Ausgabe 45 12/2005 - HSV-Supporters
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supporters news<br />
spielberichte<br />
von kopenhagen bis köln<br />
texte | philipp markhardt<br />
fc kopenhagen – hsv 0:1<br />
Es macht dieser Tage Spaß <strong>HSV</strong>-<br />
Fan zu sein. Zum Beispiel, wenn<br />
man zur Arbeit kommt und sieht, dass<br />
der Chef und der Klempner aus dem 1.<br />
Stock gerade die Hoheluftchaussee mit<br />
einer <strong>HSV</strong>-Fahne beflaggt haben. Oder<br />
wenn man die Mopo aufschlägt und liest,<br />
dass Hamburg eben doch Blau-Weiß-<br />
Schwarz ist und es überhaupt keinen<br />
Spaß mehr macht Fan eines unterklassigen<br />
Ex-Lokalrivalen zu sein. Besonders<br />
aber, wenn man die Tage bis zur<br />
Abfahrt nach Kopenhagen zählt und<br />
merkt, dass es immer weniger werden.<br />
Wie dem auch sei: 25 Busse (sagt<br />
Lutz) plus Zug-, Auto- und Kleinbusfahrer,<br />
insgesamt also circa 6000 Hamburger,<br />
wollten sich dieses so wichtige Spiel<br />
nicht entgehen lassen. Dementsprechend<br />
voll war es auch um kurz nach<br />
sechs am ZOB. Im Bus 1, der als dritter<br />
abfuhr (Dank an die verspäteten Personen!),<br />
sollte es zügig zum Fähranleger<br />
gehen. Dort wartete bereits die angekündigte<br />
Grenzkontrolle, die wieder<br />
einmal der Beweis dafür war, dass das<br />
Schengener Abkommen in Deutschland<br />
wirklich keine Sau interessiert, wenn<br />
man vor Fußball-Großveranstaltungen<br />
nur genug Panik verbreitet. Darin<br />
verstehen sich die Behörden ganz hervorragend.<br />
So war in der Mopo zu lesen,<br />
das BKA habe eine Prognose herausgegeben,<br />
nach der 500 Hooligans<br />
die dänische Hauptstadt heimsuchen<br />
wollten. Das hatte für die Anhängerschar<br />
zur Folge, dass Wartezeiten von<br />
40 Minuten und mehr anstanden und außerdem<br />
Einblicke in den ganz eigenen<br />
Humor von Ottos Wach- und Schließgesellschaft.<br />
Ein Dialog bei der Ausweis-<br />
52<br />
rückgabe: „Meyer?“ – „Hier!“ – „Müller?“<br />
– „Hier!“ – „Schulze?“ – „Hier!“<br />
– Sie dürfen nicht ausreisen.“ – Schweigen<br />
– „Höhö, war nur n Scherz, höhö!“*<br />
Lustig, Du XXXXXX! Nun gut, Resultat<br />
der Kontrolle: 5500 überprüfte Personen,<br />
geradezu furchteinflößende 15<br />
(!) Festnahmen und ca. 150 Hooligans<br />
des <strong>HSV</strong> in Kopenhagen, die friedlich<br />
tranken und feierten. Ob diese Kontrolle<br />
nun ein Erfolg oder das gekonnte<br />
Verschwenden deutscher Steuergelder<br />
war, möge jeder für sich selbst entscheiden.<br />
Zurück zum amüsanten Teil:<br />
Auf der Fähre waren fast ausschließlich<br />
<strong>HSV</strong>er vertreten, der Shop machte dementsprechend<br />
gute Umsätze im Getränkesegment.<br />
Nach der Überfahrt ging es<br />
zügig nach Kopenhagen, wo der Busfahrer<br />
die Besatzung freundlicherweise an<br />
der nächstbesten Tränke aussteigen ließ<br />
(„20 Minuten nach Spielende seid ihr am<br />
Bus, sonst fahr ich ohne euch!“). Praktischerweise<br />
lag das Etablissement am<br />
Rathausplatz, der sich im Laufe des Tages<br />
schnell mit Hamburgern füllte, die<br />
auch recht gut zu feiern wussten. FCK-<br />
Fans suchte man vergebens. Am Stadion<br />
dann beinahe italienische Verhältnisse<br />
am Einlass: Jeder drängelte, schubste<br />
und quetschte sich irgendwie hinein.<br />
Karte zeigen? Kontrolle? Fiel aus wegen<br />
ist nicht und schon war der Block<br />
erreicht. Schon ein geniales Stadion, der<br />
„Parken“. Steile Tribünen, gute Akustik,<br />
der Hamburger Anhang sang sich bereits<br />
warm. Zum Einlaufen der Mannschaften<br />
gab es eine Halbstadion-Choreographie<br />
der Dänen und 5000 blaue,<br />
weiße und schwarze Krepp-Wurfrollen<br />
sowie mehrere Bengalische Feuer und<br />
orangefarbenen Rauch aus dem Gäste-<br />
sektor. Ein edler Anblick allemal und im<br />
Gegensatz zum Hinspiel auch ein vernünftiger<br />
Support in diesem Spiel, das<br />
so manchen an den Rand eines Herzinfarkts<br />
getrieben haben dürfte. Trotz<br />
drohenden Ausscheidens drehte der<br />
Gästemob am Ende noch mal richtig<br />
auf, auch, wenn nach 85 Minuten wohl<br />
der Großteil schon darüber nachdachte,<br />
wie die letzten Urlaubstage alternativ<br />
verballert werden könnten. In der Nachspielzeit<br />
dann das Unfassbare: Der konsternierte<br />
Schiedsrichter macht seinem<br />
Namen alle Ehre und wird zum wortwörtlichen<br />
Messias, dem Heilsbringer.<br />
Dieses bringt er in Form eines unberechtigten<br />
Elfmeters, den van der<br />
Vaart souverän verwandelte. Ein Jubelorkan<br />
auf der Gästetribüne, entsetztes<br />
Schweigen (glaub ich jedenfalls) im Rest<br />
des Vierecks. Nach dem Wiederanpfiff<br />
noch eine kurze Zeit des Bangens, danach<br />
aus, aus, aus, aus, aus! Der <strong>HSV</strong><br />
ist Weltmeister! Jedenfalls fast. Jubelszenen<br />
auf den Rängen und dem Rasen.<br />
Während die Spieler wild Fahnen<br />
schwenkten und die Fans zu x-ten Male<br />
die Frage beantwortet, wer Deutscher<br />
Meister wird, sprang der Vorstandsvorsitzende<br />
wie ein Flummi über das Spielfeld.<br />
Euphorie aller Orten, die auch eine<br />
Stunde nach dem Abpfiff nicht abebben<br />
wollte. Irgendwann, es war schon spät,<br />
musste dann doch der Weg zu den Bussen<br />
und die Rückfahrt angetreten werden.<br />
Anfängliche Jubelgesänge gingen<br />
über in halblauten Singsang und später<br />
in rhythmische Schnarchlaute. Hamburg<br />
lag noch im Dunkel der Nacht, als<br />
gegen sechs Uhr die Busse der Uefa-<br />
Cup-Helden die Hamburger Stadtgrenze<br />
überquerten und gen ZOB rauschten.