaxien<br />
gibt es deshalb vermutlich nicht, wohl aber solche im Geburtsstadium. Wie Galaxien nach mehreren<br />
Zusammenstößen mit anderen Galaxien aussehen, kann erst untersucht werden, wenn das Universum<br />
10 11 Jahre alt ist (etwa an Andromeda und Milchstraße).<br />
Um <strong>die</strong> Vorläufer der heutigen Galaxien im Frühstadium zu beobachten, muß man demnach in den<br />
frühen Kosmos zurückblicken und das bedeutet: grosse Rotverschiebung (Infrarot Astronomie) und<br />
weit entfernte, also schwache Quellen. Die Beobachtungen sind schwierig, da das eigentliche Signal im<br />
Rauschen von Zodiakallicht (stetig und nicht eliminierbar, aber berechenbar) und der Staubstrahlung<br />
der Galaxien und Galaxienhaufen steckt. Sie haben bereits begonnen (Copernicus, IRAS, COBE und<br />
ISO) und <strong>die</strong> Kataloge dazu werden jetzt angelegt. Damit wird man dann vermutlich das Universum<br />
als ganzes verstehen können. Ein wesentlicher Zugang zum Verständnis des frühen Universums ist <strong>die</strong><br />
kosmologische Hintergrundstrahlung mit ihrer hohen Isotropie und extremen Entropie.<br />
4.2 Strahlung und ihre Quellen<br />
Bereits der griechische Philosoph Parmenides behauptete, daß Licht <strong>die</strong> Quelle aller Erkenntnis ist. Bevor<br />
wir zur astrophysikalischen Anwendung <strong>die</strong>ser korrekten Aussage kommen, sei hier ein Überblick<br />
über Strahlung (quantenmechanisch: Photonen und ihre Erzeugung) vorangestellt.<br />
An Strahlungsarten unterscheiden wir zwischen inkohärent und kohärent, thermisch und nicht thermisch,<br />
relativistisch und nichtrelativistisch, Linien- und Kontinuumstrahlung. Im Labor gehört noch<br />
✛ ✘<br />
<strong>die</strong> Čerenkov-Strahlung dazu, <strong>die</strong> zum Nachweis relativistischer Energien wichtig ist<br />
Ohne Quelle und <strong>die</strong> nur im Dielektrikum erzeugt werden kann. (Einmal erzeugt, verhält sie sich<br />
keine Welle ! wie gewöhnliches Licht). Photonen sind Bosonen (mit Spin Eins und Masse Null). Sie<br />
Eigenzitat<br />
können beliebig erzeugt und vernichtet werden, was durch das relle Maxwell Feld be-<br />
✚ ✙<br />
schrieben wird (<strong>Teil</strong>chen sind gleich ihren Antiteilchen). Quantisiert ist ihr Drehimpuls<br />
(Spin, in Einheiten von ¯h), was zu besonderen Auswahlregeln bei der Erzeugung führt (erlaubte<br />
Übergänge haben ∆J = ±¯h). Die Quantisierung der Energie ist nur eine Folge der Spinquantisierung<br />
über <strong>die</strong> Relation E = ¯hω.<br />
Weit entfernt von der Quelle kann ein Photon durch eine ebene Welle dargestellt werden, <strong>die</strong> Information<br />
über Multipolarität (bei der Erzeugung) und Drehimpuls geht lokal verloren. Da ein Photon<br />
mindestens den Spin 1 besitzt, wirkt es bei der Absorption wie ein <strong>Teil</strong>chen (Photoeffekt, Auswahlregeln).<br />
4.2.1 Strahlungserzeugung<br />
Die Strahlungserzeugung ist einerseits ein <strong>Teil</strong>gebiet der Elektrodynamik, insofern daß elektromagnetische<br />
Wellen durch <strong>die</strong> Maxwellsche Theorie korrekt beschrieben werden, andererseits aber der
4.2. STRAHLUNG UND IHRE QUELLEN 225<br />
Quantenmechanik zuzurechnen, da <strong>die</strong> wichtigsten Quellen nur so zu behandeln sind. Erzeugt wird<br />
<strong>die</strong> für <strong>die</strong> <strong>Astrophysik</strong> interessante Strahlung mikroskopisch im Sinne einer klassischen Beschreibung<br />
ausschließlich von beschleunigten Elektronen, da für eine vorgegebene Kraft <strong>die</strong> Beschleunigung a<br />
wie K/m skaliert. Die abgestrahlte Leistung ist dann durch <strong>die</strong> Larmor Formel gegeben:<br />
I = ˙ E = 2<br />
3c 3 e2 a 2 = 2<br />
3c 3 ¨ D 2<br />
(4.33)<br />
Wesentliche Ausnahme hiervon sind <strong>die</strong> Moleküle, <strong>die</strong> in guter Näherung starr rotieren oder vibrieren.<br />
Hier spielt nur <strong>die</strong> beschleunigte Ladung, nicht <strong>die</strong> Masse, eine Rolle. Allerdings ist Beschleunigung<br />
kein brauchbarer Begriff in der Quantenmechanik, was hier an <strong>die</strong> Stelle tritt sind Übergangswahrscheinlichkeiten<br />
(zwischen verschiedenen Niveaus (o: oben, u: unten) eines Atoms oder Moleküls). Dies manifestiert<br />
sich in den Oszillatorstärken fou.<br />
Interessante klassische makroskopische Sender in der <strong>Astrophysik</strong> sind ferner <strong>die</strong> Pulsare. Hier rotiert<br />
ein makroskopisches Magnetfeld (von 10 12 Gauß), welches fest eingefroren in <strong>die</strong> Materie eines Neutronensterns<br />
ist. In beiden Fällen, mikroskopisch wie makroskopisch, ist <strong>die</strong> gleiche Formel (Glchg.<br />
(4.34)) anwendbar.<br />
Die ersten Terme der Multipolentwicklung der Strahlung lauten allgemein<br />
I = 2<br />
3c 3 ¨ D 2 + 2<br />
3c 3 ¨ M 2 + 1<br />
180c5 ...<br />
Q 2<br />
αβ<br />
(4.34)<br />
Hier ist D das elektrische Dipolmoment, M das magnetische Dipolmoment und Q das el. Quadrupolmoment.<br />
Nur zeitlich veränderliche Momente strahlen.<br />
• FORMELN (MULTIPOLMOMENTE)<br />
Für diskrete <strong>Teil</strong>chen mit Ladung ei ist<br />
D = �<br />
ei�ri<br />
i<br />
das (zeitlich veränderliche) el. Dipolmoment der Ladungsverteilung. Für periodische Änderungen mit der (Kreis)Frequenz<br />
ω wird daraus ¨ D = −ω 2 D. Analog ist das mag. Dipolmoment durch<br />
M = 1<br />
2c<br />
�<br />
ei�ri × �vi<br />
und das el. Quadrupolmoment durch<br />
i<br />
Qαβ = �<br />
ei(3xαxβ − r 2 δαβ)i<br />
i<br />
gegeben. Die Summe erstreckt sich über alle Ladungen: Kern plus Hüllenelektronen. Der erste Term in (4.34) ist <strong>die</strong> Larmor<br />
Formel. Quellen sind also <strong>die</strong> entsprechenden Multipolmomente der Ladungsverteilung (Nahfeld), sofern sie zeitlich<br />
veränderlich sind.<br />
Für periodische Änderungen der (Kreis)Frequenz ω gilt dann<br />
I = 2<br />
3c 3 ω4 D 2 + 2<br />
3c 3 ω4 M 2 + 1<br />
180c 5 ω6 Q 2 αβ<br />
Dies ist eine Entwicklung nach (v/c) −n , welche mit n = 3 beginnt.<br />
• ANMERKUNG (VERGLEICH VERSCHIEDENER MOMENTE)<br />
In der Atom- und Molekülphysik ist D = e · d ein Debey = 1 esu <strong>die</strong> typische Größenordnung für das el. Dipolmoment:<br />
1 esu = 10 −18 cgs Einheiten.<br />
(4.35)<br />
(4.36)<br />
(4.37)<br />
(4.38)
226 KAPITEL 4. THERMODYNAMIK: TEMPERATUR<br />
Das magnetische Dipolmoment ist um v/c = α und <strong>die</strong> Leuchtkraft damit um α 2 kleiner als beim el. Dipol. In der<br />
Kernphysik gelten <strong>die</strong>se Aussagen nicht, <strong>die</strong> el. Momente selbst sind etwa um α 2 kleiner (rKern = α 2 rB) als <strong>die</strong> in der<br />
Atomphysik, <strong>die</strong> relativen Stärken allerdings können für alle Momente gleich groß sein.<br />
Zum Vergleich: <strong>die</strong> magnetischen Momente der Pulsare sind etwa 10 30 cgs Einheiten (10 48 esu!) und <strong>die</strong> Felder haben<br />
Werte von etwa 10 12 Gauß (10 8 Tesla). Bei magnetischer Flußerhaltung gilt für eine Kugel (Stern mit guter Leitfähigkeit)<br />
beim Kollaps<br />
Φ = BR 2 = const und M = ΦR<br />
Damit ergibt sich eine Verstärkung der Felder und eine Verminderung der Momente. Pulsare haben <strong>die</strong> größten Felder,<br />
Molekülwolken <strong>die</strong> größten Momente.<br />
Die Larmor Formel<br />
Für einen mit der Frequenz ω schwingenden el. Dipol D mit der Amplitude<br />
D = e�x(t) = e�xo cos ωt = Do cos ωt (4.39)<br />
im Koordinatenursprung wird <strong>die</strong> Strahlung in der Wellenzone (in Form einer Kugelwelle) vermittels<br />
Poynting Fluß durch das Flächenelement dF transportiert:<br />
dI = � S�ndF = c<br />
4π r2 | � B| 2 dΩ (4.40)<br />
wobei das Magnetfeld � B gegeben ist durch (den Realteil von)<br />
�B = ω2<br />
rc 2 e−iΦ �n × Do mit Φ = ωt − kr ; �n = � k<br />
ω<br />
(4.41)<br />
Die Ausbreitungsrichtung �n der Welle ist im Vakuum ein Einheitsvektor: |�n| = 1 (im Dielektrikum gilt<br />
|�n| = n). Für einen Punktdipol ist <strong>die</strong>s <strong>die</strong> Hertzsche Lösung in der Wellenzone.<br />
• ANMERKUNG (DIE VOLLSTÄNDIGE HERTZSCHE LÖSUNG)<br />
Die überall (exakt gültige) Lösung von Hertz (1889) für einen harmonisch schwingenden Punktdipol lautet in Polarkoordinaten<br />
bezülich der Dipolrichtung r, Θ und φ.<br />
�<br />
[<br />
Bφ = sin θ<br />
˙ D]<br />
cr2 − [ ¨ D]<br />
c2 �<br />
(4.42)<br />
r<br />
Eθ = sin θ [D]<br />
r3 + Bφ (4.43)<br />
� �<br />
Eρ = 2 cos θ<br />
Die eckige Klammer bedeutet<br />
[ ˙ D] [D]<br />
+<br />
cr2 r3 [D] = D(t − r/c) = Doe −iω(t−r/c)<br />
In der Wellenzone sind in der Ordnung O(1/r)<br />
Bφ = Eθ = ω2 sin Θ<br />
c2 −iω(t−r/c)<br />
Doe<br />
r<br />
<strong>die</strong> einzigen Komponenten. Die Lösung (welche in Glchg. (4.41) vektoriell geschrieben wurde) beschreibt linear polarisierte<br />
Wellen (kein Drehimpuls).<br />
Der Winkel zwischen Dipolmoment D und Ausbreitungsrichtung �n sei Θ, dann ist<br />
dI<br />
dΩ<br />
= c<br />
4π<br />
� ω<br />
c<br />
(4.44)<br />
� 4<br />
D 2 sin 2 Θ (4.45)<br />
<strong>die</strong> ins Winkelelement dΩ abgestrahlte Leistung. Sie verschwindet in Vorwärts (Θ = 0) und Rückwärtsrichtung<br />
(Θ = π) des Dipols.
4.2. STRAHLUNG UND IHRE QUELLEN 227<br />
• ANMERKUNG (STREUUNG)<br />
Die Richtung des strahlenden Dipols ist normalerweise nicht bekannt. Bei der Streuung einer elektromagnetischen Welle<br />
an einem Dipol wird <strong>die</strong>ser vom E−Vektor zur Oszillation angeregt. Wählt man statt dem Winkel Θ zwischen �n und D<br />
den Winkel θ zwischen � k (Richtung der einfallenden Welle) und �n so erhält man mit<br />
sin 2 Θ = 1 − sin 2 θ cos 2 (φ − ψ)<br />
und Mittelung über ψ <strong>die</strong> für <strong>die</strong> Winkelabhängigkeit der Thomsonschen und Rayleighschen Streuformeln wichtige Relation<br />
sin 2 Θ = 1 + cos2 θ<br />
2<br />
Die Dispersionsrelation, d. h. der Zusammenhang zwischen Frequenz ω und Wellenvektor � k, lautet im<br />
Vakuum<br />
ω 2 = c 2 k 2<br />
; k = 2π<br />
λ<br />
(4.46)<br />
Integration über <strong>die</strong> Winkel in Glchg. (4.45) liefert, s. a. Glchg. (4.33), <strong>die</strong> Larmor Formel für el.<br />
Dipolstrahlung:<br />
I = 2<br />
3c 3 ( ¨ D) 2<br />
(4.47)<br />
Sie gibt an, wieviel Energie pro Zeiteinheit, ˙ E = I von einem einzelnen Elektron im einfachsten Fall<br />
abgestrahlt wird. Falls <strong>die</strong>se von einem harmonischen Oszillator mit Energie Eosz stammt, dann wird<br />
seine Schwingung gedämpft. Für <strong>die</strong> emittierte Linie liefert <strong>die</strong>s eine Verbreiterung.<br />
Für kleine, periodische Änderungen hängt das hier auftretende Dipolmoment D mit der Auslenkung<br />
des Elektrons (mit Ladung e) aus der Ruhelage, δx, wie folgt zusammen<br />
eδ�x = D und ¨ D = −ω 2 eδ�x (4.48)<br />
und das Auftreten der zweiten Zeitableitung in Glchg. (4.47) besagt, daß nur beschleunigte Ladungen<br />
strahlen. Beschleunigungen benötigen Kräfte, <strong>die</strong>se treten nur auf in Stößen oder elektromagnetischen<br />
Feldern. Die Stöße selbst werden zwar normalerweise ebenfalls vermittels Feldern realisiert, <strong>die</strong>se<br />
müssen aber nicht elektromagnetischer Natur sein. Um eine nachweisbare Intensität der Strahlung zu<br />
erhalten, müssen viele Elektronen beschleunigt werden. Thermische Strahlung ensteht z. B. in einem<br />
Plasma aus Protonen (H II) und Elektronen, sie wird Bremsstrahlung oder auch frei-frei Strahlung genannt.<br />
Linienstrahlung ensteht bei Übergängen zwischen diskreten Niveaus (normalerweise in Atomen;<br />
sog. bound-bound Strahlung). Zu ihrer adäquaten Behandlung benötigt man <strong>die</strong> Quantenmechanik (des<br />
Atoms oder Moleküls).<br />
Kohärenz und Strahlungsleistung<br />
Die Erzeugung von Strahlung der Wellenlänge λ ist ist normalerweise inkohärent, <strong>die</strong> Strahlungsleistung<br />
von N Emittern der Einzel-Leistung I ist dann Ptot = NI; sie kann kohärent sein, z. B. falls <strong>die</strong><br />
Ladungen alle im Gleichtakt schwingen, gebündelt sind (d. h. räumlich konzentriert) und falls für <strong>die</strong><br />
Dichte der strahlenden <strong>Teil</strong>chen ne gilt:<br />
neλ 3 ≤ (2π) −3 wobei je = eneve<br />
<strong>die</strong> Stromdichte ist. Die Auswertung von Glchg. (4.45) führt auf<br />
⎛<br />
N�<br />
N�<br />
Ptot = Ij = I ⎝ e iθj<br />
⎞ ⎛<br />
N�<br />
⎠ ⎝ e −iθj<br />
⎞<br />
⎠ (4.49)<br />
j=1<br />
j=1<br />
j=1
228 KAPITEL 4. THERMODYNAMIK: TEMPERATUR<br />
Die N 2 Mischterme sind von der Form<br />
e iφjk mit φjk = 1<br />
λ (�xj − �xk)�n<br />
wobei <strong>die</strong> �xj <strong>die</strong> Orte der el. Dipole D, vom Schwerpunkt aus gemessen, sind. Diese Mischterme<br />
ad<strong>die</strong>ren sich, z. B. falls |φjk| ≪ 1 und falls <strong>die</strong> <strong>Teil</strong>chen alle kohärent (im Takt) schwingen. Für<br />
<strong>die</strong> Strahlungsleistung von N Emittern gilt dann Ptot = fN 2 I; wobei f ≈ 1 ist. Falls umgekehrt<br />
|φjk| ≫ 1, dann interferieren sich <strong>die</strong>se Terme im zeitlichen Mittel weg.<br />
Antennenstrahlung<br />
Ein solches Beispiel für kohärente Strahlung ist <strong>die</strong> Antennenstrahlung. Für eine Dipolantenne aus<br />
zwei Stäben (der Querschnittsfläche F ), der Länge d/2 und Gesamtstrom I = jeF kann man <strong>die</strong><br />
Abstrahlung exakt bestimmen. Optimal sind <strong>die</strong> λ-halbe und <strong>die</strong> λ-ganze Antenne:<br />
dP<br />
dΩ<br />
⎧<br />
⎪⎨ I2<br />
=<br />
2c ⎪⎩<br />
cos2 ( π<br />
2 cosΘ)<br />
sin2 für d = Θ λ<br />
2<br />
4cos 4 ( π<br />
2 cosΘ)<br />
sin 2 Θ für d = λ<br />
mit der Gesamtstrahlungsleistung<br />
P = I2<br />
2c<br />
⎧<br />
⎨<br />
⎩<br />
2.44 oder 73.2 Ohm für d = λ<br />
2<br />
6.70 oder 201 Ohm für d = λ<br />
• FORMELN (DER WELLENWIDERSTAND)<br />
Mit N = neF λ und I = eneveF erhalten wir aus Glchg. (4.47)<br />
P = f<br />
3<br />
(4.50)<br />
(4.51)<br />
16π 2 N 2 I (4.52)<br />
mit I aus Glchg. (4.47) und mit f = 2.44 bzw. f = 6.70. Der Wellenwiderstand Rrad ist<br />
Rrad = 2P f<br />
=<br />
I2 c<br />
was Rrad = 2.44 · 30 Ohm bzw. Rrad = 6.70 · 30 Ohm ergibt.<br />
Maser<br />
Maser ist das Akronym für Microwave Amplification by Stimulated Emission of Radiation. Der erste<br />
Maser wurde 1954 im Labor realisiert und 1965 im Weltraum entdeckt.<br />
• ANMERKUNG (DIE ERSTEN MASER MOLEKÜLE)<br />
Der erste Maser benutzte NH3 als Gas und den Inversionsübergang bei einer Frequenz von 23.8 GHz.<br />
Er wurde 1954 von Townes und Mitarbeitern im Labor dadurch realisiert, daß ein Ammoniakstrahl im inhomogenen elektrischen<br />
(Quadrupol) Feld aufgespalten wurde in <strong>die</strong> beiden Inversionskomponenten<br />
von NH3: <strong>die</strong> Zustände mit symmetrischer us und antisymmetrischer ua Wellenfunktion.<br />
Es ist Ea > Es und <strong>die</strong> Maser Wirkung kommt zustande durch stimulierte<br />
Emission der Frequenz hν = Ea−Es (Einstrahlung) den den Molekülen im Zustand<br />
us.<br />
Das erste Maser Molekül im Weltraum war OH, welches 1965 bei einer Durchmusterung<br />
der Milchstraße von Weaver et al. entdeckt wurde. Charakteristika waren hohe<br />
Antennentemperatur (1000 K) bei kleiner thermischer Linienbreite (Anregungstemperatur<br />
10 K). H2O wurde von Townes und Mitarbeitern entdeckt.<br />
Die Tabelle gibt eine Auswahl an Maser Molekülen, <strong>die</strong> in der Milchstraße gefunden<br />
wurden, zusammen mit dem Jahr der Entdeckung und einigen charakteristischen Linien.<br />
Mittlerweile sind mehr als 100 solcher Linien bekannt. Allein von Wasser sind<br />
7 Linien nachgewiesen.<br />
Solche Maser Quellen sind stark variabel, sie können sogar an und ausgehen. Eine<br />
H2O Quelle in Orion änderte ihren Fluß innerhalb von Monaten von 104 Daten zu Maserentdeckungen<br />
Molekül ν [GHz] Jahr<br />
OH<br />
H2O<br />
CH3OH<br />
1.665; 1.667<br />
22.23; 321<br />
9.93; 12.17<br />
1965<br />
1969<br />
1971<br />
SiO 1974<br />
H2CO<br />
NH3<br />
HCN<br />
23.8<br />
1981<br />
1986<br />
1987<br />
Jy auf<br />
Tab. 4.2: Maserentdeckungen
4.2. STRAHLUNG UND IHRE QUELLEN 229<br />
2.5 · 10 6 Jy.<br />
Viele Maser sind mit IRAS Quellen assoziiert, was eine Möglichkeit zum systematischen Auffinden darstellt. Der IRAS<br />
Punkt-Quellen-Katalog (PSC) enthält allerdings 250000 Objekte.<br />
Mittlerweile unterscheidet man verschiedene Typen und Klassen von Masern.<br />
Bevor wir Beispiele für kohärente Maser Strahlung betrachten, sei eine Vorbemerkung zur Abschätzung<br />
der Leuchtkräfte L <strong>die</strong>ser Quellen vorausgeschickt.<br />
• ZUSATZ (STRAHLUNGSCHARAKTERISTIK UND GESAMTZAHL DER QUELLEN)<br />
Da der genaue Mechanismus, durch den <strong>die</strong> Strahlung erzeugt wird, nicht bekannt ist, muß eine Annahme über <strong>die</strong> Strahlungscharakteristik<br />
gemacht werden. Das ist bei der Schwarkörperstrahlung von Sternen nicht notwendig: sie strahlen<br />
isotrop und es gilt für <strong>die</strong> gesamte Leuchtkraft L<br />
L = 4πD 2 f (4.53)<br />
wobei f der beobachtete Strahlungsfluß ist, also<br />
f = L<br />
4πD 2<br />
Falls <strong>die</strong> Quelle nur in ein Winkelflächenelement ∆Ω strahlt, dann gilt stattdessen<br />
L =<br />
� ∆Ω<br />
4π<br />
(4.54)<br />
�<br />
4πD 2 f = ∆ΩD 2 f (4.55)<br />
Die Größe ∆Ω/4π ist in der Pulsar Physik von fundamentaler Bedeutung und wird dort Beaming Faktor genannt.<br />
Für <strong>die</strong> einzelne Quelle reduziert sich damit <strong>die</strong> Energiebilanz der Strahlung, was für das physikalische Verständnis wesentlich<br />
sein kann. Statistisch gesehen ändert sich, gemittelt über viele Quellen, jedoch nichts an der Energiebilanz, da<br />
<strong>die</strong> Entdeckungswahrscheinlichkeit ebenfalls sinkt. Die Gesamtzahl der Quellen (und damit der Beaming Faktor) ist aber<br />
wichtig bei der Bestimmung der Erzeungsrate der Quellen. Bei Pulsaren ist das <strong>die</strong> Supernova-Rate in unserer Milchstraße<br />
bei Molekül Masern <strong>die</strong> Anzahl bzw. Lebensdauer massiver Sterne mit Massenausfluß.<br />
Ein ganz anderes Beispiel für kohärente Strahlung als <strong>die</strong> Antennenstrahlung (bei Pulsaren) sind <strong>die</strong><br />
Molekül Maser, für <strong>die</strong> es keine räumliche Einschränkung gibt (Verstärkerprinzip). Zur Erzeugung<br />
kohärenter Linienstrahlung (Maser oder optisch Laser) benötigt man hier (mindestens) ein Pump-<br />
Niveau und ein metastabiles Niveau (zum Sammeln) mit Selektionsmechanismus, um <strong>die</strong>ses überproportional<br />
(nicht thermisch) zu besetzen (invertieren).<br />
In der <strong>Astrophysik</strong> sind bisher keine Laser bekannt, als Maser Quellen hat man ultrakompakte Objekte,<br />
meist bei starken IR-Quellen, gefunden. (Für Pulsare werden beide Modelle, Antennenstrahlung und<br />
Maser, betrachtet). Die Intensität der Strahlung kann stark schwanken (Zeitskala: Tage bis Monate).<br />
An Molekülen, <strong>die</strong> Maser Strahlung aussenden, kennt man:<br />
OH, CH, SiO, H2O, HCN, NH3, CH3OH, H2CO<br />
Typische Frequenzen bzw. Wellenlängen sind: ν = 1665 und 1667 MHz (λ = 18 cm) für OH und<br />
ν(616 → 523) = 22 GHz (λ = 1.35) cm bei H2O.<br />
Die extremsten Beispiele für Leuchtkräfte aufgrund kohärenter Strahlung in der <strong>Astrophysik</strong> sind:<br />
1. Linienstrahlung:<br />
Die stärksten Quellen sind <strong>die</strong> sog. Mega-Maser (galaktisch und extra galaktisch).<br />
• Der erste Hydroxyl Mega-Maser (OH - Maser der Frequenzen 1665 und 1667 MHz) wurde<br />
1982 in der Galaxie Arp 220 gefunden (Baan, Wood und Haschick). Mehr als 20 Mega-<br />
Maser hat man mittlerweile in Galaxien mit starkem IR Exzess gefunden.<br />
• Ein Beispiel für einen H2O. Maser in kosmologisch interessanter Entfernung ist IRAS<br />
22265-1826 mit z = 0.025 (entspr D = 150 Mpc bei 2h = 1 nach der Formel D = 6000z<br />
Mpc) und L = 1 · 10 4 L⊙. Die stärksten H2O Maser in der Milchstraße erreichen L = 1 · L⊙<br />
bei einer Linienbreite von 50 kHz.
230 KAPITEL 4. THERMODYNAMIK: TEMPERATUR<br />
• Der stärkste OH Maser, <strong>die</strong> Quelle IRAS 20100 − 4156, hat eine kosmologische Fluchtgeschwindigkeit<br />
von 38650 km s −1 (Rotverschiebung z = 0.129). Bei einer Flussdichte von<br />
200 mJy entspricht das einer (isotropen) Leuchtkraft von L = 10 4 L⊙ in einer Linie der<br />
Dopplerbreite 1500 km s −1 ! Die Gesamt IR-Leuchtkraft beträgt L = 3 · 10 12 L⊙.<br />
2. Breitband Kontinuum:<br />
Die extremsten Leuchtkräfte von einigen 1000 Jansky werden bei Pulsaren an einzelnen Pulsen,<br />
den sog. giant pulses, beobachtet. Der Mechanismus, mit dem Pulsare (galaktisch und mittlerweile<br />
auch extragalaktisch in LMC und SMC) ihre kohärente, gepulste Strahlung erzeugen, ist nicht<br />
bekannt. Interferenz an der ionisierten Komponente der ISM kann zu zeitabhängiger Verstärkung<br />
und Abschwächung (bis zum völligen Verschwinden) führen. Typische Daten (Medianwert der<br />
Verteilung) für einen Pulsar sind:<br />
• Periode P = 0.6 s, Alter 30 Myr, Masse M = 1.38M⊙,<br />
• Leuchtkraft (unter Annahme eines konischen Strahlungskegels) L = 4 · 10 27 erg s −1 oder<br />
L = 10 −6 L⊙,<br />
• Entfernung 3 kpc.<br />
• Der dazu gehörende Medianwert der Fluß Verteilung beträgt 60 mJy.<br />
• ANMERKUNG (ANWENDUNG: UNSER ZEITSTANDARD)<br />
Es ist instruktiv, <strong>die</strong>se Daten mit denen, <strong>die</strong> im Labor erreichbar sind, zu vergleichen.<br />
Maser Linien Strahlung wurden erstmals im Labor erzeugt (von Gordon, Zeiger und Townes 1954) und bereits ein Jahr<br />
später wurden Maser als Frequenzstandard vorgeschlagen (von denselben Autoren, 1955). Mittlerweile liefern sie auch den<br />
Zeitstandard.<br />
Breitband Maser (wie bei Pulsaren) gibt es bis heute nicht im Labor.<br />
4.2.2 Klassische Dispersionstheorie<br />
Um <strong>die</strong> Frage zu beantworten, was an Strahlung beim Beobachter (außerhalb der Erdatmosphäre) ankommt,<br />
müßen wir verstehen, wie Photonen mit der interstellaren Materie wechselwirken. Wir unterteilen<br />
das Problem in zwei unabhängige Aspekte; einen astrophysikalisch - phänomenologischen<br />
(Säulendichte, Emissionsmass) und einen atomaren (Absortion, Emission). Wir beginnen mit dem atomaren.<br />
Dabei ist das Modell der Materie so einfach wie möglich. Die Behandlung ist rein klassisch, wie sie<br />
erstmals in der Lorentzschen Elektronentheorie gegeben wurde. So wird ein Plasma einfach durch freie<br />
Elektronen mit der <strong>Teil</strong>chendichte ne approximiert. Die mindestens 1880 mal schwereren Ionen bleiben<br />
in <strong>die</strong>ser Näherung einfach liegen und liefern den für <strong>die</strong> Ladungsneutralität des gesamten Plasmas<br />
notwendigen Hintergrund. Ein an ein Atom gebundenes Elektron wird durch einen gedämpften, harmonischen<br />
Oszillator angenähert. In dem Problem treten <strong>die</strong> folgenden physikalischen Größen auf:<br />
1. der E-Vektor � Eω der Welle in Richtung �ex (<strong>die</strong> Ausbreitungsrichtung ist �ez), <strong>die</strong> Kreisfrequenz<br />
der Welle, ω und ihre Amplitude, Eo<br />
�Eω = aω�ex ; aω = Eoe −iω(t−kz)<br />
2. <strong>die</strong> Kreisfrequenz des Atoms (harmonischer Oszillator), ωo und <strong>die</strong> Dämpfungskonstante γ. Für<br />
einen gedämpften Oszillator gilt dann für <strong>die</strong> Amplitude<br />
δxe = xoe −γt/2 e −iωt<br />
(4.56)<br />
In der Lorentzschen Elektronentheorie betrachtet man nur Strahlungsrückwirkung als Dämpfungsmechanism<br />
was für <strong>die</strong> Linien ein Lorentz Profil liefert. Die Dämpfungskonstante γ ist dann nach Glchg.<br />
(4.88) gegeben, das Profil durch Glchg. (4.89) (s. u.).
4.2. STRAHLUNG UND IHRE QUELLEN 231<br />
3. Die Dichte der <strong>Teil</strong>chen (der schwingenden Ladungen) liefert <strong>die</strong> Plasmafrequenz ωp. Die Abweichung<br />
vom Vakuum, <strong>die</strong> bei der Ausbreitung elektromagnetischer Wellen in einem Dielektrikum<br />
auftritt, führt auf Dispersion (Verbreiterung = Refraktion) und Absorption (Dämpfung =<br />
Extinktion) des Wellenzuges mit folgender Relation<br />
c 2 k 2 = n 2 ω 2 = ɛω 2<br />
Sie wird dann durch <strong>die</strong> folgende komplexe <strong>die</strong>lektrische Permeabilität ɛ beschrieben:<br />
ɛ = 1 −<br />
ω 2 p<br />
ω 2 − iγω − ω 2 o<br />
; ωp =<br />
�<br />
4πe 2 ne<br />
me<br />
(4.57)<br />
(4.58)<br />
Die <strong>die</strong>lektrische Permeabilität ɛ liefert über ihren Imaginärteil ˜κ den Streuquerschnitt bzw. <strong>die</strong><br />
Opazität.<br />
4. Die Opazität κ ist durch<br />
κ = 2ω˜κ<br />
c = ω2 ω<br />
p<br />
c<br />
ωγ<br />
(ω 2 o − ω 2 ) 2 + (ωγ) 2<br />
gegeben und liefert <strong>die</strong> optische Tiefe τν längs der Wegstrecke der Länge L.<br />
τν =<br />
�L<br />
0<br />
(4.59)<br />
κdx (4.60)<br />
Aus dem direkt beobachtbaren τν kann <strong>die</strong> Säulendichte N längs der Wegstrecke L bestimmt<br />
werden.<br />
Zur Bestimmung der Extinktion und der Refraktion genügt es, <strong>die</strong> Ausbreitung ebener Wellen kleiner<br />
Amplitude δxe in einem homogenen Plasma bzw. Gas in linearer Näherung (linear response) zu<br />
betrachten. Die Amplitude der Welle wird gedämpft (Absorption) und der Betrag des Wellenvektors<br />
ändert sich (Dispersion). Bei echter Streuung (dreidimensionaler Fall) wird <strong>die</strong> Richtung der (auslaufenden)<br />
Welle geändert (Streuung). Damit läßt sich <strong>die</strong> Winkelabhängigkeit des Streuquerschnitts<br />
bestimmen (Larmor Formel).<br />
• ZUSATZ (GEDÄMPFTER HARMONISCHER OSZILLATOR IM WELLENFELD)<br />
In jedem Fall kann man (linear response) Fourier - transformieren, was <strong>die</strong> Rechnungen enorm vereinfacht. Mit � E und � B<br />
bezeichnen wir das einfallende Wellenfeld, welches als kleine Störung auf dem Hintergrund behandelt wird, mit δ�xe <strong>die</strong><br />
Auslenkung des Elektrons (Index e für Elektron) aus der Ruhelage und �ve = δ .<br />
�xe.<br />
Die Bewegungsgleichung eines harmonisch gebundenen <strong>Teil</strong>chens (Frequenz ωo) mit Dämpfungskonstante γ (gedämpfter<br />
harmonischer Oszillator) lautet:<br />
δ ..<br />
�xe +γ d .<br />
δ �xe +ω<br />
dt 2 oδ�xe = e<br />
�E (4.61)<br />
me<br />
Ohne Feld � E lautet <strong>die</strong> Lösung für einen gedämpften harmonischen Oszillator wie in Glchg. (4.56) angegeben. Die Gleichung<br />
des freien <strong>Teil</strong>chens folgt daraus für γ = 0 und ωo = 0.<br />
d2 dt2 δ�xe = e<br />
�E (4.62)<br />
me<br />
Nach Fourier-Transformation wird daraus für <strong>die</strong> Fourier- Komponenten:<br />
δ�xω = e<br />
m<br />
1<br />
ω 2 o − iγω − ω 2 � Eω<br />
(4.63)
232 KAPITEL 4. THERMODYNAMIK: TEMPERATUR<br />
Dann ist <strong>die</strong> durch das einfallende Wellenfeld induzierte Stör- Stromdichte gegeben durch<br />
oder explizit<br />
�j = ene�ve = ne ˙ P<br />
�jω = −i e2 ne<br />
m<br />
ω<br />
ω 2 o − iγω − ω 2 � Eω<br />
Für den Zusammenhang zwischen den Fourier Komponenten von induzierter Stromdichte �jω und Erregerfeld � Eω erhalten<br />
wir daraus das dynamische Ohmsche Gesetz<br />
�jω = σ(ω) � Eω<br />
mit der komplexen Leitfähigkeit<br />
σ(ω) = −i e2 ne<br />
m<br />
ω<br />
ω 2 o − iγω − ω 2<br />
Einsetzen in <strong>die</strong> Maxwellschen Gleichungen<br />
i � k � Bω = 0<br />
i � k � Eω = 4πqω<br />
iω<br />
c � Bω = i � k × � Eω<br />
liefert <strong>die</strong> Plasma-Dispersionsrelation<br />
�<br />
�<br />
c 2 k 2 =<br />
1 −<br />
− iω<br />
c � Eω = i � k × � Bω − 4π<br />
c �jω<br />
ω 2 p<br />
ω 2 − iγω − ω 2 o<br />
ω 2 = ɛ(ω) ω 2<br />
mit der Plasmafrequenz ωp und der <strong>die</strong>lektrische Permeabilität ɛ<br />
ɛ = 1 −<br />
ω 2 p<br />
ω 2 − iγω − ω 2 o<br />
; ωp =<br />
Es gilt numerisch für <strong>die</strong> Plasmafrequenz<br />
�<br />
4πe 2 ne<br />
me<br />
(4.64)<br />
(4.65)<br />
(4.66)<br />
(4.67)<br />
(4.68)<br />
(4.69)<br />
νp = 8.9 · 10 3 n 1/2<br />
e Hz (4.70)<br />
Als Grenzfall für freie Elektronen resultiert <strong>die</strong> Langmuir Dispersionsrelation (wichtig bei Pulsaren zur Entfernungsbestimmung)<br />
ω 2 = c 2 k 2 + ω 2 p<br />
mit der Sonderlösung reiner Oszillation<br />
(4.71)<br />
k = 0 ; ω = ωp. (4.72)<br />
Wellen mit der Plasmafrequenz sind rein longitudinal und propagieren im kalten Plasma nicht.<br />
Das interstellare Medium beschreiben wir nunmehr phänomenologisch mithilfe eines Dielektrikums<br />
mit der Plasmafrequenz ωp. Die komplexe <strong>die</strong>lektrische Permeabilität ist ɛ (Streuung und Absorption)<br />
ɛ = 1 −<br />
ω 2 p<br />
ω 2 − iγω − ω 2 o<br />
; ωp =<br />
�<br />
4πe 2 ne<br />
Die Maxwell Gleichungen lauten dann, wenn wir <strong>die</strong> Zeit abseparieren<br />
me<br />
(4.73)<br />
div(ɛ � E) = 0 ; − iω<br />
c ɛ � E = rot � B (4.74)<br />
div � iω<br />
B = 0 ;<br />
c � B = rot � E (4.75)
4.2. STRAHLUNG UND IHRE QUELLEN 233<br />
Sie führen auf <strong>die</strong> Dispersionsrelation<br />
c 2 k 2 = ɛ(ω)ω 2<br />
; k = 2π<br />
λ<br />
(4.76)<br />
Die <strong>die</strong>lektrische Permeabilität zerlegen wir in Brechungsindex n und Extinktionskoeffizient κ wie<br />
folgt<br />
√ ɛ = n − iκ = √ n 2 + κ 2 e iη<br />
tanη = κ<br />
n<br />
Für ein linear polarisiertes Wellenfeld bedeutet das, daß <strong>die</strong> Lösung<br />
Ex = aω e −iω<br />
� √<br />
ɛ<br />
t− c z<br />
�<br />
By = √ ɛ Ex<br />
lautet, oder reell geschrieben<br />
und<br />
ωκ<br />
−<br />
Ex = aωe c z cos<br />
�<br />
ω<br />
�<br />
t − n<br />
c z<br />
��<br />
√<br />
By = aω n2 + κ2 −<br />
e ωκ<br />
c z � �<br />
cos ω t − n<br />
c z<br />
� �<br />
+ η<br />
Für das Zeitmittel des Poyntingstroms S, also <strong>die</strong> Strahlungs - Leistung erhält man daraus:<br />
L = < S > = c<br />
8π a2 2ωκ<br />
− c ωne z<br />
Die Änderung der Intensität auf der Strecke dz beträgt<br />
(4.77)<br />
(4.78)<br />
dS = − 2ωκ<br />
Sdz (4.79)<br />
c<br />
Für kleine Dichten (bzw. hohe Frequenzen: ωp ≪ ω) gilt stets |ɛ − 1| ≪ 1 und als Näherung kann man<br />
√ ɛ = n − iκ = 1 + (ɛ − 1)/2 setzen. Wir erhalten so für den Brechungsindex<br />
n − 1 = ω2 p<br />
2<br />
ω 2 o − ω 2<br />
(ω 2 o − ω 2 ) 2 + (ωγ) 2<br />
bzw. für den (dimensionslosen) Extinktionskoeffizienten<br />
κ = ω2 p<br />
2<br />
ωγ<br />
(ω 2 o − ω 2 ) 2 + (ωγ) 2<br />
(4.80)<br />
(4.81)<br />
Daraus folgt mit der Dämpfungskonstanten Glchg. (4.88) das Gesetz von Rayleigh. Wir kommen darauf<br />
zurück, Glchg. (4.107).<br />
Wir definieren des weiteren <strong>die</strong> folgenden Größen, (n ist jetzt <strong>die</strong> <strong>Teil</strong>chenzahldichte der absorbierenden<br />
<strong>Teil</strong>chen, der Extinktionskoeffizient bekommt zur Unterscheidung eine Tilde κ → ˜κ):<br />
1. Die Opazität (Massenabsorptionskoeffizient) κν, Einheit: g −1 cm 2<br />
2. linearer Absorptionskoeffizient χν, Einheit: cm −1<br />
3. mittlere Dämpfungslänge lν, Einheit: cm<br />
4. Differentieller Streu- bzw. Absorptionsquerschnitt † σν, Einheit: cm 2<br />
5. optische Tiefe τν, (Definition: dτν := χνdx.) Einheit: dimensionslos<br />
† Auch atomarer Absorptionskoeffizient genannt.
234 KAPITEL 4. THERMODYNAMIK: TEMPERATUR<br />
Die Koeffizienten hängen wie folgt mit dem Extinktionskoeffizienten ˜κ zusammen:<br />
˜κ 4π<br />
λ = χν = κνρ = σνn = l −1<br />
ν<br />
(4.82)<br />
Die wesentlichen Charakteristika können wir wie folgt zusammenfassen: der Extinktionskoeffizient ist<br />
das Produkt aus universeller Konstante und normierter Profilfunktion, Φ(ω), welche <strong>die</strong> Dämpfungskonstante<br />
enthält:<br />
χω = π<br />
2c ω2 �<br />
pΦ(ω) mit Φ(ω − ωo)dω = 1 (4.83)<br />
Wir betrachten nun <strong>die</strong> Absorption aus dem Kontinuum und zerlegen dazu S spektral. Die Änderung<br />
der Intensität auf der Strecke dz beträgt dann, s. Glchg. (4.79)<br />
�<br />
2ωκ<br />
dS = −dz I(ω)dω ; S =<br />
c<br />
� ∞<br />
0<br />
I(ω)dω (4.84)<br />
Die vom Oszillator aufgenommene Energie wächst proportional zur Zeit und ist unabhängig von der<br />
Dämpfung:<br />
< Eosz > = 2π2 e 2<br />
mc I(ωo)t (4.85)<br />
Die Gesamtabsorptionsrate pro linearem Oszillator in einem isotropen Wellenfeld mit spektraler Energiedichte<br />
uω (d. h. u = � uωdω) ist dann (pro Freiheitsgrad nur 1/3)<br />
< ˙ Eosz > = 2π2 e 2<br />
3m u(ωo) (4.86)<br />
Der Streuquerschnitt erfüllt folgende Integralrelation (ebenfalls unabhängig von der Dämpfung):<br />
�<br />
σνdν = πe2<br />
mc ne<br />
(4.87)<br />
Die natürliche Linienbreite wird - klassisch wie quantenmechanisch - durch Strahlungsrückwirkung<br />
bewirkt. Für <strong>die</strong> klassische Dämpfungskonstante γ gilt (γ/2 ist <strong>die</strong> Dämpfung der Amplitude, γ <strong>die</strong><br />
der Energie. Herleitung folgt):<br />
γ = 2e2 ω 2<br />
3mc 3<br />
und <strong>die</strong> normierte Profilfunktion Φ ist gegeben durch ein Lorentz-Profil:<br />
Φ(ω) = 1 γ/2<br />
π (ω − ωo) 2 + (γ/2) 2<br />
(4.88)<br />
(4.89)<br />
• ANMERKUNG (LORENTZ-PROFIL UND KLASSISCHE DÄMPFUNGSKONSTANTE)<br />
Eine einfache phänomenologische Begründung des Auftretens eines Lorentz-Profils bei der Dämpfung liefert <strong>die</strong> Drudesche<br />
Theorie der el. Leitung. Die Bewegungsgleichung eines freien Leitungselektrons lautet<br />
m(¨x + 1<br />
˙x) = eE (4.90)<br />
τ<br />
dabei ist τ <strong>die</strong> Stosszeit des Elektrons mit dem Gitter. Multiplizieren wir mit der Anzahldichte det Leitungselektronen ne<br />
und mit der Ladung e dann ist <strong>die</strong> Stromdichte j gegeben durch<br />
j = ene ˙x und σe = e2 neτ<br />
me<br />
wenn wir das Ohmsche Gesetz j = σeE benutzen.
4.2. STRAHLUNG UND IHRE QUELLEN 235<br />
Für gebundene Elektronen haben wir in Erweiterung <strong>die</strong>ses Ansatzes (mit Lorentz) einen gedämpften, harmonischen Oszillator<br />
(wo erst zum Schluß <strong>die</strong> Dämpfung durch Strahlungsrückwirkung oder Stöße berücksichtigt wird).<br />
Für <strong>die</strong> klassische Dämpfungskonstante γ erhalten wir mit dem Dipolmoment<br />
eδ�x = D (4.91)<br />
und der Energie des Oszillators (kin. plus pot. Energie)<br />
Eosz = mω 2 (δ�x) 2<br />
aus der Larmor Formel (für einen einzelnen Oszillator)<br />
L = ˙ E = 2e2ω4 δ�x2<br />
3mc3 folgende Darstellung der Dämpfungskonstanten<br />
γ = L/Eosz<br />
Dabei ist L <strong>die</strong> abgestrahlte Leistung L = ˙ Eosz. Daraus folgt <strong>die</strong> Dämpfungskonstante Glchg. (4.88)<br />
γ = 2e2 ω 2<br />
3mc 3<br />
Die Dämpfungskonstante ist unabhängig vom Dipolmoment, <strong>die</strong> gedämpfte Schwingung wird durch<br />
x(t) = xoe −γt/2 cos ωt<br />
(mit halbem Dekrement) gegeben.<br />
Φ(ω) = 1<br />
π<br />
γ/2<br />
(4.92)<br />
(4.93)<br />
(ω − ω0) 2 + (γ/2) 2 Profilfunktion (4.94)<br />
∞<br />
�<br />
0<br />
Φ(ω)dω = 1 Normierung (4.95)<br />
γ = 2e2 ω 2<br />
3mc 3 klass. Dämpfungskonst (4.96)<br />
Die Funktion Φ(ω) hat das Maximum Φ(ω0) = 2/πγ und fällt auf <strong>die</strong> Hälfte, Φ(ω) = 1/πγ, für ω = ω0 ± γ/2, d. h.<br />
∆ωFWHM = γ. Der Index stehen für Full Width to Half Maximum.<br />
• ANMERKUNG (ÜBERGANG ZUR QUANTENMECHANIK)<br />
Die ungedämpfte harmonische Schwingung haben wir klassisch bisher durch<br />
x(t) = x0 cos ωt<br />
beschrieben. Die Schwingungs - Amplituden<br />
x(t) = xoue iωt + (xou) ∗ e −iωt<br />
definieren wir nunmehr so, daß sie mit der Fourier Darstellung der klassischen Bahn übereinstimmen, d. h.<br />
xou = 1<br />
2 x0<br />
Die harmonische Schwingung x(t) einer Ladung e induziert ein el. Dipolmoment mit der klassischen Amplitude<br />
D0 = ex0<br />
Den Übergang von der klassischen zur quantenmechanischen Behandlung der Linienstrahlung, <strong>die</strong> von einem Atom beim<br />
Übergang von einem diskreten oberen Niveau, Index o, in ein unteres Niveau u ausgesandt wird, liefert <strong>die</strong> folgende<br />
Identität. Die Gesamtenergie des Atoms ist ohne Strahlungsrückwirkung konstant und beträgt<br />
Eosz = 1<br />
2 mω2 oux 2 0 = ¯hωou = Ephot<br />
(4.97)<br />
(4.98)<br />
(4.99)
236 KAPITEL 4. THERMODYNAMIK: TEMPERATUR<br />
wobei wir beim zweiten Gleichheitszeichen <strong>die</strong> Energie des Oszillators gleich der Energie des abgestrahlten Photons gesetzt<br />
haben. Umschreiben <strong>die</strong>ser Relation auf <strong>die</strong> Fourier Komponenten liefert eine Identität<br />
¯hωou = Eosz = 2m ω 2 ou |xou| 2<br />
Daraus folgt, daß <strong>die</strong> Größe (Oszillatorstärke)<br />
fou = Eosz<br />
=<br />
¯hωou<br />
m<br />
¯h 2ωou |xou| 2<br />
klassisch gleich eins ist. In 3 Dimensionen gilt dann<br />
fou = m<br />
¯h 2ωou<br />
|�xou| 2<br />
3<br />
Für den Einstein Koeffizienten folgt<br />
Aou = Lou<br />
=<br />
¯hωou<br />
4e2<br />
3c3¯h ω3 ou|xou| 2 = γfou<br />
eine Relation, <strong>die</strong> wir später herleiten werden.<br />
Die natürliche Linienbreite, ∆ω = γ ist (im Radio- und optischen Bereich) so klein,<br />
∆ω 1 1<br />
= =<br />
ω ωτ 3 α3<br />
�<br />
2¯hω<br />
mc2α2 �<br />
(4.100)<br />
(4.101)<br />
(4.102)<br />
(4.103)<br />
(4.104)<br />
daß <strong>die</strong> Profilfunktion, Φ, in astrophysikalischen Anwendungen durch eine Kastenfunktion approximiert<br />
werden darf:<br />
Φ(ω) = 1<br />
∆ω f(ω) mit f(ω) = [Θ(ω − ω0 + 1<br />
2 ∆ω) − Θ(ω − ω0 − 1<br />
2 ∆ω)]<br />
Die Funktion f(ω) ist 1 in der Linie, 0 sonst; (Θ ist <strong>die</strong> Heaviside Stufenfunktion). Für <strong>die</strong> Opazität<br />
gilt dann<br />
χω = 1<br />
2c<br />
ω2 p<br />
f(ω) (4.105)<br />
∆ω<br />
Zum Merken: ∆λ = 10 −4 ˚A = const ist universelle Relation für <strong>die</strong> natürliche Linienbreite aufgrund<br />
von Strahlungsrückwirkung.<br />
Die Opazität κ<br />
κ = 2ω˜κ<br />
c = ω2 ω<br />
p<br />
c<br />
ωγ<br />
(ω 2 o − ω 2 ) 2 + (ωγ) 2<br />
führt vermittels κρ = σn auf folgenden Streuquerschnitt<br />
σ = σT<br />
ω 4<br />
(ω 2 o − ω 2 ) 2 + (ω∆ω) 2<br />
(4.106)<br />
(4.107)<br />
wenn wir für γ <strong>die</strong> klassische Dämpfungskonstante (4.88) einsetzen und Glchg. (4.104) verwenden.<br />
Für ω ≪ ωo folgt <strong>die</strong> Rayleighsche Streuformel.<br />
Die Oszillatorstärke fou kann quantenmechanisch nur in wenigen, aber für <strong>die</strong> <strong>Astrophysik</strong> wichtigen,<br />
Spezialfällen analytisch bestimmt werden. Dazu zählen (neben dem hier behandelten harmonischen<br />
Oszillator und dem starren Rotator) das Wasserstoffatom und - fast ebenso wichtig - das freie Elektron.<br />
Im Grenzfall grosser Frequenzen folgt <strong>die</strong> Streuformel von Thompson (1903)<br />
σ T = 8π<br />
3<br />
� e 2<br />
mc 2<br />
� 2<br />
= 8π<br />
3 r2 e<br />
(4.108)
4.2. STRAHLUNG UND IHRE QUELLEN 237<br />
und für kleine Frequenzen <strong>die</strong> von Rayleigh (1899, Abendrot und Himmelsblau)<br />
σ = σ T<br />
� ω<br />
ωo<br />
� 4<br />
= σ T<br />
� �4 λo<br />
λ<br />
(4.109)<br />
Allgemeiner gilt für <strong>die</strong> Streuung an kleinen sphärischen <strong>Teil</strong>chen vom Radius a und Volumen V ,<br />
Rayleigh (1871)<br />
σ R = 8π|α|2 ω 4 V 2<br />
3c 3 ; V = 4π<br />
3 a3<br />
; α = 3 ɛ − 1<br />
4π ɛ + 2<br />
wobei α <strong>die</strong> Polarisierbarkeit ist.<br />
Den differentiellen Streuquerschnitt erhält man analog zur Herleitung der Streuformel von Thomson<br />
(freies Elektron). Für <strong>die</strong>sen gilt folgende Winkelabhängigkeit<br />
dσ T<br />
dΩ =<br />
� e 2<br />
mc 2<br />
� 2 1 + cos 2 θ<br />
Die mikroskopische Herleitung folgt später.<br />
2<br />
(4.110)
238 KAPITEL 4. THERMODYNAMIK: TEMPERATUR<br />
4.2.3 Hohlraumstrahlung<br />
Thermodynamisches Gleichgewicht ist ein Paradigma der Vielteilchenphysik. Es erlaubt <strong>die</strong> Bestimmung<br />
der thermodynamischen Funktionen aus rein statistischen Überlegungen. Insbesondere ideale,<br />
nicht wechselwirkende <strong>Teil</strong>chen (Felder) können exakt behandelt werden.<br />
Im thermodynamischen Gleichgewicht bildet sich in einem Hohlraum, der in einem Wärmebad auf eine<br />
Temperatur T gehalten wird, eine elektromagnetische Strahlung aus, E und B seien <strong>die</strong> Feldstärken<br />
des elektrischen und des magnetischen Feldes. Für freie Wellen im Vakuum ist |E| = |B|. Die Energiedichte<br />
sei u. Aus der Elektrodynamik Maxwells folgt für u<br />
u = E2 + B 2<br />
8π<br />
= E2<br />
4π<br />
; E = Ae i(� k�x−ωt)<br />
Die Größe u wird nun spektral zerlegt (ω = 2πν) in <strong>die</strong> spektrale Energiedichte uν:<br />
�<br />
u = uνdν ; uν = U(ν) = U(νou) (4.111)<br />
Statt uν werden wir auch U(ν) oder für Linienstrahlung U(νou) schreiben.<br />
• ANMERKUNG (MODELL DER HOHLRAUMSTRAHLUNG)<br />
Konkret bildet sich im Hohlraum der Kantenlänge L ein System von stehenden Wellen aus mit Wellenvektoren<br />
� k = (kx, ky, kz) = (2π/L) · (nx, ny, nz)<br />
Die nx, ny und nz sind ganze Zahlen. Die Anzahl der möglichen Moden Z(ν) mit Wellenlängen λ = c/ν, <strong>die</strong> (L/λ) 2 ≥<br />
n 2 x + n 2 y + n 2 z erfüllen, kann durch das Volumen einer Kugel abgeschätzt werden und beträgt:<br />
Z(ν) = 2 4π<br />
3<br />
� �3 Lν<br />
c<br />
dabei ist gγ = 2 der statistische (Besetzungs)Faktor. Differentiell gibt das, wenn wir für das Volumen V = L 3 = d 3 x<br />
setzen, für <strong>die</strong> Anzahl der Moden (im Phasenraum) im Intervall [ν . . . ν + dν]<br />
dZ(ν) = gγ V 4πc −3 ν 2 dν = gγ h −3 d 3 xd 3 p (4.112)<br />
In <strong>die</strong>ser differentiellen Form haben wir für den Impuls der Photonen p = hν/c gesetzt und d 3 p = 4πp 2 dp benutzt.<br />
Wir wollen im folgenden zeigen, wie <strong>die</strong> spektrale Energiedichte uν = U(ν) als Funktion ihrer<br />
möglichen Parameter schrittweise bestimmt wurde und welche Annahmen dabei gemacht wurden.<br />
Das Kirchhoffsche Gesetz ist hier ein wichtiger erster Schritt. G. R. Kirchhoff zeigte anhand des 2.<br />
Hauptsatzes der Thermodynamik, daß uν für einen schwarzen Körper nur von T abhängen kann,<br />
uν = f(ν, T )<br />
also eine universelle Funktion ist — unabhängig von der Materialbeschaffenheit (d. h. von den physikalischen<br />
Prozessen) der Strahler der Wandung. Emission und Absorption eines Körpers stehen in<br />
einem bestimmten Verhältnis zueinander. Falls wir Emission pro Steradian mit ην und Absorption (bei<br />
der Frequenz ν) mit κνρBν bezeichnen, dann besagt das Kirchhoffsche Gesetz<br />
ην<br />
κνρ = Bν = c<br />
4π uν<br />
(4.113)<br />
Mit Bν haben wir <strong>die</strong> spektrale Helligkeit B(νou) eingeführt und berücksichtigt, daß im thermodynamischen<br />
Gleichgewicht <strong>die</strong> Strahlung isotrop ist (Faktor 4π beim Umrechnen).<br />
Der zweite Schritt ist das Gesetz von Stefan und Boltzmann. Stefan (1835 - 1893) und Boltzmann<br />
zeigten, daß das Integral über alle Frequenzen<br />
u = aT 4<br />
(4.114)
4.2. STRAHLUNG UND IHRE QUELLEN 239<br />
ergeben muß.<br />
Das Wiensche Verschiebungsgesetz ist der letzte Schritt, der mit rein thermodynamischen Methoden<br />
(also ohne mikroskopische Vorstellungen) noch getan werden kann. Wilhelm Wien (1893) zeigte, daß<br />
eine adiabatische Kompression der Hohlraumstrahlung über den Dopplereffekt zu folgender funktionaler<br />
Abhängigkeit der Funktion f führt:<br />
uν(T ) = ν 3 f(ν/T )<br />
woraus das Wiensche Verschiebungsgesetz<br />
λmaxT = const (4.115)<br />
für gegebene Temperatur T folgt. (Dabei ist const = 0.2898 cm K).<br />
• ANMERKUNG (MODELL DES HARMONISCHEN OSZILLATORS)<br />
Die Rayleigh-Jeans Formel beruht auf den folgenden Annahmen, <strong>die</strong> sich dann als falsch herausstellen werden:<br />
1. <strong>die</strong> Moden bilden ein Kontinuum mit der Energie eines harmonischen Oszillators<br />
< Eosz > = π2 c 2<br />
ω 2 u(ωo) (4.116)<br />
2. <strong>die</strong> Energie einer Schwingungsmode wie folgt bestimmt:<br />
Eosz = 1<br />
2 me ω 2 x 2 0 = kT (4.117)<br />
3. im thermischen Gleichgewicht soll <strong>die</strong> Besetzung nach Glchg. (4.112) erfolgen.<br />
Die im Rahmen der klassischen Physik korrekte Annahme, daß jede Mode mit Eosz = kT thermisch<br />
besetzt ist, führt zur UV Katastrophe. Das Integral<br />
�<br />
duν = 8πkT (kT/hc) 3<br />
�<br />
x 2 dx ; x = hν<br />
kT<br />
divergiert. Die korrekte Form für Eosz wurde von Planck gefunden<br />
Eosz = kT<br />
x<br />
e x − 1<br />
; x = hν<br />
kT<br />
(4.118)<br />
(4.119)<br />
und kann mithilfe statistischer Methoden hergeleitet werden, falls man annimmt, daß Photonen diskret<br />
sind und demnach auch nur diskret besetzt werden können.<br />
• ANMERKUNG (STATISTIK DES HARMONISCHEN OSZILLATORS (PHOTONEN))<br />
Wir nehmen an, daß jedes Photon im thermischen Gleichgwicht mit einem harmonischen Oszillator (der Wand des Hohlraums)<br />
steht. Die mittlere Energie wird aus Zustandssumme Z bestimmt. Sie ist durch<br />
∂ ln Z<br />
U = < E > = −<br />
∂β<br />
; β = 1<br />
kT<br />
gegeben. Klassisch kann E = Eosz ein Kontinuum von Werten annehmen. Die Zustandssumme für einen Oszillator ist<br />
dann (bis auf einen Faktor)<br />
Zkl =<br />
�<br />
0<br />
∞<br />
e −βE dE = 1<br />
= kT<br />
β<br />
und somit ist < E > = kT .<br />
Die Quantenmechanik verlangt dagegen eine Summe diskreter Eigenwerte,<br />
Zqu =<br />
∞�<br />
e −βɛn<br />
n=0
240 KAPITEL 4. THERMODYNAMIK: TEMPERATUR<br />
Speziell beim harmonischen Oszillator ist <strong>die</strong> Summe geschlossen berechenbar<br />
�<br />
ɛn = n + 1<br />
�<br />
¯hω<br />
2<br />
; Zqu = e −β¯hω/2 1<br />
1 − e−β¯hω Damit wird<br />
< E > = ¯hω<br />
�<br />
1<br />
2 +<br />
1<br />
e¯hω/kT �<br />
− 1<br />
(4.120)<br />
(4.121)<br />
Der erste Term, <strong>die</strong> Nullpunktsschwingungen des elektromagnetischen Vakuums, ist immer noch divergent (aber nicht<br />
beobachtbar). Der zweite liefert <strong>die</strong> korrekte Planck Besetzung. Mit Glchg. (4.112) erhalten wir<br />
Uν(T )dν = < E > dZ(ν)<br />
• ANMERKUNG (BOSE - EINSTEIN STATISTIK (DER PHOTONEN))<br />
Es sei ɛ <strong>die</strong> Energie eines einzelnen Photons. Man nimmt an, daß eine Zelle im Phasenraum nur diskret besetzt werden<br />
kann. Die relative Wahrscheinlichkeit für <strong>die</strong> Besetzung mit n Photonen ist W n , mit<br />
W = e −βɛ<br />
; ɛ = ¯hω<br />
der relativen Wahrscheinlichkeit für <strong>die</strong> Bestzung mit einem Photon. Das liefert <strong>die</strong> Zustandssumme eines einzelnen Photons<br />
Zqu =<br />
∞�<br />
W n ∞�<br />
= e −βɛn<br />
n=0<br />
n=0<br />
was formal identisch ist mit dem harmonischen Oszillator. Wir erhalten<br />
uωdω = kT<br />
� kT<br />
¯hc<br />
� 3 1<br />
π 2<br />
x 3 dx<br />
e x − 1<br />
Im thermodynamischen Gleichgewicht ist <strong>die</strong> Strahlung isotrop und Bν ist <strong>die</strong> Planck Funktion<br />
Bν(T ) = Iν = c<br />
4π Uν =<br />
2hν 3<br />
c 2 (e hν/kT − 1)<br />
(4.122)<br />
Fall kein thermodynamisches Gleichgewicht vorliegt wird <strong>die</strong> spektrale Helligkeit mit Iν bezeichnet.<br />
Optische Tiefe und Säulendichte<br />
Die für <strong>die</strong> <strong>Astrophysik</strong> wichtigen Prozesse zur Bestimmung des Linienprofils sind Dopplerverschiebung<br />
(Gauß- anstelle von Lorentz-Profil) und Stossverbreiterung (Holtsmark-Profil), kombiniert in der<br />
Voigt-Profilfunktion H(˜α, v) mit den beiden dimensionslosen Parametern<br />
˜α = γ<br />
2∆ωD<br />
; v =<br />
ω − ω0<br />
∆ωD<br />
; ∆ωD = v<br />
ω (4.123)<br />
c<br />
der Beitrag der Strahlungsdämpfung spielt keine Rolle, d. h. es ist γrad ≪ γcoll.<br />
Der Linienabsorptionskoeffizient kann dann wie folgt geschrieben werden<br />
χω = χzH(˜α, v) (4.124)<br />
wobei χz der Absorptionskoeffizient in Linienmitte ist (H(α, 0) = 1)<br />
√ 2 πe<br />
χz =<br />
mec<br />
nmfmn<br />
∆νD<br />
(4.125)<br />
Dabei ist nm <strong>die</strong> <strong>Teil</strong>chenzahldichte im Zustand m und <strong>die</strong> fmn sind <strong>die</strong> Oszillatorstärken (s.u.) für den<br />
Übergang.
4.2. STRAHLUNG UND IHRE QUELLEN 241<br />
In den Flügeln gilt näherungsweise<br />
H(α, v) = ˜α √ π<br />
1<br />
˜α 2 + v 2<br />
Die optische Tiefe τν längs der Wegstrecke der Länge L, ist wie folgt definiert:<br />
dτν = χνdx ; τν =<br />
�L<br />
0<br />
(4.126)<br />
χνdx (4.127)<br />
also χνL für homogene Verhältnisse. Im reinen Absorptionsfall gilt das Beersche Gesetz für <strong>die</strong> spektrale<br />
Strahlungsintensität Iν<br />
Iν(L) = Iν(0)e −τν (4.128)<br />
Für ein Gas nahe dem LTE kommt noch <strong>die</strong> erzwungene Emission hinzu und es gilt für Nu <strong>Teil</strong>chen<br />
im unteren Niveau im Volumen V <strong>die</strong> Einstein Relation<br />
mit<br />
χν = c2Nugo 8πV ν2 �<br />
�<br />
−hνou/kT<br />
Ao→u 1 − e Φ(ν − νou) (4.129)<br />
gu<br />
Ao→u = 2hν3<br />
c 2 Bo→u (4.130)<br />
und (für LTE mit Boltzmann Verteilung für <strong>die</strong> Besetzung der beiden Niveaus o und u):<br />
No<br />
Nu<br />
= go<br />
gu<br />
e −(Eo−Eu)/kT = go<br />
e −hνou/kT<br />
Mit der Säulendichte N und der Wegstrecke L<br />
gu<br />
(4.131)<br />
Nu = Nu<br />
V L = nuL (4.132)<br />
gilt dann für <strong>die</strong> optische Tiefe τν, wenn <strong>die</strong> Profilfunktion durch eine Kastenfunktion genähert wird<br />
Φ(ν − νou) = 1<br />
∆νz<br />
(brauchbar außerhalb der Linienmitte) <strong>die</strong> Relation<br />
τν = k1D 2 ou<br />
1<br />
∆νz<br />
�<br />
�<br />
−hνou/kT<br />
1 − e Ns<br />
(4.133)<br />
wobei k1 eine für das Atom (Molekül) spezifische Konstante (für gegebene Frequenz) ist, <strong>die</strong> im Labor<br />
bestimmt werden kann.<br />
Für homogene Verhältnisse (konstantes T und n) erhält man aus der Strahlungstransportgleichung<br />
zunächst formal für <strong>die</strong> spezifische Strahlungsintensität Iν<br />
Iν = Iν(0)e −τν + Bν(T )(1 − e −τν ) (4.134)<br />
oder umgeformt (dazu subtrahiert man Iν(0) auf beiden Seiten) <strong>die</strong> Detection Equation (für <strong>die</strong> Intensität<br />
einer Linie)<br />
∆I = Iν − Iν(0) = (Bν(T ) − Iν(0))(1 − e −τν ) (4.135)
242 KAPITEL 4. THERMODYNAMIK: TEMPERATUR<br />
oder, falls man <strong>die</strong> Rayleigh-Jeans Näherung für <strong>die</strong> Antennentemperatur<br />
Tb = c2<br />
2kν<br />
verwenden kann<br />
2 Iν<br />
∆Tl = (Tex − Tbg)(1 − e −τν ) (4.136)<br />
Die Indizes an den verschieden (Antennen) Temperaturen bedeuten hier l : Linie, ex : Anregung und<br />
bg Hintergrund. Im optisch dünnen Fall bleibt dann nur<br />
∆Tl = (Tex − Tbg)τν mit τν = χνL (4.137)<br />
Daraus kann <strong>die</strong> Säulendichte N bestimmt werden, falls <strong>die</strong> atomaren Koeffizienten (s. Glchg. (4.133))<br />
bekannt sind. Zwei Fälle, wo das sogar analytisch möglich ist, sind der Hyperfeinübergang bei atomarem<br />
Wasserstoff (21 cm Linie) und <strong>die</strong> Rotationsübergänge eines Moleküls.<br />
• FORMELN (21CM HYPERFEINÜBERGANG BEI H)<br />
Für den Hyperfeinübergang bei H gilt folgendes. Die Wechselwirkungsenergie ist <strong>die</strong> Energie der magnetischen Momente<br />
von Elektron und Proton. Beide sind mit dem Spin assoziiert. Der Grundzustand ∆Ehfs(n = 1) hat für Gesamtspin F = 0,<br />
antiparallele Spins = paralles Feld, <strong>die</strong> niedrigste Energie. Der Übergang F = 1 → 0 hat <strong>die</strong> Energie<br />
∆Ehfs(n = 1) ≈ 5.6 · 10 −6<br />
eV oder k∆T = 0.06 K (4.138)<br />
Die dazu gehörende Frequenz ist eine der am genauesten bestimmten Größen der Physik:<br />
νhfs = 1 420. 405 751 786 MHz (4.139)<br />
Die statistischen Gewichte sind go = 3 (zu Spin gleich 1) und gu = 1. Damit ist selbst für <strong>die</strong> kosmische Hintergrundstrahlung<br />
von 2.7 K <strong>die</strong> Rayleigh Näherung erlaubt und <strong>die</strong> Verteilung der beiden Niveaus ist stets thermisch im Verhältnis<br />
1:3.<br />
Auch der Einstein A Koeffizient kann exakt bestimmt werden. Es gilt in Zahlen für <strong>die</strong> Emission:<br />
A ≈ 2.85 · 10 −15<br />
was einer Lebensdauer von T = 10 Myr entspricht.<br />
Die natürliche Linienbreite ist winzig:<br />
∆ν<br />
ν<br />
= 1<br />
2π<br />
A<br />
ν<br />
s −1 (4.140)<br />
≈ 3 · 10−25<br />
Die natürliche Linienbreite spielt keine Rolle, deshalb wird <strong>die</strong> beobachtete Linienbreite durch <strong>die</strong> thermische und makroskopische<br />
Bewegung (Doppler-Effekt) und durch Stöße bestimmt. Da Stöße in der ISM selten sind, ein Stoß findet etwa alle<br />
10 Myr statt, liefern <strong>die</strong>se (nach der Holtsmark Theorie) nur einige Zehnerpotenzen im Vergleich zur natürlichen Linienbreite:<br />
viel zu wenig um (in der Linienbreite) beobachtbar zu sein. Der entscheidende Effekt ist <strong>die</strong> Doppler-Verbreiterung.<br />
Diese liefert mehr als 19 Zehnerpotenzen (bei v 1 km s −1 , was Tkin 40 K entspricht!):<br />
∆ν v<br />
=<br />
ν c ≈ 5 · 10−6v5 Der Wirkungsquerschnitt für Absorption, den wir nach der Formel<br />
σ = 6πλ- 2<br />
abschätzen (σ ≈ 200 cm 2 !), wird dann herabgesetzt auf<br />
σ = (λ- 2 A<br />
)<br />
∆ν<br />
(4.141)<br />
oder auf σ ≈ 10 −18 cm 2 . Die Breite der Linie ist dann entsprechend<br />
∆ν = v<br />
c νhf<br />
Für <strong>die</strong> Säulendichte NH des Hyperfeinübergangs bei atomarem Wasserstoff ergibt sich damit in der Beobachtung ange-<br />
passten Einheiten<br />
N = 1.8 · 10 18<br />
�<br />
(Tsp/K)(dv/kms −1 ) cm −2 (4.142)
4.2. STRAHLUNG UND IHRE QUELLEN 243<br />
Die Beobachtungen von H in der Milchstraße ergeben Werte von NH = 10 19 cm −2 bis NH = 10 22<br />
cm −2 . Daraus folgt eine mittlere <strong>Teil</strong>chendichte von etwa 1 <strong>Teil</strong>chen pro cm 3 .<br />
Gleiches gilt für molekularen Wasserstoff, auf kleinerer Skala, wie wir noch sehen werden. Die größten<br />
bisher gefundenen Werte belaufen sich auf NH = 10 24 cm −2 .<br />
• FORMELN (ROTATION VON CO)<br />
Rotationsübergänge eines Moleküls mit statischem Dipolmoment µ können ebenfalls exakt bestimmt werden. Sie haben<br />
<strong>die</strong> folgenden Matrixelemente<br />
D 2 2 J + 1<br />
J,J+1 = µ<br />
2J + 1<br />
; νJ,J+1 = 2B(J + 1) (4.143)<br />
dabei reicht µ von etwa 5 Debey bis praktisch Null.<br />
Für das Molekül CO gilt z. B. µ = 0.112 Debey (1 Debey entspricht 10 −18 esu gleich 10 −18 cgs Einheiten).<br />
Da molekularer Wasserstoff, H2, aus Symmetriegründen kein el. Dipolmoment besitzt, ist CO von<br />
grosser astrophysikalischer Bedeutung: es ist nach H2 das häufigste Molekül. Aufgrund seiner grossen<br />
Bindungsenergie kommt es überall in Wolken vor, zusammen mit Staub ist <strong>die</strong> Linienstrahlung von<br />
CO der wichtigste Kühlmechanismus kalter Wolken.<br />
4.2.4 Quantenmechanik der Absorption und Dispersion<br />
Die meiste Information ist in der Linienstrahlung enthalten. So können Anregungsbedingungen (Temperatur,<br />
Dichte etc.) des Mediums bestimmt werden. Für Sterne sind das einige charakteristische Atome<br />
(H, He), für <strong>die</strong> ISM bestimmte Moleküle (CO, NH3). Für das Aussehen (Farbe) von Sternen wie <strong>die</strong><br />
Sonne sind der Photoeffekt (Ionisation eines Atoms, entweder aus dem Grundzustand oder aus einem<br />
angeregten Zustand) und Bremsstrahlung (Streuung von Photonen an freien Elektronen im Feld von<br />
Protonen) der dominante Prozeß. Die Streuung von Photonen an freien Elektronen ist für heiße Sterne<br />
(inkl. Röntgensterne und frühes Universum) der dominierende Prozeß. Mit dem frequenzunabhängigen<br />
Thomson Wirkungsquerschnitt σ T erhalten wir <strong>die</strong> Eddingtonsche Grenzleuchtkraft für (akkretierende)<br />
Sterne, LEdd.<br />
Diese und andere wichtige Grundlagen wollen wir kurz besprechen.<br />
Thomson Streuung<br />
Als einfachstes Beispiel für den atomaren Aspekt betrachten wir <strong>die</strong> Wechselwirkung zwischen einem<br />
freien (d. h. nicht an einen Atomkern gebundenen) Elektron und einer elektromagnetischen Welle<br />
(Thomson Streuung). Der Wirkungsquerschnitt (im Bereich ¯hω ≪ mc 2 ) ist quantenmechanisch wie<br />
klassisch durch <strong>die</strong> Thomsonsche Streuformel gegeben, differentiell:<br />
dσ T<br />
dΩ =<br />
� e 2<br />
mc 2<br />
� 2 1 + cos 2 θ<br />
Der Gesamtwirkungsquerschnitt ist<br />
σ T = 8π<br />
3<br />
� e 2<br />
mc 2<br />
� 2<br />
2<br />
= 8π<br />
3 r2 e<br />
(4.144)<br />
(4.145)<br />
Die Formel gilt so nur für freie Elektronen; näherungsweise aber auch für Photonen mit Energien<br />
α 2 mec 2 ≪ ¯hω ≪ mec 2 . Für noch höhere Energien muß man den Klein-Nishina Streuquerschnitt<br />
benutzen:<br />
σ KN = σ T(1 − 2¯hω/mc 2 + . . .)
244 KAPITEL 4. THERMODYNAMIK: TEMPERATUR<br />
Für <strong>die</strong> höchsten Energien, ¯hω ≫ mec 2 spielt Paarezeugung <strong>die</strong> dominierende Rolle. In jedem Fall ist<br />
der Gesamtwirkungsquerschnitt, Glchg. (4.145) eine obere Grenze.<br />
Das liefert für <strong>die</strong> Opazität κe von freien Elektronen der <strong>Teil</strong>chendichte ne:<br />
κe = σ Tne<br />
ρ<br />
Zum Merken:<br />
= Z<br />
A<br />
σ T<br />
mH<br />
κe = 2Z 1 + xH<br />
=<br />
5A 5<br />
cm 2<br />
in Zahlen<br />
g −1<br />
σ T<br />
mH<br />
= 0.40 cm 2<br />
g −1<br />
(4.146)<br />
Als wichtige Anwendung erhalten wir hieraus LEdd, <strong>die</strong> Eddingtonsche Grenzleuchtkraft für (akkretierende)<br />
Sterne:<br />
LEdd = 4πGmHMc<br />
= 10<br />
σT h<br />
4.5<br />
� �<br />
M<br />
L⊙ = 1.3 · 10<br />
M⊙<br />
38<br />
� �<br />
M<br />
mH erg s<br />
M⊙<br />
−1 (4.147)<br />
und für akkretierende entartete Sterne in Fundamentalkonstanten:<br />
LEdd =<br />
9<br />
2α √ αG<br />
2 c<br />
mec<br />
re<br />
Atomare Prozesse: Überblick<br />
= 2 · 10 38<br />
erg s −1 (4.148)<br />
Die folgenden drei Prozesse benötigen eine quantenmechanische Behandlung und beschreiben Absorption<br />
von Photonen am Elektron im Feld eines Protons. Qualitativ kann man sie aber im Rahmen<br />
der Bohrschen Vorstellungen erhalten (erstmals von Kramers 1923). Die wesentlichen Regeln sind:<br />
<strong>die</strong> Energieniveaus eines Elektrons sind diskret, in einem Elementarprozeß ist stets nur ein Photon<br />
involviert.<br />
Der Drehimpulserhaltungssatz führt dann zu den Auswahlregeln für <strong>die</strong> Emission des einen Photons<br />
(für erlaubte Übergänge ∆J = ±¯h, kein Spinflip).<br />
Wir erhalten<br />
1. Linienabsorption, falls Anfangs- und Endzustand zu gebundenen Niveaus des Wasserstoffs<br />
gehören,<br />
2. ein Kontinuum mit Kante, falls der Anfangszustand gebundenen, der Endzustand aber<br />
ungebunden ist, und<br />
3. ein Kontinuum, Bremsstrahlung, falls Anfangs- und Endzustand des Elektrons ungebunden<br />
sind.<br />
Um <strong>die</strong> folgenden Formeln adäquat schreiben zu können, führen wir drei geeignete Längen - Einheiten<br />
ein, welche sich auf das Wasserstoffatom beziehen, <strong>die</strong> Abhängigkeit von der Ladung Z für Wasserstoff<br />
ähnliche Spektren geben wir explizit an.<br />
Die Ionisationsenergie des Grundzustands von Wasserstoff beträgt:<br />
I = hν = hc<br />
λ<br />
= 1<br />
2 α2 mec 2 mit α = e2<br />
¯hc<br />
Die drei fundamentalen Längen (für den Streuquerschnitt) sind:<br />
1. klassischer Elektronenradius, re,<br />
2. Bohrscher Radius von H, rB, und<br />
3. <strong>die</strong> Wellenlänge des emittierten bzw absorbierten Photons, λ.<br />
(4.149)
4.2. STRAHLUNG UND IHRE QUELLEN 245<br />
Zwischen <strong>die</strong>sen gelten folgende Größenrelationen:<br />
re = α 2 r B = 1<br />
4π α3 λ<br />
Die Ladungsabhängigkeit ist für Wasserstoff ähnliche Atome durch<br />
IZ = 1<br />
2 Z2 α 2 mec 2<br />
(4.150)<br />
gegeben. Von besonderem astrophysikalischem Interesse sind der Nachweis von Deuterium, Helium<br />
(beide können auch primordial sein) und Eisen (Erzeugung nur in Supernovae möglich).<br />
Einige wichtige Nachweis Linien zur Bestimmung der Temperatur und der Häufigkeit der Elemente<br />
sind in der folgenden Tabelle aufgeführt.<br />
Wichtige Nachweis Linien<br />
Name Element E T ν λ<br />
Bezeichnung Übergang Kelvin<br />
Hyperfein H 5·10 −6 eV 1420 MHz 21 cm<br />
CO 1 → 0 50 115 GHz 2.6 mm<br />
HD 1 → 0 440 µ<br />
H2 2 → 0 500 28 µ<br />
Hα (Balmer) 1s→2p 3.6 eV 6563 ˚A<br />
Lyα (Lyman) 1s→2p 10 eV 10 5 1215 ˚A<br />
Fe XXVI Ka 1s→2p 6.9 keV 1.79 ˚A<br />
Fe XXVI Kb 1s→3p 8.1 keV 10 7 1.54 ˚A<br />
Positronium e, ē 0.5 MeV<br />
Damit erreicht man für vollständig ionisiertes Eisen, Z = 26, bei der Rekombination bereits Energien,<br />
<strong>die</strong> im mittleren Röntgenbereich (E = 9 · 10 3 eV) liegen (und dort auch selbst bei kosmologischen<br />
Quellen beobachtet werden).<br />
Die Positronium Vernichtungslinie wurde im Zentrum der Milchstraße (allerdings nur zeitweise) gesehen.<br />
Bremsstrahlung<br />
Bremsstrahlung trat ursprünglich auf beim Durchgang von Elektronen durch eine dünne Folie. Die<br />
Elektronen werden dabei durch Strahlungsverluste abgebremst. Anfangs und Endzustand des Elektrons<br />
sind frei deshalb wird sie auch frei-frei Strahlung genannt.<br />
Die Opazität (und Emissionsvermögen) für frei-frei Strahlung wurde erstmals von Kramers berechnet<br />
(Kramers Opazität). Für <strong>die</strong> Steuung von Elektronen der Dichte ne an ni Ionen (Protonen) gilt für <strong>die</strong><br />
Gesamtemissivität (Einheit: erg s −1 cm −3 ) pro Volumen<br />
j = 16<br />
�<br />
2π<br />
3 3<br />
Z2e6 ¯hmc2 �<br />
kT<br />
neni<br />
(4.151)<br />
mc2 Damit erhalten wir für ein thermisches Plasma der Temperatur T für den Absorptionskoeffizienten, wie<br />
er erstmals von Kramers (1923) abgeleitet wurde, nach dem Kirchhoffschen Gesetz, für <strong>die</strong> Opazität:<br />
χω = nσω = ɛω<br />
Bω(T )<br />
(4.152)
246 KAPITEL 4. THERMODYNAMIK: TEMPERATUR<br />
dabei ist Bω(T ) <strong>die</strong> Planck-Funktion.<br />
σω = Z 2 σ T<br />
� mc 2<br />
kT<br />
�3/2 �ωp �2 ω<br />
Damit gilt für <strong>die</strong> Opazität folgende Abhängigkeit von Frequenz ω und Dichte der Elektronen ne:<br />
χω = nσω ∝ Z 2 n 2 eT −3/2 ω −2<br />
(4.153)<br />
(4.154)<br />
Sie hängt vom Quadrat der Elektronendichte ab (gilt für alle Stossprozesse). Für eine homogene Quelle<br />
mit Durchmesser L ist <strong>die</strong> optische Tiefe dann durch<br />
τω = χωL = nσω ∝ Z 2 (n 2 eL)T −3/2 ω −2<br />
(4.155)<br />
gegeben. Daraus folgt: für hinreichend kleine Frequenz ω wird τω = 1, d. h. <strong>die</strong> Quelle zeigt Selbstabsorption.<br />
Für Sterne ist das Rosseland Mittel für <strong>die</strong> Opazität wichtig, es gilt<br />
� �<br />
1 ∂Bν 1<br />
dν =<br />
κ ∂T κν<br />
∂Bν<br />
dν (4.156)<br />
∂T<br />
Man erhält es (für Sternatmospären), wenn man noch den Ionisationsgrad mithilfe der Saha Gleichung<br />
bestimmt:<br />
κff = 6.45 × 10 22 fe,i ρ T −7/2<br />
cm 2 g −1<br />
geschrieben als Funktion der Dichte ρ mit ρfi = niAmH<br />
�<br />
fefiZ<br />
fe,i =<br />
2<br />
�<br />
= (1 + xH)(XH + XHe + XZ) (4.157)<br />
A<br />
wobei XZ = ΣixiZ 2 i A −1<br />
i den Beitrag der schwereren Elemente (Metalle) berücksichtigt.<br />
Photoeffekt<br />
Der Wirkungsquerschnitt für <strong>die</strong> Ionisation von Wasserstoff wurde erstmals von Kramers (1923) quasiklassisch<br />
berechnet. Für <strong>die</strong> Hauptquantenzahl n gilt in <strong>die</strong>ser Näherung:<br />
σbf = 64π4 mee 10 Z 4<br />
3 √ 3ch 6 n 5 ν 3<br />
(4.158)<br />
Kramers Opazität für bound-free, oder, wenn wir <strong>die</strong> Ionisationsenergie von Wasserstoff I benutzen:<br />
σbf = 64πZ4<br />
3 √ 3 α−3 � �3<br />
I<br />
σT hν<br />
(4.159)<br />
Diese Formel gilt (bis auf eine kleine Korrektur, den sog. Gaunt Faktor) auch quantenmechanisch für<br />
n > 1.<br />
Für das Grundniveau n = 1 ist <strong>die</strong> Korrektur größer, da das Grundniveau stabil ist. Der Wirkungsquerschnitt<br />
kann ebenfalls analytisch angegeben werden:<br />
σbf = 64Z 5 α −3 σ T<br />
� �7/2<br />
I<br />
hν<br />
Das Rosseland Mittel für <strong>die</strong> Opazität lautet<br />
κbf = 2.82 × 10 29 Z(1 + X)ρT −7/2<br />
cm 2 g −1 (4.160)
4.2. STRAHLUNG UND IHRE QUELLEN 247<br />
Rekombination<br />
Der Energiesatz lautet für <strong>die</strong> Rekombination eines Elektrons mit einem Proton zu Wasserstoff<br />
hν = ɛ + 1<br />
m<br />
I mit ɛ =<br />
n2 2 v2<br />
Die Rekombinationsrate schreiben wir wie folgt<br />
(4.161)<br />
˙ne = −α rek neni mit α rek = σve (4.162)<br />
dabei ist σ der Rekombinationswirkungsquerschnitt und ve <strong>die</strong> (Relativ) Geschwindigkeit des Elektrons.<br />
Die Grundeinheit des Wirkungsquerschnitts ist<br />
σ rek =<br />
� �3/2 4<br />
3<br />
α −1 σT = 2.11 × 10 −22<br />
und für Einfang ins Niveau n gilt damit<br />
rek I<br />
σn = σ<br />
ɛ<br />
I<br />
hν<br />
1<br />
n 3<br />
cm 2 (4.163)<br />
Die Gesamtrate α rek der Rekombination thermischer Elektronen erhält man mit x = I/kT<br />
α rek = 2σ rek<br />
(4.164)<br />
� �1/2 2kT<br />
xΦ(x) (4.165)<br />
πm<br />
= 2.07 · 10 −11 Z 2 T −1/2 Φ(x) cm −3 s −1 (4.166)<br />
Φ(x) ist <strong>die</strong> normierter Profilfunktion. Für <strong>die</strong> Gesamtemissivität j der Rekombination eines thermischen<br />
Plasmas erhält man (mit Elektronen - Zahldichte ne und mit Ionen - Zahldichte ni)<br />
jbf = α rek IHneni<br />
Linienabsorption<br />
(4.167)<br />
Die wesentlichen physikalischen Eigenschaften der Linienabsorption haben wir bereits klassisch hergeleitet.<br />
Erst <strong>die</strong> Quantenmechanik ist allerdings in der Lage, Linienstrahlung widerspruchsfrei zu behandeln.<br />
Die wichtigsten Gesichtspunkte sind <strong>die</strong> folgenden. Nach Einstein gibt es genau drei Möglichkeiten,<br />
das Wellenfeld zu ändern<br />
1. <strong>die</strong> spontane Emission eines Photons aus einem atomaren System. Das Potential (bzw. der Hamilton-<br />
Operator) bestimmt, welche diskreten Frequenzen auftreten. Die Stärke des Übergangs wird<br />
durch den Einstein A Koeffizienten angegeben.<br />
2. <strong>die</strong> Absorption aus dem bereits vorhandenen Wellenfeld. Sie ist proportional zur Intensität des<br />
Feldes.<br />
3. <strong>die</strong> stimulierte Emission. Neben der Absorption gibt es stimulierte Emission im bereits vorhandenen<br />
Wellenfeld. Erst <strong>die</strong> Summe aus Absorption und stimulierter Emission liefert den korrekten<br />
Extinktionskoeffizienten.
248 KAPITEL 4. THERMODYNAMIK: TEMPERATUR<br />
Klassisch gilt: ein Oszillator hat eine einzige Grundfrequenz ωo, der Extinktionskoeffizient ist das Produkt<br />
aus universeller Konstante und normierter Profilfunktion, Φ(ω), welche <strong>die</strong> Dämpfungskonstante<br />
enthält:<br />
χω = π<br />
2c ω2 p Φ(ω) mit<br />
�<br />
Φ(ω − ωo)dω = 1 (4.168)<br />
Die wesentliche Änderung, <strong>die</strong> durch <strong>die</strong> Quantenmechanik dazukommt, ist <strong>die</strong> Behandlung der Übergänge<br />
(d. h. der auftretenden Frequenzen). Sie kann durch <strong>die</strong> Oszillatorstärke, welche wie folgt definiert ist:<br />
fou = m<br />
2<br />
2ωou|xou|<br />
¯h<br />
berücksichtigt werden. Dabei ist<br />
(4.169)<br />
�<br />
xou = = ψox ¯ ψud 3 x (4.170)<br />
das Übergangsmatrixelement für el. Dipolübergänge von o nach u. Die hier auftretende Übergangsfrequenz<br />
ωou = Eo − Eu<br />
¯h<br />
ist vorzeichenbehaftet und es gilt der f− Summensatz<br />
(4.171)<br />
�<br />
fou = 1 für jedes u (4.172)<br />
o<br />
Klassisch lautet <strong>die</strong> Dispersionsrelation für den Brechungsindex n = √ ɛ in der Nähe einer Resonanz<br />
zur Frequenz ωou bei Vernachlässigung der Dämpfung<br />
n 2 − 1 = ω 2 p<br />
1<br />
ω 2 − ω 2 o<br />
; ω 2 p = 4πe2 ne<br />
me<br />
(4.173)<br />
In der Quantenmechanik wird daraus für festes u, mit verschiedenen, für jedes Niveau charakteristischen,<br />
Oszillatorstärken fou<br />
n 2 − 1 = ω 2 p<br />
�<br />
o<br />
fou<br />
ω 2 − ω 2 ou<br />
• ANMERKUNG (DER LINEARE HARMONISCHE OSZILLATOR)<br />
Der Hamilton-Operator ist (ω ist <strong>die</strong> Grundmode des Oszillators, <strong>die</strong> Masse ist 1 gesetzt)<br />
H = 1<br />
2 p2 + ω2<br />
2 q2<br />
mit den Eigenwerten<br />
�<br />
En = ¯hω n + 1<br />
�<br />
2<br />
für ganze Zahlen n. Für gegebenes n gibt nur zwei Übergänge mit den folgenden Matrixelementen<br />
1. Emission: n → n + 1<br />
= √ �<br />
¯h<br />
n + 1<br />
2mω<br />
2. Absorption: n → n − 1<br />
= √ �<br />
¯h<br />
n<br />
2mω<br />
Daraus folgt, wenn wir das Vorzeichen beachten<br />
fn+1,n = n + 1 und fn−1,n = −n<br />
(4.174)<br />
(4.175)<br />
Beim Atom, also beim Coulombpotential, ist nur das H Atom noch analytisch (und algebraisch) behandelbar.
4.2. STRAHLUNG UND IHRE QUELLEN 249<br />
4.2.5 Quellen: Thermodynamik<br />
Die Wärmestrahlung<br />
Das Plancksche Gesetz liefert <strong>die</strong> Intensität B = B(T ) und <strong>die</strong> Spektralverteilung Bν(T ) der Wärmestrahlung.<br />
Für <strong>die</strong> spezifische Intensität Bν(T ) schreiben wir allgemein (falls es sich nicht um Plancksche Schwarzkörper<br />
- Strahlung handelt) Iν. Diese und <strong>die</strong> Energiedichte uν hängen wie folgt zusammen<br />
Bν(T ) = Iν = c duν<br />
dΩs<br />
= c<br />
4π uν<br />
(4.176)<br />
Der Faktor c macht aus der Energiedichte u den Poynting-Strom. Von der Energiestromdichte kommt<br />
man zur spezifischen Intensität, indem man durch den Raumwinkel Ωs divi<strong>die</strong>rt. Für isotrope Strahlung<br />
ist Ωs = 4π.<br />
Für <strong>die</strong> Planck Funktion gilt<br />
Bν(T ) = 2hν3<br />
c 2<br />
1<br />
e hν/kT − 1<br />
(4.177)<br />
Die Einheit für <strong>die</strong> spezifische Intensität ist erg cm −2 s −1 Hz −1 sterad −1 .<br />
Diese Formel enthält (neben den Fundamentalkonstanten h und c) nur eine einzige physikalische<br />
Größe: <strong>die</strong> Temperatur, ausgedrückt in Energieeinheiten kT . Der spezifische Erzeugungsmechanismus<br />
der Strahlung kommt nicht vor, <strong>die</strong> Plancksche Verteilung hat universelle Gültigkeit.<br />
Integrieren wir Glchg. (4.177) über <strong>die</strong> Frequenz ν, so erhalten wir, wenn wir Glchg. (4.176) benutzen,<br />
das Stefan-Boltzmann Gesetz<br />
u =<br />
�∞<br />
0<br />
uνdν = aT 4<br />
mit der Strahlungsenergiedichte-Konstante<br />
oder<br />
a = π2 k 4<br />
15¯h 3 c 3 = 7.56 · 10−15 erg cm −3 K −4<br />
u = g π2<br />
30 kT<br />
� �3 kT<br />
¯hc<br />
(4.178)<br />
(4.179)<br />
(4.180)<br />
wobei wir das statistische Gewicht g = 2 explizit herausgezogen haben. Dazu gilt für Photonen für<br />
Druck und Entropiedichte<br />
P = 1<br />
u + P<br />
u ; s =<br />
3 T<br />
= 3<br />
4<br />
u<br />
T<br />
(4.181)<br />
Für masselose Neutrinos gelten ähnliche Relationen.<br />
Den Gesamtstrahlungsstrom aus der Quelle heraus erhalten wir durch Integration über den Raumwinkel<br />
(über den dem Beobachter zugewandten Halbraum) zu<br />
u = aT 4<br />
; B = c<br />
c<br />
u ; Φ = u (4.182)<br />
4π 4<br />
Damit ergibt sich für <strong>die</strong> Rate der Schwarzkörper - Strahlung eines Sterns mit Radius R:<br />
L = 4πR 2 σT 4<br />
(4.183)
250 KAPITEL 4. THERMODYNAMIK: TEMPERATUR<br />
mit der Stefan-Boltzmann Konstante<br />
σ = π2 k 4<br />
60¯h 3 c 2 = 5.67 · 10−5 g s −3 K −4<br />
Wir schreiben Glchg. (4.177) in der Form<br />
Bν(T ) = 2 ν2 x<br />
kT<br />
c2 ex − 1<br />
mit x = hν<br />
kT<br />
(4.184)<br />
(4.185)<br />
Für niedrige Frequenzen (Radiobereich), hν ≪ kT , gilt dann <strong>die</strong> klassische Rayleigh-Jeans Näherung<br />
für <strong>die</strong> spezifische Intensität:<br />
Bν =<br />
2kT ν2<br />
c 2<br />
welche das Wirkungsquantum h nicht enthält. In Zahlen<br />
(4.186)<br />
Bν = 3.08 · 10 −23 T ν 2 7 erg cm −2 s −1 Hz −1 sterad −1 (4.187)<br />
Dies ist <strong>die</strong> spezifische Strahlungsintensität der Quelle. Um daraus den im Radioteleskop empfangenen<br />
spezifischen (d. h. monochromatischen) Strahlungsstrom Φν zu erhalten, muß man über den Raumwinkel,<br />
Ωs Einheit: Steradian, unter dem <strong>die</strong> Quelle von der Erde aus erscheint, integrieren:<br />
Ωs = π<br />
� �2<br />
R<br />
D<br />
und Φν = ΩsBν (4.188)<br />
Dabei ist R der Radius und D <strong>die</strong> Entfernung der Quelle. Für <strong>die</strong> Sonne in 1 AE Entfernung ist Ωs =<br />
6.8 · 10 −5 . In 1 kpc Entfernung dagegen ist der sterische Öffnungswinkel eines Sterns wie der Sonne<br />
nur noch Ωs = 1.5 · 10 −18 (R/R⊙) 2 .<br />
• DEFINITION (JANSKY)<br />
In der Radioastronomie wird der Strahlungsstrom Φν in der Einheit Jansky (oder auch flux unit, f.u.) gemessen, mit<br />
1 Jansky = 1 f.u. = 10 −23<br />
erg cm −2 s −1 Hz −1 (4.189)<br />
= 10 −26 Watt m −2 s −1 Hz −1 (4.190)<br />
Extrem starke Radioquellen, wie Cas A (3C 461), können bei ν = 1400 MHz einige Tausend f.u. haben, starke Quellen<br />
sind von der Größenordnung 100 . . . 1 Jy, Orion (M42) z. B. hat Φ1400 = 400 Jy, während <strong>die</strong> meisten Pulsare nur wenige<br />
mJy haben. Typische Flüsse im Röntgenbereich sind µJy.<br />
• BEISPIEL (DER KREBSNEBEL UND DER QUASAR 3C 273)<br />
Zwei Quellen wollen wir hier wegen ihrer besonderen Bedeutung für <strong>die</strong> <strong>Astrophysik</strong> noch einmal genauer betrachten und<br />
vergleichen.<br />
Für den Astronomen sind <strong>die</strong>se Quellen in erster Linie Eichnormale zur Bestimmung von Flussdichten. Dazu sind (neben<br />
den Sternen im optischen) der Krebsnebel und der Quasar 3C 273<br />
besonders geeignet. Hier gilt, daß beide Spektren fast parallel im Abstand<br />
zweier Zeherpotenzen in der spektralen Flussdichte verlaufen.<br />
Spektrum des Krebsnebels<br />
Der Krebsnebel ist dabei im optischen fast mit blossem Auge zu se- von bis Φν Index<br />
hen, ist also eine extrem starke Quelle. Der Pulsar im Nebel ist eben- (Hz) (Hz) Jansky n<br />
falls extrem stark (und mit einem guten UKW Empfänger zu empfangen).<br />
Die Entfernung ist nicht gut bekannt, sie beträgt etwa 2 kpc.<br />
Der Quasar 3C 273 ist dagegen nur von grossen Observatorien aus<br />
10<br />
nachzuweisen (etwa COMPTEL im Gamma Bereich oder IRAS im<br />
Infraroten). Die Entfernung ist so gut bekannt wie <strong>die</strong> Hubble Kon-<br />
7 1012 1040 · (ν/109 ) n 2 · 10<br />
−0.30<br />
13 3 · 1015 1.8 · (ν/1015 ) n −0.85<br />
1016 1019 1.2 · (ν/1018 ) n −1.15<br />
Tab. 4.3: Krebsnebelspektrum<br />
stante, sie beträgt etwa 0.9 Gpc.<br />
Das Spektrum reicht von 10 7 Hz bis 10 30 Hz, wobei <strong>die</strong> beiden Enden beim Krebsnebel vom Pulsar dominiert werden.<br />
Im Radiobereich ist der Pulsar unterhalb von 100 MHz stärker als der gesamte Krebsnebel, im Röntgenbereich beträgt <strong>die</strong><br />
gepulste Komponente etwa 10% des Nebels.
4.2. STRAHLUNG UND IHRE QUELLEN 251<br />
Wenn wir nach T auflösen, erhalten wir für <strong>die</strong> Antennentemperatur (der Index b steht für brightness)<br />
Tb = c2<br />
2kν 2 Bν mit Bν = Φν<br />
Ωs<br />
(4.191)<br />
Falls, wie bei der Sonne oder dem Orionnebel Ωs bekannt ist, kann man nach Glchg. (4.177) direkt eine Temperatur<br />
bestimmen T = T (ν). Ist <strong>die</strong>se über das gesamte Spektrum konstant, handelt es sich um echte Plancksche Schwarzkörper -<br />
Strahlung und wir haben <strong>die</strong> wahre Temperatur des Objekts bestimmt. Solche Fälle werden wir später genauer besprechen.<br />
Zunächst zwei nützliche Näherungen<br />
1. Für niedrige Frequenzen<br />
(Radio Bereich), hν ≪ k BT , können wir genauer entwickeln und erhalten für (Plancksche Strahlung)<br />
<strong>die</strong> Antennentemperatur folgende Entwicklung:<br />
Tb = c2<br />
2kν2 Bν ≈ T − hν<br />
2k<br />
� �2 T hν<br />
+ + . . .<br />
12 kT<br />
Bei Messungen fällt das konstante Glied fort, da nur Differenzen zwischen Eichtemperatur und<br />
Quelle gemessen werden. Für <strong>die</strong> Hintergrundstrahlung bedeutet <strong>die</strong>s, daß Abweichungen von<br />
der korrekten Formel und dem Näherungsausdruck nur etwa 0.03 K bei λ = 0.86 cm ausmachen.<br />
2. Für hohe Frequenzen<br />
(optischer Bereich), hν ≫ k BT , gilt das Wiensche Gesetz für <strong>die</strong> spezifische Intensität<br />
Bν = 2hν3<br />
c2 �<br />
exp − hν<br />
�<br />
kT<br />
• FORMELN (WIENSCHES VERSCHIEBUNGSGESETZ)<br />
Dimensionslos geschrieben gilt<br />
Bνdν = a f(x)dx mit x = hν<br />
kT<br />
und f(x) = 15<br />
π 4<br />
Die (auf 1 normierte) Funktion f(x) hat das Maximum bei<br />
xν = hν<br />
kT<br />
= 2.822 d. h. ν = 0.51T −1<br />
x 3<br />
e x − 1<br />
Als Funktion von λ = c/ν betrachtet, gilt für <strong>die</strong> spezifische Intensität:<br />
Bλ = 2hc2<br />
λ 5<br />
1<br />
e hc/kT λ − 1<br />
oder dimensionslos geschrieben<br />
Bλdλ = a g(y)dz mit y = z −1 = hc<br />
kT λ<br />
cm<br />
und g(y) = 15<br />
π 4<br />
y 5<br />
e y − 1<br />
(4.192)<br />
(4.193)<br />
(4.194)<br />
Die Funktion g(y) hat das Maximum bei xλ := hc/kT λ = 4.965. Für das Intensitätsmaximum von Bλ gilt dann das<br />
Wiensche Verschiebungsgesetz in der Form:<br />
λmaxT = const = 0.2898 cm K (4.195)
252 KAPITEL 4. THERMODYNAMIK: TEMPERATUR<br />
• BEISPIEL (FLUSS UND TEMPERATUR EXTREMER QUELLEN)<br />
Wir vergleichen nun einige extreme (thermische und nichtthermische) Quellen:<br />
In der Tabelle ist der Fluß fν in Jansky und <strong>die</strong> Temperatur T der Quelle in Kelvin angegeben. Die Quelle hat bei<br />
der Wellenlänge λmax ihr Leuchtkraftmaximum. Die<br />
Strahlungsart ist beim Krebs Pulsar, Nr. 0, kohärent, für<br />
<strong>die</strong> Quellen Nr. 1 bis 3 und Nr. 5 thermisch. Die restlichen<br />
sind nichtthermisch, ic. bedeutet inverse Compton<br />
Streuung.<br />
zu 1: <strong>die</strong> kosmische Hintergrundstrahlung ist isotrop,<br />
es ist f = Ω ∗ I mit Ω ∗ = π.<br />
zu2: der Öffnungswinkel vom Orionnebel beträgt etwa<br />
1 Grad (doppelt so viel wie <strong>die</strong> Sonne). Die Strahlung<br />
ist Bremsstrahlung. I beläuft sich auf 0.02L⊙η10 bei<br />
10 GHz (ην ist <strong>die</strong> Emission pro Steradian). ISO hat<br />
ein Spektrum über den Bereich von 2.4 bis 44.5 m von<br />
Orion Peak 1, dem hellsten <strong>Teil</strong> der OMC-1 Wolke, gewonnen<br />
mit mehr als 60 H2 Linien, inklusive reine Rotationslinien,<br />
<strong>die</strong> einen Temperaturbereich von 510 bis<br />
43000 K aufspannen. Abschätzungen ergeben für <strong>die</strong><br />
Fluß und Temperatur extremer Quellen<br />
Nr Name Str. Maximum T fν Str.<br />
bei λmax K Jy Art<br />
0 Krebs PSR 3 m 10 30 10 4 koh.<br />
1 Kosmos 1 mm 3 10 5 th.<br />
2 Orion 0.1 mm 50 400 th.<br />
3 Wega 310 nm 9400 3560 th.<br />
4 Krebsnebel 500 nm 10 6 4 nth.<br />
5 Sco X-1 2 ˚A 1.5·10 8 0.02 th.<br />
6 3C 273 10 f 10 12 10 −14 ic.<br />
Tab. 4.4: Extreme Quellen<br />
gesamte warme, schockangeregte H2-Masse und H2-Leuchtkraft von etwa 1M⊙ und 120L⊙.<br />
zu 3: Wega ist Eichstern zur Klasse A0V. Der angegebene Fluß bezieht sich auf <strong>die</strong> Eichentfernung 10 pc und den Spektralbereich<br />
V = visible.<br />
zu 4: Die Strahlung des Krebsnebels ist nicht thermisch, <strong>die</strong> Temperatur hat nur formale Bedeutung: kT = hνmax.<br />
zu 5: Sco X-1 ist <strong>die</strong> hellste Dauerquelle, was <strong>die</strong> scheinbare Helligkeit betrifft, im Röntgenbereich. Sco X-1 ist ein akkretierendes<br />
Doppelsternsystem vom Typ LMXB. Diese ’Low mass X-ray binary’ Quellen haben rote Überriesen (Zwergstern)<br />
als Begleiter und sind ungepulst, kommen oft als Burster vor oder zeigen QPOs = ’Quasi-periodische Oszillationen’, d.<br />
h. eine Modulation ihrer Röntgen Leuchtkraft. Der Neutronenstern Sco X-1 hat eine Umlaufperiode Torb = 0.787 d. Die<br />
Röntgen Leuchtkraft erreicht fast LX = 10 4 L⊙ und liegt damit um 0.4 dex unter der Eddingtonschen Grenzleuchtkraft.<br />
zu 6: Der Quasar 3C 273 hat sein Maximum im Gamma Bereich bei ɛ = 1 MeV (entspr. λ = 10 f). Beim Krebs Pulsar, Nr.<br />
0, ist <strong>die</strong>se vollständig gepulst.<br />
Ionisation und Saha Gleichung<br />
Wir gehen aus von der Verteilungsfunktion im Phasenraum f(x, p) mit dem 6-dim Volumelement<br />
dΓ = d3 xd 3 p<br />
h 3 ; dN = fdΓ (4.196)<br />
für nicht wechselwirkende Fermionen (+) bzw. Bosonen (−) mit Impuls p:<br />
f(p) =<br />
1<br />
e βɛ(p)−α ± 1<br />
(4.197)<br />
Mit den thermodynamischen Integrationskonstanten β und α (bzw. µ), welche folgende Bedeutung<br />
haben:<br />
α = µ<br />
kT<br />
= βµ (4.198)<br />
wobei µ das chemische Potential ist. Für N <strong>Teil</strong>chen im Volumen V = � d3x gelten folgende thermodynamische<br />
Beziehungen für Gesamtenergie U und Druck P<br />
N = g<br />
�<br />
V f(p)d<br />
h3 3 p (4.199)<br />
U = g<br />
�<br />
V E(p)f(p)d<br />
h3 3 p (4.200)<br />
P = gc2<br />
3h 3<br />
�<br />
p 2<br />
E(p) f(p)d3 p (4.201)
4.2. STRAHLUNG UND IHRE QUELLEN 253<br />
Verteilungsfunktion und Spektrum E(p) bestimmen vollständig <strong>die</strong> thermodynamischen Potentiale.<br />
Die (exakte) Energie - Impuls Relation für freie <strong>Teil</strong>chen der Ruhmasse m lautet:<br />
�<br />
E = c p2 + m2c2 (4.202)<br />
Der Energienullpunkt ist dann eindeutig festgelegt, <strong>die</strong> Ruhmasse m enthält <strong>die</strong> Bindungsenergie (des<br />
Atoms oder Moleküls). Gewöhnlich spaltet man in der nichtrelativistischen Physik <strong>die</strong> Ruhmassen -<br />
Energie mc 2 ab und erhält in niedrigster Ordnung:<br />
E − mc 2 ≈ 1<br />
2m p2<br />
(4.203)<br />
Der Energienullpunkt muß dann (willkürlich) festgelegt werden.<br />
Für verschiedene <strong>Teil</strong>chen der Sorte i gilt dann folgender Zusammenhang zwischen <strong>Teil</strong>chenzahldichte<br />
ni = Ni/V , Ruhmasse mi, Energie Ei, statistischem Gewicht gi, und chemischem Potential µi:<br />
ni = gi<br />
2π 2<br />
� �3 �∞<br />
kT z<br />
¯hc<br />
0<br />
2dz e−β(Ei−µi) mit z =<br />
± 1 pc<br />
kT<br />
Die Dispersionsrelation für <strong>Teil</strong>chen (der Sorte i) lautet<br />
�<br />
Ei = c p2 i + m2 i c2 Entsprechend gilt für <strong>die</strong> Energiedichte inklusive Ruhmasse<br />
ɛi = ρic 2 = gi<br />
2π 2<br />
� �3 kT<br />
�∞<br />
Ez<br />
¯hc<br />
0<br />
2dz e−β(Ei−µi) ± 1<br />
Für eine Reaktion zwischen Partnern im thermodynamischen Gleichgewicht<br />
i + j ←→ k + l gilt µi + µj = µk + µl (4.204)<br />
oder allgemeiner, indiziert mit i für initial und mit f für final, <strong>die</strong> Saha Gleichung<br />
�<br />
i=ini<br />
µi = �<br />
f=fin<br />
µf<br />
(4.205)<br />
Anstelle der Variablen z = pc<br />
E<br />
ist es günstiger zur Berechnung der Integrale <strong>die</strong> Variable w = kT kT zu<br />
benutzen.<br />
n = g<br />
2π2 � �3 �∞<br />
√<br />
kT w2 − m2 ¯hc e<br />
m<br />
−β(w−µ) ɛ =<br />
wdw<br />
± 1<br />
(4.206)<br />
g<br />
2π2 � �3 �∞<br />
√<br />
kT w2 − m2 ¯hc e<br />
m<br />
−β(w−µ) ± 1 w2 P =<br />
dw (4.207)<br />
g<br />
6π2 � � �√ �<br />
3 �∞<br />
3<br />
kT w2 − m2 ¯hc e<br />
m<br />
−β(w−µ) s =<br />
dw<br />
± 1<br />
−αn + βµ ±<br />
(4.208)<br />
g<br />
2π2 � �3 �∞<br />
kT<br />
log(1 ± e<br />
¯hc<br />
−β(w−µ) ) √ w2 − m2 wdw (4.209)<br />
m<br />
Eine nützliche Relation zwischen <strong>die</strong>sen Größen ist <strong>die</strong> Gibbs Duhem Relation, <strong>die</strong> benutzt werden<br />
kann, um <strong>die</strong> Entropiedichte s zu berechnen, falls <strong>die</strong> anderen Größen bekannt sind:<br />
ɛ + P = T s + µn (4.210)
254 KAPITEL 4. THERMODYNAMIK: TEMPERATUR<br />
Die Auswertung ist in Grenzfällen geschlossen analytisch möglich. Die Boltzmann Formel eines klassischen,<br />
nichtrelativistischen Gases erhält man für α ≪ −1. Dann kann man den Summanden ±1 im<br />
Nenner vernachlässigen, <strong>die</strong> Integrale sind elementar und liefern für <strong>Teil</strong>chen der Spezies i<br />
µi − mic 2<br />
kT<br />
= ln<br />
⎡<br />
⎣ ni<br />
�<br />
gi<br />
h 2<br />
2πmikT<br />
� 3/2 ⎤<br />
Die Saha Gleichung folgt daraus, wenn wir für <strong>die</strong> Reaktionsenergie<br />
Q = �<br />
f=fin<br />
mfc 2 − �<br />
i=ini<br />
den Massendefekt Q definieren.<br />
mic 2<br />
⎦ (4.211)<br />
(4.212)<br />
• BEISPIEL (DISSOZIATION EINES ATOMKERNS)<br />
Das liefert z. B. für <strong>die</strong> vollständige Zerlegung eines Atomkerns mit A Nukleonen in Z Protonen und A − Z Neutronen:<br />
Zp + (A − Z)n ←→ (Z, A) mit Q = Zmpc 2 + (A − Z)mnc 2 − MAc 2<br />
für das Reaktionsgleichgewicht (gA ist das statistische Gewicht des Kerns, gp = gn = 2):<br />
nA = gA<br />
2A nZp n A−Z<br />
�<br />
n<br />
h 2<br />
2πmukT<br />
�3A/2<br />
e Q/kT<br />
(4.213)<br />
Wir betrachten hier des weiteren nur noch den Fall der Photoionisation (bound–free) und Rekombination<br />
(free–bound) von H.<br />
Ion + Elektron ←→ H-Atom + Photon<br />
Im Folgenden beziehen sich <strong>die</strong> Indizes auf e: Elektron, p: Proton und H: neutrales H-Atom und I ist<br />
das Ionisationspotential. Die Bedingung für das chemische Potential lautet, da für Photonen µγ = 0<br />
ist:<br />
µe + µp − µ H = 0 (4.214)<br />
was auf <strong>die</strong> Saha Gleichung führt:<br />
nenp<br />
n H<br />
= gegp<br />
g H<br />
� 2πmekT<br />
h 2<br />
� 3/2 �mp<br />
m H<br />
� 3/2<br />
e −I/kT<br />
(4.215)<br />
wobei I = (me+mp−m H)c 2 ist (Massendefekt), ge ist das statistische Gewicht der Elektronen; ge = 2.<br />
Wir betonen, daß ne kein freier Parameter ist, sondern aus dem thermodynamischen Gleichgewicht<br />
erschlossen werden muss; <strong>die</strong> freie wählbaren Parameter sind <strong>die</strong> Temperatur T und <strong>die</strong> Baryonenzahl<br />
Nbar = Np + N H (im Volumen V ) oder, dimensionslos, das Verhältnis von Baryonenzahl zu Photonenzahl<br />
und <strong>die</strong> Temperatur in Einheiten von I.<br />
• BEISPIEL (REKOMBINATION VON H IM FRÜHEN UNIVERSUM)<br />
Als konkrete Anwendung betrachten wir H im frühen Universum. Wir beziehen den Ionisationsgrad auf <strong>die</strong> (bei der Ionisation<br />
erhaltene) Anzahl der Atomkerne (Baryonenzahl):<br />
α = Ne<br />
Nbar<br />
(4.216)<br />
Die hohe spezifische Entropie des Universums von etwa 10 8 Photonen auf 1 Baryon besagt, daß zur Zeit der Rekombination<br />
wenige Elektronen und viele Photonen vorhanden waren. Da hohe Temperaturen vorlagen, herrschte thermodynamisches
4.2. STRAHLUNG UND IHRE QUELLEN 255<br />
Gleichgewicht mit grossem statistischen Faktor für <strong>die</strong> Elektronen. Ersetzen wir Baryonenzahldichte nbar durch <strong>die</strong> Photonenzahldichte,<br />
nbar = ηnph<br />
so erhalten wir für den Ionisationsgrad α<br />
1 − α<br />
α 2<br />
= 4√2ζ(3) √ η<br />
π<br />
� mec 2<br />
kT<br />
�3/2<br />
e I/kT<br />
(4.217)<br />
(4.218)<br />
Numerisch liefert das mit η = 3 · 10 −8 für α = 0.1 (d. h. 90% rekombiniert) eine Temperatur von T = 3575 K und wir<br />
sehen, daß <strong>die</strong> Rekombination bei kT = 0.308 eV statt bei 13.6 eV abläuft.<br />
• BEISPIEL (IONISATIONSGRAD DER PHOTOSPHÄRE DER SONNE)<br />
Für <strong>die</strong> Photosphäre der Sonne haben wir andere Verhältnisse. Mit etwa n H = 10 17 cm −3 und nph = 4 · 10 12 in der<br />
Photosphäre ist η = 3 · 10 5 , was einen Ionisationsgrad von α ≈ 10 −4 liefert.<br />
Beispiele für <strong>die</strong> Leuchtkraft von Quellen<br />
• ZUSATZ (NATÜRLICHE EINHEITEN FÜR DIE LEUCHTKRAFT ASTRONOMISCHER OBJEKTE)<br />
Eine natürliche Einheit für <strong>die</strong> Leuchtkraft eines Sterns ist <strong>die</strong> Eddingtonsche Grenzleuchtkraft<br />
LEdd = 4πGmHMc<br />
σT h<br />
= 10 4.5<br />
� �<br />
M<br />
L⊙ = 1.3 · 10<br />
M⊙<br />
38<br />
� �<br />
M<br />
mH erg s<br />
M⊙<br />
−1 (4.219)<br />
wenn man <strong>die</strong> typische Masse bereits kennt. Die Leuchtkraft der Sonne beträgt dagegen nur L⊙ = 3.9 · 10 33 erg s −1 . Da<br />
<strong>die</strong> meisten Sterne einer Galaxie denen der Sonne ähnlich sind, ist es üblich, <strong>die</strong> Leuchtkraft der Sonne auch als Einheit für<br />
Galaxien und Quasare zu benutzen.<br />
Die Obergrenzen für <strong>die</strong> Leuchtkraft von Quasaren und Galaxien sind immer noch zeitabhängig. Sie wachsen mit dem<br />
Fortschritt der Technik. Neue Quellen mit immer größerer Rotverschiebung z werden dabei nicht stetig entdeckt bzw.<br />
identifizert, sondern in Schüben (Inbetriebnahme eines neuen Teleskops oder Spektrometers).<br />
Seit 1991 wurde kein Quasar mit größerer Rotverschiebung als der von PC1247+3406 mit z = 4.897 gefunden. Ein<br />
Quasar an der Obergrenze von 1995 ist GB1508+5714 mit z = 4.30, einige Galaxien im Hubble deep field könnten z > 5<br />
erfüllen, sicher ist das nicht. Dabei ist bemerkenswert, daß das Maximum der Leuchtkraft bei Quasaren im Röntgen oder<br />
Gammabereich liegt. Bei weit entfernten Quellen kann eine Gravitationslinse <strong>die</strong> wahre Leuchtkraft verfälschen.<br />
Zu allen Frequenzen gibt es Quellen, manche davon können sogar über das gesamte Frequenzspektrum<br />
nachgewiesen werden. Zu letzteren gehören (neben der Sonne) Quasare (extragalaktisch) und Pulsare<br />
(galaktisch). Das Umgekehrte gibt es auch: Objekte, <strong>die</strong> nur in einem Frequenzbereich strahlen: IR<br />
Quellen und Gamma Bursts. Letztere sogar nur für extrem kurze Zeit.<br />
Wir beginnen mit einer Einteilung der Quellen, geordnet nach Frequenz und damit nach Detektor. Für<br />
schnell variable Quellen (wie <strong>die</strong> Gamma Bursts) gibt es noch <strong>die</strong> Multi Frequenz Instrumente wie<br />
BeppoSAX, RXTE und ROTSE. Diese haben wir bereits vorgestellt.<br />
• ZUSATZ (MULTI FREQUENZ INSTRUMENTE)<br />
BeppoSAX: Der ’Beppo Satellite di Astronomia X’ ist ein ital. Holl. Röntgen Satellit, benannt nach Guiseppe (Beppo)<br />
Occhialini, dem Entdecker des Positrons (in der kosmischen Strahlung).<br />
Bereich: Röntgen [0.1 keV . . . 300 keV]. Auflösung 5’. Start 30.401996.<br />
RXTE: Rossi X-ray Timing Explorer. Amerik. Röntgen Satellit. Start 30.12.1995.<br />
Bereich: Röntgen [2 keV . . . 200 keV].<br />
ROTSE: Robotic Optical Transient Search Experiment. Vier zusammengeschaltete opt. Teleskope mit CCD, <strong>die</strong> innerhalb<br />
3 Sekunden jeden Punkt am Himmel erreichen können.<br />
Grenzhelligkeit 15 Magnituden.<br />
Mithilfe <strong>die</strong>ser Multi Frequenz Instrumente hat man bei einigen, aber nicht bei allen, Gamma Bursts ein Nachglühen<br />
festgestellt. Danach ist an der Stelle des Bursts nichts mehr zu sehen, mV > 27, (evidence of absence).
256 KAPITEL 4. THERMODYNAMIK: TEMPERATUR<br />
Observatorien und Teleskope geordnet nach Frequenz<br />
Frequenzbereich Detektor Beispiel Wellenbereich<br />
Radio Radioteleskop VLA [m . . . mm]<br />
Infrarot Infrared Astr. Satellite IRAS [100 µm . . . 1 µm]<br />
optisch und UV Hubble Space Teleskop HST [4000 ˚A . . . 7000 ˚A]<br />
Röntgen Röntgen Satellit ROSAT [0.1 keV . . . 10 keV]<br />
γ Compton Teleskop COMPTEL [0.1 MeV . . . 10 MeV]<br />
Tab. 4.5: Teleskope geordnet nach Frequenz<br />
Dazu kommen noch <strong>die</strong> Observatorien für <strong>die</strong> Hochenergiekomponenten.<br />
• ZUSATZ (DIE PHOTONENKOMPONENTE DER KOSMISCHEN STRAHLUNG: VHE UND UHE PHOTONEN)<br />
Die dritte Komponente der kosmischen Strahlung (neben Baryonen und Leptonen) sind <strong>die</strong> Photonen jenseits von 1 TeV,<br />
mit einer Energiedichte von dex(−3) = ein Promille der Gesamtstrahlung.<br />
Der Nachweis von VHE Photonen unterscheidet im Prinzip sich nicht von dem anderer kosmischer <strong>Teil</strong>chen. Photonen<br />
verhalten sich bei sehr hohen Energien wie <strong>Teil</strong>chen. Bestimmt<br />
werden der Fluß der Sekundärteilchen und <strong>die</strong> Ausdehnung (<strong>die</strong> Fläche)<br />
eines Luftschauers. Auf das Problem, herauszufinden, welcher Art das<br />
Primärteilchen war, gehen wir hier nicht ein.<br />
Einige bekannte Observatorien für so hohe Energien sind in der nebenstehenden<br />
Tabelle aufgeführt. Typische Werte sind<br />
1 [Schauer m −2 sr −1 yr −1 ].<br />
Der Nachweis geht über <strong>die</strong> Müonen (oder Cerenkovstrahlung), in den<br />
Elektronen steckt der Hauptteil der Energie. Die Sekundärteilchen haben<br />
bei Ankunft auf dem Erdboden eine Energie von 1 GeV. Daraus läßt sich<br />
<strong>die</strong> Primärenergie bestimmen. Das Schauer Maximum wird erreicht beim<br />
Durchdringen einer Säulendichte von 520 g cm −2 , danach nimmt <strong>die</strong> An-<br />
Observatorien von VHE Photonen<br />
Name Land Fläche h<br />
km 2 m<br />
Volcano Ranch USA 8 km 2 1800<br />
Haverah Park UK 11 km 2 0<br />
Chacaltaya IND 30 km 2 5200<br />
Sydney Array AUS 34 km 2 0<br />
Tab. 4.6: VHE Photonen<br />
zahl der Sekundärteilchen wieder ab. Es ist demnach günsig, <strong>die</strong>se Observatorien auf hohen Bergen zu plazieren.<br />
Die höchsten UHE Energien reichen (beim Krebs Pulsar) bis 10 16 eV. Ein solches Photon erzeugt einige 10 6 Sekundärteilchen.<br />
Wir wollen zunächst einige typische Größenordnungen für <strong>die</strong> Leuchtkraft L von Galaxien und Quasaren<br />
betrachten. Als natürliche Einheit benutzen wir vorläufig <strong>die</strong> Leuchtkraft der Sonne, L⊙ = 3.9·1033 erg s−1 . .<br />
Zur Erinnerung:<br />
Die Leuchtkraft der Milchstrasse beträgt etwa<br />
LMW G = 2.5 · 10 10L⊙ = 1044 erg s−1 .<br />
Bei den Radio Galaxien ist beim ersten Eintrag <strong>die</strong> Strahlung<br />
des Kerns gemeint, nimmt man <strong>die</strong> Ausflüsse (<strong>die</strong><br />
Ohren) mit dazu, dann ergibt sich <strong>die</strong> zweite Angabe. Bei<br />
Quasaren beträgt also im Radio Bereich <strong>die</strong> Strahlung aus<br />
dem Kern 106L⊙, aus den Ohren bis zu 1011 Leuchtkraft Vergleich geordnet nach Frequenz<br />
Bereich Quasare [L⊙] Galaxien [L⊙]<br />
Radio (10<br />
L⊙ und mehr.<br />
6 . . . 1011 ) (1 . . . 104 )<br />
IR bis 1013 bis 1013 optisch bis 1014 (1010 . . . 1011 )<br />
Röntgen bis 10 15 (10 8 . . . 10 9 )<br />
• FORMELN (TEMPERATUR)<br />
Tab. 4.7: Leuchtkraft Vergleich<br />
Ein einfaches Rezept zur Bestimmung der Temperatur eines Gases oder Plasmas ist <strong>die</strong> Umrechnung mithilfe des Energiesatzes<br />
E = hν = kBT = Q (4.220)<br />
Die Einheit von erg ist cm 2 g s −2 , ferner ist<br />
h = 6.62619 · 10 −27 erg das Plancksche Wirkungsquantum
4.2. STRAHLUNG UND IHRE QUELLEN 257<br />
kB = 1.38054 · 10 −16 erg K −1 <strong>die</strong> Boltzmann Konstante<br />
ν <strong>die</strong> Frequenz der Strahlung, E <strong>die</strong> Energie des Photons<br />
T <strong>die</strong> Temperatur in Kelvin,<br />
Q ≈ mv 2 <strong>die</strong> thermische (kin.) Energie der <strong>Teil</strong>chen.<br />
Es ist in der Atomphysik üblich, <strong>die</strong> Energie in eV anzugeben, <strong>die</strong> typischen Bindungsenergien der<br />
Elektronen im Atom sind von <strong>die</strong>ser Größenordnung. Im folgenden bedeuten: λ: Wellenlänge in cm;<br />
w: Wellenzahl in cm −1 ; ν Frequenz in Hz und T : Temperatur in Grad Kelvin.<br />
Mit der Definitionsformel<br />
E = hν = hcw = hc<br />
λ = k BT und<br />
h<br />
k B<br />
= 4.8 · 10 −11<br />
geben wir eine Tabelle zur Energie Umrechnung (c = 3 · 10 10 ) auf Atom Einheiten.<br />
Atom Einheiten<br />
w [cm −1 ] λ [cm] ν [Hz] ɛ [eV] T [K]<br />
λ [cm] 1 1 c 1.24·10 −4 0.66<br />
ν [Hz] c −1 c 1 4.5·10 −15 2.2·10 −11<br />
ɛ [eV] 8067 1.29·10 −4 2.41·10 14 1 11605<br />
T [K] 0.66 1.5 2·10 10 8.1·10 −5 1<br />
Die Gleichung kann auch von rechts nach links gelesen werden: Ladungen der (thermischen) Energie<br />
Q erzeugen (thermische) Strahlung der Frequenz ν.<br />
Tab. 4.8: Atom Einheiten<br />
Neben der Frequenz ist noch <strong>die</strong> Intensität I der Strahlung wesentlich. Hier macht <strong>die</strong> Thermodynamik<br />
eine wichtige Aussage über Spektrum Iν und Amplitude I = I(T ): kein Körper (im thermischen<br />
Gleichgewicht) kann mehr abstrahlen als ein schwarzer Körper.<br />
Wir kommen zurück auf <strong>die</strong> oben gestellte Frage, was an Strahlung beim Beobachter (außerhalb der<br />
Erdatmosphäre) ankommt, nachdem wir verstehen, wie Photonen mit der interstellaren Materie wechselwirken.<br />
Wir setzen den atomaren Aspekt als bekannt voraus und betrachten im folgenden den astrophysikalisch<br />
- phänomenologischen: also <strong>die</strong> Bestimmung von Säulendichte und Emissionsmaß.<br />
Säulendichte<br />
Die Säulendichte der Erdatmosphäre beträgt insgesamt (N2 und O2)<br />
N⊕ = 2 · 10 25<br />
cm −2<br />
Bis zum Zentrum der Galaxis gilt (für H und H2)<br />
NGal ≈ 10 23<br />
cm −2<br />
Für eine Molekülwolke gilt (für H und H2)<br />
NW olke ≈ 10 21 . . . 10 22<br />
Emissionsmass<br />
cm −2<br />
Das Emissionsmaß geht z. B. ein in <strong>die</strong> Leuchtkraft der Bremsstrahlung und <strong>die</strong> der Rekombination.<br />
Es wird oft mit EM bezeichnet.
258 KAPITEL 4. THERMODYNAMIK: TEMPERATUR<br />
4.2.6 Nichtthermische Strahlung<br />
Unsere Galaxis<br />
Die Leuchtkräfte der Maser Quellen reichen von L = 3·10 −10 L⊙ bis zu L = 10L⊙ (bei Mega MaserN)<br />
in unserer Galaxis.<br />
Galaktische (Molekül) Maser Quellen kann man mit VLBI (’very long baseline interferometry’) noch<br />
auflösen: <strong>die</strong> Winkeldurchmesser der Quellen betragen 0. ′′ 1 bis herab zu 0. ′′ 0001, was bei Flüssen von<br />
eingen 10 4 Jy Strahlungstemperaturen von bis zu 10 15 K ergibt.<br />
Molekül-Maser<br />
Quelle D Φν d Molekül λ<br />
kpc Jy AE cm<br />
Orion A 0.5 1 · 10 4 1 H2O 1.35<br />
W3 3.1 3 · 10 3 10 OH 18<br />
D Entfernung; Φν maximaler Fluss; d Durchmesser der Quelle. Die genauen Frequenzen für OH sind<br />
ν = 1665.40 und 1667.36 MHz.<br />
Zur Erinnerung: 1 ′′ in einer Entfernung von 1 pc entspricht 1 AE.<br />
Andere Galaxien<br />
Extragalaktische Maser Quellen sind (abhängig von der Galaxie) wesentlich stärker.<br />
Die stärkste OH Quelle ist in kosmologischer Entfernung, z = 0.129, im IRAS Katalog mit den Koordinaten<br />
IRAS20100-4156. Sie hat (unter der Annahme isotroper Strahlung) eine Leuchtkraft von<br />
L = 10 4 L⊙.<br />
Die stärkste H2O Quelle ist in kosmologischer Entfernung, z = 0.025, im IRAS Katalog mit den<br />
Koordinaten IRAS22265-1826. Sie hat (unter der Annahme isotroper Strahlung) eine Leuchtkraft von<br />
L = 6 · 10 3 L⊙.
4.3. DIE THERMODYNAMIK DES KOSMOS 259<br />
4.3 Die Thermodynamik des Kosmos<br />
4.3.1 Die Temperatur des Kosmos<br />
Wir betrachten im folgenden ein Volumen V , welches so groß ist, daß es an der kosmologischen Expansion<br />
ungestört teilnimmt, aber so klein, daß geometrische Krümmungseffekte vernachläßigt werden<br />
können. Der Raum ist dann lokal Euklidisch und es gilt V (t) = 4π<br />
3 R3 (t).<br />
Sieht man einmal von Spekulationen über den sehr frühen Kosmos ab, so verläuft <strong>die</strong> Expansion des<br />
Kosmos adiabatisch ab,<br />
S = 4<br />
3 aBT 3 (t)V (t) = const<br />
Für <strong>die</strong> Temperatur der Hintergrundstrahlung gilt dann (Tolman, 1931)<br />
Ro<br />
T = To<br />
R = To(1 + z) (4.221)<br />
Die Energie der Photonen wächst analog und <strong>die</strong> Mittelwerte sind<br />
< Eγ > ≈ 2.701 kT ; < Sγ > ≈ 3.602 k (4.222)<br />
Das liefert, wie wir jetzt zeigen wollen, ein ideales Thermometer auch für <strong>die</strong> Temperatur der Materie.<br />
4.3.2 Der Kosmos heute<br />
Entfernung D und Alter A = to (ab heute zurückgerechnet) von Quellen im Kosmos, deren Rotverschiebung<br />
z nicht zu groß ist, z ≪ 1, ist gegeben durch <strong>die</strong> lineare Hubble Relation<br />
D = z c<br />
H<br />
und A = z 1<br />
Ho<br />
mit Ho = Ro<br />
˙Ro<br />
Mit den üblichen Einheiten liefert das für den Entfernungsmodul<br />
c<br />
H = 6(2h)−1 Gpc = 1.85 · 10 28 (2h) −1<br />
Dabei ist D = 6z(2h) −1 also in Gpc zu nehmen.<br />
(4.223)<br />
cm (4.224)<br />
• FORMELN<br />
Für <strong>die</strong> Angabe des Alters (ab Urknall) Auniv benötigt man das kosmologische Modell und es gilt:<br />
Auniv = f<br />
≈ f 10<br />
Ho<br />
10 h −1<br />
y<br />
mit f = 2/3 für den materie-dominierten, Euklidischen Kosmos und f = 1 für den nahezu leeren Kosmos.<br />
• BEISPIEL (LEUCHTKRAFTBESTIMMUNG)<br />
Für <strong>die</strong> <strong>die</strong> oben besprochenen Maser Quellen wurde seitens der Autoren 2h = 1.5 gewählt. Das liefert für Entfernung und<br />
Leuchtkraft<br />
<strong>die</strong> in der Tabelle angegeben Werte.<br />
Daten zu extragalaktischen Maser Quellen<br />
Nr IRAS D z<br />
Quelle Mpc z<br />
1. 22265 − 1826 100 0.025<br />
2. 20100 − 4156 500 0.129<br />
3. 10214 + 4724 4000 2.286
260 KAPITEL 4. THERMODYNAMIK: TEMPERATUR<br />
Die Expansion des Kosmos verläuft praktisch adiabatisch: das wenige an Strahlung, was Sterne und<br />
Wolken intergalaktisch als Beitrag zusätzlich zur Hintergrundstrahlung liefern, ist so gering, daß Abweichungen<br />
von der Isotropie höchstens 10 −5 ausmachen, wie <strong>die</strong> Messungen von COBE gezeigt haben.<br />
Da <strong>die</strong> Entropie S im mitbewegten Volumen konstant ist, gilt allgemeiner (Tolman, 1931) für<br />
Größen zum Zeitpunkt der Emission (Index e) und der Observation (Index o)<br />
Te<br />
To<br />
= Ro<br />
Re<br />
= 1 + z = λo<br />
λe<br />
= ωe<br />
ωo<br />
und der Schwarzkörper-Charakter der Verteilungsfunktion, <strong>die</strong> ja nur <strong>die</strong> dimensionslose Variable<br />
x = ¯hω<br />
kT<br />
(4.225)<br />
(4.226)<br />
enthält, bleibt erhalten.<br />
Die Energiedichte der Strahlung wächst dagegen mit wachsendem z (ebenso wie <strong>die</strong> Energie des einzelnen<br />
Photons): <strong>die</strong> Zahl der Photonen Nγ ∝ S/k ∝ T 3 R 3 im Volumen V ist erhalten, <strong>die</strong> Energie<br />
Eγ ∝ NγkT wächst demnach ebenfalls wie 1 + z.<br />
4.3.3 Der frühe Kosmos<br />
Was heute in der Dynamik des Universums völlig vernachläßigbar ist, nämlich der Beitrag der Photonenenergie<br />
zur Massendichte des Universums,<br />
˜θm = Eγ<br />
c 2 mpNp<br />
∝ 0.9 · 10 −4 (1 + z)[(2h) −2 Ω −1 ] (4.227)<br />
dominiert bei konstante Entropie S das Universum ab etwa z > 10 4 . Dadurch wird <strong>die</strong> Physik zunehmend<br />
einfacher: je höher <strong>die</strong> Temperatur, umso unwichtiger werden einzelne Wechselwirkungen; alle<br />
sind irgendwann ’stark’ und das Universum ist undurchsichtig.<br />
Nur noch der Entropiesatz wird benötgt, um <strong>die</strong> Zusammensetzung der Materie des frühen Universums<br />
zu bestimmen. Wir haben das ideale Hochenergielabor vor uns.<br />
4.3.4 Primordiale Elemente<br />
Seit von Wagoner, Fowler und Hoyle erstmals (1967) das kosmogonische Verhältnis von H zu He<br />
(Massenverhältnis 4:1) bestimmt wurde, ist einige Zeit vergangen. Die damaligen Beobachtungen an<br />
alten Sternen stimmten mit der Vorhersage überein und wurden damit als ein direkter Beweis für den<br />
heißen Urknall, s = nγ/nb ≈ 10 9 und T ≈ 3K allgemein anerkannt.<br />
Die numerischen Rechnungen basieren mittlerweile auf verbesserten Streuquerschnitten und liefern<br />
heute<br />
Y4 = 0.230 + 0.025(10 + log η) + (0.0075)(g∗ − 10.75)<br />
+0.014[τ1/2(n) − 636] + 0.015(Nν − 3) (4.228)<br />
wobei τ1/2(n) <strong>die</strong> Halbwertszeit des Neutrons in Sekunden (aktueller Wert etwa τ1/2(n) = 621 s oder<br />
10.35 min) und Nν <strong>die</strong> Anzahl der verschiedenen Neutrinosorten ist (aktueller Wert Nν = 3). Für <strong>die</strong><br />
hier betrachteten Temperaturen ist ferner g∗ = 10.75.<br />
Einem Massenanteil von Y4 = 0.23 entspricht ein Zahlanteil von X4 = 0.075.<br />
Mittlerweile sind auch <strong>die</strong> Beobachtungen sehr viel genauer. Ein Problem, das von Anfang an erkannt<br />
wurde, bleibt ungelöst: Sterne, <strong>die</strong> keine Metalle enthalten (sog. Population III Sterne), hat man nicht<br />
entdecken können, selbst <strong>die</strong> ältesten Sterne in Kugelsternhaufen enthalten noch Metalle wie C, N, O
4.3. DIE THERMODYNAMIK DES KOSMOS 261<br />
und sogar Eisen, Fe. Dabei variieren <strong>die</strong> Häufigkeiten sowohl im einzelnen Kugelsternhaufen als auch<br />
von Haufen zu Haufen.<br />
Neben kosmologischem Lithium, Li, wurde (mit vergleichbarer Häufigkeit) auch Bor, B, gefunden.<br />
Das kann man erklären, (Fowler), falls man inhomogene Urknall Modelle betrachtet.<br />
• ZUSATZ (BILDUNG VON C IM FRÜHEN KOSMOS)<br />
Hier sind zunächst <strong>die</strong> Quarks inhomogen verteilt (auf einer Skala von etwa 1 bis 10 Meter), wenn sich Protonen und<br />
Neutronen in einem Phasenübergang erster Ordnung bilden. Diese verhalten sich anschließend beide unterschiedlich:<br />
Protonen diffun<strong>die</strong>ren schwerer, da sie geladen sind. In ursprünglichen Verdichtungen (Entropieschwahnkungen) bleiben<br />
<strong>die</strong> Protonen zurück, <strong>die</strong> Neutronen diffun<strong>die</strong>ren in <strong>die</strong> Umgebung.<br />
Ab 7 Li verläuft <strong>die</strong> Fusion dann anders als im Standardmodell, nämlich bis 12 C und ohne <strong>die</strong> Triple−α Reaktion:<br />
7 Li (n, γ) 8 Li (α, n) 11 B (n, γ) 12 B (e + , ν) 12 C (4.229)<br />
Hierbei ensteht auch das häufigste Bor Isotop, 11 B. Auch Atome mit höherer Ladung enstehen, insgesamt etwa (ein Massenanteil<br />
von) 10 −3 .<br />
Helium<br />
Die Häufigkeit von 4 He in der Ur-Sonne wird allgemein zu Y⊙( 4 He) = 0.28 in numerischen Entwicklungs<br />
Rechnungen angenommen. Das liefert gute Übereinstimmung mit der Leuchtkraft heute.<br />
Die Häufigkeit von 3 He in der Ur-Sonne kann aus Meteoriten bestimmt werden.<br />
X( 3 He) = 2 · 10 −5<br />
(4.230)<br />
Etwa am Rand des Sonnensystems vorhandenes 3 He, welches von solarem (im Sonnenwind) unterschieden<br />
werden kann, muß aus dem interstellaren Raum (aus der lokalen interstellaren Wolke) zugeweht<br />
worden sein. Dieses wurde zunächst spektroskopisch (von der Erde aus) nachgewiesen, 1995 von<br />
dem Raumschiff Ulysses aufgesammelt und analysiert. Beide Bestimmungen ergeben übereinstimmende<br />
Werte.<br />
X( 3 He) = 1 · 10 −4<br />
(4.231)<br />
Diesen extrem lokalen Wert kann man vergleichen mit den ältesten Sternen in unserer näheren Umgebung:<br />
in Kugelsternhaufen und Zwerggalaxien (z. B. SMC). Man findet<br />
Y4 = 0.236<br />
Z ≥ 10 −3<br />
(4.232)<br />
an hellen Sternen am Rand.<br />
Mittlerweile kann man auch <strong>die</strong> Lyman−α Linien von HeI (λ = 1215 ˚A) und HeII (λ = 304 ˚A) in<br />
Quasar Spektren nachweisen.<br />
Deuterium<br />
Deuterium kommt bei einem Stern wie der Sonne dagegen nicht vor, es wird in der Protostern Phase<br />
aufgebraucht und in 3 He verwandelt. Die Summe von D + 3 He bleibt dabei konstant. Die lokale<br />
Häufigkeit von D kann durch Lyman−α Absorption (gegen helle Sterne wie Capella und Procyon)<br />
bestimmt werden.<br />
X(D) = 2 · 10 −5<br />
(4.233)<br />
1996 wurde (von Tytler et al.) <strong>die</strong> Lyman−α Linien von D (λ(H) − 0.33 ˚A) in drei Quasar Spektren<br />
nachgewiesen. Die größte Rotverschiebung betrug 3.57. Das Ergebnis war überraschend, zwei Bestimmungen<br />
stimmen mit den bisherigen Ergebnissen überein, ein Wert ist 10 mal größer.<br />
Lithium
262 KAPITEL 4. THERMODYNAMIK: TEMPERATUR<br />
4.4 Die Sterne: Leuchtkraft und Temperatur<br />
4.4.1 Grundlagen<br />
Die meisten Sterne leuchten (wie <strong>die</strong> Sonne) in dem Frequenzbereich, der von der Erdatmosphäre<br />
durchgelassen wird und der vom menschlichen Auge wahrgenommen werden kann. Wir werden zeigen,<br />
daß <strong>die</strong>s auf <strong>die</strong> Werte einiger weniger Fundamentalkonstanten zurückgeführt werden kann.<br />
Die Maxwellschen Gleichungen und das Plancksche Gesetz der Strahlung eines schwarzen Körpers<br />
sind <strong>die</strong> Grundlage zur Bestimmung der Leuchtkraft (Amplitude des Senders) und der Temperatur<br />
(Frequenz des Senders) an der Oberfläche eines Sterns.<br />
Wesentlich genauere Aussagen liefert eine Spektralanalyse (Position, Intensität und Breite der Linien<br />
im Spektrum eines Sterns). Grundlage der Interpretation liefert hier <strong>die</strong> Saha Gleichung und <strong>die</strong> Theorie<br />
der Sternatmosphären (Strahlungstransport). Das Plancksche Gesetz der Schwarzkörperstrahlung<br />
liefert in gröbster Näherung <strong>die</strong> physikalischen Grundlagen <strong>die</strong>ser Strahlung, welche <strong>die</strong> Astronomen<br />
mit ihren eigenen Bezeichnungen übernommen und dann zu einer Theorie der Sternatmosphären ausgebaut<br />
haben.<br />
• ANMERKUNG (DIE TEMPERATUR DER STERNE)<br />
Das Auffinden von Eichsternen definierter Temperatur und Leuchtkraft war ein mühsamer Prozeß, der im wesentlichen<br />
empirisch verlief, da <strong>die</strong> adäquate Physik, <strong>die</strong> Quantenmechanik, noch fehlte. E. Warburg war der erste, der (1899) <strong>die</strong><br />
Temperatur der Sonne annähernd richtig bestimmte. Hertzsprung (1905) und Russel (1913) konnten <strong>die</strong>s erstmals an ausgewählten<br />
Sternen (Hertzsprung-Russell Diagramm).<br />
Grundlage war <strong>die</strong> von Josef Stefan (1835 - 1893) anhand umfangreicher Messungen 1879 gefundene, und von Ludwig<br />
Boltzmann (1844 - 1906) (unter Benutzung der Maxwellschen Theorie) theoretisch begründete Beziehung für <strong>die</strong> Energiedichte<br />
von Licht im Hohlraum der Temperatur T<br />
Φ = σT 4<br />
(4.234)<br />
Dieses Stefan-Boltzmann Gesetz der Schwarzkörperstrahlung beschreibt <strong>die</strong> (idealisierte) Schwarzkörperstrahlung eines<br />
Sterns. F wird Flächenhelligkeit und σ wird Stefan-Boltzmann Konstante genannt. Die Leuchtkraft eines Sterns, L, folgt,<br />
wenn der Radius R bekannt ist, zu<br />
L = 4πR 2 σT 4<br />
mit σ = 5.67 · 10 −05 erg s −1 cm −2 K −4 .<br />
(4.235)<br />
Unter absoluter bolometrischer Helligkeit, Lb, versteht man <strong>die</strong> Gesamtleuchtkraft (Einheit: erg s −1 )<br />
eines Sterns. Sie wird in der Astronomie in besonderen dimensionslosen Einheiten (Magnituden), Mb,<br />
als Vielfaches einer Grundgröße (Eichstern) gemessen, wobei gilt (s.u.)<br />
Lb = L(Mb) = 10 0.4·(4.72−Mb) L⊙<br />
(4.236)<br />
Die Gesamtleuchtkraft der Sonne beträgt also Mb = +4.72 m , was L⊙ = 3.9 · 10 33 erg s −1 entspricht.<br />
In der astronomischen Literatur setzt man noch ein m als Index, um kenntlich zu machen, daß es sich<br />
um Magnituden handelt.<br />
Einfacher als <strong>die</strong> Gesamtleuchtkraft ist <strong>die</strong> visuelle Helligkeit, MV , zu bestimmen. Sie wird später genauer<br />
definiert. Für <strong>die</strong> Sonne wird im visuellen (bei 551 nm) nur etwa 10 % der Gesamtleuchtkraft<br />
benutzt. Man erreicht <strong>die</strong>s, indem man ein geeignetes Filter vor das Teleskop schaltet. Man misst nun<br />
zwar weniger, dafür aber genauer (nämlich ohne Absorption der Erdatmospäre). Kennt man den Typ<br />
des Sterns, d. h. hat man bereits einen ähnlichen Stern vermessen, dann kann man auf <strong>die</strong> Gesamtleuchtkraft<br />
zurückschließen (ohne erneute Meßung außerhalb des visuellen Bereichs).<br />
Die Differenz zwischen absoluter visueller Helligkeit und absoluter bolometrischer Helligkeit<br />
Mb = MV + BC (4.237)<br />
heißt bolometrische Korrektion, BC.
4.4. DIE STERNE: LEUCHTKRAFT UND TEMPERATUR 263<br />
Aus der Kenntnis der Gesamtleuchtkraft bzw. aus dem Verlauf des Kontinuumsspektrums kann man<br />
bereits Schlüsse über <strong>die</strong> Temperatur eines Sterns ziehen. Im thermodynamischen Gleichgewicht stimmen<br />
kinetische Temperatur, Tkin, und Strahlungstemperatur überein. Die Strahlung eines schwarzen<br />
Körpers ist durch <strong>die</strong> Angabe einer einzigen Größe, der Temperatur T , bereits vollständig bestimmt.<br />
Erst das Studium der Abweichungen (Spektralanalyse) von <strong>die</strong>ser Strahlung liefert <strong>die</strong> Grundlage der<br />
Sternklassifikation.<br />
Wir definieren dazu noch folgende Temperaturen:<br />
1. <strong>die</strong> effektive Temperatur, Teff,<br />
Teff =<br />
�<br />
4 L<br />
4πR2σ als <strong>die</strong>jenige Temperatur, <strong>die</strong> der Stern haben müßte, um als schwarzer Körper (mit Radius R)<br />
<strong>die</strong> bolometrische Leuchtkraft L zu ergeben.<br />
2. <strong>die</strong> Farb Temperatur, Tcol,<br />
λmaxTcol = 0.29 cm K<br />
durch das Maximum der Strahlung bzgl. der Wellenlänge λ aus dem Wienschen Gesetz für<br />
Schwarzkörperstrahlung. Da kein Körper im thermodynamischen Gleichgewicht stärker strahlt<br />
als der schwarze, ist stets Teff < Tcol.<br />
Die erste Definition setzt voraus, daß der Radius des Sterns bekannt ist, <strong>die</strong> zweite, daß es sich um<br />
Schwarzkörperstrahlung handelt. Beides gilt für Sterne nur näherungsweise.<br />
4.4.2 Die Harvard-Klassifikation der Sterne<br />
Überblick<br />
Rein empirische Grundlage der Klassifikation sind <strong>die</strong> Linien der Sternatmosphären. Die verschiedenen<br />
Sterntypen werden mit grossen Buchstaben des Alfabets bezeichnet, <strong>die</strong> Hauptsequenz mit: O,<br />
B, A, F, G, K, M. Bei K verzweigen <strong>die</strong> Klassen in C (Carbon-stars, welche nochmals in R und N<br />
unterteilt werden) und S.<br />
Merksatz: Oh be a fine girl kiss me right now - smak.<br />
Die verschiedenen Klassen werden durch Zahlen von 0 bis 9 nochmals unterteilt.<br />
• ANMERKUNG (BESONDERE MERKMALE MASSEARMER STERNE)<br />
Die kühlen Sterne zeigen bereits Moleküle in ihren Spektren:<br />
M-Sterne: haben TiO und H2O (Banden bei λ = 1.4µ 1.9µ und 2.7µ).<br />
S-Sterne: ZrO und LaO.<br />
R-Sterne: CN und CO (kein TiO).<br />
N-Sterne: wie R, zusätzlich C2.<br />
Unsere Kenntnis sehr leuchtarmer Sterne ist durch das HST auf eine neue Grundlage gestellt worden.<br />
Um <strong>die</strong>se adäquat zu beschreiben wurde am leuchtschwachen Ende <strong>die</strong> Sternklassifizierung geändert<br />
in<br />
O, B, A, F, G, K, M, L, T<br />
Merksatz: Oh be a fine girl kiss my lips - top.<br />
Für <strong>die</strong> Bestimmung der wahren Leuchtkräfte muß der Einfluß der Erdatmosphäre berücksichtigt werden.<br />
Strahlung zwischen 3000 ˚A und 1 µ (10000 ˚A) kann <strong>die</strong> Erdatmosphäre ungeschwächt passieren.
264 KAPITEL 4. THERMODYNAMIK: TEMPERATUR<br />
Dies ist der Bereich der klassischen Astronomie, in dem praktisch alle Beobachtungen bis 1945 gemacht<br />
wurden.<br />
Die Ränder des optischen Fensters werden durch <strong>die</strong> Absorption von Molekülen (Banden von OH)<br />
bestimmt. Im Blauen durch Ozon (ab λ < 3000 ˚A durch Bandenabsorption in einer Höhe von 20 km<br />
bis 60 km), O2 und N2 (ab λ < 2000 ˚A durch Absorption). Atomares O und N werden ab λ < 1000 ˚A<br />
wichtig.<br />
Die Ionospäre (F Schicht) wird zwischen 250 km und 350 km durch <strong>die</strong> Ionisation von O (ab λ < 900<br />
˚A) erzeugt. Röntgenstrahlung wird erst zwischen 50 km und 150 km absorbiert.<br />
Im (infra)Roten wird (ab λ > 10000 ˚A) durch <strong>die</strong> Moleküle H2O und CO2 (und ebenfalls durch<br />
Banden von O2 und N2) <strong>die</strong> Erdatmosphäre undurchläßig. Die Fraunhoferlinien A (7594 ˚A) und B<br />
(6868 ˚A) zählen dazu. Für schwache Quellen wie Quasare stört aber bereits das Luftleuchten (air glow<br />
= Emissionslinien des Nachthimmels), welches ab λ > 7000 ˚A bedeutsam wird. Es handelt sich<br />
hierbei um Linienstrahlung (Banden von OH) photochemischer Prozesse und der Rekombination (von<br />
O und H). Die stärkste Linie ist <strong>die</strong> λ = 5577 ˚A Linie des angeregten O ∗ (grün). Es handelt sich um<br />
einen verbotenen 1 S → 3 D Übergang mit einer Dauer von τ = 0.74 s (el. Quadrupol). Die Anregung<br />
kommt aus einem Dreierstoß<br />
O + O + O → O2 + O ∗<br />
Diese Linie kommt auch im Polarlicht vor und wurde erstmals von ˚Angström dort nachgewiesen.<br />
Daneben gibt es noch Linien bei 6300 und 6364 ˚A (rot).<br />
Der Photonenfluß wird in Rayleigh gemessen<br />
1Rayleigh = 10 6 Photonencm −2 s −1<br />
(4.238)<br />
Die natürliche Einheit für den Photonenfluß durch <strong>die</strong> Erdatmosphäre ist das Kilo Rayleigh (1 kR<br />
= 109 Photonen cm−2 s−1 ). Zum Vergleich der relativen Bedeutung<br />
gibt nebenstende Tabelle Helligkeiten verschiedener Quel- Strahlungsdichten der Erdatmosphäre<br />
len.<br />
Objekt Photonenfluss<br />
Neben den bereits erwähnten Linien gehören auch <strong>die</strong> beiden Na<br />
D-Linien (5890 und 5896 ˚A, gelb) zum Luftleuchten (engl. air<br />
Sonne 6 · 10<br />
glow). Die Strahlungsdichte erhält man daraus (unter Annahme<br />
von Isotropie) durch Multiplikation mit 4π.<br />
Das Nachtleuchten (engl. night glow) im IR wird dominiert von<br />
OH (Meinel-Banden). Die wichtigste Anregung kommt von der<br />
Sonne, man findet eine Modulation mit der Rotationsperiode der<br />
Sonne von 27 Tagen.<br />
13 Vollmond<br />
kR<br />
1 · 108 kR<br />
Polarlicht<br />
Nachtleuchten opt.<br />
Nachtleuchten IR<br />
1 bis 1000 kR<br />
0.5 kR<br />
4.5 · 103 Sternleuchten<br />
kR<br />
0.4 kR<br />
Tab. 4.9: Leuchten der Erdatmosphäre<br />
Wir ersehen aus der Tabelle, daß <strong>die</strong> Erde ein alles andere als günstiger Beobachtungsort ist.<br />
Spektralklassifikation<br />
Die Harvard Spektralklassifikation klassifiziert <strong>die</strong> Sterne in einer eindimensionalen Sequenz, geordnet<br />
nach fallender Temperatur.<br />
Harvard Spektralklassifikation.<br />
Klassifikationskriterien sind<br />
O<br />
das Auftreten (Frequenz) und<br />
<strong>die</strong> Stärke (Intensität und Linienbreite)<br />
Blau<br />
bestimmter Eichlinien.<br />
✲ B ✲ A ✲ F<br />
Gelb<br />
✲ G ✲ K<br />
❅<br />
❅❘<br />
Rot<br />
��✒<br />
S<br />
R ✲ ✲ M<br />
N<br />
O–Sterne sind heiß (T = 20000 . . . 35000 K, Farbe: Blau) und zeigen Linien des ionisierten Heliums, M–Sterne<br />
dagegen sind so kalt (T ≈ 3000 K, Farbe: Rot), daß bereits Moleküllinien (TiO oder Wasserdampf, H2O) im<br />
Spektrum auftreten. Bei den O-Sternen beginnt <strong>die</strong> Klassifikation bei 5, also O5, bei den M-Sternen bei M6.
4.4. DIE STERNE: LEUCHTKRAFT UND TEMPERATUR 265<br />
Zur feineren Klassifikation werden <strong>die</strong> einzelnen Sternlassen nochmals dezimal unterteilt: 0 . . . 9 (nach<br />
abnehmender Temperatur). Also z. B. B0, B1 . . . B9, A0, A1 . . . A9 usw. Die Sonne ist in <strong>die</strong>sem<br />
Klassifikationsschema ein G2 Stern.<br />
Die Leuchtkraft als zweiter Parameter<br />
Da zur vollständigen Klassifikation eines Sterns, wie wir vom HR–Diagramm (s.u.) lernen, zwei Parameter<br />
notwendig sind, muß <strong>die</strong> Harvard Sequenz durch einen weiteren Parameter ∗ ergänzt werden. Als<br />
zweiten Parameter hat man deshalb <strong>die</strong> Leuchtkraft L bzw. <strong>die</strong> Linienintensitäten (bestimmter Linien)<br />
gewählt. Die Yerkes Klassifizierung kennt folgende † Klassen:<br />
I Überriesen II helle Riesen III Riesen IV Unterriesen<br />
V Hauptreihe (Zwerge und normale Hauptsequenz)<br />
VI Unterzwerge VII weiße Zwerge<br />
Die Sonne ist in <strong>die</strong>sem Klassifikationsschema ein G2V Stern.<br />
Daneben klassifiziert man weitere Besonderheiten mit kleinen Buchstaben:<br />
n = besonders diffuse Linien (nebulous)<br />
s = besonders scharfe Linien (sharp)<br />
e = zusätzlich Emissions-Linien (emission) Be<br />
f = Unterklasse der O Sterne mit Emissions-Linien Of<br />
m = zusätzlich Metall-Linien (metal) Am<br />
p = zusätzlich besondere Linien (peculiar) Ap<br />
Sieht man von der chemischen Zusammensetzung einmal ab, dann ist ein Stern durch <strong>die</strong> Harvard<br />
Spektralklassifikation eindeutig bestimmt und damit ist seine Leuchtkraft bekannt. Darauf beruht <strong>die</strong><br />
Möglichkeit der spektroskopischen Entfernungsbestimmung. Etwa 1% aller Sterne fallen nicht in <strong>die</strong>ses<br />
Schema.<br />
• ZUSATZ (AUSNAHMEN)<br />
Beispiele für Ausnahmen sind:<br />
1. W Sterne (Wolf-Rayet Sterne) mit Untertyp WN und WC,<br />
2. variable Sterne (Cepheiden, RR-Lyrae),<br />
3. Zentralsterne planetarer Nebel (Nova-Überrest),<br />
4. south preceding star im Krebsnebel (Supernova-Überrest) und Geminga.<br />
Synopsis<br />
Zum quantitativen Verständnis der Spektralklassifikation der Sterne benötigt man:<br />
Linienbreite (quantifiziert durch <strong>die</strong> Äquivalentbreite)<br />
Anregungsbedingung (Temperatur, Dichte, chemische Zusammensetzung)<br />
Linienprofil (Symmetrie, Tiefe)<br />
Mit <strong>die</strong>sen Parametern kann man in <strong>die</strong> Strahlungstransportgleichung eingehen und versuchen, ein<br />
Modell der Sternatmosphäre zu entwickeln.<br />
∗ Zur vollständigen Klassifizierung ist ein Parameter nicht ausreichend weil Sterne in verschiedenen Entwicklungssta<strong>die</strong>n<br />
identische Spektren (Spektralindizes) haben und doch ganz verschieden sein können.<br />
† Überriesen werden nochmals in Ia, Iab, Ib, weiße Zwerge nochmals in DA und DB unterteilt.
266 KAPITEL 4. THERMODYNAMIK: TEMPERATUR<br />
4.4.3 Helligkeit und Farbe der Sterne<br />
Eine Spektralanalyse ist jedoch sehr aufwendig und kann bei lichtschwachen Sternen oft gar nicht<br />
durchgeführt werden. Deshalb nimmt man alternativ (und weniger genau) den Farbindex zuhilfe und<br />
bestimmt daraus Teff, s. u.<br />
Für <strong>die</strong> Leuchtkraft eines Sterns erhält man dann in gröbster Näherung aus dem Stefan-Boltzmann<br />
Gesetz<br />
Φ = σT 4<br />
wobei σ <strong>die</strong> Stefan-Boltzmann Konstante<br />
σ = π2k4 B<br />
60¯h 3 = 5.669 · 10−5<br />
c2 (4.239)<br />
g s −3 K −4 (4.240)<br />
Φ <strong>die</strong> Flächenhelligkeit (Strahlungsfluß senkrecht zur Fläche), und T <strong>die</strong> Temperatur bedeuten. Für<br />
Sterne mit dem Radius R ist <strong>die</strong> Fläche 4πR 2 und demnach ist<br />
L = 4πR 2 σT 4<br />
<strong>die</strong> Leuchtkraft.<br />
Die astronomischen Masseinheiten und Bezeichnungen sind <strong>die</strong> wahre Helligkeit f,<br />
f = L<br />
4πD 2<br />
<strong>die</strong> absolute Helligkeit M<br />
M = m − 2.5 log<br />
�<br />
D<br />
10pc<br />
�2 und <strong>die</strong> scheinbare Helligkeit m<br />
(4.241)<br />
(4.242)<br />
(4.243)<br />
m = A1 − 2.5 log f (4.244)<br />
eines Sterns. Dabei wird definiert für zwei Quellen 1 und 2<br />
f1<br />
f2<br />
= 100 1<br />
5 (m2−m1) = (2.512) m2−m1 (4.245)<br />
mit der Umkehrung<br />
und<br />
m1 − m2 = −2.5 log f1<br />
f2<br />
(4.246)<br />
m − M = 5 log (D/pc) − 5 (4.247)<br />
d. h. M ist <strong>die</strong> scheinbare Helligkeit eines Sterns in 10 Parsec Entfernung.<br />
• DEFINITION (DAS UBV HELLIGKEITSSYSTEM)<br />
Die scheinbare Helligkeit der Sonne in 10 Parsec Entfernung beträgt nur MV = 4.79, <strong>die</strong> hellsten Sterne der Milchstraße<br />
erreichen MV = −6.5.<br />
Zur Festlegung von A1 (d. h. des Nullpunkts der Helligkeitsskala in Glchg. (4.244)) wurden ursprünglich besonders genau
4.4. DIE STERNE: LEUCHTKRAFT UND TEMPERATUR 267<br />
vermessene Sterne in der Nähe des Pols herangezogen (sog. Polsequenz).<br />
Mit dem Aufkommen der Photoplatte wurden, je nach Spektralbereich, verschiedene<br />
Helligkeitssysteme definiert. Hier sind <strong>die</strong> wichtigsten (Johnson<br />
u. Morgan, 1953) in <strong>die</strong> folgende Tabelle aufgenommen, zusammen mit<br />
Beispielen für <strong>die</strong> Sonne und Wega. Es bedeutet<br />
U: Ultravioletthelligkeit,<br />
B: Blauhelligkeit,<br />
V: Visuelle Helligkeit.<br />
Ferner ist λeff <strong>die</strong> Frequenz der maximalen Empfindlichkeit und Dλ <strong>die</strong><br />
Breite des Frequenzfilters. Der relative Energiefluß der Sonne im Frequenbereich<br />
Dλ um λeff ist in Prozent angegeben: 100 ∆L⊙<br />
. Dgl. ist in der<br />
L⊙<br />
Das UBV Helligkeitssystem<br />
Band λeff ∆λ ∆L/L f<br />
˚A ˚A Sonne Wega<br />
U 3650 660 4.77 % 1780 Jy<br />
B 4450 940 10.1 % 4000 Jy<br />
V 5510 880 10.1 % 3600 Jy<br />
Tab. 4.10: UBV Helligkeitssystem<br />
letzten Spalte f <strong>die</strong> wahre Helligkeit für Wega (in Jansky). Die Leuchtkraft der Sonne ist L⊙ = 3.9 · 10 33 erg s −1 .<br />
Mittlerweile gibt es viele verschiedene Eichsysteme, auf <strong>die</strong> wir nicht näher eingehen wollen. Im Johnson u. Morgan System<br />
sind <strong>die</strong> Grundlage hierfür 10 ausgewählte Eichsterne (s. z.B. Lang, Table 64, p560).<br />
Es gilt dann (in <strong>die</strong>sem System) für <strong>die</strong> Umrechnung Leuchtkraft L aus absoluter Helligkeit M = Mbol<br />
L = 3.02 · 10 35 · 10 −0.4M erg s −1 (4.248)<br />
mit der Umkehrung<br />
Mbol = 4.72 m − 2.5 m lg(L/L⊙) (4.249)<br />
Für <strong>die</strong> Umrechnung wahre Helligkeit f aus scheinbarer Helligkeit m<br />
f = 2.52 · 10 −5 · 10 −0.4m erg cm −2 s −1 (4.250)<br />
• BEISPIEL (α–CENTAURI UND WEGA)<br />
α–Centauri ist ein G2 V Stern und Wega ein A0 Stern. Beide haben mbol = 0. Ein solcher Stern 0. Größe hat also einen<br />
Energiefluß von f = 2.52 · 10 −5 erg cm −2 s −1 . Um daraus <strong>die</strong> Leuchtkraft von α–Centauri zu erhalten, ist mit (D/10) 2<br />
zu multiplizieren, D ≈ 1 pc und man erhält L = L⊙. Die Sonne ist ebenfalls ein G2 V Stern. Wega ist weiter entfernt und<br />
hat (als A0 Stern) L = 54L⊙.<br />
Unter Zuhilfenahme des Wienschen Gesetzes (also für Violett und für nicht zu hohe Temperaturen)<br />
kann man B − V auf <strong>die</strong> Temperatur eines Sterns, T , umrechnen. Im kurzwelligen Bereich ist <strong>die</strong><br />
Wiensche Näherung für <strong>die</strong> Sternstrahlung ausreichend<br />
Bλ(T ) = 2hc2<br />
e−hc/λkT<br />
λ5 mit hc/k = 1.4388 cm K.<br />
Als Farbindex, F I, definiert man allgemein das entfernungsunabhängige Verhältnis der wahren Helligkeiten<br />
für zwei Wellenlängen λ1 und λ2<br />
F I = mλ1 − mλ2 = −2.5 log(Bλ1/Bλ2)<br />
als Differenz ihrer Magnitudines bzw. als Logaritmus aus dem Quotient der Flüsse, welches (mit mit<br />
der Umrechnung 2.5logx = 1.086lnx) auf <strong>die</strong> Relation<br />
F I = 12.5(log λ1 − log λ2) + 1.086 · hc<br />
kT<br />
� 1<br />
λ1<br />
− 1<br />
�<br />
λ2<br />
führt.<br />
Als nützliche Farbindizes betrachtet man B − V = mB − mV und U − B = mU − mB. Sie sind so<br />
festgelegt, daß für A0 Sterne der Index F I = 0 gilt. Für kühlere Objekte ist dann B − V positiv, für<br />
heißere negativ.
268 KAPITEL 4. THERMODYNAMIK: TEMPERATUR<br />
In Zahlen ausgedrückt und für <strong>die</strong> visuelle Helligkeit V (max Empfindlichkeit bei 5550 ˚A) und <strong>die</strong><br />
Blauhelligkeit B (max Empfindlichkeit bei 4350 ˚A) liefert das <strong>die</strong> Näherungsformel zur Bestimmung<br />
der Temperatur T aus dem Farbindex F I = B − V<br />
T =<br />
15000<br />
1 + 2.15 · (B − V )<br />
Dabei entspricht größeres B − V kleineren Temperaturen.<br />
Für <strong>die</strong> Sonne ist<br />
damit gilt dann<br />
L = 10 0.4·(4.79−M) L⊙<br />
Kelvin (4.251)<br />
L⊙ = 3.9·10 33 erg s −1<br />
f⊙ = 1.36·10 6 erg cm −2 s −1 Solarkonstante<br />
V⊙ = -26.78 U − B = 0.10 B − V = 0.62<br />
MV = 4.79 BC = −0.07<br />
(4.252)<br />
dabei ist M <strong>die</strong> visuelle Helligkeit. Die Differenz zwischen absoluter visueller Helligkeit und absoluter<br />
bolometrischer Helligkeit<br />
Mbol = MV + BC<br />
beträgt für <strong>die</strong> Sonne BC = −0.07 und damit gilt<br />
Lb = L(Mb) = 10 0.4·(4.72−Mb) L⊙<br />
wenn M = Mb <strong>die</strong> bolometrische Helligkeit ist.<br />
• FORMELN (UMRECHNUNG IN CGS-EINHEITEN)<br />
Umrechnung Leuchtkraft L aus absoluter Helligkeit M<br />
(4.253)<br />
L = 3.02 · 10 35 · 10 −0.4M erg s −1 (4.254)<br />
Umrechnung wahre Helligkeit f aus scheinbarer Helligkeit m<br />
f = 2.52 · 10 −5 · 10 −0.4m erg cm −2 s −1 (4.255)<br />
4.4.4 Die Masse der Sterne.<br />
Die lebenden Sterne beziehen ihren Druck aus der Thermik, <strong>die</strong>se bestimmt also ihre Masse. Wir<br />
überlegen qualitativ, in welchem Massebereich wir leuchtende Sterne erwarten.<br />
1. Die minimale Masse.<br />
Die minimale Masse ist dadurch gegeben, daß im Zentrum des Sterns noch Kernfusion möglich ist.<br />
Wegen der extremen Temperaturabhängigkeit des Tunneleffekts bedeutet <strong>die</strong>s, wie erst später gezeigt<br />
wird, etwa 10 Millionen Grad Zentraltemperatur. Falls der Stern vor Erreichen <strong>die</strong>ser Temperatur bereits<br />
entartet ist, d. h. seinen Druck aus dem Pauli Prinzip bezieht, kann der Stern offensichtlich ‡ nicht<br />
brennen. Wir führen später <strong>die</strong> Überlegungen wesentlich genauer aus, hier nur eine erste Orientierung.<br />
Dazu betrachten wir ein kaltes Gas mit der <strong>Teil</strong>chenzahldichte n und lassen <strong>die</strong>ses unter Einfluß der<br />
Gravitation schrumpfen. Damit das Gas wenigstens ionisiert werden kann, muß <strong>die</strong> Ionisationsenergie<br />
von H überwunden werden: sei r der mittlere Abstand zweier H-Atome<br />
r ≈ RN −1/3 ≈ n −1/3<br />
‡ Im Prinzip wären auch pykonukleare Reaktionen bei Entartung möglich.
4.4. DIE STERNE: LEUCHTKRAFT UND TEMPERATUR 269<br />
und R der Radius des Sterns mit N Atomen. Dann muß<br />
mVgrav ≈ µe ≈ kT<br />
gelten, d. h. damit im Zentrum <strong>die</strong> Temperatur T herrschen kann, muß etwa<br />
Gm 2 pN<br />
R<br />
= kT = µe<br />
gelten. Hier ist µe das chemische Potential des Elektronengases.<br />
Wir eliminieren R und erhalten als Bedingung<br />
Nmin ≈ α −3/2<br />
�<br />
kT<br />
G<br />
n1/3 �3/2 ¯hc<br />
für <strong>die</strong> Anzahl der <strong>Teil</strong>chen Nmin, wobei wir mit αG<br />
αG = Gm2 p<br />
¯hc<br />
= 5.9 · 10 −39<br />
<strong>die</strong> gravische Feinstrukturkonstante (für Protonen) definiert haben.<br />
Die hier auftretende Größe N<br />
N = α −3/2<br />
G<br />
= 2.2 · 10 57<br />
(4.256)<br />
(4.257)<br />
(4.258)<br />
ist charakteristisch für alle Sterne.<br />
Entartung tritt ein, falls µe etwa von der Größenordnung der gaskinetischen Energie ist, µe = kT , und<br />
das liefert <strong>die</strong> Dichte<br />
n ≈<br />
� ¯h 2<br />
mekT<br />
� 3/2<br />
Wir erhalten, wenn wir <strong>die</strong>s einsetzen (in <strong>die</strong> Formel (4.256))<br />
Nmin ≈ α −3/2<br />
�<br />
kT<br />
G<br />
mec2 �3/4 = 0.02 · T 3/4<br />
7 N⊙ (4.259)<br />
Das sind etwa 20 Jupitermassen.<br />
Wegen der extremen Temperaturabhängigkeit hört <strong>die</strong> pp-Reaktion hier allerdings schon bei He3 auf.<br />
Sterne so geringer Masse, sog. braune Zwerge, sozusagen Superplaneten, sind mittlerweile mit dem<br />
HST entdeckt worden.<br />
2. Die maximale Masse.<br />
Hydrostatisches Gleichgewicht ist in der Newtonschen Theorie für Sterne beliebig grosser Masse<br />
möglich. Die maximale Masse heißer Sterne wird durch Stabilitätsüberlegungen bestimmt. Es muß<br />
γ > 4/3 gelten, wobei der adiabatische Index (S = const)<br />
� �<br />
ρ<br />
γ =<br />
P<br />
� �<br />
∂P<br />
∂ρ S<br />
ist. Für ein System aus idealem Gas + Photonen liefert das <strong>die</strong> Bedingung Pkin > Pphot und das<br />
wiederum M < 50M⊙.<br />
Die maximale Masse kalter, entarteter Sterne wird durch <strong>die</strong> ART bestimmt. Es handelt sich hierbei um<br />
Neutronensterne mit maximaler Masse von höchstens 3 M⊙. Der Druck stammt von relativistischen<br />
Neutronen. Um ihre Masse mithilfe von Fundamentalkonstanten schreiben zu können, führen wir statt
270 KAPITEL 4. THERMODYNAMIK: TEMPERATUR<br />
der gravischen Feinstrukturkonstante für Protonen, αG, Glchg. (4.257) und der entsprechenden <strong>Teil</strong>chenzahl<br />
des Sterns, Glchg. (4.258) <strong>die</strong> Planck-Masse wie folgt ein:<br />
d. h.<br />
Gm 2 P<br />
¯hc<br />
m P =<br />
= 1<br />
�<br />
¯hc<br />
G<br />
� 2.2 · 10−5<br />
g (4.260)<br />
Damit können wir <strong>die</strong> maximale Masse für einen weißen Zwerg wie folgt schreiben:<br />
M = mp<br />
� �2<br />
2Z<br />
A<br />
� �2 mP<br />
= 1.457M⊙<br />
mp<br />
Für einen Neutronenstern gilt in der Newtonschen Theorie<br />
M = f mn<br />
� �<br />
mP<br />
2<br />
mn<br />
= f 5.73M⊙<br />
mit f = 1, währen <strong>die</strong> ART (und <strong>die</strong> Kernphysik) etwa f = 0.5 liefert.
4.4. DIE STERNE: LEUCHTKRAFT UND TEMPERATUR 271<br />
4.4.5 Das Hertzsprung-Russell Diagramm<br />
Eine verläßliche Identifikation der Sterne liefert erst <strong>die</strong> Harvard Spektral - Klassifikation. Dazu ist<br />
allerdings <strong>die</strong> Aufnahme eines Spektrums Bedingung, was bei vielen Sternen mühsam und bei leuchtschwachen<br />
Sterne gar nicht möglich ist. In <strong>die</strong>sem Falle hilft das Hertzsprung-Russell Diagramm weiter.<br />
Der Zusammenhang zwischen Temperatur und Leuchtkraft (das Hertzsprung-Russell Diagramm) ist<br />
rein empirisch gefunden worden und stellt eines der wichtigsten Instrumente des Astronomen dar.<br />
Im UBV System sind insgesamt vier Messungen nötig: mbol für <strong>die</strong> Gesamtleuchtkraft und drei mit<br />
vorgeschaltetem Filter. Damit wird der Fluß ma in den Bereichen a = U (Ultraviolett), a = B (Blau),<br />
und a = V (Visuell) bestimmt. Insbesondere für leuchtschwache Sterne einheitlicher Entfernung stellt<br />
<strong>die</strong>s oft <strong>die</strong> einzige Möglichkeit dar, noch Information zu gewinnen.<br />
Temperatur und Leuchtkraft<br />
Der Italiener Angelo Secchi, (päpstlicher Astronom, 1818 -1898) begründet (1860) <strong>die</strong> Spektroskopie<br />
der Sterne und beginnt eine Klassifizierung der Spektren nach Absorptionslinien. Er kennt drei Typen<br />
von Sternen: weiße, gelbe (Sonne) und rote.<br />
Der Engländer Huggins, (1824 - 1910) identifizierte <strong>die</strong> Wasserstofflinien in den Sternspektren. Er entdeckte<br />
als erster (1864) Emissionslinien der Nebel. Damit war <strong>die</strong> gängige Ansicht widerlegt, daß es<br />
gar keine eigentlichen Nebel gebe, sondern nur nichtaufgelöste Sternhaufen. Planetare Nebel (so genannt<br />
wegen ihres scheibenförmigen Aussehens) sind echte Gasnebel. Mit selbstkonstruiertem Sternspektroskop<br />
wird er Pionier der Astro–Photometrie. Er war der erste, der das Dopplerprinzip zur Messung<br />
von Radialgeschwindigkeiten benutzte (1868 an Sirius).<br />
Der Amerikaner Draper, (1837 - 1882) machte 1840 das erste Astro–Photo (auf Daguerre Platte vom<br />
Mond) und legt auf Photoplatten einen Katalog (von heute 225.000 Spektren; Bezeichnung: HD) an.<br />
Hertzsprung und Russel sind in der Lage, den Einfluß der Entfernung auf <strong>die</strong> Leuchtkraft zu berücksichtigen<br />
und finden so den Zusammenhang zwischen Spektraltyp und Leuchtkraft (H-R-Diagramm).<br />
Hertzsprung, (1873 - 1967) benutzt 1905 dazu Riesen- und Zwergsterne in Sternhaufen, während<br />
Russell, (1877 - 1957) dazu 1913 <strong>die</strong> von ihm selbst besonders genau trigonometrisch vermessenen<br />
Sterne benutzt.<br />
Trägt man — wie es erstmals Hertzsprung und Russel getan haben — als Ordinate <strong>die</strong> (entfernungsabhängige)<br />
Leuchtkraft Mv und als Abszisse B − V – als (entfernungsunabhängiges) Maß für <strong>die</strong><br />
Temperatur – in einem Diagramm auf, so stellt man fest, daß es ganz bestimmte Gesetzmäßigkeiten<br />
für <strong>die</strong> Sterne gibt. Die meisten liegen in einem schmalen Band: der sog. Hauptreihe.<br />
Die Breite des Bandes wird durch <strong>die</strong> chemische Zusammensetzung (mittleres Molekulargewicht) der<br />
Sternmaterie wesentlich beeinflusst, welche sich im Laufe der Sternentwicklung ändert, sodaß man<br />
genauer Zero Age Main Sequence (ZAMS) und Termination Age Main Sequence (TAMS) angeben<br />
müsste. Die Breite nimmt mit wachsender Temperatur zu, sie beträgt für 4000 K nur wenig %, macht<br />
für <strong>die</strong> Sonne etwa 1 m und für O Sterne schon einen Faktor 10 in der Leuchtkraft aus. Ein O5 Stern hat<br />
im Mittel Te = 44000 K.<br />
Die Breite des Bandes wird ebenfalls durch nicht aufgelöste Begleitsterne beeinflusst.
272 KAPITEL 4. THERMODYNAMIK: TEMPERATUR<br />
Hauptreihe<br />
Typ Mv B − V BC Te Tc Mb log(L) R M<br />
10 3 K 10 3 K log(L⊙) R⊙ M⊙<br />
O5 −6.0 −0.45 −4.60 35.0 70.0 −10.6 6.13 19.3 40<br />
B0 −3.7 −0.31 −3.00 21.0 38.0 − 6.7 4.56 9.0 18<br />
B5 −0.9 −0.17 −1.60 13.5 23.0 − 2.5 2.88 4.3 6.5<br />
A0 0.7 0.00 −0.68 9.7 15.4 0.0 1.88 3.01 3.2<br />
A5 2.0 0.16 −0.30 8.1 11.1 1.7 1.20 2.00 2.1<br />
F0 2.8 0.30 −0.10 7.2 9.0 2.7 0.80 1.70 1.7<br />
F5 3.8 0.45 −0.00 6.5 7.6 3.8 0.37 1.50 1.3<br />
G0 4.6 0.57 −0.03 6.0 6.7 4.6 0.05 1.20 1.1<br />
G5 5.2 0.70 −0.10 5.4 6.0 5.1 −0.15 1.00 0.93<br />
K0 6.0 0.84 −0.20 4.7 5.4 5.8 −0.43 0.89 0.78<br />
K5 7.4 1.11 −0.58 4.0 4.5 6.8 −0.83 0.83 0.69<br />
M0 8.9 1.39 −1.20 3.3 3.8 7.6 −1.15 0.70 0.47<br />
M5 12.0 1.61 −2.10 2.6 3.0 9.8 −2.03 0.43 0.21<br />
Mv: absolute visuelle Helligkeit, Mb: absolute bolometrische Helligkeit,<br />
B − V = F I Farb Index, BC bolometrische Korrektion,<br />
Te effektive Temperatur, Tc Farb - Temperatur in Einheiten 1000 K<br />
Tab. 4.11: Hauptreihe: Temperatur und Leuchtkraft
4.4. DIE STERNE: LEUCHTKRAFT UND TEMPERATUR 273<br />
Die Masse - Radius Beziehung<br />
Ein einfacher Fit der Beobachtungsdaten ergibt als Masse - Radius Relation<br />
�<br />
R ∼<br />
und für <strong>die</strong> Leuchtkraft<br />
L ∼ M 3.5<br />
M 0.6 M > M⊙<br />
M 0.9 M < M⊙<br />
(4.261)<br />
(4.262)<br />
Genauere Werte für Sterne der Hauptreihe (Leuchtkraftklasse V) sind in Tab. 4.12 zusammengestellt.<br />
Leuchtkraftklassen<br />
Typ L M R ρ g<br />
O5 8·10 5 60 12.6 0.01 0.13<br />
A0 54 2.9 2.4 0.18 0.47<br />
F5 3.2 1.4 1.3 0.80 1.00<br />
K0 0.4 0.8 0.85 1.3 1.10<br />
M5 0.008 0.2 0.27 6.3 2.0<br />
Alle Einheiten sind auf <strong>die</strong> Sonne bezogen, mit folgenden Werten:<br />
M: Masse , M⊙ = 1.989 · 10 33 g, R: Radius, R⊙ = 6.959 · 10 10 cm,<br />
L: Leuchtkraft, L⊙ = 3.9 · 10 33 erg s −2 , ρ: mittlere Dichte, ρ⊙ = 1.409 g cm −3 ,<br />
g: Fallbeschleunigung an der Oberfläche, g⊙ = 2.740 · 10 4 cm s −2 .<br />
Tab. 4.12: Hauptreihe: Masse - Radius Beziehung<br />
Ein Vergleich verschiedener Leuchtkraftklassen liefert für A0 - Sterne<br />
Klasse L R<br />
V 54 2.4<br />
III 106 5<br />
I 3.5·10 4 60<br />
Alle Einheiten sind wieder auf <strong>die</strong> Sonne bezogen.<br />
Tab. 4.13: Leuchtkraftklassen<br />
Zusammenfassung:<br />
Beobachtete Hauptreihensterne variieren in der Masse in einem sehr engen Bereich, von 0.08M⊙ bis etwa<br />
50M⊙; in der Leuchtkraft allerdings über neun Zehnerpotenzen, von 10 −3 L⊙ bis etwa 10 6 L⊙.<br />
Sterne gleichen Spektraltyps (d. h. gleiche Temperatur in der Photoshäre) unterscheiden sich durch ihre Leuchtkraftklasse.
274 KAPITEL 4. THERMODYNAMIK: TEMPERATUR
Kapitel 5<br />
Hydrodynamik<br />
Sternmodelle<br />
5.1 Grundlagen<br />
Die Physik der Sterne führt, wie wir sehen werden, durch <strong>die</strong> langreichweitige Gravitation auf einige<br />
Besonderheiten, <strong>die</strong> den Hauptsätzen der Thermodynamik zu widersprechen scheinen. Sterne gewinnen<br />
Energie, wenn sie komprimiert werden (Helmholtz, Kelvin) und verringern ihre Entropie.<br />
5.1.1 Physik der Sterne<br />
Die Grundlagen zur Beschreibung der Physik der Sterne sind Hydrodynamik (für dem makroskopischen<br />
Aufbau), Thermodynamik und Kernphysik (mikroskopische Energieversorgung und Druck).<br />
1. Die Thermodynamik.<br />
Die Hauptsätze der Thermodynamik sind allgemein gültig und können unverändert in <strong>die</strong> Spezielle<br />
Relativitätstheorie (SRT) bzw. <strong>die</strong> Allgemeine Relativitätstheorie (ART) übernommen werden.<br />
Sie liefern den Zusammenhang von Dichte, Druck und Temperatur und <strong>die</strong> Abhängigkeit<br />
der Materialfunktionen wie Opazität und Energieerzeugungsrate von <strong>die</strong>sen Variablen.<br />
2. Die Hydrodynamik.<br />
Sie liefert <strong>die</strong> Bewegungsgleichung und den Energiesatz der Sterne. Diese können mit der Newtonschen<br />
Theorie behandelt werden, solange wie ihr Druck aus der Kernfusion stammt. Tote (d.<br />
h. entartete) Sterne benötigen <strong>die</strong> Allgemeine Relativitätstheorie (ART).<br />
3. Die Kernphysik.<br />
ist bisher phänomenologischer Natur. Sie liefert <strong>die</strong> Gleichungen der Energieerzeugung durch<br />
Kernfusion. Sterne auf der Hauptreihe verbrennen Wasserstoff zu Helium. Da das Ausgangsmaterial<br />
der Sterne (in allen bekannten Wolken) Wasserstoff, H, ist, bildet <strong>die</strong> Fusion von H zu He<br />
den wichtigsten Fusionsprozeß.<br />
Bei Thermodynamik und Kernphysik reichen lokale Überlegungen, den globalen Aufbau liefert <strong>die</strong><br />
Hydrodynamik durch Einbeziehung der langreichweitigen Gravitation. Bisher unerreichtes Endziel<br />
der <strong>Astrophysik</strong> ist es, das Leben eines Sterns, von der Geburt in einer Molekülwolke an, durch alle<br />
Sta<strong>die</strong>n der Entwicklung hindurch, bis zum Tod zu verfolgen.<br />
Ein wichtiger Parameter, der von der Kosmologie und der Entwicklung der Galaxie, in der der Sterns<br />
sich befindet, geliefert wird, ist <strong>die</strong> chemische Zusammensetzung des Ausgangsmaterials (H, He, etc.)<br />
des Sterns (der Wolke). Ebenfalls wichtig ist, nach dem Verlassen der Hauptreihe, der Massenverlust.<br />
275
276 KAPITEL 5. HYDRODYNAMIK: STERNMODELLE<br />
In <strong>die</strong>sem Kapitel betrachten wir zunächst nur <strong>die</strong>jenigen Aspekte der Hauptreihensterne, <strong>die</strong> analytisch<br />
behandelt werden können und setzen <strong>die</strong> Kenntnis der chemischen Zusammensetzung voraus. Die<br />
zugrunde liegenden physikalischen Prinzipien stehen dabei im Vordergrund.<br />
5.1.2 Kompendium<br />
Physik der Sterne<br />
Die folgenden Abschnitte fassen <strong>die</strong> drei oben besprochenen wichtigsten Aspekte, nämlich<br />
1. das hydrostatische Gleichgewicht eines Sterns (Masse, Radius), und<br />
2. seine dynamischen Sternpulsationen (Stabilität), und<br />
3. <strong>die</strong> Gleichungen der Energieerzeugung durch Kernfusion (Leuchtkraft).<br />
zusammen. Es handelt sich dabei um ein Kompendium der Physik der Sterne zum Nachschlagen. Die<br />
Herleitung der Gleichungen und ihre Anwendung auf Sterne und Planeten folgen später.<br />
Qualitativ kann man aber auch ohne Rechnung zu drei wichtigen Aussagen über Sterne und ihr zeitliches<br />
Verhalten gelangen. Diese betreffen innere Temperatur (Lanesches Gesetz), <strong>die</strong> beim Schrumpfen<br />
freigesetzte Leuchtkraft eines Sterns (Helmholtz-Kelvin) und <strong>die</strong> Pulsperiode (Eddington).<br />
Nach dem Virialsatz gilt<br />
1<br />
2 < Ï > = 2 < Uint > + < Ugrav > (5.1)<br />
Der erste Term ist <strong>die</strong> makroskopische Energie des Sterns (Pulsation), wobei<br />
N�<br />
I = mjr<br />
j=1<br />
2 j<br />
ist, der zweite <strong>die</strong> mikroskopische (kinetische) Energie seiner N <strong>Teil</strong>chen<br />
N�<br />
2 < Uint > = mj�v<br />
j=1<br />
2 j<br />
und der letzte Term ist <strong>die</strong> Gravitationsenergie<br />
< Ugrav > = −G<br />
N�<br />
i,j=1<br />
mimj<br />
|�rij|<br />
Ein statischer Stern befindet sich in einem lokalen Minimum der Energie. Seine Gestalt ist eine Kugel<br />
(Gravitation), kleine Auslenkungen ändern <strong>die</strong> Grundgrößen nur um qua-<br />
dratische Terme. Daraus folgt, daß solche Änderungen adiabatisch sind.<br />
Die nebenstehende Tabelle vergleicht <strong>die</strong> Daten für einen Weißen Zwerg<br />
(WD) und einen Neutronenstern (NS) mit denen der Sonne. Die Bin-<br />
Daten zu Sternen<br />
Masse etwa 1 M⊙<br />
Stern Radius Dichte<br />
dungsenergie<br />
GM 2<br />
Ubind ≈ = ɛMc2<br />
R<br />
der drei Sternarten beträgt, mit <strong>die</strong>sen Werten und in Einheiten der Ruhmassenenergie<br />
ɛ = 2.5dex(-6) für <strong>die</strong> Sonne,<br />
cm g cm<br />
ɛ = 2.5dex(-4) für einen WD<br />
−3<br />
Sonne 7 · 10 10 WD 7 · 10<br />
1.4<br />
8 1.4 · 106 NS 1 · 106 4 · 1014 und ɛ = 0.3 für einen NS.<br />
Tab. 5.1: Stern-Daten<br />
Es folgen einige Anwendungen <strong>die</strong>ser sehr allgemeinen Überlegungen und Formeln. Die genauen<br />
Rechnungen schließen sich an.<br />
(5.2)<br />
(5.3)<br />
(5.4)
5.1. GRUNDLAGEN 277<br />
• FORMELN (HELMHOLTZ-KELVIN SCHRUMPFLEUCHTKRAFT)<br />
Als erstes betrachten wir das Schrumpfen eines Sterns, Ëpuls = 0. Dann gilt<br />
2 < Uint > + < Ugrav > = 0 (5.5)<br />
Von der gravischen Energie kann nur <strong>die</strong> Hälfte abgestrahlt werden, <strong>die</strong> andere Hälfte geht in innere Energie bei der<br />
Kompression des Gases, also gilt für <strong>die</strong> Leuchtkraft L, <strong>die</strong> beim Schrumpfen freigesetzt wird,<br />
L = − ˙ E = −1 GM<br />
2<br />
2<br />
R2 ˙R (5.6)<br />
Diese Formel gilt auch für einen akkretierenden Sterne (wie ein Weißer Zwergoder ein Neutronenstern), wobei <strong>die</strong> Energie<br />
aus der Scheibe stammt. Die restliche Bindungsenergie wird beim Aufprall auf den entarteten Stern freigesetzt.<br />
Die typische Halbwerts-Zeit, in der der Radius schrumpft, heißt<br />
tHK = E<br />
L<br />
= GM 2<br />
2RL<br />
= − R<br />
2 ˙ R<br />
Für <strong>die</strong> Sonne erhält man mit den beobachteten Werten für M und L etwa<br />
tHK ≈ 30My = 3 · 10 7<br />
(5.7)<br />
Jahre (5.8)<br />
• FORMELN (PULSATIONSPERIODE EINES STERNS)<br />
Für kleine Auslenkungen aus der Ruhelage ist <strong>die</strong> Änderung der Energie eines Sterns, der sich im hydrostatischen Gleichgewicht<br />
befindet, proportional zum Quadrat der Amplitude. Wir setzen für <strong>die</strong> Pulsamplitude<br />
ξ = δ sin(ωt) und definieren I ≈ MR 2<br />
für das Trägheitsmoment und betrachten den Energiesatz für <strong>die</strong> Pulsation eines Sterns, also im zeitlichen Mittel Epuls =<br />
Eint mit<br />
Epuls = 1<br />
2 M( ˙ ξ) 2<br />
und (Gravitation und Thermik zusammengefasst)<br />
Eint = U ′′ δ 2 mit U =<br />
GM 2<br />
2R<br />
so können wir <strong>die</strong>s auch wie folgt als Osizillation schreiben<br />
Ï = ω 2 I mit ω 2 = R3<br />
GM<br />
Ersetzen wir <strong>die</strong> Masse M durch <strong>die</strong> mittlere Dichte, ρ, so erhalten wir mit einem Faktor fpuls<br />
(5.9)<br />
(5.10)<br />
(5.11)<br />
(5.12)<br />
1<br />
τ = fpuls √ mit ωτ = 1 (5.13)<br />
Gρ<br />
in Zahlen - für <strong>die</strong> Sonne - τ⊙ = 1 h mit fpuls = 1. Für eine homogene Kugel ist<br />
fpuls = √ 3π (5.14)<br />
Diese heuristische Herleitung liefert <strong>die</strong> richtige Größenordnung, <strong>die</strong> korrekte Schwingungsgleichung (Eddington, 1918)<br />
lautet<br />
− ω 2 ρξ =<br />
�<br />
γP<br />
r2 (r2ξ) ′<br />
� ′<br />
−<br />
′ 4P<br />
ξ (5.15)<br />
r
278 KAPITEL 5. HYDRODYNAMIK: STERNMODELLE<br />
• FORMELN (DAS LANESCHE GESETZ)<br />
Schließlich können wir <strong>die</strong> mittlere Temperatur abschätzen: <strong>die</strong> Relationen<br />
Uint = 1<br />
2 Ugrav und Uint = 3<br />
NkT (5.16)<br />
2<br />
liefern RT = const, das Lanesche Gesetz, oder, mit dem mittleren Molekulargewicht ˜µ und in Zahlen<br />
T = 4 · 10 6 � �2/3 M<br />
˜µ ρ<br />
M⊙<br />
1/3 K (5.17)<br />
Für <strong>die</strong> Kernfusion ist nicht <strong>die</strong> mittlere Temperatur wesentlich, sondern <strong>die</strong> Temperatur im Zentrum des Sterns.<br />
Mit dem einfachen Eddingtonschen Modell (Polytrope zum Index s = 4/3)<br />
P ∝ ρ 4/3<br />
und T ∝ ρ 1/3<br />
folgt für das Verhältnis ρc/¯ρ in <strong>die</strong>sem Fall, wie später gezeigt wird, ρc/¯ρ = 54. Damit erhält man für <strong>die</strong> Sonne in etwa<br />
den korrekten Wert von Tc = 15 · 106 Kelvin und somit<br />
Tc = 15 · 10 6 � �2/3 M<br />
˜µ ρ<br />
M⊙<br />
1/3 K (5.19)<br />
Ein Stern muß schrumpfen, um seine Temperatur Tc zu erhöhen (um weitere Fusionsreaktionen in Gang setzen zu können).<br />
5.1.3 Hydrostatisches Gleichgewicht<br />
Zuerst wird <strong>die</strong> hydrostatische Gleichgewichtskonfiguration eines Sterns bestimmt. Der Druck stammt<br />
aus der Thermik<br />
P = Pkin + Pγ = nkBT + a 4<br />
T (5.20)<br />
3<br />
und ist <strong>die</strong> Summe von Gasdruck (Index kin) und Photonendruck. Dazu muß <strong>die</strong> chemische Zusammensetzung<br />
des Gases bekannt sein. Für ein ideales Boltzmann Gas reicht dazu <strong>die</strong> Kenntnis des effektiven<br />
mittleren Molekulargewichts, ˜µ, aus.<br />
P = ρ<br />
˜µmH<br />
kT + a 4<br />
T<br />
3<br />
Wir betrachten kurz <strong>die</strong> Grundgleichungen eines Sterns.<br />
Aufbau eines Sterns<br />
(5.18)<br />
(5.21)<br />
Die Dynamik der Materie eines Sterns wird durch <strong>die</strong> Eulerschen Gleichungen der Hydrodynamik<br />
(Euler, 1755) beschrieben.<br />
• FORMELN (DIE VOLLSTÄNDIGEN EULERSCHEN GLEICHUNGEN)<br />
Sie lauten bei Berücksichtigung der Gravitation, wobei V das Gravitationspotential und ρ <strong>die</strong> Massendichte ist, allgemein<br />
für eine ideale Flüssigkeit (ohne Energiedissipation durch innere Reibung):<br />
∆V = 4πGρ (5.22)<br />
ρ D�v<br />
dt<br />
= −∇P − ρ∇V (5.23)<br />
∂ρ<br />
∂t<br />
= −div(ρ�v) (5.24)<br />
Diese phänomenologischen Gleichungen können zwar mikroskopisch begründet werden, <strong>die</strong> beiden letzten können aber<br />
nicht aus einem Variationsprinzip hergeleitet werden. Die Ableitung<br />
D�v<br />
dt<br />
∂<br />
= �v + (�v∇)�v (5.25)<br />
∂t<br />
ist <strong>die</strong> totale Ableitung längs der Bahn.
5.1. GRUNDLAGEN 279<br />
Für einen statischen Stern ist �v = 0 und <strong>die</strong> Materieverteilung ist kugelsymmetrisch. Dann gilt für das<br />
hydrostatische Gleichgewicht<br />
dm<br />
dr<br />
dP<br />
dr<br />
= 4πρr2<br />
= −ρGm(r)<br />
r 2<br />
(5.26)<br />
(5.27)<br />
Die Zustandsgleichung, <strong>die</strong> wir in der Form P = P (ρ, T ) schreiben, liefert den Zusammenhang zwischen<br />
Druck, Dichte und Temperatur. Letztere bestimmt sich i. a. aus der lokalen Erzeugung von thermischer<br />
Energie und ihrem globalem Abtransport (Wärme- bzw. Strahlungstransport).<br />
Die Strahlungstransportgleichung wird gewöhnlich wie folgt geschrieben:<br />
L(r) = − 4πr2 c<br />
3ρκ<br />
d<br />
dr (aT 4 ) (5.28)<br />
Wir formulieren sie so um, daß <strong>die</strong> Gleichungen proportional zu denen des hydrostatischen Gleichgewichts<br />
werden:<br />
dL<br />
dr = 4πr2 ɛρ (5.29)<br />
dPγ<br />
dr<br />
= −ρκL(r)<br />
4πcr 2<br />
(5.30)<br />
Zusammen mit den Materialfunktionen, der Energieerzeugung ɛ(ρ, T )ρ und der Opazität κ(ρ, T ) sind<br />
das 4 Gleichungen für <strong>die</strong> 4 unbekannten Grund - Funktionen P, m, L und T .<br />
Die Randbedingungen sind gemischt: zwei am Rand des Sterns, bei r = R, und zwei im Zentrum,<br />
r = 0<br />
P (R) = 0 ; T (R) = 0 (5.31) L(0) = 0 ; m(0) = 0 (5.32)<br />
Zu bestimmen sind <strong>die</strong> Größen m(R) = M und L(R) = 4πσR 2 T 4 . In <strong>die</strong>sem vereinfachten Modell,<br />
wo <strong>die</strong> Atmosphäre des Sterns fehlt, ist T (R) → Teff zu ersetzen. Dabei gilt spaltenweise<br />
dm<br />
dr<br />
dP<br />
dr<br />
= 4πρr2<br />
= −ρGm(r)<br />
r 2<br />
(5.33)<br />
(5.34)<br />
dL<br />
dr = 4πr2 ɛρ (5.35)<br />
dPγ<br />
dr<br />
= −ρκL(r)<br />
4πcr 2<br />
hydrostat. Gleichgewicht Wärmetransport<br />
(5.36)<br />
Damit <strong>die</strong>se Gleichungen einen Inhalt bekommen, muß der Zusammenhang zwischen Dichte und<br />
Druck, d. h. <strong>die</strong> Zustandsgleichung P = P (ρ, T ) bekannt sein. Als nächstes betrachten wir deshalb <strong>die</strong><br />
Grundlagen zur Bestimmung der Zustandsgleichung. Zum Nachschlagen fassen wir <strong>die</strong> wichtigsten<br />
Ergebnisse vorweg zusammen.<br />
Einfache Zustandsgleichungen<br />
Für entartete Sterne lautet <strong>die</strong> Zustandsgleichung P = P (ρ). Der Druck stammt von Elektronen (Weiße<br />
Zwerge) oder von Neutronen (Neutronenstern). Ein Gas welches eine Zustandsgleichung der Form<br />
P = Kρ s<br />
und s = 1 + 1<br />
n<br />
(5.37)
280 KAPITEL 5. HYDRODYNAMIK: STERNMODELLE<br />
erfüllt, heißt Polytrope zum Index s. Für niedrige Dichten ist ein nichtrelativistisches Elektronen Gas<br />
mit polytroper Zustandsgleichung<br />
K = 1<br />
5 (3π2 ) 2/3 ¯h 2 � �5/3<br />
Z<br />
(5.38)<br />
A<br />
mem 5/3<br />
u<br />
eine erste Näherung für ein entartetes Gas. Für hohe Dichten ist ein relativistisches Elektronen Gas mit<br />
polytroper Zustandsgleichung<br />
K = 1<br />
4 (3π2 1/3 ¯hc<br />
)<br />
m 4/3<br />
� �4/3<br />
Z<br />
(5.39)<br />
u A<br />
eine gute Näherung. Die Größe A/Z ist das mittlere Molekulargewicht im Falle entarteter Materie, wo<br />
nur <strong>die</strong> Elektronen zum Druck beitragen. Dabei muß man beachten, daß für gegebene Zustandsgleichung<br />
P (ρ) <strong>die</strong> Masse M und der Radius eine eindeutige Funktion von nur einem Parameter, etwa der<br />
Dichte im Zentrum, ρc, sind. Das vereinfacht <strong>die</strong> Diskussion solcher Sterne ganz wesentlich.<br />
Für alle anderen Sterne ist der Druck<br />
P = Pkin + Pγ = nkBT + a 4<br />
T (5.40)<br />
3<br />
<strong>die</strong> Summe aus Gasdruck (Index kin) und Photonendruck, oder<br />
P = ρ<br />
kT +<br />
˜µmH<br />
a 4<br />
T (5.41)<br />
3<br />
wobei ˜µ das effektive mittlere Molekulargewicht ist. Als Grundvariable der Materie wird <strong>die</strong> Massendichte,<br />
ρ = ˜µmun, benutzt (nicht <strong>die</strong> <strong>Teil</strong>chenzahldichte n).<br />
Bei der Umrechnung von <strong>Teil</strong>chendichte ni auf Materiedichte berücksichtigen wir den Masseanteil der<br />
Elektronen indem wir <strong>die</strong> Masse des neutralen Wasserstoffatoms, mH, als Einheit wählen und erhalten<br />
bei vollständiger Ionisation pro Atom Z Elektronen plus 1 Ion (Atomkern), also<br />
und<br />
n = ρ<br />
˜µmH<br />
1<br />
˜µ<br />
� 1 + Zi<br />
=<br />
i<br />
= � 1 + Zi<br />
Ai<br />
i<br />
xi<br />
Ai<br />
ni = n �<br />
i<br />
1 + Zi<br />
Ai<br />
xi<br />
(5.42)<br />
(5.43)<br />
Die <strong>Teil</strong>chenzahlkonzentrationen der verschiedenen Atome, xi, sind physikalische Input Parameter und<br />
müssen aus unabhängigen Überlegungen gewonnen werden. Sie ändern sich im Verlauf der Sternentwicklung.<br />
Wie wir zeigen werden ist für einen Stern, der sich im hydrostatischen Gleichgewicht befindet, <strong>die</strong><br />
Energie minimal und seine Form ist eine Kugel. Wir betrachten als nächstes <strong>die</strong> Stabilität des Sterns<br />
bei kleinen Auslenkungen aus der Ruhelage.<br />
5.1.4 Hydrodynamik: Sternpulsationen<br />
Die Dynamik eines Sterns, dessen hydrostatische Gleichgewichtskonfiguration bekannt ist, kann man<br />
dann für kleine Amplituden, ξ(r, t), durch Störungsrechnung erhalten. Diese können als Feld aufgefasst<br />
werden, mit den Variablen ξ, ξ ′ , ˙ ξ, und zu einem Variationsprinzip zur Bestimmung der Perioden<br />
umformuliert werden.<br />
Die Lagrange-Dichte ist von der Form<br />
L(ξ, ξ ′ , ˙ ξ) = W (r)( ˙ ξ) 2 + K(r)(ξ ′ ) 2 − Q(r)ξ 2<br />
(5.44)<br />
mit positiven Koeffizienten W , K, Q. Sie ist, wie wir zeigen werden, <strong>die</strong> zweite Variation der Energie<br />
bezüglich der Auslenkungen (modulo Oberflächentermen, <strong>die</strong> verschwinden).
5.1. GRUNDLAGEN 281<br />
• FORMELN (DIE SCHWINGUNGSGLEICHUNG FÜR PULSATIONEN)<br />
Wir betrachten der Einfachheit halber nur <strong>die</strong> Schwingungsgleichung für rein radiale Sternpulsationen. Für <strong>die</strong> Auslenkung<br />
aus der Ruhlage ro setzen wir:<br />
r(t, ro) = ro + ξ(r) e −iωt<br />
d. h. ξ ist <strong>die</strong> Amplitude der Schwingung ω <strong>die</strong> Frequenz. Die thermodynamische Änderung des Gases während der Auslenkung<br />
ist meist adiabatisch, eine wichtige Ausnahme bilden z. B. <strong>die</strong> Cepheiden. Die Schwingungsgleichung (Eddington,<br />
1918) lautet<br />
− ω 2 ρξ =<br />
Mit den Randbedingungen<br />
�<br />
γP<br />
r2 (r2ξ) ′<br />
� ′<br />
−<br />
(5.45)<br />
′ 4P<br />
ξ (5.46)<br />
r<br />
ξ(r = 0) = 0 und ∆P (r = R) = −γP r −2 (r 2 ξ) ′ = 0 (5.47)<br />
hat man eine (singuläre) Eigenwert - Aufgabe zu lösen.<br />
Diese kann zu einem Variationsprinzip der Perioden umgeformt werden. Die Schwingungsgleichung ist selbstadjungiert.<br />
Daraus folgt, daß <strong>die</strong> Eigenwerte ω 2 reell und diskret sind.<br />
Mit den Definitionen<br />
K = γP r −2<br />
W = ρr 2<br />
Q = −4P ′ r −3<br />
ζ = ξr 2<br />
wobei K, W, Q alle positiv sind, lautet das Variationsprinzip der Perioden:<br />
ω 2 �<br />
′ 2 2 (Kζ − Qζ )dr<br />
= min �<br />
W ζ2dr Sterne, für <strong>die</strong> ω 2 < 0 gilt, sind instabil.<br />
Der Energiesatz für Sterne lautet:<br />
(5.48)<br />
(5.49)<br />
d<br />
dt (Ekin + Ugrav + Uint + Enuk) + (Lγ + Lν) = 0 (5.50)<br />
Diese Gesamtbilanz spaltet sich auf in drei Einzelgleichungen.<br />
Zunächst folgt für Sterne im hydrostatischen Gleichgewicht, daß <strong>die</strong> Gesamtenergie<br />
Etot = Ugrav + Uint<br />
ein Minimum ist.<br />
d<br />
dt (Ugrav + Uint) = 0 (5.51)<br />
Der Energiesatz verlangt<br />
d<br />
dt (Uint + Enuk) + (Lγ + Lν) = 0 (5.52)<br />
Die gesamte, im Innern erzeugte Energie wird abgestrahlt. Die dabei erzeugte Entropie pro Baryon ist<br />
(im kosmologischen Massstab gemessen) bescheiden.<br />
Und schließlich gilt genauer, daß bezüglich Auslenkungen aus der Ruhelage <strong>die</strong> Gesamtenergie Etot<br />
eines Sterns extremal ist, mit den folgenden Eigenschaften: Die<br />
1. Variation liefert das hydrostatische Gleichgewicht.<br />
2. Variation liefert <strong>die</strong> Gleichung für <strong>die</strong> Sternpulsationen.<br />
Diese Aussagen werden später bewiesen.
282 KAPITEL 5. HYDRODYNAMIK: STERNMODELLE<br />
5.1.5 Energieerzeugung durch Kernfusion<br />
Um quantitativ abschätzen zu können, wieviel Energie durch Kernfusion erzeugt wird, reichen <strong>die</strong><br />
folgenden Fakten:<br />
1. Die bei der Fusion freigesetzte Energie beträgt E � 8 MeV.<br />
Es ist rk := ¯h/mπc = 1.46f (1f := 10 −13 cm; Fermi) <strong>die</strong> Reichweite der Kernkräfte. Die<br />
Bindungsenergie ist etwa<br />
EB = −(1/2)¯h 2 /mpr 2 k (5.53)<br />
= −(1/2)(mπ/mp)mπc 2 � 8 MeV (5.54)<br />
2. <strong>die</strong> Fusion ist ein Tunnelprozeß.<br />
Die Wahrscheinlichkeit W für den extrem temperaturabhängigen Tunneleffekt ist etwa<br />
W � (Tt/T ) 2/3 exp −(Tt/T ) 1/3 = (Tt/T ) 2/3 10 −(Td/T ) 1/3<br />
(5.55)<br />
Tt = (3/2) 3/2 (πe 2 /¯h) 2 (mp/k) = 7.7 · 10 10 K (5.56)<br />
Td = Tt(log e) 3 = 3.2 · 10 9 K (5.57)<br />
Es ist z. B. W = 4 · 10 −5 für T = 10 7 K.<br />
3. Der eigentliche (Reaktions) Wirkungsquerschnitt ist der der schwachen Wechselwirkung.<br />
Die Gesamterzeugungsrate pro Masse, ˙ɛρ, ist dann<br />
˙ɛρ = EBW < nσv > ρ (5.58)<br />
dabei ist σ der Wirkungsquerschnitt für <strong>die</strong> schwache Wechselwirkung und ρ = ˜µmun <strong>die</strong> Massendichte.<br />
5.2 Analytische Sternmodelle<br />
Für einen ersten Überblick ist es nützlich, Sternmodelle zu betrachten, <strong>die</strong> so einfach sind, daß sie noch<br />
analytisch behandelt werden können. Im Falle kugelsymmetrischer Materieverteilung können wir <strong>die</strong><br />
Grundgleichungen wie folgt schreiben. Die Masse m(r) innerhalb des Radialabstands r ist gegeben<br />
durch<br />
m ′ = 4πρr 2<br />
und als Gleichung des hydrostatischen Gleichgewichts ist<br />
P ′ = −ρ Gm(r)<br />
r 2<br />
zu lösen. Ein Gas welches eine Zustandsgleichung der Form<br />
P = Kρ s<br />
und s = 1 + 1<br />
n<br />
(5.59)<br />
(5.60)<br />
(5.61)<br />
erfüllt, heißt Polytrope zum Index s. An <strong>die</strong>sen Gaskugeln kann man dann weitergehende Fragen wie<br />
Stabilität und dynamische Zeitskalen der Pulsation untersuchen.
5.2. ANALYTISCHE STERNMODELLE 283<br />
• ANMERKUNG (THERMODYNAMIK DER GASKUGELN)<br />
Von Newton, der als erster das Sonnenlicht in Spektralfarben zerlegte und von Fraunhofer, der als erster dunkle Linien darin<br />
auflöste, über Herschel, der 1800 <strong>die</strong> Infrarotstrahlung (mit Prisma und Thermometer) der Sonne entdeckte und Kirchhoff<br />
(mit Bunsen), der <strong>die</strong> Dunkellinien einzelnen Elementen zuordnen konnte, haben sich viele grosse Physiker bemüht, <strong>die</strong><br />
Sonne zu verstehen.<br />
Bei der Suche nach dem stellaren Energiereservoir erhielten Helmholtz (1854) und Kelvin (1861) <strong>die</strong> nach ihnen benannte<br />
Zeitskala für gravisches Schrumpfen des Sterns. Die Idee, Energie gravisch zu gewinnen, ist seitdem noch mehrfach<br />
vorgeschlagen worden, meist im Zusammenhang von Akkretion.<br />
Die ersten, welche versuchten, <strong>die</strong> physikalischen Bedingungen im Innern der Sonne zu bestimmen, waren Lane (1870),<br />
Ritter (1880) und Emden. Lane benutzte Messungen der Solarkonstanten von Herschel und Pouillet und Ergebnisse von<br />
Dulong und Petit und von Hopkins über <strong>die</strong> Emissionsrate von Strahlung und erhielt 1869 (10 Jahre bevor Stefan sein<br />
Gesetz veröffentlicht!) als Ergebnis 30 000K für <strong>die</strong> Oberflächentemperatur der Sonne.<br />
Um <strong>die</strong> dazu gehörende Materiedichte zu bestimmen, beschreibt er das Gas als Polytrope<br />
P = Kρ s<br />
und s = 1 + 1<br />
n<br />
mit dem Index s = 5/3. Ähnlich wie Emden findet er <strong>die</strong> Lane-Emden Differentialgleichung, welche <strong>die</strong> Struktur solcher<br />
Sterne beschreibt. Damit stellt er <strong>die</strong> Beziehung, RT = const, auf, das Lanesche Gesetz, und findet für <strong>die</strong> Dichte ρ =<br />
0.00036 g cm −3 . Weitere nützliche Virialbeziehungen und der Homolgiecharakter der Lane-Emden Differentialgleichung<br />
wurden von Ritter entdeckt und diskutiert.<br />
Mikroskopisch gesehen handelt es sich bei einem Stern um ein gravisch gebundenes N <strong>Teil</strong>chensystem,<br />
welches in der Lage ist, im Zentrum Energie durch Kernfusion zu erzeugen. Damit <strong>die</strong>s möglich ist,<br />
muß der Stern eine bestimmte Grenzmasse besitzen, um <strong>die</strong> Fusionstemperatur im Zentrum aufrecht<br />
erhalten zu können. Diese liegt bei etwa 0.08M⊙ für Tc = 10 Millionen Grad, wobei <strong>die</strong> Masse der<br />
Sonne 1.989 · 10 33 g beträgt.<br />
Gebundene N <strong>Teil</strong>chensysteme, <strong>die</strong> wesentlich weniger Masse besitzen, sind <strong>die</strong> Planeten. Hier ist<br />
Jupiter <strong>die</strong> Referenzmasse: MJ = α 3/2 M⊙. (Es ist α 3/2 = 10 −3 ). Wie von Cameron abgeschätzt, war<br />
Jupiter bei seiner Bildung etwa 16mal schwerer als heute (<strong>die</strong> Erde sogar 200mal), sodaß eine untere<br />
Grenzmasse für braune Zwerge etwa 20 Jupitermassen, Mkrit = 20MJ, für <strong>die</strong> kritische Zündmasse<br />
angesehen werden. Im Massenbereich dazwischen sind mittlerweile sowohl braune Zwerge, als auch<br />
Planeten entdeckt worden.<br />
Ausgedrückt mit der gravischen Feinstrukturkonstante, <strong>die</strong> für Sterne zuständig ist<br />
αG = Gm2 p<br />
¯hc<br />
= 5.9 · 10 −39<br />
gilt bei einem Planeten für <strong>die</strong> <strong>Teil</strong>chenzahl<br />
N ≈ (α/αG) 3/2 ≈ 10 54<br />
Für einen Stern dagegen ist<br />
N = α −3/2<br />
G<br />
= 2.2 · 10 57<br />
(5.62)<br />
(5.63)<br />
(5.64)<br />
(5.65)<br />
<strong>die</strong> Größenordnung der <strong>Teil</strong>chenzahl.<br />
Zur Berücksichtigung der (langreichweitigen) Gravitation benötigt man neben den beiden thermodynamischen<br />
Parametern w, Entartung, und z, Spezielle Relativitätstheorie, noch einen dritten, allgemein<br />
relativistischen Parameter σ, welcher angibt, ob <strong>die</strong> Sterne mit der Newtonschen Theorie behandelt<br />
werden können oder ob <strong>die</strong> Allgemeine Relativitätstheorie (ART) benutzt werden muß.<br />
• ANMERKUNG (HAUPTREIHEN - STERNE)<br />
Sterne auf der Hauptreihe wie <strong>die</strong> Sonne sind nichtentartet, w ≪ 1, nicht relativistisch, z ≪ 1 und Newtonsch, σ ≪ 1. Für<br />
<strong>die</strong> Sonne ist speziell:<br />
σ = 2GM<br />
c 2 R<br />
= 4 · 10−6<br />
� �3/2<br />
2 h<br />
; w = ¯n<br />
= 10<br />
2πmekT<br />
−2 ¯n24T −3/2<br />
7 ; z = kT<br />
= 2 · 10−3<br />
mec2 (5.66)
284 KAPITEL 5. HYDRODYNAMIK: STERNMODELLE<br />
Die Temperatur im Innern ist so hoch, daß <strong>die</strong> Materie vollständig ionisiert ist. Das einfachste N - <strong>Teil</strong>chenmodell eines<br />
Sterns besteht aus Protonen und Elektronen (ionisierter Wasserstoff).<br />
Statt nun für ein solches System etwa <strong>die</strong> Schrödingergleichung im selbstkonsistenten Gravitationspotential V zu lösen,<br />
reicht es, <strong>die</strong> hydrodynamische Näherung zu betrachten (gravische WKB - Näherung). Dazu stellt man sich den Stern in<br />
so kleine Volumenelemente unterteilt vor, daß einerseits noch viele <strong>Teil</strong>chen in einem solchen Element vorhanden sind,<br />
andrerseits <strong>die</strong> physikalischen Größen wie Druck P , Temperatur T und Massendichte ρ als konstant angesehen werden<br />
können. Sei λ der mittlere <strong>Teil</strong>chenabstand, dann muß also<br />
λ∇ρ ≪ ρ<br />
gelten. Für <strong>die</strong> Sonne ist λ ≈ 10 −8 cm und λ∇ ≈ l/R ≈ 10 −19 .<br />
Im folgenden stellen wir einige Bezeichnungen und Resultate der Thermodynamik zusammen, welche<br />
wir häufiger benötigen werden.<br />
• FORMELN<br />
Dabei gilt für homogene Materie lokal<br />
N, <strong>Teil</strong>chenzahl; V , Volumen; M, Masse im Volumen;<br />
E, innere Energie; P , Druck; µ, chemisches Potential<br />
Der 1. Hauptsatz der Thermodynamik lautet (lokal, also ohne Gravitation)<br />
dE = −P dV + T dS + �<br />
µidNi<br />
ɛ = E<br />
V<br />
i<br />
und für adiabatische Änderungen dS = 0 wird mit dV = 0 und V dρ = ˜m dN<br />
µ = ˜m dɛ<br />
dρ<br />
für <strong>die</strong> Energiedichte<br />
P , der Druck ist für konstante <strong>Teil</strong>chenzahl dN = 0 und für adiabatische Änderungen<br />
� �<br />
2 d ɛ<br />
P = ρ<br />
dρ ρ<br />
was aus der Definitionsgleichung dE = −P dV oder d ɛ<br />
1<br />
ρ = −P d ρ für den Druck folgt.<br />
Ui, <strong>die</strong> innere Energie ohne Ruhmasse, ist das Integral über <strong>die</strong> Energiedichte<br />
Ui =<br />
�V<br />
0<br />
ɛ(r)d 3 r =<br />
�M<br />
0<br />
(5.67)<br />
(5.68)<br />
ɛ<br />
dm (5.69)<br />
ρ<br />
Ug, <strong>die</strong> Gravitationsenergie für kugelsymmetrische Massenverteilung ist<br />
�<br />
−Gm(r)<br />
Ug =<br />
dm (5.70)<br />
r<br />
Die Gravitationsenergie für 2 <strong>Teil</strong>chen lautet<br />
Ug = −G m1m2 G<br />
=<br />
|�r1 − �r2| 2<br />
bzw. für N <strong>Teil</strong>chen:<br />
Ug = − G<br />
2<br />
N�<br />
i<br />
N�<br />
�<br />
m1m2 m2m1<br />
+<br />
|�r1 − �r2| |�r2 − �r1|<br />
Dabei ist für <strong>Teil</strong>chen gleicher Masse m ρ = M<br />
V<br />
�<br />
V (�x) = −G<br />
j<br />
� � ′<br />
mimj<br />
ρ(�x)ρ(�x )<br />
= −G<br />
|�ri − �rj| 2 |�x − �x ′ | d3xd 3 x ′<br />
ρ(�x ′ )<br />
|�x − �x ′ | d3 x ′<br />
= m N<br />
V<br />
�<br />
= mn. Wir definieren das Potential<br />
(5.71)<br />
(5.72)<br />
(5.73)
5.2. ANALYTISCHE STERNMODELLE 285<br />
welches <strong>die</strong> Potentialgleichung<br />
∆V = 4πGρ mit ρ = � mδ 3 (�x − �x ′ ) (5.74)<br />
erfüllt, und erhalten für <strong>die</strong> Gravitationsenergie<br />
Ug = 1<br />
�<br />
2<br />
ρ(�x)V (�x)d 3 x = 1<br />
�<br />
2<br />
Im Falle kugelsymmetrischer Massenverteilung ist<br />
V ′ =<br />
G m(r)<br />
r 2<br />
V (�x)dm (5.75)<br />
Lösung der Potentialgleichung und Glchg. (5.75) kann durch partielle Integration umgeformt werden zu<br />
Ug = 1<br />
�<br />
2<br />
V (r)m ′ (r)dr = [V (r)m(r)] ∞<br />
0<br />
�<br />
1<br />
−<br />
2<br />
(5.76)<br />
V ′ (r)mdr (5.77)<br />
Wir benutzen m(0) = V (∞) = 0 und Glchg. (5.76). Eine weitere partielle Integration liefert dann<br />
Ug = − G<br />
� 2 � ′ m (r)<br />
m(r)m (r)<br />
dr = −G<br />
dr<br />
2 r2 r<br />
Wir erhalten schließlich, mit der Variablen dm = m ′ (r)dr, für <strong>die</strong> Gravitationsenergie den Ausdruck (5.70)<br />
Uvib, Energie der Pulsation<br />
Uvib = 1<br />
2<br />
�M<br />
0<br />
˙ξ 2 dm (5.78)<br />
wobei ξ <strong>die</strong> Amplitude und v = ˙ ξ <strong>die</strong> makroskopische Geschwindigkeit der Materie sind.<br />
Trägheitstensor, I, und I, Trägheitsmoment<br />
bzw.<br />
Iab =<br />
Ĩ, Trägheitsmoment der Pulsation<br />
Ĩ =<br />
�M<br />
0<br />
�<br />
ρd 3 x(r 2 δab − xaxb) (5.79)<br />
r 2 dm und I = 2<br />
Ĩ (5.80)<br />
3<br />
Hydrostatisches Gleichgewicht<br />
Die Bedingung für das hydrostatische Gleichgewicht – chemisches Gleichgewicht im äusseren Gravitationsfeld –<br />
lautet:<br />
w + V =<br />
� dp<br />
ρ<br />
+ V = const = −G M<br />
R<br />
wobei w <strong>die</strong> freie Enthalpie und V das Gravitationspotential ist, oder<br />
µ ′ + mV ′ = 0 d. h. µ + mV = const =<br />
dabei ist m <strong>die</strong> Masse und µ das chemische Potential<br />
−G mM<br />
R<br />
(5.81)<br />
(5.82)<br />
µ = mw (5.83)
286 KAPITEL 5. HYDRODYNAMIK: STERNMODELLE<br />
Für polytrope Sterne, <strong>die</strong> mit dem Eddingtonschen Standardmodell beschrieben werden können, gilt für <strong>die</strong> Masse M<br />
M =<br />
�<br />
18<br />
πaG3 �1/2 �<br />
k<br />
ˆm<br />
˜µmH<br />
und für <strong>die</strong> Leuchtkraft L<br />
� 2 � 1 − β<br />
β 4<br />
� 1/2<br />
(5.84)<br />
L = (1 − β) 4πGc<br />
M (5.85)<br />
κ<br />
Das ist eine Parameterdarstellung der Masse–Leuchtkraft Beziehung. Die Größe 1 − β, nach der hier parametrisiert wird,<br />
ist proportional zur spezifischen Entropie<br />
1 − β = Pγ<br />
P<br />
= aT 4<br />
3nkT<br />
= s<br />
4nk<br />
Die Leuchtkraft ist unabhängig von der Energieerzeugung. Für sie gibt es eine fundamentale obere Schranke:<br />
LEdd = 4πGmHMc<br />
σT h<br />
5.3 Die Eulersche Gleichung<br />
der Hydrodynamik<br />
5.3.1 Die Grundgleichungen<br />
(5.86)<br />
= 10 4.5<br />
� �<br />
M<br />
L⊙ = 1.3 · 10<br />
M⊙<br />
38<br />
� �<br />
M<br />
mH erg s<br />
M⊙<br />
−1 (5.87)<br />
Die Grundgleichungen des Sternaufbaus sind <strong>die</strong> Eulerschen Gleichungen der Hydrodynamik. Sie lauten<br />
bei Berücksichtigung der Gravitation, wobei V das Gravitationspotential und ρ <strong>die</strong> Massendichte<br />
ist, allgemein für das hydrodynamische Gleichgewicht einer idealen Flüssigkeit:<br />
∆V = 4πGρ (5.88)<br />
ρ D�v<br />
dt<br />
= −∇P − ρ∇V (5.89)<br />
∂ρ<br />
∂t<br />
= −div(ρ�v) (5.90)<br />
Die drei hier aufgeführten Gleichungen sind in <strong>die</strong>ser Reihenfolge:<br />
1. <strong>die</strong> Poisson Gleichung, d. h. <strong>die</strong> Potentialgleichung der Gravitation,<br />
2. <strong>die</strong> Eulersche Gleichung der Hydrodynamik und<br />
3. <strong>die</strong> Kontinuitätsgleichung für den Massenstrom.<br />
Hydrostatisches Gleichgewicht liegt vor, falls <strong>die</strong> (expliziten) Zeitableitungen ∂/∂t verschwinden, im<br />
statischen Gleichgewicht verschwindet auch <strong>die</strong> makroskopische Geschwindigkeit der Materie, �v = 0.<br />
Die Zustandsgleichung<br />
Damit <strong>die</strong>se Gleichungen einen Inhalt bekommen, muß der Zusammenhang zwischen Dichte und<br />
Druck, d. h. <strong>die</strong> Zustandsgleichung P = P (ρ) bekannt sein. Entarteter Materie (Sterne wie weiße<br />
Zwerge und Neutronensterne aber auch Planeten) kann man mit <strong>die</strong>sen beiden Gleichungen bereits<br />
vollständig beschreiben.<br />
Nicht so <strong>die</strong> Hauptreihensterne, wo <strong>die</strong> Zustandsgleichung für den Gesamtdruck als Summe<br />
P = PG + Pγ<br />
(5.91)
5.3. HYDRODYNAMISCHES GLEICHGEWICHT 287<br />
aus Gasdruck, PG, und Photonendruck, Pγ, im einfachsten Fall (ideales Gas plus Photonen) lautet:<br />
P = ρ<br />
˜µmH<br />
kT + a 4<br />
T<br />
3<br />
wobei ˜µ das mittlere Molekulargewicht ist.<br />
Die hier auftretende Energiedichte-Konstante (Photonen), a, ist nach dem Planckschen Gesetz<br />
a = π2 k 4<br />
15¯h 3 c 3 = 7.56 · 10−15 erg cm −3 K −4<br />
und es gilt für <strong>die</strong> Energiedichte der Photonen, ɛγ:<br />
ɛγ = aT 4<br />
und P = 1<br />
3 ɛγ<br />
für <strong>die</strong> Zustandsgleichung des Photonengases.<br />
(5.92)<br />
(5.93)<br />
(5.94)<br />
• ZUSATZ (ZUR ERINNERUNG)<br />
Der Druck eines Gemisches aus verschiedenen Atomen ist <strong>die</strong> Summe der Partialdrucke, und zwar unabhängig von deren<br />
Masse (beim idealen Gas)<br />
P = �<br />
Pi = kT �<br />
i<br />
i<br />
ni<br />
Bei der Umrechnung von <strong>Teil</strong>chendichte ni auf Materiedichte berücksichtigen wir den Masseanteil der Elektronen indem<br />
wir <strong>die</strong> Masse des neutralen Wasserstoffatoms, mH, als Einheit wählen und erhalten bei vollständiger Ionisation pro Atom<br />
Z Elektronen plus 1 Ion (Atomkern), also<br />
und<br />
n = ρ<br />
˜µmH<br />
1 �<br />
=<br />
˜µ<br />
i<br />
= � 1 + Zi<br />
ni = n � 1 + Zi<br />
i<br />
1 + Zi<br />
Ai<br />
xi<br />
Ai<br />
i<br />
Ai<br />
xi<br />
Die <strong>Teil</strong>chenzahlkonzentrationen der verschiedenen Atome, xi, sind physikalische Input Parameter und müssen aus unabhängigen<br />
Überlegungen gewonnen werden.<br />
Reiner, neutraler Wasserstoff hat ˜µ = 1, bei vollständiger Ionisation ist dagegen durch den Beitrag der Elektronen der<br />
Druck doppelt so groß: ˜µ = 1<br />
2 .<br />
Es ist für Hauptreihensterne<br />
˜µ −1 ≈ 2xH + 3<br />
4 xHe + 1<br />
2 xMetalle<br />
Für <strong>die</strong> Sonne liefert das heute, mit einem mittleren xHe = 0.36, für das mittlere Molekulargewicht ˜µ ≈ 0.645.<br />
Energie - Erzeugung und Wärmetransport<br />
Es ist also für <strong>die</strong> Zustandsgleichung von Sternen P = P (ρ, T ) zu setzen, und man muß zusätzlich zu ρ<br />
noch T kennen. Leider gibt es im allgemeinen keine einfache Relation T = T (ρ). Die Temperatur bestimmt<br />
sich i. a. aus der lokalen Erzeugung von thermischer Energie und ihrem globalem Abtransport.<br />
Diese Gleichungen können wie folgt geschrieben werden:<br />
(5.95)<br />
(5.96)<br />
(5.97)<br />
dL<br />
dr = 4πr2 ɛρ (5.98)<br />
dPγ<br />
dr<br />
= −ρκL(r)<br />
4πcr 2<br />
(5.99)<br />
Zusammen mit den Materialfunktionen, der Energie - Erzeugungsfunktion ɛ(ρ, T )ρ und der Opazität<br />
κ(ρ, T ) sind das 4 Gleichungen für <strong>die</strong> 4 unbekannten Grund - Funktionen P, m, L und T .
288 KAPITEL 5. HYDRODYNAMIK: STERNMODELLE<br />
Eddingtons Standardmodell<br />
Falls man allerdings annimmt, daß das Verhältnis von Gas– zu Gesamtdruck,<br />
β = PG<br />
P<br />
und 1 − β = Pγ<br />
P<br />
(5.100)<br />
im Stern konstant ist, so erhält man Eddingtons Standardmodell, und man kann eine analytische Relation<br />
für <strong>die</strong> Zustandsgleichung in der Form P = P (ρ) bekommen:<br />
βa 3<br />
ρ = ˜µmH T<br />
3(1 − β)k<br />
P = 1<br />
β<br />
� �1/3 �<br />
3(1 − β)k ρ<br />
βa<br />
˜µmH<br />
� 4/3<br />
(5.101)<br />
Über <strong>die</strong> Größe des Parameters β kann in Eddingtons Standardmodell noch frei verfügt werden. Als<br />
Funktionen von ρ ausgedrückt gilt dann<br />
P = Kpρ 4<br />
�<br />
k<br />
3 mit Kp =<br />
˜µmHβ<br />
�4/3 � �1/3 3(1 − β)<br />
a<br />
(5.102)<br />
für den Druck P . Das ist eine polytrope Zustandsgleichung (Polytrope zum Index s = 4/3), <strong>die</strong> wir<br />
bereits kennen. Für <strong>die</strong> Temperatur T erhält man<br />
T =<br />
� �1/3 �<br />
3(1 − β)k 1<br />
βa<br />
˜µmH<br />
� 4/3<br />
ρ 1/3<br />
• ZUSATZ<br />
Eine etwas physikalischere Interpretation des Ansatzes von Eddington erhält man wie folgt. Es ist<br />
1 − β = Pγ<br />
P<br />
∝ T 4<br />
nT<br />
∝ T 3<br />
n<br />
∝ s<br />
n<br />
(5.103)<br />
(5.104)<br />
<strong>die</strong> Entropie pro <strong>Teil</strong>chen; d. h. es handelt sich um isentrope Sternmodelle. Für massive Sterne ist das eine gute Näherung,<br />
da <strong>die</strong>se turbulent sind und vom Photonendruck dominiert werden. Für <strong>die</strong> Leuchtkraft L gilt<br />
L = (1 − β) 4πGc<br />
M (5.105)<br />
κ<br />
5.3.2 Wärmetransport<br />
Im allgemeinen muß man allerdings T separat bestimmen, was nur möglich ist, falls man weiß, wie<br />
Wärme im Innern eines Sterns erzeugt und transportiert wird. Wärmeerzeugung (Kernfusion) und<br />
Wärmetransport (Strahlungstransport) werden wir später deshalb noch ausführlich behandeln. Hier<br />
betrachten wir zunächst nur das Notwendigste, um <strong>die</strong> Grundlagen der folgenden, einfachen Sternmodelle<br />
verstehen zu können. Dabei stellt sich heraus, daß es auf <strong>die</strong> Physik der Wärmeerzeugung gar<br />
nicht ankommt, sie ist durch das Modell vollständig bestimmt.<br />
Prinzipiell gibt es drei verschiedene Möglichkeiten, Wärmeenergie von einem Ort höher Temperatur<br />
an einen mit niedigerer Temperatur zu bringen:<br />
1. Konvektion = Turbulenz<br />
Das Gas wird in makroskopischen Zellen von warmen Stellen zu kalten durch Auftrieb transportiert.<br />
Damit sich an den kalten Stellen keine Materie ansammelt, muß im Gegenzug kaltes Gas<br />
absinken. Es handelt sich um eine turbulente Strömung.
5.3. HYDRODYNAMISCHES GLEICHGEWICHT 289<br />
2. Konduktion = Wärmeleitung durch Stöße<br />
Die kinetische Energie des Gases, Ekin = NkT , wird durch Stöße übertragen. Für ein vollständig<br />
ionisiertes Gas gilt genähert<br />
KL ∝ cvρvkin<br />
nσ<br />
k3/2 B T<br />
∝ 1/2<br />
m1/2σ = 10 6 T 1/2<br />
6<br />
erg cm −1 s −1 K −1<br />
für Elektron - Proton Streuung. Konduktion ist wichtig in entarteter Materie (weiße Zwerge,<br />
Neutronensterne) für Sterne auf der Hauptreihe spielt sie keine Rolle. Für <strong>die</strong> Sonne ist K ∝<br />
10 15 .<br />
3. Strahlungstransport durch Photonen<br />
Transportiert wird Energie (Index E) in Form von el. mag. Strahlung. Aufgabe der Strahlungstransporttheorie<br />
ist es, <strong>die</strong> Transportgleichung aus den Maxwellschen Gleichungen herzuleiten.<br />
Wie dort gezeigt wird, kann man dazu <strong>die</strong> Kontinuitätsgleichung (Energiesatz oder Poyntingscher<br />
Satz) für den Wärmestrom �qE heranziehen. Damit wird das Problem allerdings ein globales<br />
Randwertproblem. Es gilt dann (lokal und im stationären Gleichgewicht) für <strong>die</strong> Wärmestromdichte,<br />
�qE, <strong>die</strong> Kontinuitätsgleichung<br />
´ɛ + div�qE = 0 (5.106)<br />
wobei ´ɛ <strong>die</strong> Rate ist, mit der Energie pro Volumen und Zeit dissipiert wird. In Sternen wird<br />
Energie nicht dissipiert sondern erzeugt. Die Erzeugungsrate, ´ɛ = −ɛρ, ist selbst wieder extrem<br />
empfindlich von der Temperatur (und von der Dichte) abhängig. Die Wärmeleitgleichung<br />
(Ohmsches Gesetz der Thermodynamik)<br />
�qE = −KE∇T (5.107)<br />
verknüpft schließlich Wärmestrom und Temperatur. Wir haben damit als zusätzliche Gleichung<br />
(Energieerzeugung)<br />
div(KE∇T ) = ´ɛ(ρ, T ) (5.108)<br />
mit den Randbedingungen T endlich im Zentrum, r = 0, und für r = R (Radius des Sterns) muß<br />
in einfachster Näherung T (R) = 0 gelten.<br />
Anstatt der Wärmestromdichte, �qE, benutzt man in der Strahlungstransporttheorie <strong>die</strong> Flächenhelligkeit<br />
�F = �qE, und schreibt<br />
div � F = ɛρ (5.109)<br />
wobei ɛ <strong>die</strong> Rate ist mit der Energie pro Masse und Zeit erzeugt wird. Statt des Wärmestroms betrachtet<br />
man <strong>die</strong> Leuchtkraft, wobei<br />
L(r) = 4πr 2 �qE<br />
ist. Damit lautet <strong>die</strong> Energieerzeugungs-Gleichung<br />
(5.110)<br />
L ′ = 4πr 2 ɛρ (5.111)<br />
mit der Randbedingung L(0) = 0 im Zentrum, r = 0. Für einen schwarzen Strahler muß<br />
L = 4πR 2 σT 4<br />
(5.112)<br />
gelten, wodurch eine neue Oberflächen - Temperatur definiert wird. Diese heißt effektive Temperatur<br />
und kann dazu benutzt werden, etwas bessere Randbedingungen zu formulieren.
290 KAPITEL 5. HYDRODYNAMIK: STERNMODELLE<br />
• ANMERKUNG (DIE FOURIERSCHE GLEICHUNG DER WÄRMELEITUNG)<br />
Wir gehen aus von Gleichung (Energieerzeugung)<br />
div(KE∇T ) = ´ɛ(ρ, T ) (5.113)<br />
und nehmen an, daß keine Energieerzeugung stattfindet. Dann kann für ein ideales Gas in hinreichend kleinem Volumen<br />
für den Wärmeverlust durch Abkühlen<br />
´ɛ(ρ, T ) = cV ˙<br />
T (5.114)<br />
gesetzt werden. Im homogenen Medium ist KE konstant und wir erhalten <strong>die</strong> Fouriersche Gleichung der Wärmeleitung<br />
∆T = 1 ∂T<br />
k ∂t<br />
mit der Temperaturleitfähigkeit k = cV /KE.<br />
Die Opazität<br />
(5.115)<br />
Um den Wärmeleitkoeffizienten KE mit der freien Weglänge lγ für Photonen zu verknüpfen, schreiben<br />
wir für den Wärmestrom (in radialer Richtung)<br />
qE = −lγ∇ a<br />
3 T 4 c = −KE∇T (5.116)<br />
und erhalten, wenn wir noch statt der freien Weglänge lγ den Massenabsorptionskoeffizienten (Opazität)<br />
κ einführen<br />
KE = 4ac 3<br />
T<br />
3κρ<br />
lγ = 1<br />
κρ<br />
Die Opazität κ kann in wichtigen Spezialfällen analytisch bestimmt werden.<br />
(5.117)<br />
1. Thomson Streuung<br />
Die Streuung von Photonen an freien Elektronen der <strong>Teil</strong>chendichte ne ist für heiße Sterne der<br />
dominierende Prozeß mit dem frequenzunabhängigen Thomson Wirkungsquerschnitt σ T:<br />
σ T = 8π<br />
3<br />
� e 2<br />
mc 2<br />
und der Opazität κe<br />
κe = σ Tne<br />
ρ<br />
In Zahlen, mit<br />
σ T<br />
mH<br />
Z<br />
=<br />
A<br />
� 2<br />
σ T<br />
mH<br />
= 0.40 cm 2<br />
oder, zum Merken,<br />
κe = 2Z<br />
5A<br />
= 8π<br />
3 r2 e<br />
g −1<br />
= 1 + xH<br />
5<br />
cm 2<br />
g −1<br />
(5.118)<br />
(5.119)
5.4. LICHT: DIE GROSSEN ENTDECKUNGEN 291<br />
2. Photoeffekt (Kramers Opazität)<br />
Für Sterne wie <strong>die</strong> Sonne sind der Photoeffekt und Bremsstrahlung (Streuung von Photonen an<br />
freien Elektronen im Feld von Protonen) der dominante Prozeß. Er kann ebenfalls analytisch<br />
angegeben werden. Das Rosseland Mittel für <strong>die</strong> Opazität lautet<br />
κ = 6.45 × 10 22 fe,i ρ T −7/2<br />
cm 2 g −1<br />
geschrieben als Funktion der Dichte ρ mit ρfi = niAmH<br />
fe,i =<br />
�<br />
fefiZ 2<br />
�<br />
A<br />
= (1 + xH)(XH + XHe + XZ)<br />
wobei XZ = ΣixiZ 2 i A −1<br />
i den Beitrag der schwereren Elemente (Metalle) berücksichtigt.<br />
(5.120)<br />
Ein Vergleich von Thomson Streuung und Photoeffekt bzw. Bremsstrahlung zeigt, <strong>die</strong> Bremsstrahlungsopazität<br />
ist dichteabhängig, es gibt also eine kritische Dichte, unterhalb derer Thomson Streuung<br />
dominiert. Bei sehr heißen Sternen führt das auf eine universelle obere Schranke für <strong>die</strong> Leuchtkraft<br />
eines Sterns.<br />
LEdd = 4πGmHMc<br />
= 10 4.5<br />
� �<br />
M<br />
L⊙ = 1.3 · 10 38<br />
� �<br />
M<br />
mH erg s−1 (5.121)<br />
σT h<br />
M⊙<br />
• ZUSATZ (DIE SONNE)<br />
Angewandt auf <strong>die</strong> Sonne erhält man etwa (für das Innere der Sonne)<br />
und<br />
lγ = 2 cm für Thomson Streuung<br />
lγ = 0.4 cm für Bremsstrahlung.<br />
Der Druck stammt fast vollständig von der thermischen Bewegung,<br />
1 − β = Pγ<br />
P<br />
≈ 0.003<br />
d. h. es ist P ≈ (ρ/˜µmH)kT .<br />
Am Sonnenrand (Photosphäre) ist <strong>die</strong> Massendichte nur noch etwa ρ = 10 −7 g cm −3 oder n = 10 17 cm −3 . Nach Glchg.<br />
(5.117) ist lγ = 1/κρ und somit ergibt sich für Thomson Streuung, <strong>die</strong> hier dominiert, eine freie Weglänge von etwa 200<br />
km. So tief kann man in <strong>die</strong> Photosphäre hineinsehen, d. h. auf <strong>die</strong>ser Längenskala können sich Unebenheiten ergeben. Da<br />
der Radius der Sonne R⊙ = 7 · 10 10 cm beträgt, ist <strong>die</strong> Abweichung von einer Kugel sehr gering.<br />
5.4 Licht: Die grossen Entdeckungen<br />
Das volle Spektrum elektromagnetischer Strahlung ist erst seit kurzer Zeit für <strong>die</strong> Astronomie (durch<br />
Raketen oder Satelliten) verfügbar. Das menschliche Auge ist seiner Empfindlichkeit auf den winzigen<br />
Frequenzbereich [3.75 ≤ ν ≤ 7.5]10 15 Hz oder in Wellenlängen [0.4 ≤ ν ≤ 0.8] µm optimiert.<br />
Bis 1800<br />
war der Nachweis von Licht auf das menschliche Auge beschränkt. Herschel wies 1800 erstmals<br />
<strong>die</strong> Infrarotstrahlung der Sonne mit Prisma und Thermometer nach.<br />
1840<br />
wurde das erste Astrophoto aufgenommen. Seither kann man Photonen aufad<strong>die</strong>ren.<br />
M⊙
292 KAPITEL 5. HYDRODYNAMIK: STERNMODELLE<br />
1860<br />
Maxwell begründet seine Lichttheorie.<br />
1887<br />
Die Arbeiten von Hertz zeigen experimentell <strong>die</strong> Richtigkeit der Maxwellschen Theorie und<br />
das gesamte Gebiet der optischen Erscheinungen wird damit <strong>Teil</strong> der Elektrodynamik. Auf <strong>die</strong><br />
Entdeckung elektromagnetischer Wellen am 13. 11. 1886 folgte <strong>die</strong> des Photoeffekts im Jahre<br />
1887.<br />
1900<br />
Planck formuliert seine Quantenhypothese (bei Photonen der Wärmestrahlung):<br />
Der Austausch von Energie erfolgt in Quanten der Größe hν<br />
und nicht etwa kontinuierlich. Die Energie E eines Photons und das Plancksche Wirkungsquantum<br />
h sind mit der Frequenz ν wie folgt verbunden:<br />
E = hν<br />
1901<br />
Erste transatlantischen Radioübertragung (Marconi).<br />
Entdeckung der Heavyside Schicht.<br />
1905<br />
Einstein führt das Photon ein und erklärt so den Photoeffekt.<br />
Einstein formuliert <strong>die</strong> Grundlagen der speziellen Relativitätstheorie. Die Konstanz der Lichtgeschwindigkeit,<br />
d. h. das Ergebnis des Michelson-Morley Versuchs, ist bei ihm Grundpostulat.<br />
5.4.1 Die Sonne als Strahlungsquelle<br />
Erste Erkentnisse<br />
1. Galilei (1610)<br />
bildet <strong>die</strong> Sonne mit seinem selbstgebauten Teleskop auf einem reflektierende Untergrund ab. Er<br />
entdeckte so <strong>die</strong> Sonnenflecken und mit ihnen <strong>die</strong> Rotation der Sonne. Seine Entdeckung der Jupitermonde<br />
und seine Pendelgesetze sind Grundlage der Bestimmung der Lichtgeschwindigkeit.<br />
2. Newton (1672)<br />
zerlegt das Sonnenlicht in seine Spektralfarben vermittels eines Prismas.<br />
3. Römer (1676)<br />
bestimmt <strong>die</strong> Lichtgeschwindigkeit anhand der Jupitermonde.<br />
Spektroskopie und Fotografie<br />
1. Fraunhofer (1817)<br />
Das älteste Beispiel für diskrete Linienabsorption sind <strong>die</strong> Dunkellinien im Spektrum der Sonne<br />
und dabei besonders <strong>die</strong> winzige Aufspaltung der Na D-Linie.
5.4. LICHT: DIE GROSSEN ENTDECKUNGEN 293<br />
2. H. Draper, (1840); Whipple, (1850) Benutzung der Photoplatte<br />
Draper (1837 - 1882) macht 1840 das erste Astrophoto (auf Daguerre Platte vom Mond) und<br />
legt auf Photoplatten einen Katalog (von heute 225 000 Spektren; Bezeichnung: HD für Henry<br />
Draper) an.<br />
3. G. Kirchhoff, R. Bunsen (1860)<br />
entdecken <strong>die</strong> Umkehrung der Na D-Linie des Sonnenlichts.<br />
4. Kirchhoffs Umkehrschicht<br />
Von Kirchhoff stammt auch das erste Modell, <strong>die</strong> Absorptionslinien der Sonne zu erklären. Diese<br />
so genannte Umkehrschicht (ein optisch dünnes, kälteres Gas vor der heißen Strahlungsquelle<br />
der Sonne) würde vermutlich bei einer Sonnenfinsternis als selbst strahlendes Medium mit Emissionslinien<br />
zu beobachten sein.<br />
5. Huggins (1868)<br />
Der Dopplereffekt wurde 1842 von Doppler für Sterne vorhergesagt, von Fizeau genauer für<br />
Linienspektren für nachweisbar erachtet (Sterngeschwindigkeiten sind viel zu klein für einen<br />
Nachweis am Kontinuum) und von Huggins 1868 mit Photoplatte an den H Linien des Sirius<br />
entdeckt.<br />
6. Huggins (1824 - 1910) identifiziert <strong>die</strong> Wasserstofflinien in den Sternspektren. Er entdeckt als<br />
erster (1864) Emissionslinien der Nebel. Damit war <strong>die</strong> gängige Ansicht widerlegt, daß es gar<br />
keine eigentlichen Nebel gebe, sondern nur unaufgelöste Sternhaufen. Planetare Nebel (so genannt<br />
wegen ihres scheibenförmigen Aussehens) sind echte Gasnebel. Mit selbstkonstruiertem<br />
Sternspektroskop wird Huggins Pionier der Astro–Photometrie.<br />
7. 1868 Die Entdeckung von Helium.<br />
Noch vor der Verifizierung des Modells von Kirchhoff entdeckten Janssen und Lockyer im Jahre<br />
1868 bei einer Sonnenfinsternis im Spektrum der Chromosphäre der Sonne eine helle gelbe<br />
Linie, bei λ = 5876 ˚A, welche sie Helium tauften. Im Labor wurde <strong>die</strong>se Linie erst von Ramsay<br />
im Jahre 1895 identifiziert (als Zerfallsprodukt bei radioaktivem Uranzerfall: α-Strahlung).<br />
8. Young (1870) ’flash’ Spektrum<br />
Nach einigen vergeblichen vorhergegangen Versuchen wurde <strong>die</strong> Emission der Umkehrschicht<br />
tatsächlich von Charles A. Young (nur zwei Sekunden lang) beobachtet: Kirchhoffs ’flash’ Spektrum<br />
ist ein reines Emissionsspektrum.<br />
9. Zeeman (1896)<br />
Noch vor Formulierung des Bohrschen Atommodells entdeckte Zeeman <strong>die</strong> Linienaufspaltung<br />
im Magnetfeld an der Na D-Linie, ein (kleiner) Effekt, nach dem M. Faraday so lange erfolglos<br />
gesucht hatte.<br />
10. Hale (1890, 1908)<br />
Hale erfindet 1890 den Spektroheliographen, der es erlaubt, <strong>die</strong> Sonne im Licht einer einzelnen<br />
Spektrallinie zu betrachten. Er baut sein eigenes Teleskop und entdeckt 1908 mit dem Zeeman-<br />
Effekt das Magetfeld der Sonnenflecken.<br />
Ergebnisse<br />
Erst <strong>die</strong> Quantenmechanik erlaubt ein quantitatives Verständnis der Vorgänge im Innern der Sonne.<br />
Wichtig sind <strong>die</strong> Arbeiten von Gamow, Bethe und von Weizsäcker.
294 KAPITEL 5. HYDRODYNAMIK: STERNMODELLE<br />
• ANMERKUNG (DAS RADIKAL H − IN DER SONNENATMOSPHÄRE)<br />
Seine theoretische Existenz wurde 1930 von Bethe postuliert, das H Atom ist nicht gesättigt. 1938 wurde von R. Wildt<br />
seine Bedeutung für <strong>die</strong> Sonne erkannt (grosser Streuquerschnitt bei niedriger Energie). 1945 wurde das Spektrum von<br />
Chandrasekhar berechnet und erst nach 1950 wurde H − indirekt im Labor durch <strong>die</strong> kontinuierliche Emission bei der<br />
Bildung nachgewiesen. H − hat nur einen gebundenen Zustand zu E = 0.754 eV.<br />
Für Sterne wie <strong>die</strong> Sonne wird <strong>die</strong> Opazität ganz wesentlich durch Spurenelemente wie Na (um Elektronen zu erhalten)<br />
und durch das Radikal H − bestimmt. Sterne wie <strong>die</strong> Sonne sind deshalb gelb (und nicht etwa grün), massive (leuchtkräftig<br />
und aufgeblasen) und massearme (niedrige Oberflächentemperatur) sind rot.
5.4. LICHT: DIE GROSSEN ENTDECKUNGEN 295<br />
5.4.2 Die interstellare Materie<br />
Die Existenz interstellarer Materie, insbesondere <strong>die</strong> von Staub hat lange Zeit <strong>die</strong> wahren Dimensionen<br />
in der Milchstraße und dem Kosmos verschleiert. Während <strong>die</strong> Existenz heute allgemein gesichert ist,<br />
ist nur wenig über <strong>die</strong> Herkunft bekannt.<br />
Komponenten<br />
Die wichtigsten Komponenten der Erdatmosphäre sind Luft (Moleküle), Staub und Plasma.<br />
Eine Stufe höher, im Sonnensystem, kommt zur interplanetraren Materie noch der Sonnenwind dazu.<br />
Alle <strong>die</strong>se Komponenten sind mittlerweile (durch Raketen und Satelliten) direkt nachgewiesen.<br />
Die interstellare Materie (ISM) ist dagegen bisher nur indirekt nachweisbar. Sie muß von der zirkumstellaren<br />
Materie unterschieden werden.<br />
Beim fortschreiten zu höheren Stufen, zur zirkumgalaktichen Materie (Halo der Milchstraße) oder gar<br />
zur intergalaktichen Materie, wird bereits das Ende der Nachweismöglichkeit erreicht. Wir werden<br />
<strong>die</strong>sen Beitrag deshalb beim kosmologischen Überblick subsummieren.<br />
• ANMERKUNG (DIE LUFT)<br />
1647 entdeckte B. Pascal den Luftdruck (traité du vide), den er durch Höhenmessungen mit einem Barometer nachweist.<br />
H. Cavendish (1731 - 1810) war der erste, der 1797 <strong>die</strong> heutige Zusammensetzung der Luft bestimmte, <strong>die</strong> Uratmosphäre<br />
der Erde bestand dagegen hauptsächlich aus H und He.<br />
Mariotte war der Erste, der zeigen konnte, daß der Wasserhaushalt der Erde abgeschlossen ist. Er bestimmte dazu <strong>die</strong><br />
Niederschlagsmenge im Einzugsbereich der Seine und deren Durchflussrate (in Paris).<br />
J. Jeans untersuchte das Verdampfen der Erdatmosphäre aus der Exosphäre. Die leichten Atome (H, He) der Erdatmosphäre<br />
können effektiv entweichen, <strong>die</strong> schweren nicht. Insbesondere der Wasserhaushalt der Erdatmosphäre ist abgeschlossen.<br />
1. Hess (1911 bis 1913)<br />
entdeckt bei der geplanten Verbesserung seines Elektoskops eine unbekannte Entladungsquelle,<br />
welche er mit Hilfe von Ballonflügen als Höhenstrahlung kosmischer Herkunft identifizierte.<br />
Die Erzeugung der hochenergetischen Komponente <strong>die</strong>ser kosmischen Strahlung ist bis heute<br />
ungeklärt.<br />
2. Hartmann (1911)<br />
entdeckt eine scharfe Absorptionslinie, <strong>die</strong> berühmte ruhende Kalziumlinie im Spektrum des<br />
spektroskopischen Doppelsternes δ Orionis. Sie wird verursacht durch <strong>die</strong> ISM und wurde zunächst<br />
nicht in ihrer Tragweite richtig eingeschätzt, als alternative Möglichkeit wurde zirkumstellare<br />
Materie diskutiert.<br />
3. Bowen (1927)<br />
erklärt <strong>die</strong> beiden grünen Nebellinien von O 2+ = O ++ = [O III] bei 5007 und 4959 ˚A (ursprünglich<br />
einem hypotetischen Element Nebulium zugeschrieben) als Interkombinationslinien<br />
(magn. Übergänge 2p 2 1 D2 → 2p 2 3 P2 bzw. 2p 2 1 D2 → 2p 2 3 P1) des zweifach ionisierten O.<br />
4. Trümpler (1930)<br />
entdeckt Staub in unserer Milchstraße. Der Nachweis war indirekt: an den galaktischen Sternhaufen<br />
hatte Trümpler <strong>die</strong> Standardkerzen der Galaxis geeicht und dabei nebenbei <strong>die</strong> interstellare<br />
Absorption AV durch Staub bestätigt!<br />
5. Weinreb et al. (1963)<br />
finden OH (mit vier Hyperfeinlinien, wie von Shkolvski vorher diskutiert) als erstes Molekül in<br />
Absorption. Kurz darauf wurde OH auch in Emission (in der Nähe von starken Radioquellen,<br />
<strong>die</strong> Westerhout vorher entdeckt hatte) gefunden. Die Linien sind sehr schmal, <strong>die</strong> Strahlung ist<br />
hochgradig polarisiert und sie wurde (von Perkins, Gold und Salpeter) als Maser interpretiert.<br />
Maser ist ein Akronym für Microwave Amplification by Stimulated Emission of Radiation.
296 KAPITEL 5. HYDRODYNAMIK: STERNMODELLE<br />
Ergebnisse<br />
Wir beginnen mit Prototypen von wichtigen Quellen, <strong>die</strong> besonders nah oder besonders gut untersucht<br />
sind:<br />
1. Dunkelwolke<br />
Taurus Molekülwolke (TMC1) Abstand 120 pc. Hier wurden <strong>die</strong> schwersten Moleküle gefunden.<br />
Eingebettet sind Globulen (Sternentstehung).<br />
2. Reflektionsnebel<br />
Electra Nebel (angeleuchtet vom B6III Plejaden Stern Electra, weitere Nebel sind um den B7III<br />
Stern Maja und um Merope, ein B6IVn Stern), Entfernung 116 pc, liegt in M45.<br />
3. H II Region<br />
Orion Molekülwolke (OMC) Abstand 500 pc. In einigen Myr wird hier ein offener Sternhaufen<br />
wie <strong>die</strong> Plejaden entstanden sein.<br />
4. Planetarer Nebel<br />
5. Supernova Rest<br />
Erst <strong>die</strong> Radioastronomie hat folgendes Bild der ISM ergeben.<br />
Die ISM unserer Galaxis hat (bezogen auf <strong>die</strong> Masse) <strong>die</strong> folgenden beiden Komponenten: 99% Gas<br />
und 1% Staub. Die Gaskomponente (etwa 10 10 M⊙)<br />
ist aufgeteilt in 50% atomares Gas (H I Regionen)<br />
und 50% molekulares Gas. Letzteres steckt<br />
hauptsächlich in den massivsten Molekülwolken<br />
(mit Massen > 10 6 M⊙).<br />
Etwa 3% des atomaren Gases ist ionisiert, in dichten<br />
Molekülwolken beträgt der Ionisationsgrad dagegen<br />
nur 10 −8 , <strong>die</strong> Ionisation wird durch <strong>die</strong><br />
kosmische Strahlung bewirkt. Diese wird durch<br />
ein Magnetfeld von einigen µ Gauß in der Galaxis<br />
gehalten. Die hochenergetischen Komponenten<br />
(Protonen, Elektronen) der kosmischen Strahlung<br />
müßen ständig nachgeliefert werden.<br />
Interstellare Nebel<br />
Typ v D n M<br />
km s −1 pc cm −3 M⊙<br />
Dunkelwolke 0.1 − 1 1 − 10 10 4 10 3<br />
Reflektionsnebel<br />
H II Region 3 − 30 1 − 50 10 5 10 6<br />
Planetare Nebel 100 1 − 2 10 −1 10 −2<br />
Supernova Reste 5000 1 − 5 10 −2 2<br />
Zirkumstellare<br />
Interstellare Wolken<br />
Hüllen 20 − 30 0.1 − 5 10 −2<br />
Die Gas Komponenten unterscheiden sich einer-<br />
Tab. 5.2: Daten zu Nebeln<br />
seits in Dichte und Temperatur, andererseits in Masse und Verteilung in der Galaxis. Die Daten der<br />
Tabelle sind Richtwerte. Reflektionsnebel sind Wolken mit eingelagertem Staub, <strong>die</strong> von einem Stern<br />
beleuchtet (nicht aber ionisiert) werden. Dazu muß der Stern vom Spektraltyp später als B0 sein.
5.4. LICHT: DIE GROSSEN ENTDECKUNGEN 297<br />
5.4.3 Hydrostatisches Gleichgewicht<br />
Im statischen Gleichgewicht, also ohne Rotation, ist �v = 0. In <strong>die</strong>sem Fall kann man Newtonsch (s.u.)<br />
Kugelsymmetrie voraussetzen. Wir geben im folgenden <strong>die</strong> allgemeinen Sternstrukturgleichungen für<br />
das hydrostatische Gleichgewicht.<br />
Grundgleichungen einer Kugel<br />
Im Falle kugelsymmetrischer Materieverteilung können wir <strong>die</strong> Grundgleichungen wie folgt schreiben:<br />
Die Masse wird aus<br />
m ′ = 4πρr 2<br />
bestimmt, als Ersatz für <strong>die</strong> Potentialgleichung (5.76) oder (5.88). Ferner kann damit<br />
P ′ = −ρ Gm(r)<br />
r 2<br />
(5.122)<br />
(5.123)<br />
als Gleichung des hydrostatischen Gleichgewichts geschrieben werden. Die Wärmeleitgleichung, Glchg.<br />
(5.116) schreiben wir mit dem Massenabsorptionskoeffizienten, Glchg. (5.117) um in<br />
T ′ = − 3κρ(r)L(r)<br />
16πacr 2 T 3 (r)<br />
bzw. als Kraftgleichung geschrieben<br />
P ′ γ = − κρ(r)L(r)<br />
4πcr 2<br />
Zusammen mit Glchg. (5.111) für <strong>die</strong> Energieerzeugung<br />
(5.124)<br />
(5.125)<br />
L ′ = 4πr 2 ɛρ (5.126)<br />
ist das der vollständige Satz zur Bestimmung nichtentarteter, statischer Sternmodelle.<br />
Die Randbedingungen sind gemischt, 2 im Zentrum und 2 am Rand, was <strong>die</strong> numerische Konstruktion<br />
enorm erschwert:<br />
1. m(0) = 0, da keine Massen-Singularität im Zentrum vorliegt.<br />
2. L(0) = 0, keine Leucht-Energie Singularität im Zentrum.<br />
3. P (R) = 0, Stetigkeit (Gra<strong>die</strong>nt des Drucks ist Kraftdichte).<br />
4. T (R) = 0, einfachste Näherung.<br />
In Eddingtons Standardmodell ist<br />
β = PG<br />
P<br />
und 1 − β = Pγ<br />
P<br />
und β = const liefert folgende Bedingung im gesamten Sterninnern:<br />
1 − β = κ<br />
4πGc<br />
L(r)<br />
m(r)<br />
= κɛ<br />
4πGc<br />
(5.127)<br />
(5.128)<br />
wie man aus der Division von Glchg. (5.125) durch Glchg. (5.123), bzw. von Glchg. (5.126) durch<br />
Glchg. (5.122) ersieht.<br />
Es ist also κɛ = const, und <strong>die</strong> Energieerzeugungs - Gleichung kann integriert werden. Die vier Grundgleichungen<br />
zerfallen dadurch in je zwei zueinander proportionale Gleichungen. Diese werden wir im<br />
folgenden genauer betrachten.
298 KAPITEL 5. HYDRODYNAMIK: STERNMODELLE<br />
Die korrekte Beschreibung der physikalischen Bedingungen an der Oberfläche, d. h. <strong>die</strong> Herleitung<br />
der Randbedingung für T , ist Aufgabe der Strahlungstransport Theorie. Bisher haben wir P (R) = 0<br />
gefordert, was nur bei entarteten Sterne mit fester Oberfläche exakt ist. Eine einfache Verbesserung<br />
erhält man, indem man, s. Glchg (5.112), für T = T (R) fordert,<br />
L = 4πR 2 σT 4<br />
(5.129)<br />
Dadurch wird eine effektive Strahlungstemperatur definiert, <strong>die</strong> nichts mit der bisher betrachteten Temperatur<br />
(des Gases bzw. der Photonen) zu tun hat.<br />
5.4.4 Polytrope Sterne<br />
Falls der Druck nur eine Funktion der Dichte ist, P = P (ρ), kann man P aus der Differentialgleichung<br />
des hydrostatischen Gleichgewichts eliminieren:<br />
dP<br />
dr =<br />
� �<br />
dP dρ<br />
dρ dr<br />
χ dρ<br />
=<br />
ρ dr<br />
(5.130)<br />
Die hier auftretende Größe χ heißt Kompressibilität.<br />
Man muß im allgemeinen zwischen statischer und dynamischer Kompressibilität unterscheiden. Im<br />
letzteren Fall ist cs bei adiabatischen Änderungen gegeben durch<br />
c 2 s =<br />
� �<br />
dP<br />
dρ S<br />
(5.131)<br />
Bei entarteten Sternen ist S maximal und cs ist in jedem Fall <strong>die</strong> Schallgeschwindigkeit. Sonst muß<br />
spezifiziert werden, wie <strong>die</strong> Änderung von P zustande kommt (adiabatisch, S = const oder, bei sehr<br />
guter Wärmeleitfähigkeit, isotherm). Man erhält mit der hydrostatischen Kompressibilität χ(ρ)<br />
ρ ′ = − Gρ2 m(r)<br />
χr 2<br />
Die einfachsten Zustandsgleichungen sind<br />
1. inkompressible Materie, ρ = const. (χ = ∞),<br />
2. lichtartige Materie, P = Kρc 2 mit K = const = 1/3,<br />
3. druckfreie Materie (’Staub’), P = 0.<br />
(5.132)<br />
Diese sind von grossem Interesse und können nicht als Polytrope behandelt werden. Wir geben einige<br />
Extremfälle und ihre Dynamik.<br />
• BEISPIEL (DIE HOMOGENE GASKUGEL)<br />
Die homogene, ruhende Gaskugel wird als Ausgangskonfiguration bei der Herleitung des Jeans–Kriteriums benutzt. Für<br />
<strong>die</strong> Masse gilt im Innern, für r < R,<br />
M(r) = 4π<br />
3 ρr3<br />
(5.133)<br />
Die Gesamtmasse ist M(R). Die ungestörte Innen-Lösung lautet im hydrodynamischen Gleichgewicht für eine Kugel der<br />
Massendichte ρ und mit Radius R, bei Berücksichtigung der Gravitation mit Potential V<br />
V = 2π<br />
3 Gρ(r2 − 3R 2 ) (5.134)<br />
P = 2π<br />
3 Gρ2 (R 2 − r 2 ) (5.135)
5.4. LICHT: DIE GROSSEN ENTDECKUNGEN 299<br />
und außen, für r > R, gilt:<br />
V = −G M(R)<br />
(5.136)<br />
r<br />
Wir führen im Innern, wo m(r) eine monoton wachsende Funktion von r ist, dimensionslose Variablen ein: <strong>die</strong>se sind <strong>die</strong><br />
Radialkoordinate, ξ = r/R und relative Masse, m = M(r)/M(R) = ξ1/3 .<br />
V = G M(R)<br />
(ξ<br />
2<br />
2 − 3) (5.137)<br />
P = G ρM(R)<br />
(1 − ξ<br />
2<br />
2 ) (5.138)<br />
Für Untersuchungen, bei denen <strong>die</strong> Masse fest vorgegeben ist, ist es nützlich, statt der Radialkoordinate ξ als unabhängiger<br />
Variablen <strong>die</strong> dimensionslose Masse m zu benutzen. Man erhält dann:<br />
V = G M(R)<br />
(m<br />
2<br />
2/3 − 3) (5.139)<br />
P = G ρM(R)<br />
(1 − m<br />
2<br />
2/3 ) (5.140)<br />
Dadurch werden <strong>die</strong> Gleichungen leider singulär im Ursprung m = 0.<br />
• BEISPIEL (DIE HOMOGENE GASKUGEL IN DER ART)<br />
Es ist lehrreich <strong>die</strong> Newtonsche Gravitationstheorie und <strong>die</strong> Allgemeine Relativitätstheorie in Bezug auf ihre Beschreibung<br />
des gravischen Gleichgewichts eines Sterns zu vergleichen. In der ART lautet <strong>die</strong> Gleichung des hydrostatischen Gleichgewichts<br />
(<strong>die</strong> Tolman - Oppenheimer - Volkoff Gleichung, abgekürzt zu TOV Gleichung) wie wir später zeigen werden:<br />
P ′ = −G (ρ + ζP ) � m + 4πζr 3 P �<br />
r(r − 2ζGm)<br />
mit der Randbedingung<br />
; ζ = 1<br />
c 2<br />
(5.141)<br />
P (R) = 0 (5.142)<br />
Wir wollen hier nur einige relativistische Aspekte ihrer Lösungen erläutern. Eine ausführliche Diskussion folgt im Kapitel<br />
Neutronensterne.<br />
Als Gleichung des hydrostatischen Gleichgewichts wird <strong>die</strong> TOV-Gleichung exakt lösbar für ein Sternmodell (eines Neutronensterns)<br />
mit inkompressibler Materie, d. h. mit der Zustandsgleichung ρ = const. Für <strong>die</strong> Masse M(r) erhalten wir<br />
eine zur Newtonschen Relation formal identische Abhängigkeit von Dichte ρ und Masse M(r).<br />
Mit den dimensionslosen Variablen<br />
y = P<br />
ρc2 ; x = 4πG<br />
ρr2 ; x0 =<br />
3c2 GM<br />
c2 (5.143)<br />
R<br />
lautet <strong>die</strong> TOV-Gleichung dann mit ξ = r/R und x0 = const im Innenraum,<br />
− 2 dy (1 + y)(1 + 3y)<br />
=<br />
dx 1 − 2x<br />
Die Lösung <strong>die</strong>ser Riccatischen Differentialgleichung ist elementar. Dazu schreibt man<br />
dy<br />
dx<br />
= −<br />
(1 + y)(1 + 3y) 2(1 − 2x)<br />
und integriert. Das liefert <strong>die</strong> sog. innere Schwarzschild-Lösung mit folgendem Druck P :<br />
P = ρc 2<br />
�<br />
1 − 2x0ξ2 − √ 1 − 2x0<br />
3 √ 1 − 2x0 − � 1 − 2x0ξ2 mit<br />
r<br />
ξ =<br />
R<br />
und dem erstaunlichen Ergebnis, daß der Druck im Zentrum<br />
P (0)<br />
ρc 2 = 1 − √ 1 − 2x0<br />
3 √ 1 − 2x0 − 1<br />
(5.144)<br />
(5.145)<br />
(5.146)<br />
(5.147)<br />
für endliche Dichte, Masse und Radius unendlich wird!<br />
Dies ist <strong>die</strong> Grundlage für <strong>die</strong> Existenz schwarzer Löcher. Wir sehen, daß <strong>die</strong> Größe σg = 2x0 ein Maß dafür ist, wie<br />
relativistisch ein Stern ist, hier, wie nah der tatsächliche Radius des Sterns an den Schwarzschildradius Rs heranreicht. Ein<br />
inkompressibler Stern muß<br />
σg = 2x0 < 8/9 (5.148)<br />
erfüllen, realistische Sterne erreichen viel weniger.
300 KAPITEL 5. HYDRODYNAMIK: STERNMODELLE<br />
• BEISPIEL (EXTREMFALL: STERN AUS LICHT)<br />
Als weiteres Beispiel von beträchtlichem Interesse betrachten wir lichtartige Materie, mit der Zustandsgleichung P = Kρc 2<br />
mit K = const. Licht hat dabei K = 1/3. Die Lösung ist sogar für unendliche zentrale Dichte nicht endlich: man erhält ein<br />
ganzes Universum unendlicher Masse. Mit dem Ansatz<br />
P = Kρc 2 = A<br />
r2 ; M(r) = 4πA<br />
erhalten wir Newtonsch<br />
r<br />
Kc2 (5.149)<br />
− 2 A A<br />
= −G<br />
r3 Kc2r 2<br />
4πA<br />
Kc2r Dies kann wie folgt geschrieben werden:<br />
(5.150)<br />
M(r) = K2 c 2<br />
G<br />
r (5.151)<br />
In Vorbereitung auf <strong>die</strong> Allgemeine Relativitätstheorie, kann <strong>die</strong>s auch wie folgt geschrieben werden<br />
4K 2 = 2GM(r)<br />
c 2 r<br />
≡ x<br />
Die Allgemeine Relativitätstheorie liefert dann mit der TOV-Gleichung folgende Modifikation.<br />
4K 2 =<br />
(1 + K)2<br />
1 − K x<br />
Für x erhält man einen kleineren Wert (aber immer noch keinen Stern aus Licht)<br />
x ≡ 2GM(r)<br />
c 2 r<br />
= A<br />
1 + A<br />
; A =<br />
� 2K<br />
1 + K<br />
� 2<br />
Bereits <strong>die</strong>se Näherungen erlauben es, einige interessante Schlüsse über <strong>die</strong> Dynamik zu ziehen. Wir<br />
betrachten für einen ersten, groben Überblick <strong>die</strong> folgenden Fälle:<br />
1. Schwingung eines Testteilchens im Gravitationsfeld einer statischen Kugel (Reise zum Zentrum<br />
der Erde).<br />
2. Kollaps der gesamten Kugel (Staubwolke ohne Druck)<br />
3. Schwingung (Pulsation) der gesamten Kugel (Erde mit Druck)<br />
welche später noch genauer untersucht werden.<br />
Schwingung eines <strong>Teil</strong>chens im Feld einer statischen Kugel<br />
In <strong>die</strong>sem Fall gilt folgende Bewegungsgleichung für r(t):<br />
¨r = − Gm(r)<br />
r2 = −G4πρ r<br />
3<br />
mit der Lösung (Start an der Oberfläche r = R zum Zeitpunkt t = 0):<br />
�<br />
(5.152)<br />
r(t) = R cos ωt ω =<br />
4πGρ<br />
3<br />
(5.153)<br />
Das ist eine harmonische Schwingung mit der Periode (einmal zur Antipode und zurück in T⊕ = 84.1<br />
min oder 5045 s):<br />
Π = 2π<br />
ω =<br />
�<br />
3π<br />
Gρ<br />
(5.154)<br />
Die Größe<br />
�<br />
ˆΠ<br />
1<br />
=<br />
Gρ<br />
(5.155)<br />
ist eine für alle Schwingungs - Vorgänge charakteristische Zeit. Für <strong>die</strong> Sonne, mit einer mittleren<br />
Dichte ¯ρ⊙ ≈ 1.41 g cm −3 , ist ˆ Π⊙ = 54 min. und für <strong>die</strong> Erde <strong>die</strong> Hälfte davon, ˆ Π⊕ = 27 min.
5.4. LICHT: DIE GROSSEN ENTDECKUNGEN 301<br />
• BEISPIEL (REISE ZUM ZENTRUM DER ERDE)<br />
Eine Reise zum Zentrum der Erde (durch einen hypothetischen Luftschacht) dauert (ein Viertel von Glchg. (5.154)) dem-<br />
nach<br />
T = Π<br />
4 =<br />
�<br />
3π<br />
16 ˆ Π⊕<br />
also etwa 21 Minuten.<br />
Die Formel (5.154) kann wie folgt geschrieben werden<br />
�<br />
R<br />
T = 2π ; g =<br />
g<br />
GM<br />
R2 Das ist <strong>die</strong> Galileische Formel für <strong>die</strong> Pendelschwingung (Länge l = R gleich Erdradius).<br />
Die mittlere Geschwindigkeit beträgt<br />
v = R<br />
T<br />
= 5.06 km s−1<br />
Setzt man (für <strong>die</strong> Schallgeschwindigkeit der Luft im Schacht) cs = 1/3 km s −1 , so entspricht <strong>die</strong>s v/cs = 15.3 Mach.<br />
Kollaps einer Gas Kugel<br />
Beim freien Kollaps ist<br />
¨r = a = − Gm(r0)<br />
r 2<br />
(5.156)<br />
(5.157)<br />
(5.158)<br />
zu lösen. Dabei ist m(r0) <strong>die</strong> konstante Masse innerhalb des Radius r(0) = r0 zum Zeitpunkt t = 0. Die<br />
Bewegung ist eine homologe Kontraktion: für jede Massenschale innerhalb von r gilt r(t) = f(t)r0 und<br />
<strong>die</strong> Dichte bleibt homogen. Die Lösung ist eine Zykloide und ihre Darstellung lautet in Parameterform<br />
cos 2 ζ = f(t) ; ζ + 1<br />
sin 2ζ =<br />
2<br />
�<br />
8πGρ<br />
t (5.159)<br />
3<br />
wobei ρ = ρ0 gesetzt wurde. Damit ist <strong>die</strong> Frei-Fallzeit (in <strong>die</strong> Singularität)<br />
�<br />
3π<br />
tff =<br />
32Gρ<br />
(5.160)<br />
was um den Faktor √ 2 schneller ist. Für <strong>die</strong> Oszillation erhalten wir T = Π, Glchg. (5.154) wie weiter<br />
unten gezeigt wird.<br />
Polytrope Zustandsgleichungen<br />
Wesentlich realistischer und immer noch einfach genug zu integrieren sind Zustandsgleichungen der<br />
Form (der Index p ist ab jetzt weggelassen, Kp = K)<br />
P = Kρ s<br />
und s = 1 + 1<br />
n<br />
(5.161)<br />
Sie heißen Polytrope zum Index s und man definiert den Index n so, daß für <strong>die</strong> Lane-Emden Differentialgleichung<br />
(5.165), s.u. eine einfache Beziehung gilt.<br />
Der Grenzfall n = 0 liefert inkompressible Materie. Die einfachsten Sternmodelle haben für gegebene<br />
Zustandsgleichung nur einen Parameter: <strong>die</strong> Masse M oder <strong>die</strong> zentrale Dichte ρc. Komplikationen wie<br />
Rotation, Magnetfeld oder Oszillationen werden erst einmal ignoriert. In der Newtonschen Theorie<br />
kann man in <strong>die</strong>sem Fall streng zeigen, daß <strong>die</strong> Gestalt eines Systems von <strong>Teil</strong>chen ohne Scherkräfte<br />
(’ideale Flüssigkeit’) eine Kugel ist (Minimum der freien Energie).
302 KAPITEL 5. HYDRODYNAMIK: STERNMODELLE<br />
Die Gravitationskraft rührt ausschließlich von der Masse m(r) innerhalb des Radius r her. Im Falle des<br />
hydrostatischen Gleichgewichts haben wir ein gekoppeltes System von 2 Dgln. für P und m zu lösen:<br />
und<br />
P ′ = −ρ Gm(r)<br />
r 2<br />
m ′ = 4πρr 2<br />
(5.162)<br />
(5.163)<br />
Die Randbedingung P (R) = 0 wird durch <strong>die</strong> Anfangsbedingung ρ(0) = ρc esetzt, und <strong>die</strong> Integration<br />
wird beendet, falls P (r) = 0 erreicht ist.<br />
Für Polytrope erhält man mit den dimensionslosen Variablen<br />
ρ = ρcΘ n<br />
r = ˆ �<br />
�<br />
�<br />
Rξ R ˆ<br />
�(n + 1)Kρ<br />
=<br />
1−n<br />
n<br />
c<br />
(5.164)<br />
4πG<br />
<strong>die</strong> Lane-Emden Differentialgleichung<br />
1<br />
ξ2 �<br />
d 2 d<br />
ξ<br />
dξ dξ Θ<br />
�<br />
= −Θ n<br />
mit den Anfangsbedingungen Θ(0) = 1 und Θ ′ (0) = 0. Gesucht ist dann ξ1, so daß Θ(ξ1) = 0 gilt.<br />
(5.165)<br />
• FORMELN (KLASSIFIKATION DER STERNMODELLE)<br />
Wir gehen aus von kugelsymmetrischen Objekten (keine Rotation, kein externes Feld, Trägheitsmoment I) und wählen <strong>die</strong><br />
Dichte im Zentrum, ρc, als Parameter zur Klassifikation der Sternmodelle und erhalten:<br />
1. Radius:<br />
2. Masse:<br />
R = ˆ Rξ1;<br />
ˆ R =<br />
�<br />
M = 4πρc ˆ R 3 ˆm; ˆm =<br />
3. Trägheitsmoment:<br />
I = 2<br />
3<br />
4. mittlere Dichte<br />
¯ρ = M<br />
V<br />
� M<br />
0<br />
r 2 dm = 8πρc<br />
3<br />
3<br />
= − Θ ′ (ξ1)ρc<br />
ξ1<br />
(n + 1)Kρ 1−n<br />
n<br />
c<br />
4πG<br />
�1/2<br />
(5.166)<br />
� ξ1<br />
Θ<br />
0<br />
n ξ 2 dξ = −ξ 2 1Θ ′ (ξ1) (5.167)<br />
ˆR 5 ˆι; ˆι =<br />
5. Massearme Sterne haben <strong>die</strong> Eddingtonsche Masse–Leuchtkraft Beziehung:<br />
˜µ 4 M 3<br />
� ξ1<br />
Θ<br />
0<br />
n ξ 4 dξ (5.168)<br />
acG 3 m 4 H<br />
k 4<br />
L ≈ fv<br />
κ<br />
; fv = 2π2<br />
9<br />
6. Massereiche Sterne haben<br />
L = 4πGcM<br />
κ<br />
Die Fälle n = 0, 1 und 5 können analytisch gelöst werden:<br />
Θ0 = 1 − 1<br />
6 ξ2 ;<br />
sin ξ<br />
Θ1 =<br />
ξ<br />
;<br />
�<br />
�<br />
�<br />
Θ5 = �<br />
1<br />
1 + 1<br />
3ξ2 Eine Potenzreihenentwicklung um ξ = 0 ergibt für alle n<br />
(5.169)<br />
(5.170)<br />
(5.171)<br />
Θn = 1 − 1<br />
6 ξ2 + n<br />
120 ξ4 − . . . (5.172)
5.4. LICHT: DIE GROSSEN ENTDECKUNGEN 303<br />
Für nichtrelativistisch entartete Materie (Erde) ist n = 3/2 (d.h s = 5/3) und für relativistische Materie<br />
(Weißer Zwerg) bzw. β = const (Eddingtons Standardmodell) ist n = 3 (d.h s = 4/3). Diese Fälle<br />
müssen numerisch gelöst werden.<br />
• ZUSATZ (NUMERISCHE BEHANDLUNG)<br />
Dazu schreibt man <strong>die</strong> Differentialgleichung 2–ter Ordnung um in 2 gekoppelte Dgln. erster Ordnung:<br />
und<br />
dΘ<br />
dξ<br />
= − m<br />
ξ 2<br />
dm<br />
dξ = ξ2 Θ n<br />
(5.173)<br />
(5.174)<br />
Die dimensionslosen Variablen sind Radialkoordinate, ξ, Masse, m = m(ξ), und Lane-Emden Funktion Θ = Θn(ξ). Für<br />
spätere Anwendungen ist es nützlich, statt der Radialkoordinate ξ als unabhängiger Variablen <strong>die</strong> dimensionslose Masse m<br />
zu benutzen. Man erhält:<br />
und<br />
dΘ<br />
dm = −mξ−4 Θ −n<br />
dξ<br />
dm = ξ−2 Θ −n<br />
mit 0 ≤ m ≤ 1 und den Randbedingungen ξ(0) = 0 und Θ(1) = 0.<br />
(5.175)<br />
(5.176)<br />
Als Differentialgleichung 2–ter Ordnung mit Θn(0) = 1 und Θ ′ n(0) = 0 kann <strong>die</strong> Lane-Emden Differentialgleichung<br />
leicht numerisch gelöst werden.<br />
Die nebensthende Tabelle, <strong>die</strong> auf numerischen Rechnungen beruht, vergleicht unterschiedliche Modelle<br />
für <strong>die</strong> Sonne für Polytrope zum Index n mit dem heute<br />
akzeptierten Standard Sonnenmodell.<br />
Dabei ist (in der Tabelle) Tc,6 <strong>die</strong> Zentraltemperatur des<br />
Sterns in 106 Kelvin, Pc,17 ist der Zentraldruck in Einheiten<br />
von 1017 dyn cm−2 , I53 ist das Trägheitsmoment in 1053 g cm2 Polytrope Modelle für <strong>die</strong> Sonne<br />
n<br />
0<br />
ρc/¯ρ<br />
1<br />
Tc,6<br />
11.5<br />
Pc,17<br />
0.01<br />
I53<br />
35<br />
Π/d<br />
0.116<br />
2 11.4 0.058<br />
. In der letzten Spalte ist, im Vorgriff und um darauf 3 54.1 12 1.2 7 0.038<br />
verweisen zu können, <strong>die</strong> Pulsperiode Π in Tagen angegeben.<br />
Sonne 110 14 2.2 5.7 0.033<br />
Tab. 5.3: Polytrope<br />
Die Pulsperiode der Sonne beträgt demnach etwa eine Stun-<br />
de. Die Originalrechnungen von Chandrasekhar (1939) sind in seinem auch heute noch lesenswerten<br />
Buch ’Stellar Structure’ zu finden.<br />
5.4.5 Eigenschaften polytroper Sterne<br />
Wie aus den Modellen für <strong>die</strong> Sonne aus obiger Tabelle hervorgeht, ist eine Polytrope mit n = 3 <strong>die</strong><br />
beste Näherung für einen Stern wie <strong>die</strong> Sonne, aber der zentrale Dichtekontrast kann nicht erreicht<br />
werden. Die eigentliche Anwendung polytroper Modelle liegt in einer analytischen Beschreibung der<br />
entarteten Materie, <strong>die</strong> nichtrelativistisch Materie hat als Zustandsgleichung<br />
P = Kρ 5/3<br />
und im Grenzfall hoher Dichten <strong>die</strong> extrem relativistische Zustandsgleichung<br />
P = Kρ 4/3<br />
Die folgende Tabelle gibt einige gerechnete Werte für Polytropen zum Index n<br />
(5.177)
304 KAPITEL 5. HYDRODYNAMIK: STERNMODELLE<br />
n ξ1 ˆm ρc/¯ρ s<br />
√ √<br />
0 6 2 6 1 ∞<br />
0.5 2.75 3.79 1.84 3<br />
1 π π π 2 /3 2<br />
Für polytrope Zustandsgleichungen<br />
P = Kρ s<br />
und s = 1 + 1<br />
n<br />
ist <strong>die</strong> Energiedichte<br />
ɛ =<br />
P<br />
s − 1<br />
n ξ1 ˆm ρc/¯ρ s<br />
1.5 3.65 2.71 5.99 5/3<br />
2 4.35 2.41 11.4 1.5<br />
3 6.90 2.02 54.1 4/3<br />
(5.178)<br />
= n P (5.179)<br />
was aus der Definitionsgleichung, Glchg. (5.68) für den Druck folgt.<br />
Für das chemische Potential µ erhält man analog<br />
µ = (n + 1) ˜m P<br />
ρ<br />
(5.180)<br />
wobei ˜m = ˜µmH <strong>die</strong> mittere Molekülmasse ist.<br />
Die innere Energie, Ui, (ohne Ruhmasse), Glchg. (5.69) und <strong>die</strong> Gravitationsenergie, Ui, Glchg. (5.70)<br />
können leicht bestimmt werden aus der Gleichung für das hydrostatische Gleichgewicht. Es ist<br />
und<br />
Ug = −<br />
3Ui = −nUg<br />
3(s − 1) GM<br />
5s − 6<br />
2<br />
R<br />
3 GM<br />
= −<br />
5 − n<br />
2<br />
R<br />
Für <strong>die</strong> Einzelkomponenten erhält man mit etwas größerem Rechenaufwand<br />
und<br />
Ui = k1Kρ 1/n<br />
c M ; k1 =<br />
Ug = −k2Gρ 1/3<br />
c M 5/3<br />
Die Gesamtenergie ist gegeben durch<br />
E = Ug + Ui =<br />
n(n + 1)<br />
(5 − n)<br />
; k2 = 3<br />
5 − n<br />
|ξ 2 Θ ′ |1<br />
ξ1<br />
|4πξ 2 Θ ′ | 1/3<br />
1<br />
ξ1<br />
3s − 4<br />
3(s − 1) Ug<br />
3 − n GM<br />
= −<br />
5 − n<br />
2<br />
R<br />
• ZUSATZ (SPEZIALFÄLLE: n = 1.5 UND n = 3)<br />
Wir betrachten noch als Grenzfälle<br />
(5.181)<br />
(5.182)<br />
(5.183)<br />
1. Das nichtrelativistische Gas<br />
Bei einem nichtrelativistischen Gas rührt der Druck aus der kinetischen Bewegung; d. h. es ist Ui = Tkin und es<br />
gilt der Virialsatz<br />
mit<br />
2Ui + Ug = 0<br />
Ug = − 6 GM<br />
7<br />
2<br />
R<br />
für s = 5<br />
3<br />
3 (bzw. n = 2 ).<br />
(5.184)
5.4. LICHT: DIE GROSSEN ENTDECKUNGEN 305<br />
2. Das relativistische Gas<br />
Die Gesamtenergie verschwindet für s = 4/3 bzw. n = 3. Es ist ferner k1 = 1.755 und k2 = 0.639. Das hydrostatische<br />
Gleichgewicht ist indifferent. Wie wir sehen werden, ist es in der Newtonschen Theorie sogar stabil.<br />
Die Masse-Radius Beziehung erhält man, wenn man <strong>die</strong> zentrale Dichte eliminiert<br />
� R<br />
ξ1<br />
� n−3<br />
oder endgültig<br />
= 4π<br />
� �n−1<br />
M<br />
ˆm<br />
�<br />
G<br />
�n (n + 1)K<br />
(5.185)<br />
G n M n−1 R 3−n = const (5.186)<br />
Mit <strong>die</strong>ser Relation kann man <strong>die</strong> Frage beantworten, was ein Stern (in der Newtonschen Theorie)<br />
macht, falls sich <strong>die</strong> Gravitationskonstante G zeitlich ändert. Es folgt für <strong>die</strong> folgenden Objekte, <strong>die</strong><br />
durch eine Polytrope beschrieben werden können.<br />
1. Planeten<br />
Für nichtrelativistisch entartete Materie (Erde) ist n = 3/2 und ein Planet dehnt sich aus, falls G<br />
abnimmt. (Das wurde von P. Jordan für <strong>die</strong> Erde und das Erde-Mond System diskutiert).<br />
2. Weiße Zwerge<br />
Polytrope zum Index n = 3 sind physikalisch besonders interessant: sie sind der Grenzfall relativistischer<br />
Druckmaterie (der Elektronen) bei Weißen Zwergen. Die Gesamtenergie E verschwindet<br />
im Grenzfall hoher Dichte.<br />
• ZUSATZ (ALTERNATIVE HERLEITUNG DER CHANDRASEKHAR MASSE)<br />
Die Variation der Gesamtenergie nach der zentralen Dichte<br />
E = Ui + Ug = k1Kρ 1/n<br />
c M − k2Gρ 1/3<br />
c M 5/3<br />
liefert für das Minimum <strong>die</strong> Bedingung<br />
∂E<br />
= 0<br />
∂ρc<br />
Die beiden Konstanten haben im Fall n = 3 den Wert k1 = 1.755 und k2 = 0.639 und in <strong>die</strong>sem Fall sind beide Terme<br />
proportional zu ρ 1/3<br />
c , was als Bedingung<br />
k1KM − k2GM 5/3 = 0 ; M =<br />
� �3/2 k1K<br />
k2G<br />
liefert. Damit haben wir eine weitere Herleitung der Grenzmasse für Weiße Zwerge (Chandrasekhar Masse)<br />
gewonnen.<br />
MCh = 1.456 (2Z/A) 2 M⊙<br />
5.4.6 Das Eddingtonsche Standardmodell<br />
Parameterdarstellung der Masse–Leuchtkraft Beziehung<br />
(5.187)<br />
Das Standardmodell erhält man, s. Glchgn. (5.102) und (5.103) für n = 3. Es gilt dann für den Druck<br />
und für <strong>die</strong> Temperatur<br />
P ∝ ρ 4<br />
3 und T ∝ ρ 1<br />
3 (5.188)
306 KAPITEL 5. HYDRODYNAMIK: STERNMODELLE<br />
oder durch <strong>die</strong> <strong>die</strong> Lane-Emden Funktion, Glchg. (5.165) ausgedrückt<br />
P ∝ Θ n+1<br />
; ρ ∝ Θ n<br />
Numerische Integration liefert für n = 3:<br />
; µ ∝ T ∝ Θ (5.189)<br />
ξ1 = 6.8968; ˆm = 2.0182; − 3<br />
Θ ′ (ξ1) = 54.18; ˆι = 10.851 (5.190)<br />
Es ist ferner (Glchg. (5.102), Index p unterdrückt):<br />
� �3/2<br />
K<br />
M = 4π ˆm<br />
πG<br />
ξ1<br />
(5.191)<br />
und wir haben das bemerkenswerte Ergebnis, daß im Standardmodell M nicht von der zentralen Dichte,<br />
ρc, oder vom Radius R abhängt. Damit ist es leicht, ein Sternmodell zu konstruieren. Mit (Glchg.<br />
(5.102), Index p unterdrückt)<br />
K =<br />
�<br />
k<br />
�4/3 �<br />
3(1 − β)<br />
˜µmHβ a<br />
� 1/3<br />
erhält man schließlich für <strong>die</strong> Masse M<br />
�<br />
18<br />
M =<br />
πaG3 �1/2<br />
� �2 �<br />
k 1 − β<br />
ˆm<br />
˜µmH β4 und für <strong>die</strong> Leuchtkraft L<br />
� 1/2<br />
(5.192)<br />
(5.193)<br />
L = (1 − β) 4πGc<br />
M (5.194)<br />
κ<br />
eine Parameterdarstellung der Masse–Leuchtkraft Beziehung. Damit wird <strong>die</strong> Bedeutung der Größe<br />
1 − β, Glchg (5.100)<br />
1 − β = Pγ<br />
P<br />
∝ T 4<br />
nT<br />
∝ T 3<br />
n<br />
∝ s<br />
n<br />
(5.195)<br />
klar: <strong>die</strong> Leuchtkraft einer Polytropen ist proportional zu spezifischen Entropie. Bemerkenswert ist<br />
hier, daß <strong>die</strong> Leuchtkraft unabhängig von der Energieerzeugungs-Rate, ´ɛ, ist. Diese muß sich also von<br />
selbst einstellen, ebenso der Radius.<br />
Eddingtons obere Schranke für <strong>die</strong> Leuchtkraft eines Sterns<br />
Der in Glchg. (5.193) auftretende Zahlenfaktor, kann mit Glchg. (5.194) in folgender Form umgeschrieben<br />
werden:<br />
�<br />
M 720<br />
= ˆm<br />
˜µmH π3 �1/2<br />
α −3/2<br />
G ≈ 20N⊙ (5.196)<br />
Er ist unabhängig von der Boltzmann Konstanten und für ihn gilt numerisch<br />
� �2 (1 − β)<br />
M<br />
= 3.02 · 10−3<br />
(˜µβ) 4<br />
M⊙<br />
d. h. für <strong>die</strong> Sonne ist 1 − β = 3 · 10 −3 , wie bereits erwähnt.<br />
Ähnlich wie bei den weißen Zwergen tritt auch hier <strong>die</strong> gravische Feinstrukturkonstante<br />
αG = Gm2 p<br />
¯hc<br />
= 5.9 · 10 −39<br />
(5.197)<br />
(5.198)
5.4. LICHT: DIE GROSSEN ENTDECKUNGEN 307<br />
in der Form α −3/2<br />
G<br />
als natürliche Einheit für <strong>die</strong> Anzahl der Moleküle im Stern auf. Das ist, wie wir<br />
sehen werden, kein Zufall. Allerdings gibt es keine Grenzmasse, sondern eine 1-parametrige Schar von<br />
Sternmassen, s. Glchg. (5.197).<br />
Zusätzlich haben wir (Glchg. (5.194) mit β = 0) eine fundamentale obere Schranke für <strong>die</strong> Leuchtkraft<br />
eines Sterns gefunden:<br />
LEdd = 4πGmHMc<br />
= 10<br />
σT h<br />
4.5<br />
� �<br />
M<br />
L⊙ = 1.3 · 10<br />
M⊙<br />
38<br />
� �<br />
M<br />
mH<br />
M⊙<br />
erg s−1 (5.199)<br />
Hauptreihensterne erreichen <strong>die</strong>se obere Schranke nicht, sie werden vorher instabil. Akkretierende<br />
Neutronensterne kommen ihr nahe.<br />
Eddingtons Leuchtkraft eines Neutronensterns<br />
Für <strong>die</strong> Chandrasekhar Masse<br />
MCh = 0.75(2Z/A) 2 mpα −3/2<br />
G = 1.456(2Z/A) 2 M⊙ (5.200)<br />
liefert das in Fundamentalkonstanten geschrieben mit 2Z = A<br />
oder<br />
LEdd =<br />
9<br />
2α √ αG<br />
LEdd = 4.3 · 10 4 L⊙<br />
2 c<br />
mec<br />
re<br />
� M<br />
MCh<br />
= 2 · 10 38<br />
� � �<br />
m<br />
mp<br />
erg s −1 (5.201)<br />
(5.202)<br />
Diese Abschätzung gilt sogar für akkretierende Neutronensterne und schwarze Löcher und ist von der<br />
Beobachtung in der eigenen Galaxis gut bestätigt.<br />
Grenzmassen<br />
Wir diskutieren <strong>die</strong> beiden Grenzfälle kleiner und grosser Masse und eichen <strong>die</strong> Masse–Leuchtkraft<br />
Beziehung anhand der Daten der Sonne.<br />
1. Massearme Sterne, 1 − β ≪ 1,<br />
dafür lautet <strong>die</strong> Eddingtonsche Masse–Leuchtkraft Beziehung:<br />
˜µ<br />
L ≈ fv<br />
4 M 3<br />
κ<br />
; fv = 2π2<br />
9<br />
acG 3 m 4 H<br />
k 4<br />
(5.203)<br />
Bei massearmen Sternen hängt <strong>die</strong> Leuchtkraft empfindlich von der Masse, M, und der chemischen<br />
Zusammensetzung, ˜µ, ab.<br />
2. Massereiche Sterne, β ≪ 1,<br />
sind besonders einfach, Glchg. (5.194) mit β = 0,<br />
L = 4πGcM<br />
κ<br />
(5.204)<br />
Die Leuchtkraft ist proportional zur Masse, M, und hängt überhaupt nicht von der chemischen<br />
Zusammensetzung, ˜µ, ab. Die Opazität κe ist für heiße Sterne durch den frequenzunabhängigen<br />
Thomson Wirkungsquerschnitt σ T gegeben:<br />
κe = σ Tne<br />
ρ<br />
Z<br />
=<br />
A<br />
σ T<br />
mH<br />
(5.205)
308 KAPITEL 5. HYDRODYNAMIK: STERNMODELLE<br />
3. Die Sonne<br />
Für <strong>die</strong> Sonne erhält man so aus den bekannten Größen<br />
Radius, R⊙ ≈ 7 · 10 10<br />
cm, Masse, M⊙ = 2 · 10 33<br />
und chemischer Zusammensetzung des Standardmodells, mit ˜µ ≈ 1 folgendes Modell: das<br />
Verhältnis von Photonendruck zum Gesamtdruck ist vernachlässigbar, 1 − β = 0.003. Die relative<br />
Massenkonzentration, (ρc/¯ρ) = 54.18, ist zwar beträchtlich, was bei der Bestimmung des<br />
Trägheitsmoments wesentlich ist, liegt aber um einen Faktor 2 unter dem realistischer numerischer<br />
Modelle für <strong>die</strong> Sonne. In absoluten Zahlen ist <strong>die</strong> Dichte im Zentrum<br />
ρc = 76.5(M/M⊙)(R⊙/R) 3<br />
Die Temperatur stimmt in etwa<br />
g cm −3<br />
Tc = 19.72 · 10 6 βµ ∗ (M/M⊙)(R⊙/R) K<br />
und gleiches gilt für den Druck<br />
Pc = 1.2 · 10 17 (M/M⊙) 2 (R⊙/R) 4<br />
dyn cm −2<br />
4. Das Lanesche Gesetz, TcR = const<br />
Anhand der Relationen TcR = const (Lane) oder PcR 4 = const (Ritter) kann man nun <strong>die</strong> wichtige<br />
Frage beantworten, was wäre wenn? Etwa, was passiert, falls <strong>die</strong> thermonuklearen Prozesse<br />
im Zentrum ganz andere sind. Falls etwa <strong>die</strong> Fusion von H zu D resonant verläuft, also sehr<br />
viel schneller. An der Leuchtkraft, L, ändert sich nichts, da sie nicht von den thermonuklearen<br />
Prozessen abhängt. Die Temperatur im Zentrum, Tc, muß sinken, bis <strong>die</strong> richtige Rate L wieder<br />
erreicht ist. Für den Radius heißt das, da das Lanesche Gesetz, TcR = const, gilt, daß der Stern<br />
sich aufblasen muß. Nach Glchg. (5.112) bedeutet <strong>die</strong>s, daß <strong>die</strong> effektive Temperatur sinkt, der<br />
Stern wird röter.<br />
• BEISPIEL (STERNMODELLE NACH EDDINGTON)<br />
Die folgende Tabelle vergleicht Sterne unterschiedlicher Masse, wie sie aus dem Eddingtonschen Standardmodell folgen:<br />
Stern 1 − β M/M⊙ L/L⊙<br />
Sonne 0.003 1 1<br />
Sirius 0.016 2.34 38.9<br />
Capella A 0.045 4 120<br />
g<br />
Stern β M/M⊙ L/L⊙<br />
OB Stern 0.5 51 7.5 · 10 5<br />
30 Doradus 0.1 1705 5 · 10 7<br />
supermassiv 0.0043 10 6 3 · 10 10<br />
Für <strong>die</strong> linke Seite der Tabelle ist 1 − β, für <strong>die</strong> rechte ist β angegeben. Die Übereinstimmung mit beobachteten Sternen ist<br />
bei massereichen Objekten recht gut. Für <strong>die</strong> Hauptreihe gilt z. B. für einen O5 Stern L = 1.5 · 10 6 L⊙ und für einen B0<br />
Stern L = 7.5 · 10 4 L⊙.<br />
Die Einträge für 30 Doradus (einem Sternhaufen in LMC) und supermassiv (mit M = 10 6 M⊙ und L = 3 · 10 10 L⊙) sind<br />
rein spekulativer Natur. Sie wurden diskutiert, als <strong>die</strong> Auflösung der Teleskope noch nicht ausreichte, 30 Dor in weitere<br />
Untereinheiten aufzulösen.
5.5. STABILITÄT 309<br />
5.4.7 Strömgrens Modell<br />
Die Idee der Homologietransformation kann wesentlich erweitert werden. Dann ergeben sich nützliche<br />
Relationen für Sternradius R und effektive Temperatur Teff. Realistische Sterne gehorchen zwar keinen<br />
Homologierelationen, dennoch sind solche Modelle nützlich. Sie liefern <strong>die</strong> Basis für eine statistische<br />
Beschreibung vieler Sterne (etwa in Kugelsternhaufen) und einen ersten Zugang, ganze Galaxien<br />
nach ihrer Farbe zu klassifizieren.<br />
Falls der Massenabsorptionskoeffizient κ (z. B. Kramers Opazität) und <strong>die</strong> Energieerzeungungsrate ˙ɛ<br />
nur von Potenzen von T und ρ abhängen und zwar, mit beliebigem a, b und s:<br />
κ ∝ ρT −3−s<br />
und ˙ɛ ∝ ρ a T b<br />
kann man noch selbstkonsistente Modelle konstruieren. Bei ihnen ist dann auch der Radius eindeutig<br />
bestimmt. Wir kommen später darauf zurück.<br />
5.5 Stabilität<br />
Woher weiß <strong>die</strong> Materie im Innern eines Sterns wie dicht und heiß sie sein muss? Die Antwort ist,<br />
sie weiß es nicht, sie muß das laufend herausfinden. Dazu vollführt sie kleine Schwingungen um <strong>die</strong><br />
Ruhelage. Ist das hydrostatische Gleichgewicht stabil, dann handelt es sich um (gedämpfte) harmonische<br />
Schwingungen, was bei Sternen der Normalfall ist. Unter besonderen Bedingungen können aber<br />
Resonanzschwingungen auftreten, wie bei den Veränderlichen, oder der Stern kann kollabieren oder<br />
auseinanderfliegen (bzw. seine Hülle abstossen).<br />
• FORMELN (DIE HYDRODYNAMISCHEN GRUNDGLEICHUNGEN)<br />
Grundlage unserer Beschreibung sind <strong>die</strong> drei Gleichungen, (5.88) ff.<br />
∆V = 4πGρ (5.206)<br />
ρ D�v<br />
dt<br />
= −∇P − ρ∇V (5.207)<br />
∂ρ<br />
∂t<br />
= −div(ρ�v) (5.208)<br />
also, in <strong>die</strong>ser Reihenfolge<br />
1. <strong>die</strong> Poisson Gleichung,<br />
2. <strong>die</strong> Eulersche Gleichung der Hydrodynamik und<br />
3. <strong>die</strong> Kontinuitätsgleichung für den Massenstrom.<br />
Dazu gehört <strong>die</strong> Zustandsgleichung P (ρ).<br />
Falls <strong>die</strong> Materiedichte ρ nur eine Funktion der Zeit ist, dann folgt, daß <strong>die</strong> Bewegung jeder Massenschale<br />
Mo = 4π<br />
3 ρoR 3 o = 4π<br />
3 ρR3<br />
homolog verlaufen muß:<br />
r(t) =<br />
mit f(to) = 1.<br />
� �1/3 ρo<br />
ro = f(t)ro<br />
ρ(t)<br />
(5.209)<br />
(5.210)
310 KAPITEL 5. HYDRODYNAMIK: STERNMODELLE<br />
5.5.1 Kollaps ohne Druck<br />
Im Falle eines anfänglich homogenen Mediums mit Dichte ρ(t = 0, r) = ρo = const und verschwindendem<br />
Druck, P (t, r) = 0, (d. h. für ein kaltes Gas; ’Staub’ genannt) und den Anfangsbedingungen<br />
1. R(0) = Ro = const<br />
2. ˙ R = ˙ Ro = const<br />
kann <strong>die</strong> Eulersche Gleichung exakt gelöst werden. Die Bewegung ist homolog (keine Massenschale<br />
überholt <strong>die</strong> andere)<br />
R(t) = f(t)Ro ; ρ(t) = f −3 (t)ρo<br />
und tritt so auch in der Kosmologie auf. Die Bewegungsgleichung<br />
¨R = −G Mo<br />
R 2<br />
˙R 2 = ˙ R 2 o + 2GMo<br />
� Ro<br />
R<br />
�<br />
− 1<br />
(5.211)<br />
hat das erste Integral (Energiesatz) mit den zwei freien Konstanten Ro (Radius) und ˙ Ro (Anfangsgeschwindigkeit).<br />
Für einen Kollaps aus der Ruhe, v(0) = ˙ Ro = 0, und mit<br />
To =<br />
� �<br />
3 1/2 � �1/2 Ro 3<br />
=<br />
2GM 8πGρo<br />
(5.212)<br />
als Einheit für <strong>die</strong> Zeitvariable erhält man für den Homologiefaktor f(t) = R/Ro <strong>die</strong> Differentialgleichung<br />
f˙2 = −1 + 1<br />
f<br />
mit der Lösung in Parameterform<br />
(5.213)<br />
R = Ro<br />
(1 + cos η) (5.214)<br />
2<br />
t = To<br />
(η + sin η) (5.215)<br />
2<br />
Das ist eine Zykloide. Die Variable η läuft von 0 bis π; <strong>die</strong> Kollapszeit ist<br />
Die Dichte<br />
Tk = π<br />
2 To<br />
� �1/2 3π<br />
=<br />
32Gρo<br />
ρ(t) = ρo (Ro/R) 3<br />
wächst am Anfang wie t 2 , später (beim Kollaps) wie t 2/3 .<br />
(5.216)
5.5. STABILITÄT 311<br />
5.5.2 Lineare Störungstheorie<br />
Der Kollaps ohne Druck ist ein (idealisierter) Sonderfall der exakt gelöst werden kann. Realistischere<br />
Situationen müßen mithilfe der Störungstheorie behandelt werden.<br />
Wir betrachten hier für spätere Anwendungen kleine Störungen im selstgravitierenden Gas (Schallwellen).<br />
Zunächst allgemein, ohne besondere Symmetrie Annahmen.<br />
Bei Kugelsymmetrie vereinfachen sich <strong>die</strong> Gleichungen immer noch beträchtlich. Sei ρ <strong>die</strong> Dichte, d.<br />
h. ρ = ˜µ¯n, dann ist <strong>die</strong> Ausbreitung von kleinen Störungen durch <strong>die</strong> Linearisierung des obigen Satzes<br />
von Gleichungen gegeben.<br />
Im folgenden wollen wir annehmen, daß das ungestörte Medium (<strong>die</strong> ganze Zeit) ruht und lokal im<br />
thermodynamischen Gleichgewicht ist. Das hydrostatische Gleichgewicht liefert dann<br />
0 = −gradPo − ρogradVo<br />
Die Auslenkung aus der Ruhelage sei δ�x. Dann ist �v = δ .<br />
�x eine kleine Größe, d. h.<br />
�v = δ d�x<br />
dt<br />
= d<br />
dt δ�x, P = Po + δP, ρ = ρo + δρ<br />
(5.217)<br />
wobei δ <strong>die</strong> kleine Änderung der jeweiligen Variablen bezeichnet. (δ und d vertauschen). Damit können<br />
wir <strong>die</strong> Gleichung der Massenerhaltung<br />
δ ˙ρ = −div(ρoδ .<br />
�x) (5.218)<br />
direkt integrieren:<br />
δρ = −div(ρoδ�x) (5.219)<br />
und <strong>die</strong> Eulersche Bewegungsgleichung vereinfacht sich zu<br />
ρo<br />
.<br />
�v= −gradδP − δρgradVo − ρogradδV (5.220)<br />
Für <strong>die</strong> Änderung des Druckgra<strong>die</strong>nten schreiben wir<br />
� �<br />
∂P<br />
gradδP = gradδρ = γ<br />
∂ρ<br />
Po<br />
gradδρ (5.221)<br />
ρo<br />
Falls P noch von der Temperatur abhängt (nichtentartete Materie), muß spezifiziert werden wie (∂P/∂ρ)<br />
zu bestimmen ist.<br />
• ANMERKUNG (ADIABATISCHE ÄNDERUNGEN)<br />
Hier hilft der 1. Hauptsatz der Thermodynamik weiter. Er lautet<br />
dE = −P dV + T dS + �<br />
µidNi<br />
Die ideale Gasgleichung<br />
2E<br />
3V<br />
= P = nkT, bzw. P = RρT<br />
˜µ<br />
i<br />
(5.222)<br />
sagt zunächst nichts aus über mögliche Änderungen von P aus. Erst eine zusätzliche Information über das thermische<br />
Verhalten der Materie (Newton hatte T = const vermutet) liefert eine eindeutige Relation zwischen dρ und dP .<br />
Beim Schall (in Luft unter Normalbedingungen) gehen Änderungen so schnell vonstatten, daß sie in guter Näherung als<br />
adiabatisch, dS = 0 (kein Wärmeaustausch zwischen benachbarten Volumelementen), betrachtet werden können.<br />
Für ein ideales, einatomiges Gas ist 3<br />
2 d(P V ) = −P dV oder P V γ = const., mit γ = 5/3.
312 KAPITEL 5. HYDRODYNAMIK: STERNMODELLE<br />
Wir definieren damit <strong>die</strong> Schallgeschwindigkeit cs<br />
c 2 � �<br />
∂P<br />
s = = γ<br />
∂ρ<br />
P<br />
ρ<br />
S<br />
(5.223)<br />
Chemische Reaktionen spielen normalerweise keine Rolle.<br />
Bei entarteten Sternen (und im frühen Kosmos) können <strong>die</strong>se durchaus wichtig sein und wir müßen �<br />
i µi dNi = 0<br />
überprüfen.<br />
Für adiabatische Änderungen gilt für den adiabatischen Index γ und für P (T ) beim idealen Gas aus Molekülen<br />
γ =<br />
f + 2<br />
f<br />
und P 1−γ T γ = const (5.224)<br />
wobei f <strong>die</strong> Anzahl der Freiheitsgrade bezeichnet. Es ist f = 3 für ein ideales, einatomiges Gas.<br />
In Molekülwolken kann T = const u. U. eine gute Näherung sein.<br />
δP<br />
δρ =<br />
� �<br />
∂P<br />
=<br />
∂ρ<br />
kT<br />
m<br />
T<br />
Die kritischen Frequenzen liegen bei (1/300 Jahren).<br />
Im weiteren werden wir der Einfachheit halber Homogenität für alle Grundgrößen fordern: Vo, Po und<br />
ρo. Der Term δρgradVo fällt weg und <strong>die</strong> Eulersche Bewegungsgleichung vereinfacht sich dann zu<br />
ρo<br />
.<br />
�v= −c 2 sgradδρ − ρogradδV (5.225)<br />
Auch <strong>die</strong> Schallgeschwindigkeit cs wird als konstant angenommen.<br />
• ZUSATZ (RECHNUNG)<br />
Wir differenzieren <strong>die</strong> Kontinuitätsgleichung für den Massenstrom und erhalten<br />
¨ρ = −div(ρo<br />
.<br />
�v)<br />
Einsetzen in <strong>die</strong> Divergenz der Eulersche Bewegungsgleichung liefert<br />
¨ρ = c 2 s∆δρ + ρo∆δV<br />
Den letzten Term ersetzen wir durch <strong>die</strong> linearisierte Poisson Gleichung,<br />
∆δV = 4πGδρ<br />
Das liefert <strong>die</strong> Master Gleichung der linearen Störungstheorie.<br />
Die Master Gleichung (Jeans, 1929) der linearen Störungstheorie lautet damit<br />
¨ρ = c 2 s∆δρ + 4πGρoδρ (5.226)<br />
Sie ist von der Form der Schrödinger Gleichung (und wurde von <strong>die</strong>sem 1939 auf den expan<strong>die</strong>ren<br />
Kosmos angewandt). Diese Gleichung schreiben wir noch dimensionslos um, mit der Variablen δ =<br />
δρ/ρo wie folgt:<br />
¨δ = c 2 s∆δ + 4πGρoδ (5.227)<br />
Die analoge Gleichung für Sternpulsationen lautet<br />
¨δ = 1<br />
ρ<br />
�<br />
γ P<br />
r2 (r2δ) ′<br />
�′<br />
+ 4πGρoδ (5.228)<br />
wobei ′ sich auf <strong>die</strong> Variable r bezieht.<br />
Im expan<strong>die</strong>renden Kosmos lautet <strong>die</strong> Gleichung<br />
¨δ + 2 ˙a<br />
a ˙ δ = c2 s<br />
a 2 ∆δ + 4πGρoδ (5.229)<br />
wobei a(t) der Skalenfaktor der Metrik ist.
5.5. STABILITÄT 313<br />
5.5.3 Schallwellen<br />
Als erstes Beispiel betrachten wir den etwas idealisierten Fall eines unendlich ausgedehnten, homogenen<br />
Mediums (ρo = const) mit konstantem Druck Po und ignorieren <strong>die</strong> Gravitation. Störungen z. B.<br />
in Luft verlaufen adiabatisch (Laplace), d. h.<br />
� ∂P<br />
∂ρ<br />
�<br />
S<br />
= (f + 2)P<br />
fρ<br />
Hier ist f <strong>die</strong> Anzahl der Freiheitsgrade, f = 5 für lin. Moleküle.<br />
Wir erhalten<br />
ρo<br />
..<br />
�x = −c 2 sgradδρ (5.230)<br />
= c 2 sgrad[div(ρoδ�x)] (5.231)<br />
oder, nach Kürzen, <strong>die</strong> Schwingungsgleichung für den Schall<br />
..<br />
�x= c 2 sgrad[divδ�x] (5.232)<br />
Wir lösen <strong>die</strong>se Gleichung mit dem (Fourier) Ansatz<br />
δ�x = �ae −iΦ , mit der Phase Φ = ωt − � k�x<br />
und der konstanten Amplitude a. Das liefert <strong>die</strong> Dispersionsrelation:<br />
ω 2 = c 2 sk 2<br />
und zusätzlich <strong>die</strong> Aussage<br />
�a � � k<br />
(5.233)<br />
d. h. Schallwellen sind longitudinal.<br />
Es ist für Luft c 2 s = 7P/5ρ = 7kT/5˜µ d. h. <strong>die</strong> Schallgeschwindigkeit ist unabhängig von der Dichte<br />
und der Frequenz.<br />
5.5.4 Das Jeans–Kriterium<br />
Als (für spätere Anwendungen wichtiges) Beispiel betrachten wir nun Störungen im homogenen, ruhenden<br />
Gas bei Berücksichtigung der Gravitation. Die Master Gleichung liefert folgende Dispersionsrelation<br />
(Jeans):<br />
ω 2 = c 2 sk 2 − 4πGρo<br />
(5.234)<br />
Der erste Term beschreibt hier wieder longitudinale Schallwellen, der zweite liefert <strong>die</strong> sog. Jeans-<br />
Instabilität. Falls nämlich<br />
− ω 2 = γ 2 = 4πGρo − c 2 sk 2 > 0<br />
ist, dann verhalten sich alle Störgrößen wie<br />
f = f+e γt + f−e −γt<br />
Im Gegensatz zum Kollaps von Staub, den wir exakt behandelt haben, ist hier das Anwachsen der<br />
Dichte jedoch scheinbar exponentiell. Da aber gerade Staub als Grenzfall enthalten ist, cs = 0, kann<br />
hier etwas nicht stimmen.
314 KAPITEL 5. HYDRODYNAMIK: STERNMODELLE<br />
• ANMERKUNG (JEANS SCHWINDEL)<br />
In der Tat haben wir zu stark vereinfacht. Dies ist der sog. Jeans Schwindel. Die Herleitung des Stabilitätskriteriums ist<br />
mathematisch nicht korrekt. Damit man alle Größen Fourier transformiert darf, müßen <strong>die</strong>se konstant sein: das ist aber für<br />
das Gravitationspotential bei konstanter Dichte ρ nicht möglich.<br />
In einer homogenen, ruhenden Gaskugel im hydrodynamischen Gleichgewicht mit Radius R gilt<br />
0 = −gradP − ρgradV (5.235)<br />
Die Berücksichtigung der Gravitation verlangt<br />
∆V = 4πGρ (5.236)<br />
Die ungestörte Lösung lautet innen, d. h. für r < R:<br />
V = 2π<br />
3 Gρ(r2 − 3R 2 ) (5.237)<br />
P = 2π<br />
3 Gρ2 (R 2 − r 2 ) (5.238)<br />
und außen:<br />
V = − 4π 1<br />
GρR3 = −GM<br />
(5.239)<br />
3 r r<br />
Die ungestörte Lösung bekommt jetzt den Index o und wir sehen: nur <strong>die</strong> Dichte kann konstant sein, Druck und Gravitationspotential<br />
können es nicht. Beide haben vielmehr einen nicht verschwindenden Gra<strong>die</strong>nten. Es gibt einen Schwerpunkt<br />
und damit ein Gravitationszentrum.<br />
Wir können uns nun wieder als Anfangsbedingung etwa eine Wolke zum Umkehrzeitpunkt einer Expansion vorstellen,<br />
<strong>die</strong>smal allerdings mit Druckgra<strong>die</strong>nt und fragen, wie <strong>die</strong> anschließende Kontraktion verläuft, d. h. wir fragen , ob <strong>die</strong> so<br />
gebildete Wolke stabil ist oder nicht. Die Auslenkung sei δ�x, dann ist �v = .<br />
�x. Wir werden als nächstes zeigen, daß nun<br />
tatsächlich exponentielles Anwachsen möglich ist, vorausgesetzt es gibt einen Druckgra<strong>die</strong>nten.<br />
Qualitativ ist <strong>die</strong> Aussage des Jeans - Kriteriums jedoch in jedem Fall korrekt.<br />
• BEISPIEL (JEANSLÄNGE UND JEANSMASSE)<br />
Die Anzahl der Freiheitsgrade pro <strong>Teil</strong>chen sei f, dann ist <strong>die</strong> innere Wärmeenergie Q = Ekin<br />
Q = CvT = fNɛ = fMkT<br />
2Amp<br />
; ɛ = 1<br />
kT (5.240)<br />
2<br />
(näherungsweise Gleichverteilung pro Freiheitsgrad, Energieeinheit ɛ) Bereits aus dem Virialsatz Egrav + 2Ekin = 0, oder<br />
−GM 2<br />
+ fNkT = 0<br />
R<br />
folgt (mit M = ˜µmHN und f = 5) für <strong>die</strong> Jeanslänge (d. h. für den Jeans Radius RJ)<br />
(5.241)<br />
� �1/2 15kT<br />
RJ =<br />
4πG˜µmHρ<br />
(5.242)<br />
Die hier (implizit) auftretende Größe kT/m ist bestimmbar aus dem Quadrat der Schallgeschwindigkeit (beim idealen<br />
Gas).<br />
c 2 s = γ p kT<br />
= γ<br />
ρ m<br />
Dies kann man auch so interpretieren: geht man von konstanter Masse und Temperatur aus, dann gibt stets es einen kritischen<br />
Radius, den Jeans Radius RJ, den wir jetzt wie folgt schreiben,<br />
� �1/2 2 πcs RJ =<br />
(5.243)<br />
4Gρ<br />
bei dessen Unterschreitung das Gas instabil wird. Die dazu gehörende kritische Masse (<strong>die</strong> Jeans Masse MJ) ist gegeben<br />
durch<br />
� �1/2 � �3/2 1 kT<br />
MJ ≈<br />
(5.244)<br />
ρ G<br />
In Zahlen<br />
MJ = 12 � T 3 /nM⊙<br />
Zum Vergleich einige Beispiele für ein ideales Gas
5.5. STABILITÄT 315<br />
1. Interstellares Medium: T � 10000 K, n � 1 cm −3<br />
MJ = 10 7 M⊙ und RJ = 500 pc<br />
2. Rekombination im Kosmos: T � 15000 K, n � 1 cm −3<br />
MJ = 5 · 10 5 M⊙ und RJ = 500 pc<br />
5.5.5 Stabilität der Sternpulsationen<br />
Wir untersuchen jetzt <strong>die</strong> Stabilität etwas genauer und realistischer anhand der bereits betrachteten<br />
Sternmodelle. Wir benutzen als unabhängige Variable <strong>die</strong> Radialkoordinate r und betrachten spezielle<br />
Sternpulsationen: stehende Wellen mit sphärischer Symmetrie, wobei für <strong>die</strong> ungestörte Lösung der<br />
Index o gilt und ′ = d/dr <strong>die</strong> Ortsableitung bedeutet.<br />
Die Schwingungsgleichung<br />
Aus der Eulerschen Bewegungsgleichung (5.89) wird im Falle von Kugelsymmetrie:<br />
�<br />
0 = −<br />
und<br />
� Po<br />
dr<br />
o<br />
− Gρo(ro)mo(ro)<br />
r 2 o<br />
(5.245)<br />
� r<br />
mo(r) = 4π ρo(x)x<br />
0<br />
2 dx (5.246)<br />
Die Randbedingungen lauten:<br />
mo(0) = 0 und Po(Ro) = 0 (5.247)<br />
wobei Ro der Radius des ungestörten Sterns ist. Multiplikation mit r und partielle Integration liefert<br />
<strong>die</strong> wichtige Beziehung<br />
�<br />
− Ug = 3 P dV (5.248)<br />
Jetzt kann man nicht mehr Fourier transformieren, da ρo, Po und mo ortsabhängig sind. Für <strong>die</strong> Lösung<br />
eines rein radial pulsierenden Sterns machen wir den Ansatz für <strong>die</strong> Auslenkung aus der Ruhlage:<br />
r(t, ro) = ro + ξ(t, r) (5.249)<br />
Mit δf bezeichnen wir <strong>die</strong> Eulersche Variation der Größe f, d. h. <strong>die</strong> Änderung von f, <strong>die</strong> ein am festen<br />
Ort befindlicher Beobachter an f misst. Daneben betrachten wir <strong>die</strong> Lagrangesche Variation, ∆f, <strong>die</strong><br />
totale Variation, <strong>die</strong> ein mit der Materie bewegter Beobachter an der Größe f mißt. Der Zusammenhang<br />
zwischen beiden ist<br />
∆f = f(r) − fo(ro) = ξ f ′ o + δf (5.250)<br />
wobei <strong>die</strong> zweite Relation <strong>die</strong> lineare Näherung ist. Für <strong>die</strong> totale Variation des Drucks, ∆P , gilt bei<br />
adiabatischer Änderung<br />
∆P<br />
P<br />
= γ ∆ρ<br />
ρ<br />
Die Massenerhaltung liefert <strong>die</strong> exakte Lagrangesche Variation<br />
integral: m(r) = mo(ro) d. h. ∆m = 0<br />
oder, in linearer Näherung,<br />
(5.251)
316 KAPITEL 5. HYDRODYNAMIK: STERNMODELLE<br />
1. <strong>die</strong> Eulersche Variation<br />
δm(r) = −4πρor 2 oξ = 4π<br />
bzw. differentiell<br />
� r<br />
δρ = −(1/r 2 )(r 2 ρξ) ′ = −ρ ′ ξ − (ρ/r 2 )(r 2 ξ) ′<br />
2. und daraus <strong>die</strong> Lagrangesche Variation<br />
∆ρ = −(ρ/r 2 )(r 2 ξ) ′<br />
Diese kann auch direkt (zur Probe) aus<br />
dr<br />
dm<br />
= 1<br />
4πρr 2<br />
gewonnen werden (s. Glchg. (5.280)).<br />
In f(t, r) separieren wir <strong>die</strong> Zeit ab,<br />
f(t, r) = ˜ f(r) e −iωt<br />
o<br />
δρ(x)x 2 dx (5.252)<br />
(5.253)<br />
(5.254)<br />
(5.255)<br />
Aus der Eulerschen Bewegungsgleichung wird im Falle von Kugelsymmetrie, wenn wir Glchg. (5.89)<br />
durch ρ divi<strong>die</strong>ren und Glchg. (5.76) für V ′ benutzen<br />
d2 ′ r G m(r)<br />
= −P −<br />
dt2 ρ r2 und linearisieren<br />
− ω 2 ξ = −δ<br />
� �<br />
′ P<br />
ρ<br />
G m(r)<br />
− δ<br />
r2 ′ δP<br />
= −<br />
ρ<br />
′ δρP G δm(r)<br />
+ −<br />
ρ2 r2 Wir benutzen Glchg. (5.250) und Glchg. (5.251) zur Bestimmung von δP<br />
δP = − ξP ′ − γP r −2 (r 2 ξ) ′<br />
Daraus folgt für <strong>die</strong> 1. Ableitung von δP<br />
δP ′ = −ξP ′′ − ξ ′ P ′ − [(γP/r 2 )(r 2 ξ) ′ ] ′<br />
Die hier auftretende 2. Ableitung von P wird mithilfe von Glchg. (5.123) eliminiert<br />
P ′′ ′ P<br />
= 2<br />
r − 4πGρ2 + P ′ ρ ′<br />
ρ<br />
und damit erhalten wir nach einfacher Zwischenrechnung <strong>die</strong> Schwingungsgleichung (Eddington, 1918)<br />
für <strong>die</strong> Sternpulsationen<br />
− ω 2 �<br />
γP<br />
ρξ =<br />
r2 (r2ξ) ′<br />
�′ ′ 4P<br />
− ξ (5.256)<br />
r<br />
Mit den Randbedingungen<br />
ξ(r = 0) = 0 und ∆P (r = R) = −γP r −2 (r 2 ξ) ′ = 0 (5.257)<br />
hat man demnach eine Eigenwert - Aufgabe zu lösen. Beide Randpunkte sind singulär, was ihre numerische<br />
Lösung erschwert. Die zweite Randbedingung bedeutet, daß (r 2 ξ) ′ regulär sein muß.
5.5. STABILITÄT 317<br />
Variationsprinzip der Perioden<br />
Die Schwingungsgleichung für <strong>die</strong> Sternpulsationen, (5.256), ist selbstadjungiert. Daraus folgt, daß <strong>die</strong><br />
Eigenwerte ω 2 reell und diskret sind und daß <strong>die</strong> Bestimmung der Eigenwerte in ein Variationsprinzip<br />
umgewandelt werden kann.<br />
Mit den Definitionen (vgl. (5.48) und (5.49))<br />
K = γP r −2<br />
W = ρr −2<br />
wobei K, W, Q alle positiv sind, erhält man:<br />
ω 2 �<br />
′ 2 2 (Kζ − Qζ )dr<br />
= min �<br />
W ζ2dr Q = −4P ′ r −3<br />
ζ = ξr 2<br />
(5.258)<br />
(5.259)<br />
Für γ = 4/3 ist ξ = r exakte Lösung (homologe Transformation) mit ω = 0. Statt einer periodischen<br />
Schwingung verhält sich ξ nun aperiodisch, ζ ∝ at + b, und <strong>die</strong> Lösung ist instabil.<br />
Für ξ = r als Ansatz im Variationsprinzip erhält man<br />
ω 2 =<br />
� (9γP − 4P ′ r 3 )r 2 dr<br />
� ρr 4 dr<br />
= (3¯γ − 4) −Ug<br />
Ĩ<br />
(5.260)<br />
dabei ist −Ug = 3 � P dV , Glchg. (5.248) benutzt worden, Ĩ ist das Trägheitsmoment bzgl. Pulsation,<br />
Ĩ =<br />
M�<br />
0<br />
r 2 dm und I = 2<br />
3 Ĩ<br />
Glchg. (5.80), und der Mittelwert des adiabatischen Index ist<br />
�<br />
2 γP r dr<br />
¯γ := �<br />
P r2dr • ZUSATZ<br />
Allgemeiner ist ξ = r n ein möglicher Ansatz, das liefert im Integranden<br />
((2 + n) 2 γ − 4(2n + 1))P r 2n mit dem Minimum n =<br />
Pulsperioden typischer Sterne<br />
4 − 2γ<br />
γ<br />
(5.261)<br />
Da für Sternmaterie stets (3¯γ − 4) > 0 ist, könnte man vermuten, daß es keine obere Massengrenze für<br />
Sterne gibt. Tatsächlich ist unsere Näherung, welche auf dem adiabatischen Index für massive Sterne<br />
beruht, dafür zu grob.<br />
Man muß dann <strong>die</strong> vollen Gleichungen mit Opazität und Strahlungstransport betrachten.<br />
Wir geben in der nebenstehenden Tabelle einige berechnete<br />
Werte für Ptheor = Π0 und für beobachtete Pobs Pulsperioden<br />
Pulsperioden<br />
(<strong>die</strong> Fundamentalmode) für ausgewählte Objekte an. Im fol- Objekt Ptheor Πobs<br />
genden Kapitel betrachten wir ihre Herleitung genauer. Neutronenstern 0.1 . . . 1 ms<br />
Die ersten drei Objekte sind entartet. Die seismische Grund- Weißer Zwerg 1 . . . 10 s<br />
schwingung der Erde (beobachtbar nach starken Erdbeben) Erde 1 h 54 min<br />
ist aufgespalten (durch <strong>die</strong> Coriolis Kraft) in Π0 = 53.1 min<br />
Sonne 57 min 48 min<br />
und 54.7 min.<br />
RR Lyrae 10 h 10 h<br />
Weiße Zwerge oder Neutronensterne sind bisher nur bei ex-<br />
Cepheiden 1 d . . . 1 yr 1 d . . . 1 yr<br />
tremer Rotation nicht aber bei Pulsation beobachtet. Der Radiopulsar<br />
PSR B1937 + 21 hat eine Rotationsperiode von<br />
Tab. 5.4: Pulsperioden<br />
nur 1.5 ms, der Weiße Zwerg WZ Sge hat P = 27.8 Sekunden.<br />
Viele Röntgenburster zeigen Quasi-periodische Oszillationen im kHz Bereich, was ebenfalls als Rotationsperiode<br />
(des Neutronensterns und seiner Akkretionsscheibe) gedeutet wird.
318 KAPITEL 5. HYDRODYNAMIK: STERNMODELLE<br />
Stabilität der Schwingungen<br />
Es sei Π <strong>die</strong> Periode der Fundamentalmode (i = 0 mit Π0). Die diskreten Eigenwerte ω 2 i und <strong>die</strong> zugehörigen<br />
regulären Eigenfunktionen ξi der Schwingungsgleichung, (5.256), bilden für i = 0 . . . ∞<br />
einen vollständigen Satz von Funktionen, nach denen jede Störung, welche <strong>die</strong> Randbedingungen<br />
erfüllt, entwickelt werden kann. Eine notwendige Bedingung für <strong>die</strong> Stabilität eines Sterns gegen radiale<br />
Schwingungen ist, daß der kleinste Eigenwert, ω 2 0 > 0 erfüllt.<br />
Die Periode der Fundamentalmode, i = 0, ist<br />
Π0 = 2π<br />
ω0<br />
(5.262)<br />
Sie ist bekannt, d. h. beobachtet, für <strong>die</strong> Sonne, RR Lyrae Sterne und Cepheiden.<br />
Ein Weißer Zwerg sollte nach einem Nova Ausbruch eine merkliche Schwingungsamplitude haben,<br />
ein Neutronenstern vermutlich nur direkt nach der Geburt oder nach einem Burst; beobachtet ist das<br />
aber noch nicht.<br />
Die homogene Gaskugel als Beispiel<br />
Die Eigenwertgleichung der homogenen Gaskugel kann exakt gelöst werden:<br />
ω 2 = 2πGργ<br />
[γ(n<br />
3<br />
2 + 5n + 6) − 8] (5.263)<br />
Wir betrachten <strong>die</strong> Dichteverteilung der homogenen Gaskugel, ρ = ρ(t) und ein ideales Gas mit adiabatischem<br />
Index γ. Für <strong>die</strong> Grundmode kann man als Ausgangslösung eine Gaskugel mit ρ = const<br />
als einfachste Näherung betrachten. Mit den Abkürzungen<br />
à =<br />
3ω2 2(4 − γ)<br />
+<br />
2πGργ γ<br />
und z = r<br />
R<br />
lautet <strong>die</strong> (singuläre) Schwingungsgleichung, (5.256), wobei ′ = d<br />
dz ist<br />
(1 − z 2 )ξ ′′ +<br />
mit den Randbedingungen<br />
Der Ansatz<br />
liefert<br />
(5.264)<br />
� �<br />
2<br />
− 4x ξ<br />
x ′ 2<br />
+ ( Ã − )ξ = 0 (5.265)<br />
x2 ξ ′ (0) = 0 und ξ(R) endlich (5.266)<br />
∞�<br />
ξ = anz<br />
n=0<br />
s+n<br />
1. <strong>die</strong> Bedingung für s<br />
(s + 2)(s − 1) = 0 (5.267)<br />
woraus s = 1 folgt, da <strong>die</strong> Lösung regulär sein muß.
5.5. STABILITÄT 319<br />
2. <strong>die</strong> Rekursionsformel für <strong>die</strong> a<br />
an+2<br />
an<br />
= n2 + 5n + 4 − Ã<br />
n 2 + 7n + 10<br />
n = 0.2.4, . . . (5.268)<br />
woraus folgt, daß n eine gerade Zahl sein muß, da <strong>die</strong> Serie divergiert. Damit gilt für <strong>die</strong> Eigenwerte<br />
à = n 2 + 5n + 4 n = 0.2.4, . . . (5.269)<br />
oder explizit<br />
ω 2 = 2πGργ<br />
[γ(n<br />
3<br />
2 + 5n + 6) − 8] (5.270)<br />
Der niedrigste Eigenwert, n = 0, der Lösung lautet demnach à = 4 und ξ = aor. Es ist dann exakt<br />
ω 2 0 = 4π<br />
3<br />
G ρ (3γ − 4) (5.271)<br />
Für ein ideales Gas ist γ = 5/3.<br />
Diesen Wert werden wir im folgenden für numerische Angaben zugrunde legen. Für <strong>die</strong> Sonne erhält<br />
man dann<br />
Π0 = 167<br />
� ρ⊙<br />
ρ<br />
min (5.272)<br />
Das ist etwa ein Faktor 3 zuviel für <strong>die</strong> Sonne, da für <strong>die</strong>se <strong>die</strong> Annahme konstanter Dichte nicht<br />
stimmt. Das Eddingtonsche Standardmodell liefert wesentlich bessere Ergebnisse. Für <strong>die</strong> Erde erhält<br />
man so 84 min, was wesentlich besser ist (etwa 20 min zuviel, auch <strong>die</strong> Erde ist nicht homogen).<br />
Polytrope<br />
Für polytrope Sternmodelle mit Index n erhält man<br />
√ �<br />
Π0 ¯ρ = fnfq mit fn = ¯ρ<br />
(n + 1)π<br />
und fq =<br />
ρc<br />
γGΩ2 (5.273)<br />
√<br />
Die mit der mittleren Dichte skalierte Pulsperiode, Π0 ¯ρ, hängt nur vom Index n ab über <strong>die</strong> relativen<br />
Massenkonzentration fn und dem dimensionslosen Eigenwert Ω und vom adiabatischen Index γ.<br />
Für das Eddingtonsche Standardmodell hat man fn = 54.18 und für <strong>die</strong> ersten i = 0 . . . 4 dimensionslosen<br />
Eigenwerte Ω2 (i) gilt für γ = 5/3 (ideales Gas)<br />
i 0 1 2 3 4<br />
Ω 2 0.1367 0.2509 0.4209 0.6420 0.9117<br />
Das liefert für <strong>die</strong> Sonne Π0 = 57 min, wie in der Tabelle angegeben. Für andere, massivere Sterne<br />
kann man den adiabatischen Index γ noch wie folgt verbessern<br />
γ =<br />
32 − 24β − 3β2<br />
24 − 31β<br />
Dabei ist β der Eddington Parameter Glchg. (5.127).
320 KAPITEL 5. HYDRODYNAMIK: STERNMODELLE<br />
5.5.6 Ein Extremalprinzip für Sternpulsationen<br />
Der Druck<br />
Extremalprinzipien spielen in der Physik zu recht eine bedeutende Rolle: <strong>die</strong> fundamentalen Feldgleichungen<br />
folgen alle aus dem Prinzip der kleinsten Wirkung. Für <strong>die</strong> phänomenologische Thermodynamik<br />
gibt es kein solches Prinzip.<br />
An seine Stelle tritt oft das Prinzip vom Minimum der Energie, bezüglich kleiner Auslenkungen aus<br />
dem Grundzustand. Bezüglich <strong>die</strong>ses Grundzustands können <strong>die</strong> Amplituden der Auslenkungen dann<br />
als kanonische Variablen benutzt werden. Grundlage sind dann <strong>Teil</strong>chenzahlerhaltung dNi = 0 und<br />
Adiabasie, dS = 0 während der Schwingung.<br />
Der erste Hauptsatz der Thermodynamik<br />
dE = −P dV + T dS + �<br />
µidNi<br />
(5.274)<br />
i<br />
liefert dann bei der Variation der Energie dE = −p dV den Druck, oder<br />
� �<br />
2 d ɛ<br />
n<br />
dn n<br />
= p (5.275)<br />
N,S<br />
Wir zeigen nun, daß bezüglich Auslenkungen aus der Ruhelage <strong>die</strong> Gesamtenergie Etot eines Sterns<br />
extremal ist, mit den folgenden Eigenschaften:<br />
1. Die 1. Variation liefert das hydrostatische Gleichgewicht.<br />
2. <strong>die</strong> 2. Variation liefert <strong>die</strong> Gleichung für <strong>die</strong> Sternpulsationen.<br />
Es ist Etot = Ug + Ui und im Falle kugelsymmetrischer Materieverteilung ist, s. <strong>die</strong> Glchgn. (5.69) und<br />
(5.61)<br />
Etot =<br />
M�<br />
0<br />
Vdm ; V = −Gm<br />
r<br />
+ ɛ<br />
ρ<br />
Die Lagrange - Form der Kontinuitätsgleichung<br />
(5.276)<br />
Als unabhängige Variable benutzen wir jetzt m statt r und gehen damit von der Eulerschen Beschreibung<br />
der Variation am festen Ort über zu den Lagrange Koordinaten der mitbewegten Materie. Da m<br />
ein Skalar, r i. a. aber ein Vektor ist, funktioniert das Verfahren nur für shpärische Störungen.<br />
Wir definieren <strong>die</strong> Energie pro Masse ˆɛ und <strong>die</strong> Auslenkung aus der Ruhelage ξ<br />
ˆɛ = ɛ<br />
; ξ = δr (5.277)<br />
ρ<br />
Während der Pulsation gilt Massenerhaltung, wie man folgendermassen zeigt: Ausgehend von<br />
r ′ = dr<br />
dm<br />
= 1<br />
4πρr 2<br />
erhalten wir für <strong>die</strong> Lagrange - Variation der Dichte<br />
� �<br />
∆ρ<br />
oder<br />
ξ ′ = δr ′ = −1<br />
4πρr 2<br />
ρ<br />
+ 2δr<br />
r<br />
(5.278)<br />
(5.279)<br />
∆ρ d<br />
= −4π<br />
ρ2 dm (r2ξ) (5.280)<br />
Das ist <strong>die</strong> Lagrange - Form der Kontinuitätsgleichung.
5.5. STABILITÄT 321<br />
Die 1. Variation der Energie<br />
Die Gesamtenergie ist gegeben durch Glchg. (5.276). Für shpärische Störungen ξ = ξ(m) hat <strong>die</strong> 1.<br />
Variation zwei Anteile:<br />
δEg =<br />
M�<br />
0<br />
Gm<br />
ξdm<br />
r2 für <strong>die</strong> Gravitation und<br />
δEi =<br />
M�<br />
0<br />
δˆɛdm mit δˆɛ = dˆɛ<br />
dρ δρ<br />
für <strong>die</strong> innere Energie. Wir benutzen (5.280) und (5.275) und erhalten<br />
δEi =<br />
M�<br />
0<br />
p<br />
∆ρdm = −4π<br />
ρ2 Die Gesamtvariation lautet<br />
δEtot =<br />
M�<br />
0<br />
M�<br />
0<br />
p(r 2 ξ) ′ dm = 4π<br />
V1ξdm mit V1 = Gm dP<br />
+ 4πr2<br />
r2 dm<br />
M�<br />
0<br />
p ′ r 2 ξdm<br />
Die Bedingung V1 = 0 ist das hydrostatische Gleichgewicht, geschrieben in der Variablen m. Demnach<br />
bedingen δEtot = 0 für beliebiges ξ und V1 = 0 sich gegenseitig.<br />
Noch einfacher ist <strong>die</strong> Herleitung, wenn wir<br />
δEi =<br />
M�<br />
0<br />
d(δEi) = −<br />
schreiben und partiell umintegrieren.<br />
Die 2. Variation der Energie<br />
Die 2. Variation wird<br />
δ 2 Etot =<br />
M�<br />
0<br />
M�<br />
0<br />
� −2Gmξ 2<br />
r 3<br />
P d(δV ) = −<br />
M�<br />
0<br />
P dδV<br />
dm =<br />
dm<br />
M�<br />
0<br />
P ′ δV dm<br />
+ 8πr dP<br />
dm ξ2 + 4πr 2 �<br />
d ∆P<br />
ξ dm (5.281)<br />
dm<br />
<strong>die</strong> beiden ersten Terme sind gleich (hydrostatisches Gleichgewicht) und der letzte wird umintegriert<br />
zu:<br />
δ 2 Etot =<br />
M�<br />
0<br />
�<br />
16πr dP<br />
dm ξ2 − ∆P d<br />
dm (4πr2 �<br />
ξ) dm<br />
Wir ersetzen ∆P nach Glchg. (5.251) und benutzen Glchg. (5.280) und erhalten mit den Bezeichnungen<br />
von Glchg. (5.48)<br />
δ 2 Etot = 4π<br />
�R<br />
0<br />
(K ζ ′ 2 − Q ζ 2 )dr
322 KAPITEL 5. HYDRODYNAMIK: STERNMODELLE<br />
Diese Form liefert das Variationsprinzip, allerdings noch ohne (kinetische) Pulsationsenergie:<br />
Epuls = 1<br />
2<br />
�R<br />
Nach dem Virialsatz gilt<br />
0<br />
˙ξ 2 dm = ω2<br />
2<br />
�R<br />
0<br />
4π ξ 2 r 2 dr<br />
1<br />
2 < Ëpuls > = 2 < Ui > + < Ug ><br />
und das ist genau das bereits abgeleitete Variationsprinzip, Glchg. (5.49). Wir sehen so, daß (für kleine<br />
Schwingungen) ein Minimum der Gesamtenergie vorliegt, falls ω 2 > 0 gilt. Dieses ist stabil. Die Fälle<br />
ω 2 ≤ 0 sind meta bzw. instabil.
Kapitel 6<br />
Planeten<br />
6.1 Problemstellung<br />
Die ersten Ansätze, <strong>die</strong> Enstehung von Planeten rein wissenschaftlich zu erklären, gehen auf den<br />
Engländer Thomas Wright und den deutschen Philosophen Emmanuel Kant zurück (Urnebel Hypothese).<br />
Die Frage, ob es im Weltraum außer der Sonne noch weitere Sterne mit Planeten gibt, ist von der Beobachtung<br />
✬nunmehr<br />
zweifelsfrei ✩mit<br />
ja beantwortet. Sogar Statistik kann man schon mit den gefundenen<br />
Planeten machen: Etwa <strong>die</strong> Hälfte sonnenähnlicher Sterne hat (massive)<br />
Die Sonne tönt nach alter Weise<br />
Planeten, <strong>die</strong> andere Hälfte nicht. Diese sind notwendigerweise Jupiter<br />
In Brudersphären Wettgesang.<br />
Und ihre vorgeschriebne Reise ähnlich und werden über <strong>die</strong> Dopplerverschiebung an Linien des Zen-<br />
Vollendet sie mit Donnergang. tralsterns nachgewiesen. Ein System wie <strong>die</strong> Sonne mit einem Jupiter in<br />
J. W. Goethe 5.2 AE Entfernung und einer Umlaufperiode von 11.8 Jahren ist derzeit<br />
✫<br />
✪(wegen<br />
der langen Umlaufperiode) noch nicht nachweisbar. Erdähnliche<br />
Planeten hat man auch entdeckt, allerdings kreisen <strong>die</strong>se um einen ms-Pulsar und keiner weiß, wie sie<br />
dahin gekommen sind.<br />
Eine Frage, <strong>die</strong> daran anschließt, kann im Augenblick nicht behandelt werden, da <strong>die</strong> Empfindlichkeit<br />
der Nachweismethode dazu noch nicht ausreicht: wie wahrscheinlich ist es, daß es ähnliche Sternsysteme<br />
wie das unsere gibt. Die bisher nachgewiesenen Planeten sind zu massiv und zu nah an ihrem<br />
Mutterstern.<br />
• ANMERKUNG (DIE ERDE UND DAS WELTBILD BIS ZUR AUFKLÄRUNG)<br />
Die Erde selbst ist eine Kugel (jedenfalls bei Pythagoras). Diese dreht sich um ihre Achse (Aristarch). Die Größe der Erde<br />
und <strong>die</strong> Entfernung von der Erde zum Mond wurden von Eratosthenes bestimmt. Die Idee, daß <strong>die</strong> Sonne im Zentrum steht,<br />
wurde von Ptolomäus verworfen, da <strong>die</strong> aristotelische Lehre für <strong>die</strong>sen Fall zu grosse Rotationskräfte vorhersagte.<br />
Grosse Weltentwürfe waren vor allem <strong>die</strong> Beschreibung der Planetenbewegungen (relativ zu den Fixsternen) am Himmel.<br />
Von Pythagoras (582 - 500 vor Chr) stammt <strong>die</strong> Bezeichnung Kosmos für <strong>die</strong> der menschlichen Erkenntnis zugängliche<br />
Welt. In der Zahl sah er den Ursprung aller Dinge. Spärenharmonie (oder Sphärenmusik) war bei ihm das Tönen der sich<br />
um das Zentralfeuer auf Kreisen bewegenden Planeten.<br />
Diese Vorstellungen eines vollkommenen Kosmos wurden zunächst fraglos von der Antike übernommen (von Hipparch,<br />
160 - 125 v. Chr. und von Ptolomäus, 90 - 168) und dann u. a. von Kopernikus (1473 - 1543), Brahe (1546 - 1601), Kepler<br />
(1571 - 1630), Galilei (1564 - 1642), Descartes und Leibniz überarbeitet bzw. neu ersonnen. Leibniz kam zu der Ansicht,<br />
daß <strong>die</strong>se Welt <strong>die</strong> beste aller möglichen Welten sei (Er wurde von Voltaire in seinem Candide dafür gehörig lächerlich<br />
gemacht).<br />
Aber erst Newton (1642 - 1727) hat mit seinem Gravitationsgesetz <strong>die</strong> Grundlage zur mathematisch physikalischen Beschreibung<br />
des Planetensystems der Sonne geliefert. Drei Problemkreise wurden durch <strong>die</strong>se Theorie aufgeworfen.<br />
1. Was ist der Urprung des Planetensystems? Newton nahm Gott als Schöpfer und auch gelegentlichen Lenker an.<br />
2. Die Frage, wie <strong>die</strong> Kraft von der Sonne auf <strong>die</strong> Planeten übertragen wird. Diese konnte er nicht beantworten und<br />
spekulieren wollte er darüber nicht (Hypotheses non fingo).<br />
323
324 KAPITEL 6. PLANETEN<br />
3. Was zeichnet den absoluten Raum aus? Auch hierauf fand er keine Antwort, aber Newton konnte mit seinem Eimerversuch<br />
zeigen, wie er festgestellt werden kann. Er ist eindeutig bis auf eine Galilei Transformation.<br />
Das Weltbild des Pierre Simon Marquis de Laplace (1749 - 1827), dargelegt in seinem Buch Le Système du Monde kommt<br />
bereits ohne einen Schöpfer und Lenker aus. Die Sonne bildet sich durch Schrumpfen des Urnebels, <strong>die</strong> Planeten entstehen<br />
aus Ringen von Gas und Staub, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Sonne abwirft, um ihren Drehimpuls loszuwerden. Auf <strong>die</strong> Frage Napoleons, wo<br />
denn in seiner Welt Gott vorkomme, antwortet Laplace mit den geflügelten Worten: Diese Annahme benötige ich nicht,<br />
Sire.<br />
Von Aristarch von Samos, der als erster um 280 vor Chr. das heliozentrische Weltbild vertreten hat, bis zu Kopernikus,<br />
der, gestützt auf genauerer Beobachtungsdaten, mit <strong>die</strong>ser Hypothese das Weltbild der Renaissance (dargelegt in De Revolutionibus<br />
Orbium Celestum) revolutionierte, vergingen fast 2000 Jahre. Kopernikus hält aber an der Beschreibung der<br />
Planetenbahnen durch Kreise (und Kreise auf Kreisen, den Epizyklen) fest.<br />
Bis zum endgültigen Modell der Planetenbahnen (Ellipsen mir der Sonne in einem Brennpunkt) vergehen nur noch 200<br />
Jahre mit wechselnden Beschreibungen.<br />
Tycho Brahe entwirft ein Mischmodell: Mond und Sonne umkreisen <strong>die</strong> Erde, alle anderen Planeten umkreisen <strong>die</strong> Sonne.<br />
Damit ist das Problem der fehlenden Parallaxe formal gelöst.<br />
Johannes Kepler findet, gestützt auf <strong>die</strong> genauen Beobachtungsdaten seines Schwiegervaters Brahe, <strong>die</strong> korrekte Bahnform<br />
(anhand der Marsbahn von 687 Tagen). Damit kann er erstmals auf Epizyklen verzichten.<br />
Galileio Galilei übernimmt das System des Kopernikus, Keplers Ellipsenbahnen lehnt er ab.<br />
Mit Newton findet <strong>die</strong> Suche nach der richtigen Bahn der Planeten ihren vorläufigen Abschluß: <strong>die</strong> Bahnen werden durch<br />
Kräfte bestimmt (nicht von Göttern). Von da an steht nicht mehr <strong>die</strong> Bahn, sondern <strong>die</strong> Kraft (und ihre Quelle) im Vordergrund<br />
des physikalischen Interesses. Das gilt bis heute.<br />
Bei bekannten Kräften kann man (insbesondere bei makroskopischen Systemen wie den Planeten, falls <strong>die</strong> Anfangsbedingungen<br />
bekannt sind) zweierlei tun:<br />
1. <strong>die</strong> zukünftige Entwicklung,<br />
2. <strong>die</strong> Vergangenheit<br />
vorhersagen. Damit stellt sich sofort <strong>die</strong> Frage nach dem Ursprung des Sonnensystems. Bei Newton ist noch Gott als<br />
Schöpfer dafür zuständig, bei Laplace (und Maxwell) bereits nicht mehr. Von Newtons Hypotheses non fingo, womit er<br />
sagen wollte, daß man über den Ursprung des Universums im Rahmen der bekannten Physik keine Aussage machen kann,<br />
bis zu Laplaces Je n’ai pas besoin de cette hypothèse, als Antwort auf Napoleons Frage, wo denn bei ihm der Schöpfer<br />
vorkomme, sind es dabei nur noch 100 Jahre.<br />
Die astronomische Einheit AE, d. h. <strong>die</strong> Entfernung Erde-Sonne, ist <strong>die</strong> Grundeinheit der Länge im<br />
Sonnensystem und es gilt:<br />
1 AE = D Erde-Sonne = 2.3 · 10 4 R⊕ = 1.49 · 10 13<br />
oder, genauer<br />
1AE = 149597892 km<br />
cm ∼ = 500 s<br />
Zur Grundeinheit der Länge im Sonnensystem gehört <strong>die</strong> der Zeit: <strong>die</strong> Bahnperiode der Erde beträgt<br />
siderisch:<br />
1 yr = 365.25636 d, oder 3.1558 · 10 7<br />
Da <strong>die</strong> Frage, ob es im Weltraum außer der Sonne noch weitere Sterne mit Planeten gibt, nunmehr<br />
positiv beantwortet ist<br />
• ZUSATZ (DER WEG ZUM NÄCHSTEN STERN)<br />
Bis 40 AE.<br />
Der Rand des Planeten und Asteroiden Systems der Sonne (Kuiper Gürtel) liegt bei etwa 40 AE. Bis hierher sind<br />
bereits Raumsonden gelangt.<br />
Bis 80 AE.<br />
Die Heliosphäre (d. h. der Einfluß des Sonnenwindes mit seinem Magnetfeld) reicht bis etwa 80 AE (<strong>die</strong>se Entfernung<br />
wird etwa 2001 von Voyager 1 erreicht).<br />
s
6.2. DAS PLANETENSYSTEM DER SONNE 325<br />
Bis 200 AE.<br />
Die lokale interstellare Wolke (Übergang des Sonnenplasmas ins interstellare Medium) reicht bis etwa 200 AE.<br />
Bis 40 000 AE.<br />
Der direkte gravische Einfluß der Sonne reicht etwa bis zur Oortschen Wolke in 40 000 AE Entfernung, das sind 0.2<br />
Parsec.<br />
Bis 1 Parsec (Erdbahnparallaxe) = 206 265 AE.<br />
Eine wichtige (astronomisch technische) Grundeinheit ist<br />
1 pc = 206265 AE = 3.08 · 10 18<br />
Der nächste bekannte Stern ist 1.3 pc entfernt.<br />
6.2 Das Planetensystem der Sonne<br />
6.2.1 Einleitung: <strong>die</strong> Gestalt der Planeten<br />
Von den vier Fundamentalkräften bestimmen zwei <strong>die</strong> Gestalt der Planeten:<br />
1. das quantisierte Elektronengas plus Coulombkraft und<br />
2. <strong>die</strong> Gravitationskraft.<br />
cm = 3.26 Lichtjahre (6.1)<br />
Über das Innere der Planeten ist nicht viel aufgrund von Beobachtung bekannt, insbesondere <strong>die</strong> Innentemperatur<br />
ist unsicher (der Druck stammt hauptsächlich von entarteten Elektronen). Unser Wissen<br />
beruht zumeist auf theoretischen Modellen. Grundlage ist <strong>die</strong> Kenntnis der Zustandsgleichung für entartete<br />
Materie. Diese wurde erstmals ∗ von Feynman, Metropolis und Teller (1949) hergeleitet. Für <strong>die</strong><br />
Erde können Komprssions und Elastizitätsmodul aus Erdbebenwellen und aus dem Chandler Wobbel<br />
bestimmt werden.<br />
6.2.2 Aufbau der Planeten<br />
Wir betrachten im folgenden der Reihe nach<br />
1. Planeten im Grundzustand (Kugel),<br />
2. als pulsierende bzw.<br />
3. als starr rotierende Flüssigkeit und<br />
4. als Begleiter eines zweiten Objekts.<br />
Wir bezeichnen das Gravitationspotential mit φ, den Druck mit P und <strong>die</strong> Winkelgeschwindigkeit der<br />
Rotation mit Ω.<br />
Die Grundgleichungen<br />
Dann lauten <strong>die</strong> Grundgleichungen, <strong>die</strong> neben der Zustandsgleichung P = P (ρ) für entartete Materie<br />
benötigt werden<br />
ρ ∂2�r ∂t2 = −ρ� ∇φ − � ∇P − ρ� ∇Zrot (6.2)<br />
∆φ = 4πGρ (6.3)<br />
Zrot = − 1<br />
(6.4)<br />
2 � ∇(Ω × r) 2<br />
Also in <strong>die</strong>ser Reihenfolge: Eulersche Gleichung, Poissonsche Potentialgleichung und Zentrifugalpotential<br />
für starre Rotation.<br />
∗ Feynman, R.P. and N. Metropolis and E. Teller Equations of state of elements based on the generalized Fermi-Thomas<br />
theory 1949 Phys.Rev. 75, 1561. Eine Verbesserung wurde von Salpeter angegeben. E.E. Salpeter Energy and pressure of<br />
a zero temperature plasma 1961, Ap.J. 134.669.
326 KAPITEL 6. PLANETEN<br />
Das Gravitationspotential<br />
Wir fassen hier <strong>die</strong> mathematischen Grundlagen zur Lösung der Poissonschen Potentialgleichung zusammen.<br />
• FORMELN (DIE LAPLACE GLEICHUNG)<br />
Wir beginnen mit den Eigenschafte der ’Laplace Gleichung’, hier für das Potential V geschrieben (mit den Winkeln θ und<br />
φ, r ist hier Radial-Koordinate)<br />
div gradV = ∆V = 0 (6.5)<br />
welche das Feld im quellfreien Raum beschreibt. Der Operator lautet in Kugelkoordinaten<br />
∆ = 1<br />
r 2<br />
� �<br />
∂ 2 ∂<br />
r +<br />
∂r ∂r<br />
1<br />
r2 �<br />
1<br />
sin θ<br />
�<br />
∂<br />
sin θ<br />
∂θ<br />
∂<br />
�<br />
+<br />
∂θ<br />
1<br />
sin 2 θ<br />
∂2 ∂φ2 �<br />
Die allgemeine Lösung in Kugelkoordinaten ist separabel und enthält 3 verschiedene Anteile: eine Qrtsfunktion f(r) und<br />
eine Kugelfunktion, X m l , <strong>die</strong> selbst Produkt zweier Winkelfunktionen ist.<br />
Die Winkelanteile davon sind Darstellungen der Drehgruppe zum Drehimpuls l. Darin liegt ihre grosse Bedeutung: alle<br />
physikalischen Skalare haben <strong>die</strong>se Winkelabhängigkeit (Schrödingergleichung, Maxwellgleichung etc.), falls sie einer<br />
linearen Differentialgleichung gehorchen.<br />
Die Kugelfunktionen sind wie folgt definiert:<br />
wobei P m<br />
l<br />
X m l = e imφ P m<br />
l (cosθ) (6.7)<br />
<strong>die</strong> Legendre–Funktionen sind.<br />
Die Kugelfunktionen erhalten noch den Faktor<br />
e imφ , und <strong>die</strong> in der Tabelle aus Platzgründen<br />
fehlende Funktion lautet<br />
(3 sin θ − sin 3θ)ei3φ<br />
X3 3 = 15<br />
4<br />
Der Radialanteil der Gesamtfunktion Vmm hat<br />
zwei Terme, hier mit + und − bezeichnet. Sie<br />
lauten,<br />
1. für <strong>die</strong> im Unendlichen reguläre Funktion:<br />
V − mn = r−n−1 Xm l<br />
bzw.<br />
2. für <strong>die</strong> im Ursprung reguläre Lösung:<br />
Legendre Funktionen P m n<br />
n m = 0 m = 1 m = 2<br />
0 1 0 0<br />
1 cos θ sin θ 0<br />
1<br />
3<br />
2 4 (3 cos 2θ + 1)<br />
3 1<br />
8 (5 cos 3θ + 3 cos θ) 3<br />
3<br />
2 sin 2θ<br />
8 (5 sin 3θ + sin θ) 15<br />
4<br />
Tab. 6.1: Kugelfunktionen<br />
(6.6)<br />
2 (1 − cos 2θ)<br />
(cos θ − cos 3θ)<br />
V + mn = r n X m l .<br />
Für <strong>die</strong> Aussenlösung kommt demnach nur <strong>die</strong> erste infrage.<br />
Aus <strong>die</strong>sen skalaren Basisfunktionen, <strong>die</strong> ein vollständiges System bilden, kann man <strong>die</strong> Lösungen der inhomogenen Gleichungen<br />
gewinnen, wie wir jetzt zeigen wollen.<br />
• FORMELN (DIE POISSONSCHE POTENTIALGLEICHUNG)<br />
Ausgehend vom Newtonschen Potential für ein Punktteilchen<br />
V (�r) = Gm 1<br />
|�r|<br />
zur Dgl. ∆V = 4πGδ(�r)) (6.8)<br />
erhalten wir wegen der Linearität der Differentialgleichung für N <strong>Teil</strong>chen<br />
V (�r) =<br />
N� 1/<br />
Gmi<br />
�r − �ri|<br />
i=1<br />
und daraus im Grenzübergang kontinuierlicher Materieverteilung der Massendichte ρ <strong>die</strong> Poissonsche Potentialgleichung<br />
∆V = 4πGρ (6.10)<br />
Wir lösen <strong>die</strong>se demnach für das Gravitationspotential V mit dem folgenden Ansatz (Greensche Funktion)<br />
�<br />
V (�r) = G<br />
ρ(�u)/<br />
�r − �u| d3u (6.11)<br />
(6.9)
6.3. DER INNERE AUFBAU DER PLANETEN 327<br />
Ausserhalb der Materieverteilung muß <strong>die</strong> Lösung in <strong>die</strong> der ’Laplace Gleichung’ übergehen. Das liefert folgende Multipolentwicklung<br />
V (�r) = −GM �<br />
n<br />
αnr −n−1 X m l<br />
Im Falle des Newtonschen Gravitationspotentials fällt der Dipolterm weg, und <strong>die</strong> ersten beiden Terme lauten (in der<br />
Definition von Landau und Lifschitz)<br />
�<br />
M 1<br />
V (�r) = −G +<br />
r<br />
mit dem Quadrupolmoment<br />
�<br />
Dαβ =<br />
∂ 2<br />
6 Dαβ<br />
∂xα∂xβ �<br />
(6.12)<br />
(6.13)<br />
ρ(3xαxβ − r 2 δαβ)dV (6.14)<br />
• FORMELN (DIE HELMHOLTZ GLEICHUNG)<br />
Hierher gehört auch <strong>die</strong> ’Helmholtz Gleichung’<br />
∆A + k 2 A = 0 (6.15)<br />
bzw. <strong>die</strong> Yukawa Gleichung mit umgekehrten Vorzeichen, k = iµ. Leider ist der Übergang k → 0 singulär, sodaß selbst<br />
<strong>die</strong> beiden Fälle, ’Laplace Gleichung’ und ’Helmholtz Gleichung’, getrennt behandelt werden müssen. Dieses verschieben<br />
wir auf später (Elektrodynamik).<br />
6.3 Der innere Aufbau der Planeten<br />
Einfache Modelle für Planeten, braune und weiße Zwerge erhält man für folgende Zustandsgleichungen:<br />
1. ρ = const. Inkompressible Materie (Limes zu n = 0).<br />
2. P = Kρ 2 . Polytrope zum Index n = 1.<br />
3. P = Kρ s . Polytrope zum Index n mit s = 1 + 1<br />
n .<br />
Die beiden ersten Modelle können vollständig analytisch behandelt werden, sind also besonders bequem<br />
zu einer qualitatven Diskussion geeignet. Inkompressible Materie erlaubt sogar eine exakte<br />
Lösung bei Rotation. Wir werden sie betrachten bei der Behandlung der Rotation der Erde, Maclaurin<br />
(1742) fand <strong>die</strong> nach ihm benannten 2-achsigen Rotations-Ellipsoide mit grosser Hauptachse a = b und<br />
und kleiner Hauptachse c = a √ 1 − e 2 . Jacobi (1834) fand eine weitere Sequenz, und zwar 3-achsige<br />
Ellipsoide (geringerer Energie) a > b > c bei hohem Drehimpuls. Poincaré fand (1855) eine weitere<br />
Sequenz zur Jacobi Sequenz.<br />
Nichtrelativistische Materie (genügender Dichte) kann mit n = 1.5 und relativistische Materie mit<br />
n = 3 beschrieben werden. Die Sonne selbst ist nichtentartet, hat also keine Zustandsgleichung der<br />
Form P = P (ρ), sie kann aber als Polytrope mit n = 3 genähert werden.<br />
6.3.1 Inkompressible Materie<br />
Einfachste Grundlage zur Beschreibung des Inneren eines Planeten ist <strong>die</strong> inkompressible, homogene<br />
Kugel. Wir bezeichnen das Gravitationspotential mit φ und lösen <strong>die</strong> Poissonsche Potentialgleichung<br />
∆φ = 4πGρ (6.16)
328 KAPITEL 6. PLANETEN<br />
in sphärischen Koordinaten für Kugelsymmetrie:<br />
∆φ = 1<br />
r2 d d<br />
r2 φ = 4πGρ (6.17)<br />
dr dr<br />
Die Differentialgleichung ist singulär bei r = 0. Die singuläre Lösung<br />
φ = φs = − Gm0<br />
r<br />
im Innern des Sterns beschreibt eine Punktmasse im Zentrum und wird aus physikalischen Gründen<br />
ausgeschlossen. Wenn wir <strong>die</strong> Masse innerhalb des Radius r mit m = m(r) bezeichnen, dann gilt für<br />
<strong>die</strong> Ableitung vom Potential (Beschleunigung g):<br />
g = − dφ<br />
dr<br />
Gm 4π<br />
= =<br />
r2 3<br />
Die reguläre Lösung im Innern lautet<br />
φ = φ0 + 2πGρ<br />
r<br />
3<br />
2 = φ0 + Gm<br />
2r<br />
Gρr (6.18)<br />
(6.19)<br />
Die Aussenlösung, d. h. wo ρ(r) = 0 ist, wird so geeicht, daß φ(∞) = 0 gilt. Die Integrationskonstante<br />
der Innenlösung ist dann eindeutig bestimmt: φ0 wird so gewählt, daß <strong>die</strong> Außenlösung<br />
φ = − GM<br />
r<br />
; ∆φ = 0 (6.20)<br />
stetig am Rand M = m(R) an <strong>die</strong> Lösung im Innern anschließt. Das liefert<br />
φ0 = − 3GM<br />
2R<br />
; R : Radius M : Masse (6.21)<br />
Der Druck muß als Kraft pro Fläche ebenfalls stetig sein,<br />
P (R) = 0 ; R : Radius (6.22)<br />
Den Druck im Innern erhalten wir damit aus<br />
zu<br />
dP<br />
dr = P ′ = −Gρ Gm<br />
r2 P = 1<br />
2 ρ<br />
�<br />
GM<br />
R<br />
�<br />
Gm<br />
−<br />
r<br />
Für den Druck im Zentrum gilt also<br />
Pc = ρGM<br />
2R<br />
(6.23)<br />
(6.24)<br />
= −1 ρφ(R) (6.25)<br />
2<br />
für <strong>die</strong> inkompressible, homogene Kugel.<br />
Die singuläre Lösung (Index s) hat zusätzlich den Term<br />
Ps = P + Gρm0<br />
r<br />
der Druck divergiert im Zentrum.<br />
Wir betrachten nun eine Sequenz von inkompressiblen, homogenen Kugeln mit der Masse M als Parameter.<br />
Der Radius R solcher Kugeln wächst unbeschränkt wie M 1/3 .
6.3. DER INNERE AUFBAU DER PLANETEN 329<br />
Um zu sehen, wann unsere einfache Näherung konstanter Dichte ihre Gültigkeit verliert, schreiben wir<br />
P ′ = dP<br />
dρ ρ′ = −Gρ Gm<br />
r2 und schätzen ∆ρ ≈ ρ ′ R < ρ ab. Dazu setzen wir<br />
dP<br />
dρ = c2s und v 2 esc = 2GM<br />
R<br />
(6.26)<br />
(6.27)<br />
wobei cs <strong>die</strong> Schallgeschwindigkeit und vesc <strong>die</strong> Entweichgeschwindigkeit ist.<br />
Die Bedingung für <strong>die</strong> Anwendbarkeit unserer einfachen Näherung ρ = const, lautet demnach, wenn<br />
wir<br />
∆ρ<br />
ρ ≈ v2 esc<br />
c 2 s<br />
abschätzen:<br />
c 2 s ≫ v 2 esc<br />
Für reines Eisen ist (der Laborwert, unter Normalbedingungen) cs = 7.1 km s −1 und für <strong>die</strong> Erde<br />
beträgt vesc = 11.2 km s −1 . Die Bedingung für <strong>die</strong> Anwendbarkeit unserer einfachen Näherung ist<br />
damit für <strong>die</strong> Erde deutlich verletzt.<br />
Die Grenzmasse, <strong>die</strong> unserer einfachen Näherung entspricht, beträgt<br />
Mc = 4 · 10 26<br />
g oder Mc = M⊕/14 (6.28)<br />
bei einem Radius von R = 2 · 10 8 cm, was Rc = R⊕/2.7 entspricht.<br />
Zum Vergleich: der Mond hat M = 0.012M⊕ und R = 0.274R⊕ und liegt damit etwas über <strong>die</strong>ser<br />
Grenze.<br />
6.3.2 Die Zustandsgleichung<br />
Für genauere Aussagen über das Innere von Planeten benötigen wir <strong>die</strong> Zustandsgleichung. Als extreme,<br />
idealisierte Beispiele betrachten wir reines Eisen (Erde) und reinen Wasserstoff (Jupiter). Für<br />
Laborbedingungen (etwa <strong>die</strong> Oberflächenverhältnisse der Planeten) muß <strong>die</strong>se zunächst experimentell<br />
bestimmt werden. Die entscheidende Größe ist k, <strong>die</strong> hydrostatische Kompressibilität, welche für<br />
entartete Materie aus der Schallgeschwindigkeit cs bestimmt werden kann:<br />
k = − 1<br />
V<br />
dV<br />
dP<br />
= 1<br />
ρ<br />
dρ<br />
dP =<br />
1<br />
ρc 2 s<br />
(6.29)<br />
Bei entarteter Materie spielt <strong>die</strong> Temperatur keine Rolle, chemische Reaktionen sind ebenfalls vernachläßigbar.<br />
Sonst muß <strong>die</strong> Ableitung den thermodynamischen Bedingungen entsprechend genom-<br />
men werden:<br />
c 2 � �<br />
dP<br />
s =<br />
dρ S<br />
falls <strong>die</strong> Schwingungen adiabatisch sind, S = const. Im hydrostatischen Gleichgewicht gilt der Grenzfall<br />
extrem niedriger Frequenzen.<br />
Für Eisen ist k = 0.6 · 10−12 g−1 cm s2 und ρ = 7.86 g cm−3 . Die zu k inverse Größe heißt Elasti-<br />
zitätsmodul E und es gilt<br />
cs =<br />
�<br />
E<br />
ρ<br />
Ab ρ = 15 g cm −3 gibt es (für niedrige Temperaturen) Rechnungen von Feynman, Metropolis und<br />
Teller, <strong>die</strong> ab etwa ρ = 10 4 g cm −3 in <strong>die</strong> Zustandsgleichung des freien Elektronengases übergehen.
330 KAPITEL 6. PLANETEN<br />
6.3.3 Die Zustandsphasen<br />
Bei der Erde sind in der Kruste und im Kern Korrelationsenergie eines Eisengitters und Gravitationsenergie<br />
vergleichbar. Sie liegt damit gerade an der Grenze zweier Phasen: fest und flüssig. So kann<br />
man <strong>die</strong> maximale Höhe von Bergen, h, und damit <strong>die</strong> Ebenheit der Erdoberfläche, abschätzen, nach<br />
der Formel:<br />
kTs = mF eg h mit kTs � α 3 mec 2<br />
wobei für Ts etwa <strong>die</strong> Schmelztemperatur von Eisen (oder Stein) einzusetzen wäre. Hier ist mgh <strong>die</strong><br />
pot. grav. Energie am Fusse des Berges, von der Spitze aus gemessen, und g = 981 cm s −2 <strong>die</strong> Erdbeschleunigung.<br />
Für den Schmelzdruck erhält man mit<br />
Ps � nkTs<br />
aus unserer Abschätzung für T etwa Ps ≈ 10 9 dyn cm −2 und aus Ps = gρh <strong>die</strong> maximale Höhe damit<br />
zu h ≈ 10 km. Sieht man von Inhomogenitäten in der Dichte ab, dann ist das in etwa auch <strong>die</strong> Dicke<br />
der Erdkruste.<br />
Unsere Formel<br />
h = Ps<br />
gρ = α3mec2 mF eg<br />
g = GM<br />
R 2<br />
können wir nun an anderen Planeten testen: für den Mars erhält man h ≈ 26 km (der Olympus Mons<br />
hat 24 km) und für den Mond mit g = 0.165g⊕ sogar h ≈ 60 km, was in etwa für <strong>die</strong> Dicke der<br />
Mondkruste zutrifft (Berge vulkanischen Ursprungs gibt es dort nicht). Auf der Venus ist Maxwell<br />
Montes mit 12 km der höchste Berg (in einem Gebirge der Ausmasse 700 km mal 400 km). Planeten<br />
sind demnach mit h/R ≈ 10 −3 sehr rund, was für <strong>die</strong> kleineren Monde, Asteroiden und Planetoiden<br />
nicht mehr gilt. Entsprechend unregelmässig sind letztere geformt. Die beiden Mars Monde Phobos<br />
(gr. Furcht) und Deimos (gr. Panik) haben Abmessungen 28 mal 23 mal 20 km und 16 mal 12 mal 10<br />
km.<br />
Nehmen wir als einfachsten Fall an, daß der Planet aus reinem Wasserstoff mit der Masse m := mH besteht.<br />
Die Coulomb-Abstossung des Hüllen-Elektrons mit seinem nächsten Nachbarn liefert <strong>die</strong> Kraft,<br />
um der Gravitation <strong>die</strong> Waage zu halten. Der Quotient beider Kräfte, bezogen auf <strong>die</strong> schweren Protonen,<br />
an denen <strong>die</strong> leichten Elektronen hängen, ist eine der Diracschen grossen Zahlen<br />
D1 = e2<br />
≈ 1036<br />
Gm2 (6.30)<br />
Da <strong>die</strong> Gravitation unendliche Reichweite hat, <strong>die</strong> Coulomb - Kraft jedoch abgeschirmt wird, vergrößert<br />
sich das Verhältnis von Gravitationskraft zu Coulomb - Kraft bei N <strong>Teil</strong>chen um das N-fache.<br />
Eine kritische Grenzmasse, Mc, erhält man für Planeten, indem man beide Kräfte, oder – einfacher –<br />
ihre Bindungsenergien, gleich setzt.<br />
Das ergibt, wenn man den mittleren Elektronenabstand mit l ≈ RN −1/3 abschätzt,<br />
Ne 2<br />
l<br />
= N 4/3 e 2<br />
R<br />
= Gm2 N 2<br />
R<br />
Der Radius R hebt sich heraus und man erhält für einen Planeten eine kritische <strong>Teil</strong>chenzahl, Nc, und<br />
eine dazu gehörende kritische Masse Mc:<br />
Nc = D 3/2<br />
1<br />
≈ 10 54<br />
bzw. Mc = mHN ≈ 10 −3 M⊙ (6.31)<br />
Bis zu Mc dominiert <strong>die</strong> Coulomb - Kraft den Planeten, für größere Massen sind beide gleich wichtig.
6.4. DIE NEUN PLANETEN DER SONNE 331<br />
Statt der Coulomb - Kraft hätten wir auch den Pauli - Druck benutzen können und für unsere Abschätzung<br />
eine nichtrelativistische, inkomressible Flüssigkeit † mit einem <strong>Teil</strong>chen pro Atomvolumen<br />
v = 4π<br />
3 r3 B ≈ 5 · 10 −25<br />
cm 3 oder ρ = mp<br />
v<br />
≈ 3 g cm−3<br />
betrachten können.<br />
Der Planet Jupiter liegt gerade an <strong>die</strong>ser Grenze mit einer Masse von 10 −3 M⊙ = 318M⊕, einer mittleren<br />
Dichte von ρ = 1.3 g cm −3 und einem Durchmesser von D = 0.1D⊙ = 11.25D⊕ = 140 000<br />
km.<br />
Bis zu <strong>die</strong>ser Grenze Mc wächst der Radius einer von der Gravitation zusammengehaltenen Kugel<br />
aus Wasserstoff, danach sorgt <strong>die</strong> Gravitation für ein Schrumpfen des Radius bei wachsender Masse.<br />
Die Atome werden durch <strong>die</strong> Gravitation bei wachsender Masse aufgelöst, es bildet sich ein freies<br />
Elektronengas, neutralisiert durch Atomkerne. Früher waren Planeten solcher Masse nicht bekannt<br />
und man nahm an, daß ein starker Sternenwind ihr Wachstum verhindert. Mittlerweile sind 2 Planeten<br />
mit M = 2.4Mc und 6.5Mc gefunden worden und es werden wohl noch mehr werden.<br />
6.4 Die neun Planeten der Sonne<br />
6.4.1 Jupiter<br />
Der Planet Jupiter ist sowohl astronomisch als auch astrophysikalisch besonders interessant. Er stellt<br />
mit seinen Monden praktisch ein Sonnensystem in miniatur dar, allerdings mit bedeutenden Unterschieden:<br />
<strong>die</strong> Masse und der Drehimpuls stecken im Zentrum, <strong>die</strong> (Galileischen) Monde zeigen eine<br />
extrem scharfe Resonanz. Die Perioden von Io, Europa und Ganymed erfüllen<br />
1 1<br />
τI<br />
− 3 1<br />
τE<br />
+ 2 1<br />
τG<br />
= 0<br />
auf neun Stellen genau. Im Sonnensystem selbst enthält Jupiter den Hauptanteil am Bahn Drehimpuls,<br />
er hat auch <strong>die</strong> größte Eigenrotation (Spin). Im System Sonne Jupiter wurde (1906) der erste Asteroid<br />
an einem stabilen Lagrange Punkt gefunden.<br />
Wir definieren nochmals Masse<br />
Mc = mHD 3/2<br />
1 ≈ 10 −3 M⊙ und D1 = e2<br />
≈ 1036<br />
Gm2 und Radius eines kritischen Planeten<br />
Rc = D 1/2<br />
1 r B ≈ 5 · 10 9<br />
(6.32)<br />
cm (6.33)<br />
Der Planet Jupiter, mit einer mittleren Dichte von ρ = 1 g cm −3 und einem Radius von R = 0.1R⊙<br />
und mit einer Masse von 10 −3 M⊙, liegt, wie wir gesehen haben, an <strong>die</strong>ser kritischen Grenze, an der<br />
<strong>die</strong> Gravitation zu dominieren beginn: es ist <strong>die</strong> minimale Masse, ab der Planeten schrumpfen wenn<br />
Materie hinzugefügt wird.<br />
Von außen nach innen befindet sich beim Jupiter der Wassertstoff in folgenden Phasen: molekular<br />
(gasförmig und fest), atomar und metallisch. Bei nicht zu hoher Temperatur im Zentrum ist der Wasserstoff<br />
dort fest, es ist sogar möglich, daß er supraleitend wird. Daran schließt sich ein Fe - Ni Kern<br />
von etwa 13 M⊕ an.<br />
Der Wärmeinhalt beträgt 10 42 erg und <strong>die</strong> Verlustrate 4 · 10 24 erg s −1 .<br />
† Für eine relativistische Flüssigkeit ist e 2 durch ¯hc zu ersetzen und man erhält eine um den Faktor α −3/2 grössere<br />
Grenzmasse: <strong>die</strong> Chandrasekhar Masse für weiße Zwerge.
332 KAPITEL 6. PLANETEN<br />
6.4.2 Die anderen Planeten<br />
Bisher sind – außer der Erde – 9 Planeten ‡ bekannt. Die inneren Planeten (Merkur, Venus, Erde, Mars)<br />
haben ähnliche Dichte und keine (Merkur, Venus) oder wenige Monde (Erde 1: Luna, Mars 2: Phobos<br />
& Daimos). Die äusseren Planeten haben geringere Dichte, viele Monde (Jupiter: 16, Saturn: 16,<br />
Uranus: 5, Neptun: 2, Pluto: 1) und zum <strong>Teil</strong> Ringe (Jupiter, Saturn).<br />
Im Gegensatz zu den Planeten sind deren Monde nicht mehr geologisch aktiv: mit einer bedeutenden<br />
Ausnahme. Io, ein aus Schwefel bestehender Galiläischer Mond des Jupiter, zeigt ausgesprochenen<br />
Vulkanismus. Des Rätsels Lösung: <strong>die</strong> drei restlichen Galiläischen Monde stören <strong>die</strong> Bahn von Io,<br />
sodaß sie nicht mehr kreisförmig um Jupiter verläuft. Die Gezeitenkräfte des Jupiter heizen dabei<br />
durch Reibung den Schwefel so stark auf, daß es zu riesigen Schwefel-Fontänen kommt.<br />
Name Radius Masse Dichte Distanz Prot Torb Monde<br />
(Erde) (Erde) g cm −3 AE d yr<br />
Merkur 0.38 0.055 5.4 0.39 58 0.24 0<br />
Venus 0.95 0.81 5.1 0.72 -243 0.61 0<br />
Erde 1 1 5.5 1 1 1 1<br />
Mars 0.53 0.11 3.9 1.5 1.0 1.84 2<br />
Asteroiden 2.8 (1)<br />
Jupiter 11 318 1.3 5.2 0.41 11.8 16<br />
Saturn 9.4 95 0.70 9.5 0.43 29 16<br />
Uranus 4.4 15 1.0 19 -0.51 83 5<br />
Neptun 3.9 17 1.7 30 0.66 164 2<br />
Pluto 0.26 0.0023 0.8 39 6.4 243 1<br />
Kuiper Gürtel 0.04 40 > 160 -<br />
Oort Wolke 4 · 10 4 3 · 10 7 -<br />
Tab. 6.2: Parameter der Planeten<br />
Merkur dreht synchron: Prot = Torb. Venus und Uranus drehen falsch herum, retrograd, dabei stehen<br />
bei Uranus zusätzlich noch Spin und Orbital - Drehimpuls nahezu senkrecht!<br />
Der Kuiper Gürtel besteht aus etwa 3.5 · 10 4 . . . 10 5 Planetoiden bzw. Asteroiden der (Einzel)Masse<br />
10 22 g.<br />
‡ Merkregel:<br />
Mein Vater Erklärt Mir Jeden Samstag Unsere Neun Planeten.<br />
Die Existenz eines zehnten Planeten, jenseits von Pluto, – Nemesis – ist eher unwahrscheinlich.<br />
Legende:<br />
Relativkoordinate x = 100 · r<br />
R<br />
1. H2 - Gas; T ≈ 170 K ∆R ≈ 150 km<br />
1a. H2 - Flüssigkeit; P ≈ 20 atm<br />
2. H (gasf . . . flüssig)<br />
3. metallisches H (fest)<br />
4. Fe - Ni Kern; T ≈ 20 000 K<br />
✻<br />
x<br />
Abb. 6.1: Jupiter<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
00<br />
♠<br />
1<br />
♠<br />
2<br />
♠<br />
3<br />
♠<br />
4<br />
1.1<br />
2.7<br />
4.1<br />
15.<br />
ρ<br />
[g cm −3 ]<br />
✻
6.4. DIE NEUN PLANETEN DER SONNE 333<br />
Die Oortsche Wolke besteht aus etwa 10 9 . . . 10 11 Kometen der (Einzel)Masse 10 16 g.<br />
Die bekanntesten Asteroiden sind: Ceres, Pallas, Juno, Vesta.<br />
6.4.3 Drehimpulsverteilung<br />
Zum Nachschlagen einige Werte für <strong>die</strong> Sonne vorweg. Trägheitsmoment bzw. Drehimpuls (Modell)<br />
und Drehimpulsverlustrate (Theorie) sind nicht direkt messbar, für das Quadrupolmoment gibt es eine<br />
obere Schranke. Der hier angegebene Wert beruht auf der Annahme starrer Rotation.<br />
• FORMELN (WERTE FÜR DIE SONNE)<br />
Wir benutzen folgende theoretische Werte für <strong>die</strong> Sonne (beruhend auf dem gerechneten Standardmodell):<br />
1. Rotationsfrequenz: Ω = 2.86 µ Hz<br />
2. Drehimpuls: J⊙ = 1.63 · 10 48 g cm 2 s −1<br />
3. Trägheitsmoment: I⊙ = 6 · 10 53 g cm 2<br />
4. Quadrupolmoment: J2 = 2 · 10 −7<br />
5. Massenverlustrate (Sonnenwind): ˙ M = 1.4 · 10 12 g s −1<br />
6. Drehimpulsverlustrate: ˙<br />
J = 5 · 10 31 g cm 2 s −2<br />
Die Sonne rotiert mit einer siderischen Periode von etwa 25.38 Tagen um eine Achse, welche um<br />
7 ◦ von der Normalen der Ekliptik (d. h. der Richtung des Gesamtdrehimpulses des Planetensystems)<br />
abweicht. Von der Erde aus beträgt <strong>die</strong> synodische Periode<br />
1<br />
Tsyn<br />
= 1 1<br />
−<br />
Tsid sidJahr<br />
1<br />
= −<br />
Tsid<br />
1<br />
365.26<br />
das sind Tsid = 27.27 Tage. Das Verhältnis von Sonnendrehimpuls zu Planetengesamtdrehimpuls ist<br />
etwa 1:180, während das Massenverhältnis umgekehrt etwa 1000:1 ist. Beide Tatsachen: Misweisung<br />
und anormales Drehimpulsverhältnis haben eine allseits anerkannte Erklärung der Bildung des Sonnensystems<br />
bislang verhindert.<br />
Folgendes scheint hingegen nicht kontrovers: <strong>die</strong> Sonne mit ihrem Planetensystem besteht nicht aus primordialem,<br />
kosmischem Material sondern aus Material, welches selbst schon mehrmals (etwa 10mal)<br />
in Sternen früherer Generationen prozessiert worden ist. Danach hat sich aus einer Molekülwolke <strong>die</strong><br />
Sonne mit ihrem Planetensystem (zunächst als kaltes Ringsystem) durch Schockeinwirkung eines verloren<br />
gegangenen Begleitsterns oder durch gravische Instabilität gebildet. Vermutlich sind bei den<br />
inneren Planeten über 99% H und He verflüchtigt und <strong>die</strong> Ursprungsmasse war wahrscheinlich wesentlich<br />
größer als eine Sonnenmasse. Die Drehimpulsbilanz ist vermutlich noch extremer.<br />
Betrachten wir <strong>die</strong> Verhältnisse bei den einzelnen Planeten etwas genauer: der Bahn–Drehimpuls<br />
L eines Planeten der Masse mp im Zentralfeld der Sonne mit Masse M⊙ ist gegeben durch Jp =<br />
Mp(GM⊙) 1/2 R 1/2 , wobei R der Abstand zwischen der Sonne und dem Planeten ist. Aus der Tabelle<br />
entnimmt man, daß der Hauptanteil im Jupiter konzentriert ist, 725mal soviel wie in der Erde und zwar<br />
gilt in etwa folgende Aufteilung: Jupiter 62%, Saturn 25%, Neptun 8%.<br />
Eine der bis heute unbeantworteten Urfragen (Kepler) an <strong>die</strong> Kosmogonie ist <strong>die</strong> Frage, ob es eine<br />
Gesetzmäßigkeit beim Aufbau des Planetensystems der Sonne gibt. Nach dem Titius-Bode Gesetz<br />
(1772) kann man <strong>die</strong> Entfernung der Planeten von der Sonne rp durch folgende Formel beschreiben:<br />
rp(n) = 0.1 × (4 + 3 × 2 n ) AE mit n = −∞, 0, 1 . . . 7 (6.34)<br />
Wie <strong>die</strong> Tabelle zeigt, sind <strong>die</strong> Asteroiden in ihrer Position richtig erfasst, Neptun fehlt allerdings im
334 KAPITEL 6. PLANETEN<br />
Planet e(J) i(J) i(S) J<br />
deg deg<br />
Merkur 0.206 7
6.4. DIE NEUN PLANETEN DER SONNE 335<br />
Für <strong>die</strong> Tabelle wurde f⊙ = 1/6.5 benutzt (starke Massenkonzentration der Sonne im Zentrum, I⊙ =<br />
6 · 10 53 g cm 2 ). Bei der Sonne gilt für das Verhältnis q von Gravitationsenergie zu Rotationsenergie<br />
q⊙ = 2GM<br />
R3 = 105<br />
Ω2 • ZUSATZ (VERGLEICH DREHIMPULS J⊙ DER SONNE MIT BAHN-DREHIMPULS-ERDE J⊙)<br />
Ferner gilt für <strong>die</strong> Sonne mit f⊙ = 1/6.5 für den Drehimpuls<br />
J⊙ = 1.76 · 10 48<br />
g cm 2 s −1 (6.37)<br />
Für <strong>die</strong> Erde mit etwa Ω⊕ = 2 · 10 −7 s −1 für <strong>die</strong> Bahnfrequenz und mit J⊕ = M⊕R 2 Ω⊕ ergibt sich für den Bahn-<br />
Drehimpuls<br />
J⊕ = 2.69 · 10 47<br />
g cm 2 s −1<br />
etwa 1/6 des Drehimpulses der Sonne. Da <strong>die</strong> Ursprungsmasse der Erde etwa 2 dex größer war, sehen wir, wie wichtig<br />
selbst Planeten wie <strong>die</strong> Erde für <strong>die</strong> Bildung des Sonnensystems gewesen sind.<br />
Die Sonne hat also einen rel. Drehimpuls von nur 5·10 −3 , wohingegen in den Planeten nur eine rel.<br />
Masse von insgesamt 1.34·10 −3 steckt. Es sei jedoch bemerkt, daß es nicht klar ist, wieviel Drehimpuls<br />
wirklich in der Sonne steckt, da <strong>die</strong>se differentiell im Innern wesentlich schneller rotieren könnte.<br />
Direkt messbar ist im Prinzip das Quadrupolmoment der Sonne, welches durch Rotation zustande<br />
kommt. Für das Gravitationspotential V eines rotierenden, selbstgravitierenden Körper gilt:<br />
�<br />
M Q<br />
V = −G +<br />
r r3 P2(cos<br />
�<br />
Θ) + · · ·<br />
bzw. wenn man den dimensionslosen Quadrupolparameter J2 benutzt<br />
V = −G M<br />
� � �2<br />
�<br />
R<br />
1 + J2 P2(cos Θ) + · · ·<br />
r r<br />
Für inkompressible Materie (ρ = const) und starre Rotation kann man J2 analytisch bestimmen:<br />
(6.38)<br />
(6.39)<br />
J2 = Erot<br />
V = R3Ω2 2 25J<br />
=<br />
2GM 2GM 3 (6.40)<br />
R<br />
Für das (gerechnete) Standardsonnenmodell ist J2 = 2 · 10−7 , während eine inkompressible Sonne<br />
J2 = 10−5 liefern würde. Direkte Beobachtungen der Sonnenabplattung von einigen 10−6 (aus denen<br />
dann J2 folgen würde) sind wegen Turbulenzen in der Sonnen-Chromosphäre nicht konklusiv.<br />
Der Sonnenwind führt pro Sekunde 1.4·1012 g an Masse ab. Bei konstanter Rate ist das etwa 10−4 der<br />
Gesamtmasse im Leben der Sonne (4.5 Gyr). Der Massenverlust ist also vollständig vernachläßigbar.<br />
Eine einfache, semiempirische Formel (Reimers, 1975)<br />
˙M = 4 · 10 −13 � � �M⊙ �<br />
L<br />
η<br />
M<br />
� �<br />
R∗<br />
M⊙ yr −1<br />
L⊙<br />
R⊙<br />
mit dem dimensionslosen Parameter η = 0.3 . . . 1. Die stimmt mit der Beobachtung überein, wobei<br />
mit R∗ der Abströmradius (nicht der Sternradius) gemeint ist. Für <strong>die</strong> Sonne ist etwa R∗ = 4R⊙. An<br />
Energie wird im Sonnenwind nur der millionste <strong>Teil</strong> der Photonenstrahlung transportiert.<br />
Schätzt man dagegen ab, daß das Magnetfeld das Plasma bis etwa L = 50R⊙ zum korotieren zwingt,<br />
dann erhält man für den Drehimpulsverlust der Sonne<br />
˙<br />
J = L 2 Ω ˙ M ≈ 5 · 10 31<br />
und für <strong>die</strong> Abbremszeit der Sonne<br />
τ := J/ ˙<br />
J<br />
g cm 2 s −2 (6.41)<br />
erhält man τ = 1.4 Gyr, dh. eine merkliche Abbremsung bei vernachläßigbarem Massenverlust. Deshalb<br />
sind Magnetfelder so wichtig für den Transport von Drehimpuls.
336 KAPITEL 6. PLANETEN<br />
• ZUSATZ (MESSUNGEN VON RAUMSONDEN)<br />
In der Nähe der Erdbahn haben Raumsonden der NASA (wie MARINER, PIONEER und den VELA-Satelliten, deren<br />
Hauptaufgabe <strong>die</strong> Überwachung von Kernwaffenexplosionen ist) folgende Daten erhalten:<br />
<strong>die</strong> mittlere <strong>Teil</strong>chendichte beträgt<br />
n = 5 Ionen cm −3 ; Ttherm = 2 · 10 5 K<br />
mit Schwankungen um ±1 dex (Zusammensetung H plus 4% He). Die Flussgeschwindigkeit mit 300 bis 900 km s −1<br />
nahezu radial von der Sonne nach außen. Dem entspricht eine kinetische Energiedichte<br />
ɛkin = 10 −10<br />
erg cm −3 = 5000 eV cm −3<br />
Die thermische Energiedichte ist viel kleiner<br />
ɛtherm = 90 eV cm −3<br />
und stimmt mit der magnetischen Feldenergiedichte überein. Die Feldstärke liegt bei 60 µGauß (6 Gamma).<br />
6.5 Element- und Molekülverteilung<br />
Die chemische Zusammensetzung der Sonnenmaterie kann man aus der Spektralanalyse der Photosphäre<br />
bekommen (falls gute Durchmischung mit dem Material im Innern vorliegt).<br />
A Element chem. Anteil<br />
Name Symbol (Masse)<br />
1 Wasserstoff H 1.000<br />
4 Helium He 0.333<br />
12 Kohlenstoff C 0.004<br />
14 Stickstoff N 0.0015<br />
16 Sauerstoff O 0.0085<br />
20 Neon Ne 0.002<br />
Tab. 6.5: Die schweren Elemente in der Sonne<br />
A Element chem. Anteil<br />
Name Symbol (Masse)<br />
24 Magnesium Mg 0.0007<br />
27 Aluminium Al 0.0007<br />
28 Silizium Si 0.0007<br />
32 Schwefel S 0.0004<br />
56 Eisen Fe 0.001<br />
59 Nickel Ni 0.00005<br />
Die Erde mit ihrem Ni-Fe Kern und einer Schale aus Mg- Al- Si- S- und Fe- Verbindungen besteht also<br />
im wesentlichen aus Materie, welche in der Sonne nur in Spuren vorkommt.<br />
• DEFINITION<br />
Statt des Massenanteils, Masse pro g Materie, wird häufig der Zahlanteil betrachtet; das liefert z. B. mit der Normierung auf<br />
H = 1 als Zahlanteil beim primordialen Gas für He: 0.085. Statt auf H kann man den Masse-Anteil auch auf <strong>die</strong> Gesamtelemente<br />
beziehen, (H + He). Das liefert für den He-Anteil 0.25. Der entsprechende Zahl-Anteil ist rel. Volumenkonzentration<br />
[c] mit [He]: 0.08.<br />
In der Summe liefert Tabelle (6.5) für C-N-O 0.014 Massenanteil und für <strong>die</strong> Elemente von Mg bis<br />
Fe 0.0035 Massenanteil. Alle Elemente zusammen genommen, <strong>die</strong> schwerer als He sind, liefern etwa<br />
2% (bei der Ausgangsmaterie der Sonne). Nimmt man als Zusammensetzung des Erdkerns 90% Fe<br />
und 10% Ni und rechnet man <strong>die</strong> Masse der Erde auf <strong>die</strong> Ursprungsmasse hoch, dann erhält man etwa<br />
300 Erdmassen oder 0.1% der Masse der Sonne. Genauere Untersuchungen von Cameron ergeben<br />
0.07%. Das ist eine sehr effektive Entmischung und man nimmt an, daß <strong>die</strong>se durch Ausgasen bei den<br />
erdähnlichen Planeten bewirkt wurde (eventuell wurde aber auch schon vorher ein <strong>Teil</strong> der leichten<br />
Elemente verloren).<br />
In der Tabelle bedeutet Fraktionierung = Ursprungsmasse/aktuelle Masse. Die Werte für Pluto sind<br />
unsicher und fallen aus dem allgemeinen Rahmen einer abnehmenden chemischen Fraktionierung nach<br />
außen heraus.
6.5. ELEMENT- UND MOLEKÜLVERTEILUNG 337<br />
Die oben angeführten Massen sind i. w. untere Grenzen unter der Annahme konservativer Entwicklung<br />
des Sonnensystems. Cameron schätzt, daß <strong>die</strong> Ursprungsmasse des Sonnennebels etwa 2-3 Sonnenmassen<br />
war und daß z. B. das Sonnensystem von einer Sonne im T Taurus Stadium (s.u.) vom Gas<br />
’gereingt’ wurde. In jedem Falle sollte man <strong>die</strong> Möglichkeit betrachten, daß sowohl <strong>die</strong> Masse der<br />
Ursonne als auch <strong>die</strong> der Urplaneten von der heutigen verschieden waren.<br />
• ANMERKUNG<br />
In <strong>die</strong>sem Fall stimmen <strong>die</strong> heutigen Abstände nicht mit den ursprünglichen überein, auch <strong>die</strong> Drehimpulsbilanz sieht<br />
anders aus.<br />
Für <strong>die</strong> Entfernung Erde-Mond, D, ergibt sich, falls man konstanten spezifischen Bahndrehimpuls des Mondes j = J/M =<br />
const annimmt und <strong>die</strong> Gesamtmasse Erde+Mond mit Mtot bezeichnet, aus j = D 2 Ω = (GMtotD) 1/2 und aus der<br />
folgenden Zusammenstellung (Ursprungsmasse der Planeten), daß der Mond etwa 230 mal näher an der Erde gewesen sei<br />
muß, was gar nicht möglich ist, da der Mond nur 60 Erdra<strong>die</strong>n entfernt ist!<br />
Das passt zu neueren Überlegungen, nach denen der Mond als Überbleibsel einer Katastrophe anzusehen ist: dem Stoß mit<br />
einem Mars-ähnlichen Objekt.<br />
6.5.1 Ursprungsmasse der Planeten<br />
Massenverlust ist ein wichtiger Gesichtspunkt bei der Ausbildung des Sonnensystems und allgemeiner<br />
bei der Entwicklung eines Sterns in der Frühphase (bis zu einigen 100 Myr).<br />
Dies sind <strong>die</strong> drei Stufen auf dem Weg zu einem voll ausdifferentierten System wie das der Sonne:<br />
1. Protostern mit ausgedehnter Gashülle,<br />
2. Stern mit Saub- und Gasscheibe und<br />
3. Stern mit Planetensystem oder massearmem Begleiter (Brauner Zwerg).<br />
Dabei können Planeten (vermittels Kollision mit Asteroiden) auch nach Innen zum Zentralstern wandern.<br />
• FORMELN (CAMERONS URSPRUNGSMASSE DER PLANETEN)<br />
Die folgenden Daten über <strong>die</strong> Ursprungsmasse der Planeten stammen aus ’The Solar System’, A. G. W. Cameron, Sci.<br />
American 233, Sept. 1975, p. 33.<br />
Durch <strong>die</strong> Entdeckung extrasolarer Planeten haben <strong>die</strong>se frühen Rechnungen von Cameron enorm an Bedeutung gewonnen,<br />
auch wenn sie wahrscheinlich nicht einfach auf <strong>die</strong>se übertragen werden<br />
können.<br />
In der Tabelle bedeutet Morig <strong>die</strong> Ausgangsmasse, Mheute <strong>die</strong> beobachtete<br />
Masse des Planeten und<br />
f = Morig/Mheute <strong>die</strong> Massenfraktionierung.<br />
Die Massen Angaben sind in Prozent der Sonnenmasse, % M⊙. Jupiter<br />
hat demnach ein Promille der Sonnenmasse, MJ = 10 −3 M⊙ und seine<br />
Urmasse betrug<br />
MJ = 1.6 · 10 −2 M⊙.<br />
Nach Modellrechnungen sollten 13 Jupitermassen, MJ, ausreichen, das<br />
Wasserstoffbrennen im Zentrum eines Planeten zu zünden. Die Ursprungsmasse<br />
von Jupiter war etwas größer. Mittlerweile hat man aber<br />
extrasolare Planeten mit bis zu 60MJ gefunden, <strong>die</strong> nicht gezündet haben.<br />
Warum ist nicht klar.<br />
Eine Interessante Frage ist, ob bei der Bildung von Planeten weit vom<br />
Stern entfernt, <strong>die</strong>se an den interstellaren Raum verloren gehen können<br />
Ursprungsmasse der Planeten<br />
Planet Mheute Morig f<br />
Merkur 0.000017 0.004 235<br />
Venus 0.000245 0.056 228<br />
Erde 0.000304 0.07 230<br />
Mars 0.000032 0.007 220<br />
Jupiter 0.09547 1.5 16<br />
Saturn 0.0285 0.77 27<br />
Uranus 0.00436 0.27 62<br />
Neptun 0.00524 0.27 52<br />
Pluto 0.00025 (?) 0.06 (?) 240 (??)<br />
gesamt 0.134 3.0<br />
(eine mögliche Form der Dunkelmaterie).<br />
Tab. 6.6: Planeten Ursprungsmasse<br />
Braune Zwerge (also vermutlich auch Planeten) in Doppelsternen hat man schon (in der Taurus und der Chamäleon Molekülwolke)<br />
gefunden.
338 KAPITEL 6. PLANETEN<br />
6.5.2 Die Atmosphären der Planeten.<br />
Wir betrachten nun <strong>die</strong> Chemie der Planeten und ihrer Monde etwas genauer. Wir beginnen dabei mit<br />
der Erde und vergleichen <strong>die</strong>se dann mit Mars und Venus.<br />
• FORMELN (DIE ZUSAMMENSETZUNG DER ATMOSPHÄRE)<br />
Die folgende Tabelle gibt eine Liste der Bestandteile der neutralen Atmosphäre unterhalb von 80km ohne den Wasserdampf,<br />
da <strong>die</strong>ser stark veränderlich ist.<br />
Name Elem Konz. [c]<br />
Stickstoff N2 7.809 · 10 −1<br />
Sauerstoff O2 2.095 · 10 −1<br />
Argon Ar 9.3 · 10 −3<br />
Kohlendioxid CO2 (2 − 4) · 10 −4<br />
Neon Ne 1.8 · 10 −5<br />
Helium He 5.2 · 10 −6<br />
Methan CH4 (1.2 − 1.5) · 10 −6<br />
Krypton Kr 1.1 · 10 −6<br />
Wasserstoff H2 (0.4 − 1.0) · 10 −6<br />
Distickstoffoxid N2O (2.5 − 6.0) · 10 −7<br />
Name Elem Konz. [c]<br />
Kohlenmonoxid CO (0.1 − 2.0) · 10 −7<br />
Xenon Xe 8.6 · 10 −8<br />
Ozon O3 (0 − 5) · 10 −8<br />
Ammoniak NH3 (0 − 2) · 10 −8<br />
Schwefeldioxid SO2 (0 − 2) · 10 −8<br />
Dihydrogensulfid H2S (0.2 − 2) · 10 −8<br />
Formaldehyd CH2O (0 − 1) · 10 −8<br />
Stickstoffdioxid NO2 (0 − 3) · 10 −9<br />
Chlor Cl2 (0.3 − 1.5) · 10 −9<br />
Jod J2 (0.4 − 4) · 10 −11<br />
Die rel. Volumenkonzentration [c] ist bezogen auf Meeresniveau. Das Edelgas Argon (und nicht Helium) ist das dritthäufigste<br />
Element der Atmosphäre.<br />
Die inneren Planeten sind fest, <strong>die</strong> äusseren (ab Jupiter) gasförmig und bestehen fast noch aus dem<br />
Urmaterial des Sonnensystems (H, He).<br />
Von den inneren Planeten haben (ebenso wie der Mond) Merkur und Mars ihre Atmosphären verloren,<br />
was dennoch da ist (Mars: 95% CO2, 2.7% N2, 1.6% Ar,O2, H2O) gast noch aus. Bei Merkur gibt es<br />
an den Polen evtl. Eis (H2O). Ausgebildete Gasatmosphären gibt es bei Erde und Venus. Die Oberflächentemperatur<br />
der Erde beträgt dabei etwa 300 K, <strong>die</strong> der Venus jedoch 750 K. Der Grund dafür<br />
ist, daß <strong>die</strong> Atmosphäre der Venus zu 96% aus CO2 besteht. (Treibhauseffekt). Die Albedo wird wesentlich<br />
bestimmt durch das Vorkommen dichter, wolkenreicher Atmosphären. Die Erde ist im Mittel<br />
etwa zur Hälfte mit Wolken bedeckt.<br />
Die äusseren Planeten ab Jupiter haben keine feste Oberfläche und bestehen i. w. aus dem kosmischen<br />
Ursprungsmaterial wie <strong>die</strong> Sonne: H2 und He. Die größten Monde erreichen dagegen <strong>die</strong> Dimensionen<br />
von Merkur und Mars.<br />
1. Merkur (kein Mond) d = 0.39 AE<br />
hat keine Atmosphäre, für den Druck findet man nur P = 10 −12 atm. Über Gase ist nichts<br />
bekannt.<br />
2. Venus (kein Mond) d = 0.72 AE<br />
dagegen hat als Hauptbestandteile CO2 und N2. CO2 ist infrarot aktiv, also gibt es einen extremen<br />
Treibhauseffekt. Der Druck ist 90 atm.<br />
3. Die Erde (1 Mond) d = 1 AE<br />
hat als Hauptbestandteile <strong>die</strong> infrarot inaktiven Gase N2 und O2. Wichtige Moleküle für den<br />
Treibhauseffekt in der Atmosphäre der Erde sind: H2O, CO2 und CO. Der Temperaturanstieg<br />
der Erderwärmung beträgt seit 1900 etwa 1<br />
2 Grad.<br />
4. Mars (2 kleine Monde) d = 1.52 AE<br />
hat keine nennenswerte Atmosphäre, für den Druck findet man nur P = 6 · 10 −3 atm mit den<br />
Gasen CO2, N2, Ar.
6.6. INTERPLANETARE OBJEKTE 339<br />
5. Asteroidengürtel (1 Mini Mond) d = 2.77 AE<br />
Der Asteroid 243 Ida ist bisher der einzige Asteroid, von dem man weiß, daß er einen Mond (mit<br />
Namen Dactyl; Durchmesser 1.6 km) besitzt. Dichte ρ = 2.6 g cm −3 . Masse M = 4.2 · 10 19 g.<br />
6. Jupiter (4 grosse, 12 kleine Monde, schwaches Ringsystem) d = 5.2 AE<br />
Io ist mit Schwefel und SO2 bedeckt, Europa, Ganymed und Callisto mit Wasser (Eis).<br />
7. Saturn (1 grosser, 6 kleine Monde, Ringsystem) d = 9.5 AE<br />
Titan hat eine Atmospäre aus Stickstoff (N2), Methan (CH4) und Ammoniak (NH3), <strong>die</strong> so dicht<br />
ist, daß <strong>die</strong> Oberfläche ständig verdeckt ist. Mimas und <strong>die</strong> anderen kleinen Monde sind mit<br />
Wasser (Eis) bedeckt.<br />
8. Uranus (5 grosse Monde, 10 kleine Monde, schwaches Ringsystem) d = 19 AE<br />
Die Monde bestehen aus Felsgestein, <strong>die</strong> Ringe aus Eis. Uranus selbst besteht aus Eis (H2O, NH3<br />
und CH4).<br />
9. Neptun (2 grosse Monde, 6 kleine Monde, schwaches Ringsystem) d = 30 AE Neptun besteht<br />
(wie Uranus) aus Eis (H2O, NH3 und CH4).<br />
10. Pluto (1 grosser Mond) d = 39 AE<br />
Die physikalischen Daten der Planeten Atmosphären und ihrer Albedo (Refektionskoeffizienten sind<br />
in der folgenden Tabelle zusammengestellt.<br />
Planet A P Teff Tobs<br />
Merkur 0.058 10 −12 441 700 - 100<br />
Venus 0.76 90 230 750<br />
Erde 0.30 1 246 289<br />
Mond 0.068 ? 441 390 - 140<br />
Mars 0.15 0.006 218 130 - 290<br />
6.6 Interplanetare Objekte<br />
6.6.1 Die Hauptkomponenten<br />
Planeten Atmosphären und Albedo<br />
Planet A Teff Tobs<br />
Jupiter 0.51 102 120<br />
Saturn 0.50 76 90<br />
Uranus 0.66 49 63<br />
Neptun 0.62 40 53<br />
Pluto 0.16 42 43<br />
A: Albedo; Teff : effektive Temperatur in Kelvin. P : Druck in atm<br />
Die folgende Tabelle zeigt, daß <strong>die</strong> kleinsten Objekte im Sonnensystem heute zusammen genommen<br />
nur soviel wie alle Monde an Masse beitragen. Das muß nicht immer so gewesen sein.<br />
Objekt Anzahl Durchmesser Einzelmasse Gesamtmasse Abstand<br />
(geschätzt) g M⊕ AE<br />
Asteroide 5 · 10 4 1 . . . 800 km 7 · 10 21 0.1 2.9<br />
Kometen 10 9 1 . . . 100 km 5 · 10 15 0.1 bis 40 000<br />
Meteoride 10 11 10 −3 . . . 10 3 cm 10 3 10 −9 bis 1000<br />
zum Vergleich: Sonne 3.3 · 10 5 M⊕, alle 9 Planeten 448M⊕, alle 54 Monde zusammen 0.12M⊕.<br />
Erde: Radius R⊕ = 6378 km; Masse: M⊕ = 5.997 · 10 27 g<br />
Tab. 6.7: Interplanetare Objekte<br />
Wir wollen nun <strong>die</strong> astrophysikalische Bedeutung der einzelnen Komponenten untersuchen.
340 KAPITEL 6. PLANETEN<br />
Kleinste Partikel: Sonnenwind und Staub<br />
Die Sonne verliert Materie in Form eines Sonnenwindes, das sind energetische Elektronen und Protonen<br />
mit eingelagertem Magnetfeld.<br />
Rate und Geschwindigkeit betragen<br />
˙M⊙ = 10 14<br />
g s−1 −4 M⊙<br />
= 10<br />
4.5Gyr<br />
bei v = 500 km s −1<br />
Der Massenverlust ist für <strong>die</strong> Sonne vollständig vernachläßigbar, für <strong>die</strong> Erde ist das ein Strom von<br />
etwa<br />
˙M⊕ = 1<br />
� �2<br />
R⊕<br />
4 1AE<br />
˙M⊙ = 6 · 10 4<br />
g s −1<br />
an ionisierten <strong>Teil</strong>chen, der allerdings größtenteils vom Erdmagnetfeld abgeschirmt wird. Das eingefrorene<br />
Magnetfeld ist praktisch radial und beträgt bei magnetischer Flusserhaltung<br />
Φ = BnF = const; B⊕ =<br />
� �2<br />
R⊕<br />
B⊙<br />
1AE<br />
in der Nähe der Erde etwa 6 Gamma, d. h. 6 · 10 −5 Gauß. Der Sonnenwind ist für <strong>die</strong> Ausbildung des<br />
Schweifs (Ionisation) eines Kometen verantwortlich.<br />
• ZUSATZ (POLARLICHT)<br />
Das Polarlicht (Nordlicht, Südlicht, engl. Aurora) ensteht in der Oberen Atmosphäre in der Nähe der magnetischen Pole<br />
(und ist längs <strong>die</strong>ser gerichtet). Verantwortlich sind energetische Elektronen, <strong>die</strong> ins Erdfeld geraten. Die wichtigste<br />
Anregung kommt von der Sonne, man findet eine Modulation mit der Rotationsperiode der Sonne von 27 Tagen.<br />
Daneben gibt es interplanetaren Staub, welcher sich bei der Lichtstreuung (in der Erdatmosphäre)<br />
als Zodiakallicht (in Sonnenrichtung und als Gegenschein in entgegengesetzter Richtung) bemerkbar<br />
macht. Dieser stammt größtenteils von verdampfenden Kometen und zertrümmerten Asteroiden<br />
(Staubteilchen: unpolarisiert) und freien Elektronen (polarisiert). Die Staubteilchen des Zodiakallichts<br />
haben Durchmesser von 0.01 mm, <strong>die</strong> Dichte beträgt etwa (± 1 dex)<br />
nStaub = 10 −14<br />
cm −3<br />
Sie bilden eine flache Scheibe um <strong>die</strong> Ekliptik, <strong>die</strong> Reflexion des Sonnenlichts ist eine bedeutende<br />
Störkomponente für IR Beobachtungen (es gibt keine Löcher, durch <strong>die</strong> man durchschauen könnte).<br />
Die tägliche Rate für <strong>die</strong> Akkretion an interplanetarem Material beträgt für <strong>die</strong> Erde 300 Tonnen (entsprechend<br />
˙ M = 3 kg s−1 ), vergleichbar mit dem, was an Meteoriten<br />
auf <strong>die</strong> Erde fällt.<br />
Die Häufigkeit der chemischen Elemente in der Sonnenphotosphäre<br />
wird anhand der angeregten Atome bestimmt.<br />
Die Numerische Häufigkeit der chemischen Elemente der Sonnenphotosphäre<br />
ist hier bezogen auf atomaren H.<br />
[H] = 1012 Elementhäufigkeiten im Sonnensystem<br />
Atom - Element relative<br />
Zahl Symbol Häufigkeit<br />
1 H 10<br />
.<br />
Die seltensten Haupt-Elemente haben dann bei <strong>die</strong>ser Normierung<br />
eine Häufigkeit der Größenordnung 1, z. B. Gold (Z = 79):<br />
[Au] = 6 und Uran (Z = 92, A = 238): [U] = 2. Die Nebenisotope<br />
sind entsprechen seltener. Uran (Z = 92, A = 235) hat eine<br />
Häufigkeit [U] = 0.6, etwa 1/3 vom Hauptisotop.<br />
Das Element Li fehlt in der Sonnenphotosphäre, Be und B sind<br />
unterhäufig. Sonst sind <strong>die</strong> relativen Häufigkeiten (z. B. <strong>die</strong> von<br />
Si) der Hauptkomponenten ähnlich.<br />
Spurenelemente werden durch den Sonnenwind und durch <strong>die</strong><br />
12<br />
2 He 6 · 10 10<br />
6 C 4 · 108 7 N 9 · 107 8 O 7 · 108 10 Ne 4 · 107 12 Mg 4 · 107 14 Si 5 · 107 16 S 2 · 107 26 Fe 3 · 107 Tab. 6.8: Solare Elementhäufigkeit
6.6. INTERPLANETARE OBJEKTE 341<br />
kosmische Strahlung modifiziert.<br />
Grundlage zum Verständnis der heute beobachteten chemischen Fraktionierung im Sonnensystem sind<br />
Temperatur und Entweichgeschwindigkeit der Planeten bzw. ihrer Monde.<br />
Die Entweichgeschwindigkeit der Erde (heute 11 km s −1 ) hat offenbar ausgereicht, eine Atmosphäre<br />
zu behalten, beim Mond (Entweichgeschwindigkeit 2.4 km<br />
s −1 ) war das nicht der Fall.<br />
Eine erste Fraktionierung kommt, nach heutiger Vorstellung,<br />
zustande über den Temperaturgra<strong>die</strong>nten in der Scheibe.<br />
Dabei spielt der Staub eine wichtige Rolle. Die Entweichgeschwindigkeit,<br />
vesc, aus der Scheibe nimmt ab wie<br />
vesc ∝ d −1 ,<br />
wobei d <strong>die</strong> Entfernung von der Sonne ist, <strong>die</strong> thermische<br />
Geschwindigkeit, vth, wie<br />
vth = (3kT/m) 1/2 .<br />
Die Temperatur T an der Oberfläche des Planeten wird<br />
zunächst durch das Bombardement mit Planetoiden, später<br />
durch <strong>die</strong> Sonneneinstrahlung, <strong>die</strong> Albedo und <strong>die</strong> innere<br />
Erwärmung (Radioaktivität, potentielle gravische Energie<br />
der Perkolation) bestimmt.<br />
6.6.2 Kometen<br />
Entweichgeschwindigkeit<br />
Name Radius Masse vesc Tneb<br />
(Erde) (Erde) km s −1 K<br />
Merkur 0.38 0.055 4.3 1000<br />
Venus 0.95 0.81 10.3 800<br />
Erde 1 1 11.2 550<br />
Mars 0.53 0.11 5.0 400<br />
Jupiter 11 318 59.5 160<br />
Saturn 9.4 95 35.6 80<br />
Uranus 4.4 15 21.2 50<br />
Neptun 3.9 17 23.6 30<br />
Tab. 6.9: Evaporation<br />
Die (bisher beobachteten) Bahnen der Kometen reichen vom Sturz in <strong>die</strong> Sonne (bzw. in den Jupiter),<br />
über das Zerreißen des Kometen im Gezeitenfeld der Sonne (d = 1.5R⊙ beobachtet 1882) bis hin zu<br />
exzentrischen Orbits mit e = 1, <strong>die</strong> bis zum Rand des Sonnensystems reichen (d = 0.4 pc). Bisher wurde<br />
allerdings kein Komet identifiziert, der mit Sicherheit von außerhalb des Sonnensystems gekommen<br />
sein muß (e ≫ 1). Die Umlaufzeiten um <strong>die</strong> Sonne reichen von 3 yr bis 10 7 yr.<br />
Die folgende Zusammenstellung enthält <strong>die</strong> historischen Daten von besonders interessanten Kometen.<br />
besondere Kometen<br />
Name T a e i<br />
yr AE deg<br />
Encke 3.3 2.2 0.85 12.4<br />
Biela 6.6 3.5 0.76 12.6<br />
Halley 76 18 0.97 162.2<br />
Der Komet Biela wurde 1846 in 2 Stücke geteilt, beide<br />
wurden 1852 wieder gesehen, seitdem nicht mehr. Sie haben<br />
sich aufgelöst. Etwa ein Duzend Kometen sind seit ihrer<br />
Entdeckung verschwunden. Halley wurde seit 239 vor<br />
Christi bis 1986 insgesamt 46mal beschrieben.<br />
Aus neuester Zeit stammen <strong>die</strong> Daten zu folgenden extremen Ereignissen, <strong>die</strong> noch nicht vollständig<br />
analysiert sind:<br />
1. Der Komet West zerbrach 1976 in 4 Stücke.<br />
2. Am 30 August 1979 wurde ein Zusammenstoß eines Kometen mit der Sonne (von einem US Air<br />
Force Satelliten aufgenommen) entdeckt. Die dabei entstandene Staubwolke hatte einen Radius<br />
von 2.5 Sonnenra<strong>die</strong>n.<br />
3. Der Komet Shoemaker - Levy (der 9te Komet, benannt nach den Entdeckern SL 9) wurde im<br />
März 1993 bereits in zerstörten Zustand (mit später identifizierten insgesamt 22 Einzelstücken)<br />
gefunden. Vergleiche mit Archivaufnahmen und Rechnungen ergaben, daß er im Sommer 1992
342 KAPITEL 6. PLANETEN<br />
zerrissen worden sein musste. Im Juli 1994 schlugen sämtliche Bruchstücke (auf der erdabgewandten<br />
Seite) auf Jupiter ein. Die größten Bruchstücke hatten einen Radius von 2.5 km. Die<br />
Gesamtenergie des Aufpralls wird auf etwa 10 9 Megatonnen TNT � 4.2 · 10 31 ergs geschätzt.<br />
Durch Verdampfen bildet sich um einen Kometen eine Atmosphäre, <strong>die</strong> sog. Koma, aus Molekülen<br />
und Staubteilchen aus (Radius bis zu 10 5 km, Dichte 10 5 cm −3 ). Kommt der Komet näher als etwa 2<br />
AE an <strong>die</strong> Sonne bildet sich ein Schweif (Länge bis zu 10 7 km). Der Schweif eines Kometen hat zwei<br />
Anteile: einen ionisierten und einen Staubschweif. Der ionisierte besteht aus schnellen Elektronen und<br />
Ionen und ist stets exakt von der Sonne weg gerichtet. Der Staub wird durch <strong>die</strong> Photonen der Sonne<br />
angeregt und ist viel langsamer als der ionisierte: seine Geschwindigkeit ist vergleichbar mit der des<br />
Kometen.<br />
Kometen verlieren jedesmal beim nahen Vorbeiflug an der Sonne etwa 0.1% ihrer Masse, was übrigbleit<br />
sind Staub und größere Körner. Unter besonderen Umständen kann sich ein Meteorschauer bilden. Die<br />
typische Rate der beobachteten Schauer, <strong>die</strong> auf <strong>die</strong> Erde niedergehen, beträgt 10 pro Jahr.<br />
Die wichtigsten Elemente der chemischen Zusammensetzung sind:<br />
Methan (CH4), Ammoniak (NH3), Wasser (H2O), Kohlendioxyd (CO2).<br />
Typische phys. Daten:<br />
Rnucl � 1 km, ρ � 2 g cm −3 , M � 10 16<br />
Statistik: Kometen haben eine Geschwindigkeit (im Sonnensystem) von v � 30 km s −1 , ihre Gesamtzahl<br />
wird auf N � 10 9 geschätzt.<br />
• BEISPIEL (KOMETENEINSCHLAG)<br />
Bei einem Zusammenstoß mit der Erde geht etwa 10% in Wärmeenergie, W , über, der Rest in Schockwellen. Mit v � 10<br />
km s −1 für <strong>die</strong> Impaktgeschwindigkeit und einer Masse von 10 17 g erhält man W � 0.5 · 10 28 ergs, entsprechend 10 5<br />
Megatonnen TNT. Dabei gilt: 1 g TNT � 4 · 10 10 ergs und 1 Megatonne TNT � 4.2 · 10 22 ergs.<br />
TNT = Trinitroluen, CH3C6H2(NO2)3 ist der effektivste Sprengstoff, den wir kennen, mit einer Energiefreisetzung von<br />
∆E/mc 2 = 4 · 10 −11 . Die Verbrennung von Kohle ist 8-mal effektiver, aber wesentlich langsamer.<br />
Der Schaden, der bei einem Zusammenstoß mit der Erde entsteht, ist enorm. Ein Meteor von 25 Meter Radius und einer<br />
Impaktgeschwindigkeit von 10 km s −1 (Masse M � 4ρR 3 � 70 Tonnen) hat eine Energie von etwa 20 Megatonnen TNT<br />
und reißt einen Krater von 600 Meter Radius und 200 Meter Tiefe! Solche Zusammenstöße sind zum Glück selten (Rate<br />
alle 25000 Jahre). Einige vermuten, daß vor etwa 65 Myr ein Kometeneinschlag auf der Halbinsel Yukatan (Mexico) von<br />
der Sprengkraft von 10 9 Megatonnen TNT � 4.2 · 10 31 ergs <strong>die</strong> Dinosaurier zum Aussterben brachte.<br />
6.7 Probleme der Kosmogonie<br />
Der gesamte, für uns erfahrbare Kosmos § besteht aus Strahlung (Photonen und Neutrinos) und <strong>Teil</strong>chen<br />
(hauptsächlich H und He), <strong>die</strong> in Galaxien und dort wieder in Sternen geklumpt sind.<br />
Die mittlere <strong>Teil</strong>chendichte beträgt (für <strong>die</strong> ausschließlich direkt beobachtbare) leuchtende Materie<br />
etwa nbaryon = 10 −6 cm −3 , während für <strong>die</strong> Photonenzahl der universellen 3 ◦ K Hintergrundstrahlung<br />
etwa gilt nphoton= 500 cm −3 . Wir bestimmen <strong>die</strong> freie Weglänge l für Photonen in unserem beobachtbaren<br />
Universum: l = 1/σn, wobei wir für σ den Thompson Streuquerschnitt σ = 6.65·10 −25 cm 2<br />
benutzen können. Wir erhalten l = 10 30 cm, d. h. das heutige Universum ist – mit R = 10 28 cm –<br />
durchsichtig.<br />
Eines der Hauptprobleme der <strong>Astrophysik</strong> ist seit langer Zeit zu verstehen, wie sich aus einem ursprünglich<br />
ausgesprochen homogenen Substrat (Isotropie der Hintergrundstrahlung!) <strong>die</strong> heute beobachtete<br />
Hierarchie entwickelt hat (Kosmogonie).<br />
§ gr. = das Schöne, das Wohlgeordnete; im Gegensatz zu Chaos<br />
g.
6.7. PROBLEME DER KOSMOGONIE 343<br />
Kosmos<br />
Galaxienkluster<br />
Galaxien<br />
Sternkluster<br />
Sterne<br />
Panetensysteme<br />
Planeten<br />
Leben auf Planeten<br />
Wie es im Augenblick aussieht, dürfte das Rätsel der Sterngeburten und deren Massen als erstes gelöst<br />
werden. Oft wird das ’Anthropische Prinzip’ zur Erklärung herangezogen, welches besagt, daß das<br />
Universum so ist wie es ist, weil wir es sind, <strong>die</strong> es betrachten (d. h. wir betrachten es zu einem<br />
Zeitpunkt, wo Leben auf Planeten möglich ist). Fassen wir <strong>die</strong> wichtigsten Gesichtspunkte unter den<br />
Aspekten Theorie und Beobachtung kurz zusammen:<br />
Galaxien-Cluster<br />
Beobachtung: Galaxienverteilung, Intraclustergas, Röntgen-Strahlung<br />
Objekte der Beobachtung: Galaxien<br />
Theorie: Entstehung, (Entwicklung)<br />
Galaxien<br />
Beobachtung: Aufbau, Zusmmensetzung, Morphologie<br />
Theorie: Entstehung und Entwicklung<br />
Objekte der Beobachtung: Sterne, Staub, Gas, Plasma<br />
Sterne<br />
Beobachtung: Verteilung, Dynamik, chem. Zusammensetzung,<br />
Magnetfelder (Polarisation des Sternlichts)<br />
Theorie: Entstehung, Aufbau, Entwicklung, Ende<br />
Objekte der Beobachtung: Atome, Moleküle, Plasma, kosmische<br />
Strahlung, Staub<br />
Planeten<br />
Beobachtung: Dynamik, Chemie (im Sonnensystem ), Biologie<br />
Theorie: Entstehung, Entwicklung, Ende?<br />
Beobachtung: Raumfahrt<br />
Objekte der Beobachtung: mitgebrachtes Material<br />
Leben auf Planeten ?<br />
Tab. 6.10: Kosmogonie und Hierarchie<br />
Zum Schluß sei noch auf einige Merkwürdigkeiten unseres Universums hingewiesen, auf <strong>die</strong> sog.<br />
Diracschen grossen Zahlen. In groben Zahlen beträgt <strong>die</strong> Gesamtzahl der Baryonen im Horizont des<br />
Universums: N1 = 10 78 . Zwei weitere grosse dimensionslose Zahlen erhält man, wenn man den Radius<br />
des Universums R = 10 28 cm ins Verhältnis zum Elektronenradius re = 10 −13 cm setzt: N0 = 10 41 und<br />
das Verhältnis von Coulomb- zu Gravitations-Kraft für ein Elektron-Proton Paar liefert: N2 = 10 39 .<br />
Grössenordnungsmäßig ergibt sich dann N1 = N0 ∗ N2, wobei bisher niemand weiß, ob es sich hierbei<br />
um Zufall oder eine tiefliegende Naturerkenntnis handelt.
344 KAPITEL 6. PLANETEN
Kapitel 7<br />
Die Erde.<br />
Die Physik der Erde ist heute von beträchtlichem Interesse für ein Verständnis der Physik der Pulsare<br />
(Neutronensterne). Ähnlich wie <strong>die</strong>se hat sie feste und flüssige (elektrisch leitende) Komponenten, ihre<br />
Rotation wird gebremst und sie besitzt ein Magnetfeld.<br />
Die Erde als Planet besitzt einige interessante Besonderheiten: sie hat eine für biologisches Leben angenehme<br />
Temperatur (bestimmt aus ihrer Entfernung zur Sonne und der Chemie der Atmosphäre), ein<br />
zur Entwicklung höherer Lebensformen ausreichendes Alter, 4.2 Gyr, und als einziger Planet Wasser<br />
in Ozeanen. Für <strong>die</strong> Kosmogonie von Interesse ist demnach ein Vergleich der beiden benachbarten<br />
Planeten Venus und Mars mit der Erde. Falls nämlich <strong>die</strong>se Planeten ähnlich entstanden sind, dann hat<br />
Venus ihr Wasser verloren, beim Mars könnte es an der Oberfläche gefroren sein.<br />
Die Ozeane der Erde sind wichtige Pufferspeicher für <strong>die</strong> Wärmeenergie der Sonne und für <strong>die</strong> chemischen<br />
Elemente Sauerstoff, O, und Kohlenstoff, C, <strong>die</strong> Basis des Lebens, ferner Puffer zum Speichern<br />
von CO2 in Form von Kalkspat CaCO3. Der Wasserdampf der Atmosphäre bestimmt (über <strong>die</strong> Opazität)<br />
<strong>die</strong> Temperatur und den Treibhauseffekt, der <strong>die</strong> Erde erst bewohnbar macht.<br />
• LITERATUR (PHYSIK UND ASTRONOMIE DER ERDE)<br />
Boyd, R. L. F. Space Physics [Boy74]<br />
Bullen, K. E. An Introduction to the theory of seismology [Bul63]<br />
Feynman, R.P. and R. Leighton and M. Sands Lectures on Physics [FLS70]<br />
Kaufmann, W. J. Universe [Kau91]<br />
Kertz, W. Einführung in <strong>die</strong> Geophysik <strong>Teil</strong> I [Ker95a]<br />
Kertz, W. Einführung in <strong>die</strong> Geophysik <strong>Teil</strong> II [Ker95b]<br />
Kippenhahn, R. und Möllenhoff, C., Elementare Plasmaphysik [KM75]<br />
Lambeck, K. The Earth’s variable rotation: geophysical causes and consequences [Lam80]<br />
Love, A. E. Horace Treatise on Mathematical Theory of Elasticity [Lov57]<br />
Munk, W. H. und MacDonald, G. J. F. The rotation of the Earth [MM60]<br />
Sagan, C. Unser Kosmos [Sag82]<br />
Sagan, C. Blauer Punkt im All [Sag96]<br />
Shu, Frank H. The Physical Universe [Shu82]<br />
Lesenswert ist das Lehrbuch The Physical Universe von Frank Shu, [Shu82]. Es umfasst den gesamten Themenkanon<br />
Physik, Kosmologie, Kosmogonie und Biologie der Erde.<br />
Das Buch Universe von William J. Kaufmann, III, liefert Bilder der Erde und der anderen Planeten dazu.<br />
Die beiden Bücher von Carl Sagan (auch als Fernseh Film) illustrieren <strong>die</strong> Ideengeschichte der Erde. Die geophysikalischen<br />
Aspekte werden von Walter Kertz (<strong>Teil</strong> I: Erdkörper und <strong>Teil</strong> II: Atmosphäre und Magnetosphäre), ebenfalls einschließlich<br />
der ideengeschichtlichen Zusammenhänge, anschaulich abgehandelt. Das Lehrbuch von Feynman, Leighton und Sands<br />
behandelt (in <strong>Teil</strong> III) <strong>die</strong> verschiedenen Wellen der Erde.<br />
345
346 KAPITEL 7. DIE ERDE.<br />
Lehbuchartige Darstellungen findet man bei Bullen, K. E. An Introduction to the theory of seismology und bei A. E. H.<br />
Love A Treatise on Mathematical Theory of Elasticity.<br />
Speziell <strong>die</strong> Erde betreffen (neben der Einführung in <strong>die</strong> Geophysik von Kertz) <strong>die</strong> lesenswerten Spezialdarstellungen von<br />
W. H. Munk und G. J. F. MacDonald The rotation of the Earth und (20 Jahre später) von K. Lambeck The Earth’s variable<br />
rotation: geophysical causes and consequences behandeln ausführlich <strong>die</strong> Aspekte der Erdrotation und ihrer Schwankungen.<br />
7.1 Physik der Erde<br />
Das von uns benutzte Gaußsche Maßsystem, das c-g-s-System, erweitert um K (Grad Kelvin) ist an<br />
der Erde orientiert. Das Meter ist der 10millionste <strong>Teil</strong> des Erdmeridianquadranten, definiert in der<br />
französischen Revolution für alle Zeiten und für alle Menschen. Alternative Vorschläge für eine Meterkonvention,<br />
<strong>die</strong> allerdings verworfen wurden, stammten von Christian Huygens (1760, Pendel) und<br />
Carl Friedrich Gauß (1832, magnetomechanisches Eichmaß). Die Meterkonvention wurde erst 1875 in<br />
Paris (von 17 Staaten unterzeichnet, <strong>die</strong> Engländer fehlten und fehlen immer noch).<br />
Das Galileische Pendelgesetz (l Länge des Pendels, g Gravitationsbeschleunigung der Erde)<br />
�<br />
l<br />
T = 2π<br />
g<br />
ist, mit der Entdeckung des Isochronismus (<strong>die</strong> Periode ist unabhängig von der Amplitude), der Grundstein<br />
der Zeitmessung (Huygens) bis zum Aufkommen der Atomuhren. Zu Ehren von Galilei, der g<br />
erstmals gemessen hat, ist <strong>die</strong> Einheit der Beschleunigung<br />
1 cm s −2 = 1 Gal<br />
nach ihm benannt.<br />
Nach Newton ist g, <strong>die</strong> Gravitationsbeschleunigung der Erde, gegeben durch Masse M und Radius R<br />
(einer Kugel)<br />
g = GM<br />
R 2<br />
in Zahlen: go = 981 cm s −2 . In nächster Näherung muß man <strong>die</strong> Erdrotation hinzunehmen. Die Winkelgeschwindigkeit<br />
der Erdrotation, Ω, beträgt<br />
Ω = 2π/1 Sterntag = 7.292 · 10 −5 s −1<br />
und g wird Breitenabhängig:<br />
gr = −g − Ω 2 r sin 2 θ = −982.037 + 3.389 sin 2 θ (7.3)<br />
Das Galileische Pendelgesetz hat folgende interessante Eigenschaft. Es ist, wenn man l = R setzt<br />
Π = 2π<br />
�<br />
R<br />
g<br />
<strong>die</strong> Zeit, <strong>die</strong> ein Satellit benötigt, auf der kritischen Bahn, wo Bahnradius = Erdradius = R ist, um <strong>die</strong><br />
Erde umzulaufen. Eine harmonische Schwingung (im freien Fall einmal zur Antipode und zurück) hat<br />
<strong>die</strong> Periode:<br />
Π = 2π<br />
ω =<br />
�<br />
3π<br />
Gρ<br />
(7.1)<br />
(7.2)<br />
(7.4)<br />
(7.5)
7.1. PHYSIK DER ERDE 347<br />
und dauert Π = T⊕ = 84 min. Das ist auch <strong>die</strong> Größenordnung der Periode für <strong>die</strong> Schwingungs -<br />
Grundmode von Erdbebenwellen.<br />
Selbst das Einstein - de Sitter Universum gehorcht <strong>die</strong>sem Gesetz<br />
�<br />
8π<br />
Au =<br />
(7.6)<br />
3Gρ<br />
Die Erde (d. h. das Innere) besteht heute hauptsächlich aus Eisen (Fe) und Nickel (Ni), wie Newton<br />
bereits aus ihrer spezifischen Dichte ρ⊕ = 5.5 g cm −3 schließen konnte. Sie hat eine feste Oberfläche,<br />
eine gasförmige Atmosphäre, welche in ein Plasma übergeht.<br />
Damit kommen bei der Erde alle in der Physik bekannten Phasen vor: fest, flüssig und gasförmig<br />
(neutral und vollständig ionisiert). Cavendish war der Erste, der <strong>die</strong> heutige Zusammensetzung der Luft<br />
bestimmte, <strong>die</strong> Uratmosphäre bestand aus hauptsächlich H und He. Mariotte war der Erste, der zeigen<br />
konnte, daß der Wasserhaushalt der Erde abgeschlossen ist. Er bestimmte dazu <strong>die</strong> Niederschlagsmenge<br />
im Einzugsbereich der Seine und deren Durchflussrate (in Paris).<br />
7.1.1 Das Innere<br />
Zustandsform<br />
Die Temperatur im Innern liegt überall in der Nähe des Schmelzpunktes von Eisen. Damit gibt es 3<br />
verschiedene Phasen, <strong>die</strong> mithilfe von Schallwellen (künstlich erzeugt oder durch Erdbeben) untersucht<br />
werden können:<br />
1. Kern<br />
Der Druck im Zentrum ist so groß, daß <strong>die</strong> Materie fest ist.<br />
2. Mantel<br />
Die Materie ist flüssig.<br />
3. Kruste<br />
Die Temperatur ist so tief, daß <strong>die</strong> Materie wieder fest ist.<br />
Die Masse der Erde kann, da sie einen Mond hat, direkt gewogen werden, wenn man <strong>die</strong> Gravitationskonstante<br />
kennt. Sie beträgt:<br />
M⊕ = 5.977 · 10 27<br />
Bei bekanntem Radius folgt daraus<br />
ρ⊕ = M<br />
V<br />
= 5.5 g cm−3<br />
g ≈ 3 · 10 −6 M⊙<br />
Die Gravitationskonstante wurde von Newton abgeschätzt und erstmals 1798 von Cavendish mit der<br />
Torsionswaage direkt bestimmt. Sie ist bis heute eine der am wenigsten genau bestimmte Fundamentalkonstante.<br />
Der Grund dafür ist, daß in alle Gleichungen stets <strong>die</strong> Kombination GM eingeht (und<br />
eine grosse Masse naturgemäß noch schlechter bestimmt werden kann).<br />
Der Schwarzschildradius der Erde<br />
RS = 2GM⊕<br />
= 0.9 cm<br />
c2 ist dagegen sehr genau bekannt.<br />
Bekanntlich war es zunächst sehr schwer, <strong>die</strong> (von Galilei vorhergesagte) Eigenrotation der Erde
348 KAPITEL 7. DIE ERDE.<br />
nachzuweisen (Foucaultsches Pendel). Die Eigenschwingungen<br />
der Erde zu entdecken, war ungleich schwerer. Sie<br />
wurden theoretisch behandelt und ihre Periode vorhergesagt,<br />
lange bevor sie direkt beobachtet werden konnten.<br />
Analoge theoretische Modelle für andere Objekte liefern<br />
<strong>die</strong> nebenstehenden Perioden.<br />
Poisson gab 1829 <strong>die</strong> Lösung der Eigenschwingungen einer<br />
elastischen Kugel, H. A. E. Love bestimmte <strong>die</strong> längste<br />
beobachtbare Eigenperiode, 0S2, mit 60 Minuten. Bis zur<br />
Eigenschwingungen der Planeten<br />
Objekt Periode Dichte Masse Radius<br />
Mond 15 Min 3.34 0.012 0.274<br />
Mars 32 Min 3.9 0.11 0.53<br />
Venus 51 Min 5.1 0.81 0.95<br />
Erde 54 Min 5.5 1 1<br />
Tab. 7.1: Pulsperioden<br />
eigentlichen Beobachtung vergingen dann fast 150 Jahre.<br />
Erst beim Erdbeben 1960 in Chile wurde erstmals <strong>die</strong> längste Periode mit 54 Minuten bestimmt (in<br />
Übereinstimmung mit dem damaligen Standardmodell der Erde, dem Bullen-A-Modell). Dabei zeigte<br />
sich, daß <strong>die</strong> Perioden eine Feinstruktur besitzen, hervorgerufen durch <strong>die</strong> Rotation der Erde.<br />
Auf kurzen Zeitskalen (Eigenschwingungen, Gezeiten) sind Kern und Kruste fest, auf langen (Abbremsen)<br />
jedoch nicht. Chandler viskoelastisch<br />
Das Magnetfeld<br />
Die Erde ist ein schiefer Rotator. Ihr Magnetfeld ist allerdings nicht permanent: es wechselt <strong>die</strong> Richtung<br />
(Missweisung von bis zu 30 Grad in 200 Jahren) und Stärke (bis zur Umpolung). Der Nordpol (in<br />
Wahrheit der Südpol, da ja der Nordpol einer Magnetnadel von ihm angezogen wird) des Erdmagnetfelds<br />
liegt heute im Hudson Bay, das sind etwa 27 Grad Inklination zur Rotationsachse.<br />
• ANMERKUNG (VOM STATISCHEN MAGNETFELD ZUM DYNAMO)<br />
Die magnetische Kraft (zwischen Erzgestein, welches nahe der kleinasiatischen Stadt Magnesia gefunden wurde) war schon<br />
(in Europa) im Altertum bekannt und wurde im 12. Jahrhundert mithilfe des Magnetkompass zur Seefahrt benutzt. Dabei<br />
nahm man an, daß der Polarstern <strong>die</strong> Kompassnadel in Nord-Süd-Richtung zwinge.<br />
Gilbert (1540 - 1603, Leibarzt der Königin Elizabeth) war der erste, der erkannte, daß <strong>die</strong> Erde selbst ein großer Magnet ist.<br />
(Sein Modell war ein riesiger Stabmagnet aus Eisen im Erdinnern). Basierend auf sorgfältigen Experimenten, entwickelte<br />
er ein weitgehend zutreffendes Bild vom Erdmagnetismus. Seine Erkenntnisse schrieb er in einem bedeutendes Werk mit<br />
dem Titel ’Über den Magneten’ auf.<br />
Er entdeckte ferner, daß ein Glasstab (und etwa 20 andere Materialien) beim Reiben so werden wie Bernstein. Auf ihn geht<br />
<strong>die</strong> Bezeichnung ’elektrisch’ (Elektron = Bernstein) zurück. Reibungselektrizität war lange <strong>die</strong> einzige bekannte Form der<br />
Elektrizität.<br />
Die Polstärke (magnetomotorische Kraft) eines Magneten wird in Gilbert angegeben.<br />
10 Ampère = 4π Gilbert.<br />
Der Franzose DuFay (1698 - 1739) fand 1734, daß es zwei Arten von Reibungselektizität gibt. Lichtenberg (1777) definierte<br />
dann willkürlich, daß <strong>die</strong> des Glasstabs positiv ist. Diese Wahl ist unglücklich, da <strong>die</strong> Stromrichtung (im Leiter) und <strong>die</strong><br />
Ladung des wichtigsten Ladungsträgers, eben des Elektrons, damit negativ ist.<br />
Das Magnetfeld der Erde wird vermutlich durch einen Dynamo erzeugt, der durch turbulente Bewegung<br />
des Erdmagmas angetrieben wird. Für einen Eisen Permanentmagneten ist es im Innern der Erde<br />
(mit etwa 4000 K) zu heiß. Neben der Leitfähigkeit, <strong>die</strong> bei allen inneren Planeten vergleichbar sein<br />
sollte, sind Viskosität (Innentemperatur) und Rotationsfrequenz <strong>die</strong> entscheidenden Parameter. Mars<br />
(zu kalt) und Venus (Rotation zu langsam) haben kein (nachweisbares) Magnetfeld.<br />
Das Magnetfeld der Erde beträgt an den Polen etwa 0.5 Gauß, es ändert aber Richtung und Betrag<br />
(Umpolen) in einer Zeit von etwa 10 5 bis 10 6 Jahren (ablesbar an ausgekühltem, ferromagnetischem<br />
Lava Gestein).<br />
Magnetisches Moment eines Dipols (in z−Richtung) und Feldstärke des Magnetfelds am Pol hängen<br />
wie folgt zusammen<br />
M = 1<br />
2 BpR 3 �ez<br />
(7.7)
7.1. PHYSIK DER ERDE 349<br />
Dabei spielt <strong>die</strong> innere Feldverteilung keine Rolle. Das magnetische Dipolmoment der Erde beträgt<br />
M⊕ = 8 · 10 25 Gauß cm 3 (7.8)<br />
• FORMELN (FOUCAULTSCHE STRÖME)<br />
Beim Aufbau bzw. Zerfall eines Magnetfelds fließen Ströme. Bekannte Beispiele sind <strong>die</strong> Wirbelstrombremse und der<br />
Unipolarinduktor. Das Ohmsche Gesetz (ohne Hall Effekt)<br />
�<br />
�j = σ �E + �v<br />
c × � �<br />
B<br />
(7.9)<br />
reicht zur Beschreibung <strong>die</strong>ser Prozesse aus und führt, wie wir jetzt zeigen wollen, bei guter Leitfähigkeit zur Flusserhaltung,<br />
bei ruhender Materie zur Dissipation des Feldes. Wir betrachten letztere zuerst.<br />
Rechnung:<br />
Von den Maxwellschen Gleichungen, mit q, Ladungsdichte im 3-dim. Raum und Strom, �j<br />
div � E = 4πq (7.10)<br />
1 ∂<br />
c<br />
� E<br />
∂t = rot � B − 4π<br />
c �j (7.11)<br />
bleibt für quasistationäre Vorgänge<br />
und<br />
div � B = 0 (7.12)<br />
− 1 ∂<br />
c<br />
� B<br />
∂t = rot � E (7.13)<br />
rot � B = 4π<br />
c �j (7.14)<br />
− 1<br />
c<br />
.<br />
�B = rot � E (7.15)<br />
übrig. Das Ohmsche Gesetz nun wird benutzt, um � E zu eliminieren und wir erhalten:<br />
.<br />
�B = rot(�v × � B) − c2<br />
4πσ rot rot � B (7.16)<br />
Für �v = 0 reduziert sich das (nach abseparieren der Zeit) auf <strong>die</strong> Vektor Helmholtz Gleichung, s. u., für σ = 0 auf<br />
Flusserhaltung<br />
�<br />
Φ = �Bd � S (7.17)<br />
Der magnetische Fluß durch eine mitbewegte Fläche (mit Normale d � S) ist erhalten.<br />
Zieht man einen Kreisleiter, der <strong>die</strong> Fläche πR 2 umrandet, schnell zusammen auf <strong>die</strong> Fläche πr 2 , so wird der Magnetfluß<br />
senkrecht dazu um den Faktor (R/r) 2 verstärkt. Schnell heißt, <strong>die</strong> Zeit T = R/v muß kurz gegen <strong>die</strong> Dissipationszeit des<br />
Feldes τ.<br />
Die dimensionslose Zahl<br />
RM = vτ Rv<br />
= 4πσ<br />
R c2 ist eine nützliche Größe, um Diffusion und Flußerhaltung zu unterscheiden.<br />
(7.18)<br />
Sie heißt magnetische Reynoldszahl. Die Tabelle gibt Daten für eine Vollkugel aus Kupfer mit einem<br />
Radius von 1 cm, <strong>die</strong> Erde (Kugel aus Eisen mit Radius<br />
R) und <strong>die</strong> Sonne. Angegeben ist neben dem Radius<br />
magnetische Zerfallszeiten<br />
R, <strong>die</strong> elektrische Leitfähigkeit σ und <strong>die</strong> Dissipationszeit Objekt R σ τ<br />
des Feldes τ. Wir sehen: RM ist in der Laborphysik von der<br />
Größenordnung eins, bei astrophysikalischen Anwendungen<br />
ist RM meist sehr groß, sodaß Diffusion vernachläßigt werden<br />
kann. Das ist aber andererseits ein Problem, etwa bei<br />
Molekülwolken, bei denen bisher keine Felder, <strong>die</strong> einer<br />
cm s<br />
Flusserhaltung des galaktischen Feldes entsprechen würden,<br />
−1<br />
Kupferkugel 10 5·1017 Erde 7·10<br />
0.5 sec<br />
8 1017 2·105 Sonne 7·10<br />
yr<br />
10 1016 2·1010 yr<br />
Tab. 7.2: Zerfallszeiten
350 KAPITEL 7. DIE ERDE.<br />
gefunden wurden. Das gilt um so mehr für Sterne wie <strong>die</strong> Sonne.<br />
Für kugelsymmetrische Probleme sind <strong>die</strong> Lösungen der Vektor Helmholtz Gleichung bekannt. Da<br />
div � B = 0 und rot rot = grad div - ∆ ist, lautet <strong>die</strong> Gleichung<br />
.<br />
�B = c2<br />
4πσ ∆ � B (7.19)<br />
Die Zeit wird mit dem Ansatz (n = 1, 2 . . . )<br />
�<br />
�B = rot(Φn�ez) exp − t<br />
�<br />
τn<br />
(7.20)<br />
absepariert und <strong>die</strong> Vektor Helmholtz Gleichung wird gelöst. Wie zuerst von Chapman (1945) gezeigt<br />
wurde, gehorchen <strong>die</strong> Dissipationszeiten der Normalmoden zum Index n, τn, einem 1<br />
n 2 Gesetz:<br />
τn = 4πσ R2<br />
c 2<br />
1<br />
n 2<br />
und (j0(x) ist eine Bessel Funktion)<br />
Φn = j0(knr) mit k −2<br />
n = c2<br />
4πσ τn und j0(x) =<br />
sin x<br />
x<br />
Die Dissipation wird durch <strong>die</strong> langsamste Mode, n = 1, bestimmt.<br />
7.1.2 Kosmogonie der Erde<br />
Problemstellung<br />
(7.21)<br />
(7.22)<br />
Wenn wir annehmen, daß sich <strong>die</strong> Planeten und <strong>die</strong> Sonne aus interstellarer Materie gebildet haben,<br />
dann steht <strong>die</strong> Kosmogonie (Bildung der Erde und der Planeten allgemein) vor den folgenden Problemen:<br />
1. Chemische Fraktionierung<br />
Da H (bezogen auf <strong>die</strong> Masse) etwa 200-mal häufiger vorkommt als Fe, muß allein bei der Bildung<br />
der Erde aus der Urmaterie des Sonnensystems an Masse etwa 200 M⊕ H und He ausgegast<br />
und verdampft worden sein. Aus dem Fehlen jeglicher Edelgase in der Atmosphäre der Erde<br />
schließt man, daß <strong>die</strong>se durch Brocken wie Asteroiden und Kleinplaneten zusammengebacken<br />
wurde, <strong>die</strong>se haben Gase bereits weitgehend beim Auskondensieren verloren. Aber selbst das,<br />
was übrigbleibt, zu verlieren ist, wie wir sehen werden ein grosses Problem, vermutlich ist ein<br />
einzelnes katastrophales Ereignis dafür verantwortlich (Eisenkatastrophe).<br />
2. Übergang von reduzierender zu oxi<strong>die</strong>render Atmosphäre<br />
Die drei häufigsten Elemente im Sonnensystem sind C, N und O. Ihre ursprünglichen <strong>Teil</strong>chenzahlen<br />
C : N : O standen im Verhältnis wie 100 : 32 : 182. Ein weiteres Problem der Kosmogonie<br />
ist, zu erklären, wie <strong>die</strong> Atmosphäre von einer reduzierenden (dominiert von Wasserstoff und<br />
seinen Verbindungen wie NH3, CH4) zu einer oxi<strong>die</strong>renden gemacht wurde (Sauerstoff O2 und<br />
Kohlendioxyd, CO2). Der Sauerstoff ist heute in den Ozeanen, der Kohlenstoff in den Sedimenten<br />
als Kalkspat gespeichert. Man nimmt heute an, daß der gesamte Wasserstoff verloren ging<br />
(das meiste davon in der Eisenkatastrophe, big burb, s. u.). Der Sauerstoff der Atmosphäre wurde<br />
von Algen in der Photosynthese produziert.
7.1. PHYSIK DER ERDE 351<br />
3. Die Ozeane<br />
Das Wasser der Ozeane wurde vermutlich nicht durch Kometen auf <strong>die</strong> Erde gebracht (und schon<br />
gar nicht auch heute noch, wie manchmal behauptet wird) sondern nach dem big burb zunächst<br />
in <strong>die</strong> Atmosphäre ausgegast und dann aus ihr kondensiert. Die Temperatur direkt nach dem<br />
big burb kann man zu 4500 K abschätzen. Damit ist auch in etwa das Anfangswertproblem der<br />
planetraen Atmosphäre definiert. Die Sonneneinstrahlung spielt keine Rolle. Was volatil genug<br />
ist verdampft (Edelgase), was schwer genug ist kondensiert später (nach dem Abkühlen) aus. Die<br />
Ozeane der Erde enthalten etwa 1000 Atmosphärenmassen, Kalkspat (CaCO3) am Meeresboden<br />
bindet etwa 70 Atmosphärenmassen, der Rest steckt in Felsgestein.<br />
4. Drehimpulsbilanz<br />
Ähnlich schlimm sieht es bei der Drehimpulsbilanz im Sonnensystem aus. Der gesamte Drehimpuls<br />
steckt in den Planeten (etwa 180 mal mehr als in der Sonne) und bei <strong>die</strong>sen wieder in den<br />
Monden (bei der Erde ist das Verhältnis zum Drehimpuls des Mondes 1 : 7). Dazu kommt ein<br />
erhebliches Misalignment (Fehlweisung) der Drehimpulse bzw. der Spins.<br />
Die drei wichtigsten Elemente C, N und O sind letztlich sehr unterschiedlich in der Atmosphäre (der<br />
verschiedenen Planeten und Monden) vorhanden. Neben der Erde enthält nur der Jupitermond Titan<br />
bedeutende Anteile an N2. Diese sind wahrscheinlich ausgegast (N2 oder NH3).<br />
• ANMERKUNG (PHOTOSYNTHESE)<br />
Photosynthese ist der Prozeß, bei dem Pflanzen vermittels Chorophyll und Sonnenenergie Kohlendioxyd und Wasser in<br />
Kohlenwasserstoffe umwandeln.<br />
6CO2 + 6H2 → C6H12 + 6O2<br />
Zu Beginn, beim Übergang von reduzierender zu oxi<strong>die</strong>render Atmosphäre, kann das CO2 auf der linken Seite ausgegast<br />
worden sein. Heute ist <strong>die</strong> Photosynthese im Gleichgewicht mit dem Umkehrprozeß, der Atmung der Pflanzen:<br />
C6H12 + 6O2 → 6CO2 + 6H2<br />
Der Nettogewinn an O2 zu Beginn kommt durch <strong>die</strong> Vermehrung der Pflanzen zustande.<br />
Aufheizung und Schmelzen<br />
Nach der heutigen Vorstellung wurden <strong>die</strong> Planeten – also auch <strong>die</strong> Erde – aus dem protosolaren Nebel<br />
in kaltem Zustand durch Agglomeration von Gesteinsbrocken von etwa Meteorgröße gebildet. Die Erde<br />
ist heute im Innern allerdings so heiß,<br />
Tc ≈ 4000 . . . 6000 ◦ K (7.23)<br />
daß sie zwischen Kern und Kruste flüssig ist, was sich durch radioaktive Aufheizung (damals und heute<br />
noch)<br />
˙Qrad ≈ 2 · 10 20<br />
erg s −1 ; jrad = 50 erg cm −2 s −1 (7.24)<br />
und <strong>die</strong> schlechte Wärmeleitfähigkeit der Kruste erklärt (Wärmestau).<br />
Die Gravitationsenergie Ug der Erde beträgt etwa<br />
Ug ≈ GM 2 ⊕<br />
R⊕<br />
= 4 · 10 39<br />
erg (7.25)<br />
und stellt damit das bei weitem größte Energiereservoir dar. Der Druck im Zentrum beträgt etwa<br />
Pc ≈ ρGM⊕<br />
2R⊕<br />
= 2 · 10 12<br />
dyn cm −2
352 KAPITEL 7. DIE ERDE.<br />
das sind 2 Megabar.<br />
Die Materie der Erde ist bereits entartet, deshalb kann <strong>die</strong> thermische Energie nicht aus dem Virialsatz<br />
gefolgert werden. Den Beitrag der Wärme schätzen wir wie folgt ab. Nach dem Gesetz von Dulong<br />
und Petit entfällt auf jedes Fe Atom <strong>die</strong> Energie ɛ = 3kT , das ergibt (heute), wenn wir als mittlere<br />
Temperatur To = 3000 ◦ K ansetzen:<br />
Qo ≈ 3NF ekTo = 10 38<br />
erg mit N = M⊕<br />
mF e<br />
≈ 10 50<br />
• ZUSATZ (DAS ABKÜHLALTER)<br />
Da <strong>die</strong> Erde früher heißer als heute war, ist es interessant, das Abkühlalter zu bestimmen.<br />
Die Abkühlung folgt aus<br />
� �3 To<br />
= 1 + (t − to)<br />
T<br />
Lo<br />
Qo<br />
mit den heutigen Werten (d. h. falls <strong>die</strong> Sonne ausgeht)<br />
und<br />
Qo<br />
Lo<br />
= 2.5 · 10 5<br />
yr<br />
Lo = 4πR 2 f⊙ ≈ 6 · 10 24<br />
erg s −1 (7.26)<br />
Der tatsächliche Wärmestrom aus dem Inneren ist 4 Zehnerpotenzen kleiner, ˙ Qrad ≈ 2 · 10 20 erg s −1 , was auf etwa 10 Gyr<br />
führt.<br />
• ZUSATZ (DIE EISENKATASTROPHE)<br />
Bei Bildung der Erde hat zunächst radioaktive Erwärmung Eisen zum Schmelzen gebracht (Erwärmung auf etwa 2000 ◦ K).<br />
Da flüssiges Eisen schwerer ist als Gestein, sammelte sich <strong>die</strong>ses im Zentrum der Erde, wobei weitere Gravitationsenergie<br />
freigesetzt wurde. Damit stieg <strong>die</strong> Temperatur nochmals (auf etwa 4000 ◦ K) an, wodurch auch das Gestein schmolz (außer<br />
in der Kruste, wegen schlechter Wärmeleitung). Dies ist <strong>die</strong> Eisenkatastrophe. Spätestens dann (wahrscheinlich aber schon<br />
früher), wurden chemisch träge Gase (in einem gigantischen Rülpser, big burb genannt) ausgegast.<br />
Die vorstehenden Überlegungen gelten für alle Planeten. Diese haben demnach alle einen festen Kern aus Eisen mit einem<br />
Mantel aus Gestein. Jupiter hat einen Fe - Ni Kern von etwa 13 M⊕ und einer Dichte ρ ≈ 22 g cm −3 ; Saturn hat sogar<br />
einen Kern von etwa 16 M⊕.<br />
Heute sieht der Temperaturverlauf im Innern der Erde etwa folgendermassen aus:<br />
1. In einer Kruste der Dicke 30 km wächst <strong>die</strong> Temperatur von 0 ◦ C auf 600 ◦ C.<br />
2. Der weitere Verlauf folgt etwa einer Sinuskurve:<br />
T = Tc sin π(r/R) mit Tc ≈ 5000 ◦ C.<br />
Der größte <strong>Teil</strong> des Erdinnern ist flüssig, der Kern ist fest.<br />
7.1.3 Rotation<br />
Die Entweichgeschwindigkeit ist, wie wir gezeigt haben, durch<br />
�<br />
2GM<br />
vesc =<br />
R<br />
(7.27)<br />
gegeben. Für <strong>die</strong> Erdoberfläche sind das 11.2 km s −1 . Die Rotationsgeschwindigkeit am Äquator beträgt<br />
dagegen nur etwa<br />
vrot = 0.46kms −1 ,<br />
<strong>die</strong> Erde ist ein langsamer Rotator: vrot ≪ vesc.
7.1. PHYSIK DER ERDE 353<br />
• FORMELN (IDEALES GAS)<br />
Den Wirkungsquerschnitt der Luftmoleküle nähern wir durch den für harte Kugeln mit Durchmesser d (etwa 2 · 10 −8 cm)<br />
σ = πd 2<br />
also (für neutralen O2 und N2)<br />
σ ≈ 10 −15<br />
cm 2<br />
Die r.m.s. Geschwindigkeit vo und <strong>die</strong> Schallgeschwindigkeit vs eines idealen Gases mit Boltzmann Verteilung werden<br />
berechnet nach:<br />
vo =<br />
� �1/2 3kTo<br />
m<br />
und vs =<br />
� �1/2 �<br />
dP<br />
= γ<br />
dρ ad<br />
P<br />
�1/2 ρ<br />
Der adiabatische Index γ beträgt 7/5 für Luft (lineare Moleküle).<br />
Für <strong>die</strong> Erdoberfläche ergibt sich eine mittlere Geschwindigkeit der Luftmoleküle von vo = 4.85·10 4 cm s −1 , was praktisch<br />
identisch ist mit vrot.<br />
Die Schallgeschwindigkeit ist mit<br />
vs =<br />
� �1/2 7<br />
vo = 3.33 · 10<br />
15<br />
4<br />
cm s −1<br />
etwas langsamer.<br />
Die mittlere freie Weglänge erhält man (durch Mittelung über <strong>die</strong> Relativgeschwindigkeit zwischen zwei Molekülen) zu<br />
l = 1<br />
√<br />
8<br />
√ =<br />
2nσ πnr2 wobei r der Radius der harten Kugel ist. Für Luft (mit P = 10 6 dyn cm −2 und T = 300 K) ist n = p/kT = 2.5 · 10 19<br />
cm −3 und damit<br />
l = 3 · 10 −5<br />
Für <strong>die</strong> Stossfrequenz<br />
ν = 1<br />
τ<br />
= v<br />
l<br />
cm<br />
erhalten wir damit ν = 2 · 10 9 s −1 , oder 2 GHz.<br />
Vergleicht man <strong>die</strong> vier inneren Planeten, Merkur (R = 0.38R⊕ und P = 58d), Venus (R = 0.95R⊕<br />
und P = -243d), Erde und Mars (R = 0.53R⊕ und P = 1d), dann ist vrot ≈ vs <strong>die</strong> grosse Ausnahme.<br />
Präzession und Nutation<br />
Physikalisch ist <strong>die</strong> Erde ein äusserst kompliziertes Gebilde, welches am ehesten durch einen viskoelastischen,<br />
abgeplatteten Kreisel zu beschreiben ist. Da Bahndrehimpuls und Eigendrehimpuls bei<br />
der Erde etwa um 23.5 ◦ gegeneinander geneigt sind, kommt es im Gravitationsfeld der Sonne und<br />
des Mondes zu einem Drehmoment, welches bewirkt, daß <strong>die</strong> Drehachse der Erde an der Himmelssphäre<br />
einen Kegel mit Öffnungswinkel 23.5 ◦ und Periode 2.5735·10 4 Jahre beschreibt. Diese Bewegung<br />
heißt Präzession der Äquinoxien oder Lunisolar–Präzession. Aus ihr folgt für <strong>die</strong> beiden Hauptträgheitsmomente<br />
C − A<br />
C<br />
(7.28)<br />
(7.29)<br />
= 1/305.8 (7.30)<br />
Da der Mondbahndrehimpuls selbst noch um 5 ◦ zur Ekliptik geneigt ist, kommt eine zweite Präzession<br />
(Periode 18.6 Jahre) hinzu, welche leider aus historischen Gründen von den Astronomen Nutation<br />
genannt wird.
354 KAPITEL 7. DIE ERDE.<br />
Die wahre Nutation, d. h. <strong>die</strong> freie Präzession eines festen Ellipsoids, hat nach Euler <strong>die</strong> Frequenz<br />
ωw =<br />
(C − A)S<br />
AC<br />
cosΘo<br />
Sie ist kaum nachweisbar (Amplitude 0.1 ′′ , Periode 1.16 Jahre = 438 Sterntage) und wird nach ihrem<br />
Entdecker Chandler Wobble genannt. Euler dagegen hatte (1765) ihre Periode Pw zu 304.8 Stern-Tagen<br />
berechnet. Die Diskrepanz erklärt sich aus der Nachgiebigkeit der Erde (auf einer Zeitskala von einem<br />
Jahr).<br />
Abbremsung der Erdrotation<br />
Die Rotationsenergie beträgt<br />
Erot = 1<br />
2 CΩ2 mit C = 8.118 · 10 44<br />
(7.31)<br />
mit C Hauptträgheitsmoment der Erde und Ω Winkelgeschwindigkeit der Erdrotation. Zum Vergleich:<br />
das ist das Trägheitsmoment der Neutronensterne! Diese verlieren allerdings etwa 10 38 erg s −1 beim<br />
Abbremsen.<br />
Eine inkompressible, homogene Kugel hat ein Trägheitsmoment<br />
C = 2<br />
5 Ma2<br />
wobei a der Radius ist. Für <strong>die</strong> (kompressible) Erde gilt C = 0.331Ma 2 . Der Drehimpuls der Erde<br />
beträgt<br />
S = CΩ = 5.9 · 10 40 gcm 2 s<br />
Die Dissipation der Gezeitenenergie (in flachen Meeren) bewirkt eine Abbremsung der Erdrotation<br />
Erot = 2.16 · 10 36<br />
erg ; ˙ Qdiss = 3 · 10 19<br />
erg s −1 (7.32)<br />
welche nicht direkt gemessen werden kann (Rauschen), welche allerdings mithilfe historischer Aufzeichnungen<br />
(Sonnenfinsternis) und sog. lebender Fossilien zu<br />
˙<br />
P⊕ = 10 −12<br />
s s −1 (7.33)<br />
bestimmt wurde. Dieser säkularen Verlangsamung entspricht eine Zeitskala von<br />
T = P⊕<br />
˙<br />
P⊕<br />
= 8.6 · 10 16<br />
s ≈ 3 Gyr (7.34)<br />
Dieser Wert der Abbremsung ist etwa dreimal so groß (entsprechend ≈ 30 Sekunden in 1 Myr), wie<br />
der durch Dissipation der Gezeitenkräfte bestimmte Wert. Als Mittelwert der säkularen Verlangsamung<br />
nimmt man oft 20 Sekunden pro Myr.<br />
• ZUSATZ (PALÄOASTRONOMIE: DIE TAGESLÄNGE IM SILUR)<br />
Die Paleoastronomie basiert auf der Annahme, daß bestimmte Nautiloiden (Muscheln, Korallen etc.) ihre Schale mithilfe<br />
von Licht, also proportional zur Tageslänge, bauen. Damit kommt man etwa 300 . . . 400 Myr zurück, bis ins Devon bzw.<br />
Silur. Die Tageslänge war damals etwa 21 h , also 3 h kürzer als heute, was etwa obigem ˙<br />
P⊕ (mit 350 Myr) entspricht.<br />
Lit.<br />
S.M. Pompea et al., Vistas in Astronomy 23, 185 (1979)
7.1. PHYSIK DER ERDE 355<br />
• ZUSATZ (DIE TAGESLÄNGE BEI SYNCHRONISATION)<br />
Die Tageslänge ist bei Synchronisation genau so lang wie <strong>die</strong> Dauer eines Monats. Bei der Überschlagsrechnung benutzen<br />
wir <strong>die</strong> Drehimpulserhaltung in folgender Form. Heute gilt etwa<br />
7J⊕ = Jm also Jtot = 8<br />
7 Jm<br />
Bei Synchronisation steckt näherungsweise der gesamte Drehimpuls im Mond. Aus<br />
folgt<br />
Jm = MmR 2 Ωm und Kepler Ω 2 mR 3 = const<br />
Jm(fin)/Jm(ini) = 8<br />
7 =<br />
� �1/2 R(fin)<br />
R(ini)<br />
und daraus R(fin) = 1.35R(ini). Der genaue Wert ist<br />
R(fin) = 1.4R(ini)<br />
Die Tages bzw. Monatsdauer beträgt dann 45.5 heutige Tage.<br />
Tageslänge und Zeitbestimmung<br />
Ein Tag hat 24 Stunden, 1440 Minuten oder 86400 Sekunden. Ein Julianisches Jahrhundert hat 62525<br />
Tage. Nach einem Vorschlag von J. Scaliger aus dem Jahr 1606, (von dem <strong>die</strong> Benennung zu Ehren<br />
seines Vaters Julius stammt) beginnt <strong>die</strong> Zählung am 1 Januar −4712 mittags. Der 1.5 Januar (d. h. der<br />
1. Januar 12h mittags) ist JD 2 451 545 und wird mit J2000 bezeichnet.<br />
Alternativ zum Julianischen Jahr wurde das Besselsche Jahr (bezeichnet mit Bxxxx) benutzt. Es basiert<br />
auf der Länge des tropischen Jahres und hat 625.242 198 781 Tage. Der Unterschied zwischen beiden<br />
ist kumulativ, es entspricht dem Besselschen Jahr B2000 das Julianische Jahr J1999.998722 (mit JD<br />
2 451 544.4334) und umgekehrt J2000 (mit obigem JD) entspricht B2000.001278.<br />
Bis 1960 bestimmte <strong>die</strong> Tageslänge <strong>die</strong> Zeit, welche Universal Time (UT) genannt wurde. Eine Sekunde<br />
war der 86400te <strong>Teil</strong> des mittleren Sonnentages. Von 1960 bis 1967 wurde <strong>die</strong> Ephemeris Time<br />
(ET) als der 31 556 925.974 7te <strong>Teil</strong> des tropischen Jahrs 1900.0 benutzt.<br />
Zwischen 1967 (BIH: Bureau International de l’Heure) und 1971 (TAI: Temps Atomique International)<br />
erfolgte <strong>die</strong> Umstellung auf Atomzeit. Seit 1967 gilt <strong>die</strong> Atomzeit als verbindliches Normal: ’Die<br />
Sekunde ist das 9.192.631.770 - fache der Periodendauer des Hyperfeinübergangs (J = 7/2, F = 4 →<br />
F = 3) bei 133 Cs’ (ewa 9 GHz). Die rel. Genauigkeit (gemessen an mehreren Uhren, in Deutschland<br />
an der PTB in Braunschweig) beträgt � 10 −14 (über ein Jahr, 10 −15 über 1000 s.) bei einer Ablesegenauigkeit<br />
von ∆ν/ν � 3 · 10 −11 .<br />
Universal Time (UT) wird heute über <strong>die</strong> Durchgangszeit eines Sterns durch einen festen Punkt auf<br />
der Erde definiert. Die Abweichung zwischen einer idealen Atomuhr, TI, und Universal Time (UT)<br />
definiert <strong>die</strong> Größe<br />
Λ(t) = IT − UT<br />
welche positiv ist, falls <strong>die</strong> Erde zu langsam rotiert. Die dimensionslos Größe<br />
m3 = − ˙ Λ<br />
ist so definiert, daß <strong>die</strong> Rotation schneller wird (Beschleunigung), falls m3 > 0 ist. Dies passierte<br />
zwischen 1850 und 1900.
356 KAPITEL 7. DIE ERDE.<br />
7.1.4 Die Erdatmosphäre<br />
Problemstellung<br />
Im folgenden wird angenommen, daß für das System Erde + Atmosphäre im Strahlungsfeld der Sonne<br />
der Energiesatz gilt: <strong>die</strong> Erde wird langfristig weder wärmer noch kälter, was sich ändert ist <strong>die</strong><br />
Temperatur an ihrer Oberfläche (Index o) und <strong>die</strong> Entropie der Strahlung. Bereits auf ihrem Weg zur<br />
Oberfläche wird <strong>die</strong> Strahlung zum IR hin verschoben, bei der Abstrahlung beträgt <strong>die</strong> typische Wellenlänge<br />
10 −3 cm (statt 5 · 10 −5 cm der einfallenden Strahlung). Die Entropie S = 4E/T wird um den<br />
Faktor 20 erhöht.<br />
• DEFINITION (DIE ERDATMOSPHÄRE: PHYS. PARAMETER)<br />
Wir benutzen <strong>die</strong> folgenden Bezeichnungen und Relationen:<br />
Daten zur Erdatmosphäre<br />
Symbol Wert cgs–Einheit Bezeichnung Formel<br />
Vo −6 · 10 11 cm 2 s −2 grav. Potential Vo = −G M<br />
R<br />
EH −10 −12 erg potentielle Energie für H EH = −G mM<br />
R<br />
go 981 cm s −2 Erdbeschleunigung go = G M<br />
R 2<br />
To 288.15 K Temperatur<br />
Ho 8 · 10 5 cm Skalenhöhe (für Luft) Ho = kT<br />
mg<br />
Po 10 6 dyn cm −2 Druck Po = nkT<br />
ρo 1.29 · 10 −3 g cm −3 Massendichte<br />
no 2.5 · 10 19 cm −3 <strong>Teil</strong>chenzahldichte<br />
MA 4 · 10 21 g Masse der Atmosphäre MA = ρoHoA<br />
Der Index o bezieht sich auf <strong>die</strong> Oberfläche (Meereshöhe) der Erde. Die beiden Hauptbestandteile der Luft sind 79% N2 und<br />
21% O2. Das mittlere Molekulargewicht beträgt ˜µ = 0.79 · 28 + 0.21 · 32 = 28.9. Die Werte für Druck, <strong>Teil</strong>chenzahldichte<br />
und Massendichte gelten für Normalbedingungen: To = 273 K. Der numerische Anteil von Wasserdampf, H2O, beträgt<br />
bei Sättigung nur 2.5%.<br />
Ein Verständnis der Thermodynamik und der Chemie der Erdatmosphäre sind für den Menschen<br />
(über)lebenswichtig. Die Verhältnisse sind aber leider sehr komplex. Einige Probleme werden wir im<br />
Vergleich mit anderen Planeten später behandeln. Hier betrachten wir einige einfache physikalische<br />
Aspekte der Hydrostatik und Dynamik.<br />
• FORMELN (EINIGE WERTE ZUM NACHSCHLAGEN)<br />
Die Oberfläche der Erde, A⊕, beträgt A⊕ = 5.1·1018 cm2 . Davon sind 5<br />
7 mit Wasser bedeckt (71% Hydrosphäre), der Rest<br />
ist Landmasse (29% Lithosphäre). Die mittlere Wassertiefe beträgt 3.5 km, und damit haben <strong>die</strong> Ozeane eine Masse von<br />
1.3 · 1024 g, bzw. 0.022% der Gesamtmasse (M⊕ ≈ 6 · 1027 g). Thermodynamisch wirken <strong>die</strong> Ozeane als Wärmespeicher,<br />
chemisch als Puffer zum Speichern von CO2 in Form von Kalkspat CaCO3.<br />
Die Amplitude der Meereshöhenschwankung zwischen Warm- und Eiszeit beträgt 120 Meter.<br />
Hydrostatik der Erdatmosphäre<br />
Die Säulendichte der Erdatmosphäre beträgt<br />
N =<br />
�∞<br />
o<br />
n(l)dl = noh = 2 · 10 25<br />
cm −2 (7.35)<br />
was einer Masse von 1033 g pro cm 2 (Wassersäule von 10 Meter) entspricht. Die chemische Zusammensetzung<br />
der Erdatmosphäre besteht aus zeitlich konstanten (z. B. N2 und O2) und zeitlich variablen<br />
Anteilen (H2O und CO2). Deshalb behilft man sich mit dem Konzept einer Standardatmosphäre.
7.1. PHYSIK DER ERDE 357<br />
• ZUSATZ (STANDARDATMOSPHÄRE: DAS MITTLERE VERHALTEN)<br />
Zugrunde gelegt wird hier das mittlere Verhalten von Temperaturbeobachtungen in der freien Atmosphäre. Die bis dato<br />
gebräuchlichste Standardatmosphäre ist <strong>die</strong> US-Standardatmosphäre von 1962 mit den entsprechenden Ergänzungen aus<br />
späteren Jahren. Sie bezieht sich auf das Verhalten der Atmosphäre im Jahresmittel bei 45 ◦ nördlicher Breite. Die thermodynamischen<br />
Ausgangswerte für 0 km Höhe (Meeresniveau) sind:<br />
Standardatmosphäre<br />
Druck : Po = 1.01325 · 10 5 Pa<br />
Temperatur : To = 288.15 K<br />
Dichte : ρo = 1.225 · 10 −3 g cm −3<br />
1 Bar = 1000 Hekto Pascal = 10 5 N m −2 = 10 6 dyn cm −2<br />
1 m 3 enthält 1293 g Stickstoff und Sauerstoff, der Anteil an Wasser beträgt nur 17.3 g.<br />
Schadstoffkonzentrationen werden gewöhnlich absolut in Mikrogramm pro m 3 oder relativ in pptv (parts per tausendstel<br />
Volumkonzentration) bzw. in ppmv (parts per millionstel Volumkonzentration) angegeben. Etwa 100 µg pro m 3 O3 sind<br />
für den Menschen schädlich (Krebs?).<br />
• ZUSATZ (STANDARDATMOSPHÄRE: ABGELEITETE MITTELWERTE)<br />
Unter Standardbedingungen für Druck und Temperatur, Po = 1013.25 mbar, To = 273.15 K, gelten <strong>die</strong> folgenden Werte<br />
für trockene Luft. Alle Werte sind bezogen auf Meeresniveau.<br />
Dichte ρo = 1.2928 · 10 −3 g cm −3<br />
Molekülgewicht µ = 28.970<br />
<strong>Teil</strong>chendichte no = 2.688 · 10 19 cm −3<br />
Geschwindigkeit vo = 4.85 · 10 4 cm s −1<br />
Molekülradius r = 1.73 · 10 −8 cm<br />
freie Weglänge λ = 6.98 · 10 −6 cm<br />
Die mittl. Molekülmasse beträgt m = 4.810 · 10−23 g. Die r.m.s. Geschwindigkeit vo und <strong>die</strong> freie Weglänge λo wurden<br />
berechnet nach:<br />
� �1/2 √<br />
3kTo<br />
8<br />
vo =<br />
und λo =<br />
m<br />
πnor2 Die Temperatur der Erdatmosphäre<br />
Mit Albedo ∗ bezeichnet man den Reflexionskoeffizienten, A, eines Planeten. Sie beträgt für <strong>die</strong> Erde †<br />
A = 0.30 (zum Vergleich: A = 0.07 für den Mond) und wird bestimmt (in <strong>die</strong>ser Reihenfolge) durch:<br />
1. den Wassergehalt der Erdatmosphäre,<br />
2. <strong>die</strong> Wassertropfen der Wolken (H2O),<br />
3. den Erboden und<br />
4. <strong>die</strong> Ozeane.<br />
Die Erde ist im Mittel zu 50% mit Wolken bedeckt.<br />
Beim Durchgang durch <strong>die</strong> Erdatmosphäre wird <strong>die</strong> Strahlung der Sonne modifiziert, und zwar zum<br />
Infraroten hin verschoben.<br />
• ANMERKUNG<br />
Nimmt man <strong>die</strong> Erdatmosphäre weg, so würde vorübergehend <strong>die</strong> Temperatur der Erdoberfläche auf etwa Teff ≈ 256 − 9<br />
◦ K (also −30 Celsius) abfallen, <strong>die</strong> Albedo der Erde wäre dann A = 0.39.<br />
Die UV-Strahlung würde direkt zur Erdoberfläche gelangen und dort so lange O und O2 freisetzen, bis sich wieder eine<br />
Ozonschicht gebildet hat. Der damit verbundene Treibhauseffekt würde dann Wasser verdampfen lassen, <strong>die</strong> Erdatmosphäre<br />
würde sich regenerieren.<br />
∗Von lat. alba = weiß. Die Albedo kann für alle Planeten außer für <strong>die</strong> Erde direkt bestimmt werden und bezieht sich<br />
auf das sichtbare Spektrum.<br />
† Der noch häufig zitierte Wert für <strong>die</strong> Albedo der Erde, A = 0.39, wurde Ende 1960 durch Satellitenbeobachtungen<br />
obsolet.<br />
Neuerdings wird diskutiert, ob bestimmte Wolken <strong>die</strong>sen Wert für <strong>die</strong> Oberfläche der Erde nochmals modifizieren.
358 KAPITEL 7. DIE ERDE.<br />
Der Treibhauseffekt<br />
Der Treibhauseffekt kommt dadurch zustande, daß <strong>die</strong> Wellenlänge des eingestrahlten Lichts (Maximum<br />
bei 500 nm) und <strong>die</strong> Wellenlänge der von der Erde wieder abgestrahlten Wärmestrahlung (Maximum<br />
bei 8800 nm, entsprechend 290 K) sehr verschieden sind. Er wird deshalb hauptsächlich bestimmt<br />
durch <strong>die</strong>jenigen Moleküle, welche im IR, nicht aber im visuellen optisch aktiv sind (absorbieren): <strong>die</strong><br />
Gase (in <strong>die</strong>ser Reihenfolge) H2O undCO2. Svante Arrhenius erkannte 1896 <strong>die</strong>ses Prinzip bereits und<br />
konnte damit <strong>die</strong> Eiszeiten (und Warmzeiten) erklären.<br />
• ANMERKUNG (SINTFLUT)<br />
Die Konsequenzen einer Erwärmung um ein Grad (bis 2100):<br />
1. Abschmelzen der Eisberge liefert eine Erhöhung des Meeresspiegels um 17 cm,<br />
2. Ausdehnung des Wassers liefert 32 cm, insgesamt: 49 cm.<br />
Bei einer richtigen Warmzeit beträgt <strong>die</strong> Amplitude des Meeresspiegels dagegen 120 Meter (d. h. 20 %, bei einer mittleren<br />
Tiefe des Meeres von 2.4 km).<br />
Damit absorbiert <strong>die</strong> Erde (1 − A) = 70% aus dem Sonnenfluß. Der Gesamtfluß, <strong>die</strong> Solarkonstante<br />
f⊙, kann direkt gemessen werden und beträgt:<br />
f⊙ = 1.36 · 10 6<br />
erg s −1 cm −2 = 1.99 cal cm −2 min −1 = 236 W m −2 (7.36)<br />
sodaß der <strong>die</strong> Erde (senkrecht) treffende Fluß oberhalb der Atmosphäre Lo = S<br />
S = πR 2 f⊙ ≈ 1.75 · 10 24<br />
beträgt. Da der absorbierte Fluß<br />
Sabs = (1 − A)πR 2 f⊙ ≈ 10 24<br />
erg s −1 (7.37)<br />
erg s −1<br />
ist, <strong>die</strong> abstrahlende Fläche F jedoch (jedenfalls bei schnell rotierenden Planeten) F = 4πR 2 ist (sonst<br />
–wie z. B. beim Mond– <strong>die</strong> Hälfte), ergibt sich für <strong>die</strong> Gleichgewichtstemperatur der Erde als schwarzer<br />
Strahler<br />
Teff =<br />
� (1 − A)f⊙<br />
4σ<br />
�1/4 �<br />
R⊕<br />
= T⊙<br />
2DES<br />
�1/2<br />
(1 − A) 1/4<br />
was Teff ≈ 256 ◦ K ergibt.<br />
Da <strong>die</strong> mittlere Temperatur an der Oberfläche der Erde allerdings To = 290 ◦ K beträgt, ergibt sich eine<br />
Differenz von 34 K. Diese erklärt sich aus dem Teibhauseffekt, der also <strong>die</strong> Erde erst bewohnbar macht.<br />
Die wirkliche Abstrahlung (für <strong>die</strong> dann der Energiesatz angewendet werden kann) geschieht aus der<br />
Tropopause heraus (etwa 20 km über der Erdoberfläche): In der Eddingtonschen Näherung für den<br />
Strahlungstransport durch <strong>die</strong> Troposphäre gilt für <strong>die</strong> Temperatur als Funktion der optischen Tiefe τ<br />
T = Teff<br />
�<br />
3 2<br />
(τ +<br />
4 3 )<br />
�1/4<br />
(7.38)<br />
Für <strong>die</strong> Tropopause ist dann T = 207 ◦ K, während am Boden (für τ = 2) T = 290 ◦ K gilt. Wir<br />
erwarten demnach einen negativen Temperaturgra<strong>die</strong>nten von etwa 4 · 10 −5 K cm −1 .
7.1. PHYSIK DER ERDE 359<br />
Temperaturschichtung<br />
Wir betrachten nun <strong>die</strong> beobachtete Temperatur- und Druckverhältnisse innerhalb der Atmosphäre. In<br />
der Atmosphäre herrscht folgende Temperaturschichtung:<br />
In Bodennähe bis etwa 12 km (ca. 7 km in Pol- und ca. 17 km in Äquatornähe) gibt es einen negativen<br />
Temperaturgra<strong>die</strong>nten (etwa 7 · 10 − 5 K cm −1 ). Dieser Bereich wird als Troposphäre bezeichnet.<br />
Innerhalb der Troposphäre verteilen sich <strong>die</strong> verschiedenen Gase exponentiell mit einer Skalenhöhe<br />
von etwa 8.5 km, während Wasserdampf (H2O) im allgemeinen nur exponentiell mit einer Skalenhöhe<br />
von 4 km auftritt.<br />
Die stossverbreiterten Linien von zwei Spezies, CO2 und H2O, sind <strong>die</strong> Hauptursache für <strong>die</strong> Absorption<br />
von Sub(mm)- Radioemission aus höheren Schichten der Atmosphäre bzw. aus dem interstellaren<br />
Raum.<br />
An <strong>die</strong> Troposphäre schließt sich <strong>die</strong> Stratosphäre an. Nach einer isothermen Schicht in der unteren<br />
Stratosphäre nimmt <strong>die</strong> Temperatur in der oberen Stratosphäre rasch wieder zu und erreicht in etwa<br />
50 km Höhe Temperaturen, <strong>die</strong> denen der oberflächennahen Troposphärenschicht entsprechen. Diese<br />
starke Erwärmung kann auf <strong>die</strong> Absorption von solarer UV- Strahlung (λ ≈ 200 − 300 nm) durch das,<br />
in der oberen Stratosphäre, vorhandene Ozon zurückgeführt werden.<br />
Oberhalb <strong>die</strong>ser Schicht beginnt <strong>die</strong> Mesosphäre, innerhalb derer <strong>die</strong> Temperatur erneut absinkt, bis<br />
auf etwa 180K. Die Mesosphäre reicht bis in Höhen von 85 km.<br />
Ab hier beginnt dann <strong>die</strong> Thermosphäre, <strong>die</strong> wiederum durch einen sehr starken Temperaturgra<strong>die</strong>nten<br />
bestimmt ist. Hier ist es ebenfalls <strong>die</strong> Absorption von UV-Strahlung, allerdings durch molekularen<br />
Stickstoff (N2) bzw. durch molekularen und atomaren Sauerstoff (O2, O) bei Wellenlängen λ < 200<br />
nm, <strong>die</strong> zu der starken Erwärmung führt. Die Ausdehnung der Thermosphäre und <strong>die</strong> (gaskinetische)<br />
Temperatur innerhalb derselben unterliegen beträchtlichen Variationen, jeweils in Abhängigkeit von<br />
der Sonneneinstrahlung und -aktivität.<br />
Die Übergangsbereiche zwischen den einzelnen atmospärischen Schichten werden als Tropo-, Stratound<br />
Mesopause bezeichnet.<br />
Etwa 99.9% der gesamten Luftmasse der Erde befinden sich unterhalb der Stratopause. Die für das<br />
Wetter verantwortlichen Vorgänge laufen im wesentlichen in der Troposphäre ab. Bis zu 100 km Höhe<br />
ist <strong>die</strong> molare Masse der Atmosphäre infolge der guten Durchmischung höhenunabhängig (Homosphäre).<br />
Ab <strong>die</strong>ser Höhe dominieren dann Diffusions- und Dissoziationsprozesse, und somit wird <strong>die</strong><br />
molare Masse zu einer Funktion der Höhe (Heterosphäre).<br />
Die Luft der Erdatmosphäre kann als verdünntes (nicht wechselwirkendes) Gas behandelt werden: der<br />
mittlere Molekülabstand lo beträgt lo = 2 · 10 −7 cm während für <strong>die</strong> freie Weglänge λo = 7 · 10 −6 cm<br />
gilt, also λo/lo ≫ 1.<br />
Als einfache Anwendung der Thermodynamik auf ein System im äusseren Feld, betrachten wir <strong>die</strong><br />
Erdatmosphäre als globales System im Gravitationsfeld der Erde mit dem Potential<br />
V = −GM⊕<br />
r<br />
φ = mV = −GmM⊕<br />
r<br />
Die normierte Maxwell Verteilung im äusseren Gravitationsfeld lautet<br />
� � � �<br />
m 3/2 ɛ + φ − φo<br />
f(x, v) = no<br />
exp −<br />
2πkT<br />
kT<br />
Dabei hängt <strong>die</strong> kinetische Energie ɛ = ɛ(v) nur von der Geschwindigkeit v, <strong>die</strong> potentielle Energie<br />
φ = φ(x) und <strong>die</strong> Temperatur T nur vom Ort x ab. Die Temperatur bestimmt sich im Prinzip aus Glchg.<br />
(7.38). Für nicht zu grosse Höhen ist T = const eine ausreichende Näherung.<br />
Entwickeln wir zunächst das Gravitationsfeld für h ≪ R<br />
V (x) − Vo = V ′<br />
oh + . . . mit V ′<br />
o = go = G M<br />
R2
360 KAPITEL 7. DIE ERDE.<br />
und integrieren <strong>die</strong> Maxwell Verteilung über v, so erhalten wir <strong>die</strong> barometrische Höhenformel für<br />
nicht zu grosse Höhen<br />
n(x) = noe −σ(h) mit σ(h) = h<br />
H<br />
und H = kT<br />
mg<br />
Die Größe H heißt Skalenhöhe. Unter Skalenhöhe versteht man also <strong>die</strong> Höhe, bei welcher der Anteil<br />
auf 1/e abgesunken ist. Analog kann man eine Halbwertshöhe definieren<br />
n(x) = no2 −˜σ(h) mit ˜σ(h) = h<br />
˜H und ˜ H = H ln 2 = 0.69H<br />
Sie ist von der Masse der <strong>Teil</strong>chen abhängig. Für Luft und T = 290 K beträgt sie H = 8.44 · 10 5 cm.<br />
( ˜ H = 5.85 · 10 5 cm).<br />
In einer ruhigen Atmosphäre würden sich demnach <strong>die</strong> schweren Moleküle am Erdboden, wo sie erzeugt<br />
werden, sammeln. Zum Glück gibt es eine ständige Durchmischung der Luft. Der Grund dafür<br />
ist der negative Temperaturgra<strong>die</strong>nt: warme Luft steigt auf, kalte sinkt ab. Man kann deshalb mit einem<br />
mittleren Molekulargewicht von ˜µ = 28.9 rechnen. An der Erdoberfläche (Index o) gelten dabei <strong>die</strong><br />
Werte der Tabelle.<br />
Die Lösung für das globale Problem lautet analog<br />
n(x) = noe −σ(r) mit σ(r) =<br />
φ(r) − φo<br />
kT<br />
und φ(r) = − GmM<br />
r<br />
(7.39)<br />
Wir sehen, daß im Unendlichen <strong>die</strong> Dichte nicht verschwindet, falls sie an der Erdoberfläche von Null<br />
verschieden ist. Das ist eine offensichtlich unsinnige Konsequenz.<br />
Die Lösung des Paradoxons: <strong>die</strong> Gleichungen für ein statisches Gleichgewicht Erde - Atmosphäre<br />
dürfen nicht angewendet werden, da es ein solches Gleichgewicht nicht gibt. Die Atmosphäre muß<br />
ständig verdampfen, was sie auch tut.<br />
Verdampfung der Atmosphäre<br />
Um den Effekt quantitativ zu bestimmen, benutzen wir zunächst obige Werte für <strong>die</strong> Erdoberfläche<br />
(Index o) und erhalten für den Faktor σ im Exponenten für Luft<br />
yo = σ(∞) = mVo<br />
kTo<br />
= R<br />
H<br />
= 660<br />
wenn wir konstante Temperatur annehmen. Luft kann vom Erdboden aus nicht verdampfen. Das gilt<br />
auch in größeren Höhen.<br />
Eine interessantere Abschätzung erhalten wir dort für atomares H: setzen wir eine mittlere Temperatur<br />
von 1500 Kelvin an, so folgt<br />
yo = σ(∞) = mVo<br />
kTo<br />
= 22 m<br />
mH<br />
(7.40)<br />
Aus der barometrische Höhenformel folgt dann, daß <strong>die</strong> Dichte von H im Unendlichen auf den exp(−xo)<br />
= exp(-22)–ten <strong>Teil</strong> des Oberflächenwertes abfallen sollte.<br />
Tatsächlich verdampft <strong>die</strong> Erdatmosphäre nicht vom Erdboden aus (bei konstanter Temperatur), sondern<br />
aus einer Höhe von etwa H = 1500 km heraus, der sogenannten Exosphäre, Index x. Sie ist<br />
dadurch definiert, daß hier <strong>die</strong> freie Weglänge, l, der Atome vergleichbar mit der Skalenhöhe H ist.<br />
l = 1<br />
nσ<br />
= H = kTx<br />
mgx<br />
= kTxr 2 x<br />
GmM
7.1. PHYSIK DER ERDE 361<br />
Die Exosphäre besteht zum größten <strong>Teil</strong> aus H und He, <strong>die</strong> mittlere kinetische Geschwindigkeit vx =<br />
(3kT/m) 1/2 liegt mit 4 km/s nahe der Entweichgeschwindigkeit von ve = 11 km/s.<br />
Hier beträgt <strong>die</strong> Dichte der Luft<br />
n = 2 · 10 6<br />
cm −3 ρ = 3 · 10 −18<br />
g cm −3<br />
also etwa das 2 · 10 −15 −fache der Materiedichte an der Erdoberfläche. Die Temperatur ist hier durch<br />
<strong>die</strong> Sonneneinstrahlung gegeben und beträgt 1500 ◦ K.<br />
Damit können wir <strong>die</strong> Verdampfungsrate ganz grob abschätzen, wobei der Index x sich also auf <strong>die</strong><br />
Exosphäre bezieht:<br />
�<br />
kTx<br />
F ˙ = nxve = nx<br />
m<br />
˙N = 4πr 2 x ˙<br />
F = 10 30<br />
und damit eine mittlere Verdampfungszeit für <strong>die</strong> gesamte Erdatmoshpäre MA bestimmen:<br />
t1/2 = MA<br />
m ˙ N<br />
= 3 · 107<br />
Jahre MA = 4 · 10 21<br />
In den unteren Schichten findet eine ständige Durchmischung der Gase statt, während in den oberen<br />
Schichten <strong>die</strong> Sonnenenergie (Gammastrahlung) ständig <strong>die</strong> Atomkerne spaltet, sodaß tatsächlich der<br />
Wasserstoff der Atmosphäre verdampft. Der Sauerstoff wird als Kalkspat gebunden.<br />
• ZUSATZ (VERDAMPFUNGSRATE UND VERDAMPFUNGSZEIT NACH JEANS)<br />
Eine genauere Abschätzung, <strong>die</strong> auf Jeans zurückgeht und <strong>die</strong> wir jetzt durchführen wollen, liefert noch den Faktor<br />
�<br />
f(yx) =<br />
ye<br />
∞<br />
x e −x dx ≈ yx(1 + yx)e −yx<br />
und genauer für <strong>die</strong> Verdampfungsrate pro Fläche<br />
F ˙ = 1<br />
4 nx¯ve<br />
Dabei ist der Faktor 1<br />
4 der <strong>Teil</strong> der <strong>die</strong> richtige Richtung und ¯ve der <strong>Teil</strong> der <strong>Teil</strong>chen, <strong>die</strong> entweichen können, weil ihre<br />
Geschwindikeit dazu ausreicht<br />
¯ve =<br />
�∞<br />
ve<br />
vfM (x, v)4πv 2 dv<br />
wobei fM (x, v) <strong>die</strong> normierte Verteilungsfunktion ist,<br />
�<br />
m<br />
�3/2 fM (x, v) = n<br />
e<br />
2πkT<br />
−βɛ mit β = 1<br />
kT<br />
Die untere Grenze ist durch <strong>die</strong> Entweichgeschwindigkeit<br />
v 2 e = 2GM<br />
rx<br />
und ɛ = 1<br />
2 mv2<br />
gegeben. In <strong>die</strong>sem Punkt unterscheiden sich <strong>Teil</strong>chen von Photonen, letztere haben immer Lichtgeschwindigkeit und<br />
können demnach stets entweichen.<br />
Zur Bestimmung des Integrals wählen wir y als dimensionslose Variable<br />
y = βɛ =<br />
m v2<br />
2kT<br />
ye = GmM<br />
rxkTx<br />
= rx<br />
H<br />
g<br />
s −1<br />
(7.41)<br />
(7.42)
362 KAPITEL 7. DIE ERDE.<br />
mit der unteren Grenze ye und erhalten<br />
˙N = πr 2 �<br />
8πkTx<br />
xnx¯ve = nxrxHf(yx)<br />
m<br />
Für w ≫ 1 kann das Integral durch f(ye) genähert werden. Ersetzen wir noch H durch <strong>die</strong> freie Weglänge, l, der Atome,<br />
so erhalten wir<br />
˙N = f(yx) rx<br />
�<br />
8πkTx<br />
(7.43)<br />
σ m<br />
ein erstaunliches Ergebnis, da <strong>die</strong> Verdampfungsrate gar nicht von der Gasdichte nx abhängt. Unser verbessertes Ergebnis<br />
für <strong>die</strong> Verdampfungsrate der H-Atome ist nur noch ein Bruchteil q der vorherigen Abschätzung. Mit<br />
yx = GmM<br />
rxkTx<br />
≈ 7 m<br />
mH<br />
ist q = H<br />
f(yx) = 1/100 (7.44)<br />
4rx<br />
Damit wird <strong>die</strong> Verdampfungszeit so lang wie das Alter der Erde und der Mechanismus ist nicht effektiv genug, um <strong>die</strong><br />
etwa 350 MA (in den Ozeanen der Erde) zu verdampfen, wie bei der Venus geschehen.<br />
Insbesondere versagt der Jeans Mechanismus bei dem 4-mal schwereren Helium, was auch heute noch verdampfen muß,<br />
da es ständig durch Radioaktivität neu erzeugt wird und ausgast.
7.1. PHYSIK DER ERDE 363<br />
7.1.5 Aufbau und Pulsation<br />
Legende: x = 100 · r<br />
R<br />
1. Kruste: ∆R ≈ 10 . . . 30 km; T ≈ 290 K<br />
2. Lithosphäre: ∆R ≈ 100 km<br />
3. oberer Mantel<br />
4. unterer Mantel<br />
5. äusserer Kern<br />
6. innerer Kern; T ≈ 6000 K<br />
Abb. 7.1: Aufbau der Erde<br />
✻<br />
x<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
00<br />
♠<br />
4<br />
♠<br />
5<br />
♠<br />
6<br />
2.7<br />
5.1<br />
5.7<br />
15.1<br />
16.<br />
ρ<br />
[g cm −3 ]<br />
Wir betrachten zunächst wieder <strong>die</strong> inkompressible Kugel. Die Kraft auf ein <strong>Teil</strong>chen der Einheitsmasse<br />
¨r = − dφ<br />
(7.45)<br />
dr<br />
ist harmonisch. Wie bei der Behandlung der polytropen Sterne bereits erwähnt, ist <strong>die</strong> Schwingung<br />
eines Testteilchens im Gravitationsfeld einer statischen Kugel (Reise zum Zentrum der Erde) durch<br />
folgende Gleichung für r(t) gegeben:<br />
¨r = − Gm(r)<br />
r2 = −G4πρ r<br />
3<br />
mit der Lösung (Start an der Oberfläche r = R zum Zeitpunkt t = 0):<br />
�<br />
(7.46)<br />
r(t) = R cos ωt ω =<br />
4πGρ<br />
3<br />
(7.47)<br />
Das ist eine harmonische Schwingung mit der Periode (einmal zur Antipode und zurück in T⊕ = 84<br />
min):<br />
Π = 2π<br />
ω =<br />
�<br />
3π<br />
Gρ<br />
(7.48)<br />
Eine Frei - Fall - Reise zum Zentrum der Erde dauert demnach T = Π<br />
4 = � 3π<br />
16 ˆ Π⊕, also etwa 21 min.<br />
Die Lösung hat eine interessante Eigenschaft. Es ist auch<br />
�<br />
R<br />
Π = 2π ; g =<br />
g<br />
GM<br />
r2 <strong>die</strong> Zeit, <strong>die</strong> ein Satellit benötigt, auf der kritischen Bahn, wo Bahnradius = Erdradius ist, r = R, um<br />
<strong>die</strong> Erde umzulaufen. Es ist in der Tat gR = v2 = ω2R2 . Die Erdbeschleunigung g beträgt 981 cm<br />
s−2 und <strong>die</strong> kritische Geschwindigkeit vc = 7.91 · 105 cm s−1 . In 400 km Höhe über dem Erdboden ist<br />
vc = 7.67 · 105 cm s−1 und für den Mond gilt vc = 1.02 · 105 cm s−1 .<br />
Zum Vergleich: <strong>die</strong> Schallgeschwindigkeit für reines Eisen ist (unter Normalbedingungen) cs = 7.1 ·<br />
105 cm s−1 √<br />
. Die Entweichgeschwindigkeit vesc = vc 2 für <strong>die</strong> Erde beträgt vesc = 11.2 km s−1 .<br />
Mithilfe von Erdbebenwellen erhält man folgendes Bild vom Innern der Erde: der innere Kern hat etwa<br />
eine Dichte von ρc = 10 g cm−3 und einen Radius von 1300 km, daran schließt sich flüssiges Eisen an<br />
(Radius 3500 km). Der Mantel hat eine Dichte zwischen 3 und 6 g cm−3 .<br />
Die Periode der Schwingungs - Grundmode ist 1960 erstmals direkt (nach einem Erdbeben in Chile)<br />
gemessen worden. Als Ergebnis ergab sich eine Doppellinie mit Π = 54.7 min und Π = 53.1 min<br />
(Coriolisaufspaltung durch <strong>die</strong> Rotation der Erde) mit einer Dämpfungskonstante von etwa 1 Monat.<br />
✻
364 KAPITEL 7. DIE ERDE.<br />
7.2 Astronomie der Erde.<br />
7.2.1 Der Mond<br />
Von den erdähnlichen Planeten hat nur <strong>die</strong> Erde einen Mond, Luna. Im Mond steckt der Drehimpuls.<br />
Die Erde hat<br />
J = CΩ = 5.9 · 10 40<br />
g cm 2 s −1<br />
im Mond steckt das 7fache.<br />
Merkur und Venus haben gar keinen Mond. Die beiden Trabanten von Mars, Phobos und Daimon, sind<br />
wahrscheinlich eingefangene Asteroiden. Dafür sprechen <strong>die</strong> Daten für Radius mit R ≈ 1.3 · 10 −3 R⊕,<br />
Dichte mit 1.9 g cm −3 und Masse M ≈ 1.7 · 10 −9 M⊕ (für den massereicheren Phobos, <strong>die</strong> anderen<br />
sind ähnlich).<br />
Umgekehrt stellen Jupiter, Saturn und Neptun kleine Sonnensysteme dar: <strong>die</strong> dominierenden Trabanten<br />
(d. h. ihre massivsten Begleiter sind in <strong>die</strong>ser Reihenfolge, jeweils mit R ≈ 0.4R⊕, Ganymed, Titan<br />
und Triton) erreichen zwar nicht <strong>die</strong> Masse der Erde (sondern ziemlich einheitlich 0.023M⊕), wohl<br />
aber ihren Radius. Die Dichte ist (mit 1.9 g cm −3 bei allen dreien) wesentlich geringer als <strong>die</strong> der Erde.<br />
• FORMELN<br />
Mit Mond bezeichnet man allgemein einen Trabanten (Begleiter).<br />
Die größten Monde hat Jupiter, <strong>die</strong> kleinsten wurden erst kürzlich um Asteroiden entdeckt.<br />
Die nebenstehende Tabelle fasst einige Daten des Erdmondes,<br />
Luna, zusammen.<br />
Was <strong>die</strong> chemische Zusammensetzung des Mondes betrifft,<br />
so ist <strong>die</strong>se mit der vom Mars vergleichbar und signifikant<br />
Vergleich Erde Mond<br />
Masse Durchmesser Schwere- Dichte<br />
von der der Erde verschieden.<br />
beschleunigung<br />
Überhäufig im Vergleich zur Erde sind (in <strong>die</strong>ser Reihen- 7.35 · 10<br />
folge) Schwefel, Titan, Magnesium, Mangan und Eisen.<br />
Der Mond hat keine Atmosphäre, seine Oberfläche hat <strong>die</strong><br />
25 g 3.48 · 108 cm 167 cm s−2 3.34<br />
0.012 0.274 0.17 0.61<br />
Zeichen früher Impakte (Krater) bewahrt.<br />
Tab. 7.3: Monddaten<br />
Die letzte Zeile gibt <strong>die</strong> Werte relativ zu denen der Erde: M⊕ = 81.3M. Die mittlere Entfernung zwischen Erde und Mond<br />
ist d⊕ = 60.2R⊕. Eine (zufällige) Besonderheit ist noch der gleiche Öffnungswinkel, unter dem Mond und Sonne gesehen<br />
werden (Sonnenfinsternis). Daraus folgt, wie wir zeigen werden, daß <strong>die</strong> relativen Beiträge zur Gezeitenkraft sich verhalten<br />
wie <strong>die</strong> Dichten der Körper. Zum merken: <strong>die</strong> Dichte des Mondes beträgt etwa das Doppelte der Sonne.<br />
Die Umlaufszeit des Mondes um <strong>die</strong> Erde heißt Monat. Die Erde dreht sich in 1.035 Tagen unter dem<br />
Mond und <strong>die</strong> lunare Gleichgewichtsflut bewegt sich (am Äquator)<br />
mit v = 40000/1.035 km pro Tage oder 1610 km s−1 . Dabei tre- Umlaufszeit des Mondes<br />
ten Resonanzen auf, <strong>die</strong> durch Reibung gedämpft werden. Die Um- synodischer Monat 29.53059 d<br />
laufszeit des Mondes wird damit säkular länger aufgrund der Ge- siderischer Monat 27.32166 d<br />
zeitenreibung. Je nach Referenzpunkt, relativ zu dem der Umlauf drakonitischer Monat 27.21222 d<br />
gerechnet wird, gibt es verschiedene Monate.<br />
Der siderischer Monat bezieht sich auf (den Durchgang durch) <strong>die</strong><br />
Tab. 7.4: Monat<br />
Fixsterne, der synodischer Monat auf <strong>die</strong> Sonne (Mondphasen: von Neumond zu Neumond). Erdbahn<br />
und Mondbahn sind zueinander um den Winkel i = 5◦9 ′ geneigt, <strong>die</strong> Schnittlinie heißt Knotenlinie.<br />
Ein Umlauf von Knotenpunkt zu Knotenpunkt heißt drakonitischer Monat.<br />
Die mittlere Entfernung zwischen Erde und Mond, d⊕, und <strong>die</strong> Bahnexzentrizität betragen<br />
d⊕ = 384400 km = 60.2R⊕ e = 0.0549<br />
und für das Verhältnis der Entfernungen gilt<br />
d⊕<br />
d⊙<br />
= 2.57 · 10 −3 � 1<br />
400
7.2. ASTRONOMIE DER ERDE. 365<br />
Für das Kräfteverhältnis erhält man daraus<br />
K⊙<br />
K⊕<br />
= M⊙<br />
M⊕<br />
� �2 d⊕<br />
d⊙<br />
� 2.2<br />
d. h. der Mond wird von der Sonne mehr als doppelt so stark angezogen wie von der Erde. Die Mondbahn<br />
ist damit überall konkav zur Sonne. Tatsächlich ist es besser, das System Erde Mond als frei<br />
fallenden Kreisel im Feld der Sonne zu betrachten. Durch <strong>die</strong> Bewegung des Schwerpunkts wird auch<br />
<strong>die</strong> Ekliptik genauer definiert.<br />
Die Masse des Mondes kann man aus Parallaxenbestimmungen an Planeten (besser am Asteroiden<br />
Eros) erhalten. Im Schwerpunktsystem<br />
M⊕�s⊕ + MM( � dE−M + �s⊕) = 0<br />
ändert sich <strong>die</strong> Position eines Beobachters auf der Oberfläche der Erde. Der Schwerpunkt s⊕ liegt etwa<br />
bei (3/4)R⊕, für <strong>die</strong> Masse gilt<br />
MMond = 7.35 · 10 25<br />
g = 1<br />
81.3 M⊕<br />
Man kann <strong>die</strong> Masse des Mondes auch aus der Amplitude der Gezeiten bestimmen:<br />
h<br />
R<br />
= ∆K<br />
K<br />
= 2<br />
� � �R⊕ �3<br />
MMond<br />
M⊕<br />
d<br />
= 2<br />
� � � �3 1 1<br />
= 10<br />
80 60<br />
−7<br />
also ein maximaler Tidenhub h = 70 cm in der Ebene Erde - Mond.<br />
Der relative Beitrag der Sonne ist von der Größenordnung<br />
� �<br />
∆K⊙ M⊙<br />
=<br />
∆KMond MMond<br />
� �3 d⊕<br />
=<br />
d⊙<br />
1<br />
2<br />
Da für <strong>die</strong> mittlere Entfernung zwischen Erde und Mond, d⊕, und <strong>die</strong> zwischen Erde und Sonne, d⊙<br />
R⊙<br />
d⊙<br />
= RMond<br />
d⊕<br />
gilt, kann <strong>die</strong>s auch wie folgt geschrieben werden:<br />
∆K⊙<br />
∆KMond<br />
= ρ⊙<br />
ρMond<br />
<strong>die</strong> Gezeitenkräfte verhalten sich (zufällig) wie <strong>die</strong> Dichten.<br />
Durch <strong>die</strong> Erddrehung und den Beitrag der Sonne sind <strong>die</strong> Verhältnisse aber wesentlich komplizierter.<br />
• BEISPIEL (GEZEITEN AMPLITUDEN)<br />
Die gemessenen Amplituden der Gezeiten betragen auf offener See etwa 100 cm und 20 cm für <strong>die</strong> feste Erde.<br />
In engen Buchten kann das Wasser dann auf 12m auflaufen! Die Periode der Grundschwingung der Ostsee beträgt 27.5<br />
Stunden.<br />
Die Deformation der festen Erde wurde erstmals von Maxwell mit Lichtstrahlen in der Londoner U-Bahn gemessen.<br />
Beim Bau des LEP (Large Elektron Positron Collider) wurde <strong>die</strong>ser Effekt nicht bedacht, sodaß bei ’Springflut’ in Genf<br />
der Strahl nicht mehr exakt fokussiert.<br />
• BEISPIEL (SCHWEREWELLEN)<br />
Wir betrachten das Problem einer freien Oberfläche einer Flüssigkeit, <strong>die</strong> sich im Scherefeld im Gleichgewicht befindet und<br />
<strong>die</strong> an dünneres Medium angrenzt. Konkretes Beispiel ist Wasseroberfläche auf einer ebenen Erde auf <strong>die</strong> der Luftdruck po<br />
wirkt. Wir wählen <strong>die</strong> z−Achse so, daß sie senkrecht auf Wasseroberfläche steht. Die Gravitationsbeschleunigung �g zeigt<br />
nach unten.<br />
Wird <strong>die</strong> Oberfläche der Flüssigkeit durch eine äußere Einwirkung aus der Gleichgewichtslage z = 0 herausgebracht, so<br />
entsteht eine Flüssigkeitsströmung. Diese Strömung breitet sich über <strong>die</strong> ganze Oberfläche aus in Form von Wellen, <strong>die</strong><br />
Schwerewellen genannt werden. Die neue Oberfläche ist bei z = ζ.<br />
Grundlage unserer Beschreibung <strong>die</strong>ser Schwerewellen sind <strong>die</strong> Gleichungen, <strong>die</strong> wir bereits bei der Untersuchung der<br />
Stabilität eines Sterns bereits diskutiert haben:
366 KAPITEL 7. DIE ERDE.<br />
1. <strong>die</strong> Eulersche Gleichung der Hydrodynamik und<br />
2. <strong>die</strong> Kontinuitätsgleichung für den Massenstrom.<br />
Sie lauten (mit �g = −∇V )<br />
ρ D�v<br />
dt<br />
∂ρ<br />
∂t<br />
= −∇P − ρ�g (7.49)<br />
= −div(ρ�v) (7.50)<br />
Wir nehmen <strong>die</strong> ungestörte Oberfläche der Erde (Koordinaten x und y) als eben an, z = 0. Das Gravitationspotential<br />
V (Lösung der Poisson Gleichung) ist dann einfach V = gz und �g = −∇V ist <strong>die</strong> Gravitationsbeschleunigung. Für<br />
inkompressible Materie und kleine Geschwindigkeit kann <strong>die</strong> linearisierte Eulersche Gleichung der Hydrodynamik wie<br />
folgt geschrieben werden<br />
∂�v<br />
∂t<br />
Daraus folgt<br />
= −∇<br />
� P<br />
ρ<br />
�<br />
+ �g (7.51)<br />
rot�v = 0 und aus der Wirbelfreiheit �v = ∇φ (7.52)<br />
für ein geeignetes Potential φ. Eine Strömung nennt man Potentialströmung.<br />
Die wichtige Vereinfachung, <strong>die</strong> inkompressible Materie mit sich bringt, ist, daß auch<br />
div�v = 0 und damit ∆φ = 0 (7.53)<br />
gilt. Einsetzen in <strong>die</strong> Eulersche Gleichung liefert<br />
p = −gρz − ρ ∂φ<br />
∂t<br />
An der Oberfläche muß der Druck stetig sein, der Luftdruck ändert sich nicht:<br />
po = −gρζ − ρ ∂φ<br />
∂t<br />
Die Gleichung für φ kann vereinfacht werden duch <strong>die</strong> Einführung des neuen Potentials φ ′ = φ + (po/φ)t. Die Grenzbedingung<br />
für φ lautet dann<br />
gρζ + ρ ∂φ<br />
∂t<br />
(7.54)<br />
(7.55)<br />
= 0 (7.56)<br />
und da φ das Potential zu v ist, vz = ∂φ<br />
∂z , gilt<br />
vz = ∂ζ<br />
∂t<br />
=<br />
� �<br />
∂φ<br />
∂z z=ζ<br />
Differenzieren der Grenzbedingung und Einsetzen liefert<br />
�<br />
∂φ 1 ∂<br />
+<br />
∂z g<br />
2φ ∂2 �<br />
t<br />
= 0 (7.58)<br />
z=ζ<br />
Tatsächlich reicht es, <strong>die</strong> Randbedingung für z = 0 zu erfüllen, da φ bereits eine kleine Größe ist. Wir erhalten damit<br />
endgültig<br />
� ∂φ<br />
∂z<br />
+ 1<br />
g<br />
∂ 2 φ<br />
∂ 2 t<br />
(7.57)<br />
∆φ = 0<br />
�<br />
(7.59)<br />
= 0 (7.60)<br />
z=0<br />
wobei <strong>die</strong> zweite Gleichung <strong>die</strong> Grenzbedingung an der Oberfläche der Flüssigkeit ist, <strong>die</strong> später <strong>die</strong> Dispersionsrelation<br />
liefert. Der folgende Ansatz<br />
φ = f(z) cos(kx − ωt) (7.61)
7.2. ASTRONOMIE DER ERDE. 367<br />
liefert Wellen, <strong>die</strong> sich in x−Richtung ausbreiten und <strong>die</strong><br />
∆φ = (f ′′ − k 2 ) cos(kx − ωt) = 0 (7.62)<br />
erfüllen. Aus der partiellen Differentialgleichung ist eine gewöhnliche geworden. Änderungen am festen Ort geschehen mit<br />
der Kreisfrequenz ω, <strong>die</strong> Periode ist T = 2π<br />
2π<br />
ω und <strong>die</strong> Wellenlänge ist λ = k .<br />
Die allgemeine Lösung lautet<br />
φ = (Ae kz + Be −kz ) cos(kx − ωt) = 0 (7.63)<br />
Auf dem Boden der Flüssigkeit muß <strong>die</strong> Normalkomponente der Geschwindigkeit<br />
vz = ∂ζ<br />
∂t<br />
= 0 für z = −h (7.64)<br />
Null sein (inkompressibler Boden) und an der Oberfläche der Flüssigkeit muß <strong>die</strong> Grenzbedingung erfüllt sein. Das liefert<br />
und<br />
φ = ACosh(kz) cos(kx − ωt) (7.65)<br />
ω 2 = gkTanh(kh) (7.66)<br />
Wir betrachten <strong>die</strong> beiden Grenzfälle<br />
1. Für kurze Schwerewellen λ ≪ h (oder kh ≫ 1) gilt Tanh(kh) → 1 und damit<br />
ω 2 = gk ; U = 1<br />
�<br />
g<br />
2 k<br />
(7.67)<br />
dabei ist U <strong>die</strong> Ausbreitungsgeschwindigkeit. Die Wellen sind dispersiv, <strong>die</strong> Ausbreitungsgeschwindigkeit hängt<br />
von der Wellenlänge ab (je läger desto schneller).<br />
2. Für lange Schwerewellen λ ≫ h gilt dagegen Tanh(kh) → kh und somit<br />
ω 2 = ghk 2<br />
; U = � gh (7.68)<br />
dabei ist k = 2π/λ <strong>die</strong> Wellenzahl, g <strong>die</strong> Erdbeschleunigung und h <strong>die</strong> <strong>die</strong> Meerestiefe. Die Wellen sind nicht<br />
dispersiv. Für h = 100 m ergibt sich v = 113 km/h (Auto), für h = 5 km gilt v = 800 km/h (Flugzeug).<br />
• BEISPIEL (DREHIMPULSERHALTUNG IM SYSTEM ERDE-MOND)<br />
Der Gesamtdrehimpuls im System Erde-Mond, also <strong>die</strong> Summe aus Bahndrehimpuls des Mondes und Eigendrehimpuls der<br />
Erde, ist konstant (nicht aber <strong>die</strong> Energie) und es gilt<br />
was mit<br />
J⊕<br />
˙ + ˙ JMond = I⊕ ˙ Ω⊕ + (MD 2 Ω)˙ = 0<br />
∆D = 2 ˙<br />
∆t<br />
J⊕<br />
P⊕<br />
P⊕ JMond<br />
D<br />
ein Entfernen des Mondes um ∆D = 4 cm pro Jahr ergibt, wenn man Kepler III beachtet.<br />
Für den Drehimpuls gilt JMond ≈ 6J⊕. Da <strong>die</strong> Gezeitenreibung <strong>die</strong> Erdperiode P⊕ mit<br />
˙<br />
P⊕ = 10 −12<br />
s s −1 (7.69)<br />
bremst, kann man <strong>die</strong> Endperiode Pf , wenn nämlich Erdtag und Mondtag gleich lang sind, leicht bestimmen:<br />
Pf<br />
P ≈<br />
�<br />
1 + 1<br />
�3/2 ≈ 1.5 Monate<br />
6<br />
oder 47 heutige Tage. Der Abstand ist dann von d⊕ = 3.84 auf d⊕ = 4.49 in Einheiten von 10 10 cm gewachsen und das<br />
ganze dauert ∆T = 4.6 Gyr.
368 KAPITEL 7. DIE ERDE.<br />
Nimmt man zum System Erde-Mond noch <strong>die</strong> Sonne als Störung mit hinzu, dann kann man aus den<br />
Bahnstörungen (1%) bzw. Nipp u. Springfluten (1:3) eine Verbesserung der Entfernungsbestimmung<br />
Erde - Sonne erhalten.<br />
Aus der geodätischen Deviation (Gezeitenkraft) im Abstand l vom Schwerpunkt<br />
∆K = 2 GM<br />
l<br />
r3 erhalten wir <strong>die</strong> relativen Bahnstörungen des Mondes zu<br />
∆d⊕<br />
d⊕<br />
= ∆K⊙<br />
K⊕<br />
= 2 M⊙<br />
M⊕<br />
� �3 d⊕<br />
d⊙<br />
und für den Schwerpunkt der Erde<br />
∆s⊕<br />
s⊕<br />
= 2 M⊙<br />
M⊕<br />
� �3 R⊕<br />
d⊙<br />
= 2.5 · 10 −8<br />
= 5 · 10 −3<br />
Obwohl man <strong>die</strong> Entfernung Erde - Mond auf cm genau vermessen hat, geht <strong>die</strong> letzte Störung vollständig<br />
im Gezeiten - Rauschen unter.
7.2. ASTRONOMIE DER ERDE. 369<br />
7.2.2 Rotation der Erde<br />
Durch <strong>die</strong> Entdeckung der Pulsare im Jahr 1967 ist das Studium der Rotation von massiven, gravisch<br />
gebundenen Objekten wieder aktuell geworden. Einige Konzepte, <strong>die</strong> speziell für <strong>die</strong> Erde entwickelt<br />
wurden, spielen in der Pulsartheorie heute eine grosse Rolle. Sie können aber auch auf <strong>die</strong> Physik der<br />
Planetenmonde Anwendung finden. Im folgenden sollen deshalb zunächst einige Besonderheiten der<br />
Rotation der Erde erläutert werden.<br />
Zeitstandards<br />
Physikalisch gesprochen ist <strong>die</strong> Erde ein schneller Kreisel im Feld der Sonne und des Mondes, das<br />
System Erde - Mond ist ein schwerer Kreisel im Feld der Sonne. Eigendrehimpuls (Spin) und Bahndrehimpuls<br />
sind gegeneinander geneigt. Noch vor 50 Jahren war <strong>die</strong> Rotation der Erde (1 Tag) verbindlicher<br />
Zeitstandard und man glaubte, daß ihre Rotation vollkommen regulär war. Zwei weitere<br />
natürliche Zeitskalen werden durch <strong>die</strong> Bewegung der Erde im Sonnensystem vorgegeben: das Jahr<br />
und der Monat.<br />
• ANMERKUNG (STUNDE UND WOCHE)<br />
Zwei weitere Zeitskalen des allgemeinen Gebrauchs haben ihren Ursprung in Religion und Mythology: <strong>die</strong> Stunde und <strong>die</strong><br />
Woche. Die sieben Tage der Woche werden abgeleitet von Objekten im Sonnensystem, <strong>die</strong> mit nacktem Auge sichtbar sind:<br />
1. Sonne, (Sonntag), Dimanche<br />
2. Mond, (Montag), Lundi<br />
3. Mars oder in der germanischen Mythologie Tyr, Dienstag (Tuesday), Mardi<br />
4. Mercur oder Wotan, (Wednesday), Mercredi<br />
5. Jupiter oder Thor, (Donnerstag), Jeudi<br />
6. Venus oder Freya, (Freitag), Vendredi<br />
7. Saturn (Samstag), Samedi<br />
Die Reihenfolge stammt aus der Astrologie. Die Unterteilung des Tages in 24 Stunden geht scheinbar auf <strong>die</strong> Babylonier<br />
zurück, wohingegen <strong>die</strong> Chinesen den Tag in 12 Einheiten einteilten.<br />
Ein Tag hat 86 400 Sekunden, <strong>die</strong> Länge des tropischen Jahres 1950 betrug 31 556 925.975 Sekunden<br />
und nimmt aufgrund der Gezeitenreibung zwischen Erde und Mond um etwa 2 ms pro Jahrhundert zu.<br />
Die Erde dreht sich im Jahr 366.2422 mal um ihre Achse (bezogen auf <strong>die</strong> Fixsterne) und läuft dabei<br />
einmal (prograd) um <strong>die</strong> Sonne um, d. h. sie dreht sich 365.2422 mal um <strong>die</strong> Sonne (1 Jahr). Die<br />
gesetzliche Definition für ein Jahr ist 1 yr = 365.24250 d.<br />
Die (inertiale) Drehfrequenz beträgt<br />
Ω = 2π<br />
86.400<br />
s −1 = 7.3 · 10 −5 Hz<br />
Am Äquator (Index e) beträgt <strong>die</strong> Zentrifugalbeschleunigung,<br />
�Z = � Ω × �v d.h. Z = Ω 2 Re mit Zo = 3.39 cm s −2<br />
an den Polen (Index p), wo für <strong>die</strong> Gravitationsbeschleunigung<br />
go = 983 cm s −2<br />
gilt, verschwindet sie. Es ist somit das Verhältnis<br />
Zo<br />
go<br />
= 1<br />
298
370 KAPITEL 7. DIE ERDE.<br />
Der mittlere Radius ist definiert zu<br />
R = (ReRp) 1/2 = 6.371 km<br />
Für <strong>die</strong> Vertikalkomponente der Gesamtbeschleunigung ergibt sich so :<br />
g = go<br />
�<br />
1 −<br />
� �<br />
Zo<br />
go<br />
cos 2 φ<br />
wobei φ der Winkel zwischen � Z und �r ist.<br />
�<br />
• ANMERKUNG (NEWTONS BESTIMMUNG DER FORM DER ERDE)<br />
Um <strong>die</strong> Form der Erde zu bestimmen, machte Newton (1687) folgendes Gedankenexperiment: man bohrt an Äquator und<br />
Pol je ein Loch bis zum Erdmittelpunkt (als kommunizierende Röhren). Dann füllt man Wasser auf. Die Länge der beiden<br />
Wasserarme geben dann <strong>die</strong> Form der Erde, d. h. <strong>die</strong>se ist durch das Verhältnis der Kräfte an Pol und Äquator bestimmt. So<br />
konnte er für <strong>die</strong> Abplattung<br />
bestimmen.<br />
f = (Re − Rp)<br />
Re<br />
= 5Ω2R3 =<br />
4GM⊕<br />
1<br />
297<br />
Die Erde ist nicht inkompressibel, gemessen werden<br />
f⊕ = 1<br />
298.25<br />
(7.70)<br />
(7.71)<br />
Für Trägheitsmoment I und Drehimpuls J der Erde gelten folgende Werte, <strong>die</strong> aus einem numerischen<br />
Modell für <strong>die</strong> Erde abgeleitet sind:<br />
I⊕ = 8 · 10 44<br />
g cm2 � 2 2<br />
M⊕R<br />
5<br />
J⊕ = 6 · 10 40<br />
g cm 2 s −1<br />
Für <strong>die</strong> Bestimmung des Trägheitsmoments I ist <strong>die</strong> Erde also in guter Näherung inkompressibel.<br />
Rotationsdeformation<br />
Wir betrachten <strong>die</strong> Rotation eines selbst-gravitatierenden, flüssigen Körpers und zwar zunächst starre<br />
Rotation. Wir bezeichnen mit �r den Ortsvektor im Schwerpunktsystem, dann ist<br />
�u := d�r<br />
dt = � Ω × �r um <strong>die</strong> z-Achse (7.72)<br />
<strong>die</strong> Rotationsgeschwindigkeit. Der Relativabstand zweier Punkte ist<br />
|�r1 − �r2| =<br />
�<br />
(x1 − x2) 2 + (y1 − y2) 2 + (z1 − z2) 2 (7.73)<br />
Wir zeigen nun, daß auch <strong>die</strong> Rotation ein Extremalprinzip erfüllt:<br />
von allen starr rotierenden Körpern mit vorgegebenem Drehimpuls, L, liefert hydrostatisches<br />
Gleichgewicht <strong>die</strong>jenige Konfiguration mit der kleinsten Gesamtenergie, Etot.<br />
δEtot = 0 ; L = L0 (7.74)
7.2. ASTRONOMIE DER ERDE. 371<br />
Dabei ist Etot <strong>die</strong> Summe aus drei Anteilen<br />
mit<br />
Etot = Erot + Egrav + Eint<br />
Erot := L2<br />
2I<br />
1<br />
=<br />
2 IΩ2 = 1<br />
2 IabΩaΩb = 1<br />
�<br />
2<br />
Wir definieren für <strong>die</strong> starre Rotation das Potential Zrot:<br />
Zrot = − 1<br />
2 � ∇(Ω × r) 2<br />
d 3 rρ(r)(Ω × x) 2<br />
(7.75)<br />
(7.76)<br />
und den Trägheitstensor I:<br />
�<br />
Iab = (r 2 δab − xaxb)ρd 3 r (7.77)<br />
Die Gravitationsenergie und <strong>die</strong> interne Energie sind gegeben durch<br />
Egrav = − 1<br />
� �<br />
2<br />
d 3 xd 3 y ρ(�x)ρ(�y)<br />
|�x − �y|<br />
�<br />
; Eint := d 3 rɛ(r) (7.78)<br />
• ZUSATZ (VARIATION DER GESAMTENERGIE)<br />
Wir betrachten nun <strong>die</strong> Variation der Gesamtenergie mit L = L0 = const. und fordern, daß <strong>die</strong>se stationär ist:<br />
δEtot = 0 ; L = L0 (7.79)<br />
Massenerhaltung liefert<br />
δρ = − div(ρδ�r) (7.80)<br />
Wir betrachten explizit nur den Rotationsterm (<strong>die</strong> beiden anderen liefern in bekannter Weise hydrostatisches Gleichgewicht<br />
ohne Rotation)<br />
δErot = − L2<br />
2I<br />
� �<br />
δI<br />
= −<br />
I<br />
1<br />
2 Ω2<br />
�<br />
δρ(r 2 − z 2 )d 3 r<br />
unter Benutzung von Massenerhaltung liefert das für δErot<br />
1<br />
2 Ω2<br />
�<br />
d 3 rdiv(ρδr)(r 2 − z 2 ) = − 1<br />
2 Ω2<br />
�<br />
Daraus folgt, daß<br />
�∇φ = − 1<br />
ρ � ∇P − � ∇Zrot<br />
Die starre Rotation besitzt also ein Potential Zrot:<br />
Zrot = − 1<br />
2 � ∇(Ω × r) 2<br />
d 3 rρδr∇(r 2 − z 2 ) = −<br />
�<br />
d 3 r(ρδr)∇Zrot<br />
Der zweite Term kann ebenfalls als totale Ableitung geschrieben werden und zwar mithilfe der freien Enthalpie h und <strong>die</strong><br />
Bedingung für das hydrostatische Gleichgewicht lautet:<br />
(7.81)<br />
(7.82)<br />
�∇(φ + h + Zrot) = 0 (7.83)<br />
oder integriert, mit der Integrationskonstanten C<br />
φ + h + Zrot = C (7.84)
372 KAPITEL 7. DIE ERDE.<br />
Falls ein externes Drehmoment, � T , an einem starr rotierenden Körper angreift, so daß � Ω = � Ω(t) wird,<br />
liefert Drehimpulserhaltung <strong>die</strong> Bewegungsgleichung:<br />
d<br />
dt � J = d<br />
dt IΩ = � T (7.85)<br />
Skalare Multiplikation <strong>die</strong>ser Gleichung mit � Ω liefert den Energiesatz für <strong>die</strong> Rate der dem Systen<br />
hinzugefügten Energie, ˙ E+:<br />
˙E+ := � Ω � T = � Ω d� L<br />
dt<br />
= 1<br />
2<br />
d<br />
dt<br />
� �<br />
2 L<br />
I<br />
− 1 d<br />
L2<br />
2 dt<br />
1<br />
I = ˙ Etot<br />
wobei für <strong>die</strong> letzte Umformung das Varionationsprinzip benutzt wurde:<br />
1 d<br />
L2<br />
2 dt<br />
1<br />
I<br />
+ d<br />
dt (Egrav + Eint) = 0<br />
(7.86)<br />
Bei starrer Rotation wird <strong>die</strong> gesamte Energierate, ˙ Etot, verlustlos gespeichert, Wärme wird nicht dissipiert<br />
(wichtig beim Abbremsen von Pulsare).<br />
Die inkompressible Flüssigkeit<br />
Die Bedeutung der inkompressiblen Flüssigkeit liegt darin, daß ihre Gleichgewichtsbedingung analytisch<br />
exakt bestimmt werden kann. Die inkompressible Flüssigkeit ist der Grenzfall einer Polytropen<br />
ɛ ∝ n γ<br />
2 d<br />
; P = n<br />
dn<br />
ɛ<br />
n<br />
= (γ − 1)ɛ (7.87)<br />
wobei der adiabatische Index, γ, nach Unendlich geht und <strong>die</strong> innere Energiedichte ɛ nach Null, so<br />
daß P ∝ γɛ endlich bleibt (und ungleich Null, P > 0). Die Gesamtenergiedichte ist relativistisch<br />
ɛtot = ρc 2 + ɛ.<br />
Die Gleichgewichtsbedingung einer inkompressiblen Flüssigkeit (bei der h = p/ρ ist) lautet<br />
∇(Φ + p<br />
ρ + Zrot) = 0 (7.88)<br />
und führt auf<br />
p = ρ(C − Φ − Zrot) (7.89)<br />
Die Gleichgewichtskonfiguration kann exakt (Maclaurin 1742 und Jacobi 1834) bestimmt werden.<br />
• ANMERKUNG (POTENTIALTHEORIE)<br />
Die Aufgabe, <strong>die</strong> Gleichgewichtskonfiguration einer idealen Flüssigkeit unter Einfluß der Gravitation zu bestimmen, gehört<br />
in das Gebiet der Potentialtheorie. Man kann streng zeigen, daß ohne Rotation <strong>die</strong> Gestalt eine Kugel ist.<br />
Newton bestimmte 1687 bereits <strong>die</strong> Abplattung der Erde aufgrund ihrer Rotation. Exakte Ergebnisse mit Rotation gibt es<br />
nur noch für <strong>die</strong> inkompressible, ideale Flüssigkeit.<br />
Maclaurin (1742) fand <strong>die</strong> nach ihm benannten 2-achsigen Rotations-Ellipsoide mit grosser Hauptachse a = b und und<br />
kleiner Hauptachse c = a √ 1 − e 2 .<br />
Jacobi (1834) fand eine weitere Sequenz, und zwar 3-achsige Ellipsoide a > b > c bei hohem Drehimpuls (aber geringerer<br />
Energie). Diese sind von besonderem astrophysikalischem Interesse, da ihr Quadrupolmoment zeitlich veränderlich ist und<br />
sie somit Gravitationswellen abstrahlen.<br />
Poincaré fand (1855) eine weitere Sequenz zur Jacobi Sequenz.<br />
Nicht gefunden hat man bisher exakte toroidale Lösungen, <strong>die</strong> bei sehr hohem Drehimpuls existieren sollten.<br />
Es ist nützlich, dimensionslose Masse für <strong>die</strong> Verformung, <strong>die</strong> Rotations Frequenz Ω und den Drehimpuls<br />
J einer Masse M mit Radius R zu bestimmen.
7.2. ASTRONOMIE DER ERDE. 373<br />
1. geometrisch: <strong>die</strong> Exzentrizität e oder <strong>die</strong> relative Abplattung f<br />
f =<br />
c − a<br />
c<br />
; e 2 = 2f − f 2<br />
(7.90)<br />
2. dynamisch: das Verhältnis von Rotationsenergie Erot zum Betrag der Gravitationsergie, W =<br />
|Egrav|<br />
t = Erot<br />
W oder m = Ω2R3 GM<br />
Für inkompressible Materie ist m unabhängig vom Radius R<br />
m = 3Ω2<br />
4πGρ<br />
3. kritische Drehfrequenz Ωc und Drehimpuls Jc<br />
Jc = MR 2 Ωc = (GM 3 R) 1/2<br />
Für ein 2-achsiges Ellipsoid ist<br />
a = b > c mit e 2 = 1 − c2<br />
a 2<br />
und Ωc = (GM/R 3 ) 1/2<br />
(7.91)<br />
(7.92)<br />
(7.93)<br />
(7.94)<br />
Mit R bezeichnen wir den Radius der (nichtrotierenden) Kugel und mit M <strong>die</strong> (konstante) Masse. Die<br />
Dichte ist ρ = M/V und das Volumen der Kugel ist V = (4π/3)R 3 . Das liefert folgende Relationen:<br />
a = R(1 − e 2 ) −1/6<br />
; c = R(1 − e 2 ) 1/3<br />
Für <strong>die</strong> Masse gilt allgemein (also für ein 3-achsiges Ellipsoid)<br />
(7.95)<br />
M = 4π<br />
3 ρR3 = 4π<br />
ρabc (7.96)<br />
3<br />
Die weiteren Ergebnisse folgen aus der exakten Lösung, welche wir nun betrachten wollen. Für konstante<br />
Dichte ρ muß das Gravitationspotential Φ eine quadratische Funktion der kartesischen Koordinaten<br />
x, y, z sein:<br />
∆Φ = 4πGρ ; Φ = −2πGρ (A0a 2 − A1x 2 − A2y 2 − A3z 2 )<br />
mit A1 + A2 + A3 = 2.<br />
Da Zrot = −Ω 2 (x 2 + y 2 ), muß auch p eine quadratische Funktion der kartesischen Koordinaten x, y, z<br />
sein:<br />
p = pc<br />
�<br />
1 − x2 + y 2<br />
a 2<br />
z2<br />
−<br />
c2 �<br />
(7.97)<br />
Die Konstanten pc und Ai für i = 0 . . . 3 sind aus den Randbedingungen zu bestimmen. Der Rand<br />
R = R(Θ) liegt bei<br />
sin 2 Θ<br />
a 2<br />
+ cos2 Θ<br />
c 2<br />
1<br />
=<br />
R2 (7.98)
374 KAPITEL 7. DIE ERDE.<br />
Die Entwicklung des Gravitationspotentials Φ nach Multipolmomenten liefert exakt nur Monopol und<br />
Quadrupolanteile:<br />
Φ(r) = − GM<br />
r<br />
− GQ<br />
r 3 P2(cos Θ) (7.99)<br />
und <strong>die</strong> Stetigkeit des Gravitationspotentials Φ am Rand liefert <strong>die</strong> Konstanten Ai, was wir hier nicht<br />
zeigen wollen: (Maclaurin, 1742 und Jacobi, 1834)<br />
h(e) = (1 − e2 ) 1/2 arcsin e<br />
e3 (7.100)<br />
A1 =<br />
1 − e2<br />
A2 = h(e) −<br />
e2 A3 =<br />
(7.101)<br />
2<br />
− 2h(e)<br />
e2 (7.102)<br />
A = 2e 2 h(e) (7.103)<br />
Die hydrostatische Gleichgewichtsbedingung verlangt<br />
Ω 2 = 2πGρf(e) wobei<br />
�<br />
c<br />
f(e) = A1 − A3<br />
2<br />
a2 �<br />
oder explizit<br />
und<br />
f(e) =<br />
pc = πGρ 2 c 2 A3<br />
3 − 2e2<br />
e3 (1 − e 2 ) 1/2 arcsin e − 3(1 − e2 )<br />
e2 Die weiteren Relationen folgen daraus:<br />
und<br />
mit<br />
I = 2<br />
5 MR2 (1 − e 2 ) −1/3<br />
Egrav = − 3<br />
2<br />
g(e)GM<br />
5 R<br />
g(e) := (1 − e 2 1/6 arcsin e<br />
)<br />
e<br />
(7.104)<br />
∝ 4<br />
15 e2 + . . . (7.105)<br />
; J = IΩ Drehimpuls (7.106)<br />
(7.107)<br />
∝ 1 − 1<br />
45 e4 + . . . (7.108)<br />
Zum Vergleich geben wir noch <strong>die</strong> folgenden Näherungen erster Ordnung in e 2 :<br />
δIzz<br />
I0<br />
∝ 1<br />
3 e2<br />
; e 2 = 2f = 15Ω2<br />
8πGρ<br />
Daraus folgt für das Quadrupolmoment Q<br />
Q = 1<br />
2 Qzz = − 3<br />
2 δIzz = − 15Ω2<br />
16πGρ I0<br />
und für das Potential<br />
Φ(r) = − GM<br />
r<br />
= 5<br />
2 m<br />
GQ<br />
−<br />
r3 P2(cos Θ) = − GM<br />
�<br />
1 + J2<br />
r<br />
� �3<br />
�<br />
R<br />
P2(cos Θ)<br />
r<br />
(7.109)<br />
(7.110)
7.2. ASTRONOMIE DER ERDE. 375<br />
mit<br />
J2 = 3Ω2<br />
8πGρ<br />
1<br />
= m (7.111)<br />
2<br />
Für <strong>die</strong> Erde ist der von Satelliten gemessene Wert J2 = 1.08270 · 10 −3 . Newtons Ergebnis (1687)<br />
erhalten wir als niedrigste Näherung 2f = 5J2:<br />
f = (Re − Rp)<br />
Re<br />
= 1<br />
2 e2 = 15Ω2<br />
16πGρ = 5Ω2R3 4GM<br />
Die kompressible Flüssigkeit (Polytrope)<br />
Lösbar ist noch <strong>die</strong> Polytrope zum Index 2 in linearer Näherung:<br />
P = Kρ 2<br />
(7.112)<br />
da sie eine analytische Lösung des ungestörten Körpers besitzt. Es sei R der Radius, dann gilt mit den<br />
folgenden Definitionen<br />
sin x<br />
ρ = ρc<br />
x<br />
mit x := π r<br />
R<br />
für Masse M, Trägheitsmoment I und Gesamt Energie Etot<br />
mit<br />
M = 4π<br />
3 ρc<br />
�<br />
sin x<br />
x r2dr = 4<br />
I =<br />
3<br />
ρcR<br />
3π<br />
(7.113)<br />
8π<br />
3 ρc<br />
�<br />
sin x<br />
x r4dr = f ∗ R 2 M (7.114)<br />
Etot = Egrav + Eint = 1 GM<br />
2<br />
2<br />
R<br />
(7.115)<br />
f ∗ = 2(π2 − 6)<br />
π 4<br />
t := Erot<br />
Etot<br />
≈ 1<br />
10<br />
= f ∗ Ω2 R 3<br />
GM<br />
(7.116)<br />
(7.117)<br />
Vergleichen wir <strong>die</strong>s Ergebnis mit der inkompressiblen Materie, wo der Faktor 1/3 ist, so sehen wir,<br />
da 1/3 ≫ f ∗ , daß ein kompressibler Körper stärker deformiert wird bei gleicher Rotation als ein<br />
inkompressibler. Ein solcher Körper fliegt auch früher auseinander.<br />
Die allgemeine Polytrope muß numerisch behandelt werden.<br />
Die Eulerschen Winkel liefern den Übergang vom Inertialsystem mit Achsen �ex, �ey, �ez zum mitrotierenden<br />
Bezugsystem mit Achsen �e1, �e2, �e3.<br />
�ex �ey �ez<br />
�e1 cos ψ cos φ − sin ψ sin φ cos Θ cos ψ sin φ + sin ψ cos φ cos Θ sin ψ sin Θ<br />
�e2 − sin ψ cos φ − cos ψ sin φ cos Θ − sin ψ sin φ + cos ψ cos φ cos Θ cos ψ sin Θ<br />
�e3 sin φ sin Θ − cos φ sin Θ cos Θ<br />
Beispiel: für den Übergang vom Inertial- zum mitrotierenden Bezugsystem gilt also:<br />
�e3 = sin φ sin Θ�ex − cos φ sin Θ�ey + cos Θ�ez<br />
(7.118)
376 KAPITEL 7. DIE ERDE.
Kapitel 8<br />
Die Sonne als Stern<br />
8.1 Überblick<br />
Die Sonne ist naturgemäß, da sie uns am nächsten ist, der am besten untersuchte Stern unserer Galaxis<br />
und zum Glück auch typisch für <strong>die</strong> anderen 10 11 Sterne.<br />
• ANMERKUNG (DAS INNERE DER SONNE)<br />
Wie wir sehen werden, hat man heute eine ziemlich detaillierte Vorstellung von den Prozessen, <strong>die</strong> im Innern der Sonne<br />
und anderer Sterne ablaufen. Alerdings ist das, was wir direkt davon zu sehen bekommen und womit wir unsere Kenntnisse<br />
überprüfen können, nur ein winziger <strong>Teil</strong> des Sterns, es kommt nur aus einer Schicht der Dicke von etwa 180 km (optische<br />
Tiefe der Photosphäre). Der Rand der Sonne ist deshalb scharf. Erst bei einer totalen Sonnenfinsternis sieht man <strong>die</strong> Chromosphäre,<br />
<strong>die</strong> wesentlich ausgedehnter ist (11000 km) und in der Emissionslinien (anstatt Absorptionslinien) auftreten.<br />
Direkt ins Innere der Sonne zu sehen ist nur mithilfe von Neutrinos möglich. Hier gibt es zur Zeit noch eine Diskrepanz<br />
zwischen Vorhersage und Beobachtung. Nur etwa <strong>die</strong> Hälfte der Neutrinos, <strong>die</strong> von der Theorie berechnet werden, sind<br />
bisher auch nachgewiesen.<br />
Daneben liefern <strong>die</strong> Oszillationen der Sonne (Periode etwa 5 Minuten) wichtige Randbedingungen über <strong>die</strong> Physik im<br />
Innern.<br />
• ANMERKUNG (DIE KORONA DER SONNE)<br />
Die Korona der Sonne wird sichtbar bei einer Sonnenfinsternis (der Mond hat in der günstigsten Stellung zufällig <strong>die</strong> gleiche<br />
Winkelaudehnung wie <strong>die</strong> Sonne). Die Leuchtkraft der Korona ist gleich der des Mondes, LKorona : L⊙ = 1 : 500 000.<br />
Die Temperatur erreicht 10 6 K, man findet Spektrallinien von Fe XIV (<strong>die</strong> stärkste bei 5303 ˚Angstrøm ist grün).<br />
Die Physik der Korona wird vom Magnetfeld der Sonne bestimmt, es gibt ein Analogon zum van Allen Gürtel der Erde.<br />
Die Sonne ist zu hell als das sie direkt beobachtet werden könnte. Galilei bildete deshalb <strong>die</strong> Sonne<br />
mit seinem selbstgebauten Teleskop auf einem reflektierende Untergrund ab. Er entdeckte so <strong>die</strong><br />
Sonnenflecken und mit ihnen <strong>die</strong> Rotation der Sonne.<br />
Prot = 25.3 Tage entsprechend Ω = 2.86 µ Hz (8.1)<br />
siderisch. Die siderische Rotationsfrequenz von Ω = 2.86 µ Hz liefert eine terrestrische Rotationsperiode<br />
der Sonne von 27 Tagen.<br />
Angelo Secci (1818 -1898) war Priester und Astronom des Vatikan. Er beginnt eine Klassifizierung der<br />
Spektren nach Absorptionslinien und findet drei Typen von Sternen: weiße, gelbe (Sonne) und rote. Er<br />
machte damit den ersten Versuch, <strong>die</strong> Sonne und Sterne vermittels Spektrum und Farbe zu identifizieren<br />
und stellte fest, daß <strong>die</strong> Sonne nur ein Stern unter vielen ist. Er begründet (1860) <strong>die</strong> Spektroskopie der<br />
Sterne, <strong>die</strong> später von Pickering (1846 - 1919) auf der Grundlage der Photometrie als Grundlage der<br />
Sternklassifikation (Harvard Klassifikation) vollendet wurde. Die Interpretation wurde Miss Antonia<br />
Mauri und von Miss Cannon (1863 - 1941) weitergeführt und revi<strong>die</strong>rt.<br />
Hale erfindet 1890 den Spektroheliographen, der es erlaubt, <strong>die</strong> Sonne im Licht einer einzelnen Spektrallinie<br />
zu betrachten. Er baut sein eigenes Teleskop und entdeckt 1908 das Magetfeld der Sonnenflecken:<br />
<strong>die</strong> Linien werden (durch den Zeeman Effekt) verbreitert oder sogar aufgespalten. Die<br />
stärksten Felder erreichen ein Tesla (10 4 Gauß).<br />
377
378 KAPITEL 8. DIE SONNE ALS STERN<br />
Das Dipolmagetfeld der Sonne wurde von H. Babcock entdeckt:<br />
B⊙ = 5 Gauß (8.2)<br />
es ist zehnmal stärker als das Erdfeld und wechselt <strong>die</strong> Polarität mit dem Zyklus der Sonnenflecken (11<br />
Jahre).<br />
Die Solarpause (Übergang von Sonnenwind und Magnetfeld in <strong>die</strong> intergalaktischen Werte) liegt bei 4<br />
Pluto Entfernungen<br />
RSolarpause = 4DPluto = 155 AE<br />
und wurde von Sonden nachgewiesen anhand eines Schocks, der Radiostrahlung emittiert.<br />
8.1.1 Daten der Sonne<br />
Die folgenden Größen können direkt bestimmt werden<br />
1. <strong>die</strong> Entfernung D<br />
D = 1 AE = 1.49 597 892 · 10 13<br />
cm<br />
2. der scheinbare Durchmesser von d = 32 ′ und<br />
3. <strong>die</strong> auf der Erde bestimmte Solarkonstante<br />
f⊙ = 1.36 · 10 6<br />
erg s −1 cm −2 = 1.99 cal cm −2 min −1 = 236 W m −2<br />
Damit können folgende Größen der Sonne direkt berechnet werden:<br />
1. Masse, M⊙ = 1.989 · 10 33 g<br />
Bestimmt aus Kepler III. Für den Schwarzschildradius folgt RS⊙ = 2.95 · 10 5 cm.<br />
2. <strong>Teil</strong>chenzahl, N⊙ ≈ M⊙<br />
mp<br />
≈ 1057<br />
Da <strong>die</strong> Sonne hauptsächlich aus Protonen (d. h. ionisierter Wasserstoff, H II) besteht. Genauer<br />
ist mp durch das mittlere Molekulargewicht ˜µmu zu ersetzen.<br />
3. Oberflächentemperatur, Tbb = 5800 ◦ K<br />
Folgt aus dem Wienschen Verschiebungsgesetz für einen schwarzen Körper, mit den Werten<br />
λmaxT = 0.29 K cm und mit λmax = 5 · 10 −5 cm für <strong>die</strong> Sonne.<br />
4. Radius, R⊙ = 6.960 · 10 10 cm<br />
Bestimmt aus dem scheinbaren Durchmesser d = 32 ′ und bekannter Entfernung AE. Der sterische<br />
Winkel beträgt Ω = π(R/D) 2 = 7 · 10 −5 Sterad.<br />
5. Leuchtkraft, L⊙ = 4πD 2 f⊙ = 3.85 · 10 33 erg s −1 .<br />
Folgt aus der Solarkonstanten f⊙ = 1.36 · 10 6 erg cm −2 s −1 und wurde erstmals von ˚Angstrøm<br />
1893 gemessen.
8.1. ÜBERBLICK 379<br />
8.1.2 Definition der Sonnentemperatur<br />
Ein schwarzer Körper vom Radius R mit der Temperatur T strahlt nach der Planck Formel folgende<br />
Leistung L<br />
L = 4πR 2 σT 4<br />
ab. Die Astronomen benutzen anstatt Leistung <strong>die</strong> Bezeichnung Leuchtkraft. Wir definieren damit, für<br />
R = R⊙ und für L = L⊙, eine effektive Temperatur, Teff, wie folgt<br />
Teff =<br />
�<br />
L<br />
4πσR2 �1/4<br />
d. h. <strong>die</strong>jenige Temperatur, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Sonne haben müßte, um als schwarzer Körper <strong>die</strong> aus der Solarkonstanten<br />
direkt bestimmte bolometrische Leuchtkraft L⊙ zu ergeben. Sie beträgt etwa 5770 ◦ K.<br />
Das Maximum der Sonnenstrahlung bzgl. der Wellenlänge λ liegt bei<br />
λmax = 5000 ˚A = 500 nm = 0.5µ = 5 · 10 −5<br />
(grün), sodaß <strong>die</strong> aus dem Wienschen Gesetz für Schwarzkörperstrahlung<br />
λmaxTbb = 0.29 cm K<br />
bestimmte Temperatur, Tbb,<br />
Tbb = 5800 K<br />
ergibt. Die dazu gehörende mittlere Energie ist (für Schwarzkörperstrahlung) ɛ = hc/kT λ = 4.965kT<br />
oder 2.5 eV.<br />
Beide Temperaturen stimmen in etwa überein, Teff ≈ Tbb, was besagt, daß <strong>die</strong> Sonne in erster Näherung<br />
als schwarzer Strahler betrachtet werden kann:<br />
Teff = Tbb mit Φ = σT 4 eff = 6.24 · 10 10<br />
cm<br />
(8.3)<br />
(8.4)<br />
erg cm −2 s −1 (8.5)<br />
Was heißt nun Radius der Sonne? Da wir <strong>die</strong> Sonne ’sehen’, kann mit Radius nur <strong>die</strong>jenige Stelle<br />
gemeint sein, von wo <strong>die</strong> Strahlung kommt: der Boden der Photosphäre. Ab hier können Photonen frei<br />
entweichen, während im Innern der Sonne <strong>die</strong> freie Weglänge nur etwa 0.1 cm beträgt. In der Tat zeigt<br />
<strong>die</strong> Sonne zum Rande hin eine sog. Randverdunkelung, welche dadurch zustande kommt, daß man hier<br />
in <strong>die</strong> weniger heißen Schichten blickt.<br />
8.1.3 Die Leuchtkraft der Sonne<br />
Die Verhältnisse im Innern der Sonne können, sieht man von den Neutrinos ab, nicht direkt beobachtet<br />
werden, sondern müssen mithilfe einer physikalischen Theorie erschlossen werden. Bevor wir uns dem<br />
vollständigen Satz von Gleichungen und ihrer Herleitung zuwenden, wollen wir einen qualitativen<br />
Überblick über <strong>die</strong> Verhältnisse im Innern der Sonne geben.<br />
Die Photonen der Sonne beschreiben wir als Schwarzkörper Strahlung, <strong>die</strong> Protonen und Elektronen<br />
als ideales Maxwell - Boltzmann Gas. Damit kennen wir für beide <strong>die</strong> mikroskopische Verteilungsfunktion.<br />
• ANMERKUNG (DIE MAXWELL - BOLTZMANN VERTEILUNGSFUNKTION)<br />
Im Geschwindigkeitsraum (v) lautet <strong>die</strong> normierte Ein-<strong>Teil</strong>chen Verteilungsfunktion<br />
�<br />
1 = fM (x, v) d 3 v (8.6)
380 KAPITEL 8. DIE SONNE ALS STERN<br />
Daraus wird <strong>die</strong> Maxwell - Boltzmann Verteilung im (x, v) Raum<br />
�<br />
m<br />
�3/2 −m v2<br />
fM (v) = n<br />
e 2kT (8.7)<br />
2πkT<br />
wobei m <strong>die</strong> Masse der <strong>Teil</strong>chen und n = N/V <strong>die</strong> Anzahldichte ist.<br />
Beim Übergang zum Impulsraum p = mv wird daraus <strong>die</strong> Ein-<strong>Teil</strong>chen Verteilungsfunktion<br />
�<br />
1<br />
fM (p) =<br />
2πmkT<br />
� 3/2<br />
� � 2 p<br />
exp −<br />
2mkT<br />
und, wenn wir bezüglich der Normierung den auf h 3 normierten (Ein-<strong>Teil</strong>chen) Phasenraum benutzen,<br />
� 2 h<br />
fMB(p) =<br />
2πmkT<br />
�3/2<br />
� � 2 p<br />
exp −<br />
2mkT<br />
mit der Normierung bei Integration über das Volumen V<br />
�<br />
N = n<br />
fMB(p) d3 pd 3 x<br />
h 3<br />
Bei der Kernfusion werden im Innern der Sonne Photonen der mittleren Energie 6.7 MeV erzeugt. Die<br />
Photonen, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Sonne verlassen, haben jedoch nur etwa ¯hω = 0.5 eV. Wie kommt das zustande?<br />
Grundlage für <strong>die</strong> Transportgleichung ist beim Gas neben dem Energiesatz <strong>die</strong> <strong>Teil</strong>chenzahlerhaltung.<br />
Bei Photonen gilt nur der Energiesatz. Der Prozess der Vervielfachung selbst wird gewöhnlich nicht<br />
mikroskopisch beschrieben, man nimmt vielmehr an, daß das Gas eine Thermalisierung bewirkt, an<br />
jeder Stelle gilt dann LTE und <strong>die</strong> Anzahl der Photonen kann aus der Planck Verteilung bestimmt werden.<br />
Im Zentrum (am Ort der Erzeugung) werden <strong>die</strong> Photonen um das 6700-fache, auf dem Weg vom<br />
Zentrum der Sonne zur Photosphäre um das 2000-fache vervielfacht, ihre Energie sinkt (<strong>die</strong> Entropie<br />
wächst, <strong>die</strong> Energie ist erhalten) entsprechend. Zur Bestimmung der Entropie benutzen wir <strong>die</strong><br />
Gibbs-Duhem Relation. Diese lautet (für ein homogenes Medium) allgemein<br />
S = 1<br />
(E + P V − µN) (8.10)<br />
T<br />
Für Photonen ist µ = 0 und der Druck (eines relativistischen Gases) erfüllt pV = E/3. Für <strong>die</strong> Entropie<br />
(einer einzelnen relativistischen Spezies) gilt dann:<br />
S = 4E<br />
3T<br />
(8.8)<br />
(8.9)<br />
(8.11)<br />
Aus der Thermodynamik übernehmen wir im weiteren folgende Relationen für Baryonen (<strong>die</strong> Gasteilchen)<br />
und Photonen.<br />
Baryonen<br />
Die Zustandsgleichung des idealen einatomigen Gases lautet:<br />
P = n kT = 2<br />
3 uth<br />
Die Boltzmann Konstante, k B, hat den Wert<br />
k B = 1.38054 · 10 −16<br />
(8.12)<br />
erg K −1 (8.13)
8.1. ÜBERBLICK 381<br />
chemisches Potential, nichtrelativistisch:<br />
µ = ɛ(pF ) = p2 F<br />
2m =<br />
� �<br />
2 2/3 2<br />
6π ¯h<br />
g<br />
2m n2/3<br />
zur Definition der Entartungstemperatur, Te ≈ µ<br />
kB<br />
Entartungstemperatur, Te, für Elektronen (der <strong>Teil</strong>chenzahldichte ne und Masse me)<br />
(8.14)<br />
Te = 2π¯h2<br />
n<br />
mekB 2/3 ≈ 5.5 · 10 −11 n 2/3<br />
e K (8.15)<br />
Die hier auftretende Größe<br />
�<br />
h<br />
λdB =<br />
2<br />
2πmkT<br />
heißt thermische de Broglie Wellenlänge. Dabei ist m <strong>die</strong> Masse der <strong>Teil</strong>chen.<br />
spez. Entropie (pro <strong>Teil</strong>chen)<br />
Photonen<br />
s<br />
k B<br />
= 5<br />
2 − ln(nλ3 dB)<br />
Energiedichte, ɛ, und Druck P sind integral<br />
ɛ = aT 4<br />
bzw. P = 1 4E<br />
ɛ ; S =<br />
3 3T<br />
Die Strahlungsintensität, F , ist durch<br />
F = σT 4 mit F⊙ = 6.28 · 10 10 erg cm −2 s −1<br />
Die Stefan-Boltzmann Konstante, σ, hat den Wert<br />
σ = π2k4 B<br />
60¯h 3 = 5.669 · 10−5<br />
c2 (8.16)<br />
(8.17)<br />
g s −3 K −4 (8.18)<br />
Die Energiedichte-Konstante, a, hängt mit der Stefan-Boltzmann Konstante, σ, wie folgt zusammen:<br />
σ = 1<br />
4 ac<br />
Sie hat den Wert<br />
a = π2 k 4<br />
15¯h 3 c 3 = 7.56 · 10−15 erg cm −3 K −4<br />
(8.19)<br />
Den Wärmestrom jw (Poyntingvektor) aus einer kleinen Öffnung in senkrechter Richtung erhält<br />
man aus der Energiedichte ɛ wie folgt:<br />
F = σT 4 = jw = 1 1<br />
ɛc =<br />
4 4 aT 4 c
382 KAPITEL 8. DIE SONNE ALS STERN<br />
Wir benutzen nun den Virialsatz für das ideale einatomige Gas<br />
Eth + 1<br />
2<br />
3 GM<br />
U = 0 = NkT −<br />
2 2 2R<br />
(8.20)<br />
Es sei d der mittlere Abstand der <strong>Teil</strong>chen (Protonen bzw. Elektronen). Dann gilt näherungsweise, pro<br />
<strong>Teil</strong>chen<br />
ɛth = kT ; ugrav = U/N = GM<br />
R<br />
2/3 ¯hc<br />
= (α3/2 G N)<br />
d<br />
wobei wir <strong>die</strong> Gravitations - Feinstrukturkonstante αG benutzen<br />
αG = Gm2 p<br />
¯hc<br />
= 5.9 · 10 −39<br />
Der Beitrag der Elektronenentartung ist<br />
ɛent = ¯h2<br />
med 2<br />
Die natürliche Einheit für Sterne ist (skaliert mit (2Z/A) 2 )<br />
No = (2Z/A) 2 α −3/2<br />
G<br />
= 1.9 N⊙<br />
(8.21)<br />
(8.22)<br />
Wir erhalten daraus <strong>die</strong> folgenden abgeleiteten Größen, A, für <strong>die</strong> Sonne, welche wir in einer Tabelle<br />
für den späteren Gebrauch zusammengestellt haben. Es ist üblich<br />
β = PG<br />
P<br />
und 1 − β = Pγ<br />
P<br />
(8.23)<br />
zu definieren. Um nicht stets schreiben zu müssen, benutzen wir gelegentlich ¯ β = 1 − β = 0.003 für<br />
<strong>die</strong> Sonne.<br />
A Definitions-Formel Wert Einheit Bezeichnung<br />
V<br />
4π<br />
3 R3 1033 cm3 Volumen<br />
U<br />
2<br />
GM − R 4 · 1048 erg Grav. Energie<br />
− 1<br />
2U 2 · 1048 ¯T<br />
2Eth<br />
erg kin. Energie<br />
Eth<br />
¯ρ<br />
¯n<br />
¯P<br />
λe<br />
3Nk 107 K Temperatur<br />
M<br />
V 1.5 g cm−3 Massendichte<br />
¯ρ<br />
mp<br />
1024 cm−3 <strong>Teil</strong>chenendichte<br />
NkT<br />
V 1015 dyn cm−2 Druck<br />
h<br />
(2πmekT ) 1/2 2 · 10 −9 cm therm. de Broglie W<br />
ye ¯nλ 3 e 0.008 Entartungsparameter<br />
Eγ aT 4 V 7 · 10 45 erg Photonenenergie<br />
¯ɛF<br />
kT<br />
¯β<br />
(3π2 2/3 ¯h2 )<br />
GmpM<br />
2m n2/3 37 eV Fermi-Energie<br />
3R 1 keV therm. Energie<br />
Eγ<br />
0.003<br />
Eth<br />
Als primäre Größen wurden benutzt: Radius R⊙ = 6.96 · 10 10 cm; Masse, M⊙ = 1.989 · 10 33 g und <strong>Teil</strong>chenzahl<br />
N⊙ = 10 57 . Es bedeutet ā Mittelwert von a.<br />
Tab. 8.1: Abgeleitete Größen
8.1. ÜBERBLICK 383<br />
Das Plasma in Innern der Sonne ist also im Mittel mit T ≈ 107 K und n ≈ 1024 cm−3 nichtentartet,<br />
d. h. y ≪ 1, und vollständig ionisiert. Im Zentrum mit n ≈ 2 · 1026 cm−3 ist das nicht mehr der Fall,<br />
y ≈ 1.<br />
Da für <strong>die</strong> Oberflächentemperatur Teff ≪ T gilt, wird <strong>die</strong> Leuchtkraft der Sonne aus einem thermischen<br />
Reservoir im Innern gespeist. Ab Photosphäre sind Photonen das einzige Transportmittel (den<br />
Sonnenwind kann man vernachläßigen) der Energieabstrahlung.<br />
Das erste Problem ist also, abzuschätzen, wie der thermische Energietransport im Innern der Sonne<br />
vonstatten geht. Grundsätzlich sind 3 Prozesse möglich: Wärmeleitung (durch Elektronen, wie z. B.<br />
bei Eisen), Strahlungstransport (Photonendiffusion) und Konvektion (wie in der Erdatmosphäre).<br />
Um zu sehen, was mit einem einzelnen Elektron bzw. Photon bei der Diffusion geschieht, betrachten<br />
wir das Problem des betrunkenen Seemanns (random walk): bei einer freien Weglänge l kommt er nur<br />
im Mittel<br />
L = l<br />
�<br />
N<br />
d<br />
weit, dabei sind d <strong>die</strong> Anzahl der Raum Dimensionen und N <strong>die</strong> Zahl der Schritte. Ein Photon, das<br />
vom Zentrum des Sterns zum Radius R diffun<strong>die</strong>rt, sind demnach<br />
N = 3 R2<br />
l 2<br />
(8.24)<br />
Schritte nötig.<br />
Einer Massendichte von ρ = 1.5 g cm −3 entspricht eine <strong>Teil</strong>chenzahldichte von n = 10 24 cm −3 , d.<br />
h. in etwa einem mittleren <strong>Teil</strong>chenabstand von d = 10 −8 cm. Wir schätzen <strong>die</strong> freie Weglänge für<br />
Photonen mit dem Wirkungsquerschnitt der Thomsonstreuung als obere Grenze ab und erhalten mit<br />
l = 1/nσ als Ergebnis l ≈ 1 cm.<br />
Das liefert für <strong>die</strong> Diffusionszeit<br />
τdiff = N l<br />
c<br />
= 3R2<br />
lc<br />
(8.25)<br />
Die freie Flugzeit (etwa eines Neutrinos) vom Zentrum zum Rand wird für Photonen um das (3R/l)−fache<br />
verlängert.<br />
Für R = R⊙ = 7 · 10 10 cm erhält man τ ≈ 1.5 · 10 4 Jahre. Eine Temperaturänderung im Zentrum der<br />
Sonne macht sich erst nach 15 Tausend Jahren an der Oberfläche bemerkbar. Für <strong>die</strong> Leuchtkraft der<br />
Sonne erhalten wir, aus dem Photonen Reservoir im Innern,<br />
L = Eγ<br />
τdiff<br />
= (1 − β) Ugrav<br />
τdiff<br />
Hier ist 1 − β das Verhältnis von Photonen zur Gesamtenergie, 1 − β = Eγ<br />
τ ≈ 1.5 · 104 yr liefert das L = 20L⊙, einen Faktor 20 zuviel.<br />
Ugrav<br />
. Mit 1 − β = 0.003 und<br />
• ANMERKUNG (BESTIMMUNG DER WAHREN DIFFUSIONSZEIT)<br />
Bei der Bestimmung der Diffusionszeit haben wir angenommen, daß <strong>die</strong> mittlere Flugzeit l/c ≈ 10 −10 s ist. Tatsächlich<br />
werden <strong>die</strong> Photonen in der äusseren Hülle, wo <strong>die</strong> Ionisation nicht mehr vollständig ist, in den Atomen zwischengespeichert,<br />
und zwar für mindestens 10 −8 s. Dadurch wird <strong>die</strong> Diffusionszeit um den Faktor 100 auf etwa 15 Myr erhöht.<br />
Den Beitrag der Elektronenleitung schätzen wir ab mit dem geometrischen Streuquerschnitt für Elektron<br />
- Proton Streuung,<br />
σ = 4π(d/2) 2 ≈ 10 −16<br />
cm 2
384 KAPITEL 8. DIE SONNE ALS STERN<br />
eines Atoms und erhalten l = 1/nσ = 10 −8 cm. Die Diffusion geht jetzt mit Schallgeschwindigkeit<br />
und das macht (Wärme)Leitung vollends vernachläßigbar. So kann man auch verstehen, warum Diffusion<br />
der schweren Elemente zum Zentrum bei der Sonne keine Rolle spielt: <strong>die</strong> freie Weglänge ist 10 8<br />
mal, <strong>die</strong> Geschwindigkeit (v = 3 · 10 6 cm/s) etwa 10 4 mal kleiner als bei Photonen, dementsprechend<br />
<strong>die</strong> Zeit 10 12 mal länger, d. h. viel länger als das Universum alt ist.<br />
Der Wärmetransport durch Strahlung oder Leitung ist also sehr ineffektiv. Bekanntlich ist es viel<br />
günstiger, Wärme konvektiv zu transportieren und das ist in den äusseren Schichten der Sonne tatsächlich<br />
der Fall. Das allgemeine (Schwarzschild) Kriterium hierfür lautet, daß Konvektion auftritt falls (mit Indizes<br />
hG : hydrostatisches Gleichgewicht und S : adiabatische Druckänderung, d. h. S =const)<br />
(dP/dρ)hG − (dP/dρ)S > 0 (8.26)<br />
ist, was äquivalent dazu ist, daß <strong>die</strong> adiabatisch aufgestiegene Materie leichter ist als ihre im hydrostatische<br />
Gleichgewicht befindliche Umgebung. Ob Konvektion vorliegt kann nur ein detailliertes Modell<br />
entscheiden (s. u.).<br />
Für <strong>die</strong> Leuchtkraft L erhalten wir mit E := Energie des jeweiligen Reservoirs (mit Indizes G: Gas<br />
und ph: Photonen) und τ := Diffusionszeit:<br />
L = EG<br />
τG<br />
+ Eph<br />
τph<br />
=<br />
1<br />
3R 2 (vlGNkT + clphaT 4 V ) (8.27)<br />
Wir berücksichtigen nur den Photonenterm und benutzen den Virialsatz, was für massearme Sterne<br />
gerechtfertigt ist. Dann gilt (3/2)NkT = (1/2)GM 2 /R und für <strong>die</strong> Masse gilt M = mpN, wobei<br />
V = (4π/3)R 3 und a = π 2 k 4 /15(¯hc) 3 ist. Die freie Weglänge schätzen wir ab mit l = V/Nσ T, wobei<br />
σ T = 8π<br />
3<br />
� e 2<br />
mc 2<br />
� 2<br />
= 8π<br />
3 r2 e<br />
(8.28)<br />
der Thomson-Streuquerschnitt ist und erhalten <strong>die</strong> erstmals von Eddington hergeleitete Masse-Leuchtkraft<br />
Relation:<br />
L = 1<br />
3R 2<br />
cπ 2 k 4<br />
15¯h 3 c 3<br />
V 2<br />
Nσ<br />
� �4<br />
GmM<br />
3kR<br />
oder wenn wir <strong>die</strong> Gravitations - Feinstrukturkonstante αG benutzen<br />
endgültig<br />
αG = Gm2 p<br />
¯hc<br />
= 5.9 · 10 −39<br />
L = fvN 3 α 4 ¯hc<br />
G<br />
2<br />
σ mit fv = π4<br />
355 In Zahlen ausgedrückt<br />
L = 2.3 · 10 34<br />
� M<br />
M⊙<br />
� 3<br />
(8.29)<br />
(8.30)<br />
erg s −1 (8.31)<br />
ein erstaunliches Ergebnis in zweierlei Hinsicht. Die Leuchtkraft ist unabhängig vom Radius und hat<br />
in etwa <strong>die</strong> richtige Massenabhängigkeit, nämlich L ≈ M 3 für massearme Sterne, d. h. für Sterne<br />
bei denen der thermische Druck dominiert. Berücksichtigt man über<strong>die</strong>s, daß σ in Wirklichkeit größer<br />
ist, dann kommt sogar der Vorfaktor von L für <strong>die</strong> Sonne quantitativ richtig heraus (3.85 · 10 33 statt<br />
2.3 · 10 34 ).
8.1. ÜBERBLICK 385<br />
8.1.4 Das Energieproblem der Sonne<br />
Ein bis zum Anfang unseres Jahrhunderts ungelöstes Problem war <strong>die</strong> Frage, woher <strong>die</strong> Sonne ihre<br />
Energie bezieht. Man macht sich leicht klar, daß chemische Reaktionen (<strong>die</strong> chemische Energie der<br />
Sonne beträgt maximal E � 10 44 erg) <strong>die</strong> Sonne nur etwa 1250 Jahre am Leben (d. h. am Leuchten)<br />
erhalten können.<br />
Betrachten wir deshalb, wie zuerst von Helmholtz (1854) und Kelvin (1861) vorgeschlagen, ein Gas<br />
der Temperatur T , zusammengehalten von der Gravitation, ohne innere Wärmequellen. Ein solches<br />
System verliert ständig Energie mit der Rate:<br />
− ˙ E = L = 4πσR 2 T 4<br />
(8.32)<br />
Dieser Energieverlust muß durch <strong>die</strong> Gravitation wieder wettgemacht werden, also muß das System<br />
schrumpfen. Die gravische Bindungsenergie eines klassischen Gases ist von der Größenordnung<br />
Ebind =<br />
−GM 2<br />
R<br />
nach dem Virialsatz kann von der beim Schrumpfen gewonnenen Energie nur <strong>die</strong> Hälfte abgestrahlt<br />
werden, <strong>die</strong> andere Hälfte geht in innere Energie bei der Kompression des Gases, also:<br />
L = − ˙ Ebind = −1 GM<br />
2<br />
2<br />
R2 Die typische Halbwerts-Zeit, in der der Radius schrumpft, heißt<br />
tHK = E<br />
L<br />
= GM 2<br />
2RL<br />
= − R<br />
2 ˙ R<br />
˙R (8.33)<br />
Für <strong>die</strong> Sonne erhält man mit den beobachteten Werten für M und L etwa<br />
tHK ≈ 30My = 3 · 10 7<br />
(8.34)<br />
Jahre (8.35)<br />
während unsere Näherungsformel (8.30) für L eine 6mal kürzere Zeit ergeben würde. Aber auch 30<br />
Millionen Jahre als Kollapszeit aufgrund gravischer Schrumpfungsenergie sind natürlich viel zu kurz<br />
für <strong>die</strong> Sonne, sodaß eine andere Energiequelle benötigt wird: <strong>die</strong> Kernfusion.<br />
• ANMERKUNG (DIE ENERGIEQUELLE DER STERNE)<br />
Die Frage nach der Energiequelle der Sterne ist auch heute noch aktuell, insbesondere bei den sog. Super-Eddington Quellen,<br />
allerdings handelt es sich dabei vermutlich um akkretierende Mehrfachsysteme.<br />
Wir fragen zunächst genauer, was ist <strong>die</strong> Energiequelle der Einzelsterne? Da <strong>die</strong> Antwort, Kernfusion mit Tunneleffekt,<br />
wesentlich auf der Quantenmechanik beruht, waren Helmholtz (1854) und Kelvin (1861) bei der Beantwortung <strong>die</strong>ser<br />
Frage gescheitert und selbst Eddington, zu Beginn unseres Jahrhunderts, konnte <strong>die</strong> Wahrheit nur erraten.<br />
Die quantenmechanische Grundlage der Kernfusion im Innern von Sternen ist der Tunneleffekt. Dieser geht auf Gamow<br />
(1928) zurück. Atkinson und Houtermans waren 1929 <strong>die</strong> Ersten, <strong>die</strong> den Gamowschen Tunneleffekt auf das Innere der<br />
Sterne anwandten, auf <strong>die</strong> Kernfusion von Wasserstoff zu Helium. Das ist, wie durch Bethe (1938) und unabhängig durch<br />
von v. Weizsäcker (1938) gezeigt wurde, möglich in Form eines Katalysatorprozesses. Dieser C-N-O Zyklus wird auch<br />
Bethe - Weizsäcker Zyklus genannt. Daneben wurde von Critchfield gemeinsam mit Bethe <strong>die</strong> p-p Kettenreaktion gefunden.<br />
Diese ist für <strong>die</strong> Sonne dominierend.<br />
Die Kenntnis der Energieerzeugung ist wesentlich für <strong>die</strong> Bestimmung des Radius des Sterns und<br />
damit für das Aussehen: bei gegebener Leuchtkraft, <strong>die</strong> ja durch <strong>die</strong> Opazität der Materie bestimmt ist,<br />
bestimmt der Radius R, über <strong>die</strong> Beziehung<br />
L = 4πR 2 σT 4<br />
(8.36)
386 KAPITEL 8. DIE SONNE ALS STERN<br />
mit T = Teff, <strong>die</strong> Farbe des Sterns (s.a. Glchg. (8.4)), wie folgt. Es ist<br />
Teff =<br />
�<br />
L<br />
4πσR2 �1/4<br />
<strong>die</strong> Temperatur. Über das Wiensche Gesetz<br />
(8.37)<br />
λmaxT = const = 0.2898 cm K (8.38)<br />
erhält man dann, mit T = Teff = Tbb<br />
λmaxTbb = 0.29 cm K (8.39)<br />
<strong>die</strong> Farbe des Sterns.<br />
8.1.5 Strahlungstransport und Lebensdauer<br />
Strahlungstransport im homogenen Medium in einer Dimension<br />
Wir geben zunächst ein einfaches Modell für den Strahlungstransport durch eine ebene, homogene<br />
Schicht der Höhe R. Man muß unterscheiden zwischen dem (isotropen) Strahlungsfluß mit der Intensität<br />
I = σT 4 und dem (nach oben gerichteten, anisotropen) Nettostrahlungsfluß j := Leuchtkraft/Fläche.<br />
An der Oberfläche ist j = I = σT 4 eff und beide stimmen überein (Randbedingung). Wir<br />
stellen uns nun <strong>die</strong> Schicht unterteilt vor in M := R/l (l := freie Weglänge der Photonen) Lamellen<br />
mit Vakuum dazwischen. Jede Lamelle m (1 . . . M) hat <strong>die</strong> Temperatur T (m), mit der sie nach beiden<br />
Seiten strahlt.<br />
Damit der Strom erhalten bleibt, muß gelten<br />
I(1) − I(2) = I(2) − I(3) = . . . = I(M) = σT 4 eff<br />
letzteres, da am Rand keine Einstrahlung stattfindet. Die Lösung <strong>die</strong>ser Differenzengleichung lautet<br />
I(m) = (1/m)I(1) bzw. I(1) = MσT 4 eff<br />
Gehen wir von der Differenzengleichung zu der Differentialgleichung über, erhalten wir<br />
j = −l dI<br />
dx<br />
=<br />
4 dT<br />
− lσ<br />
dx<br />
(8.40)<br />
dj<br />
dx<br />
= 0 (8.41)<br />
mit der Lösung<br />
T 4 (x) =<br />
R − x + l<br />
T<br />
l<br />
4 eff<br />
(8.42)<br />
Für <strong>die</strong> Sonne ist M = R/l � 1012 und somit erwarten wir im Zentrum (Index c)<br />
Tc = 4<br />
�<br />
R<br />
l Teff � 10 3 Teff (8.43)<br />
was um einen Faktor 2 zu klein ist. Der Grund dafür ist <strong>die</strong> falsche Geometrie. Für Kugelschalen ist<br />
<strong>die</strong> Verdünnung gegeben durch<br />
1<br />
r 2<br />
jr = −l dI<br />
dr<br />
4 dT<br />
= − lσ<br />
dr<br />
(8.44)<br />
d<br />
dr (r2 jr) = 0 (8.45)
8.1. ÜBERBLICK 387<br />
Für <strong>die</strong> Sonne ist somit in der Nähe des Zentrums, wo noch keine Kernfusion stattfindet<br />
�<br />
T (r) = 4<br />
R 2<br />
lr Teff<br />
(8.46)<br />
<strong>die</strong> Temperatur tatsächlich größer.<br />
Um nun noch abzuschätzen, wieviel Energie durch Kernfusion erzeugt wird, benötigen wir folgende<br />
Fakten:<br />
1. Die bei der Fusion freigesetzte Energie beträgt E � 8 MeV.<br />
Es ist rk := ¯h/mπc = 1.46f (1f := 10 −13 cm; Fermi) <strong>die</strong> Reichweite der Kernkräfte. Die Bindungsenergie<br />
ist etwa<br />
EB = −(1/2)¯h 2 /mpr 2 k (8.47)<br />
= −(1/2)(mπ/mp)mπc 2 � 8 MeV (8.48)<br />
2. <strong>die</strong> Fusion ist ein Tunnelprozeß.<br />
Die Wahrscheinlichkeit W für den extrem temperaturabhängigen Tunneleffekt ist etwa<br />
W � (Tt/T ) 2/3 exp −(Tt/T ) 1/3 = (Tt/T ) 2/3 10 −(Td/T ) 1/3<br />
(8.49)<br />
Tt = (3/2) 3/2 (πe 2 /¯h) 2 (mp/k) = 7.7 · 10 10 K (8.50)<br />
Td = Tt(log e) 3 = 3.2 · 10 9 K (8.51)<br />
Es ist z. B. W = 4 · 10 −5 für T = 10 7 K.<br />
3. der eigentliche (Reaktions) Wirkungsquerschnitt ist der der schwachen Wechselwirkung.<br />
Die Gesamterzeugungsrate pro Volumen, ˙ɛρ, ist dann<br />
˙ɛρ = EBW < nσv > ρ (8.52)<br />
dabei ist σ der Wirkungsquerschnitt für <strong>die</strong> schwache Wechselwirkung und ρ = ˜µmun <strong>die</strong> Massendichte.<br />
8.1.6 Die untere Grenzmasse für Sterne<br />
Mit unserer einfachen Formel (8.30) für <strong>die</strong> Leuchtkraft L ist es nun möglich, <strong>die</strong> thermische Entwicklung<br />
eines massearmen Sterns zu diskutieren.<br />
Die erste Voraussetzung an <strong>die</strong> Masse eines Sterns ist <strong>die</strong>, daß im Innern <strong>die</strong> Temperatur hoch genug<br />
wird beim Schrumpfen, sodaß <strong>die</strong> Materie überhaupt ionisiert wird, also (für Wasserstoff)<br />
was mit<br />
d. h. α −3/2<br />
G<br />
kT ≫ 1<br />
2 α2 mec 2 ≈ 13.6 eV<br />
N = α −3/2<br />
G<br />
= 2.2 · 10 57<br />
≈ 2N⊙ auf <strong>die</strong> Bedingung<br />
M ≫ α 3/2 α −3/2<br />
G mp ≈ 10 −3 M⊙<br />
(8.53)<br />
führt; sonst erhält man einen Planeten.<br />
Die zweite, strengere, ist <strong>die</strong>, daß im Innern <strong>die</strong> Temperatur sogar hoch genug wird, sodaß <strong>die</strong> durch<br />
Kernfusion erzeugte Wärme das Schrumpfen stoppen kann. Dies muß geschehen, solange <strong>die</strong> Materie<br />
nichtentartet ist.
388 KAPITEL 8. DIE SONNE ALS STERN<br />
Es sei d der mittlere Abstand der <strong>Teil</strong>chen (Protonen bzw. Elektronen). Dann gilt näherungsweise, pro<br />
<strong>Teil</strong>chen<br />
oder<br />
ɛth + ɛent ≈ ugrav<br />
kT + ¯h2<br />
2/3 ¯hc<br />
≈ αGN<br />
med2 d<br />
Das Kriterium ist, daß bei Verkleinerung von d <strong>die</strong> Zündtemperatur<br />
Tcrit ≈ αmec 2<br />
erreicht wird. Die Funktion<br />
2/3 ¯hc ¯h2<br />
kT = f(d) = αGN −<br />
d med2 hat ihr Maximum bei f ′ (d) = 0, was<br />
Tmax = 1<br />
2 (αGN 2/3 ) 2 mec 2<br />
(8.54)<br />
(8.55)<br />
und mit Tmax > Tcrit schließlich<br />
Sonst steigt <strong>die</strong> Temperatur (praktisch) instantan (runaway) bis zur Explosion, <strong>die</strong> Gravitationsenergie<br />
geht dann in Pulsationsenergie; der Stern ähnelt einem Motor mit Fehlzündungen (Stottern).<br />
Wir bestimmen <strong>die</strong> kritische Masse für Entartung als Interpolation (geometrisches Mittel) zwischen<br />
Planet und Sonne, <strong>die</strong> im Zentrum fast entartet ist:<br />
Nkrit ≈ α 3/4 α −3/2<br />
G α 3/4 ≈ 0.04N⊙ (8.56)<br />
Wie wir sehen werden, ist <strong>die</strong> kritische Temperatur für Wasserstoffbrennen etwa 10 6 K, in etwa ebenfalls<br />
das geometrisches Mittel zwischen Fusionstemperatur der Sonne (1 keV) und Ionisationsenergie<br />
von Wasserstoff (13 eV).<br />
Die Leuchtkraft solcher Sterne, der sog. braunen Zwerge, ist winzig, wie aus unserer einfachen Formel<br />
(8.30) für <strong>die</strong> Leuchtkraft folgt:<br />
L ≈ 10 −4 L⊙<br />
8.1.7 Die obere Grenzmasse und Leuchtkraft für Sterne<br />
• ANMERKUNG (EINE EINFACHE ABSCHÄTZUNG)<br />
Wir definieren<br />
¯β = Eγ<br />
Eth<br />
= 2π2<br />
45<br />
� �3 kT V<br />
¯hc N<br />
und betrachten <strong>die</strong> Grenzfälle<br />
¯β ≪ 1, d. h. E = EGas = (-1/2)U oder NkT = (1/3)Gm 2 pN 2<br />
bzw.<br />
¯β ≫ 1, d. h. E = Eph = -U oder aT 4 V = Gm 2 pN 2<br />
und ersetzen NkT bzw. akT 4 und erhalten<br />
¯β = (N/16N⊙) 2 bzw. ¯ β = (N/N⊙) 1/2 .<br />
(8.57)
8.2. STERNAUFBAU 389<br />
Sterne mit mehr als 16 Sonnenmassen sind strahlungsdominiert. Für einen solchen Stern vorgegebener<br />
Masse kann <strong>die</strong> Leuchtkraft einen Maximalwert im Mittel nicht überschreiten, den sog. Eddington-<br />
Limit: auf <strong>die</strong> an der Oberfläche des Sterns befindliche ionisierte Materie trifft von Innen ein Strahlungsstrom<br />
der Intensität I. Davon werden σT hI gestreut, was einen Impulsübertrag (pro Zeit) dp/dt =<br />
2I/c zur Folge hat (p = E/c für Photonen!). Gestreut wird natürlich wieder nur an Elektronen. Ersetzt<br />
man I durch <strong>die</strong> Leuchtkraft L = 4πR 2 I, so erhält man für <strong>die</strong> Kraft<br />
K = σL/4πcR 2<br />
Setzt man <strong>die</strong>s gleich der Gravitationskraft auf ein ionisiertes H-Atom (also Proton) K = GmHM/R2 ,<br />
so fällt der Radius heraus und man erhält den Eddington-Limit<br />
LEdd = 4πGmHMc<br />
= 10 4.5<br />
� �<br />
M<br />
L⊙ = 1.3 · 10 38<br />
� �<br />
M<br />
mH erg s−1 (8.58)<br />
σT h<br />
M⊙<br />
Wichtig ist, daß das Plasma vollständig ionisiert und dünn ist, sodaß der Thomsonstreuquerschnitt σT h<br />
den Impulsübertrag beschreibt. Für heiße Sterne ist das gerechtfertigt (für <strong>die</strong> Sonne nicht).<br />
Wie man hier aus der Kräftebilanz oder sonst aus dem Virialsatz für relativistische Materie ersieht<br />
(Eph + U = 0), ist der Stern im neutralen Gleichgewicht und man muß seine Stabilität untersuchen.<br />
Nach dem allgemeinen Kriterium muß dazu γ > 4/3 sein, was es auch ist. Falls jedoch <strong>die</strong> Pulsperiode<br />
vergleichbar wird mit der Photonendiffusionszeit tdiff := 3R 2 /lc (l := freie Weglänge der Photonen),<br />
dann ist <strong>die</strong> Druckänderung nicht mehr adiabatisch sondern isotherm, d. h. γ = 1, und der Stern<br />
ist instabil. Es werden dann Pulsationen mit wachsender Amplitude angefacht, welche letzten Endes<br />
durch Massenverlust gedämpft werden (der innerste Kern besteht aus entarteter, stabiler Materie und<br />
der Rand aus nur teilweise ionisiertem Gas; also ebenfalls stabil). Setzt man LEdd = L, so erhält man<br />
etwa 100 M⊙ für <strong>die</strong> Stabilitätsgrenze.<br />
8.2 Sternaufbau<br />
Als Zustandsgleichung benutzen wir <strong>die</strong> Summe aus idealem Gas plus Photonen:<br />
P = PG + Pγ<br />
wobei der Parameter β<br />
β = PG<br />
P<br />
und 1 − β = Pγ<br />
P<br />
den Gasdruck parametrisiert, also explizit<br />
P = ρ<br />
˜µmH<br />
kT + a 4<br />
T<br />
3<br />
M⊙<br />
(8.59)<br />
(8.60)<br />
(8.61)<br />
Hier ist mH <strong>die</strong> Masse des Wassertstoffatoms und ˜µ ist das mittlere Molekulargewicht. Für ein vollständig<br />
ionisiertes Gas gilt<br />
˜µ −1 ≈ 2xH + 3<br />
4 xHe + 1<br />
2 xMetalle<br />
was wir jetzt (um mit der üblichen Nomenklatur in Übereinstimmung zu bleiben)<br />
schreiben.<br />
˜µ −1 = 2X + 0.75Y + 0.5Z<br />
(8.62)
390 KAPITEL 8. DIE SONNE ALS STERN<br />
Der Wärmestrom in radialer Richtung F = Fr und <strong>die</strong> Leuchtkraft L(r) hängen wie folgt zusammen:<br />
L(r) = (4πr 2 )Fr(r) (8.63)<br />
und somit wird aus dem Energiesatz divFr = ˙ɛρ<br />
L ′ = 4πr 2 ˙ɛρ (8.64)<br />
Die verbleibende Wärmetransport Gleichung F = −k∇T schreiben wir<br />
P ′ γ = − κρL<br />
4πcr 2<br />
mit κ: Massenabsorptionskoeffizient, oder, mit Pγ = a 4 T 3<br />
T ′ = − 3κρL<br />
16πacr 2 T 3<br />
(8.65)<br />
(8.66)<br />
Mit der Zustandsgleichung, <strong>die</strong> wir in der Form ρ = ρ(P, T ) schreiben und der Energie - Erzeugungsfunktion<br />
˙ɛρ sind das 4 Gleichungen für <strong>die</strong> 4 unbekannten Funktionen P, m, L und T .<br />
Die Randbedingungen sind gemischt: zwei am Rand r = R<br />
P (R) = 0 ; T (R) = 0 (8.67) L(0) = 0 ; m(0) = 0 (8.68)<br />
und zwei im Zentrum r = 0.<br />
Zu bestimmen sind <strong>die</strong> Größen m(R) = M und L(R) = 4πσR 2 T 4 . Dabei ist in <strong>die</strong>sem vereinfachten<br />
Modell (wo <strong>die</strong> Atmosphäre des Sterns fehlt) T (R) → Teff zu ersetzen. Dabei gilt spaltenweise, mit<br />
Pγ = a<br />
3 T 4 anstatt T<br />
dm<br />
dr<br />
dP<br />
dr<br />
= 4πρr2<br />
= −ρGm(r)<br />
r 2<br />
(8.69)<br />
(8.70)<br />
dL<br />
dr = 4πr2 ɛρ (8.71)<br />
dPγ<br />
dr<br />
= −ρκL(r)<br />
4πcr 2<br />
Hydrostat. Gleichgewicht Wärmetransport<br />
(8.72)<br />
Für <strong>die</strong> folgenden zwei Fälle gibt es für <strong>die</strong>se Gleichungen (des hydrostatischen Gleichgewichts mit<br />
Wärmetransport ohne Turbulenz) analytische Lösungen:<br />
1. Eddingtons Standardmodell<br />
Hier gilt, mit<br />
β = PG<br />
P<br />
und 1 − β = Pγ<br />
P<br />
(8.73)<br />
<strong>die</strong> Bedingung β = const. Dann sind <strong>die</strong> beiden Sätze von Gleichungen von hydrostat. Gleichgewicht<br />
einerseits und von Wärmetransport andrerseits proportional.<br />
2. Strömgrens Modell<br />
Falls der Massenabsorptionskoeffizient κ und <strong>die</strong> Energieerzeungungsrate ˙ɛ nur von Potenzen<br />
von T und ρ abhängen und zwar, mit beliebigem a, n und s:<br />
κ ∝ ρT −3−s<br />
und ˙ɛ ∝ ρ a T n<br />
z. B. Kramers Opazität liefert s = 0.5 und der pp-Zyklus kann mit a = 1 und n = 4 . . . 5<br />
beschrieben werden.
8.2. STERNAUFBAU 391<br />
Wir betrachten hier nur kurz noch einmal den Fall des Eddingtonschen Standardmodells. Umgeschrieben<br />
Pγ = (1 − β)P und PG = βP (8.74)<br />
liefert β = const auch einen eindeutigen Zusammenhang zwischen ρ und T :<br />
T =<br />
� �1/3 �<br />
3(1 − β)k 1<br />
βa<br />
˜µmH<br />
� 4/3<br />
ρ 1/3<br />
(8.75)<br />
was <strong>die</strong> Gleichungen wesentlich vereinfacht. Man kann nun <strong>die</strong> Zustandsgleichung wie folgt schreiben:<br />
P = Kpρ 4<br />
�<br />
k<br />
3 mit Kp =<br />
˜µmHβ<br />
�4/3 � �1/3 3(1 − β)<br />
a<br />
(8.76)<br />
Eddingtons Standardmodell führt also auf eine Polytrope zum Index n = 3 (oder s = 4/3) und dafür<br />
haben wir <strong>die</strong> Lösung schon angegeben.<br />
8.2.1 Strömgrens Modell<br />
• ANMERKUNG (DER EINFLUSS VON OPAZITÄT UND ENERGIEERZEUGUNG)<br />
Im Eddingtonschen Standardmodell bleibt der Radius und damit <strong>die</strong> Oberflächentemperatur Teff des Sterns unbestimmt. Im<br />
Strömgren Modell sind alle Sternparameter bestimmt. Wir können somit den Einfluß des Massenabsorptionskoeffizienten<br />
κ und der Energieerzeugungsrate ˙ɛ auf <strong>die</strong> Struktur des Sterns analytisch untersuchen. Voraussetzung ist allerdings, daß<br />
<strong>die</strong>se nur von Potenzen von T und ρ abhängen. Daraus folgt dann <strong>die</strong> Gleichung der Hauptreihe im HR-Diagramm.<br />
Grundlage sind <strong>die</strong> Gleichungen des hydrostat. Gleichgewichts und des Wärmetransports in der Form<br />
dm<br />
dr<br />
dP<br />
dr<br />
= 4πρr2<br />
= −ρGm(r)<br />
r 2<br />
(8.77)<br />
(8.78)<br />
dL<br />
dr = 4πr2 ɛρ (8.79)<br />
dT<br />
dr<br />
= − 3κρL<br />
16πacr 2 T 3<br />
(8.80)<br />
Die Idee der Homologietransformation, wie sie der Lane-Emden Dgl. zugrunde liegt, kann wesentlich<br />
erweitert werden. Die Grundvariablen sind m, P, L, T als Funktionen von der Radialkoordinate r.<br />
Alle anderen auftretenden Größen, <strong>die</strong> Dichte ρ eingeschlossen, werden als Materialfunktionen <strong>die</strong>ser<br />
Grundvariablen betrachtet.<br />
• ANMERKUNG (DIE ZUSTANDSGLEICHUNG DES IDEALEN GASES)<br />
Als Beispiel schreiben wir <strong>die</strong> Zustandsgleichung des idealen Gases<br />
ρ = P u (kT ) v ˜µ w mH mit u = 1, v = −1, w = 1<br />
Hier ist ˜µ das mittlere Molekulargewicht<br />
˜µ −1 = 2X + 0.75Y + 0.5Z<br />
X, Y, Z sind <strong>die</strong> Massenanteile von H, He und den Metallen (CNO) und es ist X + Y + Z = 1.<br />
Für zwei Sternmodelle seien m(r) und m ′ (r ′ ) <strong>die</strong> beiden Lösungen. Die Gesamtmasse sei M bzw.<br />
M ′ . Analoges gelte für P , L, T und P ′ , L ′ , T ′ . Homologie bedeutet, daß <strong>die</strong> beiden Lösungen durch<br />
eine Skalentransformation ineinander überführt werden können. Wir führen nun eine dimensionslose<br />
Variable ξ ein<br />
ξ = m<br />
M<br />
= m′<br />
M ′<br />
(8.81)
392 KAPITEL 8. DIE SONNE ALS STERN<br />
<strong>die</strong> eine echte Invariante ist. Damit schreiben wir <strong>die</strong> Gleichungen um zu<br />
dr<br />
dξ<br />
dP<br />
dξ<br />
= k1<br />
= k2<br />
M<br />
ρr2 ξM 2<br />
r 4<br />
(8.82)<br />
(8.83)<br />
Die hier auftretenden universellen Konstanten ki sind<br />
k1 = 1<br />
4π<br />
; k2 = −G<br />
4π<br />
; k4 = −3<br />
64π 2 ac<br />
Wir schreiben damit <strong>die</strong> Homologiebedingung wie folgt:<br />
r(ξ)<br />
r ′ (ξ)<br />
R<br />
= = z(ξ)<br />
R ′<br />
dL<br />
dξ<br />
dT<br />
dξ<br />
Analog verfahren wir mit den anderen Grundvariablen P, L, T , also<br />
P (ξ)<br />
P ′ (ξ)<br />
= p ;<br />
Einsetzen liefert mit<br />
M<br />
= x ;<br />
M ′<br />
als Invarianzbedingung<br />
x<br />
z 3 d<br />
= 1 ;<br />
T (ξ)<br />
T ′ (ξ)<br />
ρ<br />
= d ;<br />
ρ ′<br />
x 2<br />
z 4 p<br />
= 1 ;<br />
= t ; L(ξ)<br />
L ′ (ξ)<br />
ɛ<br />
= e ;<br />
ɛ ′<br />
ex<br />
s<br />
= 1 ;<br />
= l<br />
κ<br />
= k ;<br />
κ ′<br />
= ɛM (8.84)<br />
κLM<br />
= k4<br />
r4T 3<br />
(8.85)<br />
(8.86)<br />
ksx<br />
z4 = 1 (8.87)<br />
t4 Die beiden wichtigen (weil im Vergleich zum Eddingtonschen Standardmodell neuen) Relationen, <strong>die</strong><br />
wir jetzt untersuchen können, sind der Einfluß des Massenabsorptionskoeffizienten κ und der der Energieerzeungungsrate<br />
˙ɛ auf <strong>die</strong> Struktur des Sterns. Wir nehmen an, daß <strong>die</strong>se nur von Potenzen von T<br />
und ρ abhängen und zwar, mit beliebigem a, n und s:<br />
κ ∝ ρT −3−s<br />
und ˙ɛ ∝ ρ a T n<br />
Dann ergeben sich nützliche Relationen auch für Sternradius R und effektive Temperatur Teff, <strong>die</strong><br />
im Eddingtonschen Standardmodell unbestimmt bleiben. Realistische Sterne gehorchen zwar keinen<br />
Homologierelationen, dennoch sind solche Modelle nützlich. Sie liefern <strong>die</strong> Basis für eine statistische<br />
Beschreibung vieler Sterne (etwa in Kugelsternhaufen) und einen ersten Zugang, ganze Galaxien nach<br />
ihrer Farbe zu klassifizieren.<br />
Der Rosselandsche Mittelwert des Massenabsorptionskoeffizienten κ, wie er aus Kramers Opazität<br />
folgt, ist empfindlich abhängig von der chemischen Zusammensetzung. Das Rosseland Mittel für <strong>die</strong><br />
Opazität lautet<br />
1. Kramers Opazität für bound-free (Photoeffekt)<br />
κbf ∝ Z(1 + X)ρT −3.5<br />
2. Kramers Opazität für free-free (Bremsstrahlung)<br />
κff ∝ (1 − Z)(1 + X)ρT −3.5<br />
(8.88)<br />
(8.89)
8.2. STERNAUFBAU 393<br />
Die Energieerzeungungsrate ˙ɛ hängt empfindlich ab vom nuklearen Brennprozeß im Zentrum des<br />
Sterns<br />
˙ɛ ∝ ρT n<br />
Für den pp-Prozeß ist n = 5 ein guter Mittelwert, für den CNO-Prozeß ist dagegen n ≈ 20.<br />
Für <strong>die</strong> Leuchtkraft der Hauptreihe gilt empirisch ungefähr<br />
L = L⊙(M/M⊙) 4<br />
= L⊙(M/M⊙) 2.8<br />
M > M⊙<br />
M < M⊙<br />
Die direkt beobachtbaren Größen Leuchtkraft L und Temperatur Teff umfassen jeweils<br />
− 6 < log(L/L⊙) < 6 und 3.3 < log(Teff) < 5<br />
(also etwa 2000 K und 100 000 Kelvin) und es gilt empirisch<br />
(8.90)<br />
(8.91)<br />
(8.92)<br />
log L = q log Teff + const ; mit q ≈ 6 (8.93)<br />
Ein einfacher Fit ergibt als Masse - Radius Relation<br />
�<br />
R ∼<br />
M 0.6 M > M⊙<br />
M 0.9 M < M⊙<br />
und für <strong>die</strong> Temperatur - Masse Relation<br />
T ∼ M 0.6<br />
Rechnungen liefern <strong>die</strong> folgende Masseabhängigkeit:<br />
⎧<br />
⎪⎨ M<br />
L ∝<br />
⎪⎩<br />
5.5 /R0.5 massearme – normale Sterne<br />
M 3 massereiche Sterne<br />
M sehr massereiche Sterne<br />
(8.94)<br />
(8.95)<br />
Als Mittelwert kann man L ∝ M 3.5 nehmen. Die zur Kernfusion zur Verfügung stehende Masse ist<br />
proportional zur Gesamtmasse des Sterns. Für Hauptreihensterne sind das etwa 10% und es gilt W ≈<br />
0.1 · 7 · 10 −3 Mc 2 . Daraus erhält man für <strong>die</strong> Lebensdauer A des Brennvorgangs auf der Hauptreihe als<br />
Massenabhängigkeit A ∝ M −2.5 .<br />
L ∝<br />
1<br />
Z(Z + 1) ˜µ7.5 M 11/2 R −1/2<br />
Für <strong>die</strong> Leuchtkraft der Hauptreihe gilt genauer<br />
�<br />
L ∝<br />
Z 0.69 X 1.19 T 5.6 CNO-Zyklus<br />
Z 0.36 X 1.46 T 4.11 pp-Zyklus<br />
(8.96)<br />
wie aus detaillierten Rechnungen folgt. Der Übergang von pp zu CNO ist bei etwa 1.5 Sonnenmassen.<br />
Die Leuchtkraft wird bei <strong>die</strong>sen Sternen durch den Massenanteil Z der schweren Elemente, also von<br />
Spurenelementen, durch <strong>die</strong> Opazität bestimmt. Für <strong>die</strong> Sonne beträgt der Massenanteil Z etwa 1%.<br />
Erst bei einem Massenanteil Z von 10 −4 werden <strong>die</strong> Opazitäten vergleichbar. Für massearme Population<br />
II Sterne in Kugelsternhaufen kann <strong>die</strong>ser Übergang sogar beobachtet werden (cf. [San86]).
394 KAPITEL 8. DIE SONNE ALS STERN<br />
8.2.2 Wasserstoffbrennen<br />
• DEFINITION<br />
Die Zustandsgleichung für den Gesamtdruck als Summe aus Gas- und Photonendruck lautet für Hauptreihensterne (ɛ =<br />
aT 4 ist <strong>die</strong> Energiedichte des Photonengases und P = ɛ/3 <strong>die</strong> Zustandsgleichung):<br />
oder<br />
P = Ptot = Pkin + Pphot = nkT + a 4<br />
T<br />
3<br />
P = ρ<br />
˜µmH<br />
kT + a 4<br />
T<br />
3<br />
Für <strong>die</strong> Zustandsgleichung muß also <strong>die</strong> <strong>Teil</strong>chenzahldichte n durch <strong>die</strong> Massendichte ρ und <strong>die</strong> chemische Zusammensetzung<br />
ausgedrückt werden:<br />
(8.97)<br />
Pkin = nkT = ρ<br />
kT (8.98)<br />
˜µmH<br />
wobei ˜µ das mittlere Molekulargewicht ist, welches wir wie folgt bestimmen. Bei vollständiger Ionisation gibt es pro Atom<br />
Z Elektronen und einen Atomkern, also<br />
oder<br />
n =<br />
Z + 1<br />
A<br />
˜µ = A<br />
Z + 1<br />
ρ<br />
mH<br />
Für <strong>die</strong> chemischen Elemente H, He und alle anderen gilt dann etwa ˜µ −1 = 2, 3<br />
4<br />
und 1<br />
2 .<br />
Für eine Mischung aus mehreren Elementen führen wir noch <strong>die</strong> relative Massenhäufigkeit xZ so ein, daß xZ <strong>die</strong> Masse<br />
der <strong>Teil</strong>chen mit Ladung Z pro Einheitsmasse ist und definieren <strong>die</strong> effektive <strong>Teil</strong>chenzahl pro Atom<br />
Das gibt<br />
ˆnZ = ˜µ −1<br />
Z<br />
= (Z + 1)<br />
A<br />
(8.99)<br />
1<br />
˜µ = � xZ ˆnZ ≈ 2xH + 3<br />
4 xHe + 1<br />
2 (1 − xH − xHe) (8.100)<br />
Für ein vollständig ionisiertes Gas gilt<br />
˜µ −1 ≈ 2xH + 3<br />
4 xHe + 1<br />
2 xMetalle<br />
was wir jetzt (um mit der üblichen Nomenklatur in Übereinstimmung zu bleiben)<br />
˜µ −1 = 2X + 0.75Y + 0.5Z ; X + Y + Z = 1<br />
schreiben. Neben den Massenanteilen Xi werden wir gelegentlich <strong>die</strong> numerischen Anteile Yi benötigen<br />
Yi = ni<br />
�<br />
j nj<br />
= ni<br />
n<br />
(8.101)<br />
Für <strong>die</strong> Sonne liefert das heute, mit einem mittleren xHe = 0.36, für das mittlere Molekulargewicht ˜µ ≈ 0.645, <strong>die</strong> Ursonne<br />
hatte etwa ˜µ ≈ 0.6.
8.2. STERNAUFBAU 395<br />
Kosmogonie und Nukleogenese<br />
Wir werden im folgenden <strong>die</strong> wesentlichen Kernreaktionen im Innern eines Sterns wie der Sonne und<br />
(zum Vergleich) im frühen Universum betrachten.<br />
Die Fusion von Urbausteinen (Proton und Elektron) der Materie zu Helium ist der astrophysikalisch<br />
wichtigste Prozeß überhaupt. Er findet im Universum unter extrem verschiedenen Bedingungen statt:<br />
1. im Innern von Sternen, mit der Bilanzgleichung<br />
4p → 4 He + 2e + + 2νe ; Qtot = 4Q1 − Q4 = 26.73 MeV (8.102)<br />
2. im frühen Universum,<br />
2p + 2n → 4 He (8.103)<br />
Den Fusionsprozeß im frühen Universum werden wir später genauer beschreiben. Er ist <strong>die</strong> Grundlage<br />
zum Verständnis der Sterne, da deren Ausgangsmaterial hier erzeugt wurde. Die Fusion im frühen<br />
Universum ist ein dynamischer Prozeß, sie läuft in Konkurrenz zur Expansion; in Sternen ist sie quasistatisch<br />
(mit Ausnahme einer Supernova).<br />
• ANMERKUNG (KLASSISCHE KOSMOGONIE UND NUKLEOGENESE)<br />
Im Innern von Sternen reicht <strong>die</strong> thermische Energie der Protonen (von 1 KeV) in der Sonne klassisch nicht aus, um<br />
<strong>die</strong> Coulombbarriere (von 1 MeV) des anderen Reaktionspartners (Proton oder He) zu überwinden. Die Fusion ist ein<br />
statischer Prozeß, Zeit ist genügend vorhanden. Quantenmechanisch geht das mit Hilfe des Tunneleffekts. Die Erklärung<br />
geht auf Gamow (1928) zurück.<br />
Atkinson und Houtermans wenden (1929) den Gamowschen Tunneleffekt erstmals auf das Innere der Sterne an und beschreiben<br />
<strong>die</strong> Kernfusion von Wasserstoff zu Helium. Ihre Arbeit vom März 1929 beginnt mit den Worten:<br />
Vor kurzem hat Gamow gezeigt, daß positiv geladene <strong>Teil</strong>chen auch dann in den Atomkern einzudringen<br />
vermögen, wenn ihre Energie nach klassischen Begriffen dazu nicht ausreicht . . .<br />
Die detaillierte Ausarbeitung der wichtigsten Kernreaktionen stammt von Bethe (1938) und unabhängig von v. Weizsäcker<br />
(1938). Kernfusion ist möglich als Katalysatorprozess (C-N-O Zyklus) bzw. als Kettenreaktion. Critchfield gemeinsam mit<br />
Bethe (1938) beschreiben erstmals <strong>die</strong> p-p Kettenreaktion.<br />
Im frühen Universum gilt für <strong>die</strong> Kernfusion das umgekehrte: <strong>die</strong> Temperatur ist so hoch, daß das Zwischenprodukt Deuterium<br />
wieder zerfällt. Es herrscht (fast) thermodynamisches Gleichgewicht. Die entscheidende Arbeit hierzu stammt von<br />
Alpher, Bethe und Gamow, 1948. Die ursprüngliche Idee, daß hierbei alle Elemente entstehen, wurde von Fowler und Hoyle<br />
revi<strong>die</strong>rt: nur H und He können im Standardmodell des Urknalls primordial, d. h. kosmologischen Ursprungs sein.<br />
Den Abschluß zur Kosmogonie und Nukleogenese bilden <strong>die</strong> Arbeiten von Fowler und Hoyle, welche <strong>die</strong>se gemeinsam<br />
mit dem Ehepaar Burbidge veröffentlichten, B 2 FH 1957, und von Wagoner, Fowler und Hoyle, in der erstmals (1967)<br />
das kosmogonische Verhältnis von H zu He (Massenverhältnis 4:1) bestimmt wurde. Die damaligen Beobachtungen an<br />
alten Sternen stimmten mit <strong>die</strong>ser Vorhersage überein und wurden damit als ein direkter Beweis für den heißen Urknall,<br />
s = nγ/nb ≈ 10 9 und T ≈ 3K.<br />
Mittlerweile sind <strong>die</strong> Beobachtungen sehr viel genauer. Sterne, <strong>die</strong> keine Metalle enthalten, hat man<br />
nicht entdecken können, selbst <strong>die</strong> ältesten Sterne in Kugelsternhaufen enthalten noch Eisen, Fe. Neben<br />
kosmologischem Lithium, Li, wurde (mit vergleichbarer Häufigkeit) auch Bor, B, gefunden. Das<br />
kann man erklären, (Fowler), falls man inhomogene Urknall Modelle betrachtet. Hier sind zunächst<br />
<strong>die</strong> Quarks inhomogen verteilt (Skala etwa 1 bis 10 Meter), wenn sich Protonen und Neutronen bilden,<br />
verhalten sich beide unterschiedlich: Protonen diffun<strong>die</strong>ren schwerer, da sie geladen sind. Ab 7 Li<br />
verläuft <strong>die</strong> Fusion dann anders, nämlich bis 12 C:<br />
7 Li (n, γ) 8 Li (α, n) 11 B (n, γ) 12 B (e + , ν) 12 C<br />
Hierbei ensteht auch das häufigste Boron Isotop, 11 B. Auch Atome mit höherer Ladung enstehen,<br />
insgesamt etwa 10 −3 .<br />
Die Nukleogenese in Sternen wie der Sonne werden wir im folgenden betrachten. Die chemische Zusammensetzung<br />
der Sonne heute zeigt, daß Deuterium und Lithium fehlen. Diese wurden bereits in der<br />
Kontraktionsphase (vor dem Zünden) zerstört.
396 KAPITEL 8. DIE SONNE ALS STERN<br />
Das Wasserstoffbrennen der Sonne<br />
Die Sonne verbrennt (seit etwa A⊙ = 4.5 Gyr) in ihrem Zentrum Wasserstoff, H, zu Helium, He, sie ist<br />
damit ein entwickelter Hauptreihenstern. Und zwar liegt sie in ihrer Entwicklung ziemlich genau in der<br />
Mitte zwischen ZAMS und ∗ TAMS. Wasserstoffbrennen kann dabei nach verschiedenen Brennzyklen<br />
erfolgen.<br />
1. p-p - Reaktionskette (Bethe-Critchfield)<br />
2. C-N-O - Zyklus (Bethe-Weizsäcker)<br />
3. Mg-Al - Zyklus<br />
4. Ne-Na - Zyklus<br />
Diese Brennvorgänge laufen alle gleichzeitg (in Konkurrenz zu einander) ab, je nach Temperatur T<br />
(und Dichte ρ) dominiert aber normalerweise einer alle anderen. Die Bethe-Critchfield Reaktionskette<br />
wird stets als erste (bei der Sternbildung) durchlaufen, da sie <strong>die</strong> niedrigste Zündtemperatur hat. Für<br />
<strong>die</strong> Sonne gilt für <strong>die</strong> (über das Gesamtvolumen gemittelte) Energieerzeugungsrate, ˙ɛ,<br />
˙ɛpp ∝ ρT 5<br />
; ˙ɛCNO ∝ ρT 18<br />
; ˙ɛCNO/˙ɛpp ≈ 0.01 (8.104)<br />
Der Übergang von pp zu C-N-O Brennen findet bei Sternen mit Massen von etwa 1.4M⊙ und mit einer<br />
Temperatur von T = 2 · 10 7 K statt. Zum Vergleich:<br />
˙ɛ3α ∝ ρ 2 T 30<br />
ist jetzt <strong>die</strong> Temperaturabhängigkeit der Energieerzeugungsrate.<br />
Energieerzeugung<br />
(8.105)<br />
Die Zusammensetzung der Sonnenphotosphäre kann aus der Spektralanalyse erschlossen werden (und<br />
aus dem Sonnenwind). Aus ihr schließt man (mangels anderer Möglichkeit) auf das Innere der Sonne.<br />
Anders als bei Planeten, nimmt man an, daß keine chemische Fraktionierung (Eisenkern) im Innern<br />
der Sonne stattgefunden hat.<br />
Die häufigsten Elemente der Sonnenphotosphäre.<br />
Ein typisches Sonnenmodel hat Z = 0.02. He ist<br />
in der Sonne überhäufig. Weitere wichtige Elemente<br />
der Sonne sind Ne, Si und Fe. Die Elemente<br />
Li, Be und B sind unterhäufig (um einen<br />
Faktor 10 −5 ) in Bezug auf kosmische Strahlung<br />
und Meteorzusammensetzung. Gleiches gilt für<br />
F und Sc (allerdings nur um einen Faktor 10 −2 ).<br />
Die Tabelle ist nach <strong>Teil</strong>chenzahlen der Spezi-<br />
es i = Z, welche wir mit Yi bezeichnen wollen,<br />
Chem. Elemente der Sonnenphotosphäre<br />
Element 1 H 4 He 12 C 14 N 16 O<br />
Z 1 2 6 7 8<br />
Yi 1 0.1 0.00053 0.0001 0.00092<br />
Xi 0.71 0.285 0.0045 0.001 0.01<br />
Qi 7.289 2.425 0.000 2.864 -4.737<br />
Tab. 8.2: Sonnenphotosphäre<br />
geordnet. Aufgeführt sind <strong>die</strong> häufigsten Elemente in der Reihenfolge ihrer Ladung. Die Massenkonzentrationen,<br />
<strong>die</strong> wir wieder Xi nennen, und <strong>die</strong> Massendefekte in MeV bezogen auf 12 C (s.u. Glchg.<br />
(8.114)) sind ebenfalls angegeben.<br />
Der Massendefekt pro Nukleon der Atomzahl A ist dann<br />
Q = Qi<br />
A<br />
= c2<br />
� mi<br />
A<br />
− mu<br />
�<br />
∗ ZAMS: Zero Age Main Sequence, Alter: A = 0 Gyr; TAMS: Termination Age Main Sequence, Alter für <strong>die</strong> Sonne<br />
A⊙ = 9 Gyr.
8.2. STERNAUFBAU 397<br />
Eventuell kosmologisch erzeugtes Deuterium (kosmologische Häufigkeit Yi = 0.00023) wird im Innern<br />
der Sterne zu He verbrannt und damit an der Sternoberfläche um etwa einen Faktor 50 reduziert,<br />
im Zentrum dagegen praktisch vollständig (s.u.).<br />
• ANMERKUNG (DIE ELEMENT-HÄUFIGKEIT DER URSONNE)<br />
Man nimmt an, daß <strong>die</strong> beobachteten Häufigkeiten auch in der Ursonne im Innern herrschten. Damit hat man dann definierte<br />
Anfangsbedingungen. Welche Kernprozsse tatsächlich im Innern der Sterne ablaufen, ist alles andere als leicht zu<br />
beantworten.<br />
Für den C-N-O Zyklus ist auch <strong>die</strong> Gesamthäufigkeit der 3 Elemente wesentlich, da <strong>die</strong>se nicht erhöht werden kann, nur<br />
<strong>die</strong> relative Häufigkeit kann verändert werden.<br />
Die leichten Elemente Li, Be und B sind deutlich unterhäufig. Eine Erkärung dafür mag darin liegen, daß <strong>die</strong>se Elemente<br />
weder primordial noch stellar erzeugt werden, sie stammen von Spallationen der kosmischen Strahlung.<br />
Der Hauptenergielieferant der Sonne und aller Sterne, <strong>die</strong> auf der Hauptreihe sind, ist <strong>die</strong> Kernfusion<br />
von Protonen, p, zu α - <strong>Teil</strong>chen, 4 He ++<br />
4p → 4 He + 2e + + 2νe ; Qtot = 4Q1 − Q4 = 26.73 MeV (8.106)<br />
im Zentrum des Sterns.<br />
Unter den Bedingungen, wie sie im Innern von Hauptreihensternen wie der Sonne herrschen, kann <strong>die</strong>s<br />
auf zwei verschiedene Arten erreicht werden:<br />
1. <strong>die</strong> Bethe-Critchfield-Reaktion (pp Reaktion) läuft direkt zwischen Protonen und Helium ab, der<br />
vorhandene Wasserstoff wird zu Helium verbrannt.<br />
2. der Bethe-Weizsäcker Zyklus ist, chemisch gesehen, ein Katalysatorprozeß mit den Katalysator<br />
- Elementen C, N, O, an <strong>die</strong> Protonen angelagert werden. Die Gesamtzahl von C-N-O Atomen<br />
bleibt erhalten, nur der Wasserstoff wird in Helium verwandelt.<br />
Für alle Reaktionsketten bzw. Zyklen gilt, daß ihre Gesamtrate durch den langsamsten Prozeß bestimmt<br />
wird. Für <strong>die</strong> einzelne Reaktionsrate gilt dabei<br />
R = 1<br />
t =<br />
�<br />
nσvf(v)d 3<br />
wobei σ der Wirkungsquerschnitt der Reaktion ist und wobei über <strong>die</strong> Maxwell Verteilung (der Relativgeschwindigkeit)<br />
der Kerne zu mitteln ist. Die Kernfusion in der Sonne ist dabei ein quantenmechanischer<br />
Tunnelprozeß, wie erstmals von Gamow 1928 gezeigt. Die kinetische Energie der Protonen<br />
�<br />
2Ekin<br />
Ekin ≈ kT ≈ 1 KeV v =<br />
m<br />
reicht bei weitem nicht aus, klassisch <strong>die</strong> Coulomb-Barriere<br />
Epot ≈<br />
ZpZAe 2<br />
r<br />
≈ 1 MeV ; r ≈ 1 fm<br />
zu überwinden. Damit wird <strong>die</strong> Reaktionsrate (Gamowscher Tunneleffekt)<br />
oder auch<br />
Rt ≈ e −W<br />
W ≈ Epot<br />
Ekin<br />
rp<br />
¯h<br />
c<br />
W ≈ 2παZpZA<br />
v<br />
extrem temperaturabhängig, kT ≈ Ekin.<br />
(8.107)
398 KAPITEL 8. DIE SONNE ALS STERN<br />
Summarisch geschrieben lautet <strong>die</strong> Fusions Bilanz (in kerphysikalischer Notation)<br />
4p → α + 2β + + 2νe (8.108)<br />
woraus ersichtlich wird, daß in jedem Fall <strong>die</strong> schwache Wechselwirkung involviert ist. Neutrinos<br />
müssen erzeugt werden um den Erhaltungssatz für Leptonen zu gewährleisten , welche Energie sie<br />
erhalten, kann allerdings nur <strong>die</strong> Theorie der schwachen Wechselwirkung beantworten. Die Energie<br />
der Photonen, Qeff, beträgt etwa 26.2 MeV. Damit bleiben 0.52 MeV für <strong>die</strong> 2 Neutrinos. Für den<br />
Anteil der Neutrinos an der gesamten Leuchtkraft sind das weniger als 2%.<br />
Bezogen auf <strong>die</strong> Kernreaktionen besteht im Innern der Sonne kein thermodynamisches Gleichgewicht.<br />
Die Reaktionen verlaufen alle nur in einer Richtung. Deshalb werden <strong>die</strong> Reaktionsraten (und damit<br />
<strong>die</strong> Wirkungsquerschnitte der Kernfusion) explizit benötigt. Die Ergebnisse hängen empfindlich davon<br />
ab. Bestes Beispiel sind <strong>die</strong> Kernzerfallszeiten der natürlichen Kerne. Man erhält durch eingehende<br />
Rechnungen, daß <strong>die</strong> Temperatur im Innern der Sonne etwa 15 Millionen K (bei einer Dichte von<br />
160 g cm −3 ) beträgt. Die bei der Fusion freigesetzte Energie beträgt pro beteiligtem Nukleon etwa<br />
Qtot/A ≈ 6.7 MeV oder 0.72% Ruhmassenenergie.<br />
• ANMERKUNG (ENERGIEGEWINN)<br />
Von He mit Qtot/A ≈ 6.7 MeV bis Eisen, 56 Fe, mit Qtot/A ≈ 8.5 MeV werden pro Nukleon in den fortgeschrittenen<br />
Brennsta<strong>die</strong>n also nur noch 1.8 MeV (entsprechend etwa 21% der insgesamt umgesetzten Energie) gewonnen.<br />
Die Sonne verbrennt damit 4 · 10 12 g oder 4 Millionen Tonnen Ruhmasse Wasserstoff pro Sekunde<br />
um L⊙ = 3.9 · 10 33 erg s −1 aufrecht zu erhalten, d. h. sie wird dabei pro Sekunde um <strong>die</strong>sen Betrag<br />
leichter durch den Massendefekt. 550 Millionen Tonnen Wasserstoff pro Sekunde werden dabei in<br />
Helium umgewandelt. Dabei werden etwa ˙ Nν = 1.8 · 10 38 s −1 Neutrinos erzeugt. Man erwartet einen<br />
Neutrinofluß von Fν = 6.4 · 10 10 cm −2 s −1 aus der p-p- Reaktion, während für <strong>die</strong> energiereichsten<br />
Neutrinos der Fluß um 5 Zehnerpotenzen kleiner ist.<br />
Zum Vergleich: <strong>die</strong> Photonen werden um den Faktor 10 7 vervielfacht, <strong>die</strong> Energie eines Photons von 6<br />
Mev auf 0.5 eV reduziert. Das ergibt einen Photonenfluß von Fγ = 1 · 10 18 cm −2 s −1 .<br />
Bei einer Fusionsenergie pro Nukleon, Q = Qij, wird <strong>die</strong> Energieerzeugungsrate pro Einheitsvolumen,<br />
˙η(ρ, v), für eine Reaktion zwischen den (zunächst als verschieden angenommenen) Partnern i und j<br />
mit Relativgeschwindigkeit, v = |vi − vj|, <strong>Teil</strong>chenzahldichten nj bzw ni und Wirkungsquerschnitt<br />
σ = σij(v) gegeben durch<br />
˙η(ρ, v) = Qij ni nj σ v erg cm −3 s −1<br />
woraus man dann durch Mittelung über eine thermische Maxwell - Verteilung fMB = f(v)<br />
˙rij =<br />
�∞<br />
0<br />
f(v) dv {v σij(v)} mit<br />
�∞<br />
0<br />
f(v) dv = 1 (8.109)<br />
<strong>die</strong> Volumen Reaktions-Rate ˙rij, Einheit cm 3 s −1 , und damit <strong>die</strong> Energieerzeugungsrate pro Einheitsvolumen,<br />
˙η(ρ, T ),<br />
˙η(ρ, T ) = Qij ni nj ˙rij = n 2 Yi Yj Qij ˙rij (8.110)<br />
erhält. Umgeschrieben auf <strong>die</strong> Materiedichte ρ ist genauer (nämlich auch bei identischen Partnern für<br />
i = j, mi sind ihre Massen)<br />
˙ɛ(ρ, T ) = XiXj<br />
1 + δij<br />
Qij<br />
ρ ˙rij erg g<br />
mimj<br />
−1 s−1 (8.111)
8.2. STERNAUFBAU 399<br />
Die Abnahme der Dichte ni der Spezies i ist gegeben durch <strong>die</strong> Rate aller Reaktionen, <strong>die</strong> das Element<br />
zerstören minus der Rate aller Reaktionen, <strong>die</strong> das Element erzeugen:<br />
˙ni = − �<br />
oder für <strong>die</strong> Konzentrationen<br />
j<br />
˙Yi = − �<br />
j<br />
ninj ˙ri→j + �<br />
ninj ˙rj→i<br />
j<br />
YiYj Ri→j + �<br />
j<br />
(8.112)<br />
YiYj Rj→i mit Ri→j = n ˙ri→j (8.113)<br />
Im stationären Fall müssen alle Ableitungen verschwinden, woraus man <strong>die</strong> Gleichgewichtskonzentrationen<br />
bestimmen kann.<br />
8.2.3 Das Standard-Sonnenmodell<br />
Wir wissen aus Altersbestimmungen der Erde, daß das Sonnensystem etwa 4.5 Milliarden Jahre alt<br />
ist, A⊙ = 4.5 Gyr. Wir wissen ferner, daß <strong>die</strong> chemische Zusammensetzung der Sonne von der der<br />
Urmaterie abweicht, s. (8.2). Nimmt man an, daß <strong>die</strong> chemische Zusammensetzung der Materie an<br />
der Sonnenoberfläche (d. h. an dem spektroskopisch beobachtbaren Ort) gleich der ursprünglichen ist,<br />
dann kann man ausrechnen, wie <strong>die</strong> chemische Zusammensetzung im Innern der Sonne, wo ja <strong>die</strong><br />
Kernreaktionen ablaufen, nach 4.5 Milliarden Jahren aussehen muß. Man erhält so ein Standardmodell<br />
für <strong>die</strong> heutige Sonne, welches in der nachstehenden Tabelle wiedergegeben ist.<br />
Sonnenmodell mit XH = 0.71, XHe = 0.27 und XMetalle = 0.02<br />
m r11 T6 ρ L33 ˙ɛpp ˙ɛCNO k XH<br />
0.00 0.00 15.7 158 0.00 15.9 1.6 1 0.36<br />
0.05 0.06 13.8 103 1.3 10 0.13 1.3 0.52<br />
0.10 0.08 12.8 83 2.13 6.8 0.023 1.5 0.58<br />
0.30 0.13 10.1 43 3.55 1.6 2 0.68<br />
0.50 0.17 8.1 22 3.86 2.8 0.70<br />
0.80 0.26 5.1 5 3.9 4.5 0.71<br />
0.90 0.32 3.9 1.8 3.9 6 0.71<br />
0.99 0.48 1.73 0.1 3.9 9.6 0.71<br />
0.99999 0.62 0.66 0.006 3.9 konv 0.71<br />
1 0.69 0.006 3 · 10 −7 3.9 0.71<br />
Einheiten: Masse m = M(r)/M⊙; Radialkoordinate r in Einheiten von 1011 cm; Temperatur T in Einheiten von 106 K;<br />
Massendichte ρ g cm−3 ; Leuchtkraft L in Einheiten von 1033 erg s−1 ; Energieerzeunugsrate ˙ɛ = ˙ɛ(ρ, T, Xi) erg g−1 s−1 ;<br />
κ<br />
; Massenabsorptionskoeffizient k = ρ cm2 g−1 XH = rel. Massenanteil an Wasserstoff, Xi = NiAi<br />
ΣNjAj<br />
Tab. 8.3: Standardmodell der Sonne.<br />
Für <strong>die</strong> freie Weglänge im Innern der Sonne ergibt sich damit tatsächlich l = 1/κ = 1/ρk < 1 cm<br />
in den äusseren Bereichen der Sonne, wo <strong>die</strong> Photonen am längsten brauchen. Die Skalenhöhe in der<br />
Photosphäre (opt. Tiefe 1) H = mg/kT beträgt 180 km, <strong>die</strong> <strong>Teil</strong>chenzahldichte n = 2 · 10 17 cm −3 .<br />
Etwa x = n e /n = 3 · 10 −4 davon ist ionisiert.
400 KAPITEL 8. DIE SONNE ALS STERN<br />
8.2.4 Elementsynthese und primordiales Helium<br />
Die atomare Masseneinheit, mu, und <strong>die</strong> dazu gehörende Massenenergie Einheit, amu, wird auf neutralen<br />
Kohlenstoff, 12 C, bezogen und ist definiert als<br />
1 amu =<br />
1<br />
12 mC c 2 = mu c 2 = 931.48 MeV (8.114)<br />
Hier einige nützliche atomare Massen<br />
Atomkerne: Bezeichnungen und Massen<br />
Name Elektron Proton Neutron Deuteron Triton Helion α−<strong>Teil</strong>chen<br />
Symbol e p n D T τ, 3 He α 4 He<br />
Masse me mp mn mD mt mτ mα<br />
MeV 0.511 938.25 939.55<br />
amu 5.48·10 −4 1.007825 1.008665 2.014102 3.016050 3.016030 4.002603<br />
Q(MeV) 7.28922 8.07169 13.136 14.950 14.931 2.4249<br />
Die chem. Bezeichnungen sind Deuterium, Tritium und Helium. Bei der Bildung von He (mit der<br />
Atomnummer A = 4) wird insgesamt<br />
Qtot = 4Qp − Qα = c 2 (4mp − mHe) = 26.74 MeV<br />
an Bindungenergie frei, pro <strong>Teil</strong>chen<br />
Q = ∆E = Qtot<br />
4<br />
= 6.6825 MeV<br />
Dabei tritt ein relativer, d. h. pro Kernteilchen gerechnet, Massendefekt von<br />
δ = ∆E<br />
muc 2 = 7 · 10 −3<br />
oder 0.7% auf. Die bei der Kernfusion freigesetzte Energie ist zunächst in Form eines γ−Quants und<br />
eines Neutrinos. Somit wird nicht alles vollständig zum Heizen benutzt, nur das γ−Quant wird thermalisiert,<br />
das Neutrino kann ohne Wechselwirkung aus der Sonne entweichen. Die effektive Heizenergie,<br />
Qeff, beträgt etwa 26.2 MeV. Dem entspricht bezogen auf <strong>die</strong> Gesamtmasse ein Energiereservoir der<br />
Sonne von<br />
Enuc = δ M⊙c 2 = 1.4 · 10 52 erg<br />
Bei der jetzigen Leuchtkraft reicht das für<br />
τ⊙ = Enuc<br />
L⊙<br />
= 10 11 y mit L⊙ = 3.9 · 10 33 erg s −1<br />
also für 100 Milliarden Jahre. Die Sonne wird allerdings nicht alles zu He verbrennen, s.u., sondern<br />
nur etwa eine Kernregion von etwa 10% Masse der gesamten Materie.<br />
Wir betrachten nunmehr <strong>die</strong> Elementsynthese im Innern von Sternen genauer, und zwar zunächst <strong>die</strong><br />
Fusion von Wasserstoff. Diese kann, wie bereits erwähnt, auf zwei verschiedenen Wegen erfolgen: der<br />
pp-Kette und dem Bethe-Weizsäcker Zyklus.
8.2. STERNAUFBAU 401<br />
Die pp-Kette<br />
Bei der Critchfield Reaktion (pp-Kette) werden bei der für <strong>die</strong> Sonne wichtigsten Fusion (pp1) 3 Stufen<br />
durchlaufen:<br />
p + p → D + e + + ν (8.115)<br />
D + p → 3 He + γ (8.116)<br />
3 He + 3 He → 4 He + p + p + γ (8.117)<br />
oder, ausführlich geschrieben:<br />
1<br />
1p 0 + 1 1p 0 → 2 1D 0 + 0 1e + + 0 0ν 1<br />
2<br />
1D 0 + 1 1p 0 → 3 2He 0 + 0 0γ 0<br />
3<br />
2He 0 + 3 2He 0 → 4 2He 0 + 1 1p 0 + 1 1p 0 + 0 0γ 0<br />
(8.118)<br />
(8.119)<br />
(8.120)<br />
Wie durch <strong>die</strong> Indizes deutlich gemacht, müssen 3 Erhaltungssätze erfüllt werden, nämlich für Baryonen-<br />
, el. Ladungs- und Leptonen-Zahl. Das Positron e + zerstrahlt mit einem Elektron. Die dabei auftretenden<br />
γ-Quanten werden thermalisiert. In Kurzschreibweise können <strong>die</strong> 3 Reaktionen wie folgt angegeben<br />
werden:<br />
Die pp1-Kette<br />
Fusions-Reaktion 1/Rate Qtot[MeV] Qν[MeV]<br />
p (p, β + ν) D 10 10 yr 1.44 0.52<br />
D (p, γ) 3 He 6 s 5.45 −<br />
3 He ( 3 He, 2p) 4 He 10 5 yr 12.86 −<br />
Dabei bedeutet Q der Massendefekt, also z.B. für <strong>die</strong> erste Reaktion 2p → D: Q = (2mp − mD)c 2 =<br />
1.44 MeV. Die Wärmetönung ist um 0.511 MeV größer, da das Positron noch zerstrahlt. Qν ist <strong>die</strong><br />
maximale Neutrino Energie.<br />
Alternativ kann der letzte Schritt auch wie folgt aussehen. Statt 3 He wird 4 He angelagert und 7 Be<br />
gebildet (pp2-Kette und pp3-Kette):<br />
3 He (α, γ) 7 Be ; Qtot = 1.58 MeV<br />
Das so erzeugte 7 Be kann sich durch Elektroneneinfang in 7 Li umwandeln<br />
7 Be (β − , ν) 7 Li ; Neutrino Linie Qtot = 0.86 MeV<br />
und anschließend (nach Protoneneinfang) zerfallen (pp2-Kette):<br />
7 Li(p, α) 2 4 He ; Qtot = 17.35 MeV<br />
Dieser Prozeß ist wichtig, da er eine niedrige Schwellenenergie besitzt. Mit ihm kann Li sehr effektiv<br />
zerstört werden.<br />
Alternativ kann sich, ausgehend von 7 Be, ein Proton anlagern (pp3-Kette):<br />
7 Be (p, γ) 8 B (β + ν) 8 Be ∗ (α) 4 He<br />
Für <strong>die</strong> Sonne gilt, daß 86% über <strong>die</strong> pp1-Kette laufen, <strong>die</strong> restlichen 14% sind aufgeteilt in 13.98%<br />
für <strong>die</strong> pp2-Kette und 0.02% für <strong>die</strong> pp3-Kette. Der Nebenzweig pp3 ist hauptsächlich interessant für<br />
den Nachweis der Neutrinos<br />
8 B (β + ν) 8 Be ; Qtot = 18.01 MeV
402 KAPITEL 8. DIE SONNE ALS STERN<br />
da er <strong>die</strong> enegiereichsten Neutrinos erzeugt.<br />
Der erste Schritt ist der schwerste, p (p, β + ν) D, bei ihm ist <strong>die</strong> schwache Wechselwirkung involviert.<br />
Der Wirkungsquerschnitt der schwachen Wechselwirkung ist etwa für Elektron-Neutrino-Streuung<br />
σ = G2F E2 h4 �<br />
E<br />
= 10−44<br />
c4 mec2 �2<br />
cm 2<br />
(8.121)<br />
wobei E <strong>die</strong> Energie des Neutrinos und GF <strong>die</strong> Fermi-Kopplungskonstante ist. Für <strong>die</strong> pp-Reaktion im<br />
Innern der Sonne, wo ein Deuteron gebildet wird, reduziert sich das (Überlappintegral, E < 0.5 MeV)<br />
auf σ = 10−45cm2 . Die Energiedifferenz beträgt nur<br />
�<br />
2m(H) − m(D) − m(e + ) �<br />
c 2 = 0.93 MeV<br />
Als grobe Abschätzung nehmen wir folgenes an: Neutrino und Positron erhalten maximal etwa gleich<br />
viel Energie, also Eν ≈ 0.46 MeV. Bezogen auf den Gesamtprozeß sind das 0.93 MeV von Q = 26.7<br />
MeV insgesamt, damit geht etwa maximal η ≈ 1/27 der Energie in Form von Neutrinos verloren.<br />
Die genauere Analyse berücksichtigt, daß das Positron im Feld des Protons erzeugt wird: <strong>die</strong> Werte<br />
sind dann Eν ≈ 0.42 MeV maximal, Eν ≈ 0.263 MeV im Mittel und η ≈ 1/50. Der Beitrag der<br />
Neutrinokühlung ist für <strong>die</strong> Sonne unwichtig.<br />
Klassisch reicht <strong>die</strong> thermische Energie der Protonen nicht aus, um <strong>die</strong> Coulombbarriere des anderen<br />
Reaktionspartners (Proton oder He) zu überwinden. Quantenmechanisch geht das mit Hilfe des<br />
Tunneleffekts. Die Tunnelwahrscheinlichkeit Pt ist<br />
Pt = e −Wt mit Wt =<br />
2πZ1Z2e 2<br />
¯hv<br />
wobei v <strong>die</strong> Relativgeschwindigkeit ist. Um <strong>die</strong> Fusionsrate zu erhalten, muß man über <strong>die</strong> (Maxwell)<br />
Geschwindigkeitsverteilung f(v) mitteln, s. Glchg. (8.109):<br />
R =<br />
�∞<br />
0<br />
Der Integrand ist proportional zu<br />
�<br />
g(v) = v 3 exp<br />
f(v) dv n v σ e −Wt (8.122)<br />
−<br />
2πZ1Z2e 2<br />
¯hv<br />
− mv2<br />
�<br />
2kT<br />
wobei m <strong>die</strong> reduzierte Masse ist. Das Integral kann mit der Sattelpunktsmethode ausgewertet werden:<br />
<strong>die</strong> Funktion g(v) hat ihr Minimum bei<br />
v =<br />
� 4π 2 Z1Z2e 2 kT<br />
hm<br />
� 1/3<br />
Der Exponentialfaktor im Ausdruck für <strong>die</strong> Reaktionsrate wird dann nach Integration<br />
wenn wir<br />
e −τ mit τ =<br />
To =<br />
definieren.<br />
� 3<br />
2<br />
� �1/3<br />
To<br />
T<br />
�3 � 2πe 2 Z1Z2<br />
h<br />
� 2 m<br />
k = 8 · 1010 K (8.123)
8.2. STERNAUFBAU 403<br />
Für einen Stern wie <strong>die</strong> Sonne mit der Zentraltemperatur Tc = 1.5·10 7 K liefert das einen Tunnelfaktor<br />
von e −τ ≈ 10 −8.5 und τ ≈ 18 und für <strong>die</strong> Reaktionsrate im pp-Kette erhält man R = 10 −10 y −1 .<br />
Insgesamt sieht <strong>die</strong> Bilanz wie folgt aus, wenn wir mit Q <strong>die</strong> in Wärme umgesetzte Energie bezeichnen.<br />
Die ersten 2 Reaktionen laufen jeweils zweimal ab, sodaß insgesamt etwa Q = 26.2 MeV an Wärme<br />
freigesetzt werden, der Rest geht durch Neutrinos verloren.<br />
Das relative Anzahlverhältnis von H zu D bestimmen wir aus Glchg. (8.113) und Glchg. (8.118) bzw.<br />
der anschließenden Tabelle.<br />
˙YD = Y 2<br />
p<br />
R(1)<br />
2 − YD YHe R(2)<br />
Die beiden Reaktionsraten Rpp, Index (1) und RD, Index (2), unterscheiden sich um 16.5 Zehnerpotenzen:<br />
R(2)/R(1) = 2·10 16 und das relative Anzahlverhältnis von H zu D ist im stationären Gleichgewicht,<br />
wo ˙ YD = 0 gilt,<br />
YD<br />
Yp<br />
R(1)<br />
= Yp<br />
2R(2)<br />
≈ 10 −17<br />
Deuterium wird also im Innern von Sternen praktisch vollständig vernichtet. Eventuell gefundenes<br />
interstellares oder intergalaktisches Deuterium muß kosmologischen Urpsrungs sein.<br />
Für <strong>die</strong> Energieerzeugungsrate erhalten wir<br />
˙ɛ(ρ, T ) = 2.81 · 10 6 ρX 2 Hy 2 e −38.8y F(x) erg g −1 s −1<br />
dabei haben wir zur Abkürzung<br />
y = T −1/3<br />
6 x = T6 F(x) = 1 + 1.23 · 10 −2 x 1/3 + 1.09 · 10 −2 x 2/3 + 9.38 · 10 −4 x<br />
gesetzt.<br />
Für 3 He, welches wir zur Abkürzung wieder mit τ bezeichnen wollen, gilt entsprechend<br />
˙Yτ = −Y 2<br />
τ R(3) + YD Yp R(2)<br />
<strong>die</strong>smal ohne den Faktor 1/2, da <strong>die</strong> Reaktion Index 2 zweimal durchlaufen werden muß. Das relative<br />
Anzahlverhältnis von 3He zu H ist im stationären Gleichgewicht, wo ˙ Yτ = ˙ YD = 0 gilt,<br />
�<br />
�<br />
Yτ �<br />
= � YpR(1)<br />
≈ 10 −3<br />
Yp<br />
2R(3)<br />
• FORMELN (SALAM-WEINBERG)<br />
Für niederenergetische Prozesse, E ≪ mW c 2 , liefert <strong>die</strong> SW–Theorie den phänomenologischen V − A Strom–Strom<br />
Hamilton-Operator (wobei es sich praktisch eine von Fermi zuerst vorgeschlagene Kontakt-Wechselwirkung handelt)<br />
HF = GF<br />
√2 J ‡ J (8.124)<br />
und es gilt für <strong>die</strong> Fermi-Kopplungskonstante<br />
GF =<br />
α¯h 3<br />
4 √ 2(mW sin ΘW ) 2 = 1.43 × 10−49<br />
c<br />
erg cm 3<br />
(8.125)<br />
Die Größe ΘW heißt Weinberg Winkel.<br />
Den Wirkungsquerschnitt σ für <strong>die</strong> Streuung eines Elektrons mit Energie Ee an einem Neutrino der Energie Eν bestimmen<br />
wir wie folgt. Wir definieren<br />
σ0 = 4<br />
π<br />
�<br />
mec<br />
� �<br />
4 GF<br />
¯h mec2 �2 = 1.76 × 10 −44<br />
cm 2
404 KAPITEL 8. DIE SONNE ALS STERN<br />
was man auch – in Analogie zur Elektro Dynamik mit rw : klass. W–Boson Radius – schreiben kann als<br />
σ � σT h(me/mW ) 4 � r 2 w(me/mW ) 2<br />
Der Reduktionsfaktor (me/mW ) 2 , der hier aus Dimensionsgründen auftritt, stammt von der Kurzreichweitgkeit der Wechselwirkung<br />
her: das Coulompotential hat Reichweite r = ∞, <strong>die</strong> schwache Wechselwirkung hat Reichweite r ± 0. Bei<br />
entarteten Elektronen ist das Ergebnis noch mit dem Phasenraumfaktor (Eν/(Ee + mec 2 ) zu multiplizieren. Wir erhalten<br />
dann<br />
σ = σT h<br />
� me<br />
mW<br />
�4 �<br />
Eν<br />
mec2 � �<br />
Eν<br />
Ee + mec2 �<br />
(8.126)<br />
dabei steht σT h für den Thomson Streuquerschnitt, σT h = 6.7 × 10 −25 cm 2 , und <strong>die</strong> Reduktion (me/mW ) 4 im Vorfaktor<br />
berücksichtigt <strong>die</strong> größere Masse (bzw. <strong>die</strong> kleinere Reichweite) der Wechselwirkung. Für niederenergetische Prozesse<br />
folgt daraus <strong>die</strong> Standardformel (8.121).<br />
Der C-N-O Zyklus<br />
Alternativ läuft in der Sonne der Bethe-Weizsäcker Zyklus (mit 10% Beitrag zur Energieerzeugung)<br />
ab:<br />
Fusions − Reaktion 1/Rate Q[MeV] (ν)<br />
12 C (p γ) 13 N 10 6 yr 1.95 (−)<br />
13 N (e + ν) 13 C 1.50 (0.7)<br />
13 C (p γ) 14 N 10 5.5 yr 7.54 (−)<br />
14 N (p γ) 15 O 10 8.5 yr 7.35 (−)<br />
15 O (e + ν) 15 N 1.73 (1.0)<br />
15 N (p α) 12 C 10 4 yr 4.96 (−)<br />
Die Fusionsbilanz lautet (in beiden Fällen):<br />
4p → He + 2β +<br />
(8.127)<br />
allerdigs im Vergleich zur pp-Kette mit einer Wärmetönung von Q(γ) = 25.03 MeV und Energieverlust<br />
durch Neutrinos von Q(ν) = 1.7 MeV.<br />
Für <strong>die</strong> Energieerzeugungsrate des C-N-O Zyklus erhalten wir<br />
˙ɛ(ρ, T ) = 8.71 · 10 27 ρXHXCNOy 2 e −152.28y F(x) erg g −1 s −1<br />
dabei haben wir zur Abkürzung<br />
F(x) = 1 + 2.7 · 10 −2 x 1/3 − 7.78 · 10 −3 x 2/3 − 1.49 · 10 −4 x<br />
+2.61 · 10 −5 x 4/3 + 1.27 · 10 −6 x 5/3<br />
gesetzt.<br />
Obwohl mit t = 4 · 10 8 Jahren <strong>die</strong> Reaktionszeit für den C-N-O Zyklus 25mal kürzer ist als <strong>die</strong> der<br />
pp-Kette, macht <strong>die</strong> Energieerzeugungsrate bei der Sonne ˙ɛ(ρ,T) nur 10% aus, da <strong>die</strong> rel. <strong>Teil</strong>chenzahl<br />
Häufigkeit von C-N-O nur etwa 10 −3 beträgt (rel. Massen - Häufigkeit X(CNO)/X(H) = 0.02).<br />
Im C-N-O Zyklus werden Isotope erzeugt, z.B. in Glchg (8.127):<br />
12 C (p, β + ν) 13 C<br />
<strong>die</strong> später wichtig werden für <strong>die</strong> Erzeugung freier Neutronen.
8.2. STERNAUFBAU 405<br />
8.2.5 Sonnen-Neutrinos<br />
Vollständig geschrieben lautet <strong>die</strong> Fusions Bilanz<br />
4p → α + 2β + + 2νe ; Qtot = 26.5 MeV<br />
woraus ersichtlich wird, daß in jedem Fall <strong>die</strong> schwache Wechselwirkung involviert ist. Neutrinos<br />
müssen erzeugt werden, um den Erhaltungssatz der Leptonenzahl zu garantieren. Die bei der Fusion<br />
freigesetzte Energie beträgt pro beteiligtem Nukleon<br />
f = Qtot<br />
A<br />
f<br />
= 6.625 MeV ; δ = = 7 · 10−3<br />
Ampc2 wobei δ = 0.7% der Massendefekt ist. Welche Energie Positron und Neutrino jeweils erhalten, kann<br />
allerdings nur <strong>die</strong> Theorie beantworten. Die Hauptreaktion ist<br />
2p → d + β + + νe ; Q = 1.44 MeV<br />
Die bei der Fusion gewonnene Energie ist der Massendefekt zwischen Deuteron und 2 Protonen, Q =<br />
1.44 MeV. Davon ist abzuziehen <strong>die</strong> potentielle Energie des Positrons, Epot ≈ 1 MeV, im Feld des<br />
Deuterons. Dieser letzte Beitrag ist unsicher. Es verbleiben etwa 0.52 MeV, <strong>die</strong> auf beide <strong>Teil</strong>chen<br />
gleich verteilt werden, also 0.26 MeV für das Neutrino. Da <strong>die</strong> pp-Reaktion zweimal durchlaufen<br />
wird, werden etwa 2.6% der Fusionsenergie in Form von Neutrinos abgestrahlt. Genauere Rechnungen<br />
ergeben, daß insgesamt etwa 3% der Sonnenleuchtkraft durch Neutrinos abgestrahlt werden sollten,<br />
davon auch hochenergetische über Nebenzweige.<br />
In der Sonne werden etwa ˙ Nν = 1.8 · 10 38 s −1 Neutrinos erzeugt. Man erwartet einen Neutrinofluß<br />
von 6.4·10 10 cm −2 s −1 aus der p-p-Reaktion, während für <strong>die</strong> energiereichsten Neutrinos der Fluß um 5<br />
Zehnerpotenzen kleiner ist. Diese Neutrinostrahlung der Sonne (s.u.) sollte messbar sein. Dazu laufen<br />
zur Zeit 4 Experimente, weitere sind in der Planung bzw. fast fertiggestellt:<br />
1. Das Chlorexperiment. Energieschwelle von 0.8 MeV.<br />
Seit mehr als 25 Jahren versucht Davis mit etwa 600 Tonnen Tetrachloräthylen (in der Homestake<br />
Mine, USA) Neutrinos nachzuweisen. Sein Ergebnis von fν = 2.55 ± 0.25 SNU widerspricht<br />
der theoretischen Vorhersage von 8 SNUs.<br />
2. KAMIOKANDE. Energieschwelle von 8 MeV.<br />
In 680 Tonnen reinstem Wasser (im einer Mine in den Japanischen Alpen) werden Cerenkov-<br />
Detektoren zum Nachweis relativistischer Elektronen, e + ν → e + ν, benutzt. Ergebnis (nach ><br />
1000 Tagen) fν(obs)/fν(theor) = 0.46. Nimmt man hingegen das Davis Experiment als Grundlage<br />
einer Extrapolation, dann heißt das fν(obs)/fν(extrap Davis) = 1.6.<br />
3. SAGE (im Kaukasus in Russland). Energieschwelle von 0.2 MeV.<br />
Ergebnis fν = 74 ± 14 SNU, erwartet 137 SNU.<br />
4. GALLEX (im Gran Sasso Tunnel, Italien). Energieschwelle von 0.2 MeV.<br />
Ergebnis fν = 79 ± 12 SNU.<br />
Drei der vier Detektoren benutzen radiochemische Methoden: Umwandlung und Extraktion chemischer<br />
Elemente. Sie sprechen spezifisch auf Elektron Neutrinos an. Das KAMIOKANDE Gerät ist ein<br />
echter astronomischer Detektor mit Richtungsabhängigkeit, Zeitauflösung und dem direkten Nachweis<br />
der Energie der Neutrinos.<br />
• LITERATUR (NEUTRINOS)<br />
J.N. Bahcall et al., Progress and prospects in neutrino astrophysics, Nature 375, 29 (1995)
406 KAPITEL 8. DIE SONNE ALS STERN<br />
Das Chlorexperiment<br />
Der Nachweis geht über <strong>die</strong> endotherme Reaktion (negatives Vorzeichen von Q)<br />
37<br />
17Cl (νe, β − ) 37<br />
18Ar Q = −0.814 MeV (8.128)<br />
wobei das (radioaktive) Argon aus 380 000 Litern (= 610 Tonnen) einer Reinigungsflüssigkeit (Tetrachloräthylen<br />
C2Cl4) extrahiert werden muß. Das Argon wandelt sich anschließend wieder in Cl um<br />
(K-Einfang):<br />
37<br />
18Ar (β − , νe) 37<br />
17Cl (8.129)<br />
• ANMERKUNG<br />
Wegen der Energieschwelle von 0.814 MeV kommt praktisch nur der pp3 Nebenzweig des pp-Zyklus zum Nachweis in<br />
Frage:<br />
3 He (α, γ) 7 Be(p, γ) 8 B(β + , ν) 8∗ Be(α) 4 He mit Eν ≤ 15.1 MeV<br />
Nur 0.015% der Gesamtrate über <strong>die</strong>sen Zweig kann nachgewiesen werden.<br />
Die Gesamtzahl nachgewiesener Neutino Reaktionen Nr ist dann für einen Fluß φ in der Zeit t (<<br />
Halbwertszeit von Ar, t1/2 = 35 Tage) für NCl Targetatome (etwa 10 31 ) bei einem Wirkungsquerschnitt<br />
σ:<br />
Nr = φ t NCl σ<br />
Für <strong>die</strong> Größe φσ hat man <strong>die</strong> Einheit SNU, solar neutrinoflux unit, gewählt: 1SNU = 10 −36 Neutrino<br />
Reaktionen per Targetatom per Sekunde (1 Argonatom pro Tag). Bisher beträgt <strong>die</strong> Rate etwa 2.55<br />
SNU statt der erwarteten 7.9 ± 2.6 SNU.<br />
Das Chlorexperiment wird ergänzt durch das analoge Iridiumexperiment:<br />
127 Ir (β − , νe) 127 Xe<br />
welches höhere Zählraten liefern soll.<br />
KAMIOKANDE<br />
Nachgewiesen werden Neutrinos aus der pp3-Kette.<br />
7 Be (β − , γ) 7 Li(p, α) 4 He<br />
in (mittlerweile 50 000 Tonnen reinem Wasser über den Cerenkov Effekt.<br />
Die Galliumexperimente<br />
Alternativ zu Chlor kann man Gallium als Detektormaterial verwenden, mit der Nachweisreaktion:<br />
71 Ga (ν, β − ) 71 Ge Q = −0.23 MeV (8.130)<br />
Das SAGE (Soviet American Gallium) Experiment benutzt 60 Tonnen (flüssiges metallisches Gallium),<br />
das GALLEX (beteiligte Nationen: D, F, I, USA, Israel) 30 Tonnen Galliumchlorid.<br />
Ewartet werden 132 SNUs, was einer Rate von 20 Ge Atomen in 5 Monaten bei 30 Tonnen Ga entspricht<br />
(also 1 po 11 Tage, der Zerfallszeit von Ge).
8.3. ENTWICKLUNG DER SONNE 407<br />
Status der Experimente<br />
Bisher wurden systematisch zu wenige Neutrinos gefunden. Als Erklärung wird diskutiert: Oszillationen<br />
massiver Neutrinos. Der Mikheyev-Smirnov-Wolfenstein Effekt liefert im Innern der Sonne eine<br />
Umwandlung der Elektron-Neutrinos in Tau- bzw. Myon-Neutrinos. Diese werden im Experiment<br />
nicht nachgewiesen. Damit das möglich ist müßen alle Neutrinosorten massiv sein. Die experimentellen<br />
Daten fordern eine Massendifferenz, ∆m < 10 −3eV , zwischen Elektron– und Myon–Neutrino.<br />
Über <strong>die</strong> absolute Masse liefern <strong>die</strong> Experimente keine Aussage.<br />
Experimente der Zukunft<br />
Das Sudbury Neutrino Observatorium (SNO) in Canada (Ontario) befindet sich in einer besonders tief<br />
gelegenen Nickel Mine und benutzt Schwerwasser zum Nachweis<br />
d + νe → p + p + e (8.131)<br />
d + νx → p + n + νx<br />
(8.132)<br />
Die Energieschwelle ist 5 MeV.<br />
Gleiches gilt für Super-KAMIOKANDE, das Nachfolge Gerät zu KAMIOKANDE, mit 50 000 Tonnen<br />
ultra reinem Wasser. Die erwartete Zählrate beträgt 10 pro Tag, eine 30fache Steigerung der bisherigen<br />
Empfindlichkeit.<br />
8.3 Entwicklung der Sonne<br />
• DEFINITION (CHEMISCHE ZUSAMMENSETZUNG DER INTERSTELLAREN MATERIE)<br />
Zum Nachschlagen:<br />
Mit Yi bezeichnen wir das <strong>Teil</strong>chenzahl - Verhältnis der Spezies i = H, He, Metalle bezogen auf <strong>die</strong> Gesamt - <strong>Teil</strong>chenzahl<br />
N im Volumen V der interstellaren Materie (ISM).<br />
Yi = Ni<br />
=<br />
Ntot<br />
ni<br />
ntot<br />
(8.133)<br />
und mit Xi entsprechend das Massen - Verhältnis der Spezies i<br />
Beispiele:<br />
Xi = ρi<br />
ρtot<br />
(8.135)<br />
Metalle �<br />
i=H,He<br />
Metalle �<br />
i=H,He<br />
1. Das primordiale Verhältnis (Urknallmaterie) ist:<br />
XH = 0.75, XHe = 0.25, XMetalle = 0. Letzterem entspricht YHe = 0.08.<br />
2. In den Wolken unserer Galaxie gilt:<br />
XH = 0.63, XHe = 0.35, XMetalle = 0.01 und XStaub = 0.01.<br />
3. Die Sonnenphotosphäre hat: XH = 0.69, XHe = 0.29, XMetalle = 0.02.<br />
Yi = 1 (8.134)<br />
Xi = 1 (8.136)<br />
Strahlung in der ISM:<br />
1 µ = 1 Mikrometer = 10 −4 cm. Wiensches Gesetz: T3λ−4 = 2.9.<br />
Der Gesamtdruck im Stern ist <strong>die</strong> Summe aus dem kinetischen Druck der <strong>Teil</strong>chen Pkin und dem Druck der Photonen<br />
Pphot:<br />
P = ρ<br />
˜µmH<br />
kT + a 4<br />
T<br />
3<br />
wobei ˜µ das mittlere Molekulargewicht ist. Die innere Energie ist<br />
U = 3<br />
2 Pkin + 3Pphot = 3ρ<br />
kT + aT<br />
2˜µmH<br />
4<br />
Energien (zum Umrechnen 1eV = 10 4 K):<br />
(8.137)
408 KAPITEL 8. DIE SONNE ALS STERN<br />
1. Staub: Eevap = 0.1 eV<br />
2. H2 : Edis = 4.5 eV<br />
3. H : Edis = 13.6 eV<br />
4. He : Edis = 24.6 + 54.4 = 79 eV<br />
Leuchtkraft von Staub, L, optisch dünner Fall:<br />
1. D : Efus = 0.1 KeV<br />
2. C : Efus = 0.5 KeV<br />
3. pp : Efus = 1 KeV<br />
4. CNO: Efus = 2 KeV<br />
LStaub = (nHV YStaub)(σT 4 Staub) (8.138)<br />
8.3.1 Vorbemerkungen<br />
Heute werden (in unserer Galaxie) Sterne hauptsächlich in dichten Wolken geboren, welche aus Material<br />
bestehen, welches selbst wieder in Sternen gekocht wurde. Wie wir aus Beobachtungen von<br />
Molekülwolken wissen, ist das Hauptausgangsmaterial heute in unserer Galaxie Wasserstoff, H, und<br />
Helium, He, mit einer Beimischung von schwereren Elementen, wie C, N, O mit etwa jeweils 10 −3<br />
Massenanteil und mit bis zu 1% Staub. Die numerische kosmische Häufigkeit von Fe und Si beträgt<br />
etwa 3·10 −5 , was einer Massenhäufigkeit von ebenfalls etwa 1:1000 entspricht.<br />
Typische Werte (in den Wolken unserer Galaxie) sind:<br />
XH = 0.63, XHe = 0.35, XMetalle = 0.01 und XStaub = 0.01.<br />
Insgesamt beläuft sich damit der Anteil der Metalle (nach Verdampfen des Staubs bei Bildung des<br />
Sterns) also auf 2%, was in etwa auf das Ausgangsmaterial der Sonne (Kometen und Photosphäre)<br />
zutrifft. Auf <strong>die</strong> Masse bezogen enthält der Staub ebenso viel Materie wie alle Moleküle mit Metallen<br />
(also bis auf H2).<br />
Der Wasserstoff in Molekülwolken ist praktisch vollständig im molekularen Zustand, wie man aus dem<br />
Fehlen der 21-cm Linie schließen kann. CO ist mit Edis = 11.1 eV (und Eel = 11.3 eV) Bindungsenergie<br />
das stabilste (und wahrscheinlich deshalb nach H2 das häufigste Molekül. Der numerische Anteil<br />
beträgt [CO]/[H2] ≈ 8 · 10 −5 . Moleküle (mit permanentem Dipolmoment wie CO und H2O) sind wichtig<br />
zum Kühlen, wenn der Staub verdampft ist und bei niedrigen Temperaturen (da Staub proportional<br />
zu T 4 kühlt).<br />
• BEISPIEL (ORION)<br />
Eine genauere Analyse an der Orion Molekülwolke (C. Kramer 1992, 2001) hat folgendes Bild ergeben. Das Wolkenmaterial<br />
ist stark geklumpt (und damit ist sogar C 13 O optisch dick). In der Sternentstehungsregion NGC 2024 in Orion B ist<br />
ungefähr ein Drittel molekularer Kohlenstoff (in Form vom Hauptisotopomer 12 C 16 O), ein Drittel ist C und C + und ein<br />
Drittel Staub.<br />
Zur Untersuchung von Molekülwolken benutzt man (das dann noch optisch dünne, 67mal seltenere) 13 CO, in dichten<br />
Wolkenkernen benutzt man <strong>die</strong> seltenen C 18 O, CS oder NH3. Es gilt etwa<br />
[ 13 CO]/[C 18 O] ≈ 10 ; [ 12 C 16 O]/[C 18 O] ≈ 500<br />
und für Ammoniak ist das numerische Verhältnis zu CO etwa 10 3 . Bei massiven Wolken wie Orion erhält man für <strong>die</strong><br />
selteneren Moleküle etwa eine Jupitermasse.<br />
Für Orion gilt <strong>die</strong> empirische Relation<br />
N(H2) = 4.7 · 10 5 N( 13 CO)<br />
für <strong>die</strong> Säulendichte N (vom optisch dünnen Isotopomer 13 CO).<br />
Die Lebensdauer auch der massivsten Wolken beträgt nur wenige zig Millionen Jahre, es handelt sich<br />
also um astronomisch junge Gebilde. Wie <strong>die</strong> kalten Gaswolken (T = 10 o K) mit Dichten von einigen<br />
10 2 bis 10 7 cm −3 selbst entstehen und in so kurzer Zeit kühlen ist nicht klar. Da in ihnen Wasserstoff<br />
hauptsächlich in Form von Molekülen vorkommt, trägt <strong>die</strong> Hauptmasse der Wolke nicht zur Kühlung
8.3. ENTWICKLUNG DER SONNE 409<br />
bei. Gleiches gilt für das atomare He. Solche Verdichtungen sind wahrscheinlich durch Stöße von<br />
Wolken miteinander oder durch Schockwellen massiver Sterne in den Spiralarmen entstanden, gekühlt<br />
werden sie durch Staub, der selbst wieder in massiven Sternen erzeugt wird und in Form eines Sternwindes<br />
an <strong>die</strong> ISM abgegeben wird.<br />
Wie Sternentstehung in den Wolken iniziiert wird ist ebenfalls unklar. Falls einmal ein Anfang gemacht<br />
ist, kann Sternentstehung durch bereits entstandene Sterne getriggert werden. Zunächst kühlt ein marginal<br />
stabiler Wolkenklumpen durch Staub so stark ab, bis der Klumpen im freien Fall kollabiert, der<br />
Druck spielt (wegen der Kühlung durch Staub) dabei keine Rolle. Die Zeitskala ist tff = 5 · 107 n −1/2<br />
H<br />
GM 2<br />
yr. Die gewonnene Gravitations - Energie beträgt am Ende (R = R⊙) etwa U = R = 4 · 1048 erg.<br />
In der Anfangsphase beträgt <strong>die</strong> Leuchtkraft damit L = U/tff weniger als <strong>die</strong> heutige Leuchtkraft der<br />
Sonne, L⊙ = 3.9 · 1033 erg s−1 , zwischenzeitlich werden mehr als 100L⊙ erreicht.<br />
Die Kontraktion wird beim Radius R gestoppt, wenn <strong>die</strong> Gaskugel für Staub im IR optisch undurchsichtig<br />
wird, τopt = 1. Einer Massenhäufigkeit von XStaub = 0.01 entspricht eine numerische Häufigkeit<br />
von YStaub = 10−13 . Der Radius s eines Staubkorns liegt zwischen einigen 0.1 bis zu 1 µ. Streuung<br />
und Absorption können mit der Mieschen Theorie modellmäßig behandelt werden, <strong>die</strong> Unsicherheiten<br />
sind allerdings groß. Wir übernehmen als Ergebnis den geometrischen Querschnitt, korrigiert für <strong>die</strong><br />
Wellenlängenabhängigkeit (ähnlich der Rayleigh Streuung):<br />
σStaub = πs 2<br />
� 4<br />
�<br />
s<br />
λ<br />
; λ > s (8.139)<br />
πs 2<br />
; λ < s<br />
Damit wird optische Strahlung vollständig absorbiert und bei größeren Wellenlängen wieder abgestrahlt<br />
(mit Entropievergrößerung!).<br />
Die Emission, d. h. <strong>die</strong> Leuchtkraft von Staub, L, ist im optisch dünnen Fall gegeben durch <strong>die</strong> Summe,<br />
NStaub = nV YStaub, aller Einzelstrahler im Volumen V . Ein Staubkorn strahlt genähert wie ein<br />
Planckscher Strahler, l = 4πs 2 σT 4 .<br />
4π<br />
LStaub = (nYStaub<br />
3 R3 )(4πs 2 σT 4 Staub) < 4πR 2 σT 4 Staub<br />
(8.140)<br />
Die Leuchtkraft L aus dem Volumen V = (4π/3)R 3 ist dabei begrenzt durch <strong>die</strong> Strahlungsformel für<br />
den schwarzen Körper (der optisch dicke Fall).<br />
Wir beginnen mit T = 10K, n = 10 2 cm −3 und R = 1 Parsec. Die optische Tiefe<br />
τopt = nHYStaubσStaubR<br />
beträgt dann nur τopt = 10 −10 . Bei der Kompression skaliert nR wie R −2 . Das Medium wird also bei<br />
der Kompression optisch dicker. Es wird undurchsichtig, τopt = 1, bei einer Kompression von 10 5 .<br />
Der Radius ist mit R = 3 · 10 13 cm doppelt so groß wie <strong>die</strong> Erdbahn. Da zunächst nur das Innere<br />
undurchsichtig ist, wird <strong>die</strong>ses aufgeheizt, <strong>die</strong> äusseren Schichten bleiben kalt.<br />
Die weitere Kontraktion verläuft im Innern mit der Helmholtz-Kelvin Zeitskala, d. h. bei konstanter<br />
Leuchtkraft<br />
τHK = E<br />
L<br />
= GM 2<br />
2RL<br />
(8.141)<br />
während außen der Kollaps fortschreitet, wobei <strong>die</strong> Kühlung so lange hauptsächlich durch Staub bewirkt<br />
wird, wie <strong>die</strong>ser noch nicht verdampft ist (T = 1000 K). Die Materie wird inhomogen. Nacheinander<br />
wird nun Wasserstoff dissoziiert (ab T = 2000 K), ionisiert (ab T = 1 · 10 5 K) und schließlich<br />
wird Helium ionisiert. Diese Phasen sind instabil, es erfolgt jeweils ein Kollaps.
410 KAPITEL 8. DIE SONNE ALS STERN<br />
Wenn <strong>die</strong> Temperatur im Innern etwa 5 · 10 5 K erreicht hat zündet der Protostern erstmals: alles, was an<br />
1. Deuterium (ab 0.5 · 10 6 K)<br />
D (p, γ) 3 He<br />
2. Kohlenstoff (ab 1 · 10 6 K)<br />
12 C (p, γ) 13 N (e + ν) 13 C (p, γ) 14 N<br />
3. Lithium (ab 3 · 10 6 K)<br />
Li (p, γ) 4 He + 4 He<br />
im Ausgangsmaterial vorhanden ist, wird verbrannt. Der Stern ist voll konvektiv, evtl. sogar explosiv.<br />
Kohlenstoff kann später im C-N-O Zyklus wiederhergestellt werden (auf Kosten von N und O), Lithium<br />
nicht.<br />
Realistische Rechnungen hierzu wurden erstmals von Hayashi durchgeführt. In seinem Modell geht das<br />
ganze mit Schockwellen einher: <strong>die</strong> Schockwelle läuft nach außen und heizt dabei <strong>die</strong> äußeren Bereiche<br />
des Sterns auf, sodaß der Wasserstoff dissoziiert und ionisiert wird (erreichte Temperatur T > 10 5 K).<br />
Dies wird als ’core bouncing’ bezeichnet. Im Zentrum sitzt jetzt ein akkretierender Protostern. Dieser<br />
ist konvektiv.<br />
Wenn <strong>die</strong> Temperatur im Innern etwa 10 7 K erreicht hat, zündet der Protostern das Wasserstoffbrennen<br />
und wird zu einem sog. Embryostern. Fällt auf den Stern von außen keine Materie mehr herunter, so<br />
wird er zu einem Hauptreihenstern, einem Stern, der H zu He verbrennt.<br />
• ANMERKUNG (T TAURI STERNE)<br />
Zwischen Embryostern und voll ausgebildetem Hauptreihenstern liegt <strong>die</strong> Phase der T Tauri Sterne. Dies sind eruptive<br />
Veränderliche (Zeitskala für einen Ausbruch etwa 50 Tage), <strong>die</strong> nur in Molekülwolken und dorts stets in Assoziationen<br />
(also mit vielen ähnlichen Objekten) vorkommen. Das Alter beträgt etwa 1 Myr. Im HR Diagramm liegen <strong>die</strong> T Tauri<br />
Sterne etwa 3 m oberhalb der Hauptreihe (im HR- Diagramm).<br />
Auf der Hauptreihe verbleibt der Stern bis etwa 12% seines Wasserstoffvorrats aufgebraucht sind. Für<br />
<strong>die</strong> Sonne sind das etwa 9 Gyr, wovon <strong>die</strong> Hälfte um sind.<br />
8.3.2 Protosterne<br />
Von der Fragmentierung einer Wolke bis zum Zünden des Wasserstoffbrennens im Innern des Sterns,<br />
werden verschiedene Phasen durchlaufen. Neben der Masse spielen dabei Drehimpuls und Magnetfeld<br />
eine zentrale Rolle, <strong>die</strong> wir hier zunächst ignorieren.<br />
• ANMERKUNG (STABILITÄTSÜBERLEGUNGEN)<br />
Eine Gaswolke wird instabil, falls <strong>die</strong> Gravitationsenergie Egrav ≈ −GM 2 R −1 <strong>die</strong> thermische Energie Ekin ≈ NkT<br />
übersteigt.<br />
|Egrav| ≈<br />
2 GM<br />
> NkT ≈ Ekin<br />
R<br />
Für eine Wolke mit vorgegebener Masse und mit Dichte ρ = mn gibt es damit stets einen Radius, RJ, unterhalb dessen<br />
das Gas instabil bezüglich Klumpung wird. Je nachdem, ob der Druck Pext = P (R) an der Oberfläche verschwindet oder<br />
nicht, erhält man leicht unterschiedliche Kriterien.<br />
Das Jeans–Kriterium<br />
Aus dem Virialsatz Egrav + 2Ekin = 0, oder<br />
−GM 2<br />
+ NkT = 0 (8.142)<br />
R
8.3. ENTWICKLUNG DER SONNE 411<br />
folgt (mit M = ˜µmHN) für <strong>die</strong> Jeanslänge (d. h. für den Jeans Radius RJ)<br />
� �1/2 15kT<br />
RJ =<br />
4πG˜µmHρ<br />
(8.143)<br />
Die hier (implizit) auftretende Größe kT/m ist i. w. das Quadrat der Schallgeschwindigkeit. Dies kann man auch so<br />
interpretieren: geht man von konstanter Masse und Temperatur aus, dann gibt stets es einen kritischen Radius (den Jeans<br />
Radius RJ) bei dessen Unterschreitung das Gas instabil wird. Die dazu gehörende kritische Masse (<strong>die</strong> Jeans Masse MJ)<br />
ist gegeben durch<br />
� �1/2 � �3/2 1 kT<br />
MJ ≈<br />
ρ G<br />
Zum Vergleich einige Beispiele für Gas in unserer Galaxis:<br />
1. Interstellares Medium: T � 10000 K, n � 1 cm −3<br />
MJ = 10 7 M⊙ und RJ = 500 pc<br />
2. Medium der Spiralarme: T � 100 K, n � 100 cm −3<br />
MJ = 3 · 10 3 M⊙ und RJ = 4 pc<br />
3. Dunkelwolke: T � 10 K, n � 1000 cm −3<br />
MJ = 10M⊙ und RJ = 1 pc<br />
4. Protostern: T � 10 K, n � 10 7 cm −3 , ρ � 10 −17 g cm −3<br />
MJ = 1M⊙ und RJ = 0.1 pc<br />
Das Ebert-Bonnor–Kriterium<br />
Falls der Druck Pext = P (R) an der Oberfläche nicht mehr verschwindet, dann lautet dem Virialsatz Egrav + 2Ekin =<br />
4πR 3 Pext, oder<br />
−GM 2<br />
R + NkT = 4πR3 Pext (8.144)<br />
Falls also der Stern in einem Medium sitzt, das auf ihn drückt, dann setzt Instabilität bereits ein, falls:<br />
Pext = 1.1G −3 M −2 (kT/m) 4<br />
V = 0.22(GmM/kT ) 3<br />
(8.145)<br />
(8.146)<br />
3. Das Hoyle-Rees Stabilitätskriterium für Fraktionierung<br />
Dies ist ein dynamisches Kriterium, welches zwei Leuchtkräfte vergleicht: <strong>die</strong> beim Kollaps freigesetzte Gravitationsenergierate<br />
2 GM<br />
Lgrav ≈<br />
R (Gρ)1/2 ≈ G3/2 M 5/2<br />
R 5/2<br />
und <strong>die</strong> maximale von Staub, L, optisch dicker Fall (T = T 4 Staub ):<br />
(8.147)<br />
LStaub = f(4πR 2 )(σT 4 ) ; f ≪ 1 (8.148)<br />
Gleichsetzen der beiden Leuchtkräfte liefert eine kritische Masse<br />
� �1/5<br />
3 64π<br />
Mrad =<br />
3 f 2 (σT 4 ) 2R9 G3 (8.149)<br />
Die Fragmentierung stoppt, falls <strong>die</strong>se Masse stabil ist, d. h. kleiner als <strong>die</strong> Jeans Masse MJ. Wir setzen also Mrad = MJ<br />
und eliminieren R vermittels 4πρR 3 = 3M (nicht R = RJ). Das liefert <strong>die</strong> untere Grenzmasse für Fragmentierung, Mfrak<br />
In Zahlen<br />
Mfrak =<br />
� π 9<br />
9<br />
�1/4<br />
1<br />
(σG3 −1/2<br />
f<br />
) 1/2<br />
Mfrak = 0.02M⊙f −1/2 T 1/4<br />
� �9/4 ρk<br />
T<br />
m<br />
1/4<br />
(8.150)<br />
(8.151)
412 KAPITEL 8. DIE SONNE ALS STERN<br />
Die Kollapsphase<br />
Allen Sternen gemeinsam ist eine anfängliche Kollapsphase. Ob <strong>die</strong> Bedingungen dafür vorliegen,<br />
kann mit dem Jeans–Kriterium überprüft werden. Dabei ist in einfachster Näherung <strong>die</strong> Bewegungsgleichung<br />
für den freien Fall im Eigenfeld<br />
¨r = a = − Gm(r0)<br />
r 2<br />
(8.152)<br />
zu lösen. Die Bewegung ist eine homologe Kontraktion: r(t) = f(t)r0, <strong>die</strong> Dichte bleibt homogen und<br />
<strong>die</strong> Masse m(r) = m(r0) ist konstant. Dabei ist m(r0) <strong>die</strong> Masse innerhalb des Radius r(0) = r0 zum<br />
Zeitpunkt t = 0 ist. Die Lösung ist eine Zykloide und lautet in Parameterform für verschwindende<br />
Startgeschwindigkeit ˙r0 = 0<br />
cos 2 ζ = f(t) ; ζ + 1<br />
�<br />
sin 2ζ =<br />
2<br />
8πGρ<br />
t<br />
3<br />
(8.153)<br />
wobei an der Dichte der Index weggelassen wurde: ρ = ρ0 = const. Nach ζ = π ist <strong>die</strong> Masse<br />
2<br />
kollabiert, <strong>die</strong> Zeit für <strong>die</strong>sen freien Fall im Eigenfeld beträgt (bis in <strong>die</strong> Singularität)<br />
�<br />
3π<br />
tff =<br />
32Gρ<br />
(8.154)<br />
Für <strong>die</strong> Sonne wählen wir zur Illustration obige Anfangswerte einer Dunkelwolke (mit anschließender<br />
Bildung eines Protosterns nach der Fragmentierung).<br />
Anfangsdichte: ρ ≈ 10 −22 g cm −3 ; Masse: MJ = 10M⊙ ;<br />
Radius: R = 1 pc ; freie-Fall-Zeit: tff = 10 Myr.<br />
Dieser Kollaps setzt nach dem Virialsatz etwa <strong>die</strong> Hälfte an gravischer Energie frei, <strong>die</strong> in kinetische<br />
Energie geht, falls sie nicht abgestrahlt werden kann. Die andere Hälfte geht in innere Energie.<br />
Anfänglich ist das reine thermische Energie, d. h. das Gas wird erwärmt.<br />
Es folgen das Verdampfen des Staubs, <strong>die</strong> Dissoziation der Moleküle und <strong>die</strong> Ionisierung des Gases.<br />
Letztere Prozesse können das Erwärmen des Gases verzögern.<br />
• FORMELN (ZUM UM- UND NACHRECHNEN)<br />
1 eV = 11605 K; Q Wärmetönung; I: Q in eV<br />
e −Q/kT = 10 −I5040/T<br />
Die thermische de Broglie Wellenlänge<br />
λdB =<br />
� h 2<br />
2πmkT<br />
beträgt für Wasserstoff, λH<br />
(8.155)<br />
λH = 1 · 10 −10 T −1/2<br />
4 cm. (8.156)<br />
Für hohe Temperaturen liefert <strong>die</strong> Bedingung für das chemische Gleichgewicht für <strong>die</strong> Dissoziation von H2 (relativistisch,<br />
zum merken: Q = c 2 (2mH − mH2 ))<br />
H2 ⇐⇒ H + H ; Q = 4.5 eV (8.157) µH2 = 2µH + Q (8.158)
8.3. ENTWICKLUNG DER SONNE 413<br />
mit (nichtrelativistisch)<br />
e −βµ = 1<br />
N Ztrans · Zrot · Zvib · Zel = 1<br />
nλ<br />
Wir ignorieren <strong>die</strong> inneren Anregungen, Z ′ = 1, und erhalten <strong>die</strong> Saha Formel in der Form<br />
nH2 =<br />
�<br />
h 2<br />
2πmHkT<br />
�3/2<br />
n 2 H e Q/kT<br />
3 Z′<br />
(8.159)<br />
(8.160)<br />
Ausgehend von tiefen Temperaturen, wo praktisch alles in molekularer Form ist, n = nH2 , setzen wir für den Dissoziationsgrad<br />
x = nH/n. Zu lösen ist dann <strong>die</strong> Gleichung<br />
x 2 = (nλ 3 )e Q/kT<br />
Für T = 1000K liefert das mit I = 4.5 eV<br />
x = n10 −18 ≪ 1<br />
d. h. x = (nλ 3 ) 1/2 10 I·5040/2T<br />
Analoge Überlegungen gelten für <strong>die</strong> Ionisation.<br />
Die Kontraktionsphase<br />
Die Kontraktion verläuft im Innern mit der Helmholtz-Kelvin Zeitskala<br />
τHK = E<br />
L<br />
= GM 2<br />
2RL<br />
(8.161)<br />
für <strong>die</strong> Sonne sind das etwa τ = 2 Myr, bei einer Anfangsleuchtkraft von L = 100L⊙ und einer<br />
Temperatur von T = 2300K und einem Radius von R = 60R⊙. Wie erstmals von Hayashi anhand<br />
umfangreicher Rechnungen gefunden wurde, verläuft <strong>die</strong> Kontraktionsphase mit voll konvektivem H-<br />
Brennen im HR- Diagramm fast parallel zur Ordinatenachse (also bei konstantem T ).<br />
Allgemein kann man folgende Relation ableiten für <strong>die</strong> Hayashi-Linie<br />
Teff = 2 · 10 3<br />
� �0.194 � �0.058 M R<br />
M⊙ R⊙<br />
(8.162)<br />
Als Annahme geht ein, daß das Innere durch eine Polytrope zum Index 5/3 beschrieben werden kann.<br />
An <strong>die</strong>se wird eine graue Atmosphäre mit realistischer Opazität angeschlossen. Diese bestimmt <strong>die</strong><br />
maximal mögliche Leuchtkraft. Für massearme Sterne wie <strong>die</strong> Sonne wird <strong>die</strong> Opazität ganz wesentlich<br />
durch Spurenelemente wie Na (um Elektronen zu erhalten) und durch ein Radikal (H − ) bestimmt. Die<br />
Opazität ist dann von der Form<br />
k = k0ρ a T b<br />
; a = 1 ; b > 6<br />
d. h. extrem temperaturabhängig (Saha Formel der Ionisation). Quasi statische, voll konvektive Sterne,<br />
d. h. Sterne auf der Hayashi-Linie, haben für gegebene Masse <strong>die</strong> maximal mögliche Leuchtkraft, wird<br />
<strong>die</strong>se überschritten kann der Stern nur noch reagieren indem er dynamisch wird.<br />
Nach etwa 10 Myr ist <strong>die</strong> Kontraktionsphase mit dem Ausbilden eines H-He Kerns beendet. Dabei<br />
nimmt <strong>die</strong> Leuchtkraft, L ∝ R 2 T 4 eff, mit schrumpfendem Radius stark ab.
414 KAPITEL 8. DIE SONNE ALS STERN<br />
8.3.3 Die Ursonne<br />
Die chemische Zusammensetzung der Sonne heute zeigt, daß Deuterium und Lithium fehlen. Diese<br />
wurden bereits in der Kontraktionsphase nach<br />
und<br />
D + p → 3 He + γ<br />
7 Li(p, α) 2 4 He<br />
zerstört. Dies ist möglich, da beide eine niedrige Schwellenenergie besitzen. Damit könn D und Li sehr<br />
effektiv zerstört werden. Beide Elemente sind wichtig für braune Zwerge, wo sie eventuell <strong>die</strong> einzige<br />
Energiequelle darstellen.<br />
Die chemische Zusammensetzung der Ursonne (Alter Null: ZAMS = Zero Age Main Sequence) kann<br />
man (im Prinzip) aus den Kometen (in der Oortschen Wolke) erhalten. Man kann auch <strong>die</strong> heutige Sonne<br />
zeitlich zurückentwickeln (auf dem Komputer). Man erhält so ein Alter von 4.5 Gyr. Die Leuchtkraft<br />
der Ursonne war 25% geringer und der Radius betrug 12% weniger als heute:<br />
R(ZAMS) = 0.886R⊙ ; L(ZAMS) = 0.725L⊙<br />
Am Ende der Hauptreihenentwicklung, nach 10 Gyr, ist <strong>die</strong> Sonne etwa doppelt so groß<br />
R(TAMS) = 2R⊙ ; L(TAMS) = 2.5L⊙<br />
und mehr als doppelt so leuchtkräftig (<strong>die</strong> Temperatur nimmt ab). Im Zentrum hat sich eine Kugel<br />
aus Helium gebildet. Die Materie ist hier entartet, hie hat sich bereits ein Weißer Zwerg gebildet. Sein<br />
Radius beträgt nur noch 1% des Ursprungsradius und ist mit dem der Erde vergleichbar. Wasserstoff<br />
brennt jetzt nur noch am Rand, später in einer Schale oberhalb des Kerns.<br />
• ZUSATZ (ANALYTISCHE MODELLRECHNUNG)<br />
Das Lanesche Gesetz liefert den Zusammenhang zwischen Temperatur, Masse und Dichte<br />
T = 4 · 10 6 � �2/3 M<br />
˜µ ρ<br />
M⊙<br />
1/3 K (8.163)<br />
mit dem mittleren Molekulargewicht ˜µ. Die Strahlungstransportgleichung lautet (für den Wärmestrom jW = bzw. <strong>die</strong><br />
Leuchtkraft L)<br />
4πr 2 jW = L(r) = − 4πr2c daT<br />
3ρκ<br />
4<br />
dr<br />
woraus für <strong>die</strong> Gesamtleuchtkraft am Rande r = R der Sonne<br />
(8.164)<br />
L(R) = 4πRc<br />
3ρκ (aT 4 ) (8.165)<br />
(mit geeigneten Mittelwerten) folgt.<br />
Kramers Opazität ist für Sterne wie <strong>die</strong> Sonne massgeblich (Photoeffekt und Bremsstrahlung) und <strong>die</strong> Formel für <strong>die</strong><br />
Opazität lautet<br />
Das führt auf<br />
κ = κoρT −7/2<br />
L = M 5.33 ρ 0.117 µ 7.5<br />
κo<br />
(8.166)<br />
(8.167)
8.3. ENTWICKLUNG DER SONNE 415<br />
8.3.4 Das Ende der Sonne<br />
Das zukünftige Schicksal der Sonne kann aus Beobachtung (an Sternen, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Entwicklung der Sonne<br />
bereits hinter sich haben) und aus Modellrechnungen (<strong>die</strong> an Beobachtungen anschließen, bei denen<br />
der Stern wieder stetig brennt) deduziert werden. Der wichtigste Parameter, der Massenverlust, ist<br />
allerdings nicht direkt bestimmbar, sodaß z. B. <strong>die</strong> Endmasse der Sonne nicht genau angegeben werden<br />
kann. Man schätzt, daß <strong>die</strong> Sonne noch 40% ihrer Masse verlieren wird, sodaß sie zum Schluß (als<br />
Weißer Zwerg) noch 0.6M⊙ hat.<br />
Phasen starken Massenverlusts sind begleitet von Phasen konvektivem Umrühren des Inneren, dadurch<br />
gelangen neu erzeugte chemische Elemente an <strong>die</strong> Oberfläche und von dort in <strong>die</strong> ISM (Interstellare<br />
Materie). Zirkumstellare Hüllen findet man um solche Sterne im Rote Riesen Stadium.<br />
Das H Brennen (nach der TAMS) verläuft in einer Schale praktisch bereits unter Entartung, der Druck<br />
stammt nicht mehr vornehmlich aus der Thermik (sondern vom Pauli Prinzip für Elektronen). Nach<br />
etwa 13 Gyr sieht <strong>die</strong> Sonne wie folgt aus<br />
R = 100R⊙ ; L = 2000L⊙ ; T = 0.7T⊙ = 4000 K<br />
sie befindet sich auf dem Weg in <strong>die</strong> Roten Riesen Phase. Dabei tritt ein extremer Massenverlust auf<br />
(Super Sternwind). Diese Phase ist instabil und kann deshalb nicht mit Komputermodellen erfasst<br />
werden (zu viele Schwingungen und Explosionen). Beobachtung und Statistik muß hier weiter helfen.<br />
Nach Zünden des He Brennens mit der Triple α−Reaktion<br />
α (2α, γ) 12 C<br />
(Zündtemperatur T3α ≤ 8 · 10 7 K, notwendig involvierte Masse 0.5M⊙) im Zentrum entwickelt sich<br />
der Stern je nach Masse, zum Roten Riesen bzw. zum Roten Überriesen. Die Leuchtkraft für Sterne<br />
von einer Sonnenmasse beträgt beim He Blitz (Zünden des He Brennens) etwa<br />
L ≈ 6 · 10 3 L⊙. . .3 · 10 4 L⊙<br />
Sterne von etwa 5M⊙ können dabei vollständig zerrissen werden. Die Sonne benötigt etwa 1 Gyr nach<br />
Verlassen der Hauptreihe bis zum He Blitz (ein Stern von 2.25M⊙ benötigt dagegen nur 10 Myr).<br />
Dnach brennt sie zunächst stetig mit etwa 50L⊙, dann wird sie wieder instabil und pulsiert.<br />
• BEISPIEL (MIRA)<br />
Ein Beispiel für einen Roten Riesenstern mit extremen Daten hanen wir mit Mira Ceti (Klassifizierung M6e III) bereits<br />
kennengelernt.<br />
Seine Strahlung hat ihr Maximum im Infraroten bei 1µ, mit Schwankungen zwischen 0.69 µ (T = 2000 K) und 1.44 µ<br />
(T = 3000 K). Da das Maximum im Infraroten liegt, bekommt das Auge wenig von den eigentlichen Schwankungen mit,<br />
es sieht den Wienschen Ast.<br />
Dementsprechen groß ist der Radius. Er kann (als einer der ganz wenigen Sternra<strong>die</strong>n) interferometrisch bestimmt werden:<br />
R = 390R⊙ (also 2AE!).<br />
Mira Sterne sind normalerweise reich an O, es gibt aber auch C reiche Sterne. Die Pulsperioden sind lang: 60 bis 500 Tage.<br />
Die Massenverlustrate beträgt<br />
˙M = 10 19<br />
g s −1 = 10 −7 M⊙ yr −1<br />
Im Roten Riesen Stadium beginnt <strong>die</strong> Synthese von s-Elementen.<br />
Bei der Sonne schrumpft der Zentralkern weiter, sein Radius beträgt R ≈ 10 −2 R⊙), seine Materie<br />
besteht aus C und O. Der Kern ist praktisch ein Weißer Zwerg. Die Kühlung erfolgt jetzt mithilfe von<br />
Neutrinos, also sehr effektiv.<br />
Die Hülle dagegen ist riesig, sie ist konvektiv und besteht außen noch aus ursprünglichem H mit (nach<br />
Innen anschließender He Schale). Der Radius der Hülle beträgt etwa<br />
R ≈ 3 · 10 2 R⊙ = 2 · 10 13<br />
cm (8.168)
416 KAPITEL 8. DIE SONNE ALS STERN<br />
für einen Roten Riesen. Die einfache, semiempirische Formel von Reimers (1975)<br />
˙M = 4 · 10 −13 � � �M⊙ �<br />
L<br />
η<br />
M<br />
� �<br />
R∗<br />
M⊙ yr −1<br />
L⊙<br />
R⊙<br />
mit dem dimensionslosen Parameter η = 0.3 . . . 1. und mit R∗ : Abströmradius formen wir um zu<br />
˙M = 2 · 10 −6 �<br />
L<br />
η<br />
104 � �M⊙ �<br />
L⊙ M<br />
� �<br />
R∗<br />
M⊙ yr<br />
500R⊙<br />
−1<br />
Das Ende der Sonne ist ein Weißer Zwerg, der in einer Nova mit planetarem Nebel.<br />
Die verschiedenen Brennphasen<br />
Die anschließende Entwicklung sieht für massearme Einzelsterne (Masse M ≤ 1.5 M⊙) etwa folgendermassen<br />
aus:<br />
1. Extrem massearme Sterne mit 0.08 M⊙ ≤ M ≤ 0.26 M⊙<br />
Der Stern kommt über konvektives H-Brennen nicht hinaus, er endet als He Stern. Die Entwicklungsdauer<br />
überschreitet allerdings das Alter des Universums.<br />
2. Massearme Sterne im Bereich 0.27 M⊙ ≤ M ≤ 1.5 M⊙<br />
wozu auch <strong>die</strong> Sonne gehört. Ausbilden eines He Kerns mit H Schale. Nach H-Brennen erfolgt<br />
He Flash und He-Brennen. Ausbilden eines C Kerns mit He Schale. Nach massivem Massenverlust<br />
(unbeobachtet, indirekt über <strong>die</strong> Endprodukte geschlossen) Ende als weißer Zwerg in einer<br />
Nova mit planetarem Nebel.<br />
Wenn etwa 10% der Masse zu He verbrannt sind, beginnt das H Brennen außerhalb <strong>die</strong>ser Schale. Das<br />
Innere kühlt (vermittels Neutrinos) und das Zentrum ist nicht mehr der heißeste Ort im Stern. Wenn<br />
der ausgebrannte Kern eine kritische Masse (etwa 0.5M⊙) erreicht hat, erfolgt der He Flash (ein Blitz<br />
im Innern, der außen nicht zu sehen ist) unter entarteten Bedingungen (der Pauli Druck stammt von<br />
den Elektronen). Nach einigen 100 Jahren ist das He-Brennen im Zentrum dominierend. Das Brennen<br />
im Innern eines massearme Sterns ist allerdings zeitweise instabil und führt zu starker Pulsation mit<br />
Massenverlust. Der Stern wandert (je nach Stärke des Massenverlusts) auf dem horizontalen Ast des<br />
H-R-Diagramms hin und her.
Anhang A<br />
Datensammlung<br />
A.1 Astronomische Formeln<br />
A.1.1 Mittelwerte<br />
Die Oberfläche der Einheitskugel wird in Steradian gerechnet.<br />
Ω ∗ � �<br />
= Ω =<br />
2π�π<br />
0<br />
0<br />
sin θdθdφ<br />
Der Wert beträgt Ω ∗ = 4π sr (Steradian). Die Oberfläche F eines Sterns mit Radius R ist demnach<br />
F = 4πR 2<br />
Mittelwerte werden wie folgt gebildet:<br />
1. Linearer Dopplereffekt. Dabei ist vsini, <strong>die</strong> auf den Sehstrahl projezierte Geschwindigkeit, zu<br />
mitteln. Bei unbekanntem Winkel i und gleicher a priori Wahrscheinlichkeit (für <strong>die</strong> Inklination<br />
sini) ist<br />
< sin i > = 1<br />
4π<br />
der Mittelwert, oder<br />
< sin i > =<br />
π/2<br />
�<br />
0<br />
�2π<br />
�π<br />
0<br />
0<br />
sin 2 θdθdφ<br />
sin 2 θdθ = π<br />
4<br />
2. Kepler III. Bei der Massenbestimmung ist sin 3 i zu mitteln. Man setzt<br />
sin θ = 1<br />
2i (eiθ − e −iθ )<br />
potenziert, und erhält (mit den Pascalschen Dreieck für <strong>die</strong> Koeffizienten)<br />
< sin 3 i > =<br />
π/2<br />
�<br />
0<br />
sin 4 θdθ = 3π<br />
16<br />
(A.1)<br />
= 0.59 (A.2)<br />
417
418 ANHANG A. DATENSAMMLUNG<br />
A.1.2 Koordinatensysteme<br />
Der Index NGP = GP steht für Galaktischer (Nord) Pol. Seine Koordinaten im Äquatorialsystem<br />
(Rektaszension, Deklination) der Erde, (α, δ), sind für das Julianische Jahr 2000, in Grad<br />
αGP = 192.85948 ◦<br />
bzw. in Stunden und Grad<br />
; δGP = 27.12825 ◦<br />
αGP = 12 h 51 m ; δGP = 27 ◦ 7.7 ′<br />
Das Galaktische Zentrum (l = 0, b = 0) hat <strong>die</strong> Koordinaten<br />
oder<br />
αGZ = 17 h 45.6 m ; δGZ = −28 ◦ 56.2 ′<br />
αGZ = 266.405 ◦<br />
; δGZ = −28.936 ◦<br />
(A.3)<br />
(A.4)<br />
(A.5)<br />
(A.6)<br />
Der Winkel zwischen Himmelsnordpol (Polaris) und galaktischem Nordpol beträgt demnach im Jahr<br />
2000 γGP = 90 − δGP = 62.6 ◦ . Die galaktische Länge von Polaris lp beträgt lp = 123.932 ◦ .<br />
• FORMELN (KOORDINATENTRANSFORMATION)<br />
Die Koordinatentransformation von (α, δ) nach (l, p) lautet<br />
sin b = sin δGP sin δ + cos δGP cos δ cos(α − αGP ) (A.7)<br />
cos b sin(lCP − l) = cos δ sin(α − αGP ) (A.8)<br />
cos b cos(lCP − l) = cos δGP sin δ − sin δGP cos δ cos(α − αGP ) (A.9)<br />
A.2 Masssysteme<br />
A.2.1 Vielfache und <strong>Teil</strong>e der Einheit<br />
Zwischschen Magnitude m (als Faktor), dezi Bel dB, und Dezimal Exponent dex gilt folgender Zusammenhang<br />
1 m = 10 0.4 = 4 dB = 0.4 dex = e 1.086 = 2.512<br />
Im Zusammenhang mit Info Speicher (Byte), Zeit (Sekunde) und Länge (Meter) sind folgende <strong>Teil</strong>e<br />
der entsprechenden Grund Einheiten gebräuchlich:<br />
<strong>Teil</strong>e und Präfixe der SI-Einheiten<br />
dex −1 −2 −3 −6 −9 −12 −15 −18<br />
name Dezi Zenti Milli Mikro Nano Pico Femto Atto<br />
Abk. d c m µ n p f a<br />
Ferner sind folgende Vielfache der Einheiten gebräuchlich:<br />
Vielfache und Präfixe der SI-Einheiten<br />
dex 1 2 3 6 9 12 15 18 21 24<br />
name Deka Hekto Kilo Mega Giga Tera Peta Exa Zetta Yotta<br />
Abk. da h k M G T P E Z Y
A.2. MASSSYSTEME 419<br />
Mit aufgenommen und zukünftig gebräuchlich sind, im Zusammenhang mit Informationseinheiten<br />
(Bytes): Zetta (21) und Yotta (24).<br />
Die entsprechenden <strong>Teil</strong>e sind Zepto (−21) und Yocto (−24).<br />
• BEISPIEL (DIE INFORMATIONSFLUT)<br />
Noch ungewöhnliche Bezeichnungen sind 100 Ym (Hundert Yotta Meter) für den Radius des Universums und 3 ym (3<br />
Yocto Meter) für den Lichtradius des Elektrons (re/c).<br />
Die Datenbank der US Geologischen Gesellschaft umfasst 1999 etwa 12 Tera Bytes, CERN produziert mit seinem Large<br />
Hadron Collider etwa 20 Peta Bytes pro Jahr. Einige Exa Bytes beträgt der Bestand an Druckwerken (im Jahr 2000).<br />
Rechnet man 10 Milliarden Menschen, <strong>die</strong> Hundert Jahre lang pro Sekunde drei Worte (zu 10 Bytes) sprechen, dann sind<br />
das Zetta Bytes. Alle Filme, <strong>die</strong> je gedreht wurden, würden digitalisiert etwa ein Yotta Bytes ergeben.<br />
Dagegen sind ein Yotta cm 0.3 Mpc . . .<br />
A.2.2 Physikalische Masssysteme<br />
Natürliche Grundeinheiten, d. h. solche, <strong>die</strong> ausschließlich auf Fundamentalkonstanten beruhen, gibt<br />
es nicht. Folgende Fundamentalkonstanten werden zugrunde gelegt<br />
1. c, <strong>die</strong> Lichtgeschwindigkeit<br />
2. h oder ¯h, das Plancksche Wirkungsquantum (Einheit des Drehimpulses)<br />
3. e, Ladung des Elektrons<br />
4. <strong>die</strong> Fundamentalkonstanten sind nicht unabhängig: α = e 2 /¯hc ist dimensionslos.<br />
Die verschiedenen, gebräuchlichen Masssysteme leiten sich alle vom Kraftbegriff her und sind den<br />
Bedürfnissen der jeweiligen Beobachter (Menschen) angepasst.<br />
Die Maxwellschen Gleichungen liefern dafür zwei Möglichkeiten:<br />
1. <strong>die</strong> Kraft zwischen zwei Punktladungen nach dem Coulomb Gesetz<br />
�K = 1 q1q2<br />
4πɛ r2 2. <strong>die</strong> Kraft zwischen zwei fadenförmigen Strömen I der Länge l (im Limes l → ∞) nach dem<br />
Ampèreschen Gesetz<br />
�K = κ2 µ<br />
4π<br />
2lI1I2<br />
r<br />
Die beiden Größen ɛ und µ heißen Dielektrizitätskonstante bzw. Permeabilität des Vakuums. Es gilt<br />
κ 2 ɛµ = 1<br />
c 2<br />
wobei c <strong>die</strong> Lichtgeschwindigkeit ist.<br />
Je nach Wahl erhält man verschiedenen Masssysteme, von denen wir <strong>die</strong> folgenden explizit angeben:<br />
1. SI (Système International) oder MKSA System.<br />
Zusätzlich zu Länge (Meter), Masse (kg) und Zeit (Sekunde) ist noch<br />
<strong>die</strong> Stromstärke Ampere A definiert.<br />
κ = 1 ; µ = 4π · 10 −7 Newton · (Ampere) −2<br />
2. Gaußsches Maßsystem<br />
κ = 1<br />
c<br />
; ɛ = 1<br />
4π<br />
; µ = 4π
420 ANHANG A. DATENSAMMLUNG<br />
3. Heavisidesches Masssystem<br />
κ = 1<br />
c<br />
; ɛ = 1 ; µ = 1<br />
• FORMELN (GRUNDEINHEITEN)<br />
Die Grundeinheiten im (um das Grad Kelvin erweiterten) Gaußschen cgs - System sind:<br />
Größe Wert cgs - Einheit Bezeichnung<br />
h 6.62619·10 −27 cm 2 g s −2 Planck-Wirkungsquantum<br />
G 6.6732·10 −8 cm 3 g −1 s −2 Gravitationskonstante<br />
c 29979245800.0 cm s −1 Lichtgeschwindigkeit<br />
e 4.8032·10 −10 cm 3/2 g 1/2 s −1 Ladung des Elektrons<br />
kB 1.38054·10 −16 erg K −1 Boltzmann Konstante<br />
Die Diracsche Form für das Planck-Wirkungsquantum lautet: ¯h = h<br />
2π .<br />
Die vier phys. Fundamentalkonstanten sind nicht unabhängig, sie sind verknüpft durch <strong>die</strong> Sommerfeldsche<br />
Feinstrukturkonstante:<br />
α = e2<br />
¯hc = 7.2973 · 10−3 ≈ 1<br />
137<br />
(A.10)<br />
• FORMELN (ABGELEITETE EINHEITEN)<br />
Magnetische Feldstärke: 1 Gauß = 1 Oersted<br />
gesetzliche Einheit: 1 Tesla = 10 4 Gauß; (seit 1896) in der Geophysik üblich: 1 Gamma = 10 −5 Gauß = 10 µGauß oder<br />
10 −9 Tesla.<br />
Die magnetische Feldstärke am Pol der Erde beträgt 0.31 Gauß.<br />
Die magnetische Feldstärke des Sonnenwinds (in Erdbahnentfernung) beträgt 6 Gamma = 60 µGauß und <strong>die</strong> dazu gehörende<br />
Energiedichte<br />
ɛ = B2<br />
8π<br />
beträgt 90 eV cm −3 . Im Vergleich dazu: <strong>die</strong> Energiedichte der kosmischen Strahlung beträgt 1 eV cm −3 , 2 dex weniger.
A.3. TABELLEN 421<br />
A.3 Tabellen<br />
A.3.1 Der Messier Katalog<br />
Messier Katalog 1 . . . 30<br />
M1 NGC 1952 Krebsnebel<br />
M2 NGC 7089 GC<br />
M3 NGC 5272 GC<br />
M4 NGC 6121 GC<br />
M5 NGC 5904 GC<br />
M6 NGC 6405 OC<br />
M7 NGC 6475 OC<br />
M8 NGC 6523 Lagoonnebel<br />
M9 NGC 6333 GC<br />
M10 NGC 6254 GC<br />
M11 NGC 6705 OC<br />
M12 NGC 6218 GC<br />
M13 NGC 6205 Great GC<br />
M14 NGC 6402 GC<br />
M15 NGC 7078 GC<br />
M16 NGC 6611 OC<br />
M17 NGC 6618 Omega Nebel<br />
M18 NGC 6613 OC<br />
M19 NGC 6273 GC<br />
M20 NGC 6514 Trifid Nebel<br />
M21 NGC 6531 OC<br />
M22 NGC 6656 GC<br />
M23 NGC 6494 OC<br />
M24 NGC 6603 Sterne<br />
M25 NGCI4725 OC<br />
M26 NGC 6694 OC<br />
M27 NGC 6853 Dumbbell Nebel<br />
M28 NGC 6626 GC<br />
M29 NGC 6913 OC<br />
M30 NGC 7099 GC<br />
Messier Katalog 31 . . . 60<br />
M31 NGC 224 Andromeda Nebel<br />
M32 NGC 221<br />
M33 NGC 598 Triangulum Nebel<br />
M34 NGC 1039 OC<br />
M35 NGC 2168 OC<br />
M36 NGC 1960 OC<br />
M37 NGC 2099 OC<br />
M38 NGC 1912 OC<br />
M39 NGC 7092 OC<br />
M40 2 Sterne<br />
M41 NGC 2287 OC<br />
M42 NGC 1976 Orion Nebel<br />
M43 NGC 1982 (Orion Nebel)<br />
M44 NGC 2632 Praesepe<br />
M45 Plejaden<br />
M46 NGC 2437 OC<br />
M47 NGC 2422 OC<br />
M48 NGC 2548 OC<br />
M49 NGC 4472 (Virgo)<br />
M50 NGC 2323 OC<br />
M51 NGC 5194 Whirlpool Galaxie<br />
M52 NGC 7654 OC<br />
M53 NGC 1024 GC<br />
M54 NGC 6715 GC<br />
M55 NGC 6809 GC<br />
M56 NGC 6779 GC<br />
M57 NGC 6720 Ring Nebel<br />
M58 NGC 4579 (Virgo)<br />
M59 NGC 4621 (Virgo)<br />
M60 NGC 4649 (Virgo)
422 ANHANG A. DATENSAMMLUNG<br />
Messier Katalog 61 . . . 90<br />
M61 NGC 4303 (Virgo)<br />
M62 NGC 6266 GC<br />
M63 NGC 5055 SpiralGalaxie<br />
M64 NGC 4826 Blackeye Galaxie<br />
M65 NGC 3623 SpiralGalaxie<br />
M66 NGC 3627 SpiralGalaxie<br />
M67 NGC 2682 OC<br />
M68 NGC 4590 GC<br />
M69 NGC 6637 GC<br />
M70 NGC 6681 GC<br />
M71 NGC 6838 GC<br />
M72 NGC 6981 GC<br />
M73 NGC 6994 4 Sterne<br />
M74 NGC 628<br />
M75 NGC 6864 GC<br />
M76 NGC 650<br />
M77 NGC 1068<br />
M78 NGC 2068<br />
M79 NGC 1904<br />
M80 NGC 6093<br />
M81 NGC 3031 Bodes Nebel<br />
M82 NGC 3034<br />
M83 NGC 5236<br />
M84 NGC 4374<br />
M85 NGC 4382<br />
M86 NGC 4406<br />
M87 NGC 4486 Virgo A<br />
M88 NGC 4501<br />
M89 NGC 4552<br />
Messier Katalog 91 . . . 109<br />
M90 NGC 4569<br />
M91 NGC 4567<br />
M92 NGC 6341<br />
M93 NGC 2447<br />
M94 NGC 4736<br />
M95 NGC 3351<br />
M96 NGC 3368<br />
M97 NGC 3587<br />
M98 NGC 4192<br />
M99 NGC 4254<br />
M100 NGC 4321<br />
M101 NGC 5457 Pinwheel Galaxie<br />
M102 NGC 5866<br />
M103 NGC 581<br />
M104 NGC 4594 Sombrero Galaxie<br />
M105 NGC 3379<br />
M106 NGC 4258<br />
M107 NGC 6171<br />
M108 NGC 3556<br />
M109 NGC 3992<br />
Statistik zum Messier Katalog<br />
Im Messier Katalog fehlen <strong>die</strong> Quellen des Südhimmels,<br />
<strong>die</strong>se finden sich erst im Katalog von Vater und Sohn Herschel.<br />
M81 und M82 wurden 1774 von dem deutschen<br />
Asteroidenjäger Bode entdeckt. M87 wurde 1781 von Messier<br />
entdeckt. Diese Galaxie ist das Zentrum des Virgo Haufens<br />
und eine starke Radiogalaxie (nach Sonne und Mond<br />
<strong>die</strong> stärkste Quelle am Himmel). M73 besteht aus 4 Sternen,<br />
nahe dem Kugelsternhaufen M72, beide entdeckt von<br />
Messier im Jahre 1780.
A.3. TABELLEN 423<br />
Daten der wichtigsten Galaxien der Lokalen Gruppe<br />
• ANMERKUNG<br />
Die erste Beschreibung von Andromeda stammt von von dem deutschen Astronom Simon Fabricius. Er verglich M31 mit<br />
einer Kerze, <strong>die</strong> man durch eine Hornscheibe sieht.<br />
Das erste Foto stammt von Isaac Roberts.<br />
Hubble entdeckte 1925 an NGC 6822, daß es sich dabei um Sterne und nicht um einen Nebel handelte. 1929 veröffentlichte<br />
er seine Arbeit ’Ein Spiralnebel als Sternsystem’, in der gezeigt wird, daß Andromeda eine eigenständige Galaxie darstellt.<br />
In den letzten 27 Jahren wurden mehr Mitglieder der Lokalen Gruppe gefunden, als in den 222 Jahren davor.<br />
Die Anzahl der Mitglieder der Lokalen Gruppe beträgt (1999) 40. Der Radius der Lokalen Gruppe<br />
reicht bis 1.8 Mpc. Die Gesamt Dunkelmasse wird auf Mdark(LG) = 3 · 10 12 M⊙ geschätzt. Sie steckt<br />
in M31 und der Milchstraße (nicht etwa in einer Superkorona). Entfernung zum Virgo Haufen etwa 20<br />
Mpc.<br />
Daten der wichtigsten Galaxien der Lokalen Gruppe<br />
Name α δ l b MV V⊙ m − M D M L<br />
J2000 J2000 deg deg mag mag kpc M⊙ L⊙<br />
Wir 17 h 45 m .7 −29 ◦ 00 0.00 0.00 −20.6 16 14.52 8 2 · 10 11 2 · 10 10<br />
LMC 05 h 23 m .6 −69 ◦ 45 280.46 −32.89 −18.1 324 18.45 49 2 · 10 10<br />
SMC 00 h 52 m .6 −72 ◦ 48 302.80 −44.30 −16.2 175 18.82 58 3 · 10 9<br />
M31 00 h 42 m .7 41 ◦ 16 121.18 −21.57 −21.1 −297 24.43 770 4 · 10 11 3 · 10 10<br />
M32 00 h 42 m .7 40 ◦ 52 121.15 −21.98 −16.4 −200 24.53 805 2 · 10 9 4 · 10 8<br />
M33 01 h 33 m .8 30 ◦ 39 133.61 −31.33 −18.9 −181 24.62 840 5 · 10 10<br />
Geschwindigkeit V⊙ (in km s −1 ) bezogen auf LSR<br />
Mdark(W ir) = 1.4 · 10 12 M⊙ ; Mdark(M31) = 1.9 · 10 12 M⊙<br />
• LITERATUR<br />
J. Kovalevski, [Kov98] First Results from Hipparcos.<br />
E. K. Grebel, [Gre97] Star Formation Histories of Local Group Galaxies.<br />
M. Mateo, [Mat98] Dwarf Galaxies of the Local Group.<br />
J. Binney und M. Merrifield, [BM98] Galactic Astronomy
424 ANHANG A. DATENSAMMLUNG<br />
A.3.2 Fundamentalkonstanten<br />
Größe Definitionsformel Bezeichnung<br />
r B<br />
µe<br />
re<br />
¯h 2<br />
mee2 e¯h<br />
2mec<br />
e2 mec2 Bohrscher Wasserstoffradius<br />
Bohrsches Magnetron<br />
klass. Elektronenradius<br />
Amn 3γklassfmn Einsteinscher A-Koeffizient<br />
γklass<br />
λe<br />
RS<br />
α<br />
Ry<br />
ωp<br />
lP<br />
A.3.3 Zeit und Raum<br />
Zeit<br />
σ<br />
a<br />
klass. Strahlungsdämpfungskonstante<br />
2e2ω2 3mc3 ¯h<br />
mec<br />
2GM<br />
c2 e2 Feinstrukturkonstante<br />
¯hc<br />
1<br />
2α2mec 2 Rydbergkonstante (Energie)<br />
�<br />
4πe2ne � me<br />
¯hG<br />
c3 π2k4 60¯h 3c2 π2k4 15¯h 3c3 Compton-Wellenlänge des Elektrons ⋆<br />
Schwarzschild-Radius der Masse M<br />
Plasmafrequenz<br />
Planck-Länge<br />
Stefan-Boltzmann Konstante<br />
Strahlungsenergiedichte-Konstante<br />
Die Diracsche Form lautet: ∗ ¯h = h<br />
2π ; ⋆ λ- = λ<br />
2π<br />
Tab. A.1: Fundamentalgrößen<br />
Tag: 1 d = 24 h = 86400 s siderisch: 86 164.091 s<br />
˙<br />
P = 10 −12 s s −1 = 8·10 −8 s d −1 = 3 ms pro Jahrhundert (Gezeitenabbremsung)<br />
Jahr<br />
siderisch: 365.25636 d oder 3.1558·10 7 s<br />
tropisches Jahr: 1 yr = 31 556 925.975 (Ephemeridensekunden 1950) oder<br />
365.2422 Tage mittlere Sonnenzeit.<br />
Kalenderjahr: 1 yr = 365 + 1<br />
4<br />
Kalenderjahr - tropisches Jahr = 26s .<br />
Monat<br />
siderisch: 27.32166 d<br />
synodisch: 29.53059 d<br />
drakonitisch : 27.21222 d<br />
Grundeinheiten der Länge<br />
im Sonnensystem gilt:<br />
oder, genauer<br />
− 3<br />
400 d<br />
1AE = D Erde-Sonne = 2.3 · 10 4 R⊕ = 1.49 · 10 13<br />
1AE = 149597892 km<br />
Galaxie (interstellar) Parsec:<br />
1 pc = 206265 AE = 3.08 · 10 18<br />
cm ∼ = 500 s<br />
cm = 3.26 Lichtjahre (A.11)
A.3. TABELLEN 425<br />
Geometrie<br />
Winkel (Einheit: Grad); Einheits - Kreis - Umfang: 2π<br />
Umrechnung Winkelgrad in Bogengrad, nach der Formel b = f(n)w<br />
f(n) = 2π<br />
6 · 60 n<br />
mit den Bezeichnungen Grad, Minute und Sekunde<br />
1 ◦ : n = 1 1 ′ : n = 2 1 ′′ : n = 3<br />
mit den Umrechnungsfaktoren f(n)<br />
f(1) = 1.7 · 10 −2<br />
und mit der Umkehrung,<br />
f(2) = 2.9 · 10 −4<br />
f(3) = 4.848 · 10 −6<br />
f −1 (1) = 57.296 f −1 (2) = 3437 f −1 (3) = 206265<br />
Fläche (Einheit: Steradian, sr bzw. grad 2 = ✷ ◦ ); Einheitskugel-Oberfläche: 4π sr<br />
Das Flächenmaß wird berechnet nach der Formel<br />
mit<br />
Ω(n) = 4πf −2 (n)<br />
Ω(1) = 4.125 · 10 4<br />
bzw. nach der Formel<br />
1sr(n) = f −2 (n)<br />
mit (1 sterad = 1 rad 2 )<br />
1sr = 3282.8 deg 2<br />
Ω(2) = 1.485 · 10 8<br />
1 Quadratgrad, 1✷ ◦ = 3.046 · 10 −4 Sterad.<br />
= 4.2545 · 10 10 (arcsec) 2<br />
Ω(3) = 5.346 · 10 11<br />
Die Galaxis mit den Komponenten :<br />
Ebene (D ≈ 10 23 cm bzw. 30 kpc h ≈ 0.6 kpc);<br />
Bulge (Öffnungswinkel etwa 23 ◦ ) D ≈ 2 · 10 22 cm bzw. 5 kpc;<br />
Kern (Öffnungswinkel etwa 2 ◦ , Durchmesser D ≈ 2 · 10 21 cm bzw. 500 pc;);<br />
Koordinaten des Zentrums: 12 h 49 m Rektasz. −62 ◦ Dekl.;<br />
Halo (D ≈ 10 24 cm).<br />
Leuchtkraft: LGal = 3 · 10 10 L⊙ = 10 44 erg s −1 .<br />
<strong>Teil</strong>chen - Dichte: nGal = 7.<br />
Die Flächendichte für einige typische kosmische Objekte (Die Kugeloberfläche hat Ω(1) = 41 250 Quadratgrad.):<br />
1 Stern pro sec 2 ;<br />
1 Röntgenquelle pro grad 2 ;<br />
0.2 Quasar pro grad 2<br />
Zum Umrechnen von bolometrischen Magnituden Mb in Leuchtkräfte L gilt<br />
L = 10 10 dex(0.4[−M − 20.3])L⊙<br />
A.3.4 Umrechnungen<br />
(A.12)
426 ANHANG A. DATENSAMMLUNG<br />
physikalische Symbol MKSA Umrechnungs Gaußsche<br />
Größe Einheit Faktor Einheit<br />
Länge l Meter 10 2 cm<br />
Masse m kg 10 3 g<br />
Zeit s sec 1 sec<br />
Kraft K Newton 10 5 dyn<br />
Arbeit W Joule 10 7 erg<br />
Leistung ˙ E Watt 10 7 erg s −1<br />
Druck P Pascal 10 dyn cm −2<br />
Ladung q Coulomb 3·10 9 cm 3/2 g 1/2 s −1<br />
Strom I Ampère 3·10 9 cm 3/2 g 1/2 s −2<br />
Spannung U Volt 1<br />
el. Feldstärke E Volt m<br />
300<br />
cm1/2 g1/2 s−1 −1 1<br />
3 10−4 cm−1/2 g1/2 s−1 mag. Induktion B Tesla 10 4 Gauß (wie E)<br />
Widerstand R Ohm 1<br />
9 10−11 cm −1 s<br />
Druck 1 atm = 1.01325 · 10 5 Pa<br />
1 Bar = 1000 Hekto Pascal = 10 5 N m −2 = 10 6 dyn cm −2<br />
Umrechnung vom Heaviside-Lorentz (MKSA) auf Gauß (cgs) System<br />
MKSA cgs<br />
Ladungseinheit e 2 = 4π¯hc e 2 = ¯hc<br />
Potential Φ = q/4πr Φ = q/r<br />
Lagrange-Funktion L = −(1/4)F 2 L = −(1/16π)F 2<br />
Energie - Dichte T 0 0 = (1/2)(E2 + B 2 ) T 0 0 = (1/8π)(E2 + B 2 )<br />
Magnetfeldstärke 1 Tesla 10 4 Gauß
A.3. TABELLEN 427<br />
Symbol Name Zahlenwert Einheit<br />
G Gravitationskonstante 6.6732·10 −8 cm 3 g −1 s −2<br />
c Lichtgeschwindigkeit 29979245800 cm s −1<br />
h Planck-Wirkungsquantum 6.62619·10 −27 ergs<br />
e Ladung des Elektrons 4.8032·10 −10 cm 3/2 g 1/2 s −1<br />
α Feinstrukturkonstante 7.2973·10 −3<br />
me Masse des Elektrons 9.1095·10 −28 g<br />
re klass. Elektronenradius 2.8·10 −13 cm<br />
µe Bohrsches Magnetron 9.273·10 −21 erg (Gauß) −1<br />
r B Bohrscher Radius (H) 5.28·10 −9 cm<br />
Ry Rydbergkonstante 1.09·10 5 cm −1<br />
A21 Einstein A-Koeffizient (Lα) 4.68·10 8 s −1<br />
λe Compton-Länge (Elektron) 2.4263·10 −10 cm<br />
λ - dito (Dirac) 3.6·10 −11 cm<br />
lP Planck-Länge 1.6·10 −33 cm<br />
mamu atomic mass unit 1.66·10 −24 g<br />
mp Masse des Protons 1.0072766 a.m.u.<br />
µp Kern Magnetron des Protons 2.79×5.05·10 −24 erg (Gauß) −1<br />
mn Masse des Neutrons 1.0086652 a.m.u.<br />
µn Kern Magnetron des Neutrons -1.91×5.05·10 −24 erg (Gauß) −1<br />
k Boltzmann Konstante 1.38054·10 −16 erg K −1<br />
σ Stefan-Boltzmann Konstante 5.669·10 −5 erg cm −2 s −1 K −4<br />
a Strahlungsdichte Konstante 7.56·10 −15 erg cm −3 K −4<br />
yr (year) Jahr 31556926 s<br />
ly light year (Lichtjahr) 9.4605·10 17 cm<br />
pc Parsec 3.0856·10 18 cm<br />
AU Astronomical Unit 1.495985·10 13 cm<br />
M⊙ Masse der Sonne 1.989·10 33 g<br />
R⊙ Radius der Sonne 6.960·10 10 cm<br />
L⊙ Leuchtkraft der Sonne 3.9·10 33 erg s −1<br />
S⊙ Solarkonstante 1.36·10 6 erg cm −2 s −1<br />
RS⊙ Schwarzschildradius (Sonne) 2.95·10 5 cm<br />
M⊕ Masse der Erde 5.997·10 27 g<br />
R⊕ Erdradius 6.378·10 8 cm<br />
Tab. A.2: Naturkonstanten
428 ANHANG A. DATENSAMMLUNG<br />
A.3.5 Formeln und Bezeichnungen<br />
Bohrscher Wasserstoffradius<br />
rB = ¯h2<br />
mee 2<br />
Bohrsches Magnetron<br />
µe = e¯h<br />
2mec<br />
klass. Elektronenradius<br />
re = e2<br />
mec 2<br />
el. Leitfähigkeit (s −1 mit τ = (vσn) −1 Stosszeit)<br />
σel = e2ne τ<br />
me<br />
Viskosität (cm −1 g s −1 mit τ: Stosszeit)<br />
η = 1<br />
3 ρ v2 sτ<br />
Einsteinscher A-Koeffizient<br />
Amn = 3γklassfmn<br />
klass. Strahlungsdämpfungskonstante<br />
γklass = 2e2 ω 2<br />
3mc 3<br />
Compton-Wellenlänge des Elektrons<br />
λ = ¯h<br />
mc<br />
Schwarzschild-Radius der Masse M<br />
RS = 2GM<br />
c 2<br />
Feinstrukturkonstante<br />
α = e2<br />
¯hc<br />
gravische Feinstrukturkonstante (für Protonen)<br />
αG = Gm2 p<br />
¯hc<br />
Rydbergkonstante<br />
Ry = 1<br />
2 α2 mec<br />
Plasmafrequenz<br />
ωp =<br />
�<br />
4πe 2 ne<br />
me<br />
(A.13)<br />
Planck-Länge<br />
�<br />
¯hG<br />
lP =<br />
c 3<br />
Stefan-Boltzmann Konstante<br />
σ = π2 k 4<br />
60¯h 3 c 2<br />
Strahlungsenergiedichte-Konstante<br />
a = π2 k 4<br />
15¯h 3 c 3<br />
thermische de Broglie Wellenlänge<br />
�<br />
h2 λdB =<br />
2πmkT
A.3. TABELLEN 429<br />
A.3.6 Energie<br />
Es ist<br />
Energie erg . Atom Einheiten<br />
in Größe Faktor . w λ ν ɛ T<br />
1 eV 1.602·10 −12 . w 1 1 c 1.24·10 −4 0.66<br />
1 Ws 10 7 . λ 1 1 c 1.24·10 −4 0.66<br />
1 cal 4.186·10 7 . ν c −1 c 1 4.5·10 −15 2.2·10 −11<br />
1 kT4 1.38·10 −12 . ɛ 8067 1.29·10 −4 2.41·10 14 1 11605<br />
1 hν15 6.6·10 −12 . T 0.66 1.5 2.0·10 10 8.1·10 −5 1<br />
ɛ = hν = hcw = hc<br />
λ<br />
= kT<br />
mit folgenden Bezeichnungen: ɛ : Energie in eV (erg: cm 2 g s −2 ) λ: Wellenlänge in cm, w: Wellenzahl in cm −1 ,<br />
ν Frequenz in Hz und T : Temperatur in Grad Kelvin.<br />
Ein Photon der Energie 1 eV hat eine Wellenlänge von 1.29 · 10 −4 cm oder 1.29µ oder 12 900 ˚A oder 1290 nm.<br />
1 g TNT � 4·10 10 ergs ;<br />
spektrale Energie Umrechnung:<br />
1 Jansky = 10 −23 erg cm −2 s −1 Hz −1 = 10 −26 Watt m −2 s −1 Hz −1<br />
¯L400: Radioleuchtkraft in (milli Jansky)*kpc 2 *Hz = 3.8 · 10 25 erg s −1 ;<br />
Tab. A.3: Energie Umrechnung
430 ANHANG A. DATENSAMMLUNG<br />
A.3.7 Kosmische Häufigkeit<br />
Element Häufigkeit I [eV]<br />
H 1.0 13.60<br />
He 8.5 ·10 −2 24.59<br />
O 6.6 ·10 −4 13.62<br />
C 3.3 ·10 −4 11.26<br />
N 9.1 ·10 −5 14.53<br />
Ne 8.3 ·10 −5 21.56<br />
Fe 4.0 ·10 −5 7.87<br />
Si 3.3 ·10 −5 8.15<br />
Mg 2.6 ·10 −5 7.65<br />
S 1.6 ·10 −5 10.36<br />
Molekül Häufigkeit D [eV] I [eV]<br />
H2 1.0 4.48 15.46<br />
CO 6.3 ·10 −5 11.09 14.01<br />
H2O 5.2 12.6<br />
NH3 4.3 10.2<br />
NH 6.76 13.10<br />
NO 6.5 9.25<br />
CH 3.47 10.64<br />
SO 5.3 12.1<br />
CS 8.0<br />
H2CO 3.6<br />
Die numerische Häufigkeit bei Atomen im ISM und in Sternatmosphären ist bezogen auf Wasserstoff (HI). I : Ionisationspotential.<br />
Die numerische Häufigkeit bei Molekülen in Wolken ist bezogen auf molekularen Wasserstoff<br />
(H2). D: Dissoziationsenergie. 1 eV = 1.602·10 −12 erg.<br />
Tab. A.4: Kosmische Häufigkeit
A.4. PULSARE 431<br />
A.4 Pulsare<br />
Radio Pulsare<br />
Physikalische Parameter von 706 Pulsaren (Stand: Mai 1996)<br />
P /ms P−15<br />
˙ log(Bs/Gauß) log(τ/yr) log( ˙ E)<br />
PSR: 1939+2134 2129+1210A 2229+2643 0534+2200 0108−1431 :PSR<br />
Min: 1.56 −0.02 7.88 3.10 29.79 :Min<br />
Med: 558.10 2.04 12.04 6.71 32.59 :Med<br />
Max: 5094.08 1536.53 13.33 10.40 38.65 :Max<br />
PSR: 1951+1123 1513−5908 0157+6212 2229+2643 0534+2200 :PSR<br />
P Periode in Millisekunden; ˙<br />
P−15 Perioden-Ableitung in Einheiten von 10 −15 s s −1 ;<br />
Bs Magnetfeldstärke an der Oberfläche; τ = P/2 ˙<br />
P Alter in Jahren (yr);<br />
˙E Verlustrate an Rotationsenergie.<br />
Tab. A.5: Pulsarparameter
432 ANHANG A. DATENSAMMLUNG<br />
A.4.1 Pulsarparameter<br />
Weitere Parameter zur Identifizierung obiger Pulsare sind:<br />
PSR Identität<br />
Name P τ L Typ<br />
1939+2134 1.56 8.37 3.49 MRI<br />
1951+1123 5094.08 7.43 0.52<br />
2129+1210A 110.66 2.23 CR<br />
1513−5908 150.66 3.19 1.46 SH<br />
PSR Identität<br />
Name P τ L Typ<br />
2229+2643 2.98 10.40 1.42 BMR<br />
0157+6212 2351.72 5.29 1.22<br />
0534+2200 33.40 3.10 3.41 SGIH<br />
0108−1431 807.56 9.19<br />
astronomische Parameter von 706 Pulsaren<br />
L400/mJy kpc 2 2 D/kpc s400/mJy W50 (deg)<br />
PSR: 2124−3358 0108−1431 2129+1209G 1951+1123 :PSR<br />
Min: 0.06 0.10 0.10 1.41 :Min<br />
Med: 2.15 3.88 12.00 10.87 :Med<br />
Max: 4.42 57.00 5000.00 153.42 :Max<br />
PSR: 1305−6455 0045−7319 0835−4510 0034−0534 :PSR<br />
L400 = s400D 2 spektrale Radio - Leuchtkraft in mJy kpc 2 ; (1 Jansky = 10 −23 erg cm −2 s −1 Hz −1 = 10 −26 Watt m −2<br />
s −1 Hz −1 ). D Entfernung in kpc; s400 spektraler Radiofluß in mJy (Milli Jansky bei 400 MHz); W50 Halbwertsbreite der<br />
Pulse in Grad. ¯ L = 4 · 10 8 s400D 2 Gesamt Leuchtkraft in mJy kpc 2 Hz; ¯ L = 3.8 · 10 25 (s400/mJy)(D/kpc) 2 erg s −1 .<br />
Weitere Parameter zur Identifizierung obiger Pulsare:<br />
PSR Identität<br />
Name P τ L Typ<br />
2124−3358 4.93 0.06 MR<br />
1305−6455 571.65 6.35 4.42<br />
0108−1431 807.56 9.19<br />
0045−7319 926.28 6.51 3.51 BE<br />
Tab. A.6: Pulsarparameter II<br />
PSR Identität<br />
Name P τ L Typ<br />
2129+1209G 37.66 8.48 1.00 CR<br />
0835−4510 89.31 4.05 3.10 SGH<br />
1951+1123 5094.08 7.43 0.52<br />
0034−0534 1.88 9.65 1.19 BMR
Anhang B<br />
Eine kleine Geschichte der Physik<br />
B.1 Newtonsche Fernwirkung:<br />
Gravitation<br />
Viele Völker haben Schrift und Malerei hervorgebracht, Musik (mit einer Notenschrift) und Physik (mit<br />
Formeln) sind ein Produkt abendländischer Kultur, beginnend etw mit dem siebzehnten Jahrhunderts.<br />
Dabei <strong>die</strong>nten <strong>die</strong> Araber als Vermittler zwischen Antike und Neuzeit.<br />
B.1.1 Die ersten Weltmodelle<br />
Atomismus und Plenismus waren <strong>die</strong> beiden fundamentalen naturphilosophischen Anschauungen der<br />
Antike. ✛ Beide waren rein spekulativer ✘ Natur. Der Atomismus wurde im Altertum vertreten von Sokrates,<br />
Leukipp und Demokrit. Der Begriff Atom stammt von Demokrit<br />
<strong>Astrophysik</strong> = Astronomie +<br />
(Atomos gr. unteilbar). Die Vorstellung war, daß <strong>die</strong> Welt aus dis-<br />
Physik<br />
Unsöld kreten, abzählbaren Atomen besteht, deren einzige Qualitäten Größe,<br />
✚<br />
✙Form<br />
und Bewegung sind. Als Folgerung daraus ergibt sich, daß zwischen<br />
den Atomen der leere Raum (Vakuum) sein muß. Bei Epikur (341 - 270 vor Chr) und Lukrez<br />
(1. Jhdt. vor Chr) besteht auch <strong>die</strong> Seele aus Atomen. Gegen den Atomismus stand der Plenismus (von<br />
plenus lat. voll) im Altertum vertreten von Plato und Aristoteles. Nach <strong>die</strong>ser Vorstellung war <strong>die</strong> Welt<br />
kontinuierlich angefüllt mit Materie, einen leeren Raum gibt es nicht. Aristoteles widerspricht damit<br />
bewusst den Atomisten und behauptet nicht nur, daß der Raum erfüllt sei, sondern sogar, daß <strong>die</strong> Natur<br />
einen Abscheu vor dem Vakuum habe: horror vacui.<br />
Im Gegensatz etwa zur Astronomie (reine Beobachtung) und Mathematik (reine Denkkunst in Form<br />
von Geometrie), welche zu den ältesten Wissenschaften überhaupt zählen, ist <strong>die</strong> Physik (Kombination<br />
von Beobachtung und Analyse), sieht man einmal von der Statik ab, ein Produkt abendländischer<br />
Kultur des siebzehnten Jahrhunderts.<br />
Als Vorläufer kann man Kopernikus, Brahe und Kepler, als Begründer der Physik Galilei und Newton<br />
ansehen. Und somit sind von Anfang an Astronomie und Physik mit der Mathematik vereint. Mathematik<br />
ist weitgehend Himmelsmechanik, astronomische Beobachtungen werden herangezogen, <strong>die</strong><br />
mathematischen Formeln zu Überprüfen. Dabei vollzieht sich im Laufe von eineinhalb Jahrhunderten<br />
eine Vereinheitlichung der Physik, ganz im Sinne des griechischen Ideals einer Axiomatisierung.<br />
B.1.2 Der Anfang der <strong>Astrophysik</strong><br />
Bereits ganz am Anfang der modernen Physik stehen <strong>die</strong> folgenden Fragen, <strong>die</strong> auch heute noch aktuell<br />
sind:<br />
433
434 ANHANG B. GESCHICHTE DER PHYSIK<br />
1. Was ist Materie?<br />
2. Was ist Licht?<br />
3. Welches sind <strong>die</strong> Kräfte, <strong>die</strong> auf <strong>die</strong> Materie wirken?<br />
4. Wie werden <strong>die</strong> Kräfte durch den Raum übertragen?<br />
Im folgenden werden wir erläutern, wie <strong>die</strong>se Fragen von den jeweiligen Protagonisten (Atomisten)<br />
und ihren Antagonisten (Plenisten) behandelt wurden. Im Zentrum der Diskussion stehen dabei neben<br />
der Gravitation das (klassisch paradoxe) Verhalten von Licht und <strong>die</strong> Existenz des Atoms (bzw.<br />
Moleküls). Dazu kommen und kamen zwei weitere Fragen, <strong>die</strong> bis dato unbeantwortet geblieben sind<br />
1. Was zeichnet den Raum aus?<br />
2. Was ist Zeit?<br />
Allerdings wurden sie von Einstein auf eine einzige Frage reduziert: Was bestimmt <strong>die</strong> Raum-Zeit?<br />
Kepler und <strong>die</strong> Geometrie<br />
Bei den Griechen (Empedokles) waren <strong>die</strong> Ur-Elemente Wasser, Luft, Feuer und Erde. Die Himmelsmechanik<br />
war weitgehend Philosophie: <strong>die</strong> Planeten und Sterne bestanden aus einem besonderen Stoff:<br />
dem Äther (oder der quinta essentia). Die Bahnen waren perfekt (nämlich<br />
Harmonia Mundi Kreise), <strong>die</strong> Bewegung harmonisch (daher <strong>die</strong> Sphärenklänge). Das Wort<br />
Astronomie leitet sich aus dem Griechischen ab, von astro = Stern und nomos<br />
= Gesetz. Vor Newton war Astronomie im wesentlichen Geometrie und es galt, <strong>die</strong> Sphärenharmonie<br />
zu erkennen. Bis Kepler versuchte man, nur mit der einfachsten geometrischen Figur auszukommen,<br />
dem Kreis. Da <strong>die</strong>s <strong>die</strong> Beobachtung nicht korrekt wiedergab, benutzte man Epizyklen (Kreise auf<br />
Kreisen), um <strong>die</strong> Bewegung der Planeten zu beschreiben. Kepler markiert das Ende <strong>die</strong>ser Harmonia<br />
Mundi.<br />
Johann Kepler (1571 - 1630) gelangte nach vielen Versuchen (mindestens 70!) zu der Einsicht, daß <strong>die</strong><br />
wahren Bahnen Ellipsen sind, geometrische Figuren, <strong>die</strong> erstmals von Appolonius von Perge beschrieben<br />
worden waren. Die Keplerschen Gesetze sind <strong>die</strong> ältesten physikalischen Gesetze, <strong>die</strong> unverändert<br />
heute noch so gelehrt werden. Sie lauten:<br />
I Jeder Planet bewegt sich in einer elliptischen Bahn, in deren einem<br />
Brennpunkt <strong>die</strong> Sonne steht. (Geometrie)<br />
II Der von der Sonne zum Planeten gezogene Leitstrahl überstreicht in<br />
gleichen Zeiten gleiche Flächen. (Flächensatz)<br />
III Die Quadrate der Umlaufszeiten zweier Planeten verhalten sich wie <strong>die</strong><br />
Kuben der Ra<strong>die</strong>n. (Periode - Radius Relation)<br />
Kepler entwickelt <strong>die</strong> bereits im Altertum formulierte Korpuskulartheorie des Lichts weiter. Bei ihm<br />
sind <strong>die</strong> Korpuskel masselos. Er hat als erster eine dynamische Auffassung von der Bewegung der<br />
Gestirne: <strong>die</strong> Bewegungen sind Folge von Kräften. Seit Kepler gehören Astronomie und Physik eng<br />
zusammen und <strong>die</strong> Sonderstellung des Himmels ist aufgehoben. Die mathematische Formulierung der<br />
Gravitationskraft, welche Kepler als Ursache für <strong>die</strong> Bewegung der Planeten ansah, gelang ihm noch<br />
nicht.<br />
Galilei<br />
Galilei (1564 - 1642) begründet <strong>die</strong> moderne Physik. Forschung (Experiment und Beobachtung) und<br />
Lehre bilden für ihn eine Einheit. Auf ihn gehen <strong>die</strong> korrekte Beschreibung der Fall- und Wurfbe-
B.1. NEWTONSCHE FERNWIRKUNG 435<br />
✗<br />
✔<br />
wegung zurück. Das von ihm erstmals formulierte Prinzip (Galilei Invarianz),<br />
Und sie bewegt sich doch! daß <strong>die</strong> Physik auf einem fahrenden Schiff identisch ist mit der an Land, hatte<br />
Eppur si muove!<br />
bis zu Einsteins Entdeckung der speziellen Relativität Gültigkeit. Seine Fas-<br />
✖<br />
✕sung<br />
des Äquivalenzprinzips (alle Körper fallen gleich schnell im Gravitationsfeld)<br />
prüfte er am schiefen Turm von Pisa.<br />
Galileio Galilei entdeckt <strong>die</strong> vier nach ihm benannten Jupitermonde. Sie sind später Grundlage für<br />
Römers Bestimmung der Lichtgeschwindigkeit. Galilei kann als Begründer der modernen Experimentalphysik<br />
und Astronomie angesehen werden. Mit seinem Teleskop löst er <strong>die</strong> Milchstrasse in einzelne<br />
Sterne auf.<br />
• ZUSATZ (BEDEUTENDE ENTDECKUNGEN)<br />
Das Pendelgesetz (l Länge des Pendels, g Gravitationsbeschleunigung der Erde)<br />
�<br />
l<br />
T = 2π<br />
g<br />
entdeckte er beim Kirchenbesuch im Dom zu Pisa. Als Uhr benutzte er seinen Pulsschlag. Mit der Entdeckung des Isochronismus<br />
(<strong>die</strong> Periode ist unabhängig von der Amplitude) des Pendels ist der Grundstein der Zeitmessung (s. u. Huygens) bis<br />
zum Aufkommen der Atomuhren gelegt.<br />
Galilei beobachtet als erster mit dem von ihm zwar nicht erfundenen, aber weiterentwickelten, Fernrohr den Mond und <strong>die</strong><br />
Planeten. Mit der Entdeckung der Jupitermonde bringt er das Weltbild der Kirche ins Wanken: nicht alles kreist um <strong>die</strong><br />
Erde (sondern 4 Monde um Jupiter).<br />
Er versucht (erfolglos) <strong>die</strong> Lichtgeschwindigkeit zu messen und schließt daraus, daß <strong>die</strong>se sehr groß sein müsse.<br />
Huygens<br />
Christian Huygens (1629 - 1695) war sicher der bedeutendste, nämlich der vielseitigste, Gelehrte einer<br />
an berühmten Naturforschern wahrlich reichen Zeit. Er begründet <strong>die</strong> Wellentheorie ∗ des Lichts<br />
(in Anerkennung der früheren Ideen von Par<strong>die</strong>s und Hooke). Damit das Licht sich in einem Medium<br />
fortpflanzen kann, führte Huygens den elastischen Äther ein. Genau wie <strong>die</strong> Schallwellen sind<br />
Lichtwellen bei ihm longitudinal. Über <strong>die</strong> Entstehung der Farben schweigt er sich aus. Das nach ihm<br />
benannte Prinzip wurde von Kirchhoff 1882 streng mathematisch gefasst. Auf ihn geht der Begriff<br />
Trägheitsmoment zurück (physisches Pendel).<br />
Mit der Bestimmung der Bahnen der Planeten durch Kepler war <strong>die</strong> Physik vor <strong>die</strong> Aufgabe gestell, <strong>die</strong><br />
Kraftgesetze zu formulieren, <strong>die</strong> zu <strong>die</strong>ser Bewegung führen. Von Huygens stammt <strong>die</strong> Erkenntnis, daß<br />
<strong>die</strong> Kraft durch Größe und Richtung bestimmt ist; d. h. daß sie ein Vektor ist. Für <strong>die</strong> Zentrifugalkraft<br />
Z fand er (1673)<br />
Z = mv2<br />
a = mω2 a<br />
wobei m <strong>die</strong> Masse, v <strong>die</strong> Geschwindigkeit und a der Radius des Kreises ist. Basierend auf dem<br />
Galileischen Pendelgesetz entwickelt er eine Pendeluhr, welche 20 Jahre später Grundlage für Römers<br />
Bestimmung der Lichtgeschwindigkeit ist (und <strong>die</strong> für <strong>die</strong> Schiffahrt wichtig war zur geografischen<br />
Längenbestimmung).<br />
Hooke<br />
Robert Hooke (1635 - 1703) fand zwei wichtige Kräfte, welche in der Sprache der Zeit Gesetz genannt<br />
wurden:<br />
1. <strong>die</strong> harmonische Kraft der Federauslenkung aus der Ruhelage und<br />
∗ niedergelegt in ’Traité de la lumière’, Paris (1690)
436 ANHANG B. GESCHICHTE DER PHYSIK<br />
2. das 1<br />
a 2 Gesetz der Gravitation.<br />
Das erste wird auch heute noch Hookesches Gesetz genannt. Er kombinierte das 3. Keplersche Gesetz<br />
mit Huygens Zentrifugalkraft - Gesetz und fand (1666) für <strong>die</strong> Gravitationskraft F den Ausdruck<br />
F = const m<br />
a 2<br />
also das 1<br />
a 2 Gesetz.<br />
Beide Kräfte sind <strong>die</strong> wichtigsten der Physik: es sind <strong>die</strong> einzigen, <strong>die</strong> stets auf geschlossene Bahnen<br />
führen.<br />
Bei Hooke ist Licht eine transversale Welle. Damit erklärt er <strong>die</strong> bekannten Phänomene Prisma, Regenbogen,<br />
Farben dünner Plättchen. Er schreibt 1665 in ’Micrographia’ stolz: ’my theory is capable of<br />
explicating all the phenomena of colors, but of all that are in the world.’<br />
B.1.3 Newton<br />
Beides, das allgemeine Kraftgesetz und der besondere Ausdruck für <strong>die</strong> Gravitationskraft F , wurden<br />
✤von<br />
Newton in den Jahren von ✜1680<br />
bis 1685 gefunden und auf <strong>die</strong> Planetenbewegung angewendet.<br />
Die Newtonsche Gravitationstheorie ist eine Fernwirkungstheo-<br />
If I have seen farther than others it is<br />
rie, <strong>die</strong> Kraft F zwischen zwei <strong>Teil</strong>chen wirkt instantan, Raum und<br />
because I have stood on the shoulders<br />
of giants.<br />
Zeit sind absolut. Der Trägheitskompaß wird durch <strong>die</strong> Verteilung<br />
1675 der Sterne realisiert (überprüft und gedeutet im berühmten Eimer-<br />
✣<br />
✢versuch).<br />
Mit Isaac Newton (1643 - 1727) gibt es zum ersten (und bisher letzten) mal eine erfolgreiche Axiomatisierung<br />
der Physik nach dem Vorbild der Antike. Er formulierte <strong>die</strong> folgenden Axiome:<br />
Die drei Newtonschen Axiome<br />
Er formulierte <strong>die</strong> folgenden Axiome, <strong>die</strong> auch heute noch <strong>die</strong> klassische Physik korrekt beschreiben:<br />
1. Kraft = Masse×Beschleunigung<br />
Newton definiert <strong>die</strong> Kraft<br />
�F = m � b (B.1)<br />
wir definieren heute damit <strong>die</strong> träge Masse.<br />
2. Actio = Reactio<br />
Zu einer Wirkung besteht immer eine entgegengesetzt gerichtete und gleiche Gegenwirkung.<br />
3. Zwei punktförmige Massen ziehen einander an mit einer Kraft, <strong>die</strong> dem Produkt der Massen<br />
direkt und dem Quadrat ihrer Entfernungen voneinander umgekehrt proportional ist.<br />
�F = −G mM<br />
mM<br />
�a bzw. F = −G<br />
a3 a2 (B.2)<br />
Man sieht <strong>die</strong> Symmetrie der Gravitationskraft in den beiden Massen ausgedrückt: M <strong>die</strong> anziehende<br />
und m <strong>die</strong> angezogene, eine direkte Konsequenz aus Actio = Reactio. Die Gravitationskonstante G ist<br />
bis heute eine der nicht mehr deduzierbaren Fundamentalkonstanten der Physik.<br />
Newton hat damit als erster ein Inversionsproblem gelöst: gegeben sei <strong>die</strong> 3-dim Bewegung<br />
�x(t) (B.3)
B.1. NEWTONSCHE FERNWIRKUNG 437<br />
welches ist <strong>die</strong> Kraft, <strong>die</strong> zu <strong>die</strong>ser Bewegung führt? Antwort:<br />
..<br />
�x = 1<br />
m � F (B.4)<br />
Damit konnte er zeigen, daß <strong>die</strong> allgemeine Bewegung zweier Massen eine Kegelschnittlinie (Ellipse,<br />
Parabel, Hyperbel) ist. Newton kann deshalb zu recht (mit Galilei) als Begründer der <strong>Astrophysik</strong><br />
angesehen werden.<br />
Apfel und Mond<br />
Schon viel früher, nämlich 1665, hatte Newton (mit 22 Jahren) <strong>die</strong> Idee, <strong>die</strong> Kraft (der Erde) auf einen<br />
fallenden Apfel mit der auf den Mond zu vergleichen.<br />
Es ist lehrreich sich <strong>die</strong> Herleitung im einzelnen zu vergegenwärtigen und alle Voraussetzungen aufzuzeigen,<br />
<strong>die</strong> dazu notwendig waren: Die Zentrifugalbeschleunigung (s.o. Huygens) des Mondes beträgt<br />
Z = gMond =<br />
� �2 2π<br />
D<br />
P<br />
dabei ist P <strong>die</strong> Umlaufperiode und D <strong>die</strong> Entfernung Erde - Mond.<br />
Es gelten für <strong>die</strong> Zentrifugalbeschleunigung (heutiger Wert: gMond = 0.273 cm s −2 ) und für <strong>die</strong> Beschleunigung<br />
an der Erdoberfläche (heutiger Wert) g⊕ = 981 cm s −2 (s. o. Galilei). Nimmt man nun<br />
an, wie Newton das tat und wofür er von Kollegen kritisiert wurde, daß<br />
g⊕ = C⊕<br />
R 2 ⊕<br />
mit C⊕ = GM⊕<br />
ist, d. h. tut man so, als ob <strong>die</strong> Masse in einem Punkt konzentriert sei, so erhät man für den Quotienten<br />
g⊕/gMond:<br />
g⊕<br />
gMond<br />
=<br />
� D<br />
R⊕<br />
� 2<br />
Die Grobanalyse ergab (Erathostenes + Aristarch + Galilei) nun in der Tat 3600 = (60/1) 2 !<br />
Die genaueren Daten befriedigten Newton jedoch nicht und er gab <strong>die</strong> Bewegunglehre erst einmal auf.<br />
Es gab damals nämlich noch als rivalisierende Theorie <strong>die</strong> Wirbellehre von Descartes und <strong>die</strong> Daten<br />
schienen zusätzlich Wirbel für <strong>die</strong> Anziehung des Mondes zu verlangen. Wie aus der obigen Herleitung<br />
ersichtlich, geht an einer Stelle der Erdradius direkt ein: bei gMond.<br />
Erst als Jean Picard den Erdumfang neu vermessen hatte, wovon Newton zu seiner Zufriedenheit 1682<br />
erfuhr, seine Theorie stimmte!, konnte sein Freund Edmund Halley ihn dazu überreden, seine ’Principia’<br />
zu vollenden und zu publizieren, 1686, auf Halleys Kosten. Die Principia sind nach Demokrit der<br />
zweite bedeutende Versuch, <strong>die</strong> Physik zu axiomatisieren. Sie sind das einflussreichste Physik Buch,<br />
das je geschrieben wurde.<br />
Newton war nicht nur der erste, der eine Theorie entdeckte, welche bekannte Phänomene erklären<br />
konnte, hier also <strong>die</strong> Relationen:<br />
g⊕R 2 ⊕ = C⊕ = GM⊕ = ω 2 MondD 3<br />
er war auch der erste, dem es gelang, eine solche Theorie durch Beobachtung zu überprüfen. (Die<br />
Vorhersage Hipparchs u.a. der Sternparallaxe konnte erst von Bessel bestätigt werden).<br />
Newton versuchte vergeblich, <strong>die</strong> in seiner Theorie auftretende Gravitationskonstante G zu messen.<br />
Das gelang erst Cavendish etwa 70 Jahre nach Newtons Tod, er war aber in der Lage G abzuschätzen:
438 ANHANG B. GESCHICHTE DER PHYSIK<br />
er nahm <strong>die</strong> Dichte der Erde zu ρ = 5 g cm −3 an (Eisen), bestimmte <strong>die</strong> (damals noch unbekannte!)<br />
Masse der Erde M⊕ und berechnete G nach der Formel<br />
G = g⊕R 2 ⊕<br />
M⊕<br />
zu G = 7.35 · 10 −8 cm 3 g −1 s −2 , was um 10% höher liegt als der heutige Wert, G = 6.6732298 · 10 −8<br />
cm 3 g −1 s −2 .<br />
• ZUSATZ (DIE BERECHNUNG DER MONDBAHN DURCH DELAUNAY)<br />
Nach den Worten Newtons war <strong>die</strong> Berechnung der Mondbahn das einzige Problem, welches ihm Kopfschmerzen bereitet<br />
hat.<br />
1847 begann der französische Astronom Charles Delaunay, <strong>die</strong> Bahn des Mondes im Feld der Erde und der Sonne mithilfe<br />
einer Störungstheorie zu berechnen. Er benötigte 10 Jahre für seine Formeln und weitere 10 Jahre zur Überprüfung. Die Ergebnisse<br />
wurden 1867 publiziert und galten bis 1970 (da niemand den Mut aufbrachte, <strong>die</strong> Gleichungen zu überprüfen). Erst<br />
mithilfe der Computer Algebra war eine Prüfung möglich. Es zeigte sich, daß Delaunay nur ein kleiner Fehler unterlaufen<br />
war, mit zwei Folgefehlern: alle damals unbeobachtbar von der Genauigkeit her.<br />
Die (lanzeitige) Berechnung der Mondbahn ist auch heute noch eines der schwierigsten Probleme der <strong>Astrophysik</strong> (Gezeitenreibung).<br />
Der Newtonsche Eimerversuch<br />
Newton sagt in seinen Principia: ’Der absolute Raum bleibt vermöge seiner Natur und ohne Beziehung<br />
zu einem äusseren Gegenstand stets gleich und unbeweglich.’ Er gibt dazu folgenden Versuch an.<br />
• ZUSATZ (NACHWEIS ZUM ABSOLUTEN RAUM)<br />
Man hänge ein Gefäß an einem sehr langen Faden auf, drehe denselben beständig im Kreise herum, bis der Faden durch <strong>die</strong><br />
Drehung sehr steif wird; hierauf fülle man es mit Wasser und halte es zugleich mit letzterem in Ruhe. Wird es nun durch<br />
eine plötzliche Kraft in entgegengesetzte Kreisbewegung gesetzt und hält <strong>die</strong>se, während der Faden sich ablöst, längere<br />
Zeit an, so wird <strong>die</strong> Oberfläche des Wassers anfänglich eben sein, wie vor der Bewegung des Gefäßes; hierauf, wenn <strong>die</strong><br />
Kraft allmählich auf das Wasser einwirkt, bewirkt das Gefäß, daß <strong>die</strong>ses (das Wasser) merklich sich umzudrehen anfängt.<br />
Es entfernt sich nach und nach von der Mitte und steigt an den Wänden des Gefäßes in <strong>die</strong> Höhe, indem es eine hohle Form<br />
annimmt. (Diesen Versuch habe ich selbst gemacht.) . . . Im Anfang, als <strong>die</strong> relative Bewegung am größten war,verursachte<br />
<strong>die</strong>selbe kein Bestreben, sich von der Achse zu entfernen. Das Wasser suchte nicht,sich dem Umfang zu nähern, indem es<br />
an den Wänden emporstieg, sondern blieb eben, und <strong>die</strong> wahre kreisförmige Bewegung hatte daher noch nicht begonnen.<br />
Die Newtonsche Korpuskulartheorie des Lichts<br />
Zur Erinnerung: bei Huygens ist Licht longitudinal, bei Hooke transversale Welle im Äther. Newton<br />
erkärt im Gegensatz dazu Licht als Korpuskel (im Vakuum), welche von Materie angezogen werden. Er<br />
findet dementsprechen keine befriedigende Lösung für <strong>die</strong> Beugung. Er zerlegt 1672 als erster weißes<br />
Licht in Farben mit Hilfe eines Prismas und schreibt † : ’. . . that light itself is a heterogeneous mixture<br />
of differently refrangible rays.’<br />
Nach Newton sollte (wegen der Anziehung) <strong>die</strong> Lichtgeschwindigkeit im Medium größer sein als<br />
in Luft (Vakuum). Er nahm an, daß <strong>die</strong> Farben durch <strong>die</strong> Größe der Korpuskel bewirkt werde: der<br />
roten Farbe entsprachen <strong>die</strong> größten <strong>Teil</strong>chen, der gelben Farbe mittlere und schließlich der blauen <strong>die</strong><br />
kleinsten <strong>Teil</strong>chen.<br />
Er stellt fest, daß er beim Hämmern in der Ferne erst das Licht und dann den Schall beobachtet. Seine<br />
Versuche <strong>die</strong> Lichtgeschwindigkeit zu messen waren (ebenso wie <strong>die</strong> von Galilei vorher) vergeblich,<br />
Römers Bestimmung akzeptierte er nicht.<br />
† Phil. Trans. 6, 3075 (1671 - 1672)
B.1. NEWTONSCHE FERNWIRKUNG 439<br />
• ZUSATZ (VERGLEICH DER LICHT-THEORIEN)<br />
Mit seiner Korpuskel Theorie stellt Newton sich ganz bewusst gegen Hooke und Huygens. Vom damaligen Standpunkt<br />
aus betrachtet waren beide unbefriedigend: Huygens konnte <strong>die</strong> Farben, Newton <strong>die</strong> ihm bereits bekannte Beugung nicht<br />
erklären.<br />
In beiden Theorien ist <strong>die</strong> Lichtgeschwindigkeit konstant. Römer (1644 - 1710) — ein dänischer Astronom, der mit Domenico<br />
Cassini am Observatorium von Paris arbeitete — errechnete <strong>die</strong>se 1676 aus der Verspätung einer Verfinsterung eines<br />
der Jupitermnde (Umlaufszeit um Jupiter 42.5 Stunden) um 20 Sekunden <strong>die</strong> zu 300 000 km/s. (In der Zeit entfernt sich <strong>die</strong><br />
Erde um 4.5 Mio km von Jupiter). Nur Huygens glaubte damals daran.<br />
Grundlage einer solchen Messung ist eine Uhr, <strong>die</strong> über ein Jahr auf 1 Sekunde genau geht (20 Jahre vorher von eben<strong>die</strong>sem<br />
Huygens erfunden, s.o.).<br />
B.1.4 Ausbau der Newtonschen Theorie<br />
Halley, ein Freund Newtons, vermutet, daß Kometenerscheinungen periodisch sind. Anhand von 25 historisch<br />
überlieferten Erscheinungen findet er <strong>die</strong> korrekte Periode, gestützt auf Newtons Methode, Kometenbahnen<br />
zu berechnen. Er behauptet, daß <strong>die</strong> Kometenerscheinungen aus den Jahren 1531, 1607<br />
und 1682 auf denselben Kometen mit einer Periode von 76 Jahren zurückzuführen sein könnten und<br />
sagt seine Wiederkehr für 1758 voraus. Der Komet wurde bei seinem tatsächlichen Erscheinen postum<br />
nach Halley benannt. (Letzte Wiederkehr 1986). Anhand von systematischen Differenzen zwischen historischen<br />
(Beschreibungen von) Sonnenverfinsterungen und aktuellen Beobachtungen entdeckt er <strong>die</strong><br />
Verlangsamung der Erdrotation, welche erstmals von Kant (Ob <strong>die</strong> Rotation der Erde sich geändert<br />
hat (1754).) als Abbremsung durch den Mond erkannt wurde.<br />
Kant erklärt (1755) ferner <strong>die</strong> Abplattung der Galaxis durch Rotation und betont erstmals <strong>die</strong> Bedeutung<br />
des Drehimpulses in der <strong>Astrophysik</strong>. Dargelegt in: Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des<br />
Himmels, oder Versuch von der Verfassung und dem mechanischen Ursprung des ganzen Weltgebäudes<br />
nach Newtonischen Grundsätzen abgehandelt. Er vermutet, daß einige Nebel eigenständige Inselwelten<br />
(Galaxien) sind.<br />
Die Newtonsche Mechanik wurde in zweierlei Richtungen im folgenden erweitert: zum einen wurde<br />
ein immer effektiverer und eleganterer mathematischer Apparat aufgebaut, an dem alle berühmten<br />
Mathematiker und Physiker (oft in erbitterter Konkurrenz zueinander) beteiligt waren. Von Euler und<br />
Lagrange bis zu Laplace, Gauß und Bessel reichen <strong>die</strong> berühmten Namen. Zum anderen wurde <strong>die</strong><br />
Punktmechanik zu einer Theorie der Gase (Thermodynamik), zur Hydrostatik (Lagrange) und zur Hydrodynamik<br />
(Euler) ausgebaut.<br />
Euler (1707 - 1783) — von Hause aus Mathematiker — betont ganz klar <strong>die</strong> Analogie zwischen Schallwellen<br />
(in Luft) und Lichtwellen (im Äther). Auf <strong>die</strong> Schwierigkeiten, welche das Licht bereitete,<br />
gehen wir in einem gesonderten Kapitel ein.<br />
Laplace<br />
Mit der Newtonschen Gravitation war zwar <strong>die</strong> Grundlage zur Beschreibung der Planetenbahnen gegeben,<br />
eine Erklärung, warum <strong>die</strong>se nahezu in einer Ebene liegen, konnte Newton nicht geben. Dies<br />
gelang erst Kant (1755) und Laplace (1796), welche <strong>die</strong> Bedeutung des Drehimpulses (für <strong>die</strong> Bildung<br />
der Planeten (Saturnringe), des Sonnensystems bzw. der Galaxis) erkannten. Erstes Modell des<br />
Sonnensystems (Urnebel).<br />
Darüber hinaus gab es noch eine schwerwiegende Diskrepanz bei der Planetenbewegung, <strong>die</strong> erst 100<br />
Jahre später ihre Erklärung fand: <strong>die</strong> grosse Anomalie von Jupiter und Saturn. Die Beobachtungen<br />
schienen darauf hinzudeuten, daß Jupiter in <strong>die</strong> Sonne stürzen würde und Saturn aus dem Sonnensystem<br />
fliegen würde. Die praktische Lösung Newtons bestand darin, daß Gott von Zeit zu Zeit einzugreifen<br />
hätte und <strong>die</strong> Bahnen korrigieren müßte, <strong>die</strong> physikalische wurde von Laplace (1799) geliefert:<br />
es handelt sich um eine Resonanz der Umlaufperioden im Verhältnis (5:2). Diese ist aber mit 11.8 yr
440 ANHANG B. GESCHICHTE DER PHYSIK<br />
und 29 yr nicht perfekt, das Aufschaukeln der Bahnstörung dauert nur etwa 500 Jahre, nach 900 Jahren<br />
ist der alte Zustand wieder erreicht.<br />
B.1.5 Zusammenfassung<br />
Mit der Newtonschen Punktmechanik und Gravitation erhält man folgende Vorschrift zur Beschreibung<br />
eines physikalischen Systems: gegeben seien <strong>die</strong> Orte und Geschwindigkeiten aller <strong>Teil</strong>chen, dann ist<br />
<strong>die</strong> zeitliche Entwicklung eindeutig bestimmt. Das Gravitationsfeld hat keine eigenen Freiheitsgrade.<br />
Dies war <strong>die</strong> philosophische Grundlage des Materialismus und Determinismus (an der sich sogar Lenin<br />
versucht hat).<br />
B.2 Licht: Relativität und Dualismus<br />
B.2.1 Optik<br />
Die Ideengeschichte des Lichts ist lehrreich und voller Überraschungen. Von Anfang an gibt es einen<br />
Dualismus der Anschauungen: Licht ist entweder Korpuskel (geometrische Optik) oder Welle (Interferenz).<br />
So lange wie man nicht fragt, woraus <strong>die</strong> Korpuskel bestehen, ist es sicher einfacher, Licht als <strong>Teil</strong>chen<br />
zu beschreiben. Einige einfache Konsequenzen <strong>die</strong>ser Theorie sind:<br />
1. (Newton) <strong>die</strong> Lichtgeschwindigkeit im Vakuum muß konstant sein.<br />
2. (Newton, Michell, Laplace) <strong>die</strong> Masse der Licht Korpuskel ist variabel. Aus einem schwarzen<br />
Loch entweicht kein Licht.<br />
3. (Soldner, 1804) Licht wird im Gravitationsfeld abgelenkt.<br />
Nimmt man dagegen an, daß Licht eine Welle ist, dann stellt sich <strong>die</strong> Frage, worin Licht sich ausbreitet.<br />
Zunächst nahm man an, daß dazu ein elastischer Äther notwendig sei und daß <strong>die</strong> Wellen sich darin<br />
longitudinal ausbreiten. Die Entdeckung der Polarisation (Malus, 1808) führte Young und Fresnel dazu,<br />
einen festen Äther zu postulieren. Diese etwas absurde Vorstellung wurde endgültig erst durch den<br />
Versuch von Michelson 1881 ad acta gelegt. Bis dahin versuchte man, <strong>die</strong> Eigenschaften des Äthers<br />
experimentell zu finden und mathematisch zu formulieren.<br />
In der Tat fand Maxwell seine Gleichungen, mithilfe eines detaillierten Modells des Äthers. Hertz und<br />
Heaviside zeigten dann aber, daß ein Vakuum genügt. Vakuum bedeutet dabei, daß das elektromagnetische<br />
Feld kontinuierlich ist wie der Raum, in dem es existiert. Lorentz (Minkowski, Poincaré) und<br />
insbesondere Einstein entdeckten dann ein zusätzliches Phänomen: <strong>die</strong> Konstanz der Lichtgeschwindigkeit.<br />
Die Maxwellsche Theorie des elektromagnetischen Feldes ist das Paradigma einer relativistischen<br />
Feldtheorie. Das Feld ist reell (Photon = Anti-Photon), es breitet sich im Vakuum dispersionsfrei mit<br />
Lichtgeschwindigkeit aus und erfüllt auch klassisch bereits <strong>die</strong> Unschärfe-Relation für Ort und Impuls.<br />
Was zur korrekten Beschreibung fehlt ist der diskrete Drehimpuls (Spin) und damit der <strong>Teil</strong>chencharakter<br />
des Photons.<br />
Das elektromagnetische Feld ist auch mathematisch ausgezeichnet: es ist <strong>die</strong> einfachste Darstellung<br />
zum Spin 1 mit besonders einfacher, nämlich linearer Wellengleichung. Damit gilt das Superpositionsprinzip,<br />
Solitonen entfallen.<br />
Die korrekte Beschreibung von Licht ist allerdings nur möglich, falls seine Wechselwirkung mit Materie<br />
(Moleküle oder Atome) bekannt ist. Die Beobachtung führt zu dem (klassisch unverständlichen)
B.2. LICHT: RELATIVITÄT UND DUALISMUS 441<br />
Befund, daß zwischen Atom und Welle der Austausch von Energie nur in diskreten Einheiten (Quanten<br />
mit Spin eins) erfolgt. Diese Plancksche Hypothese wurde ursprünglich als Rechenvorschrift formuliert,<br />
mit der Hoffnung, daß das wahre Feld im Grunde doch kontinuierlich sei. Die Plancksche<br />
Hypothese wird jedoch direkt im Photo-Effekt und im Compton-Effekt verifiziert, was Einstein dazu<br />
führte, das Konzept der Lichtquanten (Photonen) zu postulieren. Daran hat sich bis heute nichts mehr<br />
geändert. Realisiert werden <strong>die</strong>se Vorstellungen mithilfe der Quantenfeldtheorie.<br />
B.2.2 Das Licht und seine Quellen<br />
Überblick<br />
Der Atomismus wurde in der Neuzeit von Newton, D. Bernoulli, Lavoisier und Dalton vertreten. Daniel<br />
Bernoulli vertritt (1733) <strong>die</strong> These, daß Wärme eine Form der kinetischen Energie vermittels von<br />
Stößen ist. Wichtige Schritte wurden getan von Dalton mit seinem Gesetz der multiplen Proportionen<br />
und von Avogadro. Dieser prägte den Begriff Molekül und er hat als erster <strong>die</strong> Auffassung vertreten,<br />
daß Atome sich chemisch zu Molekülen verbinden. Er fand erstmals <strong>die</strong> nach ihm benannten Anzahl<br />
der Moleküle im Volumen (bei gleichem Druck und gleicher Temperatur, N = N(V, P, T )). Die<br />
Mehrzahl der Chemiker (im Gegensatz zu den meisten Physikern) hatte bis zum Beginn des 20ten<br />
Jahrhundert <strong>die</strong>se Vorstellung übernommen.<br />
Gegen den Atomismus stand der Plenismus, vertreten von von Descartes (1596 - 1650) und Leibniz<br />
(1646 - 1716). Nach <strong>die</strong>ser Vorstellung war <strong>die</strong> Welt kontinuierlich angefüllt mit Materie, einen leeren<br />
Raum gibt es nicht. Die Mehrzahl der Physiker bis zum Beginn des 20ten Jahrhundert hatten <strong>die</strong>se<br />
Vorstellung.<br />
In <strong>die</strong>sem Zusammenhang stellte sich mit Aufkommen der modernen Physik mit Galilei <strong>die</strong> Frage<br />
nach dem Wesen von Licht. Von Anfang an gab es einen Dualismus, allerdings zunächst ebenso wie<br />
in der Antike nur der Anschauungen. In <strong>die</strong>sem Fall standen sich Huygens mit seiner Wellentheorie<br />
und Newton, der dem Licht <strong>Teil</strong>chencharakter zusprach, im Wettstreit gegenüber, welcher durch <strong>die</strong><br />
Autorität Newtons im Sinne der Korpuskulartheorie entschieden wurde. Huygens konnte Beugung,<br />
Interferenz (und Polarisation), Newton dagegen <strong>die</strong> Brechung von Licht beim Übergang von einem<br />
Medium ins andere elegant erklären. Um <strong>die</strong> Brechung im dichteren Medium (zur Normalen hin)<br />
erklären zu können, muß man annehmen, daß <strong>die</strong> Geschwindigkeit von Licht im dichteren Medium<br />
größer ist als in Luft.<br />
1842 entdeckte Christian Doppler den nach ihm benannten Effekt an Schallwellen und sagte einen<br />
analogen Effekt für das Licht der Sterne voraus. Dieser wurde von H. Fizeau 1848 (zwar nicht am<br />
Kontinuum, sondern) an Spektrallinien der Sterne für möglich erachtet und erstmals von Huggins 1868<br />
nachgewiesen.<br />
Trotz beeindruckender Arbeiten von Arago, Malus, Young und Fresnel zur Wellennatur des Lichts<br />
dauerte es bis bis 1850, als Fizeau und Foucault erstmals <strong>die</strong> Wellengeschwindigkeit des Lichts in<br />
Materie messen konnten. Damit war gezeigt, daß <strong>die</strong> Newtonsche Vorstellung falsch war. Da man sich<br />
<strong>die</strong> Ausbreitung von Licht im Vakuum nicht vorstellen konnte und da <strong>die</strong> Fresnelsche Deutung der<br />
Polarisation transversale Lichtwellen forderte, wurde ein hypothetischer elastischer Äther eingeführt,<br />
in dem solche Wellen sich ausbreiten konnten. Maxwell begründet bereits 1860 seine Lichttheorie. Die<br />
Arbeiten von Hertz zeigen experimentell <strong>die</strong> Richtigkeit der Maxwellschen Theorie und das gesamte<br />
Gebiet der optischen Erscheinungen wird damit <strong>Teil</strong> der Elektrodynamik.<br />
Die klassische Epoche<br />
Bradley (1692 - 1762) — Astronom in Greenwich — bestätigt 1727 <strong>die</strong> Entdeckung Römers, welche bis dahin<br />
keine allgemeine Anerkennung gefunden hatte, durch Entdeckung und Messung der Aberration des<br />
Lichts.
442 ANHANG B. GESCHICHTE DER PHYSIK<br />
Dalton, J. (1766 - 1844) — engl. Chemiker — entwickelt, aufgrund von metereologischen und physikalischen<br />
Beobachtungen eine Atomtheorie. Er nannte <strong>die</strong> kleinsten <strong>Teil</strong>chen Atome. Ordnet <strong>die</strong> chemischen Elemente<br />
nach ihren relativen Massen. Schreibt Formeln für chemische Verbindungen. ’Gesetz von der Erhaltung<br />
der Masse’. ’Gesetz der konstanten und multiplen Proportionen’ (1804).<br />
Avogadro, Francois Amadeus (1776 - 1856) entdeckt, daß gleiche Raumteile verschiedener Gase <strong>die</strong> gleiche<br />
Anzahl kleinster <strong>Teil</strong>chen haben müssen. Solche <strong>Teil</strong>chen können sich bei chemischen Reaktionen spalten.<br />
Betrachtet Gase als aus Molekülen bestehend und unterscheidet als erster klar zwischen Molekülen und<br />
Atomen. Die Anzahl Moleküle eines Mols heißt ihm zu Ehren Avogadro’sche Zahl NA. Sie wurde von<br />
J. Loschmidt 1865 zum ersten mal bestimmt und mit größerer Genauigkeit 1907 von J. Perrin zu NA =<br />
6 · 10 23 /Mol.<br />
Arago (1786 - 1853) stellt fest, daß Licht bei der Beugung teilweise polarisiert wird. Gemeinsam mit Fresnel<br />
(s.u.) kann er zeigen, daß senkrecht zueinander polarisierte Lichtstrahlen nicht miteinander interferieren.<br />
Malus, E. L. (1775 - 1812) entdeckt und benennt 1808 (beim Betrachten des Palais Luxembourg in Paris mit<br />
einem Kalkspat) <strong>die</strong> Polarisation des Lichts. (polar in Analogie zum Magnetismus).<br />
Young, Thomas (1773 - 1829) Interferenz von Licht.<br />
Fresnel, A. J. (1788 - 1827) erklärt <strong>die</strong> meisten optischen Phänomene aus einer (Wellen)Theorie des Lichtäthers ‡ .<br />
Er zieht aus seinen Versuchen mit Arago 1821 den Schluß, daß Licht transversal sein muß.<br />
Faraday, Michael (1791 - 1867) findet <strong>die</strong> Elementarladung 1833 aufgrund seiner Elektrolyse-Gesetze. Die<br />
Bezeichnung Ion (gr.: Wanderer) geht auf ihn zurück. Beweist den Erhaltungssatz der elektrischen Ladung<br />
mit dem Faraday-Käfig und dem Becher Versuch. Sein größter Beitrag zur Physik ist das Konzept des<br />
Feldes.<br />
Coulomb, Charles Augustin de (1736 - 1806) misst Ladungen mit dem (Knallgas) Coulo(mb)meter und entdeckt<br />
1785 <strong>die</strong> Leitfähigkeit der Gase bei der Entladung eines Elektroskops.<br />
Stoney, G. Johnstone () betont den Atomismus der Elektrizität und schlägt 1891 den Namen Elektron als Grundeinheit<br />
der Elektrizität vor. Der numerische Wert für e wurde 1874 von ihm abgeschätzt.<br />
Helmholtz, Hermann v. (1821 - 1894) war zunächst Arzt. In seiner Faraday Lecture 1881 betont er, daß e<br />
der kleinstmögliche Wert für eine Ladung ist: ’Wenn wir Atome der chemischen Elemente annehmen, so<br />
können wir nicht umhin, weiter zu schließen, daß auch <strong>die</strong> Elektrizität, positive wie negative, in bestimmte<br />
elementare Quanten geteilt ist, <strong>die</strong> sich wie Atome der Elektrizität verhalten’.<br />
Joule, James Prescott (1818 - 1889) bestimmt 1851 <strong>die</strong> erste (mikroskopische) Molekülgröße: <strong>die</strong> mittlere kinetische<br />
Geschwindigkeit.<br />
Fizeau, H. (1819 - 1896) misst als Erster <strong>die</strong> Lichtgeschwingigkeit terrestrisch und bestätigt den von Römer<br />
gefundenen Wert. Bestätigt 1851 eine Vorhersage Fresnels zum Mitführungskoeffizienten (in stömendem<br />
Wasser).<br />
Foucault, Leon (1819 -1868) — von Haus aus Mediziner — misst 1850 <strong>die</strong> Lichtgeschwindigkeit v in Wasser<br />
und beweist damit <strong>die</strong> Richtigkeit der Hookeschen Vorstellungen (v < c, nach Newton hätte v > c gelten<br />
sollen).<br />
Michelson, A.A. (1852 -1931) misst mit einer verbesserten Foucaultschen Versuchsanordnung sogar <strong>die</strong> Dispersion<br />
der Lichtgeschwindigkeit (in Schwefelkohlenstoff). Zusammen mit Morley findet er, daß im Vakuum<br />
<strong>die</strong> Lichtgeschwindigkeit unabhängig von der (Erd)Bewegung ist.<br />
‡ ’Mémoire sur la diffraction de la lumière’, Paris (1819)
B.2. LICHT: RELATIVITÄT UND DUALISMUS 443<br />
Maxwell, James Clark (1831 - 1889) begründet 1860 <strong>die</strong> Lichttheorie (basierend auf Faradays Vorstellung<br />
des Feldes und des Verschiebungsstroms). Das gesamte Gebiet der optischen Erscheinungen wird damit<br />
<strong>Teil</strong> der Elektrodynamik. Bestimmt 1860 <strong>die</strong> zweite (mikroskopische) Molekülgröße: <strong>die</strong> mittlere freie<br />
Weglänge.<br />
Zeeman, Pieter (1865 - 1943) entdeckt (nach erfolglosem Vorversuch von Faraday) <strong>die</strong> Linienaufspaltung im<br />
Magnetfeld an der Na D-Linie. Auf Grund <strong>die</strong>ses Experimentes entwickelt H. A. Lorentz eine einfache<br />
Theorie des Elektrons.<br />
Lorentz, Hendrik Antoon (1853 - 1928) Überarbeitete 1875 in seiner Dissertation <strong>die</strong> Fresnelsche Wellentheorie<br />
des Lichts und beschreibt Brechung und Reflexion ausschließlich mit transversalen Wellen und erweitert<br />
1892 mit seiner Elektronentheorie <strong>die</strong> Maxwellsche Theorie für Materie. (Dispersion u. Stossdämpfung).<br />
’Versuch einer Theorie der elektrischen und optischen Erscheinungen in bewegten Körpern’ Leiden (1895)<br />
u. ’Theory of Electrons’ Teubner (1909). Dabei bleibt das Elektron ein Fremdling in der Elektrodynamik<br />
(so Einstein). Auch heute kann man nicht erklären, was ein Elektron zusammenhält. 3/4 seiner Ruhmasse<br />
sind rein el.mag. Ursprungs; 1/4 rührt von Wirkungen her, <strong>die</strong> nicht im Bereich der Maxwellschen Theorie<br />
liegen.<br />
Larmor, Sir Joseph (1857 - 1942) Formel für el. Dipolstrahlung (1897) und für <strong>die</strong> Präzession eines Elektrons<br />
im Magnetfeld (Larmor-Präzession)<br />
Hertz, Heinrich (1857 - 1894) krönt <strong>die</strong> Wellentheorie durch <strong>die</strong> Entdeckung el. mag. Wellen am 13.11.1886<br />
(und des Photoeffekts 1887). Hertz fasste <strong>die</strong> Situation 1889 wie folgt zusammen: ’Die Wellentheorie<br />
des Lichts ist, menschlich gesprochen, Gewissheit; was aus derselben mit Sicherheit folgt, ist ebenfalls<br />
Gewissheit.’ Als <strong>die</strong>s gesagt wurde hatte<br />
Hallwachs, Wilhelm (1859 -1922) bereits nach Vorarbeiten von Hertz den ’äusseren lichtelektrischen Effekt’<br />
genauer untersucht und das war der Anfang vom Ende der klassischen Physik. Nach Einsteins Erklärung<br />
widmete Hallwachs sich erneut der Lichtelektrizität und trug massgeblich zur Entwicklung der Photozelle<br />
bei.<br />
Der Übergang<br />
Von einer Krise zur andern.<br />
Röntgen, Wilhelm Konrad (1845 - 1923) endeckt 1895 seine X-Strahlen und erhielt dafür als erster den Nobelpreis<br />
für Physik (1901). 1909 konnte C. G. Barkla <strong>die</strong> Wellennatur der Röntgen-Strahlung durch Streuversuche<br />
nachweisen.<br />
Laue, Max von (1879 - 1960) Die Wellenlänge der Röntgenstrahlung konnte erstmals von M. von Laue 1912<br />
durch Beugungsversuche an Kristallen gemessen werden. Er fand für <strong>die</strong> Wellenlänge etwa 10 −8 cm.<br />
Goldstein, Eugen (1850 - 1930) benennt 1876 <strong>die</strong> Kathodenstrahlung, entdeckt und benennt 1886 <strong>die</strong> Kanalstrahlen<br />
und entdeckt 1907 <strong>die</strong> Funkenspektren ionisierter Atome.<br />
Thomson, Joseph John (1856 - 1940) ionisiert 1896 Gase mit Röntgenstrahlen und identifiziert <strong>die</strong> dabei entstandenen<br />
Ionen als mit denen der Elektrolyse identisch. 1897 Entdeckung des (freien) Elektrons. Dies ist<br />
damit das erste Elementarteilchen. Bestimmung von e/m. Die Bezeichnung Elektron bürgert sich jedoch<br />
erst nach 1910 ein. Durch Ablenkungsversuche an Ionen konnte er <strong>die</strong> Existenz von Isotopen (Ne20 und<br />
Ne22) zeigen. Er entwirft ein Billardkugel Modell vom Atomkern, wo gleich viel negative und positive Ladungen<br />
homogen verteilt sind. Streuformel für Streuung von Licht an freien Elektronen. Durch Vergleich<br />
von e/m für ein Wasserstoff-Ion sagt er ein Massenverhältnis Proton/Elektron von 1836 voraus.<br />
Becquerel, Henri (1852 - 1908) entdeckt und benennt 1896 <strong>die</strong> (natürliche) Radioaktivität an Uranerz (Pechblende).
444 ANHANG B. GESCHICHTE DER PHYSIK<br />
Curie, Pierre (1859 -1906; Curie-Gesetz des Magnetismus, Piezoelektrizität) und<br />
Curie, Marie (1867 - 1934) entdecken und stellen 1898 das bis dahin unbekannte Radium auf chemischem<br />
Wege (später auch Polonium) her. Für 0.1g Radium brauchten sie 1 Tonne Pechblende.<br />
Lenard, Philipp (1862 - 1947) klärt 1897 <strong>die</strong> Natur der Kathodenstrahlung (Elektronen der Ladung −e und<br />
Masse m). Bestimmt e/m beim Photoeffekt und identifiziert so <strong>die</strong> emittierten <strong>Teil</strong>chen als Elektronen.<br />
Wien, Willy (1864 - 1928) entdeckt <strong>die</strong> Protonen. Mit Hilfe von Gasentladungen an Wasserstoff bestimmt er<br />
e/m, welches mit dem von Wasserstoff-Ionen übereinstimmte. Er räumt so mit der Anodenstrahlung<br />
(Kanalstrahlung) auf.<br />
Rutherford, Ernest (1871 - 1937) gelingt es 1902 (gemeinsam mit Soddy) <strong>die</strong> von Madame Curie entdeckte<br />
radioaktive Strahlung in drei Gruppen aufzuspalten, welche sie α, β, und γ Strahlung nennen. Er schlägt<br />
1911 sein Atommodell (Kern aus Protonen, Hülle aus Elektronen) nach Streuversuchen mit α-<strong>Teil</strong>chen<br />
vor. 1919 führte er den ersten künstlichen Kernzerfall durch, indem er N-Atome mit α <strong>Teil</strong>chen (des<br />
Radium-C) beschoß, wobei er Protonen (und O) erhielt: N(α,p)O. Aus dem Vergleich der Atommassen<br />
und der Kernladung schloß er auf <strong>die</strong> Existenz eines neutralen <strong>Teil</strong>chens, welches er Neutron nannte, von<br />
der Masse eines Protons. Die Bezeichnung Proton für den Wasserstoffkern geht ebenfalls auf Rutherford<br />
zurück. Das Proton ist somit nach dem Elektron das 2. entdeckte Elementarteilchen.<br />
Einstein, Albert (1879 - 1955) führt 1905 das Photon ein und erklärt so den Photoeffekt. Die Energie E eines<br />
Photons ist durch das Plancksche Wirkungsquantum h mit der Frequenz ν verbunden: E = hν. Ebenfalls<br />
1905 formuliert er <strong>die</strong> Grundlagen der speziellen Relativitätstheorie. Die Konstanz der Lichtgeschwindigkeit,<br />
d. h. das Ergebnis des Michelson-Morley Versuchs, ist bei Einstein Grundpostulat.<br />
Millikan, Robert Andrews (1868 - 1953) misst (nach Vorarbeiten von Townsend und J. J. Thomson) <strong>die</strong> Elementarladung<br />
e 1909 an Öltröpfchen.<br />
Franck, James (1882 - 1964) führt gemeinsam mit<br />
Hertz, Gustav (1887 - 1975) – Neffe von H. Hertz –<br />
1911 seinen Versuch zur Überprüfung der Quantenhypothese durch.<br />
Bohr, Niels Henrik David (1885 - 1962) begründet 1913 sein quantisiertes Atommodell.<br />
Sommerfeld, Arnold (1868 - 1951) fasst 1919 in seiner ’Theorie des Atombaus und der Spektrallinien’ <strong>die</strong><br />
Quantenphysik zusammen, wo auch relativistische Effekte berücksichtigt sind. Von ihm stammt <strong>die</strong> Feinstrukturkonstante<br />
α. Auf Grund einer Zufallsentartung kann seine relativistische Formel quantitativ <strong>die</strong><br />
Feinstruktur der Spektrallinien erklären. Nicht erklären lassen sich <strong>die</strong> Feinstruktur beim Zeemann-Effekt,<br />
der Stern-Gerlach Versuch und <strong>die</strong> Dublett Aufspaltung der Na D-Linie.<br />
Compton, Arthur Holly (1892 - 1962) erklärt 1923 (Phys. Rev 21, 207, 438; 22, 409) <strong>die</strong> Ergebnisse seiner<br />
Streuexperimente mit X-Strahlen mit Hilfe von Photonen und korrigiert <strong>die</strong> Thomsonsche Streuformel.<br />
Der Wirkungsquerschnitt für <strong>die</strong> Compton-Streuung wurde 1929 von O. Klein u. Y. Nishina berechnet (Z.<br />
Phys. 52, 853, 1929).<br />
Weyl, Hermann (1885 - 1955) (1920) ’Eichinvarianz’.<br />
Die Quantenära<br />
Aus der Krise ins Desaster.<br />
Broglie, Louis-Victor de (1892 - 1976) behauptet <strong>die</strong> Welleneigenschaft für <strong>Teil</strong>chen mit der Wellenlänge λ =<br />
h/mv. Nature 112 (1923) 540; Doktorarbeit (1924); Ann. de Phyique 10, 2 (1925). Seine Überlegungen<br />
(λ = h/mv) wurden sofort von Davisson und Germer 1927 an Elektronen und von O. Stern an Atomen<br />
durch Interferenz bestätigt.
B.3. QUANTEN - FELDTHEORIE 445<br />
Uhlenbeck, George E. (1900 - ) und<br />
Goudsmit, Samuel (1902 - ) führen (trotz Warnungen von H. A. Lorentz und W. Pauli, halbzahliger Drehimpuls<br />
sei Unsinn) 1925 den Spin des Elektrons ein (Naturwiss. 13 (1925),953 und Nature CXVII (1926), 264).<br />
’Spinning Electrons and the structure of the spectra’.<br />
Heisenberg, Werner Karl (1901 - 1976) begründet 1925 seine Form der Quantenmechanik (’Über quantenmechanische<br />
Umdeutungen kinematischer und mechanischer Beziehungen’). Schafft mit Max Born und<br />
Pascual Jordan <strong>die</strong> ’göttinger Matrizenmechanik’. Formuliert 1927 seine Unschärferelation. (’Über den<br />
anschaulichen Inhalt der quantentheoretischen Kinematik und Mechanik’. Z. Phys. 43, 1927, 172).<br />
Born, Max (1882 - 1970) und<br />
Jordan, Pascual (1902 - 1980) schreiben 1925 zum ersten mal <strong>die</strong> Vertauschungsrelationen für Ort und Impuls:<br />
P Q − QP = (h/2πi)I.<br />
Schrödinger, Erwin (1887 - 1961) formuliert 1926 seine Wellengleichung. Ann. d. Phys. 79 (1925) 361 u. 489;<br />
80 (1926), 437; 81 (1926), 109. Er zeigte 1926, daß Heisenbergs Matritzenrechnung und seine Wellengleichung<br />
nur verschiedene Darstellungen ein und derselben Theorie sind.<br />
Pauli, Wolfgang (1900 - 1958) postuliert 1924 den Kernspin, um <strong>die</strong> Hyperfeinstruktur zu erklären. Ebenfalls<br />
1924 formuliert er (durch <strong>die</strong> Annahme einer zusätzlichen Quantenzahl für das Elektron) sein Ausschließungs-<br />
Prinzip für Fermionen . Den Spin akzeptierte er erst, als L. H. Thomas 1926 mit einer relativistischen Herleitung<br />
<strong>die</strong> richtige Spin-Bahn Wechselwirkung fand. Daraufhin beschreibt er 1927 den Spin des Elektrons<br />
mit seinen Matrizen (welche bei Hamilton Quaternionen hießen). Sagt 1930 das Neutrino voraus § . Klärt<br />
1940 den Zusammenhang zwischen Spin und Statistik.<br />
Dirac, Paul Adrien Maurice (1902 - ) verbindet 1928 Quantenmechanik mit Relativitätstheorie und begründet<br />
damit den Spin des Elektrons theoretisch. Zweite Quantisierung der QED. Vorhersage des Anti-Telchens<br />
(Positrons). Problem der Divergenzen.<br />
Anderson, Carl David (1905 - ) entdeckt (ebenso wie unabhängig Joliot-Curie) und benennt 1932 das Positron<br />
beim radioaktiven Zerfall. 1933 findet er Positronen bei Paarerzeugung in der kosmischen Strahlung.<br />
Feynman, Richard ()<br />
Schwinger, Julian () und<br />
Tomonaga () gelingt <strong>die</strong> ’Renormierung’ der QED (1948).<br />
B.3 Quanten - Feldtheorie<br />
B.3.1 Faraday und Maxwell: Feldwirkung<br />
Mit Faraday (1791 - 1867) und Maxwell (1831 - 1879) vollzieht sich ein lang erwarteter Paradigmenwechsel<br />
in der Physik. Der neue Begriff ist der des Feldes und seiner Wirkung. Er stammt von<br />
Faraday (Lines of Force) und wurde von Maxwell zu einer Theorie der Elektrodynamik ausgebaut.<br />
Die Kraftübertragung in <strong>die</strong>ser Theorie wurde zwar anhand eines falschen mechanischen Bildes (eines<br />
Äthers) entwickelt, von <strong>die</strong>sem bleibt aber zum Schluß nur <strong>die</strong> Konstanz der Lichtgeschwindigkeit<br />
übrig.<br />
§ Nachgewiesen von Reines u. Cowan (1956)<br />
Proc. Roy. Soc. A117, 610 (1928) u. A118, 351 (1928)
446 ANHANG B. GESCHICHTE DER PHYSIK<br />
B.3.2 Felder<br />
Bis zu Gauß, Weber und Riemann war <strong>die</strong> Newtonsche Fernwirkung das Vorbild bei der Suche nach<br />
den Gleichungen der Elektrodynamik. Am Anfang steht das Coulombsche Gesetz der Elektrostatik,<br />
das direkte Analogon des Newtonschen Gravitations-Gesetzes.<br />
Allerdings führt <strong>die</strong> Vereinigung von schwacher und elektromagnetischer Wechselwirkung (Weinberg<br />
- Salam Theorie) zu der überraschenden Erkenntnis, daß das elektromagnetische Feld nur eine Komponente<br />
von insgesamt vier Feldern ist, <strong>die</strong> alle nichtlinear gekoppelt sind.<br />
Damit kann man <strong>die</strong> Frage, was Licht ist, nicht mehr beantworten. Der Grund dafür liegt in der Quantelung<br />
der gesamten Physik. Diese impliziert umgekehrt, daß <strong>Teil</strong>chen sich als Welle verhalten können.<br />
Die Antwort auf <strong>die</strong> Frage Korpuskel oder Welle ist abhängig vom Experiment bzw. von der Energie.<br />
B.4 Einstein und <strong>die</strong> Geometrie<br />
B.4.1 Gauß und Riemann<br />
Auch <strong>die</strong> Kosmologie beginnt erst in <strong>die</strong>sem Jahrhundert, mit Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie<br />
(ART). Die Grundlagen dazu waren von Gauß und Riemann 50 Jahre vorher gelegt worden. Beide<br />
hätten bereits zu <strong>die</strong>ser Zeit <strong>die</strong> Newtonsche Gravitationstheorie zu einem konsistenten kosmologischen<br />
Modell ausbauen können.<br />
In der Newtonschen Gravitationstheorie ist Kosmologie nicht möglich: Die Gravitationskraft ist an jedem<br />
Punkt wegen der unendlichen Reichweite unendlich! Nimmt man aber ein statisches Universum<br />
mit endlichem Radius, so stürzt es zusammen. Newton behalf sich mit der Vorstellung eines unendlichen<br />
und, aus Symmetriegründen, kräftefreien Universums. Solch ein Universum ist aber instabil und<br />
müßte expan<strong>die</strong>ren oder kollabieren.<br />
ART<br />
Gleiches gilt für <strong>die</strong> ART, wo <strong>die</strong> Verhältnisse allerdings noch etwas komplizierter sind. Hier gibt<br />
es zwar widerspruchsfreie kosmologische Modelle, allerdings keine statischen. Diese sind nur durch<br />
eine Abänderung der einfachsten Version der Theorie, nämlich mit einem sog. kosmologischem Glied<br />
möglich.<br />
Newton und Einstein hätten also <strong>die</strong> Expansion des Kosmos voraussagen können, da nur eine entsprechende<br />
kinetische Expansions – Energie den Kollaps des Universums verhindern kann. Gauß und<br />
Riemann hätten dazu noch eine negative Raumkrümmung finden können.
Literatur<br />
Empfohlene Literatur<br />
Das Lehrbuch The Physical Universe von Frank Shu umfasst <strong>die</strong> gesamte <strong>Astrophysik</strong>, Kosmologie<br />
und Kosmogonie (Biologie). Das Buch Universe von William J. Kaufmann, III, liefert <strong>die</strong> Bilder dazu.<br />
1. Shu, Frank H. The Physical Universe 1982, University Science Books, Mill Valley, California<br />
2. Kaufmann, W. J. Universe 1991, Freeman, New York<br />
Ideale und sehr preiswerte Ergänzungen dazu <strong>die</strong> beiden Bücher von Carl Sagan, s.u. Unser Kosmos<br />
und Blauer Punkt im All. Letzteres mit spektakulären Bildern der Planeten.<br />
Gesamtdarstellungen<br />
1. Hoyle, F. Astronomy and Cosmology 1975, Freeman, San Francisco<br />
2. Menzel, D. H., F. L. Whipple und G. De Vaucouleurs Survey of the Universe 1970, Prentice Hall,<br />
Englewood Cliffs, New Jersey<br />
3. Mihalas, D. Galactic Astronomy, 1968, Freeman, San Francisco<br />
4. Mihalas, D. Stellar Atmospheres, 1970, Freeman, San Francisco<br />
5. Scheffler, H. und H. Elsässer Physik der Sterne und der Sonne, 1974, Bibliografisches Institut,<br />
Mannheim Wien Zürich<br />
6. Scheffler, H. und H. Elsässer Bau und Physik der Galaxis 1982, Bibliografisches Institut, Mannheim<br />
Wien Zürich<br />
7. Unsöld, A. und Baschek, B. Der neue Kosmos 1988, Springer Verlag, Berlin Heidelberg New<br />
York<br />
8. A. Weigert und H.J. Wendker Astronomie und <strong>Astrophysik</strong> 1989, VCH Verlag, Weinheim<br />
Einzeldarstellungen<br />
Wissenschaftliche Darstellungen<br />
Nach Sachgebieten geordnet<br />
447
448 ANHANG B. GESCHICHTE DER PHYSIK<br />
Physik der Sterne<br />
1. Bahcall, J.N. Neutrino Astrophysics 1989, CUP<br />
2. Clayton, D.D. Principles of stellar Evolution and Nucleosynthesis 1973, McGraw Hill, New<br />
York<br />
3. Kippenhahn, R. und A. Weigert Stellar Strucure and Evolution 1990, Springer Verlag, Berlin<br />
Heidelberg New York<br />
4. Oberhummer, H. Kerne und Sterne 1993 Barth, Leipzig Berlin Heidelberg<br />
5. Rolfs, C.E. und W. Rodney Cauldrons in the Cosmos 1988, University of Chicago Press<br />
6. Shu, F. The Physics of Astrophysics 1991, University Science Books, Mill Valley, California<br />
Interstellare Materie<br />
1. Spitzer, L. Physics of fully ionized gases 1967, John Wiley and Sons, New York<br />
2. Spitzer, L. Diffuse Matter in Space 1968, John Wiley and Sons, New York<br />
3. Fano, U. und L. Fano Physics of Atoms and Molecules 1972, University of Chicago Press,<br />
Relativistische <strong>Astrophysik</strong><br />
1. Lipunov, V. M. Astrophysics of Neutron Stars (ed. M. Harwit und R. Kippenhahn, ’A & A Library’<br />
vol. 12) 1994, Springer Verlag, Berlin Heidelberg New York<br />
2. Lyne, A.G. und F. Graham-Smith, Pulsare, Barth, Leipzig Berlin, 1993<br />
3. Longair, M.S., High energy astrophysics, CUP, Cambridge, 1981<br />
4. Schneider, P. and J. Ehlers and E.E. Falco Gravitational Lenses 1994, (ed.M. Harwit R. Kippenhahn,<br />
’A & A Library’, vol 13, Springer Verlag, Berlin Heidelberg New York<br />
5. Shapiro, S. L. und S. A. Teukolsky Black Holes, White Dwarfs and Neutron Stars 1983, John<br />
Wiley and Sons, New York<br />
Kosmologie<br />
1. Hawking, S.W. and G.F.R. Ellis The large scale structure of spacetime 1973, CUP, Cambridge<br />
2. Kane, G. Modern Elementary Particle Physics 1987, Addison-Wesley, New York<br />
3. Kolb, E. W. und M. S. Turner The Early Universe (Frontiers in physics No 69) 1990, Addison-<br />
Wesley, New York<br />
4. Rowan-Robinson, M. The cosmological distance ladder 1985, Freeman, San Francisco<br />
5. Sciama, D. W. Modern Cosmology 1971, Cambridge University Press
B.4. EINSTEIN UND DIE GEOMETRIE 449<br />
Sonstiges<br />
1. Bevington, Ph. R. Data Reduction and Error Analysis for the Physical Sciences 1969, McGraw<br />
Hill, New York<br />
2. Ecker, G. Theory of fully ionized pasmas 1972, Academic Press, New York<br />
3. Lee, T.D. Particle Physics and Introduction to Field Theory 1981, Harwood Academic Publisher,<br />
Chur London New York<br />
4. Press, W.H. und B.P. Flannery und S.A. Teukolsky und W.T. Vetterling<br />
Numerical Recipes In PASCAL 1988, CUP, Cambridge<br />
5. Sagdeev, R.Z. und D.A. Usikov und G.M. Zaslavsky Nonlinear Physics 1992, Harwood Academic<br />
Publisher, Chur London New York<br />
Populäre Darstellungen<br />
1. Alfven, H. Kosmologie und Antimaterie 1967, Umschau Verlag, Frankfurt<br />
2. Asimov, I. Die schwarzen Löcher 1977, Kiepenheuer & Witsch<br />
3. Börner, G. und J. Ehlers, Vom Urknall zum komplexen Universum, Piper Verlag, München /<br />
Zürich, 1993<br />
4. Greenstein, G. Der gefrorene Stern 1985, Econ Verlag<br />
5. Greenstein, G. Die zweite Sonne 1985, Econ Verlag<br />
6. Hawking, S. W. Eine kurze Geschichte der Zeit 1988, Rowolt, Hamburg<br />
7. Kaufmann, W. J. Universe 1991 Freeman, New York<br />
8. Kippenhahn, R. 100 Milliarden Sonnen 1980, Piper & Co Verlag, München Zürich<br />
9. Novikow, I. D. Evolution des Universums 1982, Teubner, Leipzig<br />
10. Sagan, C. Unser Kosmos 1982, Droemer & Knaur, München Zürich<br />
11. Sagan, C. Blauer Punkt im All 1996, Droemer & Knaur, München Zürich<br />
12. Verschuur, G.L. Interstellar Matters 1989, Springer Verlag, Berlin / Heidelberg / New York<br />
13. Weinberg, S. Die ersten drei Minuten 1981, dtv (Band 880)<br />
Lehrbücher<br />
1. Landau, L. D. und E. M. Lifschitz Theoretische Physik Bände I bis X, Akademie Verlag, Berlin<br />
2. Bergmann, Ludwig und Clemens Schaefer Lehrbuch der Experimentalphysik 1996 Bände 1 bis<br />
8, de Gruyter, Berlin<br />
3. Misner, Ch. W., K. S. Thorne und J.A. Wheeler Gravitation 1973, Freeman, San Francisco<br />
4. Struve, O. Astronomie 1962, de Gruyter, Berlin<br />
5. Weinberg, S. Gravitation and Cosmology 1972, John Wiley and Sons, New York
450 ANHANG B. GESCHICHTE DER PHYSIK<br />
Nachschlagewerke<br />
1. Allen, C. W. Astrophysical Quantities 1978, London, Athlone Press<br />
2. Hermann, Armin Lexikon Geschichte der Physik 1972, Aulis Verlag, Köln<br />
3. Lang, K. R. Astrophysical Formulae 1978, Springer Verlag, Berlin Heidelberg New York<br />
4. Morse P.M. und H. Feshbach Methods of Theoretical Physics 1991, McGraw Hill, New York<br />
5. Voigt, H. H. Abriss der Astronomie 1988, Bibliografisches Institut, Mannheim Wien Zürich
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Inhaltsverzeichnis<br />
Vorwort 3<br />
Einleitung 7<br />
1 Geometrie 1<br />
1.1 Die kosmischen Hierarchien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1<br />
1.2 Längen: Ra<strong>die</strong>n und Entfernungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10<br />
1.2.1 Entfernungen im Sonnensystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11<br />
1.2.2 Die nächste Umgebung der Sonne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15<br />
1.2.3 Die Milchstraße, unsere Heimat-Galaxie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25<br />
1.2.4 Daten einiger wichtiger Nachbargalaxien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48<br />
1.3 Galaxien bei anderen Frequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50<br />
1.3.1 Entdeckung neuer Objekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50<br />
1.3.2 Probleme der Bestimmung grosser Entfernungen . . . . . . . . . . . . . . . . 50<br />
1.3.3 Radio-Astronomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54<br />
1.3.4 Röntgen-Astronomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57<br />
1.3.5 Infrarot Astronomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62<br />
1.3.6 UV Astronomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63<br />
1.3.7 Gamma Astronomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64<br />
1.4 Die Metagalaxie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72<br />
1.4.1 Die 3 Stufen der Hierarchie im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72<br />
1.4.2 Superhaufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72<br />
1.4.3 Daten und Kataloge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72<br />
1.4.4 Überblick: Komponenten der Metagalaxie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79<br />
1.4.5 Die Lokale Gruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84<br />
1.4.6 Andromeda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87<br />
1.4.7 Galaxienhaufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88<br />
1.4.8 Der Lokale Superhaufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90<br />
1.5 Geometrie der Raumzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99<br />
1.5.1 Definitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99<br />
1.5.2 Kosmologie und Geometrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105<br />
1.5.3 Galaxien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111<br />
1.5.4 AGN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116<br />
1.5.5 Das kosmologische Entfernungsnormal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124<br />
1.6 Synopsis und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127<br />
1.6.1 Synopsis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127<br />
1.6.2 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129<br />
459
460 INHALTSVERZEICHNIS<br />
2 Gravitation 131<br />
2.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131<br />
2.2 Mechanik und Newtonsche Gravitationstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132<br />
2.2.1 Die Keplerschen Gesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134<br />
2.2.2 Streuung: Die Rutherford-Formel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139<br />
2.3 Die Massenhierarchie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145<br />
2.3.1 Mitglieder des Sonnensystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145<br />
2.3.2 Die Masse der Galaxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147<br />
2.3.3 Das Zweikörperproblem: Doppelsterne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150<br />
2.3.4 Massenbestimmung in Doppelsternsystemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153<br />
2.3.5 Die ISM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160<br />
2.3.6 Relativistische ISM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164<br />
2.4 Die Masse des Kosmos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166<br />
2.4.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166<br />
2.4.2 Die Dynamik des Kosmos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169<br />
2.4.3 Zum Nachschlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170<br />
2.4.4 Von Newton zu Einstein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172<br />
2.4.5 Die Bewegungsgleichung des Kosmos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177<br />
2.4.6 Die Massendichte des Universums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178<br />
3 Kernphysik: Altersbestimmung 185<br />
3.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185<br />
3.2 Problembestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186<br />
3.3 Altersbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188<br />
3.3.1 Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188<br />
3.3.2 Halbwertszeit radioaktiver Elemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190<br />
3.3.3 Die kosmische Strahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192<br />
3.4 Sternentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196<br />
3.4.1 Sternentwicklungszeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196<br />
3.4.2 Einzelsterne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197<br />
3.4.3 Abkühlen Weißer Zwerge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199<br />
3.4.4 Das Alter von Pulsaren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200<br />
3.4.5 Doppelsterne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203<br />
3.4.6 Das Relaxationsalter der Kugelsternhaufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203<br />
3.4.7 Das Evaporationsalter der Kugelsternhaufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207<br />
3.4.8 Das Alter des Universums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208<br />
4 Thermodynamik: Temperatur 211<br />
4.1 Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211<br />
4.1.1 Leuchtkraft und Temperatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211<br />
4.1.2 Das Spektrum der Linien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213<br />
4.1.3 Unerwartete Entdeckungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219<br />
4.2 Strahlung und ihre Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224<br />
4.2.1 Strahlungserzeugung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224<br />
4.2.2 Klassische Dispersionstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230<br />
4.2.3 Hohlraumstrahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238<br />
4.2.4 Quantenmechanik der Absorption und Dispersion . . . . . . . . . . . . . . . . 243<br />
4.2.5 Quellen: Thermodynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249<br />
4.2.6 Nichtthermische Strahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258
INHALTSVERZEICHNIS 461<br />
4.3 Die Thermodynamik des Kosmos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259<br />
4.3.1 Die Temperatur des Kosmos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259<br />
4.3.2 Der Kosmos heute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259<br />
4.3.3 Der frühe Kosmos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260<br />
4.3.4 Primordiale Elemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260<br />
4.4 Die Sterne: Leuchtkraft und Temperatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262<br />
4.4.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262<br />
4.4.2 Die Harvard-Klassifikation der Sterne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263<br />
4.4.3 Helligkeit und Farbe der Sterne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266<br />
4.4.4 Die Masse der Sterne. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268<br />
4.4.5 Das Hertzsprung-Russell Diagramm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271<br />
5 Hydrodynamik: Sternmodelle 275<br />
5.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275<br />
5.1.1 Physik der Sterne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275<br />
5.1.2 Kompendium: Physik der Sterne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276<br />
5.1.3 Hydrostatisches Gleichgewicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278<br />
5.1.4 Hydrodynamik: Sternpulsationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280<br />
5.1.5 Energieerzeugung durch Kernfusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282<br />
5.2 Analytische Sternmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282<br />
5.3 Hydrodynamisches Gleichgewicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286<br />
5.3.1 Die Grundgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286<br />
5.3.2 Wärmetransport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288<br />
5.4 Licht: Die grossen Entdeckungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291<br />
5.4.1 Die Sonne als Strahlungsquelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292<br />
5.4.2 Die interstellare Materie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295<br />
5.4.3 Hydrostatisches Gleichgewicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297<br />
5.4.4 Polytrope Sterne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298<br />
5.4.5 Eigenschaften polytroper Sterne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303<br />
5.4.6 Das Eddingtonsche Standardmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305<br />
5.4.7 Strömgrens Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309<br />
5.5 Stabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309<br />
5.5.1 Kollaps ohne Druck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310<br />
5.5.2 Lineare Störungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311<br />
5.5.3 Schallwellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313<br />
5.5.4 Das Jeans–Kriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313<br />
5.5.5 Stabilität der Sternpulsationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315<br />
5.5.6 Ein Extremalprinzip für Sternpulsationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320<br />
6 Planeten 323<br />
6.1 Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323<br />
6.2 Das Planetensystem der Sonne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325<br />
6.2.1 Einleitung: <strong>die</strong> Gestalt der Planeten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325<br />
6.2.2 Aufbau der Planeten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325<br />
6.3 Der innere Aufbau der Planeten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327<br />
6.3.1 Inkompressible Materie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327<br />
6.3.2 Die Zustandsgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329<br />
6.3.3 Die Zustandsphasen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330<br />
6.4 Die neun Planeten der Sonne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331
462 INHALTSVERZEICHNIS<br />
6.4.1 Jupiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331<br />
6.4.2 Die anderen Planeten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332<br />
6.4.3 Drehimpulsverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333<br />
6.5 Element- und Molekülverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336<br />
6.5.1 Ursprungsmasse der Planeten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337<br />
6.5.2 Die Atmosphären der Planeten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338<br />
6.6 Interplanetare Objekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339<br />
6.6.1 Die Hauptkomponenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339<br />
6.6.2 Kometen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341<br />
6.7 Probleme der Kosmogonie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342<br />
7 Die Erde. 345<br />
7.1 Physik der Erde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346<br />
7.1.1 Das Innere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347<br />
7.1.2 Kosmogonie der Erde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350<br />
7.1.3 Rotation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352<br />
7.1.4 Die Erdatmosphäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356<br />
7.1.5 Aufbau und Pulsation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363<br />
7.2 Astronomie der Erde. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364<br />
7.2.1 Der Mond . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364<br />
7.2.2 Rotation der Erde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369<br />
8 Die Sonne als Stern 377<br />
8.1 Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377<br />
8.1.1 Daten der Sonne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378<br />
8.1.2 Definition der Sonnentemperatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379<br />
8.1.3 Die Leuchtkraft der Sonne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379<br />
8.1.4 Das Energieproblem der Sonne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385<br />
8.1.5 Strahlungstransport und Lebensdauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386<br />
8.1.6 Die untere Grenzmasse für Sterne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387<br />
8.1.7 Die obere Grenzmasse und Leuchtkraft für Sterne . . . . . . . . . . . . . . . . 388<br />
8.2 Sternaufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389<br />
8.2.1 Strömgrens Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391<br />
8.2.2 Wasserstoffbrennen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394<br />
8.2.3 Das Standard-Sonnenmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399<br />
8.2.4 Elementsynthese und primordiales Helium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400<br />
8.2.5 Sonnen-Neutrinos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405<br />
8.3 Entwicklung der Sonne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 407<br />
8.3.1 Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 408<br />
8.3.2 Protosterne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410<br />
8.3.3 Die Ursonne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 414<br />
8.3.4 Das Ende der Sonne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 415<br />
A Datensammlung 417<br />
A.1 Astronomische Formeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 417<br />
A.1.1 Mittelwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 417<br />
A.1.2 Koordinatensysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 418<br />
A.2 Masssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 418<br />
A.2.1 Vielfache und <strong>Teil</strong>e der Einheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 418
INHALTSVERZEICHNIS 463<br />
A.2.2 Physikalische Masssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419<br />
A.3 Tabellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421<br />
A.3.1 Der Messier Katalog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421<br />
A.3.2 Fundamentalkonstanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424<br />
A.3.3 Zeit und Raum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424<br />
A.3.4 Umrechnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 425<br />
A.3.5 Formeln und Bezeichnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428<br />
A.3.6 Energie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429<br />
A.3.7 Kosmische Häufigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 430<br />
A.4 Pulsare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 431<br />
A.4.1 Pulsarparameter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 432<br />
B Geschichte der Physik 433<br />
B.1 Newtonsche Fernwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433<br />
B.1.1 Die ersten Weltmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433<br />
B.1.2 Der Anfang der <strong>Astrophysik</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433<br />
B.1.3 Newton . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 436<br />
B.1.4 Ausbau der Newtonschen Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439<br />
B.1.5 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 440<br />
B.2 Licht: Relativität und Dualismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 440<br />
B.2.1 Optik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 440<br />
B.2.2 Das Licht und seine Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 441<br />
B.3 Quanten - Feldtheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445<br />
B.3.1 Feldwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445<br />
B.3.2 Felder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 446<br />
B.4 Einstein und <strong>die</strong> Geometrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 446<br />
B.4.1 Gauß und Riemann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 446<br />
Literatur 447<br />
Glossar 451<br />
Literatur 458<br />
IV 459<br />
Tab 463<br />
Pic 465<br />
Index 465
464 INHALTSVERZEICHNIS
Tabellenverzeichnis<br />
1.1 Grundlängen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10<br />
1.2 Erde - Mond System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13<br />
1.3 Bekannte Sterne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16<br />
1.4 Algol . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18<br />
1.5 Entfernungs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23<br />
1.6 gal. Schwarz-Loch-Kandidaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26<br />
1.7 Tierkreiszeichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27<br />
1.8 Konstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28<br />
1.9 Offene Sternhaufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31<br />
1.10 Klassifikation der Sternhelligkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34<br />
1.11 Haufencharakteristika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36<br />
1.12 Populationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37<br />
1.13 Eichhaufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38<br />
1.14 Entfernung gal. Zentrum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41<br />
1.15 gal. Schwarz-Loch-Kandidaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41<br />
1.16 RR Lyrae Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44<br />
1.17 Entfernungsmodul . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44<br />
1.18 Eichklassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48<br />
1.19 Nachbargalaxien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48<br />
1.20 Die Lokale Gruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58<br />
1.21 Sco X-1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59<br />
1.22 Surveys . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65<br />
1.23 16 Multiwellenlängen PSR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68<br />
1.24 γ Repeater . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68<br />
1.25 opt. GRBs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70<br />
1.26 cD Galaxien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76<br />
1.27 Sonne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76<br />
1.28 Galaxientypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78<br />
1.29 Krebsnebelspektrum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79<br />
1.30 Modell der MWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81<br />
1.31 Nachbargalaxien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82<br />
1.32 LMC: Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85<br />
1.33 R136 Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86<br />
1.34 SMC: Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86<br />
1.35 Galaxienhaufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88<br />
1.36 Galaxiengruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90<br />
1.37 Vir A . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90<br />
1.38 Nachbarhaufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91<br />
1.39 Galaxienhaufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93<br />
465
466 TABELLENVERZEICHNIS<br />
1.40 Superhaufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94<br />
1.41 Typ Ia SNe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96<br />
1.42 Galaxien-Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111<br />
1.43 Galaxien in Kollision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113<br />
1.44 Fornax . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114<br />
1.45 N-Galaxien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115<br />
1.46 Cygnus A . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115<br />
1.47 Radio-Galaxien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116<br />
1.48 Seyferts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118<br />
1.49 AGN Kerne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118<br />
1.50 M104 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119<br />
1.51 Blasars . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120<br />
1.52 Blasars . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121<br />
1.53 Linien von QSR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122<br />
1.54 Doppel-Quasare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123<br />
1.55 Rotverschiebung I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123<br />
1.56 Rotverschiebung II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124<br />
1.57 Coma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125<br />
1.58 Entfernungs-Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128<br />
2.1 Mitglieder des Sonnensystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145<br />
2.2 Planet um 55 Cnc . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151<br />
2.3 SAX J1808.4-3658 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156<br />
2.4 Pulsar-Massen I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158<br />
2.5 Pulsar-Massen I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158<br />
2.6 Schwarz-Loch-Kandidaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159<br />
2.7 Pulsar-Planeten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160<br />
2.8 Cygnus A . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163<br />
2.9 phys. Prinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176<br />
3.1 Halbwertszeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190<br />
3.2 Elementäufigkeit I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195<br />
3.3 Elementäufigkeit II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196<br />
3.4 Alter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197<br />
3.5 Masse-Alter-Radius . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199<br />
3.6 Pulsare (kurze Orbitalperiode) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203<br />
4.1 Crab Nebel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221<br />
4.2 Maserentdeckungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228<br />
4.3 Krebsnebelspektrum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250<br />
4.4 Extreme Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252<br />
4.5 Teleskope geordnet nach Frequenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256<br />
4.6 VHE Photonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256<br />
4.7 Leuchtkraft Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256<br />
4.8 Atom Einheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257<br />
4.9 Leuchten der Erdatmosphäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264<br />
4.10 UBV Helligkeitssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267<br />
4.11 Hauptreihe: Temperatur und Leuchtkraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272<br />
4.12 Hauptreihe: Masse - Radius Beziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273<br />
4.13 Leuchtkraftklassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273
TABELLENVERZEICHNIS 467<br />
5.1 Stern-Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276<br />
5.2 Daten zu Nebeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296<br />
5.3 Polytrope . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303<br />
5.4 Pulsperioden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317<br />
6.1 Kugelfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326<br />
6.2 Parameter der Planeten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332<br />
6.3 Die Planeten: Drehimpulsbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334<br />
6.4 Titius-Bode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334<br />
6.5 Die schweren Elemente in der Sonne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336<br />
6.6 Planeten Ursprungsmasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337<br />
6.7 Interplanetare Objekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339<br />
6.8 Solare Elementhäufigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340<br />
6.9 Evaporation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341<br />
6.10 Kosmogonie und Hierarchie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343<br />
7.1 Pulsperioden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348<br />
7.2 Zerfallszeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349<br />
7.3 Monddaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364<br />
7.4 Monat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364<br />
8.1 Abgeleitete Größen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 382<br />
8.2 Sonnenphotosphäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396<br />
8.3 Standardmodell der Sonne. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399<br />
A.1 Fundamentalgrößen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424<br />
A.2 Naturkonstanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427<br />
A.3 Energie Umrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429<br />
A.4 Kosmische Häufigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 430<br />
A.5 Pulsarparameter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 431<br />
A.6 Pulsarparameter II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 432
468 TABELLENVERZEICHNIS
Abbildungsverzeichnis<br />
1.1 Längenhierarchie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6<br />
1.2 Erdbahnparallaxe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11<br />
1.3 Sternstromparallaxe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32<br />
2.1 Keplerbahn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134<br />
2.2 Anomalie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137<br />
2.3 Apex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152<br />
6.1 Jupiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332<br />
7.1 Aufbau der Erde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363<br />
469